Malistas kleine Abenteuer von BloodcherryZz (Wahrheitsgetreue Schilderungen furchtbar Methaltiger Tavernenabende) ================================================================================ Kapitel 4: Entführung!! Oder: Eine kurze Abhandlung über die absonderlichen Ernährungsgewohnheiten gemeiner Goblins ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ich erwachte mit dem dicksten Kopf, den ich je hatte. Mit schweren Augenlidern setzte ich mich auf, um mich umzusehen. Wo zur Hölle war ich? Es war dunkel und kalt… eine Höhle? Vielleicht… es fiel mir schwer, klar zu denken. So viel hatte ich doch gar nicht getrunken. Ach nein… jetzt erinnerte ich mich an den Schlag, den ich auf den Kopf gekriegt hatte. Bei dem Versuch, mir an den schmerzenden Hinterkopf zu fassen, stellte ich fest, dass meine Hände am Rücken gefesselt waren. Verflucht. Es nützte nichts. Mühevoll versuchte ich, auf die Beine zu kommen und knallte gleich darauf wieder der Länge nach hin. Diese verfluchten Bastarde hatten mich auch an den Fußgelenken gefesselt. Ich wollte mein gesamtes Sammelsurium an dämonischen Flüchen loslassen, doch eine Goblinpranke, die sich auf meinen Mund legte, hinderte mich daran, sodass meine Tirade zu einem erstickten „Rmmmmmmmmmhhhhh!“ wurde. In Panik begann ich zu zappeln, doch es war nutzlos, die Fesseln saßen zu stramm. „Hmm… dämonisch… schmeckt lecker…“ Urghs… die wollten mich ja schon wieder fressen. Ein kräftiges Gebiss senkte sich in meinen Arm. „AAAUUUAAAH!“ Von wegen wollten. Die setzten das zielstrebig in die Tat um. Mit einem Kreischen schaffte ich es, trotz gefesselter Arme und Beine robbend ein Stück zurückzuweichen. Panisch betrachtete ich meinen Arm, aus dem (ein Glück) kein Stück fehlte, doch die Goblinhauer hatten merkliche Spuren hinterlassen. Das widerliche Geschöpf wollte gleich schon wieder an mir knabbern, als es von einem seiner Kumpanen weggerissen wurde. „Der Dämon is mir!“, knurrte er herausfordernd. Die Tatsache, dass ich darauf verzichtete seine mangelhafte Grammatik zu korrigieren deutete darauf hin, wie fertig ich war. Moment… das war doch der, dem Saphir den Liebestrank verpasst hatte, oder etwa nicht? Forschend betrachtete ich das dunkle, zerfurchte Gesicht, dem keine Gefühlsregung anzusehen war. Wie viel Zeit war vergangen? Wirkte der Trank noch? Das könnte ich zu meinem Vorteil nutzen… Das nächste was der Goblin schnarrte, ließ meine ohnehin spärliche Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzen. „Wir nehmen sie mit… lebendiger Proviant bleibt länger frisch.“ Bei diesen Worten drehte sich mir der Magen um, ein Gefühl, das sich nicht besserte als einer der Goblins mich auf seine Schulter schwang und sich schaukelnd in Bewegung setzte. Allein schon aus Prinzip (schließlich hatte ich einen Dämonenruf zu schützen) fauchte ich die Biester mit den übelsten Flüchen an, die sich in meinem Repertoire befanden. Und bevor Ihr, werter Leser, fragt: Nein, ich werde sie zu dieser Gelegenheit nicht wiederholen. Das ist eindeutig zu viel für unschuldige Ohren. Dass die Goblins mehr als schuldige Ohren hatten war mir schon vorher klar gewesen, bestätigte sich aber ein weiteres mal, da sie auf die wüsten Beleidigungen und Drohungen aus meinem Mund in keinster Weise reagierten. Ein bisschen beleidigt war ich da schon, immerhin gab ich mir größte Mühe… Doch schließlich gab ich das hoffnungslose Unterfangen auf und betrachtete stattdessen meine Umgebung, die schaukelnd an mir vorbeizog. Ich hatte Recht gehabt: Die dunkle Kälte, in der ich aufwachte, war in der Tat eine Höhle gewesen, die wir nun verließen. Davor tat sich eine karge, trostlose Felsenlandschaft auf. Ich versuchte, die Gobbos zu zählen, die sich in der Gruppe befanden, doch das war unmöglich, denn ich hatte nie alle im Blick. Vielleicht waren es sechs oder so… Die Tatsache, dass es den Goblins Vergnügen zu bereiten schien, über jeden Felsen zu hüpfen, den sie erblicken konnten, sorgte dafür, dass die Reise für mich nicht bequemer wurde. Und dafür, dass wir uns in beträchtlichen Schlangenlinien bewegten. Es gab nämlich viele Felsen. So ging es den lieben (oder schrecklichen…) langen Tag. Die Goblins hüpften durch die Gegend, ohne dass sich ihr Tempo oder die Umgebung signifikant änderte. Nach einer Weile begann ich mich zu fragen, ob wir uns überhaupt vorwärts bewegten oder schlichtweg im Kreis liefen. Irgendwann argwöhnte mein durch Nichtstun unterfordertes Gehirn, dass dies alles nur eine Prüfung Lamoriels für meine Loyalität war und ich für meine Treue mit einer Gehaltserhöhung belohnt werden würde. Ich musste über dieser angenehmen Vorstellung eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug war es finstere Nacht und die Goblins schnarchten wie ein Sägewerk. Vor Aufregung überschlugen sich meine Gedanken: Das war meine Chance! Ich war zwar immer noch gefesselt, aber die Goblins hatten mich achtlos auf den Boden geworfen, ohne mich an einen Baum oder so anzuketten (nicht dass es einen gegeben hätte). Dummköpfe! Wenn ich nicht zu viel Lärm machte, könnte ich mich vorsichtig vom Lager der Mistviecher wegrollen. Also machte ich mich an die Arbeit: Langsam reckte ich meine Arme und Beine, wobei ich feststellte, dass alle vier durch langes unbequemes Liegen eingeschlafen waren (eine weitere Feststellung: keines meiner Körperteile fehlte, was mich zu der Vermutung führte, dass die Goblins heute ohne Abendessen schlafen gegangen waren). Dann versuchte ich möglichst geräuschlos über den Boden zu rollen. Das blieb ziemlich erfolglos, außer man zählt spitze Steinchen, die mir in den Rücken pieksten, zu Erfolg. Also fasste ich einen anderen Plan: Ich würde versuchen aufzustehen und wegzuhopsen. Selbst auf die Gefahr hin, dabei mehr Lärm zu verursachen, denn die Gobbos schliefen ohnehin wie die Steine um sie herum. Langsam setzte ich mich auf (mein Rücken gab dabei einige Besorgnis erregende Geräusch von sich) und bei dem Anblick, der sich mir auftat schwanden ein weiteres Mal alle meine bescheidenen Hoffnungen. Wir befanden uns in einem winzigen Talkessel, in dem gerade so Platz genug für alle war (Ich nutzte übrigens jetzt die Gelegenheit, meine Mitreisenden zu zählen: es waren tatsächlich sechs). Zu allen Seiten ragten ziemlich steile Felswände empor, die ich wohl nicht einmal hätte erklimmen können, wenn ich Arme und Beine frei gehabt hätte, geschweige denn gefesselt. Menno! Wie waren die Goblins bloß hier herunter gekommen?! Vermutlich waren es in Wirklichkeit getarnte Bergziegen… Für mich tat sich jedenfalls keine Möglichkeit zur Flucht auf und die Tatsache, dass die Goblins noch nichts von mir verspeist hatten beruhigte mich so weit, dass ich tatsächlich wieder eindöste und erst im Morgengrauen wieder dadurch erwachte, dass die Goblins beim Aufstehen eine Menge Lärm verursachten. Der zweite Tag verlief wie der erste. Ich wurde auf irgendeine Schulter gehievt und durch die Gegend getragen. Zuerst war ich gespannt, wie eine Gruppe schwer bewaffneter und noch schwerer gerüsteter Goblins bitteschön hier wieder herauskommen sollte. Sie schoben sich durch eine schmale Felsspalte, durch die sie vermutlich auch hineingelangt waren. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, sich als doch etwas pummliger Goblin mit ihren klobiger Rüstung durch die enge Ritze zu quetschen, doch zu meinem Erstaunen schafften es alle (auch wenn der Spalt dadurch wohl ein wenig breiter wurde). So ging es also Tag für Tag, immer im gleichen Trott. Weder bekam ich eine nutzbare Gelegenheit zur Flucht (mist…) noch wurde ich verspeist (ein Glück). Doch ich verlor jedes Gefühl für Zeit. Wie lange waren wir schon unterwegs? Wochen? Monate? Ich vertrieb mir die Zeit mit der Frage, was das eigentlich sollte. Welches Ziel hatten wir? Wie weit war es noch? Und, an erster Stelle: Würde ich vor unserer Ankunft verputzt werden? Doch dann, von einem Tag auf den anderen änderte sich die Stimmung. Ich verstand zwar die Sprache nicht, in der die Goblins miteinander grunzten, aber der Ton war plötzlich anders. Hatten sie sich vorher wenn überhaupt mal wütend angeschnarrt (oft wenn es darum ging, ob ich nun als Abendessen enden sollte oder nicht), unterhielten sie sich nun mehr und es klang… ja… voller Vorfreude. Ob das, auf was sie sich freuten zu meinem Vorteil war, sollte sich noch zeigen. Und tatsächlich, wenige Tage später offenbarte sich mir das Objekt ihrer guten Stimmung. Denn endlich erkannte ich die Landschaft wieder. Tatsächlich, ich wusste, wo ich war. Und in welche Richtung es ging. Das ließ meine erstorbenen Hoffnungen zur Flucht wieder neu aufkeimen. Tatsächlich, wir bewegten uns stetig in Richtung Taverne. Schließlich, als wir endlich die ausladenden Tore durchschritten, hatte ich sogar einen Plan, wie ich meine Flucht anpacken sollte. Ich ließ mich also schaukelnd weitertragen und wartete auf meine Gelegenheit. Die Goblins watschelten durch das Tor in den weiten Hof hinein, es war dunkel und nur wenige Grüppchen standen herum. Die meisten hatten sich um ein kleines Feuer versammelt, das in der Mitte eines Kreises aus roh behauenen Steinen flackerte. Ich hatte die letzte Stunde (hoffentlich recht überzeugend) so getan, als wäre ich eingeschlafen. Die Gobbos würden also nichts ahnend in den Schankraum spazieren, um sich die Hucke vollzusaufen, wo ich dann einen Riesenkrawall anzetteln würde. Irgendwer würde mir dann schon helfen. Ein solider Plan. So dachte ich jedenfalls, bis sich die Goblins mitten auf dem Hof unvermittelt nach links wendeten und auf die Treppe zustapften, die ich schon bei meinem letzten Besuch hier hinaufgestiegen war, damals um Saphir zu finden. Saphir. Der Gedanke an die hohlköpfige Priesterin ließ Wut in meiner Magengegend auflodern. Aber es half nichts. Hirnlose Priesterin hin oder her, ich musste mir einen anderen Plan ausdenken. Die Goblins erklommen die Treppe und wandten sich wieder nach links. Natürlich. Jetzt wurde mir auch klar wo sie hinwollten. Denn hier befand sich die „Gobbo-Ecke“, wie sie von einigen Tavernenbesuchern genannt wurde: Eine kleine Plattforn, die sich über dem übrigen Tavernengelände erhob. Schwere Säulen stützten ein Dach, das die anwesenden Goblins vor dem Regen schützte, der diese Gegend öfter heimsuchte. Nicht dass etwas Wasser diesen Wesen geschadet hätte. Niemand anders, außer vielleicht ein paar Orks, wagte es, dieses Plateau zu betreten, denn das bedeutete unausweichlich, dass man zum Abendessen blieb. Beziehungsweise als Abendessen, wenn Ihr versteht was ich meine… Oben angekommen begriff ich von einem Moment auf den anderen, dass nun wohl auch meine Zeit als Imbiss gekommen war. Ich wurde von der Goblinschulter abgeladen und eingekreist. In den grausamen schwarzen Augen meiner Entführer, die gelegentlich unter den schweren Helmen hervorblitzten konnte ich eindeutig unbändige Gier lesen. Na das konnte heiter werden. Mit aufgerissenen Augen und unfähig einen Laut von mir zu geben, beobachtete ich, wie einer von ihnen (ein Teil meines gebeutelten Verstandes registrierte, dass es der Anführer war), einen Dolch zog. Ich konnte meinen Blick nicht von der groben Klinge lösen, die im Licht des gerade aufgegangenen Mondes gefährlich schimmerte. Ohne weitere Vorwarnung senkte sich der Dolch in mein Bein. Der Schrei, der sich die ganze Zeit aufgestaut hatte und nur von meinem Entsetzen zurückgehalten wurde, brach sich nun Bahn. Kreischend stürzte ich auf den Boden und hielt mir die blutende Wunde. Der Goblin führte inzwischen, ohne den Blick von mir zu lösen den Dolch an sein Maul und leckte das Blut ab, das noch daran klebte. Hätte ich nicht solche Angst gehabt, wäre dies der Moment gewesen, mich zu übergeben. Zitternd vor Schmerzen und vor Panik versuchte ich mich von den Gobbos wegzuschieben, doch es war sinnlos. Mit meinem verletzten Bein war ich weniger denn je in der Lage die Flucht zu ergreifen. Die Goblins scharten sich um mich und drängten mich bis an die Mauer zurück, die Unvorsichtige daran hinderte, den Hang hinunterzukugeln, auf dem die Plattform erbaut war. Ich drückte mich so fest ich konnte dagegen, doch es gab kein entkommen. Grob wurde ich an den Schultern gepackt und hockgehoben. Mein Gesicht war nun nur noch wenige Handbreit von dem des Ungeheuers entfernt und ich wusste, dass mein Stündchen geschlagen hatte. Es ist vorbei, dachte ich in dem Moment, in dem der Goblin sein Maul aufriss um mir die Zähne in den Hals zu rammen. Ich kniff die Augen zusammen, doch der Schmerz blieb aus. Leicht verwundert blickte ich den Goblin an, der offenbar von einem Geräusch abgelenkt worden war, denn er starrte auf den dunklen Fleck, wo sich der Treppenaufgang zum Plateau befand. Nun hörte ich es auch. Ein Klappern, als würde sich jemand in einer schweren Rüstung die Treppe hinaufkämpfen. Da regte sich in mir wieder die Hoffnung. Jemand müsste meinen Schrei gehört haben und kam zu meiner Rettung! Noch war ich nicht verloren! Dem Goblinanführer musste etwas Ähnliches durch den Kopf gegangen sein, nur dass dieser Gedanke bei ihm keine Hoffnung auslöste. Mit einen Grunzen befahl er seinen Kameraden, sich kampfbereit zu machen. Wenn ich geglaubt hatte, ich würde mich im Kampfgetümmel ungesehen wegschleichen können, dann hatte ich mich gründlich getäuscht. Der Goblin packte mich noch fester, hielt mich vor sich wie einen Schild und drückte mir den immer noch blutbesudelten Dolch an die Kehle. Ich fand, dass dieser Moment für eine kleine Drohung wie geschaffen war und drehte mich halb zu dem Gobbo um. „Ich warne dich, kleiner Mistkerl, lass mich lieber los… Oder mein Meister wird dich bestrafen, wenn er dich in die Finger kriegt, du wirst in allen Höllenfeuern schmoren, während tausend Dämonen sich an deinem gegrillten Fleisch laben…“ Meine Ausführungen wurden aber von einer wohlbekannten Stimme unterbrochen. „Gebt sofort den Dämon frei!“ Von einer Mischung aus Erschrecken, Angst und Enttäuschung gepackt wandte ich mich zu der Gestalt um, die diese mutigen Worte ausgesprochen hatte. Mist. Es hatten wohl hundert Leute meinen lauten Schrei gehört, und von all diesen musste ausgerechnet er sich entscheiden, mir zur Hilfe zu eilen? Was war das bloß für eine Welt? Ja, werte Leser, Ihr ahnt schon, wer da in schimmernder Kettenrüstung und mit gezogenem Schwert stand, nicht wahr? Genau, wie konnte es auch anders sein. Mein alter Freund (bitte beachtet die Ironie, die ich in dieses Wort lege), der Paladin. Verflucht. Nicht dass ich es ihm nicht zugetraut hätte, mich ordentlich zu retten. Das Problem an der Sache war, dass ich keine Ahnung hatte, warum er das tat. Nur um mich sofort danach zu exorzieren? Oder hatte er etwas anderes vor? Selbst wenn er mich am Leben lassen wollte, war mir der Gedanke mehr als unangenehm, in der Schuld eines Paladins zu stehen. Hinter ihm stürmten nun auch andere Gestalten die Plattform. Ich erkannte ziemlich gerührt einige Mitglieder des Codex Temporalis. „Niemand rührt sich, oder der Dämon ist tot!“, knurrte der Goblin, der mich immer noch gefangen hielt und drückte den Dolch noch fester an meinen Hals, was mir ein ersticktes Keuchen entlockte. „Goblins“, meldete sich nun der Paladin zu Wort. Ich warf ihm einen Blick zu, in dem ich mein Flehen zum Ausdruck brachte er möge nichts Falsches sagen. „Ihr seid in der Unterzahl. Wenn dem Dämon etwas passiert seid ihr tot. Liefert sie aus und wir lassen euch am Leben.“ Nur mit Mühe konnte ich ein Schnauben unterdrücken. Ja, die Angreifer waren in der Überzahl. Doch sie bestanden größtenteils aus ungerüsteten Kämpfern, die nur leicht bewaffnet waren. Selbst ein blinder hätte erkannt, dass die Gobbos noch immer im Vorteil waren. Wieder schienen den Goblin, der mich fest hielt, ähnliche Gedanken umtrieben zu haben, denn er lachte laut auf. In diesem Moment eskalierte die Situation. Von dem keckernden Gelächter des Goblins provoziert, griffen meine Befreier, der Paladin allen voran, die Goblingruppe an. Auch die Gobbos, die ihre Waffen ohnehin schon gezückt hatten stürmten brüllend vorwärts. Von einem Augenblick auf den anderen wurde mir klar, dass ich meinen Wert als Geisel verloren hatte. Mir blieb nicht einmal Zeit zu fluchen, bevor die Goblinklinge in meinen Hals schnitt. Ich fiel zu Boden, ohne viel vom Kampfgetümmel mitzukriegen, das um mich herum entbrannt war. Es drang nur gedämpft zu mir vor, während ich beobachtete, wie mein Blut den Schnee dunkelrot färbte. Schnee?! Wie viel Zeit war vergangen? Als ich entführt wurde war es gerade einmal früher Herbst gewesen. Was würde Lamoriel mit mir machen, wenn er herausfand, dass ich so lange Zeit keine einzige Seele erbeutet hatte? Der Gedanke, dass ich selbst im Sterben noch Angst vor meinem Meister hatte, zauberte fast ein Lächeln auf mein Gesicht. Eine Explosion erschütterte den Boden. Offenbar hatte einer unserer Magier einen Feuerball auf einen Goblin abgeschossen, der nun brennend und in Panik herumrannte. Vage hörte ich, wie Klingen aufeinanderprallten, Schwerter Goblinrüstungen verbeulten und Goblinknüppel gegen Schilde schmetterten. Doch all das kümmerte mich nun herzlich wenig, denn Dunkelheit senkte sich über mich. „… Malista? Malista!“ „Mon Cher… bist du aufgewacht?“ „Herrin, geht es euch gut?“ „Auaaaa…“ Das letzte stammte von mir, denn als sich der Nebel vor meinen Augen lichtete, kehrte der Schmerz in diversen Körperteilen zurück. „Malista? Keine Angst, ich heile dich…“ Matt hob ich den Kopf und erblickte Priestin Leonie, die sich über mich beugte und ihre Götter bat, mich zu heilen. Ich wollte einwerfen, dass meine Wunden ihre Götter vermutlich einen feuchten Dreck interessierten, doch ich war zu schwach und mein Hals fühlte sich an wie eine Wüste. „Nischt reden, cherie…“ Ach. Das war Jeanne. Und wer noch…? Noch sah ich etwas unscharf, doch ich erblickte ein fellüberzogenes Gesicht mit diesen beunruhigenden Wolfsaugen. „Hektor…“ Mit der Zeit spürte ich, wie meine Wunden heilten und konnte mich bald aufsetzen. Noch leicht orientierungslos schüttelte ich den Kopf. Um mich herum herrschte rege Betriebsamkeit. Wir waren offenbar immer noch auf dem Plateau und umringt von unseren Verbündeten, die gerade die letzten Überreste des Kampfes beseitigten. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie jemand einen Goblinarm davon schleppte. Wie appetitanregend. Vorsichtig richtete ich mich auf. Offensichtlich war ich wieder einsatzfähig, wenn auch noch recht geschwächt. Lächelnd wandte ich mich Leoni zu, die etwas besorgt schaute. „Hab Dank. Deine Götter haben ganze Arbeit geleistet.“ Sie wollte etwas erwidern, doch wurde von Heilmagier Boran unterbrochen, der sich unserer kleinen Traube näherte. „Wie mir scheint haben wir euch den Arsch gerettet, Dämon.“ Arroganter Wichtigtuer, schoss es mir durch den Kopf. Mit einem Lächeln auf den Lippen erwiderte ich jedoch schelmisch: „Ich stehe wohl in eurer Schuld… Seid euch meiner Dankbarkeit sicher.“ „Von der Dankbarkeit eines Dämons halte ich nun wenig“, erwiderte er kühl. Wortlos wandte er sich um. Na dann eben nicht. „Jeanne? Sag mal, welchen Monat haben wir?“ Die Frage wurmte mich schon die ganze Zeit. „In einigen Nächten wird der elfte Mond verschwunden sein, cherie. Der Schnee kam dieses Jahr sehr früh.“ Also war doch nur etwas mehr als ein Monat vergangen, seit diese Goblins (mögen sie für immer in den Tiefen der Hölle schmoren!) mich entführt hatten. Nichtsdestotrotz würde Lamoriel mir was erzählen… Ich wurde aus diesen trüben Gedanken gerissen, als plötzlich am Rande meines Gesichtsfelds eine weiße Gestalt auftauchte. Aus irgendeinem Grund kochte Wut in mir hoch. Entschlossen erhob ich mich vollends und schritt zum Paladin. „Ich bin Euch wohl zu Dank verpflichtet“, versetzte mich mit einer Verachtung, die meine Worte Lügen strafen müsste. Kaum waren diese Worte ausgesprochen, verfluchte ich verfluchte ich mich selbst. Denn mir fiel wieder der Auftrag ein, den Lamoriel mir übertragen hatte. Komm hinter das Geheimnis des Paladins. Ziehe ihn auf unsere Seite. Ihn anzukeifen war da eindeutig die falsche Strategie, also entschied ich mich, die Worte versöhnlich abzumildern. „Doch verratet mir… warum kamt Ihr mir zu Hilfe?“, schnurrte ich mit (so hoffte ich) verführerischem Augenaufschlag. Er blickte mich nur einen Moment lang mit undurchdringlicher Miene an. „Seid das nächste Mal einfach vorsichtiger“. Mit diesen Worten auf den Lippen drängte er sich an mir vorbei. Ich hätte vor Wut fast geschrien! Da ließ der mich einfach stehen! Ich schickte ihm ein leises Knurren hinterher. War ja auch egal. Mit einem bitteren Lächeln wandte ich mich wieder zu meinen Freunden um. „Also auf die Geschichte brauche ich einen Met. Was ist mit Euch?“ Wie immer fand diese Idee breite Zustimmung. Kaum waren wir wieder zum Hof zurückgekehrt, da empfing uns schon die gesellige Menschenmenge, die hier stets herumlungerte. Allerdings war sie etwas kleiner als sonst, was wohl mit der schneidenden Kälte und dem herumliegendem Schnee zusammenhing. Umso angenehmer war es, als wir den warmen Schankraum betraten. Hier war es voll und es wäre zu einem ausgewachsenen Problem geworden einen freien Tisch zu finden, hätte der Codex Temporalis nicht gleich zwei freigehalten. Also marschierten wir mit unserem Metkrug zu den freien Plätzen an einer Bank und ließen uns nieder. Auf Drängen von Jeanne und Leonie gab ich die Geschichte meiner Entführung zum Besten, wobei wir Becher um Becher leerten. „Und dann“, lallte ich zwischen zwei Schlucken. „hat mir dieser gobbel… gobbi… Gobbolin doch tatsächlich innen Arm gestochen… und mein Blut geschlabbert…“ Meine Freunde gaben allesamt wie aus einem Mund angewiderte Geräusche von sich. Gerade wollte ich genüsslich meine Geschichte weiter ausschmücken, als ich von einem kleinen Tumult unterbrochen wurde, der direkt neben mir ausbrach. Meine Augen brauchten eine Weile um das Geschehen scharf zu erkennen. Offenbar stritt Ratsmitglied Goll mit einem Recken, der ebenso betrunken schien wie ich. Dieser Tatbestand bewog mich, in das Geschehen einzugreifen. „Nennt mir endlich euren Namen!“, befahl Goll gerade wutschnaubend. „Also, wenn ihr mich nett fragt und bitte sagt, verrate ich ihn vielleicht…“ Dies war die Sorte Situation, die sich qualvoll in die Länge ziehen konnte, also wandte ich mich an den Fremden. „Bitte…“, begann ich lächelnd. „werter Herr, würdet ihr mir die Freundlichkeit erweisen, mir zu verraten wie man euch nennt? Sonst weiß ich gar nicht mit wem ich anstoße…“ Mit den letzten Worten hob ich meinen Metbecher. Der angesprochene lächelte nach einem kurzen Blick in meine Augen und hob seinen eigenen Krug. „Ihr dürft mich Mortis nennen.“ Ich warf Goll einen selbstzufriedenen und triumphierenden Blick zu. „Hocherfreut“, erwiderte ich und stupste meinen Becher gegen den Mortis‘. „Mein Name ist Malista.“ Und schon waren wir im Gespräch. Den Verlauf desselbigen kann sich der geneigte Leser, so er meine Memoiren aufmerksam verfolgte, wohl lebhaft vorstellen. Genau: Nach einigem Geplänkel fragte ich geradeheraus, ob er mir nicht etwa seine Seele verkaufen wollte. Ein Ausdruck angestrengten Nachdenkens breitete sich auf seinem Gesicht aus. Nach einer Weile kam dann die überraschende Antwort. „Aber natürlich.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen. Da war tatsächlich mal jemand vertrottelt genug. Innerlich zählte ich schon die Goldstücke, die ich für die Seele dieses Dümmlings erhalten würde. Von der Steigerung meines Ansehens ganz abgesehen, denn Lamoriel würde äußerst erfreut sein zu hören, dass ich neben meiner neuen Aufgabe noch Zeit fand, Beute einzuholen. „Ich verlange dafür, dass ich meine Seele behalte.“ Ich fiel aus allen Wolken. Was hatte das für einen Sinn? Der Kerl war offenbar noch blöder als ich angenommen hatte. Im letzten Moment hielt ich die enttäuschte Schimpftirade zurück, die sich den Weg aus meinem Mund zu bahnen versuchte, und stimmte freundlichere Worte an. „Nun, ähm, das bringt weder Euch noch mir etwas. Ich hätte eine Menge zum Tausch anzubieten…“ „Könnt ihr mir meine Seele zum Tausch geben?“ „Nein…“ Und so drehte sich das Gespräch im Kreise, bis mein Geduldsfaden, der diesen Abend ungewöhnlich lang zu sein schien, schließlich doch riss. „Ihr habt doch nicht mehr alle Trinkhörner im Schrank! Bei allen sieben Höllenfeuern, nie habe ich mich mit einer beschränkteren Person unterhalten, ich könnte euch… ich könnte…“ Nicht einmal mir fiel ein, was mit so jemand anzufangen war. Meinen Kopf in den Händen begraben wandte ich mich von ihm ab. Selbst ich mit meiner nicht unbeträchtlichen Lebenszeit lehnte es entschieden ab, mir letztere von solch unwürdigen Kreaturen stehlen zu lassen. Da bevorzugte ich eindeutig einen zünftigen Metrausch. Gedacht getan, ich nahm einen tiefen Zug aus meinem Becher, als ich aus den Augenwinkeln eine kleine Gestalt bemerkte. Sie duckte sich scheinbar verängstigt halb hinter Golradir und beobachtete neugierig die Mitglieder des Codex, die am Tische zechten. Mit ein wenig Mühe versuchte ich sie in der warmen und verrauchten Tavernenluft deutlich zu erkennen (das hatte nichts, ich betone: überhaupt nichts mit meinem Metkonsum zu tun!). Es handelte sich um eine junge Frau, von auffallend kleiner Gestalt und mit leicht spitzen Ohren… ein Hobbit?! Diese Wesen beehrten die Taverne eher selten mit ihrer Anwesenheit. Normalerweise zogen sie es vor, sich auf ihren eigenen kleinen Gartenfesten nächtelang die Hucke vollzusaufen und nebenbei seltsame Gräser zu rauchen. Und natürlich so viel zu futtern, dass man annehmen musste, sie öffneten ein Tor in eine andere Dimension, da so viel Essen bei Anwendung gewöhnlicher Naturgesetze niemals in diesen kleinen Körperlein Platz finden würde. „Mitglieder des Codex Temporalis, ich bitte um Ruhe!“, erhob Golradir nun seine Stimme. Als das keine Wirkung zeigte, schnappte er sich meinen (dem Teufel sei Dank leeren) becher und klopfte damit dreimal auf dem Tisch. „Haltet jetzt endlich eure geschwätzigen Mäuler, ihr versoffenen Faulpelze!“ Widerwillige Stille trat an der Tafel ein. „Na bitte. Also, Retraner, es gibt eine gute Nachricht. Unser Codex hat wieder einmal Zuwachs bekommen. Begrüßt mit mir Rosemarie, den Halbling!“ Ich hatte also Recht gehabt. Ein Hobbit in unserer Taverne und dazu noch Mitglied unserer Vereinigung. Das versprach spannend zu werden. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, werte Leser, was für einen hohen Kurs Halblingseelen zurzeit auf dem Markt hatten… So hob ich also mit einem zufriedenen Lächeln mit den anderen meinen Becher und prostete auf das neue Mitglied. Ich würde schon meinen Nutzen daraus ziehen… Doch nun, meine treuen Leser werden meine Abenteuer euch fürs erste ermüdet haben und so verabschiede ich mich mit diesem Satz. Auf bald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)