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Mondentochter,Sonnensohn

Zwei Rassen die sich bekriegen. Und zwei Freunde, die jede Tradition brechen..
von

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Der Umzug

Der Umzug

Es war der erste Tag in den Sommerferien. Die Familie Heere traf sich morgens um neun zu einem gemütlichem Frühstück im großen Esszimmer ihrer Villa. Eine Villa konnte sich diese Familie wirklich leisten.

Ludwig Heere, das Familienoberhaupt, war ein erfolgreicher Rechtsanwalt von 48 Jahren. Er sah mit den schulterlangen grauen Haaren und den grünen Augen sehr edel und vornehm aus. Und mit seiner beeindruckenden Größe von 1,89 Metern machte er sogar dem Herrn Staatsanwalt etwas Angst.

Susanne Heere war die beste Augenärztin der Stadt und sah mit ihren 47 Jahren noch sehr gut aus. Ihr gutes Aussehen verteilte sich auf 1,75 Meter, lange rote Haare und braune Augen.

Die Zwillinge Markus und Martin ähnelten sich wie ein Ei dem anderen und wurden sogar in ihrem Betrieb ständig verwechselt. Sie waren beide Programmierer und erst 23 Jahre alt. Auch ihre Größe von 1,91 Metern und ihre schwarzen Haaren und braunen Augen waren absolut identisch!

Die erste Tochter war Lisa und eine Auszubildende Arzthelferin. Mit ihren 18 Jahren, den roten Haaren, grauen Augen und ihrer zierlicher Gestalt auf 1,74 Metern war sie ein echter Blickfang für Jungen.

Die letzte im Bunde war Aleidis. Sie war erst 17 Jahre alt, hatte dunkelblonde ellenbogenlange Haare und graugrüne Augen. Sie hatte die Realschule vor kurzem abgeschlossen und wollte weiter auf eine Kunstakademie gehen, aber das war gegen die Pläne ihres Vaters. Aleidis war zurückhalten und auch etwas schüchtern und unauffällig. Aber mit Fantasygestalten kannte sie sich aus wie niemand anderes.

Beim Frühstück war es so schweigsam wie immer. Aleidis knabberte an ihrer mit Marmelade bestrichenen Brotscheibe herum und überlegte, was sie jetzt in den Sommerferien tun könnte. Aber plötzlich brach ihr Vater das Schweigen. Er legte seine Semmel auf den Tisch und dann die Hände zusammen.

„Ich habe euch etwas zu sagen, was ich euch seit einem Jahr zusammen mit Eurer Mutter verschwiegen habe.“, begann er mit seine edlen, tiefen Stimme, „Vor einem Jahr habe ich von einem entfernten Onkel mehrere Millionen Euro geerbt. Ich habe damit, 500 Kilometer entfernt, ein Schloss gekauft und restaurieren und modernisieren lassen. Wir werden nächste Woche einziehen!“

Aleidis wollte protestieren, aber ihre Brüder kamen ihr zuvor. „Und unsere Arbeit?“, rief Markus aufgebracht. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Martin genau so wütend. „Darum habe ich mich gekümmert!“, beruhigte ihr Vater sie, „Als ich euren neuen Betrieb sagte, dass es eine Überraschung werden sollte haben sie mir eure Arbeitsverträge gegeben.“

„Und ich?“, fragte Lisa mit banger Stimme, „Was ist mit meiner Ausbildung?“ „Keine Sorge, das ist geregelt.“, meinte Ludwig, „Dein Ausbildungsbetrieb hat deine Ausbildung auf einen Betrieb in der Näher unseres Schlosses übertragen.“ Jetzt wollte Aleidis etwas sagen, aber ihr Vater schnitt ihr das Wort mit einer Handbewegung ab.

„Aleidis, du gehst nicht auf diese Kunstakademie.“, sagte er mit fester, bestimmender Stimme und kühlen Augen, „Du gehst auf eine Privatschule und lernst Latein. Dann kannst du Jura studieren und Anwältin werden!“

Aleidis spürte, dass ihr Vater keinen Widerspruch duldete und sie schwieg traurig. „Ihr werdet heute eure Sachen packen. Die Möbel lassen wir hier. Ich werde die Villa vermieten und zwar möbliert. Das Schloss ist hervorragend eingerichtet und sehr modern. Am Montag fahren wir hin.“

„Heute ist Samstag!“, stellte Martin fest, „Da müssen wir uns aber ganz schön ins Zeug legen! Wenn wir bis Montag alles fertig haben wollen!“ „Einige Sachen haben wir schon ins Schloss gebracht!“, warf Susanne ein, „um genau zu sein, den gesamten Inhalt des Dachbodens und des Kellers und noch einige andere Sachen.“

Aleidis starrte auf den Tisch während die anderen freudig über den Umzug redeten. Latein, auf einer Privatschule! Jura studieren, Anwältin werden. Das wollte ihr Vater von ihr, und was wollte sie selbst? Auf die Kunstakademie! Später vielleicht Künstlerin oder etwas in der kreativen Richtung werden! Diese Träume rannen ihr aus den Händen, als würde sie versuchen Wasser mit hohlen Händen zu schöpfen. Ihre Träume und Pläne rannen ihr zwischen den Fingern hindurch und wieder in den Bach und weit weg, ins Unerreichbare, ganz weit weg, wo sie begraben werden würden.

Kurz nach dem Frühstück ging Aleidis auf ihr Zimmer und begann langsam ihre Schränke auszuräumen. Ihr Vater brachte noch schnell fünf Umzugkartons vorbei, dann kümmerte sich wirklich jeder in der Familie um seine eigenen Sachen.

Aleidis begann mit ihren Kleiderschrank. Eine Jeans und ein T-Shirt ließ sie in ihrem Zimmer, sie brauchte ja schließlich etwas zum anziehen. Nach und nach faltete sie den gesamten Inhalt ihres Schrankes ordentlich zusammen und legte ihn in den großen Karton. Bei machen Kleidungsstücken verweile sie in Gedanken und erinnerte sich an die besonderen Ereignisse, an denen sie diese Kleidung getragen hatte. Das war alles lange her.

Ein gelb-rotes Kleid, zerknittert und ausgewaschen, kam zum Vorschein. Aleidis musste mit den Tränen kämpfen. Dieses Kleid hatte ihr ihre beste Freundin geschenkt, bevor die mit ihrer Familie nach Amerika ausgewandert war. Dieses Mädchen war Aleidis' bisher einige wahre und beste Freundin gewesen.

Der Tag verging schnell. Bis zum Abendessen hatte Aleidis all ihre Schränke ausgeräumt und die Sachen in den Umzugskartons verstaut. Viele Sachen hatte sie aussortiert, aber viele alte Sachen, an denen Erinnerungen hingen, hatte sie behalten. Auch wenn ihren Eltern das nicht passte.

„Dann ziehen wir am Montag also in dieses Schloss.“, dachte Aleidis traurig während des Abendessens, „Ich lasse einen Teil meines Lebens und all meine Freunde hier zurück. Und in der anderen Stadt muss ihr, laut Papa, auf diese dämliche Privatschule gehen und Latein für ein Jurastudium lernen. Ich will aber keine Anwältin werden! Das hat er sich in den Kopf gesetzt! Aber ich will nicht! Und es geht schließlich um mein Leben! Nicht um seines.“

In der Nacht auf Sonntag wachte Aleidis von leisem Prasseln auf. Einen Moment lang hoffte sie nur geträumt zu haben. Dass sie nicht umzogen, dass sie hier blieben! Aber als Aleidis die Augen öffnete sah sie im hellen Vollmondschein die fünf gepackten Umzugkartons, es war kein Traum.

Aleidis stand auf in ging zu ihrem kleinen Balkon, trat aber nicht hinaus. Es regnete. Der Himmel schien all seine Schleusen geöffnet zu haben und ließ das kalte Wasser auf die Erde prasseln. „Selbst der Himmel weint!“, murmelte Aleidis und öffnete die gläsernen Balkontüre. Kalte Luft schlug ihr entgegen und eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken.

„Ich möchte auch weinen!“, meinte sie zu sich selbst und sah hinauf in den dunklen Himmel, „Ich will Tränen vergießen!“ Aleidis trat in ihrem kurzen Nachthemd hinaus auf den Balkon und in den Regen. Es dauerte gar nicht lange bis sie durchnässt war. Und schließlich rannen ihr heiße Tränen wir Bäche aus den Augen. Sie weinte leise, ohne zu schluchzen. Niemand sollte etwas von ihren tiefsten und wahren Gefühlen mitbekommen.

So war sie immer klar gekommen. Keine Gefühle zeigen um nicht verletzt zu werden. 10 Jahre lang hatte sie schlimmstes Mobbing über sich ergehen lassen müssen und konnte nichts dagegen tun! Und ihre Eltern hatte es nicht gekümmert wie es Aleidis ging. Für sie zählten nur die Noten!

Aleidis sank weinend auf die Knie und wollte einfach nur wegfliegen. Weit weg, wo sie niemals gefunden werden konnte! Sie wollte einfach nicht umziehen! Sie wollte das tun, was sie wollte! Aber gegen ihren Vater hatte sie keine Chance. Was er wollte musste getan werden. Martin und Markus hatte er Programmierer werden lassen, weil sie beide einen Schnitt von 1,0 hatten. Und Lisa hatte einen Ausbildungsplatz bei dem besten HNO-Arzt der Stadt ergattert und durfte die Ausbildung antreten. Aber Aleidis hatte nicht nur Einser und die Kunstakademie war noch relativ neu und hatte noch keine positiven Schlagzeilen gemacht.

Aleidis hob den Kopf und sah hinauf in die violetten Gewitterwolken. Das kalte Regenwasser lief über ihre Haut und vermischte sich mit ihren Tränen. Was sie wollte war unwichtig. Was ihr Vater wollte war zu tun.

Am Sonntag hängte Aleidis ihre Bilder von den Wänden ab und zog die Bettwäsche von ihrem Bett. Sie schwieg den ganzen Tag und wurde mehr als einmal von ihrem Vater angefahren. Nach dem Mittagessen räumte sie im Flur einige Regale und Schränke aus. Denn darum wollte sich wieder einmal niemand kümmern.

Langsam verging der Sonntag, die Nacht brach an. Sie verging unheimlich schnell und dann war es Montag. Der erste Montag in den Ferien und der letzte in dieser Stadt. Die Abfahrt war für neun Uhr festgelegt. Und pünktlich fuhren sie los.

Aleidis saß ganz hinten den Auto ihres Vaters. Es war ein Siebensitzer. Hinter dem schwarzen nagelneuen BMW fuhren zwei Speditionslastwagen. Ihr Vater hatte unbedingt seinen wertvollen alten Schrank mitnehmen wollen.

Aleidis sah aus dem kleinen Fenster. Sie sah ihren alten Kindergarten, ihre alte Grundschule. Die Hauptschule und schließlich ihre Realschule. Sie sah auch das kleine Café in den sie vor Jahren ihre beste Freundin kennen gelernt hatte. Aber die war in Amerika und schrieb nicht mehr. Aleidis senkte den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Jedes Ende ist ein neuer Anfang!“, dachte sie, „Vielleicht hat es doch irgendetwas gutes! Aber, wenn nicht, dann werde ich tun was Papa sagt. Ich werde Latein lernen, Jura studieren und Anwältin werden! Und wenn ich daran zerbreche wird Papa vielleicht sehen, dass meine Seele zerstört ist!“

Das Schloss

Die Fahrt zu ihrem neuen Zuhause dauerte fünf Stunden. Aleidis war die ganze Zeit wach, während Markus, Martin und Lisa tief und fest schliefen. Aleidis sah nachdenklich aus dem Fenster und beobachtete wie die Landschaft sich veränderte. Aus der Ebene ohne Bäume wurde zuerst eine bewaldete Gegend. Später kamen auch noch größere und kleinere Hügel dazu.

„Aufgewacht!“, rief plötzlich ihre Mutter von vorne und riss damit Aleidis aus ihren Gedanken und die anderen drei aus ihrem Schlaf. „Was ist denn?“, fragte Markus gähnend und rieb sich die Augen. „Da vorne ist unser Schloss!“, rief ihre Mutter und deutete nach vorne, „Wir brauchen nicht mehr lange! Wir sind fast im Schloss Rosenhöhe! So heißt es!“

Aleidis sah aus den Fenster und sah das Schloss. Sie fuhren direkt auf eine kleine verschlafene Stadt zu. Und hinter ihr, auf einem Hügel war das Schloss. Es sah aus wie ein Mädchenschloss. Schneeweiß mit Balkonen, Erkern und Türmen. Das Schloss war von einer hohen weißen Mauer umgeben und hinter der Mauer war ein großer Garten. Das sah man schon von hier.

Die Stadt lag in einem Tal und war voll mit alten Fachwerkhäusern und anderen alten Gebäuden. „Hier in dieser Stadt sind einige gute Schulen, mehrer Bibliotheken und Betriebe.“, erklärte ihr Vater, während sie auf die Stadt zu fuhren, „Die größeren Betriebe liegen aber in Richtung nächste Stadt. Dort sind auch eure Arbeitsplätze, ihr drei Großen!“

„Vielleicht ist das Schloss doch nicht so schlecht!“, dachte Aleidis und sah auf das Schloss, dass sich vor ihnen aufbaute, „Es führt keine Straße in den Wald hinter dem schloss! Hoffentlich kann ich mich mal in den Wald zurückziehen.“

Es dauerte nicht einmal 10 Minuten, dann fuhren sie durch ein großes schmiedeeisernes Tor in den großen Innenhof des Schlosses. Aleidis stieg aus dem Auto und sah sich um. Direkt vor ihnen war das Hauptgebäude, rechts und links davon waren die Nebenflügel, die auf das Tor zu liefen. In der Mitte der Hauptfront war ein großes Eichenholzportal, das frisch lackiert glänzte. All die Fenster in den Wänden leuchteten und funkelten. Es war ein wahres Mädchenschloss!

Das Schloss sah nach Südosten. Es wirkte im grellen Sonnenlicht wie ein Abbild eines Traumes.

„Aleidis, ich zeige dir dein Zimmer!“, sagte plötzlich die Stimme ihrer Mutter hinter Aleidis, „Lisa, du kommst auch mit!“ Aleidis und Lisa folgten ihrer Mutter ins Schloss und in den rechten Flügel, in den dritten Stock.

Aleidis' Zimmer lag ganz vorne, an der Wand, die zum Schlosshof zeigte. Es war sehr groß und geräumig. Während sich Sinata ihr Zimmer ansah bekam Lisa ihres gezeigt. Dieses lag näher am Haupthaus und außerdem im linken Flügel. Die Flügel waren nach rechts und links benannt, wie man vor dem Schloss stand.

Aleidis' Zimmer war etwa so groß wie ein Volleyballfeld. Rechts von der Türe war eine große Nische mit einem Bett und einem großen Schrank. Der Hauptteil des Zimmers, das jetzt direkt vor ihr lag war groß und hell. Bei der rechten hinteren Ecke war der Eingang zum Balkon.

Der Eckschreibtisch war in der linken Ecke und an den Wänden standen kleine Kommoden und größere Schränke. Auch ein Schrank mit Milchglasfronten. Auf dem hellen Buchenboden lagen große dicke Teppiche. Von der etwa drei Meter hohen Decke hing ein Kronleuchter mit gläsernen Behängsel und Kerzen mit Glühbirnen, die Flammen ähnelten. Die Wände waren in einem sehr hellen blau gestrichen und passten hervorragend zu dem Möbeln.

„Ein sehr schönes Zimmer!“, dachte Aleidis und trat an ihr neues Bett, es war ein Himmelbett mit silbrigen Vorhängen. Dort lag ein kleiner, übersichtlicher Plan des Schlosses, damit sie sich etwas auskannte. Aleidis besah ihn sich kurz.

Nach wenigen Minuten wusste sie, dass im Erdgeschoss eine große Küche, ein großes Speisezimmer und drei Wohnzimmer und eine große Vorratskammer waren. Ihre Eltern waren im ersten Stock. Dort hatte ihr Vater ein großes Büro und ihre Mutter ebenfalls. Dazu noch ein kleines Rückzugszimmer, einen begehbaren Kleiderschrank und ein großes Badezimmer. Im zweiten Stock waren die Zimmer ihrer Brüder, dazu ein großes Arbeitszimmer mit Computern und anderen technischen Spielereien. Dort befand sich noch ein eigenes Bad und eine kleine Bibliothek. Und im dritten Stock, in dem Aleidis und Lisa wohnten war nur eine große Bibliothek und ein großes Bad. Die große Bibliothek nahm den Hauptteil des dritten Stockes ein. Es gab auch noch einige Turmzimmer und einen Dachboden.

Aleidis erhob sich wieder von ihrem Bett und ging quer durch ihr Zimmer zur Balkontüre. Durch die große, gläserne Flügeltüre ging sie auf den Balkon. Sie sah hinunter auf den Schlosshof, auf dem die Spediteure soeben die Lastwägen ausluden und die Kisten und Kartons gleich in die Zimmer schleppten.

Aleidis' Sachen waren nach knapp einer Stunden in ihrem Zimmer und sie begann langsam ihre Sachen in die großen Massivholzschränke zu sortieren. Aber sie wurde unterbrochen, von ihrer Mutter, die etwas zu Essen brachte, weil das Mittagessen schließlich ausgefallen war.

Aleidis saß auf ihrem frisch bezogenen Bett und aß eine Wurstsemmel. Dabei glitt ihr Blick durch ihr neues Zimmer. „Schön ist eis eigentlich schon hier!“, dachte Aleidis und lehnte sich gegen einen Pfosten, „Aber es schmeckt mir gar nicht, dass ich auf eine Privatschule gehen muss und dann Jura studieren muss. Im Fernseher sieht es zwar immer toll aus, bei diesen Gerichtsshows, aber so ist es nicht!“

Gegen Abend hatten alle ihre Zimmer bezogen und schon eingeräumt. Aleidis stellte eben ihr letztes Buch in einen Schrank und faltete die Umzugskiste zusammen. Ein lauter Gong aus dem Erdgeschoss rief alle nach unten ins Esszimmer. Das hatte ihnen ihr Vater noch vor der abreise gesagt.

Aleidis und Lisa stießen an der Treppe nach unten zusammen und legten ein Wettrennen ins Esszimmer hin. Aleidis gewann knapp, aber sie gewann! „Langsam, langsam!“, rief Martin, der sich nur mit einem Hechtsprung vor Aleidis und Lisa retten konnte! Aleidis grinste und setzte sich an den großen Eichentisch. Ebenso Lisa, die anderen saßen schon, oder setzten sich eben.

Wenige Minuten später brachte eine Köchin in tadelloser weißer Schürze mit blauem Kleid das Essen auf einem kleinen Servierwagen herein. Es gab zuerst eine Suppe, die sie alle schweigend essen mussten.

Zum Hauptgang, Spagetti Bolognese, durften sie wieder reden. „Ich hoffe, euch gefallen eure Zimmer!“, meinte ihr Vater als die Köchin wieder verschwunden war. „Ja, und wie! Vor allem unser Arbeitszimmer!“, stimmte Markus zu und Martin nickte. „Du hast dir die Einrichtung ganz schön was kosten lassen!“, meinte Lisa, „Der Boden muss ein Vermögen gekostet haben!“ „Es ist sehr schön!“, stimmte auch Aleidis widerwillig zu und aß weiter.

Am späten Abend ging Aleidis noch einmal in die Bibliothek, in die große, wohlgemerkt. Dort suchte sie einige Lateinbücher für die Schule, sie musste ja, auch wenn sie gar nicht wollte. Aber sie holte nicht nur Lateinbücher. Sie suchte sich auch zwei Bücher über mystische Wesen und dann noch eine Chronik ihrer Familie, die ihr Vater in die Bibliothek gestellt hatte.

Gegen neun Uhr lag Aleidis auf ihrem Bett und blätterte lustlos in den Lateinbüchern. Es war stinklangweilig. Nach wenigen Minuten warf sie das dicke Buch auf den Boden und nahm das Buch über die mystischen Wesen und Fabeltiere zur Hand. Das war schon wesentlich interessanter und Aleidis las ohne Unterlass, bis sie einschlief und ihr Kopf auf das Buch sank.

Sie war in ihrem neuen Zuhause, Schloss Rosenhöhe. Und sie musste das tun, was ihr Vater wollte, ihr Wille war unwichtig und sie hatte zu gehorchen.

Eine Warnung

Aleidis brauchte eine ganze Woche, bis sie realisierte, was der Umzug bedeutete! Sie musste Latein lernen und Jura studieren! Sie durfte ihre Träume nicht leben und musste sich unterordnen! Sie musste auf eine Privatschule gehen und fleißig sein, auch wenn sie nicht wollte.

Aleidis sah sich um, jetzt musste sie in die linke Straße gehen, dann musste sie eigentlich die Privatschule der Stadt erreichen. Es war Montag Nachmittag, am Vormittag hatte ihr Vater ihr einen Stadtplan mit der markierten Schule in die Hand gedrückt und war zur Arbeit gegangen.

Und Aleidis tat, was ihr Vater befohlen hatte. Sie ging durch die gigantische Altstadt und suchte die verdammte Privatschule, in die sie nach dem Sommerferien gehen musste.

Nach wenigen 100 Meter türmte sich vor Aleidis ein gigantischer grauer Betonklotz auf, die dunklen Fenster wirkten wie trübe Augen. Es gab nichts buntes, oder etwas ungewöhnliches an diesem hässlichen Klotz, der sich Schule nannte. „Oje!“, stöhnte Aleidis in sich hinein, „Da will ich ja gleich noch weniger Latein lernen! Das ist doch keine Schule! Das ist ein Gefängnis!“

Aleidis ging auf das verschlossene Gittertor zwischen zwei etwa drei Meter großen Betonsäulen zu und sah sich um. Im linken war der Schlitz für die Post. Seufzend und sich in ihr Schicksal ergebend schob sich einen großen Umschlag mit ihren Abschlusszeugnissen und ihrer Bewerbung in den Briefkasten. Ihre Hand verweilte kurz auf den kühlen Metall, dann drehte sie sich niedergeschlagen weg und ging die kurze Auffahrt hinab zur Straße.

Auf der anderen Straßenseite standen einige Bänke und auf einer saßen einige Jungen und Mädchen. Sie unterhielten sich ausgelassen und freuten sich über ihre Sommerferien. Aleidis verweilte kurz in der Auffahrt und sah auf diese fröhlichen Jugendlichen, sie wollte am liebsten heulen. Dann drehte sie sich weg und wollte die Straße wieder zurückgehen.

„Hey, du!“, rief plötzlich eine Mädchenstimme hinter Aleidis her, die blieb stehen und drehte sich halb um. Das Mädchen gehörte eindeutig zu der Gruppe auf der Bank. Aleidis sah schweigend zu ihnen und regte sich nicht. „Du bist neu hier!“, meinte dann ein Mädchen mit braunen Locken, „Ich hab dich hier noch nie gesehen!“

„Wundert mich nicht.“, erwiderte Aleidis und ging langsam auf die Gruppe aus drei Jungs und drei Mädchen zu, „Wir sind letzte Woche ins Schloss gezogen.“ „Ach, du gehörst dazu?“, fragte ein Mädchen mit kurzen, blau gefärbten Haaren, „Es wird schon über euch geredet.“

„Wundert mich auch nicht.“, meinte Aleidis schulterzuckend, „Es erregt sicher immer große Aufmerksamkeit, wenn irgendjemand ein Schloss kauft, es restaurieren lässt und dann einzieht.“ „Dann ist deine Familie also reich?“, fragte ein Junge mit etwas längeren schwarzen Haaren, der einen Arm um das Mädchen mit den kurzen blauen Haaren gelegt hatte.

„Reich?“, wiederholte Aleidis nachdenklich, „Reich an Geld, ja. Aber arm an Liebe und Geborgenheit.“ „Lass dich warnen!“, sagte das gelockte Mädchen ernst und sah auch etwas ängstlich aus, „Der Reichtum deiner Familie kann dir zum Verhängnis werden.“ „Wie das?“, fragte Aleidis, ihr fiel auf, dass die anderen merkwürdig bedrückt und sehr ernst waren.

„Vor einem Jahr ist eine reiche Familie hierher gezogen, mit einer hübschen Tochter. 18 Jahre war sie alt.“, erzählte das Mädchen ernst, „Dieses Mädchen ist nach einem Monat von der Rowdybande „Banditos“ entführt worden. Diese Kerle haben sie in einer kleinen Hütte im Wald hinter dem Schloss festgehalten! Sie haben ein Lösegeld von einer halben Million gefordert! Sonst würde das Mädchen sterben! Die Eltern haben das Geld auch bezahlt und die Kerle haben sie freigelassen. Die Banditos haben sie durch die Wald in die Stadt gehetzt! Das Mädchen war abgemagert und psychisch am Ende. Soweit ich weiß ist es jetzt in einer psychiatrischen Klinik.“

„Nur wegen dem Reichtum der Familie?“, hauchte Aleidis kreidebleich und zog ihr klingelndes Handy aus der Tasche. Das Mädchen nickte und meinte, „Pass auf dich auf und geh nicht in den Wald! Es ist zu deinem Besten!“ Damit ging sie zu ihren Freunden zurück und Aleidis ging ans Handy.

„Was ist denn Vater?“, fragte Aleidis und ging langsam die Straße zurück. „Warst du schon bei der Schule?“, fragte die Stimme ihres Vaters blechern entgegen. „Ja, war ich eben!“, erwiderte Aleidis genervt, „Ich hab den Umschlag eingeworfen! Und jetzt geh ich zurück ins Schloss!“ „Gut, bis heute Abend!“, verabschiedete sich ihr Vater. „Tschau.“, murmelte Aleidis und legte auf.

Während des ganzen Weges zurück zum Schloss fuhren Aleidis' Gedanken Karussell. Reichtum! Banditos! Lösegeld! Gefangen! Aleidis bekam es wirklich mit der Angst zu tun, als sie auf den dunkeln Wald hinter ihrem Schloss sah und fast war ihr so, als könnte sie das Knattern von Motorrädern hören.

„Ich hoffe, das niemand erfährt, dass ich zu dieser Familie gehöre!“, dachte Aleidis, als sie die Türe in dem großen schmiedeeisernen Schlosstor öffnete, „Ich will nicht entführt werden! Aber, Papa würde eh keinen Penny für mich bezahlen! Ich kann es mir nicht vorstellen! Ich hab ihn doch immer enttäuschte. Nur Realschulabschluss, Kunstakademie, keinen anständigen Beruf. Er würde für mich nichts bezahlen! Absolut nichts!“

Aleidis ging über den Schlosshof und durch den Haupteingang ins Haupthaus und von dort aus in die Bibliothek, wo sie in aller Ruhe las. Aber sie merkte nicht, dass sie einen Liebesroman las. Sie war noch sie in Gedanken versunken, dass sie absolut nichts von dam, was um sie herum geschah mitbekam. Sie bemerkte nicht einmal, wie die Zeit verging und die sonne über den Himmel wanderte.

Streit

Am Abend erzählte Aleidis ihrem Vater dass, was dieses Mädchen vor der Schule ihr erzählt hatte. Der hörte ihr zu und meinte dann, „Dieses Mädchen wird diese Geschichte erfunden haben! Wahrscheinlich ist sie entweder auf Aufmerksamkeit aus, oder sie wollte dir einfach nur Angst machen.“

„Nein!“, erwiderte Aleidis böse, „Ich hab im Internet nachgesehen! Das ist hier wirklich passiert! Das Mädchen von damals ist wirklich so gequält worden! Und es ist wirklich in einer psychiatrischen Klinik!“ „Und warum hat man diese Banditos nicht festgenommen?“, fragte Aleidis Vater genervt und trank einen Schluck von seinem allabendlichen Glas Fruchtsaft.

„Die Banditos haben es abgestritten!“, meinte Aleidis, stand auf und ging zum Fenster zur Stadt, „Sie haben sich gegenseitig Alibis gegeben und das Mädchen als verrückt dargestellt. Und ich glaube, dass dieses Mädchen von heute Vormittag und viele andere Jugendliche, die etwas von dieser Entführung bemerkt haben von den Banditos bedroht wurden!“

„Spinn dir so etwas nicht zusammen!“, knurrte ihr Vater und legte die Akten, in denen er gerade las, weg, „Du darfst niemanden ohne Beweise beschuldigen! Und glaub nicht alles was man dir erzählt!“ „Aber, Papa!“, rief Aleidis halblaut und drehte sich zu ihm um, „Die von heute Vormittag hatten Angst! Das erkenn ich doch! Und ich habe auch Angst! Es gab schon öfter Zwischenfälle mit den Banditos! Immer ging es um Geld! Verdammt! Ich habe Angst!“

„Du darfst in so etwas nichts hineininterpretieren!“, schnauzte ihr Vater sie an und seine Stimme war genau so kalt wie immer dann, wenn er mit einem Mörder oder anderem Kriminellen sprach, „Hör mir mal gut zu! Der Fall dieses unglücklichen Mädchens ist mir bekannt! In der Hütte sind neben Spuren der Banditos auch Spuren ihres Freundes, ihrer besten Freundin und ihres älteren Cousins gefunden worden! Und alle hatte ein Alibi! Also, steigere ich da nicht rein! Diese Kerle werden dich nicht interessant finden!“

Aleidis waren die Tränen in die Augen geschossen! Niemand kümmerte sich um sie! Sie drehte sich um und lief aus dem Esszimmer! Die Treppen hinauf und durch die Gänge in ihr Zimmer! Heulend warf sie die Türe hinter sich zu und schloss ab! Dann warf sie sich auf ihr Bett und drückte ihr Gesicht ins Kissen.

Aleidis wusste nicht, wie lange sie so dagelegen hatte, oder ob sie eingeschlafen war. Aber als sie den Kopf hob und aus dem großen Fenster in ihrem Zimmer sah, war es draußen stockfinster und dunkle, violette Wolken verhüllten den Nachthimmel. Immer wieder wurde die Dunkelheit von grellen Blitzen erhellt und lauter Donner zerriss die nächtliche Stille.

Aleidis erhob sich langsam, ging durch das dunkle Zimmer und trat auf ihren Balkon. Es war sehr kühl und von der Hitze des Sommertages war nichts mehr zu spüren! „egal, was Papa sagt, ich glaube das, was dieses Mädchen mit erzählt hat!“, dachte Aleidis und sah hinauf in den Himmel, „Die hat doch fast gezittert, als sie das erzählt hat! Nur Schauspieler können das spielen!“

Nach einiger Zeit trat Aleidis wieder in ihr Zimmer, ging zu ihrem Bett und setzte sich darauf. Einen Moment lang überlegte sie, was sie jetzt tun könnte. Dann griff sie nach dem buch neben ihrem Nachttisch und schlug es auf.

Jetzt erst bemerkte sie, dass sie die Familienchronik genommen hatte. Aleidis verdrehte die Augen und blies gegen ihren Pony. Aber sie blätterte die Chronik doch durch. Der große Stammbaum wurde immer kleiner und schließlich war sie auf der allerletzten Seite, auf der waren die Familiengründer.
 

Graf Gerald von Edelberg + Aurelia die Schöne

Sohn von Tochter von

Graf Alexander und ?

Gräfin Anna von Edelberg ?
 

1372 – Schloss Rosenhöhe
 

„Dann ist unsere Familie hier in Schloss Rosenhöhe gegründet worden!“, verstand Aleidis, „Wahrscheinlich sind wir genau deshalb auch hierher gezogen!“ Aleidis schlug das Buch zu und ließ es auf den Boden fallen und sich selbst auf ihre weiche Matratze und einige Kissen.

„Warum sind die Eltern von dieser Aurelia nicht bekannt gewesen?“, überlegte Aleidis und starrte in die Dunkelheit ihres Zimmers, „Damals hat man doch über seine vorfahren Bescheid gewusst! Vielleicht war sie eine Bauerntochter und hat darum ihre Eltern verschwiegen!“

Plötzlich musste Aleidis wieder an ihren Vater denken und wieder schossen Tränen in ihre Augen und flossen über ihre Wangen. Heulend drehte sie sich auf den Bauch und drückte ihr Gesicht in ihr Kopfkissen. Wütend hob sie eine Hand, ballte sie zur Faust und schlug auf die Matratze.

Die Legende

Als Aleidis den Kopf hob und die Augen öffnete sah sie dass die sonne direkt in ihr Zimmer schien. Dann drehte sie den Kopf etwas und sah auf den Wecker. 8:29 Uhr. Für Ferien eigentlich zu früh um aufzustehen, aber Aleidis stand trotzdem auf und zog sich um. Eine ¾ Jeans und T-Shirt war an einem so vielversprechenden Morgen schon fast Pflicht!

Aleidis trat barfuss zur Türe und schloss sie auf. Sie wartete ein paar Sekunden und öffnete sie dann. Auf dem Gang war niemand. Aleidis ging auf den Gang, schloss die Türe und ging 15 Meter weiter in Richtung Hauptgebäude. Dort war die Badezimmertüre. Aleidis trat ein und wusch sich erst einmal das Gesicht. Sie sah kurz in den großen Spiegel und fand sich, wie immer, nur durchschnittlich nicht besonders hübsch.

Aleidis verließ das Bad und schlich den Gang entlang und durch eine große, eichene Flügeltüre mit Intarsien in die Bibliothek. Lustlos ging Aleidis zwischen den Regalreihen hindurch und sah auf die kleinen Schilder an den dunkeln Regalen aus Holz. Schließlich blieb sie bei einem Regal stehen, dessen Inhalt einigermaßen Interessant klang.

„Legenden von Schloss Rosenhöhe und Stadt.“ Aleidis nickte, dass war wahrscheinlich eine gute Lektüre. Sie ging an das Regal und strich mit den Fingerspitzen über die mit Leder verkleideten Bücherrücken. Auf die waren mit Gold und Silber immer die Titel aufgeschrieben.

Aleidis stoppte und zog ein dickes in schwarzes Leder gebundenes Buch heraus und betrachtete es. Es war wohl schon sehr alt und drohte schon zu Staub zu zerfallen. „So ein alter Schinken!“, dachte Aleidis lächelnd und entzifferte die Buchstaben auf der Vorderseite, „Wald Rosenhöhe, einige Sagen und Legenden. Kling spannend! Zumindest besser als die Lateinbücher, die Papa mir gegeben hat!“

Aleidis ging durch die Regalreihen und auf die andere Seite der Bibliothek, die zum Wald sah. Dort war die Wand hin und wieder frei und dort standen Tische und Stühle unter großen, bleiverglasten Fenstern. Aleidis legte das Buch auf einen Tisch, kletterte auf den Stuhl und öffnete das Fenster. Es quietschte ein klein wenig, aber nicht besonders laut.

Aleidis verharrte und sah hinab auf den Wald, der sich wenige hundert Meter hinter dem Schloss wie ein dunkelgrünes, fast schwarzes, Meer erstreckte. Die Morgensonne erleuchtete die Wipfel der Bäume und ließ den Wald fast glänzen. Die dichten Nebelschwaden, die zwischen den Wipfeln hingen, wirkten unheimlich und wie aus einer andern Welt. Die sonne ließ diese Schwaden leuchten, so dass sie Geistern und Feen etwas ähnelten.

Vorsichtig kletterte Aleidis wieder von dem Stuhl herunter und setzte sich auf denselben. Sie sah noch einmal aus dem geöffneten Fenster und zog dann das schwere Buch zu sich her. Vorsichtig schlug sie es auf, sie wollte es schließlich nicht noch mehr beschädigen. Der leichte Wind, der durch das Fenster kam spielte leicht mit Aleidis' Haaren.

Aleidis sah die Jahreszahl, das Veröffentlichungsdatum des Buches, 1909. Sie las kurz das Inhaltsverzeichnis durch und schließlich sprang ihr die Überschrift einer Legende in die Augen. „Die Legende vom Hochelfenreich.“, las Aleidis und dachte dann zuversichtlich, „Das klingt doch schon mal vielversprechend! Seite 376. Ziemlich in der Mitte also!“

Aleidis schlug die angegebene Seite auf und las sie durch.

Seit dem Jahr 1375 hält sich in der Gegend um Schloss Rosenhöhe hartnäckig die Legende vom Hochelfenreich. Die Alten haben diese Legende von ihren Großeltern erzählt bekommen und erzählen sie immer noch weiter. Doch diese Legende ist in das Reich der Fabeln und Mädchen einzuordnen und nicht in die Realität. Trotzdem soll die Legende hier wiedergegeben werden:

Als die Welt noch jung war erstanden aus den Quellen reine, menschenähnliche Wesen von ungewöhnlicher Schönheit, voller Eleganz und Magie. Diese Wesen bekamen, als die Welt alterte, den Namen Hochelfen. Doch je mehr Menschen auf der Welt lebten, desto mehr zogen sich die Hochelfen vor ihnen zurück.

Hatten sie früher auch oft mit Menschen zusammen gelebt, so fürchteten sie diese jetzt. Die Menschen hielten die Hochelfen für Teufel, die auf die Welt gekommen waren um diese zu vernichten und der Hölle anzuschließen. Außerdem wurde viele Hochelfenfrauen für Hexen und Dämonen gehalten, da sie in die nahe und ferne Zukunft sehen konnten.

Zu dem Zeitpunkt, da die Hochelfen sich zurückzogen, war ihr Volk schon sehr klein. Nach ihrem Rückzug schrumpfte die Rasse noch mehr, da durch die Rodung der Wälder der Schutz und die Lebensräume der Hochelfen vernichtet wurden.

Heute gibt es in den Legenden noch eine einzige große Stadt der Hochelfen. Im schwarzen Wald hinter Schloss Rosenhöhe, wo Himmel und Erde sich berühren und das Feuer auf dem Wasser brennt.

Angeblich war auch Aurelia die Schöne ein Abkomme der Hochelfen. Nur so wäre, laut der Erfinder dieser Legende, ihre auffallende Schönheit, ihre kühle Eleganz und ihr ungeheueres Wissen über die Heilkräfte verschiedener Pflanzen und Kräuter zu erklären.

Inzwischen wurde allerdings geklärte, woher diese Legende kam. Ein junges Mädchen hat sich diese Geschichte als Kind ausgedacht, da sie selbst Magd am Hofe von Schloss Rosenhöhe war. Im Alter hat sie ihre Legende dann ihren Enkeln erzählt und die erzählten es ihren Kindern und Enkeln. Und so breitete sich diese unsinnige und irrwitzige Legende aus.

Aber inzwischen kennen nur noch wenige Menschen in der Stadt Rosenhöhe diese Legende. Denn moderne Errungenschaften zeigen, dass es nichts wie Hochelfen oder Magie gibt! Diese Sachen gehören endgültig ins Reich der Fantasie und der Fabeln. Und genau darum wird es Zeit, dass diese Geschichte und alle anderen ihrer Art endgültig aus dem modernen Leben verschwinden.

Diese nebligen Geschichten verschleiern uns die Augen für modernes Sehen in die goldene Zukunft! In der haben derartige Geschichten von Hochelfen, Feen und anderen „magischen“ Wesen nichts mehr zu suchen. Diese Märchen gehören selbst ins Reich der Fantasie.

Aleidis seufzte und stütze den Kopf schwer auf die Arme. „So ein blöder Schreiberling! Absoluter Quatsch!“, dachte sie etwas wütend und schlug das Buch zu, „Ohne Märchen und Geschichten ist die Welt und das Leben doch langweilig! Und so toll ist diese Zeit auch nicht! Atombomben, Krieg, Verfolgung und die ganzen „kleinen Verbrechen!. Das ist alles gar nicht toll!“

Aleidis stand auf, streckte sich und brachte das Buch wieder zurück an seinen Platz. „Ich liebe Geschichten von Hochelfen und Feen und dergleichen!“, dachte sie in sich hinein lächelnd, „Diese Geschichten lassen mich meine Sorgen immer vergessen! Sie sind so voller Glück und Magie! Diese Legende war wunderschön! Wenn es diese Hochelfenstadt doch wirklich gäbe!“

Aleidis seufzte tief und sah wieder aus einem Fenster, auf den dunklen Wald unter ihr.

Gefahr

Gegen Nachmittag zog sich der Himmel zu und eine dicke Wolkendecke verhüllte den hellblauen Himmel. Und gegen Abend begann es zu regnen. Es wurde unwirklich kalt und trüb. Aleidis fühlte sich kalt und leer als sie aus dem Fenster in die verregnete Nacht sah.

Bis zum Samstag regnete es weiter und es war für August viel zu kühl. An diesem kühlen, grauen Samstagmorgen trug Aleidis eine lange Jeanshose und einen dünnen Pullover mit ¾ langen Ärmeln. Zur Jahreszeit passte diese Kleidung überhaupt nicht, aber sie war nötig!

Beim Frühstück stritt Aleidis wieder einmal mit ihrem Vater über die Privatschule und Latein. Der Streit endete damit, das Aleidis auf ihr Zimmer verbannt wurde. Wütend und kochend stürmte sie hinauf in ihr Zimmer, knallte die Türe zu und schloss sie ab. Kochend rannte sie im Kreis und kreuz und quer durch ihr Zimmer. Aber sie konnte sich nicht beruhigen. Schließlich stützte sie sich schwer auf ihren Schreibtisch.

„Verdammt!“, murmelte sie, „Ich kann mich einfach nicht mehr beruhigen! Ich muss raus! Raus und irgendwo hin!“ Aleidis stieß sich vom Schreibtisch weg und ging zu ihrem Schrank. Sie öffnete die oberste Türe und zog eine alte Umhängetasche aus grünem Stoff heraus. Da hinein packte sie ihren Zeichenblock, einige Stifte, einen Radiergummi und eine kleine Flasche Wasser, die sie immer in ihrem Zimmer hatte. Dann hing sie ein Schild vor die Türe, „Lasst mich bitte in Ruhe!“

Aleidis zog sich ihre blauen Turnschuhe an und hängte sich die Tasche um. In sich hinein grinsend ging sie zum Balkon und öffnete die Glastüre, die hinaus führte. Sie trat an das steinerne Geländer und kletterte vorsichtig hinüber. Unter ihr ging es mindestens 10 Meter in die Tiefe!

„Nicht runter sehen!“, ermahnte sich Aleidis selbst und trat mit einem Fuß vorsichtig auf einen umlaufenden Vorsprung im Mauerwerk, der zur Zierde diente. Mit den Händen hielt sie sich an einem anderen Vorsprung, einen halben Meter über ihrem Kopf, fest. Langsam tastete sie sich so, an der Wand klebend, auf die Ecke des Gebäudes zu.

Dort angekommen klammerte sich Aleidis an die gusseiserne Regenrinne und kletterte daran hinunter. Dabei konnte sie sich an auf die Wand aufgesetzte Steinplatten abstützen und die als Treppe nutzen. Nach wenigen Minuten war Aleidis endlich wieder auf der Erde!

Erleichtert richtete sie sich auf und ging an der Gebäudemauer entlang, bis zur rechten hinteren Ecke. Von dort aus huschte sie im Schutz der Büsche, die im Garten hinter dem Schloss standen, zur umgebenden Mauer. Als sie dort angelangt war duckte sie sich und sah sich kurz um. Niemand war zu sehen. Aleidis kletterte auf einen Baum, der nahe an der Mauer stand und sprang von dort aus hinüber auf die Mauer und von dort aus hinunter auf die wilde Wiese hinter dem Schloss. Diese Wiese trennte den Wald vom Schloss.

Aleidis richtete sich auf und warf ihre langen Haare mit einer Armbewegung aus dem Gesicht. Der Wind fegte kühl über die Wiese, bog die Halme und spielte mit Aleidis' Haaren. Die lief los, den sanften Hügel hinauf auf den dunklen Wald zu, dort musste sie einfach frei sein!

Lange, Minuten, vielleicht auch Stunden wanderte Aleidis in den Wald hinein. Sie sprang über Bäche und Gräben, kletterte über Baumstämme und Felsen. Dieser Wald wirkte wie aus einem Mädchen, oder einer Geschichte. Als Aleidis dann einen gigantischen Baum erreichte sah sie auf die Uhr. Fast fünf Uhr! Um halb zwei war sie ausgebrochen!

„Zeit für eine Pause!“, dachte Aleidis und streckte sich. Geschickt kletterte sie den großen Baum hinauf und setzte sich auf einen Ast. Sie wollte gerade einen Schluck aus ihrer Wasserflasche nehmen, aber da sah sie etwas, dass ihr die Ruhe vermieste. Aleidis war kreidebleich und in ihrem Kopf hallten die Worte des Mädchen wider, das ihr von den „Banditos“ erzählt hatte!

Aleidis konnte vom Baum aus eine Lichtung sehen. An deren Rand war eine dunkle, alte Hütte, oder ein besserer Schuppen. Und vor diesem Schuppen, auf einem geschotterten Platz, standen mehrere feuerrote Motorräder mit Schriftzügen. Auf allen stand „Banditos“.

„Verdammt!“, dachte Aleidis und kletterte panisch etwas höher, „Ich bin schon in Reichweite der Banditos! Die werden sicherlich schon wissen, dass meine Familie reich ist! Verdammt! Warum habe ich nicht auf dieses Mädchen gehört?“

Aleidis versuchte weiter oben im Baum ihre Nerven zu beruhigen. Was sollte sie jetzt am besten machen! Wie konnte sie entkommen? Hatten die Banditos sie schon bemerkt? „So, jetzt erst mal ganz ruhig bleiben!“, dachte Aleidis und kletterte im Schatten des Baumes wieder herunter, „Ich muss nicht mehr tun, als mich wegschleichen! Das wird schon klappen! Und laufen kann ich auch ziemlich schnell!“

Als Aleidis wieder auf dem Boden war sah sie in die Richtung, in der dieser Schuppen stand. Leise huschte sie hinter den nächsten Baum. Wenn sie zurück zum Schloss wollte musste sie quasi direkt an dem Schuppen vorbei, und das war gefährlich. Aleidis bewegte sich leise und lauschte in die Ruhe des Waldes. Aber die wurde bald unterbrochen, da die Banditos aus dem Schuppen kamen und ein wenig mit ihren Motorrädern auf der Lichtung herumfuhren.

Plötzlich, auf Höhe der Lichtung, trat Aleidis auf einen morschen Ast, stolperte und schrie auf! Blitzschnell rappelte sich Aleidis wieder auf und ließ alle Vorsicht sausen! Sie stürmte blindlings in die Richtung, in der ihr Schloss lag. Hinter sich hörte sie Rufe von den Banditos und das Knattern der Motorräder! Die Banditos verfolgen Aleidis nun auf ihren Motorrädern.

Aber im wilden Gelände hatte Aleidis einen Vorteil! Die musste nicht aufpassen, ob sie hier fahren konnte und konnte so einen ordentlichen Vorsprung gewinnen. Aber schnell hörte sie die Rufe der Banditos hinter sich. Obwohl ihre Stimmen verzehrt waren konnte Aleidis einzelne Wortfetzen verstehen.

Sie hörte „die Reiche“, „fangen“, „wie bei der Letzten“, „schneller“, und „die kriegen wir“. Diese Worte machten Aleidis noch mehr angst und sie rannte noch schneller durch den Wald. Aleidis stolperte immer wieder über Wurzeln und Steine und mehr als einmal wäre sie fast den Hang hinuntergerutscht!

Endlich, nach einer atemberaubenden Flucht brach Aleidis aus dem Wald auf die wilde Wiese und direkt vor ihr, etwa 250 Meter entfernt ragte ihr Schloss auf! Jetzt musste sie es schaffen! Auch wenn die Banditos den Abstand schon auf 15 Meter verringert hatten! Aleidis keuchte und ihre Beine waren bleischwer, aber sie musste es schaffen! Ganz egal wie!

Aleidis war noch 15 Meter von der Mauer weg! Jetzt konnte sie es schaffen! Noch 10 Meter! Aleidis musste die Mauer überspringen! 5 Meter noch, die Banditos waren nur noch 4 Meter weg! Aleidis ging ganz kurz in die Knie und stieß sich mit aller Kraft ab! Sie sprang hinauf, klammerte sich an der Mauerkrone fest und zog sich keuchend hinüber! Wie ein Stein fiel sie hinunter in den Garten und hörte auf der anderen Seite der Mauer die Banditos fluchen. Aleidis war in Sicherheit!

In der Falle

Noch am gleichen Abend nach Aleidis' Flucht kam das Mädchen, das Aleidis gewarnt hatte zum Schloss. Es benutzte einen erlogenen Vorwand und wurde von Aleidis' Vater hereingelassen und in ihr Zimmer gebracht.

„Himmel!“, rief sie, als das Mädchen mit Aleidis alleine war, „Wir haben dich doch gewarnt! Warum bist du in den Wald gegangen!“ „Ich brauche Freiheit, wenn ich schon zur Schule gezwungen werde!“, murmelte Aleidis und kauerte sich auf ihrem Bett noch mehr zusammen, „Wie heißt du eigentlich?“

„Marion!“, erwiderte das Mädchen, „Du darfst aber nicht in den Wald!“ Marion redete einfach weiter und schien nicht mehr aufhören zu wollen. Aleidis bekam nur ungefähr die Hälfte mit. Sie war noch zu sehr mit ihrer Flucht beschäftigt.

Gegen acht Uhr ging Marion endlich und Aleidis hatte ihre Ruhe. Sie lag auf ihrem Bett und dachte nach. „Eines ist klar: Ich werde weiter in den Wald gehen! Ich brauche auch mal meine Ruhe! Und im Wald hat man für gewöhnlich immer seine Ruhe.“, dachte Aleidis und drehte sich auf den Bauch, „Und wahrscheinlich glauben diese Kerle, dass sie mich heute so verschreckt haben, dass ich gar nicht mehr in den Wald gehe und sie mich in der Stadt kidnappen können!“

Trotzdem hielt Aleidis sich von dem Wald fern und ging wenn möglich nur in Begleitung in die Stadt. Das ging auch die ganzen übrigen Ferien lang gut, bis zu der Woche vor Schulanfang.

Gleich Montagmorgen gab es einen gigantischen Streit zwischen Aleidis und ihrem Vater. „Und ob du Jura studierst!“, brüllte er durch das gesamte Esszimmer. „Nein! Das will und werde ich auch nicht!“, schrie Aleidis krebsrot vor Wut zurück. Der Streit wogte lange hin und her, bis Aleidis für die restliche Woche strikten Hausarrest bekam. Stinksauer stürmte sie hinauf in ihr Zimmer und schloss wieder die Türe ab. Keiner konnte mehr mit ihr reden!

Kurz nach Mittag schließlich packte Aleidis wieder ihre Umhängetasche und kletterte über den Balkon, die Mauervorsprünge und die Regenrinne wieder aus dem Schloss. Aber an diesem Montag verließ sie den Garten mit noch größerer Vorsicht, sie wollte von niemanden erwischt werden.

Den gesamten restlichen Montag verbrachte Aleidis dann auf einer großen, alten Eiche, in einer Art Mulde zwischen den Zweigen. Dort zeichnete sie magische Fabelwesen und Krieger. Mehr den je wünschte sie sich in derartige Geschichten, wo sie kein Latein lernen musste und zu irgendetwas gezwungen wurde.

Aleidis blieb auch ganz gelassen, als sie wieder einmal die Motorräder der Banditos in der Ferne knattern hörte. „Hier oben findet ihr mich sowieso nicht!“, dachte Aleidis und zeichnete weiter. Sie wusste inzwischen, dass die Banditos sich jeden Tag im Schuppen trafen. Ihr Tätigkeiten waren immer die gleichen, Alkohol saufen, rauchen, und hin und wieder an ihren Maschinen rumschrauben.

Erst gegen Abend, als es schon dämmerte ging Aleidis wieder zurück zum Schloss. Geübt kletterte sie über die Schlossmauer, die Regenrinne hinauf, über die Mauervorsprünge und auf ihren Balkon. Gerade rechtzeitig.

Irgendjemand hämmert gegen ihre Zimmertüre. Aleidis versteckte ihre Tasche unter ihrer Bettdecke und zog sich ihre dreckigen Schuhe aus. „Aleidis!“, rief Lisa vom Flur her, „Mach gefälligst auf! Ich bringe dir dein Abendessen!“ Aleidis ging zur Türe, legte eine Hand auf die Klinge und seufzte, dann schloss sie die Türe auf.

Lisa übergab Aleidis mit einem finsteren Blick ein Tablett mit einem Teller voller Bohneneintopf. Obwohl Aleidis den gerne aß verspürte sie keinen Hunger. Lisa drehte sich um und ging mit ihrem typischen Catwalkschritt den Gang entlang. Aleidis schloss die Türe und stellte dann das Tablett auf ihrem Schreibtisch ab. Ihre Zimmertüre war wieder verschlossen.

In dieser Woche ging Aleidis jeden Tag bis Freitag nach Mittag in den Wald und zeichnete wieder. Aber am Samstag, da deutete sich schon früh morgens ein schlechter Tag an. Es regnete in Strömen und der Himmel war dunkel verfärbt. Aleidis stand mit einem flauen Gefühl im Magen auf, als wüsste sie, dass an diesem Tag etwas Schlimmes geschehen würde!

Gleich beim Frühstück stritt sich Aleidis wieder einmal mit ihrem Vater, denn der hatte schon einen Lernplan für Aleidis erstellt, der sie den gesamten Tag einspannte! Da die Schule nur bis um 13:00 Uhr dauerte hatte sie ja genug Zeit zum lernen, fand Aleidis' Vater. Wenn sie sich nach dem Plan richten würde, dann müsste sie nach der Schule täglich noch drei Stunden lang Latein pauken!

„Du hast viel nachzuholen!“, meinte ihr Vater nach Aleidis' Protest eiskalt und teilnahmslos, „Du hättest schon in der vierten Klasse an ein Gymnasium wechseln sollen, dann hättest du schon Latein! Und ich müsste dir nicht diese Schule finanzieren!“ „Ich will kein Latein lernen!“, erwiderte Aleidis kühl, „Meinetwegen muss ich nicht auf diese doofe Schule gehen!“

„Aber ich will, dass du etwas richtiges lernst!“, zischte ihr Vater sauer, „Künstlerin! Was für ein gigantischer Quatsch! Die meisten Künstler wurden doch erst nach ihrem Tod berühmt! Und ich bezweifle, dass du überhaupt das Zeug zur Künstlerin hast!“ Aleidis erhob sich, den Kopf gesenkt. Einen Moment lang stand sie regungslos da, dann drehte sie sich um und ging mit einem gleichmäßigen Schritt aus dem Esszimmer. Dann aber rannte sie heulend hinauf in ihr Zimmer! In diesem Moment als sie die Türe hinter sich abschloss hasste sie ihren Vater mehr den je!

Einige Minuten lang stand Aleidis einfach nur da. Sie lehnte an der verschlossenen Zimmertüre und hatte die Augen geschlossen. „Ich muss noch ein wenig warten, bis alle außer Haus sind!“, dachte sie und löste sich von ihrer Türe und setzte sich langsam auf ihr Bett, „Dann gehe ich in den Wald! Ich brauche einfach meine Ruhe! Wenn ich schon nicht meinen Willen bekomme!“

Von ihrem Balkon aus beobachtete Aleidis, wie Lisa mit ihrem Fahrrad losfuhr. Wenig später fuhren Markus und Martin mit ihren Rädern weg. Und zum Schluss verließen auch Aleidis' Eltern zusammen mit dem Auto das Schloss. Jetzt war sie allein und musste sich nicht hinausschleichen.

Aleidis ging hinunter in die Küche, die Köchin und deren Gehilfin waren schon gegangen, und holte sich ein wenig zu essen. Danach zog sie sich eine lange Jeans und einen leichten, grünen Pullover an. Im Eingangsbereich zog sie sich schließlich auch ihre Schuhe an und verließ das Schloss.

Nur wenige Minuten später erreichte Aleidis den Waldrand. Sie hatte sich vorgenommen so weit wie möglich in den Wald zu gehen. Und das wollte sie auch! Aleidis wanderte mit karussellfahrenden Gedanken mindestens eineinhalb Stunden durch den Wald. Immer wieder ging sie ihren Streit mit ihrem Vater durch, wie konnte sie ihn davon überzeugen, dass Latein nichts für sie war? Mit Absicht schlechte Noten schreiben? Das brachte nichts. Er würde sie einfach in Nachhilfe schicken! Schwänzen? Dann fuhr er sie hin! Auch nichts.

Plötzlich bleib Aleidis stehen. Vor ihr war ein Waldweg wie aus dem Nichts erschienen! Sie verharrte kurz und begutachtete mit kritischem Blick. Dieser Waldweg könnte eventuell von den Banditos benutzt werden! Aber nach einer Minute des Betrachtens war sich Aleidis sicher, dass auf diesem Weg keine Motorräder gefahren waren, zumindest seit einiger Zeit nicht.

Also wanderte Aleidis nun auf dem Waldweg weiter, immer weiter in die Richtung, in der sie das Herz des Waldes vermutete. Der Wald wurde immer unheimlicher. Das Gras wurde dunkel, fast schwarze, ebenso wie die Bäume!

„Vielleicht sollte ich besser umkehren?“, überlegte Aleidis ängstlich, „Wenn in Büchern der Wald ganz unheimlich wird, dann steht das eigentlich immer für Ärger! Aber ich bin hier in keinem Buch! Also weiter!“ Aleidis ging also weiter, obwohl ihr ziemlich mulmig zumute war.

„Da!“, brüllte urplötzlich eine Stimme weit hinter Aleidis, „Da ist sie!“ Aleidis wirbelte herum und erstarrte für eine Sekunde vor Schreck. Die Banditos rasten auf ihren Motorrädern auf sie zu! Aleidis überlegte nicht lange, sie stürmte blindlings in den Wald zu ihrer Rechten. „Verdammt!“, dachte sie panisch, „Ich war mir viel zu sicher! Es ist aus!“

Aleidis sprang den steilen Waldhang hinab. Die Banditos mussten vorsichtig sein, sonst prallten sie gegen einen der eng aneinander wachsenden Bäume. Dadurch, das die Banditos langsamer Fahren mussten, konnte Aleidis Abstand gewinnen. Sie sprang zwischen Bäumen hindurch, über Gräben und Felsen hinweg und rannte wie vom Teufel verfolgt den Hand in vollem Tempo hinunter.

Nach einigen Minuten erreichte Aleidis keuchend eine ebene Lichtung. Keuchend bremste sie auf der Lichtung ab. Einige Banditos hatten sie überholt und hatten hier auf sie gewartet! Von hinten und von den Seiten kamen nun noch mehr junge Männer! Aleidis saß in der Falle! Panisch sah sie sich um, sie war von mindestens 20 Männern auf Motorrädern umzingelt!

„Jetzt bin ich dran!“, dachte Aleidis und sah sich so gehetzt um wie ein gejagtes Tier! „Da haben wir ja unseren Prinzessin!“, lachte ein Kerl dreckig und die anderen stimmten in sein Lachen ein! Aleidis Körper schien in Flammen zu stehen, sie konnte kaum atmen!

„Für dich kriegen wir sicher ’ne hübsche Summe!“, meinte ein anderer Kerl, „Das Geld von der letzten ist ja schon wieder weg!“ „Und mit dieser Süßen werden wir sicher auch noch viel Spaß haben!“, lachte ein anderer dreckig. Wie auf Kommando stiegen alle von ihren Maschinen und bewegten sich langsam und lachend auf Aleidis zu! Die sah sich immer panischer um, sie hatte Angst, Todesangst!

„Lass ... Lasst mich in Ruhe!“, brüllte sie auf einmal, kniff die Augen zusammen und spürte, wie die lebenswichtige Wärme plötzlich aus ihrem Körper wich! Der schien zu Eis zu erstarren. Verzweifelt ging sie in die Hocke und gab auf.

Hochelfen

Das leise Rascheln der Blätter im Wind, das hörte Aleidis als erstes, dann öffnete sie die Augen und erhob sich. Für einen Moment dachte sie, sie wäre in einem Traum! Die gesamte Lichtung war mit spiegelblankem, klarem Eis überzogen! Und die Banditos waren zu Eisblöcken erstarrt!

Aleidis stieß einen kleinen Schrei aus, als sie das alles sah. War .... Konnte sie ....? „Das ist doch unmöglich! Es gibt doch keine Magie!“, keuchte sie leise, „Das muss ein ... ein Traum sein! Ja, anders kann es nicht sein!“

„Unglaublich!“, ertönte plötzlich eine Stimme vom Rand der Lichtung, „Das habe ich noch nie gesehen!“ Aleidis wirbelte herum und starrte auf eine kleine Gruppe Männer, die sich näherte. Sie glaube nicht richtig zu sehen, wusste aber, dass es kein Traum sein konnte!

Ihr näherten sich sechs junge, ziemlich große Männer in mittelalterlichen Gewändern. Sie alle trugen kniehohe Stiefel, Lederhosen und Tuniken mit Gürteln. Einer der sechs trug die Farben silbern, blau und weiß, die andern nur grün und braun. Der Farbige musste etwas besonderes sein.

„Bleibt ... Bleibt wo ihr seid!“, rief Aleidis, als die Männer nur noch wenige Meter von ihr weg waren. Die fünf schlicht gekleideten Männer blieben stehen, der andere ging zwischen den gefrorenen Banditos hindurch und stand nun Aleidis gegenüber. Mit einer Größe von 1,90 Metern war er angsteinflössend. Aleidis wich zurück und zwischen ihnen baute sich eine Wand aus klarem Eis auf.

„Wir wollen dir nichts böses!“, sagte der Mann mit sanfter Stimme, „Wir habe dich fliehen sehen und wollten dir helfen, aber als wir hier ankamen hattest du diese Widerlinge schon vereist!“ Aleidis wurde von seiner Stimme angenehm berührt, sie gab ihren Widerstand auf und die klare schützende Eiswand verschwand ins Nichts. Jetzt sah sie auch den jungen Mann mit dem sehr fein geschnittenen, ungewöhnlich hübschem Gesicht und den langen blonden Haaren und den blauen Augen genau und auch seine spitzen Ohren!

„Ihr seid Hochelfen!“, rief Aleidis aus und wich ein Stück zurück. „Wenn das stimmt, was ich gelesen habe, dann haben Hochelfenmänner keinen Bartwuchs und Hochelfen insgesamt keinerlei „störende“ Körperbeharrung!“, überlegte Aleidis und wich noch einmal ein Stück zurück. Der Blick des Hochelfen war so durchbohrend wie ein Messer.

„Es gibt also doch noch Menschen, die an das Magische der Welt glauben!“, meinte der Mann lächelnd, „Ja, wir sind Hochelfen, aus der großen Hochelfenstadt im Windtal. Aber keine normalen Hochelfen. Wir sind Hochelfen, die sind wesentlich mächtiger als normale Hochelfen. Wie heißt du denn?“

„Aleidis!“, erwiderte Aleidis schlicht. Sie musterte den Hochelf. Jetzt, aus der Nähe, wirkte er noch sehr jung. Er sah aus wie 17 und musste doch sehr alt sein! An seiner Seite hing ein Schwert.

„Ein ungewöhnlicher Name!“, meinte der Hochelf, „Ich bin Anar, Sohn des Hochelfenkönigs! Sag mal, so etwas wie eben, ist das schon einmal passiert?“ „Noch nie!“, erwiderte Aleidis kopfschüttelnd. „Es wäre das Beste, wenn du mit in die Hochelfenstadt kommen würdest. Mein Vater kennt sich gut mit Magie aus! Er weiß vielleicht was das war!“, meinte Anar etwas nachdenklich und doch freundlich. Aleidis nickte und konnte ihre Aufregung kaum verbergen! Hochelfen!

So folgte Aleidis dem Hochelfenprinz tief in den Wald hinein. Die Wachen, das waren die anderen Hochelfen, beobachteten die Umgebung und hielten ihre Bögen bereit zum Angriff. Anar führte Aleidis einen langen Hügel hinauf, der immer steiler wurde. Während des Kletterns unterhielt sich Anar mit Aleidis. Er wollte alles über sie wissen. Wieso sie an die mystischen Wesen glaubte. Was zur Zeit in der Menschenwelt geschah und so weiter und so fort.

Als es auf Mittag zuging waren sie schon sehr weit im Herzen des Waldes. Eine erdrückende Stille erfüllte die Luft und ließ den Atem extrem laut wirken. Anar sprach ein paar merkwürdige Worte mit den Wachen. Sie klangen fein und melodanisch wie Musik. Die Sprache der Hochelfen.

„Was hast du ihnen gesagt?“, fragte Aleidis, als Anar sie weiter führte und die Wachen zurück blieben. „Ich habe gesagt, dass sie hier bleiben und den Eingang zur Hochelfenstadt bewachen sollen.“, erklärte Anar. „Wieso hat noch niemand die Hochelfenstadt entdeckt? Hier kommen doch sicherlich öfter Menschen vorbei!“, warf Aleidis nachdenklich ein. „Ja.“, erwiderte Anar und drückte einen Busch zur Seite, „Aber nur der kann in die Hochelfenstadt gelangen, der von einem Hochelf eingeladen oder geführt worden ist! Für Menschen ist hier ein ganz normales Stück Wald, mehr nicht. Die Hochelfenstadt liegt in einer kleinen Parallelwelt. Nur magische Wesen können sie erreichen! Und du, denn ich habe dich eingeladen!“

Es dauerte noch ein paar Minuten, dann tat sich vor ihnen plötzlich eine tiefe Schlucht auf und auf der gegenüberliegenden Seite eine steile Felswand. Anar streckte gebieterisch eine Hand über die Schlucht und von der anderen Seite wuchs eine Art Brücke aus Gestein herüber!

„Dort drüben liegt der Eingang zur Parallelwelt.“, erklärte Anar und fasste Aleidis an der Hand, „Komm mit!“ Aleidis folgte Anar, es konnte ihr schließlich nichts passieren! Sie gingen über die Brücke. Aleidis wagte es nicht nach unten in die Tiefe zu sehen. Sie sah einfach nur auf Anar’s blondes, wehendes Haar.

Als sie die Brücke zur Hälfte überquert hatten begann ein Teil der Felswand zu leuchten! Helles Licht strahlte heraus! Es hatte die Form eines großen Portals, es musste in die Parallelwelt führen! Anar zog Aleidis mit durch das gleißende Leuchten in das Reich der Hochelfen.

Aleidis öffnete die Augen. Als sie in das gleißende Licht getreten war, hatte sie die Augen geschlossen. Staunend sah sie einen sanften Hang hinab in ein weites Tal, bewachsen mit samtgrünen Gras und, hin und wieder, jungen Bäumen! Weit hinten am Horizont erhob sich ein rauer, unwirklicher Gebirgszug. Bis dorthin öffnete sich das Tal zu einer gigantischen Ebene.

Mitten im Tal war eine große Stadt wie aus dem Mittelalter mit einer großen, schönen Burg in der Mitte. Sie war von einem Wall umgeben. Die Häuser waren aus hellem fast weißen Granit erbaut und mit grünen Schiefer gedeckt. Es schien alles leicht zu leuchten und zu glänzen! Aleidis schätzte, dass die Stadt etwa so groß wie eine mittelgroße Menschenstadt war.

„Willkommen in der Welt der magischen Wesen!“, rief Anar, der ein paar Schritte vorausgegangen war und sich zu Aleidis umgedreht hatte. „Unglaublich!“, hauchte Aleidis wie verzaubert. Anar streckte Aleidis eine Hand entgegen. Sie ging auf ihn zu und nahm seine Hand.

Sie folgten einem aus weißen Steinplatten bestehenden Weg hinab in die Stadt. Als Aleidis mit Anar vor dem schweren, hellen Holzportal stand wirkte die Stadt noch viel größer. Anar rief irgendetwas zu den Wachen hinauf und das Portal öffnete sich wie von Geisterhand. „Hab keine Angst.“, ermutigte er Aleidis als sich das Tor vollkommen geöffnet hatte, „Sie sind zwar den Besuch von Menschen nicht gewohnt und werden dich mustern. Aber sie vertrauen eigentlich jedem, den ein Hochelf mit in dieses Reich und diese Stadt bringt!“

Anar hatte Recht. Aleidis wurde zwar gemustert, aber nicht misstrauisch, sondern eher neugierig! Es war Aleidis etwas peinlich, derartige Aufmerksamkeit war sie nicht gewohnt.

Der Hochelfenprinz führte Aleidis eine lange Straße, von der mehrere Straßen abzweigten, entlang auf die gigantische Burg zu. „Die Burg sieht noch schöner aus als unser Schloss! Wahnsinn!“, überlegte Aleidis, „Wenn eine Burg der Hochelfen schon so schön ist, wie schön muss dann ein Schloss sein!“

Es dauerte ungefähr fünf Minuten, dann erreichten sie das dunkelbraune Tor zum Burghof, der vor der Burg lag. Zwei Wachen standen davor. Als Anar auf sie zukam öffneten sie das Tor, und verbeugten sich, als er mit Aleidis durch das Tor in den Burghof ging.

Rechts an der Hofmauer waren Ställe mit Pferden und Kutschen und Streitwägen. Links waren einige Wohnhäuser und ein großer Kräuter und Gemüsegarten. Auch eine kleine Kapelle fehlte nicht. Der Hof war mit silbrig grauem Granitplatten gepflastert und bei der Kapelle war noch ein alter Brunnen. 100 Meter vor ihnen ragte die Burg mit den vielen höheren und niedrigeren Türmen in die Höhe. Auf jedem Turm flatterte eine Flagge im Wind.

„Wir müssen in den großen Saal.“, erklärte Anar als sie auf die Burg zugingen, „Dort hält mein Vater sich um diese Zeit für gewöhnlich immer auf. Er versucht seine magischen Fähigkeiten zu verbessern.“ „Ich habe gedacht, dass Hochelfen Magie schon von Kindesbeinen an beherrschen!“, warf Aleidis verwirrt ein und erklomm mit Anar die Stufen zum Burgtor.

„Nein.“, lächelte Anar und öffnete das Tor, „Mein Vater ist eine Ausnahme. Er hat lange geübt und kann jetzt ein wenig Windmagie. Hochelfen beherrschen für gewöhnlich keine Magie. Aber sie sind doch magische Wesen. Sie können so schnell laufen wie der Wind. Sie sind auch genauso ausdauernd im Kampf und perfekte Krieger die schnell alle möglichen Waffen beherrschen. Außerdem heilen Wunden und andere Verletzungen in Sekunden!“

Aleidis hatte fasziniert zugehört, so dass sie nicht gemerkt hatte, dass sie inzwischen über eine Treppe den vierten Stock erreicht hatten. Anar deutete einen Gang entlang und ging auf die Türe am Ende des Ganges zu. Aleidis folgte ihm. Der schwere Teppich in allen Pastelltönen schluckte alle Geräusche von ihren Schritten und machte alles stiller.

Anar öffnete die Türe, trat ein und Aleidis folgte ihm. Sie sah eine graue wirbelnde Kugel aus sich zukommen und plötzlich eine Eiswand vor sich! Wie aus weiter Ferne hörte sie einen Ruf, dann wurde die Kugel von dem Eis umschlossen! Eine große Eiskugel schwebte vor Aleidis in der Luft! Aleidis sah auf die Kugel, die fiel zu Boden, und zersprang in Nichts! Die graue wirbelnde Kugel war verschwunden!

„Vater!“, rief Anar erschrocken und kam hinter der Säule neben der Türe hervor, hinter der er sich versteckt hatte, „Was sollte das denn?“ Aleidis hob den Blick und sah in der Mitte des zwei tennisfeldgroßen Raumes einen Mann stehen, der schon etwas älter sein musste als Anar.

Dieser Mann war fast 2 Meter groß! Er sah aus wie 25, hatte ein sehr hübsches, feines Gesicht und ellenbogenlange hellblonde Haare und blaue Augen. Auf Aleidis wirkte dieser Hochelf, der König, stolz und kühl, intelligent und schweigsam. In seinen Augen funkelte die Weisheit aus vielen Jahrtausenden. Er trug kniehohe schwarze Lederstiefel, eine dunkelgrüne Lederhose und eine silberne Tunika mit einem schwarzen Gürtel darüber. In seine Haare war eine feine Diademkrone eingeflochten.

„Tut mir wirklich Leid, Junge!“, erwiderte der Hochelfenkönig ohne den Blick von Aleidis zu lassen, „Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass jemand hereinkommt. Leider habe ich vor Schreck die Windkugel verrissen. Wer ist dieses menschliche Mädchen?“ „Das ist Aleidis!“, erklärte Anar und winkte die zu sich und seinem Vater, „Ich muss dir unbedingt erzählen was im Menschenwald passiert ist!“

Tochter des Mondes

Anar's Vater, Endoril, hörte sich geduldig an was Anar ihm erzählte. Dabei musterte er ohne zu blinzeln Aleidis. Aleidis fühlte sich von seinen Augen durchbohrt und traute sich nicht ihm in die Augen zu sehen. „Gut dass du sie hierher gebracht hast, Anar. Etwas besseres hättest du nicht tun können!“, meinte Endoril als Anar geendet hatte und sah seinen Sohn an, „Ich habe schon eine Vermutung, aber das könnte eigentlich gar nicht sein. Lässt du mich bitte mit Aleidis allein?“ Anar zuckte mit den Schultern und verließ den Saal.

„Dann komm doch mal mit!“, forderte Endoril Aleidis auf und ging zu einem großen Bücherregal im Saal. Aleidis folgte ihm nervös. Endoril drückte ein Buch in das Regal und dasselbe schwang zur Seite und gab einen Geheimgang frei. Endoril ging hinein und Aleidis folgte ihm schleunigst. Es ging eine endlos langte Wendeltreppe hinauf, die in einem runden Zimmer endete.

Endoril setzte sich in einen Sessel, der vor dem Kamin im Zimmer stand und deutete auf den anderen Sessel. Aleidis setzte sich nervös und mit pochendem Herzen. Endoril musterte sie und begann dann zu sprechen.

„Ich weiß immer was in Rosenhöhe geschieht.“, meinte er mit seiner schönen, alten Stimme, „Du bist mit deiner Familie vor einigen Wochen in das Schloss dort eingezogen! Und in der dieser Woche warst du jeden Tag im Wald. Obwohl dich diese Widerlinge auf diesen fahrenden Zweiräder schon einmal gejagt haben. Und was heute geschehen ist hat mir Anar schon erzählt.“

Endoril schwieg kurz und beobachtete Aleidis. Die zitterte nun fast ein wenig. „Ich habe eine Vermutung, die dieses Geschehnis erklären könnte, aber die ist unmöglich! Das können nur Hochelfen!“, meinte Endoril und sah zur Seite. Seine Augen wurden plötzlich traurig. „Wäre Aurelia noch hier wüsste sie bestimmt was geschehen ist“, meinte er dann und sah wieder auf Aleidis, „Sie war sehr klug. Und meine jüngere Schwester. Sie wüsste jetzt Rat.“

Aleidis nahm all ihren Mut zusammen. „Aurelia, die Schöne?“, fragte sie und beobachtet das Gesicht von Endoril. Er starrte sie an, seine Augen waren geweitet! „Woher kennst du ihren Beinamen?“, fragte er mit beherrschter Stimme, „Woher?“ „In unserer Familienchronik sind die Familiengründer vermerkt!“, stotterte Aleidis ängstlich und zitterte nun, „Und das war eben auch diese Aurelia! Ihre Eltern waren nicht bekannt! Ich hab mich schon gewundert!“

„Verstehe!“, lächelte Endoril plötzlich, „Das hat sie damals also gemeint! Sie sagte sie wolle gehen und ihr Glück gründen! Ich darf wohl davon ausgehen, dass sie Graf Gerald geheiratet hat?“ Aleidis nickte total verdattert. „Tja, dann ist meine Theorie doch möglich!“, meinte Endoril zufrieden, „Wenn meine Schwester und dieser Graf deine Familie gegründet haben, dann ist auch in dir etwas Hochelfenblut! Du bist also eine weit entfernte Verwandt von mir!“

„Und was genau heißt das jetzt?“, fragte Aleidis verwirrt. „Ich werde es dir erklären. Warum meine Theorie jetzt stimmt, meine ich!“, begann Endoril und lehnte sich nach vorne, „Als die Hochelfen entstanden, kamen auch die Dämonen! Hochelfenähnliche Geschöpfe, doch völlig anders. Damals gab es einen großen Krieg zwischen den beiden Rassen. Sie vernichteten sich beinahe gegenseitig! Schließlich versteckte sich jede Rasse vor der anderen, bis zwei aus jeder Rasse auserwählt wurden. Von der Sonne und dem Mond, von Feuer und Eis. Ein Hochelfenmädchen bekam die göttliche Macht des Mondes und beherrschte das Eis. Und ein Dämonenjunge bekam die göttliche Macht des Feuers, also der Sonne.

Damals führten die Mondentochter und der Sonnensohn jeder ein gigantisches Heer in die Schlacht gegen die andere Rasse. Jeder hoffte auf den Sieg und die Vernichtung der anderen Rasse. Aber bei der finalen Schlacht töteten sich Mondentochter und Sonnensohn gegenseitig.

Einige Jahrtausende später erschienen wieder eine Mondentochter und ein Sonnensohn, wieder eine Hochelfe und ein Dämon! Die Mondentochter ist immer eine weibliche Hochelfe. Und der Sonnensohn immer ein männlicher Dämon. Auch diese beiden führten ein Heer in die Schlacht und wieder töteten sie sich gegenseitig!

Es ging über mehrere Millionen Jahre so. Und vor über einem Jahrtausend haben sich die Dämonen und wir Hochelfen in diese kleine Parallelwelt zurückgezogen. Die Dämonen leben hinter dem Hügelzug auf der Ebene. Du hast ihn sicher schon gesehen als Anar dich hergebracht hat.

Die letzte Mondentochter war meine Urururgroßmutter Loranda. Nachdem ihr Mann bei einem kleinen Kampf mit den Dämonen gefallen war, hat sie die Macht des Mondes bekommen. Und eine Heer gegen die Dämonen geführt. Damals war aber auch schon der Sonnensohn bei den Dämonen. Sonnensohn und Mondentochter töteten sich wieder gegenseitig.

Seit damals hat es keine Mondentochter und keinen Sonnensohn mehr gegeben. Und die beiden können nur parallel existieren! Lebt der Sonnensohn, lebt die Mondentochter! Verstehst du?“

Aleidis zuckte zusammen, alles in ihr schien erstarrt zu sein. War sie ...? Endoril schien es in ihren Augen lesen zukönnen. Er nickte langsam, „Du bist eine Abkommin der Hochelfen. Und wenn man das mit dem verbindet was du mit den Banditos gemacht hast und damit wie du den Wind neutralisiert hast, dann bleibt nur eine Möglichkeit übrig! Du bist die neue Mondentochter!“

Aleidis glaubte ihr würde der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Sie - ein Abkomme der Hochelfen. Sie – die neue Mondentochter. Ihr Schicksal – bereits geschrieben! „Was glaubt Ihr?“, fragte Aleidis und sah Endoril bang an, „Werden der Sonnensohn und ich uns – uns auch gegenseitig töten?“

„Bisher war es immer so!“, erwiderte Endoril. Aleidis legte das Gesicht in die Hände. Tränen rollten leise aus ihren Augen. „Meine Vorfahrin Loranda hat lange und hart trainiert um den Sonnensohn zu besiegen. Aber sie hat es nie geschafft die göttliche Stufe zu erreichen! Vielleicht schaffst du es ja!“

„Besser als etwas zu tun, dass einem aufgezwungen wird!“, murmelte Aleidis ohne Endoril anzuschauen, „Besser zu sterben als ewig unglücklich zu sein! Besser ewig tot als ewig ein Schatten!“ „Was meinst du?“, fragte Endoril mit sanfter Stimme und plötzlich spürte Aleidis, dass er sie sanft an der Schulter berührte. Sie sah auf, Tränen kullerten immer noch aus ihrem Gesicht. Endoril stand vor ihr, die Hände auf ihren Schultern.

„Mein Vater!“, murmelte Aleidis, „Er will das ich Latein lerne! Und dann Jura, also Recht, studiere! Aber ich will das nicht! Aber er zwingt mich dazu! Er ist kalt wie ein Eisblock und ohne Gefühl.“ „Er wird wohl denken, dass das am Besten für dich ist! Aber so wird er nicht weit kommen!“, meinte Endoril, setzte sich auf die Sesselarmlehne und nahm Aleidis in den Arm, „Ich bin selbst auch Vater. Ich wollte eigentlich auch, dass meine Tochter Rina Heilkunde lernt, aber jetzt kämpft sie mit zwei Kurzschwertern auf einmal!“

Endoril schwieg eine Weile, während Aleidis wieder ruhiger wurde. „Wir unternehmen einfach etwas gegen deinen Vater!“, meinte Endoril mit hinterhältiger Stimme. „Und was?“, wollte Aleidis neugierig wissen. „Ganz einfach!“, grinste Endoril und ließ Aleidis los, „Ich werde in deinem Zimmer ein magisches Portal erschaffen, dass direkt in die Hochelfenstadt führt! Nach der Schule kannst du dann hierher kommen! Du kannst deine Fähigkeiten trainieren! Das musst du allein, weil dich niemand unterrichten kann! Weil nur du es kannst!“ „Das mit dem Portal wäre großartig!“, lächelte Aleidis begeistert! Endoril nickte zufrieden.

Gegen Nachmittag war das Portal in Aleidis' Zimmer beschworen. Aleidis war unglaublich glücklich darüber! Endlich konnte sie ihrem Vater entkommen! Von Endoril, den sie inzwischen duzte, erhielt sie ein magisches Armband, dass das Portal öffnete und schloss. Inzwischen saß sie mit Anar im Garten hinter der Burg und unterhielt sich mit ihm. Sie saßen auf einer weißen Steinbank, die an einem weißen, rechteckigen Steintisch stand.

Er fand es toll, dass Aleidis mit ihm verwandt war. Eben beugten sich Aleidis und er über eine große Karte der Parallelwelt. Das Land der Dämonen war weiß, im Gegensatz zur Hochelfenwelt.

„Siehst du?“, fragte Anar und deutete auf die Hochelfenstadt, die eingezeichnet war, „Es ist wie bei euch Menschen. Das Dämonenland liegt genau im Norden. Die Hochelfen sind also im Süden. Hier ist die Hochelfenstadt. Sie liegt in einem Tal, dem Windtal. Zum Höhenzug hin öffnet sich das Tal zu einer weiten Ebene! Das Hochelfenreich ist nicht so groß, gerade mal ein paar hunderttausend Hochelfen leben hier. Mansche in der Stadt und manche in umliegenden Dörfern.“ Er deutete auf die fünf Dörfer, von denen drei im Tal und zwei schon fast in der Ebene lagen.

„Bis zum Höhenzug sind es nur 35 Kilometer. Im Hochelfenland gibt es eigentlich nichts besonderes. Aber hier, am östlichen Ende des Höhenzuges ist ein kleines Tal, umgeben von schroffen Felsen. Und rund um dieses Tal ist die Erde völlig vertrocknet und leblos. Wir Hochelfen wagen uns dort nicht hin. Angeblich ist dort schließlich auch der Eingang zur Zwischenwelt. Dort in dem Tal ist eine Quelle.“, erzählte Anar und es schien, als hätte er es auch erzählt bekommen, „Angeblich ist das Wasser der Quelle lebensverlängernd. Aber weder die Dämonen noch die Hochelfen brauchen das!“

„So?“, grinste Aleidis, „Wie alt bist du denn?“ „Nur 7103 Jahre und drei Monate! Also noch nicht so alt!“, lächelte Anar, „Vater ist älter, ganze 17851 Jahre!“ „Wahnsinn! Wahnsinn!“, meinte Aleidis, „Ich kann mir diese Zahl als Alter gar nicht vorstellen! Die ältesten Menschen kommen gerade mal ein paar Jahre über 115 Jahre hinaus, glaube ich!“

„Da ist man als Hochelf fast noch ein Baby!“, meinte eine weibliche Stimme hinter Aleidis und Anar, „Und manchmal benimmt sich Anar auch noch so!“ Aleidis drehte sich auf der Steinbank halb um und sah zwei Hochelfenmädchen hinter sich. Beide sahen aus wie 18 und etwa 10 Zentimeter kleiner als Anar.

Die eine trug rote Stiefel, eine schwarze Hose und eine rote Tunika! An ihrem Gürtel hingen rechts und links jeweils ein Schwert. Diese Hochelfe hatte kinnlange, schwarze Haare und grüne Augen. Die andere hatte eine gelbe Tunika, eine grüne Hose und braune Stiefel an. Sie hatte einen Köcher auf dem Rücken und einen Langbogen in der rechten Hand. Ihre Haare waren braun und die Augen grau.

„Hallo ihr beiden!“, meinte Anar etwas beleidigt als die beiden Frauen sich zu ihnen an den Steintisch setzten, „Meine lieben Schwestern!“ „Wir haben es schon gehört!“, rief die mit den schwarzen Haaren, „Du bist mit uns verwandt und die neuen Mondentochter! Ach so, ich bin Rina!“ „Gut, ich bin Mara!“, stellte sich die mit die braunen Haaren vor. „Schön euch kennen zu lernen!“, erwiderte Aleidis.

Bevor irgendjemand etwas sagen konnte ertönte hinter den vieren ein lautes „Buh!“ „Fion! Aleno!“, rief Mara wütend als zwei jüngere Hochelfenjungen lachend an ihnen vorbei liefen. Aleidis erholte sich langsam von dem Schreck, den die beiden ihr eingejagt hatten.

„Das ist unser jüngster Bruder, Aleno!“, erklärte Mara und deutete auf den Hochelfenjungen mit den langen hellbraunen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er trug eine blaue Hose, schwarze Stiefel und eine graue Tunika. Seine Augen waren ebenfalls blau. An seinem Gürtel baumelte ein Schwert und an den Unterarmen hatte er Lederschütze, in denen sich Peitschen versteckten.

„Und der andere ist Fion, jünger als Anar.“, meinte Rina und verdrehte die Augen. Fion hatte schwarze schulterlange Haare, graue Augen und trug eine dunkelviolette Tunika, blaue Stiefel und eine schwarze Hose. Auch er hatte Unterarmschützer, aber in denen verbargen sich ausfahrbare Klingen. Auf dem Rücken hatte er ein schweres Langschwert.

Aleno und Fion waren eine Runde durch den Garten gelaufen und setzten sich jetzt zu ihren Geschwistern. „Du bist also Aleidis?“, fragte Fion sofort. „Vater hat und schon alles erzählt!“, rief Aleno, „Du bist die neue Tochter des Mondes!“ „Danke, dass du mich daran erinnerst!“, meinte Aleidis.

Neue Tochter des Mondes. Wahrscheinlich würde es genauso enden wie auch bei denen vor ihr. Sie und der Sonnensohn würden sich gegenseitig umbringen. Und irgendwann in ein paar Jahrtausenden würde es eine Neue geben. Eine neue Tochter des Mondes! Und es würde von vorne beginnen.

Schule

Am Montag hatte Aleidis noch immer nicht so recht realisiert was eigentlich geschehen war. Widerwillig stand sie um halb sieben auf und zog sich für die Schule an. Sie wäre so gerne noch liegen geblieben, aber die Sommerferien waren vorbei. Jetzt musste sie Latein lernen!

Muffelig ging sie in ihr Badezimmer und wusch sich, putzte die Zähne und kämmte sich ihr Haar durch. Übellaunig erschien sie mit ihrer Schultasche zum Frühstück. Mies gelaunt setzte sie sich und machte sich eine Semmel mit Honig. Ihr Pausenbrot lag schon bereit und musste nur noch in die Schultasche gepackt werden.

„Na da ist ja meine Lateinerin!“, meinte ihr Vater gut gelaunt als er wieder ins Esszimmer kam. Unter dem Arm hatte er seine schwarze Aktentasche und er trug wie immer seinen schwarzen Anzug. Aleidis knurrte irgendetwas unverständliches und aß weiter.

Um halb acht ging sie aus dem Schloss und die lange Auffahrt hinunter zur Stadt. Es war schon etwas kühler und die Sonne ging später auf. Aleidis sah noch einmal zurück auf den Wald. Endoril's Worte spuckten ihr immer noch im Kopf herum. Mondentochter, Sonnensohn. Göttliche Macht des Eises.

Nachdenklich betrachtete Aleidis ihr Armband, dass sie von Endoril bekommen hatte, dann griff sie nach ihrem Ohr. „Da bin ich also ein Abkomme der Hochelfen!“, dachte sie in sich hinein, „Auch nicht schlecht! Und nur ich weiß das! Irgendwie ein schönes Gefühl! Ich habe einen Ort, an den ich immer gehen kann! Endoril ist furchtbar nett! Wenn mein Vater doch auch so wäre!“

Nach 20 Minuten erreichte Aleidis die Schule. Vor dem Eingang seufzte sie noch einmal und sah auf die Straße. Es kam ihr vor, als würde sie in ein Gefängnis gehen. Die Aula, die man gleich nach dem Eingang erreichte, war grau und trostlos, keine Bilder oder so etwas hingen an den Wänden.

Aleidis sah eine große selbst stehende Pinnwand. An der hingen einige DIN A4 Blätter. Davor standen einige Schüler. Aleidis ging hin, sie wusste wie ihre Klasse hieß und die musste sie jetzt finden. Nach einigen Sekunden hatte sie das Blatt gefunden, auf dem der Weg zu ihrer Klasse beschrieben war. Es lag gleich im ersten Stock, Zimmer 102. Aleidis bewegte sich ein paar Meter von der Pinnwand weg und sah sich kurz um. Die Treppe lag in einer Ecke und die ging sie jetzt hinauf. Das Klassenzimmer 102 fand sie schnell.

Der Lehrer saß am Pult und ließ sich von Aleidis ihren Namen nennen. Dann sah er nach, ob sie wirklich für diese Klasse angemeldet war. Aleidis hatte gehofft, dass sie nicht in der Klassenliste stand, aber ihr Name war da. Wohl oder übel setzte sie sich an einen Tisch und wartete.

Fünf Minuten nach acht Uhr waren alle angemeldeten Schüler erschienen. Insgesamt waren es 19 Jungen und Mädchen die ein Extrajahr Latein haben wollten, oder mussten, wie Aleidis. Der Großteil der Schüler sah schon streberhaft und langweilig aus. Einige wirkten so, als würden sie nur lernen und nie nach draußen gehen und etwas unternehmen. Aleidis kam sie vollkommen fehl am Platz vor. In der Hochelfenstadt, in der Parallelwelt, da fühlte sie sich wohl!

„Es ist schön, dass so viele Schüler in dieser modernen Zeit noch die alte Sprache Latein lernen wollen!“, begann der Lehrer zufrieden, „Wir werden in diesem Jahr nur Latein und sonst nichts anderes lernen. Und, das verspreche ich euch, am Ende dieses Jahres werdet ihr hier aus der Schule gehen und Latein perfekt beherrschen! Vorwärts, rückwärts und kreuz und quer! Wir werden lernen, lernen und nochmals lernen, bis ihr Latein könnt! Aber jetzt sollten sich alle mal verstellen! Ich fange an! Also, ich bin Markus Braun, verheiratet, ein Kind, seit 35 Jahren Lehrer und 60 Jahre alt. Meine Hobbys sind lesen, mich weiterbilden und Nachhilfe geben. Außerdem koche ich gerne! Der nächste ist dran!“

Nach und nach stellten sich alle vor. Aleidis erfuhr so welche Hobbys in der Klasse am stärksten vertreten waren. Fast alle lasen gerne dicke, staubtrockene Wälzer, die sie nicht einmal unter Zwang lesen würde! Direkt nach Lesen kam Lernen als Hobby! Eine wahre Streberklasse! Aleidis war die einzige die zeichnete, wanderte und gerne bastelte. Sie las zwar auch gerne, aber lieber Fantasy-Romane.

„Das ist der echte Horror!“, dachte Aleidis, als sich andere vorstellten, „Ich war zwar immer mit bei den Besten dabei, aber nur weil ich das ein, zweimal hören musste und dann konnte! Mathe, Deutsch, Technischer Bereich, Kunst und so, das lag mir im Blut! Englisch hab ich zwar auch ziemlich gut gemacht, aber da hat mir die Lehrerin so sehr geholfen! Aber Latein!? Das spricht kein Mensch mehr! Das ist staubtrocken! Ich will weg hier!“

Aber Aleidis konnte nicht fliehen! Dieses Jahr musste sie absitzen! Sie musste! Ihr Vater zahlte für diese Schule viel Geld und er erwartete gute Noten! „Aber ich werde nicht lernen!“, grollte Aleidis in Gedanken während Herr Braun erklärte was in diesem Jahr alles gelernt werden sollte, „Ich werde in die Hochelfenstadt gehen! Und ich werde nicht lernen! Egal was Vater sagt!“

Nach der ersten Pause, von 9:30 Uhr bis 9:55 Uhr, wurden die Bücher ausgeteilt. Aleidis hasste diese Bücher auf den ersten Blick. Grammatik, Geschichten in Latein, Vokabelbuch und ein Buch mit Aufgaben! Danach bekamen sie eine Liste mit Heften und dergleichen, die sie besorgen mussten! „So viel Geld für nichts und wieder nichts hinaus geworfen!“, dachte Aleidis als sie die Liste in ihre Mappe packte und die in die Schultasche steckte .

Zu Beginn der zweiten Pause hatten sie endlich Schule aus. Das war um 11:20 Uhr. Die Pause dauerte eigentlich 10 Minuten, aber das war am ersten Schultag unwichtig. Direkt nach der Schule ging Aleidis in eine Drogerie und kaufte dort ihre Hefte die sie für dieses Schuljahr brauchte. Es war unglaublich viel in der Stadt los. Vo überall her kamen Schüler und kauften sich ihre Werkzeuge für das kommende Schuljahr, genau wie Aleidis.

Kurz nach 12:00 Uhr war Aleidis zuhause und legte die Bücher ins Esszimmer. Markus und Martin wollten die immer einpacken, das taten die beiden furchtbar gerne, auch wenn es danach aussah wie bei Räubern. Aleidis machte sich eine einfache Suppe und verschwand dann mit ihrer schweren Schultasche in ihr Zimmer. Und wieder hängte sie ein Schild an ihre Türe. Sie wollte nicht gestört werden, auch wenn sie gar nicht anwesend war.

Aleidis zog sich um. Am Sonntag hatte Aleidis von Mara ein paar abgelegte Sachen bekommen und die zog sie nun an. Kniehohe blaue Stiefel, eine schwarze Stoffhose und eine graue Tunika mit dunkelgrünem Gürtel. Aleidis kämmte sich wieder die Haare und drehte sich dann vor ihrem Spiegel. Die Kleidung der Hochelfen gefiel ihr um einiges besser als die der Menschen.

Aleidis trat vor ihren Spiegel und hob die rechte Hand. An ihrem Handgelenk war das Armband von Endoril. Der blaue Stein auf dem etwa zwei Zentimeter breiten Silberband mit Efeumuster leuchtete auf. Dann schien das Glas des Spiegels flüssig zu werden und von innen zu leuchten. Gleißendes Licht erhellte Aleidis' Zimmer. Sie ging einfach durch das Leuchten hindurch und schwebte durch einen Tunnel aus Licht, Formen und Schatten und Gesang.

Plötzlich durchbrach sie eine Art Wand aus Licht und landete im Schlossgarten im Hochelfenreich. Anar wollte zwar gerade den Garten verlassen, kam aber sofort zurück und begrüßte Aleidis brüderlich.

Tagebuch

„Ich wollte gerade auf die Ebene reiten!“, meinte Anar, nachdem er Aleidis begrüßt hatte, „Willst du vielleicht mitkommen?“ „Schon, aber ich kann nicht reiten!“, erwiderte Aleidis mit einem hilflosem Schulterzucken. „Macht nichts!“, sagte Anar großzügig, „Du musst nicht reiten können um auf einem Pferd sitzen zu können! Hochelfen können sofort, wenn sie auf einem Pferd sitzen, reiten! Und du bist ein Abkomme der Hochelfen! Bei dir müsste es ähnlich sein!“

Anar führte Aleidis über die offene Terrasse in das Schloss und dort durch einige Gänge in die Eingangshalle und endlich auf den Schlosshof. „Hier würde ich mich garantiert verlaufen!“, meinte Aleidis als sie in die Eingangshalle kamen. „Das wird schon noch! Für dieses Labyrinth braucht man einfach Zeit!“ Anar ging auf einen der Ställe zu und sprach kurz mit dem Stallmeister.

Während der Stallmeister mit einem Stallburchen die Pferde holte und sattelte, zog Anar den hellgrauen, fast silbernen ponchoartigen Überwurf aus, den er getragen hatte. Er trug heute braune Stiefel, eine enge grüne Stoffhose und eine dunkelbraune Tunika mit Stehkragen. Außerdem hing an seinem Gürtel ein Schwert und an seinem Stiefel hatte er einen Dolch befestigt.

„In Mara's alten Sachen siehst du auch aus wie eine Hochelfe!“, meinte Anar als der Stallmeister die Pferde übergab, „Wenn man von den Ohren absieht!“ Aleidis lachte und ließ sich von Anar kurz erklären, wie sie auf ihren Rappen kam. Dann schwang sie sich auf das Pferd und wunderte sich, dass es so problemlos klappe! Sie hätte gedacht, das sie auf der anderen Seite sofort wieder herunterfallen würde! „Siehst du?“, fragte Anar lächelnd, „Das Hochelfenblut kommt durch!“

Anar lies sein Pferd lostraben und Aleidis folgte ihm einfach. Es wunderte sie ordentlich, dass das Pferd ihr gehorchte. Anar's Brauner schien nicht auf seine Bewegungen sondern auf seine Gedanken zu hören. Die Wachen hatten schon das Burgtor geöffnet, und als Aleidis und Anar hindurch geritten waren, schlossen sie es wieder.

Auf der Straße zum Stadttor war nicht besonders viel los. Die wenigen Hochelfen die unterwegs waren gingen die Pferde aus dem Weg und winkten und begrüßten Anar und Aleidis. Die Wachen beim Stadttor mussten sie schon von weitem gesehen haben, den das Tor war offen.

Kaum waren sie durch das Tor und über die Brücke getrabt fiel Anar's Pferd auch schon in den Galopp! Aleidis lachte und folgte dem Hochelfen im Galopp um die halbe Hochelfenstadt herum und dann auf die Ebene! Aleidis fühlte sich frei von allen Sorgen! Sogar ihren Vater hatte sie vergessen, und Latein erst recht! Sie ritt mit Anar über die mit dunklem Gras bewachsene, etwas hügelige Ebene und fühlte sich frei.

Plötzlich verfiel Anar wieder in den Trab , wie auch Aleidis. Wenige Sekunden später sah Aleidis auch warum. Mara und Rina kamen ihnen mit fünf Wachen entgegen, auch sie ritten.

„Hallo ihr zwei!“, begrüßte Anar seine beiden Schwestern und brachte das Pferd zum Stehen. Auch Aleidis hielt an. „Hallo!“, gab Mara grinsend zurück. „Wo wollt ihr zwei denn hin?“, fragte Rina und gab den Wachen ein Zeichen, dass auch sie warten sollten. „Einfach ein wenig herumreiten!“, meinte Anar schulterzuckend und Aleidis nickte. „Dann passt bitte auf!“, bat Mara, „Wir waren gerade auf Streife unterwegs, am Hügelzug. Zwischen den Felsen haben wir ein paar Dämonen gesehen! Keine Ahnung was die vor haben!“ „Gut, wir passen auf, Ehrenwort!“, versprach Anar und trabte wieder los. Aleidis folgte.

„Anar, was ist dieser Hügelzug, oder Höhenzug eigentlich? Das er die Grenze ist hab ich begriffen! Aber was ist er?“, fragte Aleidis, als sie neben Anar ritt. „Im Grunde ist das eine Reihe von Hügeln, aus denen vor langer, langer Zeit Felsen wie Speere herausgewachsen sind. Eigentlich heißt er „Felsengrenze“ aber gemeinhin sagt man nur noch Höhenzug oder Hügelzug. Und er ist eben noch die Grenze zwischen Dämonenreich und Hochelfenreich.“

Aleidis wandte den Blick von Anar ab und sah auf die Felsengrenze. Sie waren schon nahe dran. Bedrohlich und grau ragte sie vor ihnen auf in den mit Wolken verhangenen Himmel. Aber auf der Seite der Hochelfen schien die Sonne!

„Anar, warum bekriegen sich Dämonen und Hochelfen?“, fragte Aleidis nach einer Weile. Anar ließ sein Pferd nur noch traben und überlegte. „Wie erkläre ich das? Hm. Den ursprünglichen Grund kennt keiner!“, erklärte Anar nachdenklich, „Aber es liegt wohl an den Unterschieden zwischen den Rassen. Die Hochelfen sind naturverbunden, lieben die Schönheit der Natur und die Tiere. Sie kämpfen auch, und sie können hassen. Wie die Dämonen sind, dass weiß ich nur von Erzählungen. Sie sind uns Hochelfen zwar sehr ähnlich, zumindest vom Körperbau her, aber sonst ganz anders. Sie haben alle eine dämonische, also böse Magie in sich. Sie haben ungeheure körperliche Kräfte und sind durch sie schnell und extrem stark. Was aber besonders unheimlich sein soll ist ihre Kaltblütigkeit. Angeblich sind die immer ruhig. Im Kampf verziehen sie nie das Gesicht. Zeigen nicht ob sie Schmerzen haben oder ob ihnen etwas Freude macht! Das ist unheimlich!“

„Was die Dämonen wohl über euch denken?“, überlegte Aleidis laut als sie mit Anar am Höhenzug nach Osten entlang ritt, „Sie denken wohl auch schlecht über euch!“ „Uns! Du bist zu Teil auch eine Hochelfe!“, lächelte Anar Aleidis an. Aleidis lachte und sah wieder nach vorne.

„Da hinten ist das Tal mit der Quelle!“, meinte Anar nach einer Viertelstunde, „Aber, sie wird von einem Bann geschützt! Siehst du?“ Aleidis strengte ihre Augen an. Am Ende des Höhenzuges waren Felsen die wie Speere in die Höhe ragten und dahinter waren die Berge die das Hochelfenreich und das Dämonenreich umschlossen. Zwischen den Speerfelsen konnte Aleidis das Grün von Baumkronen erkennen! Und sie erkannte auch den merkwürdigen blassblauen Schimmer der über dieser Stelle lag. Das musste dieser Bann sein. „Ich sehe ihn!“, erwiderte Aleidis und sah dann wieder die Felsen des Höhenzuges hinauf.

Aleidis' Rücken überlief ein eiskalter Schauer als sie auf die schroffen, scharfkantigen Felsen über ihr sah. „Haben Dämonen und Hochelfen keinen gemeinsamen Feind?“, fragte sie nach einer Weile, als sie plötzlich an einer Stelle waren, an der das saftige grüne Gras plötzlich verschwand und es nur noch trockene Erde gab. Da waren sie noch gut drei Kilometer von dem Tal und dem Bann entfern. Sie wendetet und trabten wieder auf die Hochelfenstadt zu. „Mein Vater hat mal etwas erzählt.“, meinte Anar langsam und nachdenklich, „Als er noch ein Kind war haben Blutwölfe ständig diese Welt überfallen und fast zerstört.“

„Woher kamen denn diese Blutwölfe?“, fragte Aleidis erstaunt, „Ich dachte diese Welt wäre die einzige parallele Welt!“ „Ist sie auch!“, erwiderte Anar, „Die Blutwölfe kamen aus der schwarzen Zwischenwelt! Dorthin kommen die Seelen Verstorbener, bevor sie weitergehen in die endgültige Totenwelt. Die Blutwölfe ernähren sich gewöhnlich von den Seelen böser Wesen. Aber damals sind sie in diese Welt eingedrungen und haben fast alle getötet!“

„Wie sind sie die Wölfe wieder losgeworden?“, fragte Aleidis mit einem flauen Gefühl in der Magengegend. „Vater hat erzählt, dass sie die Wölfe zum ersten und einzigen Mal zusammen mit den Dämonen bekämpft haben. Sie haben zusammen ein riesiges Heer aufgestellt und die Wölfe in ihre eigene Welt zurück getrieben. Aber danach haben sich die Rassen wieder zerstritten!“, seufzte Anar und sah Aleidis an. In seinen Augen war etwas Trauriges.

Auch Aleidis schwieg und trabte auf ihrem Pferd langsam neben Anar her. Der Rückweg zur Hochelfenstadt schien Ewig zu dauern, aber plötzlich waren sie vor dem Stadttor und trabten hindurch. Inzwischen war es Nachmittag geworden und die Straße zum Burgtor ziemlich leer. Aleidis ritt hinter Anar her, die Straße hinauf und durch das Burgtor in den Burghof. Dort stiegen sie von ihren Pferden ab und gingen durch den Burghof auf das Burgtor zu und hinein. Währenddessen kümmerten sich einige Stallburschen um ihre Pferde.

Kaum waren Aleidis und Anar in die Eingangshalle getreten ertönte eine Stimme. „Aleidis!“, rief Endoril, der eben die große Freitreppe in dem Eingangsaal herunterkam, „Ich hab dich schon fast gesucht! Warst du mit Anar ausreiten?“ „Ja, war sie! Wir sind nicht zu nah an den Höhenzug geritten!“, meinte Anar sofort. „Anar, wenn du dich nicht beeilst verpasst du deinen Unterricht!“, ermahnte Endoril seinen Sohn, als er bei ihnen stand.

„O je!“, rief Anar und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn, „Hab ich total vergessen! Danke Vater! Tschau, Aleidis, vielleicht sehen wir uns heute noch!“ Damit stürmte Anar etwas aufgelöst davon. „Aleidis, ich hab in der Bibliothek etwas gefunden, dass dich interessieren dürfte.“, meinte Endoril und zog unter seinem weiten, langen Gewand ein alten Buch hervor, „Das ist das Tagebuch meiner Vorfahrin Loranda. Die letzte Mondentochter. Vielleicht steht hier etwas drin, dass dir bei deinem Weg hilft!“ „Danke schön!“, erwiderte Aleidis und nahm das kleine Buch entgegen. „Du kannst dich zum lesen ruhig raus in den Garten setzten!“, schlug Endoril vor, „Ich muss sowieso noch viel erledigen. Und, das Buch kannst du behalten!“ Aleidis nickte und ging hinaus in den Garten hinter der Burg. Dort setzte sie sich auf eine Steinbank, die unter vier grünen Bäumen stand.

Aleidis las ein oder zwei Stunden in dem Tagebuch. Obwohl die Schrift sehr schwungvoll und verschnörkelt war, konnte Aleidis dennoch einiges lesen. Sie las, wie sich Loranda fühlte als sie erfuhr, dass sie die neue Mondentochter war. Sie hatte sich einsam und ausgeschlossen gefühlt. Später war ihr bewusst geworden, dass sie so ihren Mann rächen konnte. So hatte sie begonnen zu trainieren.

Loranda hatte damit begonnen, dass sie Wasser zu Eis werden ließ. Zuerst nur kleine Wassermengen, später ganze Seen und Flüsse. Und schließlich konnte sie das Eis einfach heraufbeschwören! Ganz problemlos aus der Luft! So hatte sie Eisstürme entstehen lassen können!

Nach einiger Zeit stieß Aleidis auf etwas sehr Interessantes. Loranda hatte sich zum Üben und wenn sie allein sein wollte in das gebannte Tal der Lebensquelle zurückgezogen. Dort kann ich weinen, wenn ich will. Schrieb sie in ihr Tagebuch. Der Bann schützt mich vor anderen, sie können nicht zu mir kommen! So habe ich Ruhe und muss nicht aufpassen was ich tue! Und die lebensverlängernde Wirkung dieser Quelle existiert gar nicht! Es ist ganz normales Wasser! Das ist gut so, denn ich kann hier wunderbar üben!

„Vielleicht sollte ich auch einmal dahin gehen?“, überlegte Aleidis, „Wenn die Dämonen nicht hinkommen können, dann ist es mir ganz Recht! Was mir Sorgen macht ist, dass dieser Eingang zur Zwischenwelt, in der die Blutwölfe leben sollen, dort sein soll! Vielleicht ist es so gesehen doch besser wenn ich da nicht hingehe. Aber dort hätte ich Ruhe!“

Aleidis las weiter, aber bis zum frühen Abend schaffte sie nicht das ganze Buch. Gegen halb sechs kam Endoril zu Aleidis. „Müsstest du nicht zurück in deine Welt?“, fragte er, nach dem er Aleidis erschreckt hatte. „Ja, leider.“, erwiderte Aleidis traurig, „Die Zeit hier vergeht viel schneller als in meiner Welt.“ „Das bildest du dir nur ein!“, meinte Endoril und begleitete Aleidis zu dem Ort im Garten, an dem das Portal zu ihrem Zimmer war, „Es gefällt dir hier, dass ist alles!“

„Morgen komme ich wieder!“, meinte Aleidis als sie mit ihrem Armband das Portal öffnete. Ein leuchtendes, großes Licht erschien vor ihr in der Luft, zwischen fünf Eichen, die, die Eckpunkte eines Fünfecks bildeten. „Wäre schön!“, lächelte Endoril und Aleidis trat lächelnd in das Licht, das Tagebuch von Loranda fest umklammert.

Blutwölfe

Seit dem ersten Schultag in der Privatschule waren drei Wochen vergangen. Aleidis weigerte sich strikt Hausaufgaben zumachen und zu lernen. Aber sie weigerte sich stumm. Weder ihr Vater, noch ihr Lehrer wusste es. Ihrem Lehrer erklärte sie, dass sie die Hausaufgaben nicht machte, weil sie schon so viel lernte, und der Lehrer glaubte es auch noch! Und ihre Mitschüler verstanden es sowieso nicht. Die lernten täglich mehrere Stunden. Aleidis aber war in dieser Zeit immer in der Hochelfenstadt und übte schon ein wenig ihren Umgang mit ihrer Macht über das Eis. Inzwischen konnte sie ein Glas Wasser sofort zu Eis gefrieren lassen! Aber zur Quelle unter dem bann war sie noch nicht gekommen.

Es war der erste Montag im Oktober. Aleidis kam wieder einmal gestresst und genervt von der Schule nach Hause. Sie schnauzte ihren Vater, der sie mit „kleine Rechtsanwältin“ begrüßte kurz an und verschwand dann sofort auf ihr Zimmer! Schnellstmöglich zog sie sich Hochelfenkleidung an und öffnete das Portal. Mit klopfendem Herzen schoss sie durch den Tunnel aus Licht und Formen, bis sie wieder im Garten hinter der Hochelfenburg ankam. Schon als sie aus dem Licht trat sah sie Endoril, der bei einer der fünf Eichen stand und nervös die Hände aneinander rieb. Er sah sehr gestresst aus.

„Aleidis! Gut dass du da bist!“, rief er als Aleidis endgültig das Portal verlassen hatte und das Licht verschwunden war. „Endoril! Was ist den los?“, fragte Aleidis verwundert, als Endoril bei ihr war. „Die ... die Blutwölfe!“, stieß Endoril panisch hervor, „Ich wollte es dir am Samstag schon sagen! Aber du bist weder am Samstag, noch am Sonntag gekommen!“ „Mein Vater hat mich zum Lernen verdonnert und das auch noch kontrolliert! Tut mir Leid!“, entschuldigte sich Aleidis. „Egal!“, meinte Endoril und führte Aleidis zur Burg, „Die Blutwölfe sind wieder in diese Welt eingefallen! Bis jetzt sind es nur wenige, und wir können sie noch in Zaum halten, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es mehr werden! Es dauert nicht mehr lange!“

„Und was bedeutet das jetzt genau?“, fragte Aleidis bang, als sie Endoril im kleinen Waffensaal beim Kamin gegenüber saß. „Es bedeutet, dass es hier jetzt sehr gefährlich wird.“, begann Endoril etwas ruhiger, „Mara, Rina, Anar, Fion und Aleno führen jetzt Truppen an, die dieses Tal schützen. Meine Frau Lorana und mein Vater Elgendo helfen auch mit. Die beiden außerhalb liegenden Dörfer wurden schon evakuiert. Aber für dich bedeute es auch etwas anderes!“ „Nämlich?“ fragte Aleidis nach. „Loranda ist zum Üben zum gebannten Tal gegangen. Das weiß ich.“, begann Endoril, „Und ich bin mir sicher, dass du auch dorthin gehen willst. Und eine Mondentochter kann man nicht zurück halten! Also habe ich eine Bitte an dich, wenn du hingehen willst, dann melde mir das und nimm Waffen mit! Die Blutwölfe sind gefährlich! Gefährlicher und bösartiger als Dämonen!“

„Glaubst du, ihr könnte die Blutwölfe irgendwie wieder zurücktreiben?“, fragte Aleidis hoffnungsvoll. Es behagte ihr gar nicht, dass sie über die Ebene gehen musste, auf der Blutwölfe unterwegs waren. Endoril seufzte, „Damals haben wir uns mit den Dämonen verbündet und so die Blutwölfe zurücktreiben können! Aber seit damals ist die Feindschaft gewachsen und ich denke, dass wir uns dieses mal nicht mit ihnen verbünden können!“

„So was blödes!“, knurrte Mara, als Aleidis einige Minuten später mit dem Pferd bei ihr war, „Diese widerlichen Biester sind schon auf der ganzen Ebene! Und das ausgerechnet jetzt, wo du aufgetaucht bist!“ „Ja, leider.“, erwiderte Aleidis. Sie und Mara saßen auf ihren Pferden und die waren hinter einer großen Truppe berittener Hochelfen, die das Tal bewachten. Bevor sich das Tal mit der Hochelfenstadt zu Ebene öffnete liefen rechts und links zwei gigantische Felsen aufeinander zu und verengten den Ausgang. Und dort hatte Endoril seine Kinder mit ihren Truppen von bis zu 1000 Mann postiert. Seien Frau war bei ihm in der Burg.

„Wie gefährlich sind die Blutwölfe eigentlich?“, fragte Aleidis nach einigen Minuten. „Sie sind etwa vier mal so groß wie normale Wölfe, also eine Schulterhöhe von etwa zwei Metern.“, erklärte Mara und spielte mit einem Pfeil herum, „Sie sind blutrot und haben gigantische und gefährliche Krallen an den Klauen. Sie sind schnell, aber nicht sehr lange. Nach en paar Minuten Laufen müssen sie langsamer tun und verschnaufen. Und sie fressen gerne Fleisch! Egal ob Hirsche, Hasen, Rehe, Hochelfen, Dämonen oder Menschen, alles schmeckt ihnen!“

„Mit welchen Waffen kann man sie besiegen?“, fragte Aleidis weiter und beobachtete einen kleinen dunklen Punkt ganz weit weg auf der Ebene. Vom Tal heraus fiel das Gelände ziemlich ab und man konnte hier weit sehen. „Sehr wirkungsvoll sind Langschwert, vor allem wenn sie mit ganzer Kraft geführt werden!“, meinte Mara nachdenklich, „Pfeile funktionieren auch, aber man braucht auch mehrere. Diese Blutwölfe haben starke Körper.“

„Mara!“, ertönte plötzlich ein Ruf vom östlichen Talrand her. „Großvater!“, rief Mara zurück. Aleidis drückte ihr Pferd herum und sah nun den Hochelfen, der im Galopp auf sie zu kam. Er stoppte bei ihnen. Dieser Hochelf war schlank und etwa 1,87 Meter groß und sah schon etwas älter aus. Wie ein gut erhaltener Vierziger. Er hatte sehr lange schwarze Haare und graue Augen. Auf dem Rücken hatte er, wie Fion, ein Langschwert und einen gefüllten Köcher. In der Hand trug er einen großen Bogen. Er trug eine schwarze Hose, braune Stiefel und eine dunkelgraue Tunika mit geschlossenem Stehkragen. Darüber trug er einen blauen Schulterüberwurf und einen schwarzen Gürtel.

„Großvater, was ist denn los?“, fragte Mara und begrüßte ihren Großvater mit einer Umarmung. „Einige der Blutwölfe sind schon nahe am östlichen Talausgang. Ich habe Fion das Kommando übergeben!“, erklärte Elgendo, so hieß er, „Und jetzt reite ich zurück und hohle die Ablösung für die Wachen und Krieger hier.“ „Gut, wir passen schon auf!“, erwiderte Mara. Elgendo lächelte kurz und galoppierte dann davon.

„Mara, mit welcher Waffe sollte ich in dieser Welt auf jeden Fall ziemlich gut umgehen können?“, wollte Aleidis wissen. Wenn sie wirklich mal zum gebannten Tal wollte musste sie Waffen mitnehmen, und wenn möglich auch den Umgang mit ihnen beherrschen. „Am besten sind die Langschwerter.“, überlegte Mara laut, „Aber dafür muss man schon ziemlich stark sein! Nichts gegen dich, aber diese Dinger sind irre schwer! Normale Schwerte sind da schon ein Stück leichter und man ist schneller damit. Pfeil und Bogen hilft die auf Nähe nichts. Am bestens sind wirklich Schwerter! Ich an deiner Stelle würde den Umgang mit gewöhnlichen Schwertern lernen! Und vor allem den Umgang mit deiner Macht! Die dürfte hier zur Zeit die beste Waffe überhaupt sein!“ Aleidis nickte, üben musste sie auch noch.

Nach einer Stunde warten bei Mara ritt Aleidis zurück in die Hochelfenstadt. Ihre Gedanken fuhren Karussell. „Warum tauchen die Blutwölfe gerade jetzt auf?“, fragte sie sich, „Hat es mit mir zu tun? Warum bin ich die Mondentochter? Wer ist der Sonnensohn? Warum fällt alles zusammen? Ich versteh’s, ich verstehe es einfach nicht! Egal, wie sehr ich mir das Gehirn zermatere.“

Als Aleidis wieder in der Burg der Hochelfen war, ging sie sofort in den Garten hinter der Burg. Sie erinnerte sich, dass sie dort einen großen Weiher mit einem Wasserfall gesehen hatte. Nach einigen Minuten suchen fand Aleidis diesen Weiher auch, er wer ideal zum Üben.

Aleidis setzte sich an das Ufer und konzentrierte sich. Um das Eis als Angriff, als Waffe, verwenden zu können musste sie zuerst das Wasser beherrschen können. Aleidis starrte auf die Wasseroberfläche, glatt und regungslos. Doch dann schien sich in der Mitte des Sees eine Art berg aus zusammenfließendem Wasser zu bilden. Er wurde immer höher und schließlich riss die Spitze ab und blieb als runder, fußballgroßer Tropfen mitten in der Luft schweben. Aleidis streckte die rechte Hand nach dem Wasserball aus und bewegte kurz die Finder. Der Wasserball bewegte sich schwebend auf sie zu und blieb etwa einen Meter vor ihr über dem Wasser in der Luft schweben. Aleidis stellte sich nun vor, dass der Ball zu Eis gefror. Und wirklich! Der Ball aus wasser wurde langsam von außen nach innen zu Eis! Aleidis sah genau wie sich die Eiskristalle bildeten. Schließlich war der Ball nur noch Eis.

„Erstaunlich gut!“, meinte da eine Stimme hinter Aleidis. Die erschrak so sehr, das die Eiskugel ins Wasser fiel und versank. „Endoril!“, rief Aleidis mit pochendem Herzen und etwas sauer. „Entschuldigung!“, lächelte Endoril versöhnlich und setzte sich neben Aleidis ans Ufer, „Das eben war großartig! Du hast noch nicht so viel geübt, aber das war hervorragend! Und irgendwann geht das auch von alleine! Dann musst du dich nicht mehr so konzentrieren.“

„Wäre ganz schön!“, erwiderte Aleidis, „Dauerkonzentration ist nicht meine Stärke.“ „Wird schon noch!“, ermunterte Endoril sie, „Es ist och kein Meister vom Himmel gefallen!“ „So?“, fragte Aleidis und sah Endoril mit merkwürdigem Ausdruck in den Augen an. „Das bei uns Hochelfen zählt nicht!“, meinte er dann, „Das liegt einfach in unserer Natur, dass wir Waffen und dergleichen sofort beherrschen! Für mein bisschen Windmagie musste ich einige Jahrhunderte trainieren!“

„Hoffentlich dauerte es bei mir nicht auch so lang!“, erwiderte Aleidis lächelnd und sah wieder aufs Wasser. „Denke ich nicht!“, meinte Endoril und beobachtete Aleidis mit Adleraugen, „Als Mondentochter solltest du das eigentlich schnell können. Was machst du da?“

Aleidis hatte aus dem Wasser lange Tentakeln wachsen lassen und sie dann vereist. Sie bewegten sich genau nach Aleidis Willen. Die Tentakeln bewegten sich auf Aleidis und Endoril zu und der Hochelfenkönig war ziemlich bleich. Ihm behagte das absolut nicht. Schließlich machte Aleidis einen großen Knoten in die Tentakeln und ließ sie wieder ins Wasser zurück.

„Beeindruckend!“, fand Endoril anerkennend, „Wenn du diese Dinger aus der Luft beschwören kannst, dann müsstest du mit diesen Tentakeln auch einige gestandene Krieger bewältigen können.“ „Endoril, eine Frage.“, begann Aleidis langsam und nachdenklich, „Wenn ich zur gebannten Quelle gehen will, dann soll ich eine Waffe mitnehmen, dass hast du gesagt. Aber, ich kann nicht mit Waffen umgehen. Könntest du vielleicht ....?“

„Klar!“, meinte Endoril, bevor Aleidis weiterreden konnte, „Ich hab da auch schon eine Waffe im Sinn! Das Schwert „Mondlicht“, dass Loranda als Mondentochter geführt hat! Das ist schön leicht und trotzdem gefährlich! Wenn du am Wochenende kommst kann ich es dir beibringen, okay?“ „Okay!“, strahlte Aleidis, „Nicht dagegen! Danke schön!“ „Endoril!“, rief plötzlich Lorana, seine Frau, vom Burgeingang aus dem Garten her, „Wo bleibst du denn?“ „Bis morgen!“, verabschiedete sich Endoril hastig, stand auf und eilte zurück ins Schloss.

Aleidis nickte und starrte wieder auf die unbewegte Wasseroberfläche. Wenn sie irgendwann mit dem Eis kämpfen musste, dann durfte sie kein Wasser brauchen! Sie musste dann alles aus der Luft beschwören können! Und dafür musste sie üben und trainieren!

Stress

„Aleidis!“, die Stimme des Lehrers Braun klang wütend. Aleidis hob teilnahmslos den Kopf, sie hatte fast geschlafen! „Ich weiß nicht, was mit dir los ist!“, tobte Herr Braun stinksauer, „Die Ferien sind seit Wochen vorbei! Wir haben Oktober! Und dein Hirn scheint immer noch im Urlaub zu sein! Mach gefälligst mit und schreib mit! Und wenn du das auf Grund des fehlenden Hirns nicht kannst, dann tu wenigsten so! Es wird nicht geschlafen!“

„Ich schreib meinem Hirn ’ne Postkarte, dass es zurück kommen soll!“, dachte Aleidis gelangweilt und stützte den Kopf auf die Hände. Mit leeren Augen starrte sie an die Tafel, an der Herr Braun irgendetwas Lateinisches schrieb. Aleidis hätte so gerne geschlafen!

Es war die erste volle Woche im Oktober, Montag. Und sie hatte das ganze Wochenende lang mit Endoril Schwertkampf geübt und einige Verletzungen kassiert. Aleidis hatte am Sonntag fast bis Mitternacht trainiert, dann hatte Endoril sie nach hause, zum Schlafen, geschickt, obwohl sie noch üben wollte. Aber Aleidis fehlten immer noch einige Stunden erholsamer Schlaf!

Aleidis fasste an ihren rechten Oberarm. Der lange Schnitt, den Endoril ihr verpasst hatte, schmerze noch ziemlich, auch wenn er ihn gleich verbunden hatte. „So ist es eben! Wer Schwertkampf lernen will, der muss auch einige Verletzungen in Kauf nehmen! Auch wir Hochelfen!“, hatte Endoril gesagt, und er hatte ja auch Recht!

„Aleidis, warum machst du kein Stück mit?“, beschwerte sich die Klassensprecherin Justina während der Pause bei Aleidis, „Herr Braun, und auch wir, finden dass du zu viel mehr fähig bist, wenn du nur etwas lernen würdest! Überleg doch mal! Wenn du dein Jurastudium gut machen willst, dann musst du Latein so gut wir nur möglich beherrschen! Und nicht nur halbwegs!“

„Du hast doch keine Ahnung, was bei mir zuhause abgeht!“, erwiderte Aleidis genervt und zupfte an dem Verband herum, der um ihre linke Hand gewunden war. „Wirst du geschlagen?“, fragte Justina’s Zwillingsbruder Justus, „Hasst du deswegen die Schule?“ „Hassen ist zu milde ausgedrückt!“, knurrte Aleidis, „Ich verabscheue sie! Und ich hasse den Unterricht!“

Endlich klingelte es und Aleidis floh vor den Zwillingen, endlich! Während der folgenden zwei Schulstunden bis zur kleinen Pause wurde Aleidis wieder von Herrn Braun doof angemacht. Aleidis ließ das eiskalt über sich ergehen und dachte sich ihren Teil. Sie hatte nach einer Anmache von Herrn Braun einmal einen dummen Spruch losgelassen und dafür nachsitzen müssen. Das war ihr eine Lehre gewesen!

In der kleinen Pause sprach Justina mit Herrn Braun und Justus redete auf Aleidis ein. Aber die schaltete auf Durchzug und bemerkte nichts von dem was Justus ihr sagte. Aleidis bemerkte danach aber sehr wohl, dass Herr Braun zu ihr gar nichts mehr sagte. „Das gefällt mir nicht!“, dachte Aleidis lauernd, „Der Typ hat irgendetwas vor! Und das wird mir nicht gefallen!“

Tatsächlich. In der letzten der sechs Stunden ließ Herr Braun einen Sitzkreis bilden. „Ich halte diese Maßnahme für nötig, vor allem, nach dem was Justina mir heute erzählt hat!“, begann Herr Braun und sah alle an, „Es geht um Aleidis!“ Alle sahen nun auf Aleidis, die starrte Herrn Braun direkt in die Augen, sie mochte ihn nicht und auch Latein nicht!

„Was ist denn mir ihr Herr Braun?“, fragte der Oberstreber Thomas. „Das weiß ich selbst nicht!“, erwiderte Herr Braun, „Aber vielleicht kann Aleidis uns sagen, was mit ihr nicht in Ordnung ist. Und was ihr nicht passt!“ Das war eine Art Aufforderung aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Aleidis verschränkte die Hände und wartete ein paar Sekunden. „Was mich beschäftigt geht niemanden etwas an!“, erwiderte sie bockig, „Und ich will auch mit niemanden darüber sprechen!“ „Wenn du Probleme hast, dann solltest du mit jemanden darüber reden!“, beharrte Justina, „Rede mit deinen Eltern, oder mit Geschwistern oder Freundinnen!“

„Mein ganzes Leben ist das Problem!“, knurrte Aleidis gestresst. Alles ging ihr auf die Nerven. „Ich frag jetzt einfach mal direkt!“, meinte da Justus, „Wollest du Schluss machen mit dem Leben?“ Alle starrten ihn an, dann Aleidis. Langsam setzte sie sich auf, beugte sich vor und starrte Justus in die Augen. „Wie kommst du auf diesen Schwachsinn?“, fragte sie mit leiser, bedrohlicher Stimme. „Der Verband um deine linke Hand!“, erwiderte Justus nur.

Aleidis sah auf ihre linke Hand. Da hatte Endoril sie aus Versehen getroffen. Aleidis schloss die Augen, lächelt und starrte Justus mit bösen Augen an. „Wenn es nach dir ging, dann dürfte ich nicht mehr basteln!“, zischte sie ihn an, „Ich hab mich nämlich bei Basteln mit Pappe mit einem Messer geschnitten! Und zwar am Handrücken! Bevor du Vermutungen anstellst sollest du mich erst einmal kennen lernen! Ich bin nämlich absolut nicht wie ihr!“

„Wie bist du denn?“, fragte Herr Braun plötzlich. Aleidis drehte ganz langsam den Kopf. Die Hochelfe kam durch. Durch ihren Kontakt mit den Hochelfen hatten sich die vererbten Eigenschaften von Aurelia ausgebildet. Die deutliche Mimik und Gestik, die Respekt gebot. Und diese merkwürdige Aura, die jeder irgendwie bemerkte und nicht zuordnen konnte.

„Ich bin ich!“, erwiderte Aleidis mit leicht rauer Stimme, „Ich liebe das Magische und Mystische! Ich habe andere Träume und Wünsche als alle hier! Ich bin anders und will mich nicht anpassen an die monotone Gesellschaft! Ich will anders sein! Ich bin keine Streberin und ich hasse das was mir aufgezwungen wird!“ Das Klingen der Schulglocke beschloss Aleidis' Worte.

Wenige Minuten später trat Aleidis aus dem Schuleingang und hinaus auf die Straße. „He!“, rief plötzlich eine Stimme hinter Aleidis, „He, hier her!“ Aleidis drehte sich um und sah Marion, die ihr zuwinkte. „Hallo!“, rief Aleidis und kam zu dem Mädchen, das sie vor den Banditos gewarnt hatte. „Schön dich wiederzusehen!“, begrüßte Marion Aleidis und führte sie in einen kleinen Park in der Mitte der Altstadt.

Dort warteten ihre sechs Freunde. Aleidis kannte sie alle vom sehen her. Ein großes Hallo schallte Aleidis und Marion entgegen. „Erzähl schon, wie geht’s dir?“, fragte Marion, als sie mit Aleidis unter den hellen Birken saß. „Es geht so.“, meinte Aleidis schulterzuckend. „Was ist los?“, fragte Marion.

Aleidis seufzte. „Mein Vater hat mich in dieser dämlichen Privatschule angemeldet und ich muss jetzt in den Sprachenzweig gehen. Latein!“, erzählte Aleidis sauer. „Und, das willst du nicht!“, meinte da einer der Jungen. Er hatte feuerrote Haare, grüne Augen und ziemlich helle Haut. „Das will ich nicht!“, erwiderte Aleidis, „Ich quäl mich dadurch! Und mein Vater hat mich letztens zum Lernen gezwungen und hat das sogar noch kontrolliert!“

Aleidis erzählte und erzählte, und Marion und ihre Freunde hörten ihr zu. Und schließlich regten sich alle über Aleidis' Vater auf. Sie schmiedeten sogar schon Pläne, wie sie Aleidis vor dem Lateinunterricht retten könnten. Sie wollten Buttersäure in der Schule verschütten, den Chemieraum in die Luft jagen, ihr Klassenzimmer ausbrennen und schließlich die Schule abfackeln. Für Aleidis wurde es ein toller Nachmittag, bis sie gegen fünf Uhr nach Hause musste.

„Aleidis!“, rief ihr Vater von der Treppe in die Einganghalle, als Aleidis eintrat, „Du isst etwas und kommst dann sofort in mein Büro!“ Aleidis schluckte, es roch nach ordentlich Ärger! Sie aß so langsam sie konnte, aber schließlich musste sie doch ins Büro ihres Vaters.

„Dein Lehrer hat mich heute angerufen!“, meinte ihr Vater mit wütender Stimme, als sich Aleidis gesetzt hatte, „Er hat mir erzählt, dass du in der Schule nicht mitmachst und keine Hausaufgaben erledigst!“ „Ich lern doch schon so ...“, begann Aleidis, aber ihr Vater machte eine einzige Handbewegung und sie wusste, dass sie nichts mehr sagen durfte um den Hausarrest so gering wie möglich zu halten.

„Du sagst zwar, dass du lernst, aber tust du das auch wirklich?“, knurrte ihr Vater und sprach genau so, wie er mit dem Herrn Staatsanwalt, den Verbrechern und den Verdächtigen sprach, „Du hast dafür keine Beweise! Und deine Leistungen sprechen auch nicht dafür dass du lernst! Außerdem hast du in der Klasse noch keinen einzigen Freund gefunden!“

„Weil das alles Streber sind!“, reif Aleidis wütend und sprang auf. Einen Moment lang war sie über sich selbst erschrocken, das hätte sie vor dem Treffen mit den Hochelfen nie gewagt, „Diese Typen in der Schule liegen nicht in meiner Wellenlänge! Die haben nur zwei Hobbys! Lernen und Schule! Und so bin ich nicht! Ich hasse Latein! Ich will keine Rechtsanwältin werden! Ich will das tun, was ich will! Und nicht das was du willst! Ich will ich sein!“

„Und damit hast du deine Strafe selbst gewählt!“, rief ihr Vater wütend und stand ebenfalls auf, „Du bekommst Hauarrest! Für den Rest des Schuljahrs! Du wirst von mir in die Schule gebracht und abgeholt! Und ich werde dich in deinem Zimmer einsperren, damit du lernst! Und du kannst dich entscheiden! Entweder du lernst und lässt die Finger von deinen Fantasybüchern, oder du ließt diese Bücher und ich werde sie verbrennen! Verschwinde!“

Aleidis drehte sich um, lief aus dem Zimmer und hinauf in ihr Zimmer. Heulend warf sie sich auf ihr Bett und weinte ohne Ende! Sie sah ihr Leben jetzt völlig sinnlos. Sie war gefangen!

Wahre Familie

„Aleidis!“, flüsterte eine wunderbar freundliche Stimme in Aleidis' Ohr, „Aleidis, wach auf. Wach auf, komm!“ Aleidis hob den kopf und öffnete die Augen. In ihrem Zimmer war es stockdunkel. Es musste mitten in der Nacht sein. Irgendjemand saß auf ihrer Bettkante und streichelte ihr über den Kopf. Plötzlich wurde es in ihrem Zimmer hell! Hell, als würde die sonne aufgehen! Jetzt erkannte Aleidis auch wer bei ihr war. Es war Endoril.

„Ich hab mir Sorgen gemacht weil du nicht gekommen bist!“, erkläre er, während sich Aleidis aufsetzte, „Ich habe gewartet, bis es Nacht war und hab dann das Portal benutzt. Was ist denn los?“ Aleidis weinte schon wieder! Bittere Tränen rannen ihr übers Gesicht. Endoril nahm sie wieder in den Arm. Aleidis fühlte sich sofort beschützt und geborgen. Wie sehr wünschte sie sich, dass Endoril ihr Vater wäre!

Immer wieder von Schluchzern unterbrochen erzählte Aleidis Endoril, was geschehen war. Endoril hörte still zu, und seine Ruhe beruhigte schließlich auch Aleidis. „Dein Vater ist ein brutaler Egoist!“, knurrte der Hochelfenkönig schließlich wütend, zum ersten mal, „Wenn ich könnte würde ich ihn verbannen, aber das geht leider nicht.“ „Egal was er macht, ich werde irgendwie schon zu euch kommen können!“, war Aleidis überzeugt.

Als Aleidis am nächsten Morgen aufstand und sich anzog, beschloss sie mit ihrem Vater mindestens vier Wochen kein Wort mehr zu wechseln. Und damit begann sie schon an diesem Tag. Schweigend und mit unberührtem Gesicht saß sie am Esstisch und aß. Ihr Vater blätterte einige Akten durch und schien zu überlegen.

„Auf geht’s!“, meinte er dann plötzlich und stand auf. Aleidis erhob sich und nahm ihre Schultasche. Stumm folgte sie ihrem Vater zu seinem Wagen und stieg ein. Auch während der Fahrt blieb es still. Aleidis sah aus dem Fenster hinauf in den wolkenverhangenen Herbsthimmel. Die Blätter verfärbten sich schon zu bunten Herbstlaub. Es war kühler geworden und der Wind fegte schon über Straßen und um Häuserecken.

„Um eins hol ich dich ab!“, so wurde Aleidis in die Schule verabschiedet. Schweigend ging sie den kurzen Weg entlang und ins Schulhaus. Sie war fest entschlossen ihrem Vater nicht zu verzeihen. Und ihrem Lehrer auch nicht. Dem antwortete sie heute auf keine einzige Frage. Er brüllte sie an, aber Aleidis gab kein Wort von sich, es war als hätte sie ihre Seele weggesperrt.

Pünktlich um ein Uhr hielt Aleidis' Vater vor der Schule und wartete auf sie. Schweigend und unberührt stieg Aleidis in den Wagen und schnallte sich an. In diesem Moment hasste sie ihr Leben wie nie! Ganz kurz kam sogar der Gedanke auf, es einfach zu beenden! Aber diesen Gedanken verwarf Aleidis schnell wieder. Dafür war das Leben zu wertvoll!

Aleidis' Vater fuhr die Auffahrt zum Schloss hinauf und ließ sie dort vor dem schmiedeeisernen Tor aussteigen. „Und wehe, wenn du nicht lernst!“, drohte er als Aleidis ausstieg. Sie erwiderte nichts, aber in Gedanken heulte sie ihre ganze Trauer und ihren Schmerz hinaus!

Aleidis schloss das Tor auf als ihr Vater weg war. Langsam ging sie über den Hof und hinein in das Schloss. Sie zog Schuhe und Jacke aus und stellte die Schultasche auf den Boden. Dann schlich sie in die Küche und suchte sich etwas zu essen. Sie machte sich ein Rührei, aber es schmeckte ihr gar nicht, obwohl sie es sonst so liebte! „Der Druck zerstört das Leben!“, dachte sie als sie auch den letzten Bissen hinuntergewürgt hatte und aufräumte.

Dann, gegen zwei Uhr, ging sie hinaus in die Eingangshalle und nahm ihre Schultasche. Zuerst langsam, dann immer schneller lief sie die Treppe hinauf und endlich in ihr Zimmer! Keuchend lehnte sie sich gegen die Türe.

Und plötzlich war es so, als hätte sie allen Ärger, Druck, Trauer und Wut ausgesperrt und vergessen! Plötzlich klopfte ihr Herz vor Freude! Trotzdem sah sie sich kurz um, sie wollte wissen, ob ihr Vater vielleicht eine Überwachungskamera installiert hatte. Aber sie konnte keine entdecken.

Erleichtert zog Aleidis die Sachen von Mara an und trat vor den Spiegel. Wieder öffnete sie das Portal in die Zwischenwelt und wieder leuchtete der Spiegle hell und durchscheinend! Aleidis trat hindurch und flog wieder durch den Tunnel aus Licht und Farben! Als sie aus dem Ende heraus trat wurde sie schon von Anar erwartet! Sie hätte ihn beinahe mit umgerissen!

„Da hat es aber jemand eilig!“, lachte er. „Du hättest es auch eilig, wenn du endlich dem aufgezwungenen Leben entkommen wärst!“, erwiderte Aleidis grinsend. „Leider kann man zur Zeit nicht besonders viel machen!“, meinte Anar etwas geknickt, „Die Blutwölfe sind immer noch da! Doofe Viecher!“

„Na ja.“, meinte Aleidis nachdenklich, „Ich muss sowie so noch üben!“ „Kann ich da vielleicht helfen?“, fragte Anar begeistert. Aleidis nickte, „Klar, ich will das Zielen üben, aber auf was soll ich zielen?“ „Da kümmer ich mich drum!“, meinte Anar, „Geh du doch mal auf den Trainingsplatz neben der Sitzgruppe! Ich komme gleich!“

Aleidis gehorchte und ging zum Trainingsplatz, der direkt neben der Sitzgruppe lag, an dem Anar ihr die Landkarte gezeigt hatte. Der Platz war etwa so groß wie ein Tennisfeld, vielleicht sogar etwas größer. Während Aleidis wartete bildete sie, einfach so, schwebende und leuchtende Eiskugeln in ihren Händen.

„Bin da!“, rief Anar hinter ihr und kam mit einem riesigen Korb voller faustgroßer Stoffbälle an. „Diese kleinen Teile soll ich treffen?“, rief Aleidis aus als sie die kleinen Bälle sah. „Das ist doch gut so!“, erwiderte Anar und stellte den Korb am hinteren Ende des Feldes ab, „Du musst schließlich ganz genau zielen!“

Aleidis zuckte mit den Schultern und stimmte zu. Anar holte noch ein Holzgestell, das dem Turngerät „Schwebebalken“ ähnelte. Nur hatte es im Abstand vom 50 Zentimetern kleine Pflöcke, auf denen Anar die Bälle positionierte. „Und die soll ich treffen?“, fragte Aleidis ungläubig, „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Die sind doch winzig!“ „Du musst ja nicht sofort treffen können!“, grinste Anar und setzte den letzten Ball auf seinen Platz.

Anar kam zu Aleidis und drückte sie sanft auf eine Entfernung von 10 Metern vom Balken entfernt. „Die ersten gehen hundertprozentig vorbei!“, meinte Aleidis, „Ich hoffe, dass da hinten niemand ist, der getroffen werden könnte!“ „Glaub ich nicht!“, meinte Anar zuversichtlich, „Mach schon!“

Aleidis nickte und drehte sich ein klein wenig seitlich. Sie legte die Hände an ihrer rechten Seite übereinander und formte die Finger zu Klauen. Aleidis konzentrierte sich auf die Kälte des Eises. Und Sekunden später fühlte sie zwischen ihren aufeinander liegenden Handflächen Kälte. Aleidis hob die Hände auseinander und zwischen den Handflächen bildete sich eine fliegende Kugel aus Eisstaub, ungeheuer kalt. Die Kugel hatte einen Durchmesser von etwa sieben Zentimetern.

Aleidis zog nun langsam die obere Hand weg und fixierte den ersten Ball. Langsam hob sie die Hand mit der Kugel auf Augenhöhe. Sie spürte die Kälte an ihrer Schläfe. Urplötzlich schoss nun ihre Hand nach vorne! Die Kugel löste sich und schoss auf den Schwebebalken zu! „Triff!“, dachte Aleidis flehend! Und sie traf, aber den Ball, der vier Meter weiter rechts war! Der Ball wurde von der Eisstaubkugel von seinem Platz gerissen und zersprang an einem Felsen.

„Knapp vorbei!“, meinte Anar, „Vier Meter vorbei! Geht aber immer schlimmer!“ „Zum Beispiel?“, fragte Aleidis und konzentrierte wieder eine Eisstaubkugel zwischen ihren Händen. „Ich habe einmal in meinem Leben einen Bogen in der Hand gehabt. Damals war ich noch ein Kind.“, erzählte Anar, „Ich war von der Zielscheibe 25 Meter entfernt und hab den Bogen gespannt. Als ich losgelassen habe, hab ich den Bogen verrissen und der Pfeil ist auf meinen Vater losgeschossen. Der konnte gerade noch ausweichen! Und er war von dem Ziel 10 Meter weg!“

Aleidis lachte und schoss wieder eine Kugel ab. Wieder traf sie nicht den anvisierten Ball, sondern einen anderen! „Die Bälle treffe ich schon gut!“, meinte Aleidis, „Aber leider die falschen!“ „Wird schon noch!“, meinte Anar aufmunternd, „Ich muss auch noch immer Schwertkampf üben! Obwohl ich das schon seit über 4000 Jahren kann! Das ist mal nervig!“

Aleidis übte weiter und unterhielt sich mit Anar über alles mögliche. Gegen fünf Uhr brachen sie das Training ab, mit einem gewissen Erfolg. Die Distanz zwischen am anvisiertem und dem getroffenen Ball betrug nur noch einen Meter. Nach dem Aufräumen der Bälle holt Anar etwas zu essen und aß dann zusammen mit Aleidis im Garten.

„Was ist denn jetzt mit deinem Vater?“, fragte Anar vorsichtig als er sich einen Apfel nahm. Aleidis schluckte den Schluck Blütenwasser runter und überlegte kurz. „Er hat herausgefunden, dass ich nicht für die Schule lerne, keine Hausaufgaben mache und gegenüber der Lehrer und Mitschüler vollkommen abblocke!“, erzählte Aleidis und sah in die schon fast rote Sonne, „Er hat mir für den Rest des Schuljahres Hausarrest verpasst und will mich wohl auch an den Wochenenden in meinem Zimmer einsperren, damit ich Latein lerne. Mein Vater behandelt mich wie Dreck!“

„Wir überlegen auch schon alle wie wir dich aus der Menschenwelt hierher holen können!“, erzählte Anar, rutschte zu Aleidis und legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern, „Wir würden dich alle so gerne hier haben! Länger als ein paar Stunden, oder auch ganz! Aber, im Moment geht das nicht so. Hier ist es im Moment sehr gefährlich, Blutwölfe!“

Aleidis nickte, sie verstand das sehr gut. Sie wäre auch gerne für immer in der Elfenstadt geblieben. Gegen halb sieben verließ Aleidis die Elfenstadt durch das magische Portal. Sie musste zurück, zurück in das Leben, dass sie hasste. Zurück zu ihrer leiblichen Familie, die sie aber nicht mehr als wahre Familie empfand. Die wahre Familie war in der Hochelfenstadt. Die Familie die ihr Liebe, Geborgenheit und Unterstützung gab. Ihre einzige und wahre Familie!

Auf die Ebene

Bis zum Wochenende ließ Aleidis den grauenvollen Lateinunterricht und die wütenden Standpauken ihres Vaters über sich ergehen. Schweigend ließ sie ihren Vater schimpfen und meckern, so viel er wollte. Auf ihn würde sie nicht mehr hören. Aber in der Elfenwelt lief alles bestens. Sie traf mit den Eisstaubkugeln die Bälle! Sie konnte die Bälle sogar wie ein Maschinengewehr schießen, ohne zwischendrin beschwören zu müssen. Und auch ihre Fähigkeiten im Schwertkampf hatten sich enorm verbessert. Sie hatte Endoril sogar viermal besiegt! (Dem hatte das natürlich nicht gepasst und sofort eine Revanche gefordert!)

Am Samstag, nach dem Frühstück, brachte Aleidis' Vater seine Tochter auf ihr Zimmer, gab ihr noch ein Tablett mit zwei Semmeln, Käse und Wurst und schloss sie dann in ihrem Zimmer ein. „Du wirst heute den ganzen Tag Zeit haben zu lernen!“, meinte er in einem irgendwie vergnügten Tonfall, „Deine Brüder sind bei ihren Freundinnen, Lisa ist auf einer Fortbildung und wir, ich und deine Mutter, fahren in ein Musical und kommen gegen acht Uhr abends wieder zurück! Ich wünsche dir viel spaß beim lernen! Und du weißt was passiert wenn du liest.“ Damit verschloss Aleidis' Vater die Zimmertüre von außen.

„Wie du meinst!“, dachte Aleidis wütend! Ihr Vater hatte sie eben wie eine Kriminelle behandelt! „Festhalten kannst DU mich nicht!“, dachte Aleidis wütend und knallte das Tablett auf ihren Schreibtisch. Blitzschnell zog sie ihre Elfensachen an, schnallte ihr Schwert um und verschwand durch das Portal im Spiegel in die Elfenwelt.

Aleidis sprang aus dem Portal in den Garten und richtete sich auf. Glücklich sah sie sich um, sie war zu hause. Zielsicher ging sie in das Schloss hinein. Sie wollte Endoril etwas fragen und dafür musste sie ihn erst mal finden. Sie fand ihn dann auch, in der Bibliothek über einigen alten Büchern brütend.

„Hallo!“, begrüßte er sie erfreut und umarmte sie, „Heute bist du aber früh dran!“ „Mein Vater hat mich eben in meinem Zimmer eingeschlossen!“, erklärte Aleidis lächelnd, „Er hat es mir leicht gemacht, weil er mir gleich noch mein Mittagessen gegeben hat!“ „Also wirklich!“, erboste sich Endoril, „Er will Rechtsanwalt sein, wo er selbst doch so ungerecht ist!“ „Heute wird mich keiner vermissen.“, meinte Aleidis, „Meine Eltern wollen einen Ausflug machen und meine Geschwister sind bei Freunden! Eigentlich perfekt!“

„Und was willst du heute machen?“, fragte Endoril, „Anar, Rina, Mara, meine Frau und mein Vater sind bei der Verteidigungskette. Fion und Aleno schlafen noch und haben dann Unterricht. Und ich, ich muss mich leider und den ganzen Schreibkram mit Gesetzten und so kümmern!“ „Na ja, ich wollte....“, begann Aleidis etwas vorsichtig. „Lass mich raten!“, unterbrach Endoril sie, „Du möchtest gerne auf die Ebene reiten! Und als Pro führst du an, dass du das Eis relativ gut beherrscht, dein Schwert dabei hast und auch damit kämpfen kannst. Richtig?“

„Dir kann man absolut nichts vormachen!“, lachte Aleidis, „Alles richtig! Und? Was sagst du?“ Endoril seufzte, „Ja, darfst du! Die Wölfe sind nicht mehr so aktiv und auch weniger, ich denke, ich kann es verantworten! Du weißt ja, wo dein Pferd ist! Den Brief hier gibst du einfach den Wachen zur Ebene, die werden dich dann durchlassen. Viel Vergnügen!“ Endoril gab Aleidis den Brief. „Danke!“, jubelte Aleidis, nahm den Brief und umarmte Endoril noch einmal. Wie der Wind lief sie hinunter in den Burghof und zu ihrem Schimmel. Geschickt sattelte sie ihn und schwang sich dann in den dunkelbraunen Sattel.

Aleidis trabte über den Burghof und durch das Tor, das die Wachen für sie geöffnet hatten. Im Vorbeireiten grüßte sie die Wachen. Sie ritt die Straße hinunter und durch das für sie geöffnete Stadttor hinaus. Kaum war sie draußen galoppierte sie auch schon Richtung Ebene. Sie wollte das Tal mit der Elfenstadt am rechten Talausgang verlassen und ritt auch dorthin.

Als sie die Wachen sah, wechselte sie in den Trab und trabte direkt zu Mara, die dort positioniert war. „Was machst du denn schon hier?“, fragte sie und gähnte, die Müdigkeit war ihr anzusehen. „Ausreiten!“, erwiderte Aleidis und gab Mara den Brief von Endoril. „Der traut dir aber einiges zu!“, meinte Mara als sie den Brief schnell überflog, „Die Blutwölfe sind zwar nicht mehr so aktiv, aber immer noch da! Sei also vorsichtig, Schwester!“ „Ich passe auf, ich versprech’s!“, versprach Aleidis und umarmte Mara kurz.

Dann ritt sie zwischen den ausweichenden Wachen hindurch und vom Tal hinunter auf die Ebene. Zuerst ritt sie nur im Trab, dann schließlich wieder im Galopp. Der Wind fuhr ihr durch die Haare und riss an ihrer Kleidung. Ja, hier fühlte sie sich frei wie der Wind! Sie war frei von Latein und Schule und weit weg von ihrem Vater! Aleidis wäre gerne ganz in der Elfenstadt geblieb, aber das ging nicht.

Aleidis ritt über die sanften Hügel der Ebene und manchmal auch um die Hügel herum. Aber sie hatte immer einen Blick auf die Umgebung, schließlich waren die Blutwölfe noch immer in der Nähe! Und diese Wölfe waren immer noch sehr gefährlich, egal ob Aleidis nun ihr Schwert dabei hatte, oder nicht. Und gegen mehrere Wölfe hatte sie wahrscheinlich keine Chance.

Aleidis war inzwischen am westlichen Ende der Felsengrenze zum Dämonenteil. Aleidis stoppte ihr Pferd und sah die schroffen Felsen hinauf in den gräulichen Himmel. An diesem Tal war das Wetter hier eher trüb und grau, nicht so sonnig wie sonst. Aber auch hier wurde es Herbst.

Aleidis dachte an die Dämonen. Wie sahen sie wohl aus? Elfenähnlich oder wirklich so monsterhaft wie in den Science-Fiction Filmen aus ihrer Zeit? Sie erinnerte sich an einige schauderhafte Exemplare, die ihr schon öfter schlaflose Nächte beschert hatten. Aleidis trabte nun wieder los, langsam an der Felsengrenze entlang nach Westen, zum gebannten Tal mit der Quelle.

Immer wieder sah sie auf die Felsengrenze, die neben ihr in den Himmel aufragte. Wie gerne hätte sie einmal Dämonen gesehen, wenn auch nur aus der Ferne! Die Bekanntschaft mit Blutwölfen reichte ihr aber aus der Entfernung voll und ganz. Mit denen war nicht zu spaßen.

„Wo stecken die Blutwölfe eigentlich?“, überlegte Aleidis und ließ den Blick über die Ebene gleiten, „Hätten die mich nicht schon längst einmal angreifen müssen? Oder sich wenigstens mal bei mir in der Nähe sehen lasen müssen? Da stimmt was nicht, oder sehe ich Gespenster?“

Aleidis sah keine Gespenster. Nur wenige Minuten später ertönte hinter Aleidis ein lautes, raubtierähnliches Brüllen! Aleidis reagierte blitzschnell und gab ihrem Pferd die Sporen! Sie donnerte in einem halsbrecherischen Tempo an der Felsengrenze entlang. Sie sah sich um. Sie wurde von drei gigantischen Blutwölfen verfolgt! Und von der Ebene kamen nun noch mindestens vier dazu!

„Ab durch die Mitte!“, dachte Aleidis nur und riss ihr Pferd herum, zwischen den Blutwölfen hindurch und in Richtung Elfenstadt. Blitzschnell zog sie ihr Schwert und behielt es sicher in der Hand, bis .... bis ihr Pferd plötzlich von der Seite von einem Blutwolf angefallen wurde! Aleidis wurde abgeworfen und kullerte hilflos über den felsigen Boden.

So schnell wie möglich stand Aleidis auf und hob ihr Schwert. Schnell zählte sie die Wölfe, die sich mit ihr und nicht mit ihrem Pferd beschäftigten. Zehn, zehn Blutwölfe gegen eine?! „Ich muss mich freikämpfen und dann so schnell wie möglich ins gebannte Tal laufen! Ist ja ganz in der Nähe!“, wusste Aleidis und wich über den trockenen, Felsigen Boden zurück.

Die feuerroten Blutwölfe beobachteten sie mit rot glimmenden Augen. Die langen Reißzähne funkelten schneeweiß, auf einen von denen wollte Aleidis nicht enden! „Kommt!“, knurrte sie und konzentrierte sich auf die Klinge ihres Schwerte, „Hoffentlich klappt das!“

Die Wölfe verharrten kurz und sprangen dann mit ihrem Gebrüll auf Aleidis los! Die schwang sofort ihre Klinge und ein langer, sichelförmiger Lichtstrahl schoss heraus und auf die Wölfe zu! Aleidis wartete nicht länger, sie wirbelte herum, schob ihr Schwert zurück in die Scheide und lief los, so schnell sie nur konnte, auf das gebannte Tal zu! Doch schon hörte sie die Blutwölfe wieder hinter sich!

Hilarion

Aleidis lief über den staubigen, trockenen Boden auf den Eingang zum Tal zu und sprang über einen uralten, schwarzen Baumstamm, der schon seit Jahrhunderten hier liegen musste, und stürzte. Sie schlitterte über die Steine und die Erde. Keuchend rappelte sie sich hoch und sah die Blutwölfe, wie sie ihr nachsetzten! Sie musste laufen wie noch nie!

„Dumme Kuh!“, rief da eine Stimme und aus dem Wurzelwerk des Baustammes löste sich eine große schlanke Gestalt, „Du hast mein Versteck verraten!“ „Wäre früher oder später eh aufgeflogen!“, rief Aleidis zurück, „Lauf lieber!“ Aleidis lief so schnell wie möglich auf den Taleingang zu und sah nach wenigen Sekunden einen jungen Man, der einige Meter neben ihr lief.

Es waren noch etwa 500 Meter bis zum Tal. Aleidis' Lungen brannten und sie konnte ihre bleischweren Beine kaum noch heben! Körperlich war sie eben doch noch ein Mensch und keine Hochelfe. Immer wieder musste sie Haken schlagen, weil ein Blutwolf ihr in den Weg sprang.

„Wohin fliehen wir eigentlich?“, schrie der Mann zu ihr herüber und lief einem Blutwolf zwischen den Beinen durch. „In das kleine gebannte Tal mit der Quelle!“, rief Aleidis zurück und wich wieder einem Wolf aus. „Aber...“, begann der Mann. „Nichts aber! Lauf lieber!“, gab Aleidis zurück.

Plötzlich sah sie den jungen Mann aus den Augenwinkeln auf sich zukommen. Aleidis wusste nicht, was sie jetzt am besten tun sollte! Noch während sie überlegte riss der Mann sie zu Boden. Aleidis schlug heftig auf den Boden auf und scheuerte mit der ganzen linken Seite über den felsigen Boden. Ihr Tunikaärmel zerriss und sie hinterließ eine Blutspur auf dem Boden.

Vor Schmerz halbblind wurde sie von dem Mann auf die Beine gezogen und weitergerissen. Aleidis sah zurück und sah, dass an der Stelle, von der dieser Mann sie weggerissen hatte, ein gigantischer Blutwolf stand. Er hatte sie beschützen wollen. Aleidis und der Mann liefen nun im Zickzack über den Felsenboden auf den Taleingang zu.

Aleidis spürte schon eine Kralle eines Blutwolfes in ihren Haaren! Endlich stieß der Mann durch den kleinen, versteckten Taleingang und Aleidis folgte ihm. Der Eingang war nur eine schmale Ritze im Felsen, aber breit genug für Aleidis. Sie lief ein kurzes Stück über Felsen und dann durch Wald! Dort stolperte sie wieder über eine Wurzel und stürzte aus dem Wald heraus in die Talmitte, wo sie regungslos auf dem Bauch liegen blieb.

Draußen heulten die Blutwölfe ein schauerliches Lied und sprangen wütend gegen die Felsen. Aber der Bann schlug sie mit einem leisen Fauchen immer wieder zurück. Nach einigen Minuten verschwanden die Blutwölfe endlich und es war fast völlig still. Nur wenige Geräusche erfüllten die Luft. Aleidis keuchte, wie auch der Mann neben ihr. Wasser plätscherte und gurgelte, die Blätter der Bäume raschelten im Wind, und das Gras flüsterte.

„Was für ein Ritt!“, keuchte der Mann jetzt und Aleidis rappelte sich langsam hoch, bis sie kniete. Ihr gesamter Körper brannte wie Feuer. Und Blut lief ihren Arm hinab. Unbewusst griff sie nach ihrem linken Arm, aber plötzlich wurde ihre Hand festgehalten!

Erschrocken starrte sie in das hübsche Gesicht des Mannes, er hatte ihre Hand gepackt. „Fass die Wunde nicht an!“, warnte er und stand auf, „Wenn du sie anfasst, dann könnte sich die Wunde entzünden! Komm mit, ich werde sie auswaschen.“ Aleidis stand auf und folgte dem Mann einige Meter zum kleinen Fluss, der sich von der Quelle kommend durchs Tal schlängelte.

Als sich Aleidis zu dem Mann an den Fluss setzte betrachtete sie ihn näher. Er hatte ein feines, hübsches Gesicht, zwar nicht so fein wie Endoril's, aber trotzdem hübsch. Seine ellenbogenlangen Haare waren tiefschwarz und schimmerten leicht rötlich. Die Augen waren gelb, fast golden und die Pupille stand senkrecht, wie bei einer Katze. Er war etwa 1.90 groß, vielleicht etwas kleiner und trug schwarze kniehohe Stiefel und eine dunkelorange Lederhose, die in den Stiefeln verschwand. Die feste, weite Tunika war feuerrot, darüber trug er noch einen schwarzen Gürtel mit einem Schwert. Die Tunika hatte einen Stehkragen und ein schmaler, gerader Ausschnitt ging bis zum Brutbein hinab.

Aleidis kam urplötzlich ein Gedanke! Der Mann wusch nun vorsichtig die Wunden aus, und das tat so weh, dass Aleidis nicht reden konnte. Als die Wunde sauber war holte der Mann aus einem kleinen Beutel an seinem Gürtel ein kleines Keramikfläschchen heraus. „Das wird jetzt weh tun!“, warnte er, „Das Zeug hier sorgt dafür, dass die Wunde schneller verheilt und sich nicht mehr entzündet.“

Aleidis biss die Zähne zusammen, als er die brennende Flüssigkeit auf ihren Arm träufelte und sie vorsichtig verrieb. „So, die dürfte sich nicht mehr rühren.“, meinte er dann, als er das Fläschchen zurück in seine Tasche schob, „Du hast dich tapfer gehalten! Hätte ich von einer Hochelfe nicht gedacht.“

„Du hältst mich also für eine Elfe.“, lächelte Aleidis etwas hinterlistig als sich der Mann zu ihr setzte. „Ja, klar!“, erwiderte er erstaunt. „Dann sieh dir mal das an!“, meinte Aleidis und streifte ihre Haare zurück. Nun sah er ihre Ohren, normale, runde Ohren. „Nein! Du bist ein Mensch?“, fragte er verblüfft.

„Fangen wir doch besser mit den Namen an, okay?“, fragte Aleidis, „Ich heiße Aleidis und bin 17 Jahre alt.“ „Okay, ich heiße Hilarion und bin 5825 Jahre alt!“, erzählte Hilarion. „Und ein Dämon?“, fragte Aleidis hoffnungsvoll. „Hoffentlich verpfeifst du mich nicht an die Elfen!“, lächelte Hilarion, „Ja, ich bin ein Dämon! Aber du bist doch kein völliger Mensch, oder?“

Aleidis seufzte und erzählte Hilarion von Aurelia und ihrer Verwandtschaft mit dem Hochelfenkönig Endoril. Und weil es Hilarion interessierte, erzählte sie ihm auch von ihrem ehrgeizigen Vater und von ihren Geschwistern. Nur, dass sie die Mondentochter war, das erzählte sie ihm nicht.

„Kann kein Zufall sein, dass wir uns getroffen haben!“, meinte Hilarion lächelnd, „Ich bin der Sohn des Dämonenkönigs, der älteste und damit der Erbe! Leider.“ „Leider?“, fragte Aleidis neugierig nach. „Mein Vater erwartet, dass ich den Krieg gegen die Hochelfen weiterführe. Aber, es gibt doch nichts sinnloseres und hirnverbrannteres als diesen Krieg!“, meinte Hilarion.

„Meine Meinung!“, erwiderte Aleidis, „Hast du Geschwister?“ „Ja, drei jüngere und extrem nervige!“, erwiderte Hilarion, „Fruna, Afenju und Loreander! Die gehen mir wirklich so was von auf die Nerven! Sind zwar einige Jahrhunderte jünger als ich, aber legen sich immer noch mit mir an!“ „Kenn ich.“, erwiderte Aleidis, „Aber bei uns bin ich die jüngste.“

Hilarion und Aleidis sprachen miteinander, als würden sie sich Ewigkeiten kennen, als wären sie schon Freunde. Hilarion war sehr vernünftig, nicht so wie sein Vater. Der junge Dämonenprinz hielt den Krieg zwischen den beiden Rassen für völlig überflüssig. Und auch er dachte, dass die Blutwölfe irgendetwas im Schilde führten, sonst hätten sie schon längst mit gesamter Kraft angegriffen.

Aleidis und Hilarion unterhielten sich einige Stunden, dann erst trauten sie sich wider aus dem Tal. Aleidis ging über die Ebene zurück in die Elfenstadt und Hilarion ging durch einen Ausgang auf der Dämonenseite zurück zu seiner Familie. Aber sie verabredeten sich gleich wieder für den nächsten Tag.

Als Aleidis auf die Wachen zum Hochelfental zuging löste sich ein Reite aus der Reihe der Wachen und stürmte auf sie zu. „Aleidis!“, schrie Rina, die auf dem Pferd saß. Aleidis konnte nicht reagieren. Rina griff im Reiten blitzschnell unter ihren Armen durch und zog sie aufs Pferd! Dann wendeten Rina halsbrecherisch und ritt zurück, durch die Wachen hindurch und zur Elfenstadt.

„Warum kommst du ohne Pferd?“, fragte Rina bei Reiten, „Warum bist du verletzt? Haben dich die Blutwölfe angegriffen? Wo hast du dich versteckt?“ „Du willst aber viel wissen!“, erwiderte Aleidis verdattert. Sie saß urplötzlich vor Rina auf dem Pferd und sah die Elfenstadt auf sich zukommen.

„Ist doch klar, dass wir uns Sorgen um dich machen!“, erwiderte Rina, „Du bist die neue Mondentochter! Und außerdem bist du mit uns verwandt! Du merkst es vielleicht nicht, aber Vater behandelt dich schon wie seine Tochter! Und er überlegt auch, wie er dir aus dieser schrecklichen Familie helfen kann!“

Aleidis schwieg. Endoril behandelte sie also schon als Tochter, und er wollte sie von ihrer leiblichen Familie wegholen. Sie hätte nicht gedacht, dass sie irgendjemanden mal so wichtig sein würde! Und zwar wichtig im emotionalen Sinne! Ihrem Vater war sie nur wichtig, wenn sie Anwältin wurde, ansonsten war sie ihm doch egal. Und so behandelte er sie auch noch!

„Rina! Aleidis!“, rief Endoril aus, als Rina und Aleidis in die kleine Bibliothek traten, „Was ist denn passiert?“ Endoril's Tisch war mit Hunderten von beschriebenen Pergamentblättern übersät. „Sie ist verletzt und ohne Pferd zurück gekommen.“, sagte Rina und sah auf Aleidis. „Gut, dass du sie hergebracht hast, danke Rina.“, erwiderte Endoril und kam zu den beiden, „Ich werde mich jetzt kümmern, okay?“ Rina nickte und verließ den Saal.

„Und du kommst jetzt mit!“, meinte der Hochelfenkönig dann zu Aleidis und führte sie in ein anderes Zimmer. Dort waren drei große Apothekerschränke aus hellem, fast weißem Holz, mit dunkelblauen Rankenmustern verziert. Unter einem Fenster stand ein großer Tisch mit einem Stuhl.

Endoril rückte den Stuhl heraus und wies Aleidis an sich zu setzten. Die tat es, musste sie ja. „Was hast du nur wieder angestellt?“, wollte Endoril wissen, während er sich durch die Schubladen eines Schrankes suchte. „Ich? Nichts!“, erwiderte Aleidis, „Die Blutwölfe haben mich auf einmal angefallen! Sie haben das Pferd gerissen und ich musste Laufen. Und, bitte frag mich nicht, wie ich ihnen entkommen bin, das versteh ich selber auch nicht so recht.“

Endlich hatte Endoril die blaue Flasche gefunden, die er suchte. Er holte aus einem anderen Schub einen Fetzten Stoff und kam zu Aleidis. „Die haben dich einfach angefallen?“, fragte er, während er von der Flüssigkeit in der Flasche ein wenige auf das Tusch träufelte. „Ja, haben sie!“, erwiderte Aleidis und das war noch nicht einmal gelogen, „Die haben mich angegriffen und ich hab mich eine Weile versteckt und bin dann, als sie wieder weg waren zurück gelaufen!“

„Sie könnten wissen, wer du bist!“, mutmaßte Endoril und tupfte Aleidis' Wunde mit der Flüssigkeit ab. Die brannte furchtbar und es tat höllisch weh! „Tut mir Leid, aber das Zeug hier verschließt die Wunde.“, erklärte Endoril entschuldigend, „Die Wunde dürfte morgen nicht mehr zu sehen sein. Und eine Narbe wird es auch nicht geben!“ Aleidis nickte, eine Narbe wollte sie nicht haben.

Ein frecher Freund

Aleidis ging auch am Sonntag wieder in die Parallelwelt. Und sie traf sich wieder mit Hilarion. Sie verstanden sich immer besser und als sie sich trennten schlossen sie Freundschaft. Hilarion gab Aleidis noch ein magisches Amulett. Es war eine runde Goldscheibe mit einem Durchmesser von etwa drei Zentimetern. In der Mitte saß ein weißlicher Edelstein und um den herum waren kleinere Steine in blau, grün und lila. Wenn sie mit dem Finger um die Goldscheibe herumfuhr, anschließend den Stein in der Mitte berührte und an das gebannte Tal dachte wurde sie dort hin gebracht, per Teleportion. Das funktionierte auch mit ihrem Zimmer und der Elfenstadt und war ideal für Aleidis.

Am Montag Morgen beim Frühstück war Aleidis genauso schlecht gelaunt wie immer. „Du musst heute zu Fuß in die Schule gehen.“, meinte ihr Vater urplötzlich. Für Aleidis klang es wie ein Wunder. „Ich muss gleich in die JVA, zu meinem Mandanten und noch etwas für den Prozess besprechen.“, erklärte ihr Vater und packte seine Sachen zusammen, „Gleich danach geht’s ins Gericht zur Verhandlung. Die ist für acht Uhr angesetzt. Also, du musst auch zu Fuß heimgehen! Tschüss!“ Damit verließ Aleidis' Vater das Haus.

„Juhu!“, jubelte Aleidis innerlich! Endlich ein kleines Stück Freiheit! Und wenn heute sogar noch etwas Unterricht ausfiel war es perfekt. Um halb acht verließ Aleidis das Haus und ging hinunter in die Stadt.

Auf dem Weg durch die Altstadt traf sie Justus und Justina und wurde von den beiden sofort flankiert. „So was, du kommst heute mal zu Fuß!“, meinte Justus, „Hat dein Vater gemeint, dass du dich zu wenig bewegst?“ „Nein.“, erwiderte Aleidis tonlos. „Hast du wenigstens die Hausaufgaben gemacht?“, wollte Justina wissen. „Nein.“, kam es monoton von Aleidis.

„Willst du etwa nachsitzen?“, fragte Justina etwas entsetzt, „Du kannst doch nicht einfach die Hausaufgabe nicht machen! Du willst doch Rechtsanwältin werden, oder?“ „NEIN!“, kam es entschieden von Aleidis. „Versteh ich nicht!“, meinte Justus ziemlich verdattert, „Wozu lernst du denn dann Latein?“ „Geht euch nichts an!“, knurrte Aleidis und sah auf.

Sie standen vor dem großen schmiedeeisernen Haupttor zur Schule. Es war zehn vor acht und einige Schüler standen unschlüssig davor. „Was ist hier denn los?“, fragte Justina hilflos. „Richtet euren Blick nach oben!“, meinte ein Mädchen aus der Geschichtsklasse.

Aleidis sah nach oben und fühlte sich in einen alten Film versetzt. Oben am Tor hing ein Schild:
 

Wegen kurzfristig angesetzter

Bauarbeiten bleibt die

Schule heute geschlossen.
 

„Das muss eine Fälschung sein!“, meinte Justus überzeugt. „Aber der Rektor hat unterschrieben!“, beharrte Justina. Etwa fünf Minuten standen alle unschlüssig herum, dann tauchte Herr Braun auf und schickte alle nach Hause. Er war der Meinung, dass das seine Richtigkeit hatte und der Rektor nur vergessen hatte die Lehrer zu informieren.

Aleidis verließ als letzte das Tor. Langsam schlenderte sie die Straße entlang, zurück zum Schloss. Sie kam sich vor wie in dem Film „Die Feuerzangenbowle“. In dem hing auch ein gefälschtes Schild am Tor und der Rektor war alleine in einer menschenleeren Schule.

„So ein Schild an der Schule ist doch echt praktisch!“, meinte da eine bekannte Stimme hinter Aleidis. Sie drehte sich um und sah ihn in einem Hauseingang stehen. „Bist du verrückt?“, fragte Aleidis entsetzt und sah sich um, „Was suchst du hier, Hilarion?“ „Ich dachte, du hättest ein verlängertes Wochenende nötig!“, meinte der Dämon grinsend und kam zu Aleidis.

„Die Schule magst du doch sowieso nicht!“, meinte Hilarion und fuhr sich durch die langen Haare, „Man erkennt mich doch nicht als Dämon?“ Aleidis musterte Hilarion. Er trug eine normale Jeanshose, ein rotes T-Shirt, weiße Turnschuhe und am rechten Handgelenk ein Schweißband. „Wenn die Haare über deine Ohren hängen, dann hält man dich für einen Menschen.“, meinte Aleidis, „Ziemlich groß, aber für einen Menschen!“

„Gut!“, lachte Hilarion und ging neben Aleidis her, die Straße entlang, „Was willst du jetzt machen?“ „Meine Eltern denken, dass ich in der Schule bin. Mein Vater glaubt, dass ich um halb zwei daheim bin.“, murmelte Aleidis, „Keine Ahnung, was ich jetzt mache.“ Aleidis ließ ihren Rucksack an einer Schulter baumeln und zog ihren Geldbeutel heraus. Schnell zählte sie. Genug.

„Kommst du öfter in die Menschenwelt?“, fragte Aleidis und schloss ihren Rucksack wieder. „Nein.“, erwiderte Hilarion, „Nicht so oft. So jedes Jahr einmal! Einfach so, aus Spaß! Warum bleibst du stehen?“

Aleidis war direkt vor einer Eisdiele stehen geblieben. „Kennst du Eis?“, fragte sie den Dämon grinsend. Der schüttelte verwundert den Kopf. „Wart hier!“, meinte Aleidis und ging in die Eisdiele hinein. Heraus kam sie mit zwei Waffen mit Eis. Eine Waffel, mit Schokolade, Vanille und Zitrone, gab sie Hilarion, und die Waffel mit Sahneeis, Vanille und Walnuss behielt sie selber.

Zufrieden am eis leckend ging Aleidis mit Hilarion in eine kleine, versteckte Gasse. Und in der war auf einem kleinen Platz ein Brunnen, und an den setzten sie sich. „Schmeckt’s?“, fragte Aleidis und sah Hilarion an. Der fuhr etwas zusammen und verzog das Gesicht. „Das ist ja total sauer!“, meinte er und schüttelte sich, „Aber sonst gut!“ „Das war dann Zitrone!“, lachte Aleidis, „Die ist sauer!“ „Und zwar ganz schön!“, grinste Hilarion und schleckte weiter.

„Was könnt ihr Dämonen eigentlich?“, fragte jetzt Aleidis, „Ich meine, was für Fähigkeiten habt ihr?“ Hilarion sah kurz auf seine Fingernägel, die wie Krallen gebogen waren und auch genau so scharf waren. „Wir sind verschiedene Arten.“, begann Hilarion langsam, „Es gibt Hundedämonen, Katzendämonen, Wolfsdämonen und so weiter. Also können wir eine elfen- oder menschenähnliche Gestalt annehmen, oder die unserer Rasse. Bei mir ist das zum Beispiel ein Panter. Ich bin ein Panterdämon! Na ja und wir könne alle sehr schnell laufen, hoch springen und so. Und je nach Rasse haben wir verschiedene Angriffe.“

„Welche hast du?“, fragte Aleidis neugierig. „Ich kann aus den Händen rotierende Sicheln aus schwarzen Licht schießen.“, erzählte Hilarion, „Dann kann ich noch eine Art magisches Schutzschild um mich herum aufbauen und auch um andere herum. Ich kann plötzlich verschwinden und wo anderes wieder auf tauchen, aber nur begrenzt. Und wir können uns in große Lichtkugeln verwandeln und so fliegen.“ „Cool! Echt!“, meinte Aleidis.

„Die Idee mit dem Schild war echt gut!“, meinte Aleidis, „Aber auch nicht mehr ganz neu!“ „Warum nicht mehr ganz neu?“, fragte Hilarion und schleckte nun das Zitroneneis auf. „Weil die Idee schon einmal in einem Film gezeigt wurde!“, grinste Aleidis, „Da hat ein Schüler auch so ein Schild an das Tor gehängt und alle Lehrer und Schüler reingelegt! Und der Rektor ist durch das Gebäude gerannt und hat verzweifelt die Schüler gesucht!“

Hilarion lachte. Jetzt sah man deutlich seine spitzen Eckzähne, wie Reißzähne. „Das kann ich mir nur zu gut vorstellen!“, keuchte er, „Der Film muss lustig gewesen sein! Ach übrigens, morgen können wir uns nicht im Banntal treffen, ich muss in meinen Kampfunterricht. Ich schwänz heute eh schon!“

„Und mir hilfst du auch beim schwänzen!“, lachte Aleidis und sah hinauf in den wolkenlosen Himmel. Ihr Vater schien vergessen, wie auch Latein. „Den Lehrer, den ich hab, kann ich sowieso nicht leiden!“, meinte Hilarion und knabberte an seiner Waffel herum, „Er tut so erfahren und klug. Aber, ich glaube es ihm nicht! Jeder Krieger hat für gewöhnlich Narben und Schrammen! Aber er hat absolut keine einzige Verletzung! Da stimmt was nicht!“

„Kampftraining!“, stöhnte Aleidis, „Kenn ich zu gut! Ich hab mit Endoril Schwertkampf trainiert. Und davon hab ich schon einige Narben!“ „So ist es eben!“, meinte Hilarion und schob den Rest der Waffel in den Mund.

„Hast du eine Idee, warum die Blutwölfe wieder aufgetaucht sind?“, fragte Aleidis und knabberte an ihrer Waffel. „Nein, ich hab keine Ahnung!“, erwiderte Hilarion, „Als sie das letzte mal in die Parallelwelt kamen wollten sie einfach nur Leute töten um deren Seelen fressen zu können. Aber jetzt, sie haben noch keinen Dämon getötet! Und wohl auch keinen Hochelf!“ „Vielleicht haben sie einen Plan?“, überlegte Aleidis laut und schob den Rest der Waffel in den Mund.

Aleidis und Hilarion blieben bis ein Uhr am Brunnen, dann musste Aleidis zurück, in das verdammte Schloss ihrer Familie. Zusammen mit Hilarion ging sie durch die Altstadt. Die beiden gingen extra langsam um noch möglichst viel reden zu können. Aleidis fühlte sich bei Hilarion sehr sicher und geborgen, aber nicht wie bei Endoril oder seinen Kinder! Einfach anders.

An dem Tor in der Schlossmauer trennten sich Aleidis und Hilarion. „Also, wir sehen und garantier wieder!“, meinte Hilarion, als er sich verabschiedete, „Ich werde dir ne Nachricht zukommen lassen, wann wir und wiedersehen können! Bis dann!“ Hilarion ging die Mauer entlang und bevor er um die Ecke bog winkte er noch einmal! Aleidis winkte zurück und ging dann durch das Tor.

In ihrem Bauch war es wunderbar war und ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie konnte nicht mehr aufhören zu lächeln. War sie ... verliebt?

Eiskalt

Aleidis passte am nächsten Tag in der Schule gar nicht auf. Sie war mit ihren Gedanken bei Hilarion und dem gebannten Tal. Sie hätte ihn an diesem Tag so gerne getroffen, aber er hatte Unterricht und sie musste auch mal wieder ihre Macht trainieren. Bestimmt hatte sie schon etwas verlernt.

Inzwischen war herausgekommen, dass das Schild nicht offiziell war, sondern ein Trick. Der Rektor war empört, genau so wie die gesamte Lehrerschaft. Aleidis wusste nur zu gut, dass sie alles daran setzen würden den Schuldigen zu finden. Aber, da konnten sie wirklich lange suchen. Hilarion war in der Parallelwelt und niemand hatte ihn gesehen, wie er das Schild aufgehängt hatte. Da hatte eine Nachbarschaftsbefragung durch die Polizei ergeben.

Als Aleidis zuhause war durfte sie sich eine Standpauke von ihrem Vater anhören. Erstens hatte sie in der ersten großen Lateinschulaufgabe in der letzten Woche eine glatte Sechs geschrieben und ihr war es auch noch egal. Ihr Vater war unglaublich wütend! Und zweitens war sie am Montag, als das mit dem Schild war, nicht sofort nach Hause gekommen und hatte gelernt. Aleidis schaltete auf Durchzug und ignorierte es im großen und ganzen.

Das Ende des Liedes war, dass ihr Vater sie wieder in ihrem Flügel einschloss und sie zum Lernen verdonnerte. Aleidis beobachtete ungerührt wie er die Türe, die zum Gang gehörte der zum Treppenhaus führte, zuschloss und den Schlüssel von außen abzog. „Wenn du wüsstest, wie egal mir das ist!“, dachte Aleidis gelangweilt und ging zurück in ihr Zimmer. Schnell zog sie sich um und trat vor den Spiegel. Er wurde wieder wasserähnlich und leuchtete von innen. Aleidis trat hinein und schwebte durch das helle Licht und die Farben in die Hochelfenstadt.

Sie trat aus dem Portal in den Garten. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr und duckte sich schnell! Ein Pfeil durchschnitt genau dort die Luft, wo eben noch ihr Kopf gewesen war! „Aleidis!“, schrie Mara aus einiger Entfernung und stürmte auf Aleidis zu, „Oh mein Gott! Wenn ich dich getroffen hätte! Es tut mir Leid! Es tut mir so Leid!“

„Ist ja nichts passiert!“, meine Aleidis beruhigend und richtete sich wieder auf, „Ich hab deinen Pfeil ja rechtzeitig bemerkt und bin ausgewichen!“ „Ich hätte dich trotzdem töten können!“, beharrte Mara kreidebleich, sie war nun bei Aleidis, „Ich hätte dich fast erschossen!“ „Es ist vorbei und es ist nichts passiert!“, meinte Aleidis, „Ich lebe noch und alles ist gut!“

Jetzt lächelte Mara wieder. „Willst du wieder üben mit dem Eis umzugehen?“, fragte die Hochelfe und ging zusammen mit Aleidis wieder zurück auf den gepflasterten Platz, der fürs Training benutzt wurde. „Ja, ich fürchte, ich bin etwas aus der Übung!“, lächelte Aleidis, „Wird wieder zeit, dass ich etwas tue! Wenn ich in der Schule schon nichts mache!“

Mara lachte und holte einen Korb mit tischtennisballgroßen Bällen. „Also, ich werfe und du versuchst sie im Fliegen einzufrieren, okay?“, schlug Mara vor und schnappte sich ein paar Bälle. Aleidis stabilisierte ihren Stand und hob die Hände, dann nickte sie. Mara warf einen Ball und aus Aleidis rechte Hand schoss ein großer blauleuchtender Lichtball! Er schoss auf den kleinen Ball zu, verschluckte ihn und stürzte als Eisbrocken herunter auf die Erde.

Mara warf die Bälle nun immer schneller und immer mehr in die Luft. Bald setzte Aleidis beide Hände abwechselnd ein, wie ein Maschinengewehr. Abwechselnd stieß sie eine Hand vor und dann wieder die andere.

Plötzlich hielt Aleidis inne und sah hinauf in den mit grauen Wolken verhangenen Himmel. „Was ist denn los?“, fragte Mara erstaunt und einige Bälle prasselten auf den Boden. „Sieh mal!“, sagte Aleidis und deutete in den Himmel hinauf, „Was ist das da!? Diese leuchtenden Kugeln?“ Mara kam zu Aleidis und sah hinauf in den Himmel, grau und schwer.

„Dämonen!“, zischte Mara, „Sie beobachten uns!“ „So sieht Hilarion als Lichtkugel wohl auch aus.“, dachte Aleidis und zuckte zusammen. Ein Wassertropfen war auf ihrer Wange gelandet. „Toll!“, knurrte Mara, „Es fängt an zu regnen!“ „Dann lieber schnell rein!“, meinte Aleidis, „Im Herbst ist das doch nicht ungewöhnlich! Da regnet es doch ständig!“

Aleidis und Mara stürmten durch den Garten und hinein in das Schloss. Er im großen Wohnsaal blieben sie stehen. „So ein mieses Wetter!“, knurrte Mara und schüttelte sich. Aleidis lachte und ließ sich in einen Sessel mit blauem Samtüberzug fallen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Aleidis, als auch Mara sich gesetzt hatte. Die Hochelfe zuckte mit den Schultern, „Wenn ich das wüsste!“

„Wie wär’s, wenn ihr einfach ein wenig üben würdet!“, rief Lorana, die mit einem Stapel Bücher in den Händen durch den Wohnsaal ging, „Ihr könntet zusammen im großen Saal trainieren! Für dein Eistraining ist da genug Platz! Und Mara, du könntest ruhig mal den Umgang mit Kampfstäben lernen! Wenn du deine Pfeile verschossen hast, kannst du den Bogen als eigenständige Waffe benutzen!“ Damit verschwand Lorana wieder aus dem Saal.

„Eigentlich eine gute Idee!“, meinte Mara und stand auf, „Gehen wir in den großen Saal! Du kannst versuchen deine Magie aufzubauen und ich übe den Umgang mit einem Kampfstab!“ „In Ordnung!“, stimmte Aleidis zu. Sie folgte Mara durch ein Gewirr aus Gängen und Treppe, dann erreichten sie endlich den großen Saal. Er war so groß wie ein halbes Fußballfeld!

Mara suchte sich aus der Waffenkammer neben dem Saal einen einfachen Kampfstab und Aleidis öffnete die großen Fenster mit Kristallglas. Kühle Luft strömte herein und das gleichmäßige Prasseln der Regentropfen wirkte beruhigend. Aleidis nahm eine Hälfte des Saales für sich in Anspruch und überließ die andere Hälfte Mara und ihrem Kampfstab.

Aleidis setzte sich im Schneidersitz mit kerzengeradem Rücken auf den Holzboden und lauschte dem Regen. So gleichmäßig und so stetig. So viele Jahrtausende schon fiel der Regen immer wieder. Aleidis sah auf den Boden und konzentrierte sich auf den Regen. Sie stellte sich vor, das sich um sie eine Kugel aus kleinen, schwebenden Eiskristallen bildete.

Aleidis sah auf und das schimmernde Eis, das sich wirklich um sie bildete. Es war eine dicke Schicht aus Eiskristallen, schön und eisig kalt. Aleidis konzentrierte sich weiter. Sie stelle sich vor, wie die Eiskristalle fünf dicke schimmernde Schlangen bildeten und Aleidis umkreisten.

Und jetzt war Aleidis wirklich von Eisschlangen umgeben, die sich im Abstand von einem Meter um sie wanden. Aleidis ließ die Konzentration langsam abklingen, aber die Schlangen blieben weiterhin da!

„Das ist der absolute Hammer!“, rief Mara, die Aleidis gebannt zusah, „Du bist ja richtig gut! So wird niemand gegen dich ne Chance haben!“ Aleidis lächelte, „Vielleicht. Vielleicht auch nicht! Es kann immer jemanden geben, der besser ist als ich!“ „Garantiert nicht!“, meinte Mara überzeugt, „Niemand beherrscht Magie so gut wie du! Niemand!“

Aleidis ließ die Eisschlangen aus glitzerndem Eisstaub verschwinden und stand auf. Sie überlegte kurz, was sie tun könnte, dann lächelte sie in sich hinein. Aleidis hob die rechte Hand und ließ darin eine magische Kugel aus bläulichem Licht und Eisstaub entstehen. Insgesamt 25 Kugeln jagte sie in den Saal. Als Ziel – sie selbst. Ungerührt sah Aleidis zu, wie die Kugeln kehrt machten und wieder auf sie zukamen. Sie hob die Hände, fing die Kugeln ein und absorbierte sie.

Diese Übung wiederholte Aleidis dann noch zehn mal. Und jedes Mal wurden es mehr Kugeln, die sie losschickte und wieder auffing. „Ich hab keine Lust mehr!“, ächzte Mara und ließ sich auf den Boden plumpsen. Ihr Kampfstab fiel klappernd zu Boden. Aleidis lächelte und ließ in ihren Handflächen Flammen aus Eisstaub und blauem Licht auflodern.

„Woher nimmst du nur diese Energie?“, fragte Mara, „Wir üben seit drei Stunden. Ich bin fix und fertig und du scheinst so, als hättest du gar nichts getan!“ „Frag mich nicht, warum das so ist!“, lachte Aleidis, „Ich hab keine Ahnung. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich die neue Mondentochter bin! Keine Ahnung!“ „Da wird’s wohl sein!“, meinte Mara nachdenklich, „Es muss daran liegen, dass du die neue Mondentochter bist! Was anderes kann ich mir nicht vorstellen!“

Aleidis zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, was sie hätte sagen können. „Sag mal, kannst du eigentlich tanzen?“, fragte plötzlich Mara und Aleidis ließ die Eisflammen verlöschen. „Warum?“, fragte Aleidis verdattert, „Ich kann nicht tanzen!“ „Dann muss ich’s dir beibringen!“, lächelte Mara, „Im November ist der Herbstball! Und du muss anwesen sein! Und auf einem Ball tanzt man natürlich!“ „Ich kann nicht tanzen!“, rief Aleidis und setzte sich zu Mara, „Und ein Kleid für einen Ball hab ich auch nicht!“ „Das kriegen wir schon hin!“, lächelte Mara und stand auf, „Komm mal mit! Ich hab da was im Sinn!“

Aleidis folgte Mara durch einige Gänge und Hallen in ein großes Zimmer mit Himmelbett, Schränken, Regalen und einem Tisch mit Stuhl. Das Zimmer war groß und hell. Auf den Eichenholzboden lagen mehrere Teppiche. Mara ging zu einem der drei Schränke und öffnete ihn. „O je!“, rief Aleidis als sie die vielen Kleider sah, „Wie viele sind das denn?“

„Nur etwas 250 Kleider.“, meinte Mara, „So viele Kleider hab ich nicht. Und die abgelegten hebe ich immer auf!“ 250 Kleider! Aleidis war fassungslos, so viele hatte sie noch nie gesehen! Mara begann in den hängenden Kleider zu wühlen und warf insgesamt wohl 25 Kleider aufs Bett. Dann durchwühlte sie sämtliche Schubladen des Schrankes und förderte noch mal einige Kleider zu Tage. „Ich glaube, die Auswahl ist groß genug!“, lachte Mara zufrieden.

Aleidis nickte sprachlos. Das Bett war gar nicht mehr zu sehen unter den vielen Kleidern! „Dann wollen wir mal!“, meinte Mara und begann die Kleider der Reihe nach Aleidis zu zeigen. Das war die erste Auswahlrunde. Danach waren nur noch zehn Kleider übrig. Die musste Aleidis nun alle anziehen! Nachdem einige zu groß waren blieben nur noch drei Kleider übrig.

„Also, das dunkelrote scheidet aus!“, meinte Mara als die drei Kleider auf dem Bett lagen und die anderen unordentlich in den Schrank gestopft worden waren. Aleidis nickte, dieses Rot gefiel ihr gar nicht! „Dann bleiben noch das grüne Satinkleid und das blaue Samtkleid.“, meinte Mara nachdenklich, „Grün oder blau!“

„Mir gefällt ja das blaue besser!“, meinte Aleidis und strich über den saphirblauen weichen Samt, „Der Pelz am Halsausschnitt und an den Ärmelsäumen. Und der Stoff schimmert etwas silbrig!“ „Ja, da hast du Recht.“, murmelte Mara, „Mir würde das blaue für dich auch fast besser gefallen. Es ist aber schulterfrei! Und im November wird das ganz schön kalt!“ „Kalt wie das Eis!“, murmelte Aleidis.

Terror

In der ersten Novemberwoche bekam Aleidis von Mara und Anar Tanzstunden. Aleidis musste mit Anar tanzen und Mara korrigierte immer ihre Schritte. Aleidis stellte fest, das die elfischen Tänze mit denen der Menschen nicht viel gemeinsam hatten! Bei den Menschen gab es zwar viele verschiedene Tänze, aber keiner war so anspruchsvoll wie der Tanz der Elfen.

Die Musik war schnell, zart und rhythmisch. Und beim Tanzen bekam man fast einen Knoten in die Beine. Anar führte Aleidis sehr sicher, er konnte hervorragend tanzen. Aleidis war noch etwas ungeschickt, aber das Elfenblut kam auch hier durch.

„Verlagere bei den Drehungen das Gewicht auf die Fußballen!“, meinte Mara und beobachtete Aleidis scharf. „Versuch ich doch!“, erwiderte Aleidis und verfehlte beinahe die Drehung. „Konzentrier dich Mädel!“, meinte Mara mit tadelnder Stimme, „Auf dem Ball musst du tanzen können!“ „Ich streng mich doch an!“, sagte Aleidis mit jammernder Stimme.

Aleidis war froh, als die Tanzstunde endlich vorbei war! Sie spürte jeden einzelnen Knochen im Körper. „Oh Mann!“, meinte Aleidis erschöpft, als sie in dem kleinen Wohnsaal saß und auf das lodernde Kaminfeuer sah, „Ich kann nicht mehr! Das war jetzt mal richtig anstrengend!“

„In zwei Wochen musst du den Tanz beherrschen!“, lächelte Anar und trank einen Schluck Tee, „Der Ball ist traditionell am zweiten Freitag der vollen Woche im November! Aber, du packst das schon, da bin ich mir sicher!“ „Ich nicht!“, erwiderte Aleidis, „Im Tanzen bin ich ne Niete. Und was für eine!“ „Quatsch!“, meinte Mara die eben hereinkam, „Aleidis, du kannst gut tanzen. Aber du traust es dir nicht zu! Das ist dein Problem!“

„Mara hat Recht!“, dachte Aleidis, als sie an diesem Abend um 19 Uhr in ihrem Zimmer saß, „Ich traue mir nichts zu! Vielleicht muss ich nur sicherer werden! Aber wie?“ Plötzlich leuchtete der Anhänger an der Kette, die sie von Hilarion bekommen hatte auf. Dass hieß, das Hilarion im gebannten Tal war! Aleidis fuhr mit dem Finger um das Amulett herum und berührte den Edelstein in der Mitte. Dabei dachte sie mit aller Kraft an das gebannte Tal!

Sekunden später erschien Aleidis aus blauem Licht im dunklen Tal. Die freie Fläche in der Mitte, beim Fluss, wurde von einem Lagerfeuer erleuchtet. Die Bäume und das Gras waren dunkelgrün, fast schwarz. Leichter Wind fuhr durch die Blätter und über das Gras. „Ich wusste das du kommst!“, meinte Hilarion, der beim Feuer saß, lächelnd. „Richtig vermutet!“, lachte Aleidis und setzte sich zu dem Dämon. Sie unterhielten sie eine Weile über Aleidis' Schule. Die Hälfte der Woche hatte sie ja schon geschafft, morgen war Donnerstag und der erst November.

„Ich bekomm zur Zeit Tanzstunden!“, erzählte Aleidis, „Für den Herbstball muss ich tanzen können!“ „O je!“, lachte Hilarion, „Ich weiß noch, wie ich für den Winterball tanzen lernen musste! Es war die Hölle! Ich bin ohne Ende über meine eigenen Füße gestolpert!“ Aleidis lachte, „So schlimm ist es bei mir nicht! Aber ich habe Angst, dass ich mich später mal in meinem Kleid verfange!“ Jetzt lachte Hilarion, „Ich denke nicht, dass das passieren wird!“ „Hoffentlich hast du Recht!“, meinte Aleidis.

Hilarion schwieg kurz. „Kannst du mir zeigen, wie du dann tanzen musst?“ „Wie denn bitte?“, fragte Aleidis verwundert. „Ganz einfach.“, meinte Hilarion, „Ich führe einfach nach dem Takt des Winterballs und du tanzt den Herbstball!“ „Na gut.“, meinte Aleidis zögernd und stand auf. Hilarion erhob sich ebenfalls. Der Dämon legte eine Hand auf Aleidis' Hüfte und nahm mit der anderen Aleidis' Hand. Aleidis legt ihre freie Hand auf Hilarion's Schulter. Sie schaffte es gerade noch nicht rot zu werden. Sie tanzten und stellten dabei fest, das ihre Tänze identisch waren. Hieß das, dass Dämonen und Hochelfen doch nicht immer Feinde gewesen waren?

Als Aleidis am nächsten Morgen aufwachte spürte sie alle Knochen. Tanzen war eben doch anstrengender, als sie gedacht hatte. Gelangweilt wie immer ließ sie den gesamten Vormittag lang den Lateinunterricht über sich ergehen. Aber, den Nachmittag konnte sie nicht nutzen um zu den Elfen zu gehen. Ihr Vater hatte einen Nachhilfelehrer engagiert und der gab Aleidis nun fünf Stunden lang Nachhilfe. Er war ein pensionierter Lateinprofessor, der gerne noch unterrichtete. Und er war noch sehr vorsintflutlich in seinen Anschauungen. Er war der Meinung, Aleidis müsste unbedingt lernen, da ihr Vater ihr diese Schule bezahlte! Bitterböse blockte die jede Frage ab, sie wollte keine Rechtsanwälten werden.

Der Nachhilfelehrer versuchte verzweifelt sie zum Mitmachen zu bewegen. Er drohte mit unendlich viel Hausarbeit, er versprach Süßigkeiten und Ausflüge. Aber Aleidis ließ alles kalt. Was sie wollte, konnte er ihr nicht geben. Aleidis saß an einem großen Tisch in der Bibliothek und ignorierte den Nachhilfelehrer. In Gedanken war sie im Elfental und tanzte mit Anar und unter Leitung von Mara.

„Was soll das?“, fragte der Nachhilfelehrer verzweifelt, „Du blockst total ab! Dabei investiert dein Vater sehr viel Geld in diese Schule! Du musst dich ihm doch erkenntlich zeigen und wenigstens gute Noten schreiben!“ „Sein Problem, wenn er Geld in die doofe Schule steckt!“, gab Aleidis ungerührt zurück. „Aber, wenn du Rechtsanwältin werden willst, dann brauchst du eine zweite Fremdsprache!“, meinte der Nachhilfelehrer gereizt, „Du hast sowieso Glück, dass du Noch Latein lernen kannst! Viele Jungendliche da draußen würden gerne Jura Studieren, können aber nicht, weil sie nicht die Möglichkeit haben noch eine zweite Sprache zu lernen!“

Aleidis zuckte nur mit den Schultern. „Bist du einfach nur faul, oder gehörtst du zur null Bock Generation?“, knurrte der Nachhilfelehrer und stützte sich auf die Tischplatte. Aleidis drehte den Kopf und sah ihn kühl in die Augen, auf die eiskalte Art der Elfen. „Was glotzt du so?“, fragte der Nachhilfelehrer wütend, „Du antwortest mir nicht, dass solltest du aber!“ „Nein.“, erwiderte Aleidis, „Sie können mir nichts! Mein Vater kann mir auch nichts! Schon lange nicht mehr!“

„Du willst wohl nur nicht lernen, weil dein Vater es dir bezahlt!“, meinte der Lehrer und richtete sich auf, „Könntest du es dir selbst finanzieren würdest du wohl lernen!“ „Auch dann nicht!“, meinte Aleidis teilnahmslos. „Bist du irre?“, fragte der Lehrer, „Diese Schule, auf die du gehst, kosten sehr viel! Müsstest du das Geld selber aufbringen, würdest du ganz sicher lernen!“ „Garantiert nicht.“, erwiderte Aleidis und sah den Lehrer an, „Weil ich dann nämlich auf einer andere Schule gehen würde und nicht in diese Schule!“

„Was soll man nur mit dir machen?“, fragte der Professor verzweifelt, „Du blockst meinen Unterricht total ab und scheinst auch gar keine Lust zu haben auf eine Karriere als Rechtsanwältin!“ Aleidis schwieg und sah aus dem Fenster. Es zeigte in Richtung des Waldes, dort lag auch ihre wahre Heimat, an der ihre wahre Familie wohl schon wartete! Der Professor hielt nun einen langen Vortrag über die Notwendigkeit des Lateinunterrichts für Rechtsanwälte und im Allgemeinen! Aleidis schaltete auf Durchzug und war heilfroh, als der Professor sich endlich verabschiedete und die Bibliothek verließ!

Kaum hatte der Nachhilfelehrer die große Bibliothek verlassen kam auch schon Aleidis' Vater herein. Er tobte regelrecht. „Du bist so unglaublich faul!“, brüllte er hochrot im Gesicht, „Es ist so, als wolltest du nur herumsitzen und lesen! Wenn das so weitergeht werde ich jeden Tag den Nachhilfelehrer kommen lassen! Und noch dazu einen Psychologen! In deinem Hirn kann irgendetwas nicht stimmen! Sonst würdest du doch erkennen, dass ich nur das beste für dich will! Du bist nichts weiter als eine faule kleine Göre!“

„Den Psychologen brauchst du!“, erwiderte Aleidis mit der kühlen, erhabenen Art der Hochelfen, „Merkst du es nicht? Du HAST keine Macht mehr über mich! Ich habe mich deinem Willen schon vor langem entzogen und werde ihn mir nie wieder aufzwingen lassen!“ Damit stand Aleidis auf und ging an ihrem Vater vorbei und aus der Bibliothek. „Aleidis!“, brüllte er noch mit wütender Stimme, dann war sie schon auf der Treppe die hinauf in ihr Zimmer führte.

Aleidis schloss die Türe und schloss sie ab. Jetzt wollte sie ihre Ruhe haben, Ruhe vor Latein und vor ihrem Vater. „Herrje, was war denn hier los?“, fragte eine Stimmte vom Spiegel her und Aleidis drehte sich um. Mara war eben aus dem Spiegel gestolpert und richtete sich auf. „Mein Vater macht wieder Terror.“, erklärte Aleidis und ließ sich auf ihr Bett fallen, „Ich hab in der Schule schlechte Noten und blocke den Nachhilfeunterricht ab.“ „Und der kapiert immer noch nicht, dass du kein Latein lernen willst?“ , fragt Mara mit wütender Stimme, „Wird Zeit, dass wir dich endlich zu uns holen!“

„Das wär’s schon.“, murmelte Aleidis, „Aber wie? Ich lebe in der Menschenwelt! Und in der ist kein Platz für Magie und Zauberei!“ „Wir können dich auch einfach zu uns holen und deiner Familie einen Vergessensfluch verpassen!“, meinte Mara, „Sie würden dann vollkommen vergessen, dass es dich gibt! Und aus allen Fotos und so wirst du ausgelöscht!“ „Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg.“, erwiderte Aleidis, „Morgen Nachmittag werde ich auf jeden Fall wieder ins Tal kommen!“ „Gut, dann bis morgen! Schlaf gut, Schwester!“, verabschiedete sich Mara und verschwand durch den Spiegel in ihre Welt.

Aleidis stand am folgenden Morgen eine Stunde früher auf und probte im Nachthemd noch einmal den Tanz der Hochelfen für den Herbstball. Inzwischen klappte es doch ganz gut. Das fanden auch Mara und Anar mit denen Aleidis am Nachmittag wieder in der Elfenwelt übte. „Du machst riesiger Fortschritte!“, meinte Mara bewundernd als Aleidis eine perfekte Drehung vollführte, „Bald bist du so gut wie eine Elfe! Und dann bist du der Stern des Balls!“ „Ach Quatsch!“, meinte Aleidis lächelnd, „Niemals werde ich so gut sein!“

Diesmal beendeten sie die Tanzstunde früher und Aleidis übte noch ein wenig den Umgang mit Eis. Dabei ärgerte sie Anar. Er lief quer durch den Saal, und zwar ziemlich schnell. Aleidis vereise kurzerhand den Boden, Anar rutschte aus und schlitterte auf dem Eis gegen die Wand. „Na warte!“, rief er wütend und rappelte sich hoch. Schlitternd kam er auf Aleidis zu. Die rutschte schnell davon und ließ dann eine Eisblase um sich herum entstehen. Anar konnte nichts mehr tun. Vor allem auch weil Aleidis jetzt die Eisschicht auf einer Seite dicker werden ließ und Anar hilflos die Neigung hinunter rutschte.

„Verdammt!“, knurrte Anar als er wieder an die Wand prallte und Aleidis die Eisblase um sich herum verschwinden ließ, „Ich wünschte du wärst nicht die Mondentochter! Dann wäre das Verletzungsrisiko für mich geringer!“ Aleidis lachte, Anar hatte immer einen Spruch auf den Lippen. Hier, im Elfenreich konnte sie wenigstens lachen, im Gegensatz zu ihrer Welt.

Schön langsam begann Aleidis' Vater seine Tochter zu terrorisieren! Er ließ den Nachhilfelehrer drei Mal die Woche kommen und kontrollierte Aleidis' Hefte auf Zeichnungen und Hausaufgaben! Aleidis schloss sich immer öfter direkt nach der Schule in ihrem Zimmer ein und flüchtete in die Magische Welt, in der sie sein konnte, wer sie war.

Der Ball

„Glaubst du, dass passt so?“, fragte Aleidis und zupfte nervös an ihrem Ärmelsaum herum. Es war der Abend des zweiten Freitag der zweiten vollen Novemberwoche, und damit der Tag des Herbstballs. Aleidis war im Mara's Zimmer und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Das saphirblaue Kleid von Mara sah großartig aus. Aleidis' Schultern waren frei und am Schultersaum war ein weißer Pelz angenäht. Um die Taille schlang sich ein silbernes Band aus Seide. Aleidis' Kleid fiel lang und fließend wie Wasser zu Boden. Die Ärmel gingen zum Saum hin etwas auseinander, aber nicht zu weit.

„Doch, dass passt schon so!“, meinte Mara und richtet sich auf, „Aber mit deinen Haaren müssen wir noch etwas anstellen, offen geht das nicht!“ Mara trug ein feuerrotes Kleid mit goldenen Stickereien. Ihre schulterlangen braunen Haare hatte sie von den Schläfen aus nach oben auf den Hinterkopf geflochten. Von dort aus fielen sie herunter auf ihre Schultern.

Mara drückte Aleidis auf einen Stuhl und kämmte ihr die Haare durch. Die Hochelfe ging sehr sicher vor, als wüsste sie genau, welche Frisur sie Aleidis verpassen wollte. Nach einer halben Stunde hatte Aleidis eine wunderschöne Frisur. Ihre Haare waren alle nach hinten gekämmt und oben am Hinterkopf mit silbernen Froschklammern in einer Halbmondform festgeklemmt. Noch dazu hatte Mara ihr einige Klammern mit blauen Edelsteinen in die Haare gesteckt.

„So, es ist acht Uhr, wir müssen los!“, meinte Mara mit einem blick auf die Uhr und zog ihre Schuhe an. Auch Aleidis zog ihre flachen, silbernen Schuhe an. Jetzt schlug ihr Herz bis zum Hals, sie zitterte vor freudiger Erwartung. Mara führte Aleidis hinein in das Schloss. Genau in der Mitte, unter einem großen Glasdach war der fußballfeldgroße Ballsaal. Er war mit pastellfarbenem Gestein ausgelegt und an den Seiten von dicken Säulen gestützt. Zwischen den Säulen hingen silberne Vorhänge, auch wenn es keine Fenster gab. In der Luft schwebten große Kronleuchter mit hellen Kerzen. Der Saal strahlte wie in einem Traum voller Diamanten und Lichter, es war ein überwältigender Anblick! An den Wänden standen Tische mit Essen und Trinken und es gab einige Tische, an die man sich setzten konnten.

Als Aleidis nach Mara eintrat gingen ihr wahrlich die Augen auf, und sie spürte, wie ihr Blut sich erhitzte! Jetzt war sie mehr denn je eine Hochelfe! Im Saal waren gut und gerne 200 Elfen in königlichen und reich verzierten Gewändern. Mara führte Aleidis durch die Menge, zu Endoril. Der König trug eine Tunika aus fester, samtgrüner Seide mit silbernen Stickereien und einem Stehkragen. Dazu eine schwarze Lederhose und schwarze Lederstiefel. In seine Haare eingeflochten war seine silberne Krone, die ihn als König auszeichnete.

„Mara und Aleidis!“, lächelte er, als Mara und Aleidis bei ihm waren, „Jetzt hätte ich dich fast für eine echte Elfe gehalten, Aleidis!“ „Ich auch!“, meinte Anar, der eben zu ihnen stieß, „Aleidis, du hast wirklich eine großartige Verwandlung durchgemacht! Es gibt im Grunde nur noch bei den Ohren einen Unterschied zu uns Elfen!“ „Ja, meine sind rund!“, lächelte Aleidis. Sie freute sich wie eine Schneekönigin, dass sie so viele Komplimente auf einmal bekam!

Nach einigen Minuten erhob Endoril seine Stimme und begrüßte alle auf dem Herbstball. „Meine lieben Freunde.“, sagte er mit klarer Stimme, die den ganzen Saal fühlte, „Ich freu mich sehr, dass Ihr alle gekommen seid! Wir können im Moment die Blutwölfe und die Dämonen vergessen und den Herbstball genießen, der seit Jahrtausenden Tradition hat! Ich wünsche uns allen einen schönen Abend!“ Die anwesenden Elfen begannen zu klatschen und von einem kleinen Orchester im hinteren Teil der Halle kam die Tanzmusik.

Endoril führte seine Frau Lorana in die Mitte des Saals und eröffnete so den Ball. Rina wurde von ihrem Verlobten zum Tanz gebeten, genauso wie Mara. „Bin ich froh, dass ich noch nicht so weit bin!“, raunte Anar Aleidis zu, „Ich hab echt keinen Nerv für eine feste Freundin, oder gar eine Verlobte! Im Moment auf jeden Fall!“ Aleidis nickte, sie konnte das gut verstehen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Fion und Aleno die Tische mit Essen belagerten.

„Ihr zwei könnt doch nicht nur dumm rumstehen!“, meinte Aleno, als er mit den Armen voller Essen wieder zu ihnen stieß, „Ihr zwei tanzt doch gut zusammen! Tanzt doch, bis ihr jemanden kennen lernt!“ „Los macht schon!“, fügte Fion hinzu und biss in einen kleinen Kuchen. Als Aleno und Fion wieder verschwunden waren wandet sich Anar Aleidis zu.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte der Hochelf lächelnd und deutete eine Verbeugung an und reichte Aleidis die Hand. „Aber gern!“, erwiderte Aleidis rosa angehaucht und legte ihre Hand auf die von Anar. Der Elf führte sie auf die Tanzfläche und sie tanzten. Aleidis spürte, wie ihr Blut in Wallung geriet und wie sich das Elfenblut in ihren Adern ausbreitete.

„Wenn diese Nacht doch niemals enden würde!“, seufzte Aleidis als sie ein paar Stunden später mit Anar an einem Tisch saß und ein paar Früchte aß. „Man merkt richtig, wie sehr es dir gefällt!“, lächelte Anar und nippte an seinem Zinnkelch mit Wein, „Du bist schon fast eine richtige Hochelfe!“ „Ich will gar nicht mehr zurück in meine Welt! Mir gefällt es hier viel besser!“, meinte Aleidis und ließ ihren Blick durch den Saal schweifen, „Das hier ist mein Zuhause!“

Ein paar Minuten später stießen wieder Fion und Aleno zu Aleidis und Anar. Fion hatte schon etwas glasige Augen und versuchte krampfhaft ein Gähnen zu unterdrücken. Aleno war augenscheinlich noch nicht so müde, blinzelte aber häufiger. Die beiden setzten sich zu ihnen an den Tisch. „Wahnsinn, was hier für eine Stimmung ist!“, meinte Aleno und nahm sich ebenfalls von den verschiedenen Früchten in der Glasschale, die auf dem Tisch stand. „Wie wahr!“, lächelte Anar, „Fion, du schläfst ja schon fast! Wenn du so müde bist geh lieber ins Bett! Vater wird und kann dir nicht böse sein!“ „Ne, ein wenig halt ich schon noch aus!“, meinte Fion schläfrig, „Ich will noch ein wenig aufbleiben! Das schaff ich schon!“

Nur ein paar Minuten später kippte Fion zur Seite und gegen Aleidis' Schulter. Jetzt schlief er tief und fest. „Das er es immer so übertreibt!“, lächelte Anar und hob seinen kleinen Bruder hoch, „Ich bring ihn in sein Zimmer. Amüsiert euch gut!“ Damit ging Anar in Richtung Hallenausgang und verschwand.

„Also, man merkt gar nicht mehr, dass du ein Mensch bist!“, meinte Aleno anerkennend zu Aleidis, „Mich haben schon einige Edelmänner angesprochen, wer denn diese wunderhübsche, zierliche Elfe sei! Die meinten alle dich!“ „Aber ich bin doch gar nicht so hübsch!“, meinte Aleidis errötend, „Und zierlich bin ich erst recht nicht! Ich bin gut gebaut, aber nicht zierlich!“ „Mensch Aleidis!“, seufzte Aleno, „Du bist hübsch und zierlich! Du siehst es nur nicht! Du siehst dich nicht wenn du tanzt oder wenn du mit deiner Macht übst! Dann strahlst du wie ein Diamant!“

Bevor Aleidis irgendetwas erwidern konnte fragte eine Stimme von der Seite, „Darf ich Euch um diesen Tanz bitten?“ Aleidis sah auf und in das hübsche Gesicht eines Hochelfen, gekleidet in ein edles Gewand. Nicht so edel wie das von Endoril, aber edel. Er wirkte sehr jung und war wirklich hübsch! Seine langen dunkelbraunen Haare fielen sanft über seine Schultern. Aleidis nahm die dargebotene Hand, „Ich nehme sehr gerne an!“

Aleidis stand auf und schritt mit den Edelmann (das er das war, war klar) auf die Tanzfläche. Und wieder tanzte sie und ihr Blut geriet in Wallung. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Mara und Rina ihr zuwinkten und tuschelten! Das war wieder einmal typisch für diese beiden! Aleidis nahm sich vor, sich später gebührend über dieses Getuschel zu ärgern. Aber nicht jetzt! Jetzt war sie nicht mehr Aleidis das Menschenmädchen, jetzt war sie Aleidis die Mondentochter und Abkömmling der Hochelfen!

Aleidis tanzte den ganzen Abend, bis spät in die Nacht. Gegen drei Uhr morgens verließen die ersten Gäste den Ball. Für Aleidis war es natürlich Pflicht zu bleiben, und sie wollte auch bleiben! Schließlich, um halb vier Uhr verließen auch die letzten Gäste gut gelaunt den Saal. Aleidis ließ ihren Blick durch den Saal wandern. Die Tische mit Essen waren geplündert und die Musiker packten ihre Sachen zusammen. Mara, Rina und Endoril's Frau Lorana verließen die Halle halb schlafend.

„Also, man heute dir heute absolut nicht angemerkt, dass du keine Elfe bist! Du hast dich bewegt, gegeben und ausgesehen wie eine Elfe!“, meinte Endoril zu Aleidis, „Du ahnst gar nicht, wie viele mich nach dir gefragt haben!“ „Aleno hat das auch schon gesagt!“, erwiderte Aleidis lächelnd, „Ich hab mich heute auch ganz anderes gefühlt! Als wäre ich derjenige, der ich wirklich bin!“ „Das ist gut möglich!“, meinte Anar, der an einem Tisch neben Aleidis und Endoril saß, „Irgendwie sah es heute so aus, als wärst du von einer leuchtenden Aura umgeben! Es sah aus, als würde das licht direkt aus dir herauskommen!“ „Da könnest du Recht haben!“, überlegte Endoril laut, „Du könntest wirklich Recht haben! Aber, Anar, bringst du Aleidis bitte zum Portal in ihre Welt? Ich will endlich ins Bett!“

Anar erhob sich und begeleitete Aleidis aus der Halle. „Es ist selten, dass Vater irgendetwas zugibt!“, grinste Anar außer Hörweite von Endoril, „Und dass er müde ist, gibt er für gewöhnlich nicht zu!“ „Ich bin aber auch müde!“, meinte Aleidis und unterdrückte ein Gähnen, „Aber es war einfach wunderschön! Könnte ewig weitertanzen!“ endlich erreichten sie den von kaltem Mondlicht erhellten Garten. Es war eisigkalt und unheimlich. Aleidis öffnete das Portal in ihre Welt. „Also, ich komm morgen wieder und sag Mara, dass ich das kleid mitbringe!“, meinte Aleidis, „Bis dann!“ „Bis morgen!“, verabschiedete sich Anar und Aleidis trat durch das Licht des Portals in den Lichttunnel.

Des Geheimnis Enthüllung

Am Samstag schlief Aleidis fast bis Mittag. Dann wurde sie von Fäusten die gegen ihre Zimmertüre hämmerten geweckt. Müde öffnet sie die schweren Augen und sah auf. „Aleidis!“, rief ihr Vater mit wütender Stimme durch die verschlossene Türe und rüttelte an dem Griff, „Wach gefälligst auf du faules Stück!“ „Bin doch schon wach!“, rief Aleidis genauso wütend zurück und stand auf. Ihr Blick fiel auf Mara's Ballkleid, dass sie über den Stuhl geworfen hatte! Ihr Vater durfte das nicht sehen! Blitzschnell schnappte sie sich das Kleid und stopfte es unter ihre Bettdecke, dann öffnete sie die Zimmertüre einen Spalt weit.

Das Gesicht ihres Vater war dunkelrot und die Augen funkelten wütend. „Verdammt! Du sollest schon längst lernen!“, schrie er stinksauer, „Mittagessen gibt es für dich nicht! Ich werde den Flügel absperren und dich erst am Abend wieder rauslassen! Und bis dahin lernst du! Ist das klar!?“ Die letzten Worte hatte er gebrüllt. „Ja!“, grollte Aleidis ebenso wütend. Ihr Vater drehte sich um und ging davon. Schweigend stand Aleidis an der Türe. In der Ferne krachte eine Türe in den Rahmen, jetzt war sie wieder eingesperrt.

Langsam schloss Aleidis ihre Zimmertüre und drehte den Schlüssel herum. Ein paar Sekunden stand die einfach nur an der Türe, eine Hand an der Klinke, die andere am Schlüssel. Dann, urplötzlich, donnerte sie beide Fäuste gegen die Türe. Heiße Tränen rannen ihr aus den Augen und tropften auf den Boden. Sie hasste das Leben in dieser Welt. Hätte ihr Vater sie doch nur auf die Kunstakademie gehen lassen! Dann wäre sie jetzt glücklich. Aber wenn das geschehen wäre, dann hätte sie niemals herausgefunden, wer sie wirklich war!

Aleidis sah zu ihrem Schreibtisch. Dort lag das Amulett von Hilarion, es leuchtete! „Ja! Dahin!“, dachte Aleidis und zog sich schnell die normalen Elfenkleider an. Schnell legte sie die Kette um den Hals, fuhr einmal mit dem Finger um den Anhänger herum und berührte den Edelstein. Nur Sekunden später tauchte sie aus einer leuchtenden Nebelwolke im gebannten Tal auf.

„Aleidis!“, rief Hilarion, der eben von der Dämonenseite in das Tal kam. „Hilarion!“, rief Aleidis glücklich zurück und winkte dem Dämon zu. Er sprang einfach vom Waldrand aus weg und landete punktgenau bei Aleidis. „Du siehst ganz schön fertig aus!“, stellte der Dämon fest, nach dem sie sich begrüßt hatten und zu dem großen Felsen mitten im See des Tals gegangen waren. „Das kann man wohl sagen!“, erwiderte Aleidis und setzte sich auf den Inselfelsen, „Bis heute Früh um halb vier war ich auf den Herbstball der Hochelfen! Und vor gut 20 Minuten hat mich mein Vater geweckt und natürlich gleich angebrüllt!“

„Also, schön langsam müsste ich echt was gegen ihn unternehmen!“, empörte sich Hilarion und nahm die schon wieder weinende Aleidis in die Arme, „Irgendetwas müssen wir doch tun können! Aber was!?“ „Ich weiß nicht!“, erwiderte Aleidis mit roten Wangen. Es war irgendwie etwas peinlich, dass Hilarion sie so in die Arme nahm, aber irgendwie war es auch sehr schön! Der Dämon war ihr so vertraut, als würden sie sich seit Jahrhunderten kennen.

„Geht es dir auch so, dass du das Gefühl hast, dass wir uns schon seit Ewigkeiten kennen? Mir geht es zumindest so!“, meinte Hilarion plötzlich und fuhr Aleidis sanft durch die Haare. „Mir geht es genau so!“, erwiderte Aleidis und sah auf in Hilarion's hübsches Gesicht. Er lächelte. „Verdammt!“, dachte Aleidis, „Ich hab mich wirklich in ihn verliebt! Aber er ist ein Dämon!“

„Wie geht’s denn in der Schule?“, fragt Hilarion, nachdem er Aleidis wieder losgelassen hatte. Aleidis lachte. „Seit unserem letzten Treffen vor vier Wochen ist einiges passiert! Und was alles passiert ist!“, lachte Aleidis, „Also, irgendjemand hat im Chemieraum Schwarzpulver liegen lassen. Und die Decke darüber war mit Spiegel verkleidet! Und irgendwie hat sich Licht in den Spiegel gebrochen und das Pulver entzündet! Der ganze Raum ist ausgebrannt!“ „Ach du Schande!“, lachte Hilarion, „Und wer war das?“ „Eine gute Bekannt von mir!“, lächelte Aleidis, „Zusammen mit ihrem Freund! Die haben das ausgeheckt!“

„Noch etwas?“, fragte Hilarion ganz neugierig. „Ja. Ein anderer Bekannter hat ganz aus „Versehen“ einen kleinen Topf mit Säure stehen gelassen und diese Säure hat die Schule über Nacht so vollgestunken, man konnte nicht mehr reingehen! Und wie hatten ne Woche lang frei!“, erzählte Aleidis, „Und eine Gruppe von Freunden haben sich den Schlüssel zur Schule besorgt und haben dann alle Tafeln mit Zitronensäure eingeschmiert! Die Tafeln konnte man nicht mehr benutzen! Und noch jemand hat alle Drucker und Kopierer manipuliert. Die haben eine ganze Woche nicht funktioniert! Und, das beste war ja, dass die Sprechanlage ferngesteuert wurde und immer wieder Durchsagen gekommen sind, durch die wir früher aus hatten!“ „Ja toll!“, lachte Hilarion keuchend, „Da wäre ich gerne dabei gewesen! Sind noch mehr Aktionen geplant?“ „Ja! Bin gespannt, was am Montag ist!“, meinte Aleidis.

„Hörst du das?“, fragte Hilarion plötzlich und lauschte. Auch Aleidis lauschte. Und sie hörte auch etwas! Ein Klirren, wie von Schwertern, die aufeinander schlugen. Und ein Jaulen und knurren, wie das der Blutwölfe! „Was ist?“, wisperte Aleidis und sah zu Hilarion hoch, der aufgestanden war. „Klingt nach einem Kampf!“, meinte er, während Aleidis aufstand, „Aber bei den Blutwölfen gibt es keine Krieger! Es kommt von der Elfenseite!“ „Sehen wir nach!“, meinte Aleidis und huschte in Richtung Elfenseite, durch den Waldgürtel und durch die Spalte hinaus auf die Ebene.

Als Aleidis hinaus auf die Ebene trat sah sie, wie eine große in einen schwarzen Kapuzenumhang mit aus den Säumen züngelnden Flammen gehüllte Gestalt den letzten Elf einer Spähertruppe mit einem brennenden Schwert erstach! Aleidis schrie auf und lenkte damit die Aufmerksamkeit der brennenden Gestalt und aller Blutwölfe in der Umgebung auf sich! Die Gestalt sah Aleidis direkt an. Das Gesicht war nicht zu sehen, nur zwei leuchtende rote Punkte im dunkeln der Kapuze.

„Aleidis!“, rief Hilarion, der hinter ihr war, „Zurück!“ Aleidis drehte sich um und schrie noch einmal! Über Hilarion auf einem Felsen war ein Blutwolf! Die Spalte zum Tal war belagert von Wölfen! Hilarion und Aleidis waren eingekreist von den Blutwölfen! Rücken an Rücken standen sie da, ohne Waffen, umzingelt von gut einhundert Wölfen! Die brennende Gestalt lachte. Es war ein kaltes, grausames Lachen, wie aus weiter Ferne hallend!

Die Gestalt drehte sich um und ging weg, das Grenzgebirge entlang. Aber eine andere Gestalt stellte sich ihr entgegen! Das war das letzte, was Aleidis sehen konnte, dann zogen die Wölfe den Kreis um sie und Hilarion immer enger. „Und was jetzt?“, rief Hilarion über das Heulen der Wölfe hinweg, „Wir haben keine Waffen! Nur ...“ „Egal wie stark die Wölfe sein mögen!“, schrie Aleidis mit fester Stimme, „Kampflos gebe ich nicht den Löffel ab! Egal was ich tun muss! Ich kämpfe!“ „Also dann!“, knurrte Hilarion angriffslustig, „Zeigen wir mal, dass wir uns auch ohne Waffen verteidigen können! Sieg für uns!“

Jetzt hatte Aleidis keine Angst mehr. Sie wollte kämpfen, bis sie starb, oder siegte! Kämpfen, zusammen mit Hilarion! Und sie würde ihre Kräfte einsetzten, egal, ob die Dämonen dann wussten, dass sie die neue Mondentochter war. Hauptsache, sie und Hilarion lebten!

Aleidis hob die Arme über den Kopf und kreuzte die Unterarme. Sie musste sich gar nicht konzertieren, einfach so bildete sich zwischen ihren Händen eine Kugel aus blauem licht. Jetzt, mit einem grässlichem Jaulen schossen die Wölfe auf Aleidis zu! Sie senkte die Arme nach vorne und ließ die blaue Lichtkugel lossausen. Mitten in die Gruppe aus Blutwölfen! Aber sie erwischte nur die Hälfte!

Aleidis zog beide Hände an den Körper und schoss abwechselnd kleine Eiskugeln auf die Wölfe! Wurden die Wölfe von den Eiskugeln getroffen leuchteten sie kurz blau auf und zersprangen in glitzernden Eisstaub.

Je mehr Wölfe auf sie einstürmten, desto ruhiger und kälter wurde Aleidis. Und immer schneller wurden ihre Angriffe, immer machtvoller jeder einzelne. Aleidis spürte direkt, wie die Macht über das Eis immer stärker und größer wurde. Und sie spürte die Angst, die sie um Hilarion hatte!

Aleidis wich ein Stück zurück, riss beide Hände hoch und schoss eine gigantische Eiskugel auf einen besonders großen Wolf ab. Er zerfiel mitten in der Luft zu Eisstaub, der sanft zu Boden rieselte.

Plötzlich riss Hilarion sie zur Seite und feuerte aus seiner Hand einen Feuerball ab! Der verbrannte den Wolf, der an ihnen vorbei schoss! Aleidis registrierte, was sie gesehen hatte, machte sich aber keine Gedanken darüber, sondern kämpfte einfach weiter mit ihrer Macht - dem Eis!

Sie schleuderte Eiskugeln in die Wolfsmeute und tötete sie so. immer wieder sah sie Feuer aufflackern und roch verbranntes Fleisch und Haare. Aleidis' Angriffe wurden immer schneller, gefährlicher und präziser! Sie drehte sich und schoss dabei zielgenau Wölfe ab, indem sie die Wölfe einfror und die Wölfe auf dem Boden oder an den Felsen zerschellten.

Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie die beiden schwarzen, brennenden Gestalten miteinander kämpften. Die eine Gestalt brannte rot, die andere blau! Als die beiden Gestalten sich gegenseitig erdolchten schloss Aleidis den letzten Wolf ab! Er wurde zu Eis und zersprang an einem Felsen.

Aleidis und Hilarion standen Rücken an Rücken. Aleidis sah die Landschaft, eine Hälfte unter klarem Eis begraben, die andere schwarz und verbrannt. Verbrannt von dem Dämon hinter ihr. War er ....?

„Manche Traditionen haben durchaus ihren Sinn!“, meinte Hilarion mit beherrschter Stimme, „Manche vermitteln uns Weisheit, andere zeigen uns Wege. Aber, nur weil man gegensätzlich ist, sich zu töten, sich zu bekriegen und immer mehr Leid über die Wesen zu bringen, die im Grunde doch gleich sind, das ist absolut sinnlos! Und ich will gar nicht erst damit anfangen. Was meinst du? Mondentochter!“

„Gegensätze machen die Welt bunt.“, erwiderte Aleidis, „Feuer und Eis sind zwar verschieden, aber die Träger sind fast gleich! Sie empfinden und denken gleich. Es ist sinnlos sich gegenseitig zu töten, nur weil man anders ist. Und jene Tradition, dass sich Mondentochter und Sonnensahn gegenseitig töten, ist die sinnloseste, die es gibt. Sonnensohn!“

Aleidis drehte sich zu Hilarion um. Er lächelte sie an. Sie waren sich einer Meinung. Sie warnen Freunde, keine Feinde. Und damit endete die Tradition, nach der sich Sonnensohn und Mondentochter gegenseitig töteten.

Training

Aleidis sprang zurück und der Feuerball schlug dort ein, wo sie eben noch gestanden hatte. Blitzschnell jagte sie ein paar große Eiskristalle in die Richtung, aus der Hilarion's Feuerball gekommen war. Sofort danach lief sie zwischen den Bäumen im gebannten Tal hindurch und auf die kleine Ebene. Sie hob die Hände seitlich auf Augenhöhe und ließ einen Wirbel aus weißem Licht und Eisstaub um ihre Hände wirbeln. Sie erwartete Hilarion's Angriff.

Seitdem sie herausgefunden hatten, dass sie Mondentochter und Sonnensohn waren hatten sie sich jeden Nachmittag getroffen und mit einander geübt ihre Fähigkeiten zu beherrschen. Seit dem Ball war eine Woche vergangen, es war wieder Samstag und sie übten wieder einmal im gebannten Tal.

Hilarion hatte noch Schwierigkeiten das Feuer richtig zu kontrollieren und deshalb fielen seine Angriffe oft stärker und heftiger aus, als er es wollte. Oder sie klappten gar nicht. „Hey, jetzt mach mal was!“, rief Aleidis in das Tal, „Ich will nicht zur Statue werden!“ „Ich versuch doch was zu machen!“, rief Hilarion zurück und trat aus dem Wald, die Hände verkrampft etwas vor der Brust, „Aber ich krieg einfach kein Feuer zustande!“ Aleidis seufzte, sie ließ die Hände sinken und die Wirbel verschwanden. Jetzt musste sie ihm schon wieder Nachhilfe geben.

Während Hilarion versuchte eine Flamme in seiner Hand zu beschwören setzte sich Aleidis auf einen Stein, stützte den Kopf auf die Hände und sah zu. „Nicht so verkrampft!“, sagte Aleidis als sie Hilarion verkrampfte, zitternde Hände sah, „So klappt das nie! Du darfst nicht so angespannt sein!“ „Na gut.“, erwiderte Hilarion und seine Hand wurde wirklich etwas lockerer, „So besser?“ „Ja, viel besser!“, lobte Aleidis lächelnd, „Schön langsam wird es!“

„Oder auch nicht!“, rief Hilarion als eine Feuerwalze aus seiner Hand schoss und ein paar Meter über die Ebene tobte, bevor sie sich in nichts auflöste. „Warum kann ich nicht die Angriffe proben, die ich schon kann?“, nörgelte der Dämon, drehte sich zu Aleidis und stemmte die Hände in die Seiten. „Weil die zu einfach sind!“, erwiderte Aleidis und kam zu dem Dämon, „Wenn du immer das gleich machst, wirst du nie besser!“

„Aber meine Angriffe letzten Samstag waren doch sehr gut!“, beschwerte sich Hilarion und musterte Aleidis, „Oder etwa nicht?“ „Doch, sie waren schon gut, aber du hast sehr viel Kraft verbraucht, die du in einem normalen Kampf nicht verbrauchen darfst! Du bist außerdem langsam im Beschwören!“, fügte Aleidis hinzu und wich lachend Hilarion aus, der auf sie zugekommen war.

„Weißt du was, du setzt dich wieder hin und ich mach einfach, okay?“, schlug Hilarion vor und deutet auf den Felsen, auf dem Aleidis eben noch gesessen hatte, „Ich mach was ich für richtig halte und du kannst mir gerne korrigieren!“ „Guter Vorschlag!“, erwiderte Aleidis und setzte sich wieder hin, die Augen auf den genervten Dämon auf der Ebene gerichtet.

„Was, denkst du, waren das für schwarze Gestalten letzten Samstag?“, fragte Aleidis, „Die beiden, die sich gegenseitig getötet haben!“ „Wenn ich das wüsste!“, erwiderte Hilarion und schaffte es endlich eine kleine Flamme in seine Hand zu beschwören, „Mir ist nur aufgefallen, dass die Luft voller Hass war!“ „Die eine brannte bläulich, die andere rötlich!“, erinnerte sich Aleidis, „Aber...“

Zischend schoss ein Feuerball aus Hilarion's Hand, durch die Luft und jagte einen Felsen in die Luft. „Ziemlich heftig.“, meinte Aleidis und merkte jetzt erst, dass Hilarion wie vor Schreck erstarrt war. „Was ist denn?“, fragte Aleidis besorgt. „Rot und Blau! Verdammt!“, rief Hilarion und kam zu ihr, „Jetzt ist alles klar!“ „Ja, was denn?“, fragte Aleidis verwirrt.

„Also.“, begann Hilarion und setzte sich neben Aleidis, „Seelen, die so von Hass zerfressen sind dass sie kaum mehr existieren werden oft zu Rachegeistern oder Rächern.“ „O je.“, murmelte Aleidis böses ahnend. „Ja, wirklich o je.“, meinte Hilarion und sah zu Boden, „Es könnte sein, dass die rot brennende Gestalt der Rächer eines verstorbenen Sonnensohnes war.“ „Und der blaue der einer Mondentochter!“, rief Aleidis erschrocken aus. „Und dass könnte heißen, dass die Rachegeister der Mondentöchter und der Sonnensöhne zurück kommen um ihren Krieg fortzusetzen! Sie haben die Blutwölfe geschickt!“

„Aber warum?!“, fragte Aleidis. Sie verstand das alles einfach nicht. „Die Blutwölfe haben, der Legende nach, die Fähigkeit die Beschaffenheit der Gegend extrem zu verändern.“, erklärte Hilarion, „Sie könnten den Auftrag haben die Felsengrenze in der Mitte zu öffnen! Damit die Dämonen und Hochelfen in einem Krieg gegen einander alle sterben! Denn dann können sie die Seelen auch zu Rächern machen und Geisterarmeen aufstellen!“

„Das muss man doch irgendwie verhindern können!“, meinte Aleidis, „Irgendwie!“ „Ja, wenn wir beide stärker werden, dann könnten wir vielleicht irgendetwas machen! Irgendetwas!“, erwiderte Hilarion. „Noch sind das alles Spekulationen.“, meinte Aleidis nun, „Wir bräuchten Beweise dafür! Keine Mutmaßungen!“ „Am besten ist, wir versuchen etwas herauszufinden und üben gleichzeitig, damit wir so stark wie möglich werden!“, schlug Hilarion vor. „Sehr guter Vorschlag!“, fand Aleidis und Hilarion stand wieder auf.

Aleidis beobachtete gedankenverloren wie Hilarion Flammen in seinen Händen beschwor und diese dann immer größer wurden. „Wird immer besser!“, lobte Aleidis nach einiger Zeit und begann gelangweilt einige Eiskristalle vor sich in der Luft erscheinen zu lassen. „Wie machst du das?!“, fragte Hilarion und beobachtete die funkelnden Eiskristalle. „Ich weiß nicht genau!“, gestand Aleidis, „Zuerst musste ich mich auf die Beschwörung konzentrieren. Inzwischen passiert es einfach ohne dass ich mich darauf konzentriere.“ „Mann!“, rief Hilarion neidisch, „Ich will das auch können!“ Aleidis lächelte, Hilarion war viel zu ungeduldig!

Gegen Abend hatten sich Hilarion's Fertigkeiten stark verbessert. Er konnte nun ähnliche Angriffe wie Aleidis und schaffte es sogar schon ein wenig das Feuer nur mit Gedankenkraft zu beschwören.

Eisige Kälte hatte sich über das gebannte Tal gelegt, Nebel wabberte wie Gespenster zwischen den Bäumen und auf der Ebene. Es war eiskalt, kein Wunder für Ende November. Die Dunkelheit senkte sich schon langsam über die magische Welt und ihre Bewohner.

„Ich muss wieder zurück.“, sagte Aleidis traurig als sie auf ihre Armbanduhr sah, „Wieso vergeht die Zeit mit dir nur immer so schnell!? Kannst du mir das erklären, Hilarion?“ „Ich hab keine Ahnung, warum das so ist.“, erwiderte Hilarion, der neben Aleidis auf dem Felsen saß, „Aber es wäre schön, wenn wir mehr Zeit hätten!“ „Finde ich auch. Aber leider ist das nicht so.“, meinte Aleidis, stand auf und nestelte das Amulett von Hilarion aus ihrer Tunika.

„Aleidis!“, sagte Hilarion hinter ihr plötzlich und Aleidis drehte sich um. Sie erschrak etwas, weil der Dämon direkt hinter ihr stand. Ihr Herz schlug bis zum Hals, sie spürte wie sie rot wurde. „Ich wünschte ich wäre ein Mensch!“, sagte Hilarion und strich mit den Fingern über Aleidis' Wange, „Dann könnten wir viel mehr miteinander machen und wären nicht in diesen dummen Krieg verwickelt!“ Aleidis nickte, sie konnte nichts sagen!

„Wir sehen uns ja morgen wieder.“, lächelte Hilarion, seine Augen strahlten wie helle Sterne, „Ich freu mich schon wieder darauf! Bis dann!“ Ehe Aleidis sich versah war Hilarion ihr ganz nah gekommen und hatte ihr einen kleinen Kuss auf die Lippen gegeben! Bevor Aleidis etwas tun konnte löste sich Hilarion in einer roten glitzernden Wolke auf.

„Was?“, dachte Aleidis zittrig, „Hat er ...? Hat er mich wirklich ... geküsst? Oh mein Gott! Ein Glück dass es so dunkel ist! Sonst hätte er gesehen wie rot ich geworden bin!“ Aleidis fuhr mit dem Finger um das Amulett herum und berührte den Stein in der Mitte, dachte dabei an ihr Zimmer in der Menschenwelt. Und nur wenige Sekunden später stand sie in ihrem Zimmer.

Aleidis warf sich sofort auf ihr Bett und verkroch sich unter der Decke. Ihr war ganz heiß, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen! Eines wusste sie aber ganz genau: Sie war bis über beide Ohren in Hilarion verliebt! „Das hat es wohl auch noch nie gegeben, die Mondentochter ist in den Sonnensohn verliebt!“, dachte Aleidis und kuschelte sich in das Kissen, „Ob er wohl genau so in mich verliebt ist?“

Dunkle Wolken

Am folgenden Tag, Sonntag, war Aleidis wieder bei den Hochelfen und übte zusammen mit Mara und Rina auf dem gepflasterten Kampfplatz im Garten. Endoril hatte Aleidis zwei leichte, kurze Schwerter schmieden lassen. Die Klingen dieser Schwerter waren bläulich und leicht durchsichtig. Rina brachte Aleidis bei, wie sie mit diesen Schwertern ab besten kämpfte und sich verteidigte. Mara kommentierte hin und wieder Rina's Training und schoss mit Pfeil und Bogen auf eine Zielscheibe.

Am frühen Nachmittag beendeten Aleidis und Rina ihr Training und die Hochelfe ritt zu den Wachen zur Ebene. Mara hatte sich schon lange vorher verdrückt, so räumte Aleidis alleine auf. Sie schleppte die Zielscheibe in ein kleines Steinhaus, das als Aufbewahrungsort für die Trainingsgegenstände diente. Ihre Schwerter brachte Aleidis in die große Bibliothek, in der auch mehrere Waffenschränke aus Glas waren. In einen solchen kamen ihr Schwerter.

„Irgendwie hab ich heut so ein mulmiges, nervöses Gefühl im Bauch!“, dachte Aleidis, während sie die Schwerter in einen Schrank tat, „Es ist so ... so merkwürdig! Fast schon bedrohlich! Irgendetwas passiert heute noch, dass weiß ich!“ Leise verließ Aleidis die Bibliothek und ging den Gang entlang zum kleinen Innenhof, der quasi mitten im schloss, im zweiten Stock unter freiem Himmel lag.

Auf dem Weg dahin kam sie an Endoril's Regierungszimmer vorbei. Dort beriet er sich mit seinen Feldherren und Generälen und schuf neue Gesetzte. Aleidis hörte Endoril's Stimme. Eigentlich wollte sie nicht lauschen, aber die Stimme war so herrisch, dass sie stehen blieb und lauschte.

„...ist doch unglaublich!“, rief der Hochelfenkönig fast, „Das heißt, dass sie bald kommen werden! Es muss am Erscheinen des Eises liegen!“ „Ihr könntet Recht haben, Herr! Das letzte Mal ist es auch beim Erscheinen der Erben geschehen!“, erwiderte eine ruhigere Stimme, mit einer unheimlichen Kälte in der Stimme. „Sie darf davon nichts erfahren! Noch weiß sie nicht, was auf sie zukommt. Rina bildet sie noch weiter im Schwertkampf aus und das wird sie wohl auch bald brauchen!“, meinte Endoril ein wenig ruhiger, „Aber wenn es so weit ist ...“ Jetzt konnte Aleidis nichts mehr verstehen, aber sie wusste, dass es um sie gegangen war.

„Was ist schon einmal geschehen?“, fragte sie sich und ging den Gang schleichend wieder zurück, „Was hat mit den Erben, also mir und Hilarion, zu tun? Was wird geschehen?“ Aleidis kam wieder an der großen Flügeltüre zur großen Bibliothek vorbei. Unschlüssig blieb sie stehen und überlegte.

Dann, mit einem festen Entschluss im Kopf, stieß Aleidis die Türen auf und ging in die Bibliothek hinein. Schnell hatte sie gefunden, was sie suchte. Eine Chronik über die Erscheinungen von Mondentochter und Sonnensohn. Dazu suchte sie sich noch ein buch über Elementarmagie. Das wollte sie als Tarnung benutzen.

Aleidis suchte sich einen Tisch an der Seite der Bibliothek, an der die Fenster lagen, und setze sich. Sie schlug die Chronik auf und überflog das Inhaltsverzeichnis, es waren nur Jahreszahlen und in Stichpunkten waren wichtige Ereignisse hinzugefügt worden. Sie fand schnell die Seite mit Mondentochter und Sonnensohn. Aber bevor sie diese Seite aufschlug, schlug sie das andere Buch auf und legte es über die Chronik. So konnte sie es einfach auf die Chronik ziehen und die verbergen, wenn jemand kam.

Aleidis begann zu lesen. Es wurde berichtet, wie die Mondentochter, Endoril's Urururgroßmutter Loranda, die Macht des Mondes erhielt und sie beherrschen lernte. Diese Dokumentation brauchte gut 15 Seiten des Buches. Schließlich gaben ihr einige kleine Sätze die Auskunft, die sie gesucht hatte. Die Felsengrenze schien über Wochen hinweg zu schrumpfen. Bis sie schließlich in der Mitte verschwand und ein Durchgang zum Dämonenreich entstand. Es ist unerklärlich, wodurch die Felsen verschwanden, aber es war das Zeichen zum Angriff auf die Dämonenbrut!

Aleidis atmete noch einmal tief durch. Jetzt war sie um einiges schlauer und wusste doch nichts genaues! „Endoril könnte das gemeint haben!“, überlegte sie, während sie die beiden Bücher wieder aufräumte, „Wenn die Felsengrenze jetzt zu schwinden beginnt, könnte es so sein, dass ich bald ein Heer gegen Hilarion anführen muss!“ Aleidis blieb vor der Türe aus der Bibliothek stehen und seufzte. „Ich will Hilarion nicht verletzen! Ich will ihn nicht verlieren!“, dachte sie traurig und trat leise aus der Türe in den Gang hinaus.

Ein großer Hochelf in einer silbrigen Rüstung ging an ihr vorbei. „Seid gegrüßt, Prinzessin.“, grüßte sie der Mann, der wie ein Krieger aussah. „Gruß auch Euch, treuer Kämpfer!“, erwiderte Aleidis, doch ihr hatten sich die Nackenhaare zu Berge gestellt. Es war die Stimme des Elfen, der vorhin mit Endoril geredet hatte!!

Aleidis ging weiter, sie hatte ein genaues Ziel, sie wollte wissen, ob die Felsengrenze wirklich schrumpfte. Sie ging durch mehrere Gänge und einige Treppen hinauf. Endlich erreichte sie eine Wendeltreppe die hinauf in einen runden Raum führte. Dort waren viele Bücher über die Planeten und Sterne in Regalen, die sich den runden wänden anpassten. Es gab vier Unterbrechungen durch große Fenster in den Regalen. Jedes Fenster zeigte in eine Himmelsrichtung.

Aleidis trat zu dem Fenster, das in Richtung Norden, also zur Felsengrenze und zum Dämonenreich, zeigte. Sie erinnerte sich daran, wie die Grenze ausgesehen hatte, als sie zum ersten Mal das Elfenreich betreten hatte. „Ja, sie scheint wirklich ein gutes Stück geschrumpft zu sein!“, überlegte Aleidis und spielte mit ihren Haaren, „Ich muss mich heute Abend unbedingt mit Hilarion treffen! Wir müssen etwas tun!“ Aleidis drehte sich um und ging wieder hinunter in den Hauptteil des Schlosses.

Einige Stunden später verabschiedete sie sich von Endoril und verließ das Schloss. Aleidis bemerkte sehr wohl den merkwürdigen Blick von Endoril. Eine Mischung aus Wehmut, Trauer, Entschlossenheit und Unschlüssigkeit. Sie verstand jedes Gefühl zu deuten. „Er ist wehmütig, weil er mich mag.“, überlegte Aleidis als sie in den Garten hinunter ging, „Die Trauer kommt vielleicht, weil sich das wiederholt, was schon seiner Großmutter und so vielen anderen Hochelfinnen wiederfahren ist. Er ist entschlossen die Dämonen auszurotten und unschlüssig, was er machen soll! Aber ich bin fest entschlossen etwas dagegen zu tun!“

Kaum in ihrem Zimmer angekommen, nahm Aleidis auch schon das Amulett von Hilarion und führte die magischen Bewegungen aus, die sie in das gebannte Tal brachten. Es war stockfinster und eiskalt als Aleidis ankam. Der Wind rauschte durch die blätterlosen, dunklen Bäume und ließ dünne Äste knarren. Aleidis sammelte schnell einige Zweige und Äste ein und häufte sie zwischen großen schützenden Felsen auf. Es konnte nicht lange dauern bis Hilarion kam.

Nur wenige Minuten später erschien der Dämon aus dem dunklen Nichts des Tals und entzündete mit einem gezielten Feuerball den Holzhaufen vor Aleidis. „Hallo!“, begrüßte Aleidis den Dämon lächelnd, und bemerkte, dass sie schon wieder rot wurde! „Hallo, meine Süße!“, erwiderte Hilarion, ließ sich neben ihr nieder und küsste sie wieder auf die Wange. Nebenbei entzündete er mit einem Feuerball aus seiner Hand den Holzhaufen, den Aleidis aufgeschichtet hatte.

Wenig später saßen Aleidis und Hilarion an dem lodernden Lagerfeuer und unterhielten sich über das, was Aleidis erfahren hatte. „Ich habe auch etwas über das Verschwinden der Felsengrenze gehört!“, meinte Hilarion, als Aleidis mit ihrer Erzählung geendet hatte, „Es dauert immer unterschiedlich lange, bis die Grenze verschwunden ist. Wenn es aufs Ende zugeht wird das Verschwinden immer schneller. Schließlich soll der Rest über Nacht verschwinden. Und dann...“

„Dann sollten wir, jeder mit einem Heer, gegen den anderen ziehen und bis zum Tod kämpfen.“, endete Aleidis und zog ihre Knie an ihren Oberkörper. Warum hatte sie das Gefühl, dass alles schon besiegelt und beschlossen wäre! Das alles so endgültig war. Warum war das so?

„Ich könnte dir niemals etwas antun!“, flüsterte Hilarion und schloss Aleidis fest in die Arme, „Niemals! Ich will lieber auf die Macht des Feuers verzichten als dich zu auch nur zu verletzen!“ „Können wir es denn ändern?“, fragte Aleidis und sah in Hilarion's ehrliche, leuchtende Augen. Er log nicht. Das hätte sie gesehen.

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen!“, erwiderte Hilarion, „Es sind dunkle Wolken über der Zeit, in der wir leben. Die Rächer der verstorbenen Sonnensöhne und Mondentöchtern haben die Blutwölfe geschickt. Die lassen die Felsengrenze verschwinden, damit die Dämonen und Elfen wieder gegeneinander kämpfen und fallen. Die Seelen werden die Rächer zu dienenden Rachegeistern machen und ihre eigene Armee aufstellen. Und so wird dann wohl alles enden.“

„Wenn wir es nicht verhindern, was wir werden!“, meinte Aleidis entschlossen und sah Hilarion fest entschlossen an, „Selbst das finsterste Gewitter muss irgendwann der Sonne und der Hoffnung weichen!“ Hilarion nickte. Er war ebenso fest entschlossen wie Aleidis. Die dunklen Wolken, die über dem Lande kreisten mussten irgendwann verschwinden und Platz machen für die Sonne, die Hoffnung.

Die Prophezeihung

Als Aleidis am folgenden Morgen aufstand erinnerte sie sich noch deutlich an den vergangenen Tag. Sofort wurde sie wieder unruhig. Sie mussten einen Weg finden um den bevorstehenden Krieg zwischen den Dämonen und den Hochelfen zu verhindern! „Aber wie?“, überlegte Aleidis, während sie sich anzog, „Unsere Kräfte sind nicht vergleichbar mit der Kraft eines ganzen Heeres! Und auch nicht mit dem Hass und der Wut, die diese Heere noch verstärken! Was können wir nur tun? Vielleicht fällt mir bis heute Nachmittag ja was ein!“

Aber bis dahin musste sie wieder die Schule überstehen. Inzwischen war sie, sehr zu ihrer Freude, die Klassenschlechteste. Ihr Vater wollte sie zwar zu Nachhilfe zwingen, aber sie verschwand immer in ihr Zimmer und von dort aus zu Hilarion ins gebannte Tal, oder zu den Hochelfen. So entkam sie jeder Nachhilfestunde, und ihr Vater kam auch nicht auf ihre Fluchtmöglichkeiten!

„Heute wirst du aber auf jeden Fall in die Nachhilfe gehen!“, meinte Aleidis' Vater wütend, als er sie wieder von der Schule abholte, „Dafür werde ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln erreichen!“ „Das will ich sehen!“, knurrte Aleidis, inzwischen hasste sie ihren Vater richtig. „Und wie du das sehen wirst!“, rief ihr Vater und fuhr beinahe von der Straße, „Du wirst auf jeden Fall dieses verdammte Jahr bestehen und dann Jura studieren! Damit du Rechtsanwältin wirst und gut verdienst! Das wirst du!“

„Wer ich eben nicht!“, dachte Aleidis als sie bei Mittagessen saß. Ihr Vater beobachtete sie mit Adleraugen, er war fest entschlossen sie dieses mal nicht entkommen zu lassen! „Wo willst du hin?“, fragte ihr Vater scharf, als Aleidis aufstand. „Ich muss aufs Klo! Verdammt noch mal!“, fauchte Aleidis wütend zurück und verließ das Esszimmer. „Genehmigt!“, schrie ihr Vater ihr hinterher.

Aleidis ging in das große Badezimmer im Erdgeschoss und zog aus einem kleinen Versteck hinter einer großen Fliese die Elfensachen hervor. Sie zog sich um und stopfte die Schulsachen hinter die Fliese in das Geheimfach. Aleidis ging aufs Klo, wusch sich und holte ihr Amulett hervor. Sie fuhr mit dem Finger darum herum und berührte den Stein in der Mitte. Sofort war sie im Gebannten Tal und lachte, als sie an das dumme Gesicht ihre Vaters denken musste, das er machen musste, wenn er entdeckte, dass Aleidis schon wieder weg war!

Es dauerte einige Minuten bis Hilarion auftauchte. Währenddessen spielte Aleidis mit ihrer Macht. Sie drehte sich um die eigene Achse, ließ ein paar Wirbel aus silbrig blauem Staub, der glitzerte, erscheinen, die um sie herum wirbelten. Dazu kam noch etwas Wind, der mit der schweren Wolltunika und Aleidis' langen Haaren spielte. Aleidis musste sich auf nichts konzentrieren, es geschah das, was sie wollte.

„Wenn das bei mir auch so einfach wäre!“, meinte Hilarion der nun aus einer roten Wolke erschien. „Das wird bei dir auch schon noch!“, lachte Aleidis und ließ den Staub auf die Erde rieseln. Sie ging auf Hilarion zu, und stoppte vor ihm. Sie zögerte, sollte sie... Hilarion nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sie einfach fest in die Arme schloss.

„Ist dir schon irgendetwas eingefallen?“, fragte Aleidis als sie sich mit Hilarion an den Bach setzte, der durch das Tal floss. „Nein, noch absolut nichts!“, seufzte Hilarion niedergeschlagen, „Bei uns werden die Messer schon gewetzt! Mein Vater glaubt zwar, ich bekomme nichts mit, aber ich bemerke sehr wohl, dass sie etwas verändert.“ „Ja, schon.“, murmelte Aleidis, „Das einzige, was wir tun können ist, glaub ich, zusammen zu trainieren und stärker zu werden. Vielleicht können wir dann irgendwie die Armeen aufhalten.“

„Das ist wohl wirklich das einzige, dass wir tun können.“, murmelte Hilarion zustimmend, „Dann sollten wir anfangen, oder?“ „Ja!“, erwiderte Aleidis entschlossen. „Im Kampfmodus?“, fragte Hilarion und stand auf. „Natürlich!“, erwiderte Aleidis und erhob sich ebenfalls, „Der bringt schließlich am meisten!“ „Gut, wie immer also!“, meinte Hilarion und verschwand blitzschnell im Wald.

Aleidis lief am Bach entlang, zur Quelle und dort in den Wald hinein. Schnell beschwor sie ein unsichtbares Eisschild an ihren rechten Arm, damit konnte sie Hilarion's Angriffe ziemlich gut abblocken. Aleidis lauschte in die kalte Stille, sie wusste genau, dass Hilarion, wenn er sich nicht gut genug konzentrierte leise Geräusche verursachte. War da nicht etwas?

Aleidis' Atem hing als weißer Hauch in der eiskalten Novemberluft, als sie sich umsah. Blitzschnell riss sie ihren rechten Arm hoch und blockte einen gigantischen Feuerball ab. Genauso schnell schleuderte sie einige Frostblitze auf Hilarion, der schutzlos oben auf einem Ast im Baum stand. Der ließ sich einfach zurück fallen und landete mit einem Salto auf dem Boden.

„Verdammt!“, schrie er und stürmte mit brennenden Händen auf Aleidis zu, „Immer bemerkst du mich!“ Aleidis sprang zur Seite und vereiste im Fallen den Boden unter Hilarion. Der verlor sofort das Gleichgewicht, fiel hin und schlitterte einige Meter weit hilflos herum.

Diese Sekunden nutzte Aleidis zur Flucht. So wütend hatte sie Hilarion noch nie erlebt! Was wenn er ernst macht!? Sie sprang auf einen Felsen und von dort auf einen dicken Ast. Aleidis hob die Hände auf Augenhöhe und ließ in ihren Handflächen kleine, hellweiße Lichtkugeln entstehen. Sie erwartete Hilarion's Angriff.

Und der ließ nur Sekunden auf sich warten! Er schoss, von Ast zu Ast springend, auf sie zu. Immer noch mit brennenden Händen. Aleidis jagte ihm blitzschnell hintereinander Eiskugeln entgegen, aber er wich problemlos aus. Er war nicht mehr weit weg.

Aleidis erkannte nun, dass sie falsch überlegt hatte. Ein Sturz aus dieser Höhe hätte schwere Verletzungen zur Folge! Sie konnte aber nur noch nach unten ausweichen! Jetzt war Hilarion nur noch wenige Meter weg. Er wurde immer schneller!

Im letzten Moment wich Aleidis leicht seitlich aus, trat zu weit seitlich und verlor das Gleichgewicht! Ein Feuerball schoss an ihr vorbei, als sie in die Tiefe fiel. Ein gellender Schrein entrann ihrer Kehle, dann prallte sie mit dem Rücken auf die Erde und brach durch eine morsche Falltüre aus Holz!

Aleidis hörte noch den Ruf von Hilarion, erschrocken, panisch. Dann fiel sie in Dunkelheit. Sie prallte heftig gegen irgendetwas sehr hartes und schließlich landete sie auf felsigem Boden.

„Aleidis!! Aleidis!!“, schrie Hilarion von oben. Er spähte durch die Öffnung etwa sieben Meter über Aleidis. „Lebst du noch?“, schrie er immer panischer. „Ja!“, stöhnte Aleidis und hustete, ihr gesamter Körper fühlte sich zerschlagen an, warum lebte sie noch. „Nicht bewegen, ich komm runter! Moment!“, rief Hilarion hinab und nur wenige Sekunden später kletterte er mit einer Fackel in der Hand eine steile Treppe hinab in die unterirdische Höhle, in die Aleidis gefallen war.

Aleidis stemmte sich mühevoll in die Höhe, bis sie saß, als Hilarion bei ihr war. Im flackernden Licht der Fackel sah sie das viele Blut, das ihre Kleidung durchtränkte. „Oh mein Gott!“, keuchte Hilarion, „Ich bin schuld! Lass mal sehen!“ Er untersuchte sämtliche Wunden, die sich Aleidis bei ihrem Sturz zugezogen hatte und verband die größeren gekonnt.

„Wo sind wir hier?“, fragte er dann, als er Aleidis' letzten großen Schnitt verarztet hatte. „Hier scheint schon lange niemand mehr gewesen zu sein.“, meinte Aleidis, „Die Falltüre oben war mit Erde bedeckt und das holz extrem morsch.“ „Da hinten geht es weiter. Es scheint zu einer großen Höhle zu führen!“, sagte Hilarion aufgeregt, „Das sollte man genauer untersuchen! Kannst du aufstehen?“ Aleidis versuchte es, aber es ging nicht. Ihr rechtes Bein schien schlimmeren Schaden genommen zu haben.

Hilarion nahm sie einfach auf die Arme und trug sie. Mit den linken Arm hielt sich Aleidis an seinen Schultern fest und in der rechten Hand hielt sie die Fackel. Hilarion trug sie weiter in die Höhle hinein, bis sie sich plötzlich weitete und zu einer gigantischen Tropfsteinhöhle wurde!

„Unglaublich!“, hauchte Hilarion überwältigt. Die Tropfsteine schienen von innen heraus zu leuchten! Die Höhle selbst war ungefähr so groß wie der Kölner Dom! „Was ist das hier wohl?“, fragte Hilarion fasziniert. „Sie mal!“, sagte Aleidis und deutete auf einen Tropfstein, der von unten nach oben wuchs, „Der sieht doch aus wie ein Engel!“ „Stimmt, du hast recht!“, erwiderte Hilarion verblüfft, „Da ist noch einer!“ „Da auch!“, rief Aleidis ungläubig, „Alle Tropfsteine, die von unten nach oben wachsen sehen aus wie Engel!“ „Und sie schauen alle auf den Tropfstein in der Mitte der Höhle!“, stellte Hilarion fest und sah in die Höhle hinein.

Der Stein in der Mitte der Höhle war zusammengewachsen und sah aus wie ein Baum. Er hatte etwa einen Durchmesser von sechs oder sieben Metern. Er schien die ganze Höhlendecke zu stützen. Hilarion ging auf den Sten zu uns setzte Aleidis davor auf einen Felsen.

„Unglaublich!“, murmelte er, „So etwas schönes habe ich noch nie gesehen! Die Engelsteine scheinen wirklich einen Körper eingeschlossen zu haben!“ „Stimmt. Du hast recht!“, murmelte Aleidis, „Es sieht wirklich so aus!“ „Da ist etwas!“, meinte Hilarion und trat an den Baumtropfstein heran, „Es sieht so aus, als wäre unter dem Gestein etwas geschrieben!“ „Echt?“, fragte Aleidis erstaunt, „Und was? Kannst du es lesen? Sag schon!“

Hilarion starrte auf des fast durchsichtige Gestein. „Ich kann es lesen, wenn auch schwer, aber es klappt!“, meinte er, „Ich lese es vor.“ „Ja, mach das!“, erwiderte Aleidis neugierig.

Es neigt sich das Alte, es beginnt das Neue.

Was uns trennt verschwindet,

es verlischt was uns bindet.

Des Bodens Beben erweckt das Böse.

Es entsteht was darf nicht sein.

Kommt um zu holen sich die Rache.
 

Vereint, zwei Feinde, in Liebe.

Zusammen gegen Tod.

Zusammen zu göttlicher Macht,

Die das Feuer der Freundschaft entfacht.

Zu Verhindern den Untergang,

Treten gegen Freunde und Familie,

zu stiften Frieden.

Dem ersten, seit die Welt erstand.

„Das steht da?“, fragte Aleidis verwirrt, „Ist das ein Rätsel in schlechter Reimform?“ „Oder eine verwirrende Prophezeiung oder so!“, erwiderte Hilarion und rieb sich die Augen. „So was kompliziertes hab ich ja wirklich noch nie gehört!“, lächelte Aleidis leicht überfordert, „Wollen wir es rauskriegen?“ „Gerne!“, meinte Hilarion und setzte sich neben sie.

„Mal sehen. Es neigt sich das Alte, es beginnt das Neue. Was könnte das bedeuten?“, fragte Hilarion nachdenklich. Aleidis überlegte kurz, „Vielleicht Neujahr! Das alte Jahr endet und das Neue beginnt!“ „Ja, das muss es sein!“, rief Hilarion richtig begeistert aus, „Machen wir am besten alles einzeln!“

„Die nächsten zwei gehören wohl zusammen.“, überlegte Aleidis laut. „Was uns trennt verschwindet.“ „Es verlischt was uns bindet.“, sprach Hilarion weiter, „Was könnte gemeint sein?“ „Das Trennende könnt doch...“, begann Aleidis aufgeregt und Hilarion endete , „Die Felsengrenze sein! Ja! Das ist es! Und das Bindende ist dann wohl die Moral, oder die Angst vor den anderen!“

„Ja, bis jetzt geht es um den Krieg zwischen Dämonen und Hochelfen, aber was bedeuten die folgenden drei Zeilen?“, fragt Aleidis , „Des Bodens Beben erweckt das Böse. Es entsteht was darf nicht sein. Kommt um zu holen sich die Rache.“ „Ich glaube das ist eine Anspielung auf die Rachegeister der verstorbenen Mondentöchter und Sonnensöhne. Als die Blutwölfe kamen zitterte die Erde ein wenig. Die Rachegeister dürfen in dieser Welt nicht sein und sie wollen an einander Rache nehmen!“, erklärte Hilarion, „Indem sie die Elfen und Dämonen zu ihresgleichen machen und gegen einander kämpfen!“

„Ja, das klingt logisch.“, murmelte Aleidis, „Und der zweite Vers?“ „Vereint, zwei Feinde, in Liebe.“, wiederholte Hilarion und sah Aleidis an, „Das bedarf keiner näheren Erläuterung!“ Aleidis lächelte, der erste Satz war wirklich klar!

Zusammen gegen den Tod. Zusammen zu göttlicher Macht.“, sagte Hilarion nachdenklich, „Das erste ist klar, aber das zweite!? Ach, machen wir nachher, weiter im Text!“

Die das Feuer der Freundschaft entfacht, treten gegen Freunde und Familie, zu stiften Frieden, den ersten seit die Welt erstand.“, wiederholte Aleidis, „Freundschaft ist klar! Und das mit dem ersten Frieden auch!“ „Aber der Rest!“, meinte Hilarion fast etwas hilflos, „Der gehört vielleicht zusammen!“

„Gut möglich!“, rief Aleidis aus, „Zusammen zu göttlicher Macht! Ja, das ist es!“ „Was denn?“, fragte Hilarion verwirrt. „Also, Mondentochter und Sonnensohn haben die göttliche Macht über Feuer und Eis bekommen! Vielleicht können sie, wenn sie zusammen üben, zu so etwas wie Halbgöttern werden und die völlige Kontrolle über die beiden Elemente ausüben!“

„Dann gibt auch der Rest einen Sinn!“, rief Hilarion, „Als Halbgötter können wir und gegen die Heere stellen dann haben wir genug Kraft! Um einen Krieg zwischen Dämonen und elfen zu verhindern!“ „Und einen gegen die Rachegeister der Verstorbenen zu gewinnen!“, fügte Aleidis hinzu.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit.“, murmelte Hilarion, „Noch etwa sechs Wochen! Bis dahin müssen wir es schaffen!“ „Und wir müssen die Armeen aufhalten!“, fügte Aleidis bedrückt hinzu.

Hilarion nahm ihre Hand in die seine. Schweigend saßen sie da. Ihnen war klar, dass sie die ersten waren, die diese Prophezeiung je gelesen und gedeutet hatten. Und nun mussten sie stärker werden um zwei Völker vor dem Tod zu schützen. Und um die Rächer endgültig zu vernichten.

Bis an die Grenzen

„Aleidis, sollten wir nicht besser aufhören?“, fragte Hilarion keuchend und besorgt. Aleidis kniete auf dem gefrorenen, dunklen Boden im gebannten Tal und rang nach Luft. Sie und Hilarion hatten eben einen drei Stunden langen Kampf beendet. „Nein!“, stieß Aleidis nun hervor, „Wir dürfen nicht aufhören! Wir dürfen nicht!“ „Du bist doch mit den Kräften völlig am Ende!“, warf Hilarion eisern ein.

Aleidis sah auf, in Hilarion's besorgtes Gesicht. „Im Kampf mit den Rächern werden wir auch keine Pause einlegen können!“, sagte sie ruhig, „Und wenn wir etwas falsch machen könne wir nicht sagen: „Gut, versuch ich’s morgen noch mal!“ Jeder Fehler könnte unser letzter sein! Und wir haben nur noch fünf Wochen! Es ist Dezember! Wir müssen weitermachen!“

Hilarion sah ein, dass Aleidis nicht mehr abzubringen war. Sie wollte weitermachen, komme was wolle! So übten sie weiter. Sie jagten einander durch das gebannte Tal, schleuderten Feuerbälle, Frostblitze, Glutklingen und Eissicheln auf einander. Stunde für Stunde verbachten sie mit Training. Es war die erste Woche, in der ein paar Dezembertage waren.

Gegen Abend waren beide mit ihren Kräften vollkommen am Ende. Aleidis lag keuchend auf dem Boden, sah hinauf in den dunklen Himmel. Hilarion saß hinter ihr, die Knie an den Körper gezogen und keuchte ohne Ende. „Es schneit!“, murmelte Aleidis plötzlich. Und wirklich! Leise tanzten die Schneeflocken vom dunklen mit Wolken verhangenen Himmel herunter auf die Welt.

„Schnee.“, murmelte Hilarion und fing eine Flocke vorsichtig auf, „Er hat so etwas ruhiges, friedliches!“ „Ja, aber die zeit ist leider nicht wie der Schnee!“, erwiderte Aleidis und setzte sich auf. Die kalten Eiskristalle zerrannen auf ihrer Haut zu Wasser und blieben in ihren Haaren hängen.

Hilarion stand auf, sah hinauf in den Himmel. Dann sah er hinab auf Aleidis. Die sah auf zu Hilarion. In diesem Moment spürte sie ihre Gefühle mit aller Macht. Sie liebte ihn, das wusste sie.

Hilarion reichte ihr lächelnd die Hand. Aleidis legte ihre Hand in die seine und stand auf. Dann fiel sie Hilarion um den Hals. Sie war so froh, dass sie ihn hatte! Sie wusste, dass sie sich immer auf den Dämon verlassen konnte.

„Ich will dich nicht loswerden, Süße, aber du solltest nach Hause gehen.“, murmelte Hilarion nach ein paar Minuten, „Ich will nicht, dass du krank wirst, nur weil du hier mit mir im Schnee stehst.“ „Ja, aber du muss dann auch heim gehen, damit du nicht auch krank wirst!“, erwiderte Aleidis. „Ich gehe, sobald du zu hause bist!“, meinte Hilarion, „Ich verspreche es dir!“

Aleidis löste sich sanft von Hilarion und nickte. Sie zog ihr Amulett hervor und wollte eben beginnen, da küsste Hilarion sie! Mit roten Wangen sah Aleidis zu Hilarion auf, der lachte leise. „Du musst doch nicht rot werden!“, meinte er freundlich, „Wir sind doch so gut wie zusammen! Wenn das hier, der Krieg, erst mal vorbei ist dann werden wir sicher ein Paar! Dafür sorge ich!“

Aleidis nickte, jetzt feuerrot. Fahrig und verwirrt fuhr sie mit dem Finger um das Amulett herum und berührte den Stein in der Mitte. Hilarion und das Tal um sie herum löste sich in leuchtende Farben und Licht auf. Sekunden später stand Aleidis in ihrem Zimmer. Streckte die Hand in die Richtung in der Hilarion vor wenigen Augenblicken noch gestanden hatte. „Ich liebe dich!“, kam es leise über ihre Lippen, dann sank Aleidis auf die Knie. Ihr Herz schlug wieder einmal bis zum Hals.

Den gesamten folgenden Schultag passte sie nicht auf und dachte lieber an Hilarion und ihre Mission. „Wie können wir nur stärker werden?“, überlegte sie, während der Lehrer vor der Tafel stand und erklärte, „Wir dürfen uns wohl nicht nur auf den Kampf konzentrieren, sondern auch auf die mentale Stärke! Aber wie machen wir das am besten?“

Aleidis grübelte und grübelte. Sie grübelte sogar noch, als ihr Vater sie abholte und ihr wieder eine Predigt hielt. Aleidis ignorierte ihren Vater völlig, sie konnte an nichts anderes mehr denken, außer an Hilarion und ihren Auftrag.

Nach dem Mittagessen wollte ihr Vater sie wieder einmal zur Nachhilfe bringen, aber Aleidis verschwand wieder einmal in Richtung Bibliothek. Angeblich wollte sie ein Lateinbuch für die Nachhilfestunde holen, aber sie zog sich in der Bibliothek um und versteckte ihre Sachen in einem Geheimfach hinter einer Wandvertäfelung. Das war das gute an dem Schloss. Es gab ganz viele Geheimfächer und auch ein paar Geheimgänge, die Aleidis alle kannte.

Während ihr Vater also auf Aleidis wartete verschwand die schon mit ihrem Amulett ins gebannte Tal. Dort war es eiskalt und eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden. Der Fluss war an den Ufern schon ein wenig zugefroren, aber zum Großteil noch nicht. „Mentale Stärke des Elements.“, überlegte Aleidis als sie auf den Fluss zuging. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen.

„Wie kriegen wir das am besten hin?“, überlegte sie und ließ das Wasser langsam in die Höhe steigen. Sie bildete eine Brücke aus dem Wasser und ließ es einfrieren. Durchsichtig und glänzend spannte sich nun eine eisige Brücke über den Fluss. „Eine Brücke....“, dachte Aleidis und sie glaubte die Antwort endlich gefunden sie haben. Es musste so sein!

„Aleidis!“, rief Hilarion's Stimme von der anderen Seite des Tales und das Mädchen sah auf. Hilarion stürmte über den Schnee auf sie zu, sprang über den Fluss, umarmte sie und hob sie etwas hoch! „Was ist denn mit dir los?“, lachte Aleidis glücklich und erwiderte seine Umarmung. „Was los ist?“, lächelte Hilarion und ließ Aleidis wieder herunter, „Ich hab dich vermisst! Das ist los!“

Hilarion und Aleidis redeten ein paar Minuten über alles mögliche, dann kamen sie wieder auf ihre Mission. „Hast dir was überlegt?“, fragte Hilarion, „Wie wir stärker werden können?“ „Ich glaube ich hab da einen Ansatz!“, erwiderte Aleidis zögernd. „Erzähl!“, forderte Hilarion und sah sie gespannt an.

„Also, mit Körperlichen Fähigkeiten beherrschen wir ja ganz gut.“, begann Aleidis langsam, „Aber die mentale Kraft haben wir noch etwas vernachlässigt. Ich meine, dass wir und auch auf die Macht des Elements in uns konzentrieren sollten. Nicht nur auf die Macht, die wir sichtbar machen können. Verstehst du?“ „Ja, ich verstehe!“, erwiderte Hilarion, „Im Klartext: Nicht mehr so viel Kämpfen, einfach auf die Macht im Herzen Hören!“

„Ob das so einfach ist?“, meinte Aleidis zweifelnd, als sie und Hilarion sich auf eine geschützte, schneefrei Lichtung im Wald setzten. „Einfach ist es sicher nicht!“, stimmte Hilarion zu, „Aber einen Versuch ist es allemal wert! Also, auf nichts konzentrieren, einfach die Elemente machen lassen, wenn ich das richtig verstanden habe!“ „Genau! Richtig!“, lobte Aleidis lachend.

Aleidis setzte sich auf einen harten Batzen Moos und beobachtete, wie Hilarion das auch tat. Er saß etwa drei Meter von ihr entfernt. „Hoffentlich klappt das jetzt auch!“, hoffte Aleidis und schloss die Augen. Sie wünschte sich nichts mehr, als die Elfen und die Dämonen vor der Rache der verstorbenen Sonnensöhne und Mondentöchtern zu schützen.

Leise strich der Wind durch das Tal, spielte mit leise wispernden Ästen. Er führte dicke Schneeflocken sicher zur Erde, wenn sie sich nicht in den Haaren der beiden verfingen, oder an ihren Sachen hängen blieben. Die Minuten und Stunden vergingen langsam. Aleidis und Hilarion saßen immer noch regungslos auf der Lichtung und versuchten eine mentale Verbindung zu schaffen.

Es war fast vollkommen still um Aleidis und Hilarion. Aleidis hörte ihren Atem, und ihr Herz klopfen. Sie hörte auch ganz leicht wie Hilarion atmete. Sie öffnete die Augen einen Spalt weit und sah hinüber zu dem Dämon. Er saß im Schneidersitz auf den Boden, genau wie sie. Er hatte die Augen geschlossen und wirkte vollkommen ruhig und fast etwas abwesend.

Aleidis schloss ihre Augen wieder und lächelte leise. „Eine Brücke.“, dachte sie und versuchte an Hilarion zu denken, mit aller Kraft ihres ganzen Körpers. „Verbindung der Feinde. Brücke der Freundschaft.“, hörte Aleidis plötzlich Hilarion's Stimme tief in ihrem Kopf.

Aleidis öffnete die Augen und sah auf. Hilarion sah zurück, ebenfalls etwas verwirrt und erstaunt. Aleidis war sich ganz sicher, dass sie Hilarion's Stimme in ihrem Kopf gehört hatte. Hatte er etwa auch...?

Plötzlich geschah etwas merkwürdiges. Aus Aleidis Körper wichen in langen Lichtschlangen Eiskristalle und glitzernder Staub. Hilarion starrte Aleidis an und bemerkte dann, dass das gleiche mit ihm geschah, nur dass bei ihm Funken und glühender Staub in den Schlangen war.

Die Lichtschlangen wurden immer länger und länger und schließlich umschlossen sie die gesamte Lichtung. Ein Rauschen und brausen hob an, das man glauben könnte, das Ende wäre gekommen. Aleidis' Augen weiteten sich vor Schrecken, als die Lichtschlangen sich nach oben in den Himmel wanden und in den dunklen Wolken verschwanden.

Nur Sekunden später schoss ein gleißend heller Lichtstrahl nieder auf die Erde, genau zwischen Hilarion und Aleidis! Aleidis stürzte zurück, sie hatte Angst. Hilarion war kreidebleich und schien sich nur noch mühsam bei Bewusstsein zu halten. Der gleißende Lichtstrahl überflutete die Lichtung. Das Licht floss wie Wasser, es schien auch ähnlich fest zu sein. Aber es floss die Bäume hinauf! Hinunter ins Tal und auf Felsen hinauf, absolut nicht wie Wasser.

Plötzlich standen da wo der Lichtstrahl eingeschlagen hatte, zwei Gestalten von gleißendem Licht umhüllt. Aleidis hob einen Arm und deckte ihre Augen ab, das Licht tat in den Augen weh. Auch Hilarion schützte seine Augen notdürftig. Aleidis erkannte nur, das eine Gestalt weiblich und die andere männlich war. Aus der weibliche Gestalt strahlte silbriges Licht, aus der männlichen goldenes. Sie trugen außerdem unglaubliche, reich verzierte Gewänder in Gold und Silber.

„Schützt eure Augen!“, erklang die weibliche Stimme, „Ihr verliert sonst euer Augenlicht.“ „Es ist wirklich unglaublich!“, meinte der Mann, „Wir warten schon lange darauf, dass sich unsere Erben vereinen. Auch wenn wir in einer anderen Zeitrechnung leben.“

„Ihr zwei habt es geschafft!“, lobte die Frau, „Während sich eure Vorgänger immer gegenseitig getötet haben, habt ihr die Liebe zueinander gefunden. Sonne und Mond könne nicht ohne den anderen existieren.“ „Genau so wie die Hochelfen nicht ohne die Dämonen leben können! Und die Dämonen leben nicht ohne die Hochelfen.“, meinte der Mann, „Es liegt nun an euch, es ihnen klar zu machen und sie vereint in die Schlacht gegen die Rächer zu führen.“ „Mit den heutigen Tage habt ihr die komplette Macht über eure Elemente und seid nun gottgleich.“, sagte die Frau, „Aber den Umgang damit müsst ihr selber lernen!“

Mit einer gigantischen Lichtexplosion verschwanden die beiden Gestalten ins Nichts! Funkelnde Lichtstreifen schossen durch das Tal! Aleidis stürzte nach hinten, in ein schwarzes Loch. Ihr wurde schwarz vor den Augen und ihr Körper eiskalt. Diese vielen Stunden in der Kälte, in der sie sich nur auf Hilarion konzentriert hatten ihren Körper an die Grenzen des Möglichen gebracht. Aleidis war erschöpft und völlig ausgelaugt.

Verwandlung

„Aleidis!! Aleidis! Süße, wach auf!“, rief Hilarion's Stimme aus weiter Ferne hallend, „Aleidis!! Hörst du mich?? Sag doch was!!“ Aleidis' Augenlieder zuckten, dann öffnete sie die Augen und sah in Hilarion's bleiches, etwas bläuliches Gesicht. Grenzenlose Erleichterung spiegelte sich in seinem Gesicht wieder.

„Ich hatte solche Angst, dass dir was Schlimmeres als diese Bewusstlosigkeit passiert ist!“, sagte er erleichtert, als Aleidis sich vorsichtig aufsetzte. „Was ist denn geschehen? Sind wir immer noch im Tal?“, fragte Aleidis fröstelnd. „Wir waren bewusstlos.“, erklärte Hilarion, „Wegen der Konzentration sind wir mit der geistigen und körperlichen Kraft bis an und sogar über die Grenzen gegangen. Und dann noch die Kälte, wir mussten Bewusstlos werden.“

„Es ist schon Nacht?“, fragte Aleidis mit einem Blick durch die dürren Äste des winterlichen Waldes. „Ja, wir waren ganz schön lange weg!“, lächelte Hilarion und zog Aleidis sanft auf die Beine. „Dann haben wir jetzt die vollkommenen Macht über unsere Elemente?“, fragte Aleidis und hielt sich an Hilarion fest, ihre Beine zitterten vor Erschöpfung und Kälte.

„Ja, das haben wir wohl. Wir müssen nur noch lernen sie vollkommen zu benutzen. Und dabei wäre etwas Hilfe schön!“, lächelte Hilarion. „Da hast du absolut Recht!“, lächelte Aleidis, „Ich frage mich, ob wir den Krieg wirklich verhindern können.“ „Können wir sicher!“, sagte Hilarion überzeugt, „Wir haben noch gut vier Wochen! Wir haben unseren Glauben an und. Und wir haben uns! Wir können zusammen üben und werden, was vor uns noch niemand geworden ist!“

„Werden, was vor uns noch niemand geworden ist!“, dachte Aleidis als sie sich wenige Minuten später todmüde in ihr Bett fallen ließ, „Ob wir das überhaupt schaffen? Mir gefällt der Begriff „allmächtige elementare Macht“ nicht!“ Nur Sekunden später war Aleidis schon in einer wirren Traumwelt verschwunden.

Da sie erst nach Mitternacht wieder in ihr Zimmer gekommen war hatte sie ein leichtes Schlafdefizit. Doch den versäumten Schlaf holte sie in der Schule nach. Aleidis stellte ihr Buch auf die Kanten, verschränkte die Arme und legte den Kopf darauf. Zum Glück döste sie nur, denn so konnte sie dem Unterricht halbwegs folgen und antworten, wenn sie etwas gefragt wurde.

Als der Schlussgong ertönte verließ Aleidis als Letzte das Klassenzimmer. Sie ging zu einem Fenster, aus dem sie die Einfahrt sehen konnte. In Gedanken stöhnte sie miesgelaunt auf und starrte wütend auf den Wagen ihres Vaters, der dort unten wartete. Sie zog sich vom Fenster zurück und ging in das schmuddelige Mädchenklo. Dort zog sie das Amulett von Hilarion hervor und führte die magischen Bewegungen aus, durch die sie endlich wieder ins Gebannte Tal kam.

Hilarion war noch nicht da. Aleidis stellte ihre Schultasche an einen Baum und legte ihre Jacke daneben. Zufrieden streckte sie sich und gähnte. Sie hatte ihren nervigen Vater heute erst eine Stunde lang ertragen müssen! So frei und ungebunden hatte sie sich schon seit langem nicht mehr gefühlt.

„Warum bist du denn schon da?“, fragte Hilarion's Stimme aus dem nichts. Und dann erschien Hilarion aus einer Lichtwolke. Er schien leicht abgehetzt zu sein. „Ja, ich bin direkt aus der Schule hierher gekommen. Und was ist mit dir los? Warum bist du so abgehetzt?“, fragte Aleidis zurück. „Ich hab grad was gegessen, als mein Amulett geleuchtet hat.“, erklärte Hilarion und zeigte Aleidis ein mit glänzendem Zeug überzogenes, angebissenes großes blaues Blütenblatt. Hilarion lächelte und kam auf Aleidis zu.

Aleidis ließ Hilarion noch aufessen und dann wollten sie wieder üben. Und zwar wieder in einem Kampf. Aleidis und Hilarion jagten sich gegenseitig mit extrem starken magischen Attacken durch das gesamte Tal. Bereits nach wenigen Minuten war das Tal teilweise vereist und verbrannt. Dafür hätten Aleidis und Hilarion vor der Gabe der vollen elementaren Macht mindestens eine Stunde gebraucht.

Aleidis landete auf der Ebene, hob die Hände und richtete sie auf Hilarion. Ein gigantischer eisblauer und schneeweißer Strahl schoss aus Aleidis' Händen hervor und auf Hilarion zu. Der Dämon erschrak und wich seitlich aus. Aleidis richtete die eine Hand auf ihn und der Strahl teilte sich! Er jagte hinter Hilarion her! Und der anderes Strahl kam Hilarion von der anderen Seite entgegen! Mit knapper Not entkam Hilarion und Aleidis stoppte den Zauber.

Sie kämpften weiter und weiter und ihre Attacken wurden immer schneller und mächtiger. Nach einer Stunde legten sie schließlich eine Pause ein. „Oh Mann! Ich spüre jeden Knochen!“, keuchte Hilarion, „Wahnsinn! Die neue Macht schlaucht ganz schön!“ „Wem sagst du das!“, lachte Aleidis, „Ich hab zwar noch genug elementare Energie im Körper, aber die Muskeln machen nicht mehr mit!“ „Daran müssen wir wirklich noch arbeiten!“, meinte Hilarion zuversichtlich.

Nach einer halbstündigen Pause beschlossen Aleidis und Hilarion erst einmal einzeln ihre Macht auszuprobieren. Das gestaltete sich allerdings als schwieriger als gedacht. Sie hatten bisher nur einen geringen Teil der elementaren Macht beherrscht, und hatten nun auf einmal die gesamte Macht. Durch die gewohnten Techniken und die ungewohnt große Macht fielen alle Angriffe zu heftig aus und waren dementsprechend zerstörerisch und rasend.

„Oje, das wird noch dauern, bis wir diese neue und noch gewaltigere Kraft richtig einschätzen können!“, meinte Hilarion zerknirscht, als er aus Versehen einige Felsen geschmolzen hatte. „Wem sagst du das!?“, lachte Aleidis und betrachtete ihren gigantischen Eisfelsen, den sie um einen kleinen Stein herum aufgebaut hatte, „Das wird wirklich noch etwas länger dauern.“

„Aber hoffentlich nicht zu lange!“, meinte Hilarion und trat vorsichtig an die brodelnde Lava heran. Das war alles was von den Felsen übrig geblieben war. „Wenn wir zu lange brauchen, dann können wir die Rachgeister der Verblichenen nicht aufhalten und verurteilen so die Dämonen und die Hochelfen zu einem Schicksal, das schlimmer ist als der Tod.“, murmelte Aleidis ernst.

„Als Rächer ewig in der Zwischenwelt zu wandeln, nicht tot und nicht lebendig. Ohne Seele und Heer.“, sagte Hilarion mit monotoner Stimme, „Das ist wirklich schlimmer als der Tod! Lieber würde ich sterben als zu einem Rächer zu werden!“ „Aber du darfst mich nicht allein lassen!“, murmelte Aleidis mit roten Wangen, „Wenn du stirbst werde doch auch ich sterben!“

„Das würde ich nicht zulassen!“, versicherte Hilarion, „Das lasse ich auch nicht zu! Solange wir aufeinander aufpassen wird schon nichts passieren!“ „Wenn wir uns nicht gegenseitig mit unseren neuen Elementen erwischen!“, meinte Aleidis nun lächelnd. Hilarion lachte und nahm Aleidis sanft in die Arme.

Die folgende Woche verbrachten Aleidis und Hilarion mit hartem Training. Dann war es Mitte Dezember. Der Advent war schon wieder zur Hälfte vorbei und überall machte sich weihnachtliche Vorfreude breit. Auch Aleidis wurde davon gepackt. Sie kaufte für ihre Familie die üblichen Geschenke und bastelte heimlich an einem Geschenk für Hilarion.

Die Zeit, zu der die Felsengrenze verschwinden musste, kam immer näher. Und Aleidis fand Kraft in der Bedeutung der Weihnacht und bei Hilarion. Bei ihrer Familie fand sie keinen Frieden und keine Liebe. Doch Aleidis musste stark sein, für die Elfen und Dämonen, die noch nicht wussten in welcher unglaublich tragischen und grausamen Gefahr sie schwebten.

Endlich, am Wochenende schafften Aleidis und Hilarion es endlich ihrer Elemente richtig zu kontrollieren. Hilarion beherrschte sein Feuer bis zum letzten Funken und Aleidis bis zum letztes Eiskristall. Diese Kontrolle hatten sie in einem dreistündigen Kampf endlich perfektioniert.

Aleidis und Hilarion standen sich im Gebannten Tal gegenüber. Jetzt kam es zum Showdown. Hilarion war von lodernden Flammen um geben. Seine schwarzen Haare wehten in der heißen, tödlichen Luft. Seine gelben Augen funkelten und blitzten wie die eines Raubieres.

Aleidis war von einem Luftwirbel mit eiskristallen umgeben. Ihr Atem gefror fast in der Luft. Ihre Haare schienen um ihrem Kopf herum zu schweben, und ihre Augen zeigten einen unglaublichen eiskalten Zorn, der so vernichtend war wie der bitteböse Blick von Hilarion.

„Nun? Machst du endlich was?“, schrie Hilarion gegen das Brausen seines Feuers an. „Ich warte auf deinen Angriff!“, schrie Aleidis gegen das Toben des Eises zurück. Hilarion verengte die Augen und sie schienen noch wütender zu funkeln. Aleidis senkte ganz leicht den Kopf und wirkte nun noch bedrohlicher.

Hilarion und Aleidis hoben gleichzeitig die Arme, aber jeder auf eine andere Art und Weise. Hilarion hob seine Hände auf Augenhöhe, seitlich vom Kopf. Aleidis hob ihre Arme über den Kopf, wobei der rechte Arm weiter nach oben ragte als der linke. Und plötzlich verschwanden Feuer und Eis in den Körper ihrer Träger.

Hilarion sprang auf Aleidis zu, mit der dämonischen Kraft seiner Rasse. Aleidis setzte das eine Bein zurück um sichereren Stand zu bekommen. Dann stürzte Hilarion sich von oben auf sie herab, wie ein Bussard oder ein Adler auf seine erspähte, hilflose Beute. Aleidis spürte ihr Blut pulsieren und den unglaublichen Zorn, der sich während des Kampfes aufgebaut hatte.

Aus Hilarion brach wieder das Feuer hervor, mächtiger und zerstörender als jemals zuvor! Er wirkte wie ein lebendiges Feuer, das angriff. Aleidis spürte auch aus ihrem Körper das Eis hervorbrechen, ebenfalls gewaltiger und mächtiges als jemals zuvor. Sie hatte das Gefühl von den Beinen gerissen zu werden, aber nicht von Hilarion, sondern von ihrer eigenen Macht, vom Eis.

Hilarion war in seinem Feuer nicht mehr zu sehen, genauso wie Aleidis in ihrem Eis. Aber sie waren da, im Zentrum ihrer Macht. Hilarion stand quasi still in der Luft. Seine Feueraura kämpfe gegen die Eisaura von Aleidis an. Aus ihren Körpern strahlte Licht. Hellblaue und feuerrote Blitze zuckten über die Auren, über den Boden und durch das ganze Tal. Sie krochen auch ein paar Meter in den Himmel hinauf. Lange, zerstörende Eis- und Feuersicheln zischten von ihnen weg durch die Luft. Sie zerschnitten die Äste des Tals.

„Lange geht das nicht mehr!“, dachte Aleidis verzweifelt. Sie rutschte, gegen Hilarion gestemmt langsam zurück, immer weiter, Zentimeter für Zentimeter. Ihr Atem wurde immer schneller und schneller! Und schließlich setzte er komplett aus!! „Hilarion!“, dachte sie, und stemmte sich mit einem letzten Aufbäumen gegen das sengende Feuer des Dämons.

Dort wo sich Feuer und Eis trafen entstand plötzlich ein kleines helles Licht. Aleidis bemerkte es halbblind. Es wurde größer und größer und schließlich verschlang es Aleidis und Hilarion mitsamt ihrer Auren. Aleidis kniff die Augen zu und hob schützend die Arme vor die Augen!

Ihr Körper schien im gleißendem Licht zu schweben, drehte sich langsam um sich selbst, dazu wurde sie von wind umströmt. Aleidis spürte ganz genau, dass irgendetwas mit ihrem Körper geschah. Sie spürte, dass die Elfensachen, die sie getragen hatte verschwanden und sich leichter, kühler Stoff über ihren Körper ausbreitete. Stiefel und Hose, eindeutig! Ein breiter Gürtel, ein Umhang und ein merkwürdiges Hemd, das spürte Aleidis ganz genau.

Langsam verschwand das Licht, Aleidis landete mit den Füßen behutsam auf einer glatten, rutschigen Fläche. Dann war auch das Licht endlich weg. Sie war im gebannten Tal. Die eine Hälfte war komplett mit Eis überzogen und die andere war verbrannt. Hilarion stand etwas verwirrt und sprachlos in seiner Hälfte.

Der Dämon sah ganz anders aus. Auch er trug neue Sachen. Er hatte eine dunkelrote Hose aus dicker Wildseide an, die verschwand in kniehohen schwarzen Lederstiefeln. Sein feuerrotes Hemd war merkwürdig geschnitten. Bis zur Hüfte sah es normal aus, aber dann ging es vorne und hinten gleichmäßig auseinander und diese Seitenteile liefen spitz auf einander zu. An diese Seiten war ein schwarzer Saum genäht, der von oben ach unten breiter wurde. Über dem Hemd hatte er einen schwarzen Gürtel. Über den Ärmel, bis zum Ellenbogen hatte er dunkelrote Unterarmschützer, die an goldenen Ringen, die an den Mittelfingern waren, fest gemacht waren. An das Hemd war noch ein hüftlanger, hellroter Umhang angenäht, der leicht und schwebend wirkte. Hilarion's Augen waren nun golden und über jedes Auge zog sich von der Stirn bis auf die Wange ein roter Strich, der wie eine Narbe aussah.

Aleidis realisierte nun ihre neue Kleidung. Sie trug eine dunkelblaue Hose aus Wildseide, die in weißen, kniehohen Lederstiefeln verschwand. Sie trug eine Robe, die vorne ab der Hüfte auseinander ging und hinten eine Art Schleppe bildete. Die Ärmel gingen nach außen hin weit auseinander. Diese Robe hatte Schultern, die relativ steif waren und über ihre eigentlichen Schultern hinausragten, wie eine Rüstung. Diese Schultern bildeten einen V-Ausschnitt, an dem ein großer, blauer Diamant funkelte und zwei Seidenbänder. Die Robe war eisblau, bis auf die Säume. Der untere ließ vom Gürtel aus immer breiter werdend nach unten und die an den Ärmeln von unten bis zu den Ellenbogen hoch. Diese Säume waren dunkelblau. Die Schultern waren mittelblau, bis auf die aufgenähten, indigoblauen Bänder am Halsrand. Der weiße Gürtel war etwa 7 Zentimeter breit und mit Edelsteinen besetzt. Aleidis' obere Haare waren mit einem blauen Band oben am Kopf zusammengebunden, die restlichen fielen über die Schultern. In den Haaren steckte noch ein Diadem, ihre Augen waren dunkelblau geworden, wie ihre Lippen.

Aleidis und Hilarion sahen sich an. Sie wussten es ganz genau, jetzt waren sie mächtiger, als jeder Sonnensohn und jede Mondentochter zuvor. Und nur so konnten sie den Krieg zwischen Dämonen und Elfen verhindern. Und eine Armee gegen die Rachgeister der Verblichenen führen und diese auch für immer besiegen und endgültig töten!

Weihnachten

Aleidis und Hilarion übten weiter, jeden Tag. Sie wollten ihre Macht bis in jeden Winkel beherrschen und kennen. Aleidis bekam in der Elfenstadt immer mehr von den Feindlichkeiten gegen die Dämonen mit und auch davon, wie der Plan für den Angriff lautete.

„Sie wollen, sobald die Felsengrenze komplett verschwindet losziehen. Das Heer steht schon und wartet nur noch auf den Moment, in dem das letzte Hindernis verschwindet. Dann greifen sie an.“, erzählte Aleidis am Tag vor Weihnachten als sie mit Hilarion wieder einmal im gebannten Tal war. „Genauso sieht auch der Plan meines Vaters und seiner Feldherren aus.“, murmelte Hilarion genervt und schüttelte verständnislos den Kopf.

„Morgen kann ich erst sehr spät kommen. Nach der Bescherung.“, meinte Aleidis dann nach einigen Minuten, „Ich freu mich nicht so recht darauf.“ „Kann ich verstehen. Mir gefällt dieser Brauch, Weihnachten, sehr gut.“, meinte Hilarion nachdenklich lächelnd zu Aleidis, „Wäre schön, wenn wir hier auch so ein Fest mit dem selben Sinn hätten. Das wäre schön.“

Aleidis und Hilarion unterhielten sich noch lange, bis nach Mitternacht, dann musste Aleidis nach hause. Aber zuvor bekam sie von Hilarion wieder einen Abschiedskuss, sie waren schließlich offiziell zusammen. Kaum in ihrem Zimmer angekommen holte Aleidis das Geschenk, dass sie für Hilarion gebastelt hatte hervor und stellte es auf den Schreibtisch.

Es war eine selbstgebastelte Sanduhr. Zwei Plexiglaskugeln die mit Kleber miteinander verbunden waren und an der Verbindungsstelle ein kleines Loch. Dadurch rieselte glitzernder, bunter Sand, 100 Minuten lang. Die beiden Kugeln waren in einem Gestell aus dunklem Holz eingebaut, dass Aleidis mit Glitzersteinen und Farbe verziert hatte. Der Sand symbolisierte Aleidis' Lebenszeit, die sie voll und ganz Hilarion schenken wollte. Nach ein paar Minuten verpackte Aleidis das Geschenk liebevoll in silbriges Papier. Sie hoffte sehr, dass Hilarion ihr Geschenk gefallen würde.

Der nächste Tag war der 24. Dezember, Weihnachten. Das große Wohnzimmer war zugesperrt, schon seit ein paar Tagen. Ein Vorhang verhängte das Glasfenster in der oberen Hälfte, damit man nicht den geschmückten Baum, die Geschenke und die große Krippe sehen konnte.

Aleidis war den ganzen Tag über in ihrem Zimmer und starrte die Decke an. Die Geschenke für ihre Familie hatte sie schon ihrer Mutter übergeben, die sie unter den Baum gelegt hatte. Aleidis hatte nichts zu tun.

Wehmütig dachte sie an die letzten Weihnachten, an die sie sich erinnern konnte. Damals, vor ein paar Jahren, hatte sie noch nicht auf ihren Vater hören müssen. Er hatte ihr keine Vorschriften gemacht, welche Schule sie besuchen musste, oder was sie werden sollte. Damals war Aleidis eben einfach nur ein Kind gewesen! Ein Kind, dass noch fröhlich und unbeschwert war. Ein Kind, dass sich noch nicht gegen einen Vater wehren musste, der ihr alles mögliche aufzwang.

So verging der Tag. Gegen fünf Uhr gingen sie in die Christmesse, in die sie gingen, seit Aleidis laufen konnte. Aleidis war dieses Mal nicht langweilig. Die Worte, die sie hörte machten sie nachdenklich. Auch wenn sie über zeugt war, dass zu Weihnachten und Ostern der Teufel aus dem Mund des Pfarrers sprach. Denn an diesen Tag gingen all die Leute in die Kirche, die das ganze Jahr über nicht kamen.

Um halb sieben schließlich konnte man durch den Vorhang die Lichter des Baumes und der Krippe sehen. Und nur wenige Minuten später würde endlich die Türe geöffnet uns man durfte hinein. Der Baum war rot und golden geschmückt mit goldenem Lametta. Die Fläche, auf der sich die Krippenlandschaft ausbreitete hatte etwa drei Quadratmeter. Und unter dem Baum lag ein wahres Meer aus großen und kleinen Geschenken, bunt verpackt mit Schleifen.

Aleidis' Vater las mit ruhiger Stimme die Weihnachtsgeschichte vor. „Das bedeutet dir doch gar nichts!“, dachte Aleidis und verbarg ihre Wut, „Es geht dir doch nur um die Tradition! Um die Stimmung zu Heilig Abend!“ Danach sang ihre Mutter und ihre Schwester „Stille Nacht, heilige Nacht“ und schließlich ging es an die Geschenke unter dem Baum.

Ihr Vater holte jedes Geschenk unter dem Baum hervor und übergab es demjenigen, für den es bestimmt war. Schließlich hatte jeder einige größere und kleinere Geschenke bei sich und es wurde mit dem auspacken begonnen. „Das ist von mir!“, sagte Aleidis' Vater als sie ein Päckchen nahm, das etwa so groß war wie ein Ordner. Mit einem blöden Gefühl im Bauch packte Aleidis aus. Es war eine Mappe aus schwarzem Leder mit ihr Initialen in Gold darauf.

„Für deine Karriere als Rechtsanwältin!“, grinste ihr Vater, „Ich muss doch ein wenig vorsorgen!“ „Danke!“, sagte Aleidis und unterdrücke ihren Zorn und ihre Trauer. Nach einer guten halben Stunde waren alle Päckchen geöffnet, die Platten mit den Häppchen hereingebracht und die ersten Tassen Glühwein getrunken.

Aleidis betrachtete ihre Geschenke. Von ihrem Vater hatte sie einige Gesetzbücher, die Aktenmappe und eine dieser schwarzen Roben, die man im Gerichtsaal trug, bekommen. Von ihrer Mutter hatte sie zwei Blusen in rosa und pink bekommen. Von Markus und Martin hatte sie eine große Schneekugel bekommen, die ein Lied spielte und leuchtete. Und von Lisa hatte sie ein großes, dickes Sparschwein bekommen, das mit Bonbons gefüllt war.

Gegen Zehn Uhr verließ Lisa das Zimmer und ging schlafen. Und nur zehn Minuten später ging auch Aleidis in ihr Zimmer, aber nicht schlafen. Sie kramte aus ihrem Schatzschrank das eingepackte Geschenk für Hilarion hervor. Dann holte Aleidis ihr Amulett unter ihrer dicken, gestrickten Bluse hervor. Sie reiste durch den magischen Portaltunnel ins Gebannte Tal.

Voller Vorfreude trat Aleidis aus dem Licht und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich und beinahe wäre ihr das Geschenk für Hilarion aus den Händen gefallen. Im gebannten Tal lag weißer Schnee! Dabei regnete es in der Menschenwelt! Und direkt vor ihr, auf der Lichtung, stand eine große dunkelgrüne Tanne. Und an ihren Ästen hingen leuchtende Kugeln aus geballtem, silbernen und roten Glitzerstaub. Auf der Spitze des Baumes leuchtete ein besonders große, silberne Kugel.

„Frohe Weihnachten, Aleidis!“, sagte da die Stimme von Hilarion aus dem Nichts. Er trat hinter dem geschmückten Baum hervor, in den Händen ein in silbernen Stoff gepacktes Etwas, ein Geschenk!

Aleidis war einfach nur sprachlos, hatte Hilarion das alles hier aufgebaut? „Danke, dir auch frohe Weihnachte, Hilarion!“, erwiderte Aleidis verdattert, doch so glücklich wie schon lange nicht mehr. Sie ging auf Hilarion zu und fühlte sich mit jedem Schritt freier. Als sie bei ihm war fiel sie dem Dämon um den Hals. Sie war einfach so glücklich, überglücklich!!

„Gefällt es dir?“, fragte Hilarion dann, als Aleidis ihn wieder losgelassen hatte, und deutete auf den Baum. „Ja, es ist wunderschön!“, erwiderte Aleidis und sah auf die strahlenden Kugeln. „Es hat zwar ewig gedauert, bis ich all die Kugeln gemacht hatte, aber es hat sich gelohnt!“, lächelte Hilarion und schloss Aleidis in seine Arme. Aleidis genoss einfach dieses wunderbare Gefühl, das Hilarion's Nähe ihr gab.

„Und das hier, das ist für dich!“, meinte Hilarion nach einigen Minuten und löste sich wieder von Aleidis. Er überreichte Aleidis das Geschenk, etwa so groß wie ein großer Schuhkarton und sehr weich, wie Stoff. „Danke!“, freute sich Aleidis und übergab Hilarion ihr Geschenk, „Und das hier ist für dich! Ich hoffe es gefällt dir!“ Lächelnd nahm Hilarion Aleidis' kleines Geschenk entgegen.

Die beiden setzen sich auf eine dicke Decke, die Hilarion unter dem Baum vorsorglich ausgebreitet hatte, und begannen die Geschenke auszupacken. Aleidis beobachtete, während sie ihr Geschenk auspackte, genau wie Hilarion seines auspackte und die Sanduhr herausnahm. Staunend hielt er sie in den Händen und kippte sie um den Sand zu sehen. Man konnte nicht mehr wegschauen!

„Eine Sanduhr!“, lächelte Hilarion dann, „Und zwar selbstgemacht, nicht wahr?“ Aleidis nickte und ließ ihr Geschenk kurz in Ruhe. „Und ich glaube, ich weiß auch, was sie bedeuten soll!“, sagte Hilarion dann umarmte Aleidis und küsste sie auf die Lippen. „Schön, dass sie dir gefällt!“, erwiderte Aleidis mit roten Wangen. „Mach endlich auf, ich will wissen, ob es dir gefällt!“, drängte dann Hilarion sah Aleidis gespannt an, er wirkte ziemlich aufgeregt.

Aleidis löste das blaue Band, das die silberne Stoffhülle um das Innere zusammenhielt. Sie zog den silbernen Stoff weg und hielt etwas aus violettem und türkisem Stoff in den Händen. „Was ist das denn?“, fragte sie und hielt es hoch. „Du musst aufstehen, dann kannst du es besser erkennen.“, erklärte Hilarion.

Aleidis gehorchte, stand auf und hielt das Stoffteil hoch. Und jetzt erkannte sie, was Hilarion ihr geschenkt hatte. Es war ein recht einfaches, schulterfreies Kleid aus Seide. Von der violetten Brust wurde es nach unten zum Saum hin dunkeltürkis. Es sah wunderschön aus. „Hilarion...“, stammelte Aleidis überwältig, „Das ... das ist wunderschön! Danke!“ Damit fiel Aleidis Hilarion um den Hals und warf ihn auf die Decke. Der Dämon lachte und schlang seine Arme um Aleidis.

Die beiden blieben noch lange eng an einander geschmiegt auf der Decke liegen und unterhielten sich. Für ein paar Stunden konnten sie vergessen, was ihre Pflicht war. Dass die Nacht in der das alte starb und das neue erstand nahe war. Und dass sie Mondentochter und Sonnensohn waren.

Schwarzer Horizont

Die Tage bis zu Silvester vergingen schnell. Aleidis musste sich wieder bei den Hochelfen blicken lassen. Auch wenn Endoril es nicht bemerkte, Aleidis sah und verstand sehr viel von dem, was sie nicht hätte wissen sollen. Zum Beispiel wusste sie, dass die Armee, die gegen die Dämonen ziehen sollte, noch größer geworden war. Und sie merkte auch, was ihre Rolle in diesem Plan war.

Sie sollte als Mondentochter die Armee anführen, zur bis dahin verschwundenen Felsengrenze, und dort gegen die Dämonen kämpfen und sie vernichten. „Aber das könnte euch so passen!“, dachte Aleidis grimmig, als sie aus dem Turmfenster sah, von dem aus man die Felsengrenze sehen konnte, „Ich werde nicht gegen meinen Freund kämpfen! Und auch nicht gegen die Dämonen! Wir haben unseren eigenen Plan und den setzen wir um.“

Aleidis starrte auf die Felsengrenze. Sie war schon fast verschwunden. Und über ihr ballten sich dichte, schwarze Wolken, die vom Horizont rund um die Welt in einer weiten Spirale auf diesen einen Punkte zuzogen. Über den Punkt, an dem die Felsengrenze als erstes verschwinden musste. Das bisschen Himmel, das man zwischen den Wolken sehen konnte war dunkelgrau und trüb.

„Allmählich wird es kritisch.“, meinte Aleidis als sie in ihrem Zimmer im Schneidersitz auf ihrem Bett saß und mit Hilarion sprach, der auf ihrem Schreibtisch saß. „Ja, da hast du vollkommen Recht.“, stimmte Hilarion zu, „Diese Schwarzen Wolken sind die vorboten für die Rachegeister der Verstorbenen. Wir müssen uns wirklich ganz genau überlegen, wie wir das am ende anstellen, dass es wenigstens einen Waffenstillstand gibt!“

Aleidis schwieg eine Weile. „Ja, wir müssen uns da wirklich geschickt anstellen, wenn wir den Krieg zwischen den Elfen und Dämonen verhindern wollen.“, murmelte sie dann nachdenklich, „Auf jeden Fall müssen wir ein Ultimatum stellen.“ „Ja, aber maximal fünf Tage.“, warf Hilarion ein, „Ansonsten ist es wirklich noch zu spät. Und wir brauchen noch ein geeignetes Druckmittel, damit sie sich während des Ultimatums auch wirklich bemühen.“

„Ja.“, antwortete Aleidis langsam, „Das erste ist ja, dass wir wissen, was geschehen wird, wenn sie weiterkämpfen.“ „Und ich glaube, ich kenne auch schon unser zweites Druckmittel!“, stieß Hilarion aus. „So? Und welches?“, fragte Aleidis neugierig. „Na, wir sind das Druckmittel!“, rief Hilarion aus. „Wie meinst du das?“, fragte Aleidis verwirrt und sah den Dämon an.

„Na, ganz einfach.“, begann Hilarion, „Wir sagen einfach, das wir uns weigern ihnen im Kampf gegen die Rächer zu helfen! Und wir müssen uns auch von unseren Rassen isolieren! Heißt ich gehe von meiner Familie weg und du von den Elfen. Dann können sie uns nicht versuchen zu manipulieren und müssen mit einander verhandeln. Im Hinterkopf immer, dass die Rächer kommen!“

„Ja, das klingt verdammt logisch!“, fand Aleidis nach einigen Minuten, „So sollten wir es machen! Aber wo willst du hin?“ „Ich geh in mein kleines geheimes Schloss im Gebirge. Das kennt niemand.“, lächelte Hilarion, „Und das magische Portal, das von deinem Zimmer zu den Elfen führt verlegen wir auch in mein Schloss. Und das Portal, das von den Elfen hierher führt werden wir blockieren, damit du deine Ruhe hast!“ „Du hast doch wirklich an alles gedacht!“, lachte Aleidis, „So könnten wir es wirklich und wahrhaftig schaffen!“

Am Abend lag Aleidis in ihrem Bett und starrte durch die Dunkelheit an ihre Zimmerdecke. Hilarion war schon vor Stunden gegangen und sie war ganz allein. In ihrem Kopf fuhren ihre Gedanken Karussell. Wie würde ihre Aktion an Silvester ablaufen und würde alles so klappen, wie sie es sich vorgestellt hatten? Aleidis wurde Angst und bang, wenn sie nur daran dachte.

Am folgenden Tag, es waren noch vier Tage bis Silvester, war sie wieder bei den Elfen. Hilarion musste wohl oder übel mit zu einer Krisenbesprechung der Dämonen. Aleidis saß in der Bibliothek und schmökerte durch die vielen Chroniken der parallelen Welt. Da sie an einem Fenster saß konnte sie immer wieder zur Felsengrenze sehen und sie sah auch, dass der Himmel darüber immer dunkler wurde.

Schritte, die sich näherten, ließen sie schließlich aufhorchen. „Ach, sieht man dich auch mal wieder?“, fragte Anar grinsend, als er auf Aleidis zukam. „Ja, bei mir zuhause ist es nicht auszuhalten.“, erwiderte Aleidis wahrheitsgemäß. „Wieso?“, fragte Anar und setzte sich Aleidis gegenüber.

„Es ist eigentlich wie immer.“, seufzte Aleidis und stützte sich auf die Ellenbogen, „Vater will mich zu Lateinnachhilfe zwingen, Markus und Martin gehen mir gewaltig auf die Nerven und Lisa rennt im Modellgang herum und zickt’ ohne Ende. Es ist einfach nicht auszuhalten!“

„Also, das Zicken kenn ich zur Genüge von Rina und Mara.“, lachte Anar, „Als ich noch jünger war haben die sich stundenlang angezickt und wussten am Ende gar nicht mehr warum. Es war, wie bei dir, nicht auszuhalten!“ „Schön, ein Leidensgenosse!“, grinste Aleidis, „Bin ich also doch nicht allein.“ „Ne, absolut nicht!“, bestätigte Anar und stand auf, „Willst du mit raus? Ein wenig Eismagie üben?“

„Hab ja sonst nichts zu tun.“, meinte Aleidis und wusste genau, dass das ein Auftrag von Endoril war, „Ich komm mit.“ „Aber ich zeig dir nicht, wie weit ich in Wirklichkeit schon bin!“, dachte sie dann, als sie Anar folgte, „Du wirst nicht sehen, dass ich die göttliche Stufe schon erreicht habe, dank Hilarion und dass ich wirklich die komplette Macht habe! Das wird ein Spaß!“

Es wurde wirklich ein Heidenspaß für Aleidis. Sie spielte das ungeschickte Mädchen unglaublich überzeugend. Anar musste sich mehr als einmal vor einem verirrten Eisspeer retten, den Aleidis scheinbar verriss. Sie lachte sich immer halbtot, wenn Anar auf den Boden plumpste um dem Sperr zu entgehen.

„Wie kann das sein, dass du einfach nicht besser wirst?“, fragte Anar keuchend und rappelte sich nach seinem siebzehnten Bauchklatscher auf, „Wir haben doch so gut trainiert und du wirst nicht besser!“ „Tut mir Leid!“, entschuldigte sich Aleidis und kicherte innerlich, „Ich strenge mich ja an! Ich will ja besser werden!“ „Ja, glaub ich dir schon.“, erwiderte Anar und kam zu ihr, „Aber Vater wird das gar nicht freuen.“ „Warum denn?“, fragte Aleidis und wusste genau, dass Anar ihr jetzt ausweichen und eine Lüge erzählen würde.

„Er sagt, dass du als Abkömmling der Hochelfen eigentlich schon viel besser sein müsstest.“, erwiderte Anar. „Lüge!“, dachte Aleidis wütend, sie wusste, was laut Endoril ihre Aufgabe war. Anar redete weiter, obwohl Aleidis ihm nicht zuhörte und an ihre sogenannte Aufgabe dachte.

Am Abend wurde sie wieder von Hilarion besucht. Er beschwerte sich ohne Ende über seinen Vater, der ihm klipp und klar erklärt hatte, was seine Aufgabe wäre. „Er hat gesagt, ich solle die Armee zur Grenze führen und dann die Mondentochter töten! Stell dir das vor!!“, tobte Hilarion halblaut, „Der hat sie doch nicht mehr alle!“ „Anar hat mir heute eine erstklassige Lüge erzählt.“, erwiderte Aleidis, „Die denken immer noch, ich hätte von nichts ne Ahnung! Wenn die wüssten!“

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie wir mit möglichst viel Eindruck auftauchen, wenn die Armeen sich gegenüberstehen.“, meinte Hilarion nach einigen Minuten, ich denen sie sich über die Könige beschwert hatten. „Ja, so, dass sie uns glauben und uns auch nicht angreifen.“, murmelte Aleidis. „Und wie stellen wir das dann an?“, fragte Aleidis dann lauter. „Gute Frage.“, gab Hilarion zu und ließ sich neben Aleidis auf ihr Bett fallen.

Sie grübelten noch bis tief in die Nacht über dieses Problem. Aber sie kamen zu keinem Ergebnis. Schließlich ging Hilarion zurück in seine Welt und ließ Aleidis allein. Die grübelte noch eine Weile und ging schließlich auch zu Bett. „Drachen.“, dachte sie schon im Halbschlaf, „Die sind respekteinflößend und magisch.“

Magische Verwandlung

Am folgenden Tag erzählte Aleidis Hilarion von ihrem Einfall mit den Drachen. Der Dämon überlegte einige Zeit und zupfte dabei an seinen Haaren herum. „Und? Ist dir schon etwas eingefallen?“, fragte Aleidis dann nach einigen Minuten als sie schon ungeduldig wurde.

„Ja, vielleicht schon.“, erwiderte Hilarion nachdenklich, „Da wir die nötige magische Kraft haben könnten wir uns eigentlich, vielleicht, wenn wir üben, in Drachen, oder etwas ähnliches verwandeln.“ „Der Satz war viel zu lang.“, kommentierte Aleidis leicht genervt, „Aber einen Versuch ist es wert.“

So begannen sie zu üben. Aleidis versuchte es über die mentale Ebene. Sie saß auf einem Stein und konzentrierte sich auf die Gestalt eines Drachen. Hilarion hingegen stand auf der Lichtung und erzeugte einen magischen Strudel um seinen Körper herum und versuchte sich mit Gewalt in einen Drachen zu verwandeln.

„Das ist anstrengender als gedacht.“, keuchte Hilarion schließlich und kam zu Aleidis. „Wem sagst du das.“, murmelte Aleidis und lockerte ihre steifen Glieder, „Mental ist auch anstrengend. Es ist schwer sich immer nur auf die Gestalt, die man annehmen möchte, zu konzentrieren. Aber ich merk noch nichts von einer beginnenden Verwandlung oder so.“

„Da müssen wir uns wohl noch mehr anstrengen, wenn wir das bis zu Silvester schaffen wollen.“, meinte Hilarion besorgt. „Ja, das wird noch ein hartes Stück Arbeit bis wir das schaffen.“, stimmte Aleidis zu, „Hoffentlich schaffen wir es bis zum letzten Tag des Jahres.“

Aleidis und Hilarion trafen sich von nun an jeden Tag und versuchten sich in Drachen zu verwandeln, um einen großartigen Auftritt zu bringen. Sie übten von früh morgens, bis spät abends.

Und nebenbei mussten sie sich auch hin und wieder bei ihren Parteien melden. Sprich bei den Hochelfen und bei den Dämonen. Aleidis belauschte Endoril außerdem hin und wieder. So erfuhr sie, wie der gesamte Angriff auf die Dämonen am letzten Tag des Jahres ablaufen sollte.

„Die Felsengrenze wird sich um Mitternacht komplett senken und um Punkt Mitternacht wollen sie dann dort sein.“, erzählte Aleidis Hilarion während sie eine Pause machten, „Wenn sie an der Grenze sind wollen sie die Nacht magisch erhellen und dann die Dämonen dem Erdeboden gleich machen. So hat Endoril es zu seinen Feldherren gesagt!“

„So ähnlich soll es auf meines Seite auch ablaufen.“, meinte Hilarion nachdenklich, „Ich hab meinen Vater gehört, als er mit einem Feldherr gesprochen hat. Sie wollen mit der Armee auch kurz vor Mitternacht an der Grenze sein.“ „Das heißt, dass wir es so anstellen müssen, dass wir genau dann, wenn die Grenze endgültig verschwindet, dort auftauchen. Möglichst beeindruckend.“, meinte Aleidis nachdenklich. „Ja, dass müssen wir schaffen.“, murmelte Hilarion.

„Verdammt!“, schrie Aleidis dann kurz vor Mittag des 31. Dezember. „Wir haben noch knappe 12 Stunden! Wie sollen wir das schaffen?“, rief Hilarion verzweifelt und stemmte sich keuchend auf seine Knie. „Wir müssen es schaffen!“, japste Aleidis und ließ sich auf den Boden fallen, „Wir müssen und werden es schaffen!“ „Ich hoffe es für unsere beiden Rassen.“, murmelte Hilarion, „Tatsache ist: Wir müssen es schaffen, dass wir uns bis etwa 15 Minuten vor Mitternacht in Drachen verwandeln können. Dann können wir rechtzeitig auftauchen und alles verhindern.“

„Endoril sucht mich vermutlich schon.“, meinte Aleidis dann nach ein paar schweigsamen Minuten, „Aber ich bin ihm schon gestern dauernd entwischt. Und heute ist er wahrscheinlich am kochen!“ „Mein Vater wird auch ganz schön wütend werden. Er hat mich gestern angewiesen, dass ich heute pünktlich um acht Uhr bei der Armee sein soll. Aber, ich hab ja ne andere Mission.“, meinte Hilarion leicht lächelnd, „Meinem Vater konnte ich leider nicht so gut entwischen, wie du Endoril.“

Aleidis sah auf ihre Uhr und meinte dann, „Jetzt haben wir noch elf Stunden und 45 Minuten.“ „Oje!“, stöhnte Hilarion, „Was, wenn wir es nicht schaffen?“ „Hör auf so zu reden, das bringt Unglück!“, meinte Aleidis und stand wieder auf, „Wir schaffen es! Wir müssen es schaffen und wir werden es schaffen!“

Hilarion seufzte und blieb sitzen. „Was ist denn?“ fragte Aleidis und ging neben ihm in die Hocke. „Ich zweifle schön langsam daran.“, murmelte Hilarion niedergeschlagen, „Wir üben nun schon so lange und noch kein Lichtblick am Horizont. Vielleicht schaffen wir es doch nicht! Was dann? Was passiert dann mit unseren Rassen? Mit uns? Sag mir, was?!“

„Hilarion, ich wünschte, ich könnte es dir sagen, aber ich weiß es nicht.“, erwiderte Aleidis und schlang ihre Arme um den Dämon, „Aber ich weiß, dass ich nicht kommen lassen will, was kommt. Ich will etwas tun, etwas, dass das Schicksal ändert. Es ist schwer gegen den Strom zu schwimmen, aber nicht unmöglich. Und genau so nicht unmöglich ist es, dass wir es bis um Mitternacht schaffen endlich zu Drachen zu werden und die Armeen zu stoppen. Wir müssen nur auf einander vertrauen und es mit aller Macht wollen!“

Hilarion griff nach Aleidis' Händen, „Du hast wohl Recht. Plötzlich waren die Augen das Dämons entschlossen, „Das legen wir mal wieder los! Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht schaffen würden.“ Aleidis lächelte, fast hätte sie auch kurz gezweifelt, aber jetzt hatte Hilarion sie wieder ermutigt!

So übten sie weiter, während die Sonne langsam vom Ost nach West wanderte. Als sich der Himmel feuerrot färbte unterbrach Aleidis ihr Training und kletterte schnell auf einen Felsen, von dem aus konnte sie den Sonnenuntergang sehen. „Was soll das denn? Wir müssen weiterüben!“, rief Hilarion und sprang Aleidis hinterher, die schon ganz oben stand.

„Ich weiß.“, murmelte sie, „Aber den muss ich einfach sehen. Den Sonnenuntergang.“ Eben berührte die Sonnenscheibe den Horizont und ließ die leicht mit Schnee bedeckte Ebenen den Dämonen und Elfen feuerrot glühen. „Sieh mal!“, wisperte Hilarion deutete in die andere Richtung, nach Osten. Dort ging eben den Vollmond auf. Genauso groß und genauso hell wie die Sonne. Und er tauchte jeweils eine Hälfte der Dämonenebene und der Elfenebene und kühles, silbernes Licht.

„So etwas gab es noch nie!“, flüsterte Hilarion überwältigt. „Heute ist ja auch ein besonderer Tag!“, meinte Aleidis und sah hinauf in den immer dunkler werdenden Himmel. „Drachen.“, murmelte Aleidis und schauderte plötzlich. „Ist dir kalt? Es ist doch noch ziemlich warm hier!“, meinte Hilarion überrascht und legte einen Arm um Aleidis.

„Kalt ist mir nicht, es war so ein merkwürdiges kaltes Gefühl, das durch mich durch ist. Unheimlich.“, murmelte Aleidis und im selben Moment schauderte auch Hilarion. „Jetzt weiß ich was du meinst.“, meinte er, „Komm, üben wir weiter.“ Aleidis nickte. Hilarion hob sie hoch und sprang mit ihr von dem Felsen herunter und landete wieder auf ihrem Übungsplatz.

Hilarion setzte sich, wie Aleidis, auf einen Felsen und versuchte sich über die Mentale Magie sich in einen Drachen zu verwandeln. Auch Aleidis saß auf ihrem Felsen, aber sie dachte nicht an die Drachen. Sie dachte daran, wie es wohl aussehen könnte, wenn sie es nicht rechtzeitig schaffen würden! Wenn sich Elfen und Dämonen im Kampf gegenseitig umbrachten und schließlich die toten Mondentöchter und Sonnensöhne kamen um ihre Seelen auf ewig zu Rächern zu machen!

Vor ihrem inneren Auge sah Aleidis wie die beiden Armeen in einander stürmten, Schwerter klirrten, Schilde splitterten und krachten, Pferde wieherten im Todesangst und Aleidis sah sich selbst und Hilarion. Hilflos standen sie auf einem Felsen über dem Schlachtfeld und sahen hinunter auf den Kampf. Sie hatten versagt, und die Rachegeister der Verstorbenen lauerten schon am Horizont.

Aleidis bemerkte, wie ihre Augen begannen zu tränen. Sie sah in ihrer Vorstellung hinauf in den Himmel und plötzlich bewegte sich dort etwas leuchtendes auf sie zu! Eine Art Schlange oder so, erschaffen aus blauem Licht und blauen Flammen! Es spie einen blauen Feuerball auf Aleidis und die riss erschrocken die Augen auf.

„Was ist denn Aleidis?“, fragte Hilarion, der ihren kleinen Schreckenslaut gehört hatte. „Ich ... ich weiß nicht!“, stammelte Aleidis, „Ich hab daran gedacht, was passiert, wenn wir heute Nacht versagen und dann ist in meinen Vorstellungen plötzlich eine Flugschlange oder so was in der Art gewesen!“ „Die hast du dir ausgedacht!“, meinte Hilarion. „Nein, nein hab ich nicht!“, beharrte Aleidis und stand auf, „Die war nicht von mir! Die war von ihr! Von der Frau, von der die Mondentöchter ihre Macht hatten! Das weiß ich!“

Hilarion schüttelte den Kopf, als Aleidis ihn so überzeugt ansah. „Du glaubst mir nicht! Ich sehe es doch an deinen Augen!“, meint Aleidis enttäuscht. Hilarion zuckte hilflos mit den Schultern. Aleidis seufzte und schloss die Augen. Sie dachte noch einmal an die Lichtschlange. Wenn diese Gestalt nun einfach ihren Körper umhüllte? Das war doch viel einfacher als eine Verwandlung in einen Drachen!

Aleidis öffnete die Augen, verschränkte die Arme und legte die Hände auf ihre Schultern. Hilarion sah sie verwundert an, sagte jedoch nichts. Mit halbgeschlossenen Augen dachte Aleidis an die Lichtschlange und versuchte ihre Magische Kraft genauso zu bündeln. Sie erschuf praktisch eine kleine Lichtschlange in ihrem Körper. Minutenlang geschah nichts. Aleidis wollte schon aufgeben, dann geschah das, dass sie sich erhofft hatte.

Langsam traten aus ihrem Körper kleine, blaue Flammen und blaues Licht aus. Das Licht wurde immer dichter und bildete mit den Flammen einen halbdurchsichtigen Schlangenkörper, genauso wie Aleidis ihn gesehen hatte. Als Aleidis spürte, dass die Schlangengestalt fertig war, löste sie ihre Arme und öffnete die Augen. Hilarion starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.

Aleidis stieß sich von der Erde ab und flog! Der Schlangenkörper bewegte sich schnell und schlängelnd und glitt so durch die Luft. Aleidis steuerte ihr nur mit kleinen Bewegungen und Gewichtsverlagerungen. Nach einigen Kurven, Saltos und Spiralen landete sich wieder vor Hilarion. Der schloss sie, nachdem die Schlangengestalt verschwunden war, fest in die Arme.

„Du hast Recht gehabt!“, flüsterte er, „Tut mir Leid!!! Wie hast du dass nur gemacht?“ Aleidis erklärte ihrem Freund, was sie gemacht hatte und nur eine Viertelstunde später flogen zwei Schlangen aus Magie im gebannten Tal herum. „Wir haben noch Zeit, noch zwei einhalb Stunden, da können wir noch den Auftritt üben!“, meinte Hilarion als er eine Spirale um einen Felsen flog. „Gute Idee!“, stimmte Aleidis zu und so begannen sie zu üben.

Schließlich, 15 Minuten vor Mitternacht stand ihre Kür fest. „Jetzt wird es ernst. Wir müssen den richtigen Moment abpassen.“, meinte Hilarion und verwandelte sich in den Sonnensohn mit den fantastischen roten Sachen. Auch Aleidis nahm diese form an, dann kletterte sie auf Hilarion's Rücken. Der Dämon sprang durch die Felsengrenze zur Mitte der selbigen.

Auf einem kleinen Felsen, der aus der Wand ragte, blieb er stehen und ließ Aleidis absteigen. Von hier aus sahen sie, wie die Dämonenarmee anrückte. Wie die Hochelfenarmee anrückte. Wie der Vollmond höher stieg. Wie die Felsengrenze immer weiter im Erdeboden versank.

„Jetzt gibt es kein zurück!“, murmelte Hilarion und nahm Aleidis' Hand, „Jetzt müssen wir das tun, was vor uns noch keiner getan hat.“ „Und doch können wir es schaffen! Und ich bin mir sicher, dass wir es schaffen werden!“, erwiderte Aleidis selbstbewusst und sah auf die Felsengrenze unter ihr. Eben verschwand sie endgültig im Boden und der Himmel färbte sich blutrot, und die Wolken schwarz.

Es hatte begonnen.

Das Ultimatum

Schritt für Schritt, langsam und bedrohlich, glitten zwei breite Schatten aufeinander zu. Der eine war die Dämonenarmee, der andere die Hochelfenarmee. Es war kaum etwas zu hören, nur der wispernde Gras, dass sanft den Schritten der Krieger und dem Wind nachgab.

Angestrengt starrte Aleidis auf die Elfenarmee. Wo waren Endoril? Wo waren ihre Freunde? Sie vermutete, dass auch Hilarion angestrengt nach seinem Vater und seinen Geschwistern suchte. Aleidis' Herz schlug unglaublich laut, man musste es schon fast hören können.

Sie wandte das Gesicht und sah Hilarion an. Er sah sie an. Sein Gesicht war bleich, aber auch entschlossen. Aleidis nickte und er nickte zurück. Jetzt mussten sie aufpassen. Wann mussten sie sich verwandeln und sich zwischen die Armeen stellen?

Meter für Meter kamen sich die Armeen der Elfen und der Dämonen näher. Wann war es soweit? Wann?

„Jetzt!“, wisperte Hilarion als die Armeen noch 15 Meter von einander entfernt waren. Aleidis und Hilarion ließen sich, Hand in Hand, nach vorne fallen, in die Tiefe. Mit einem pulsierendem Schlag trat das Licht aus ihren Körpern und umgab sie in der Form der Schlangen. Das blaue Licht von Aleidis und das rote Licht von Hilarion strahlten unglaublich hell und es pulsierte.

Aleidis und Hilarion fassten sich an den Händen und begannen sich umeinander zu drehen. Die langen magischen Schlangenkörper aus Licht verschlangen sich zu einer Spirale. Die Armeen waren noch etwa sieben Meter auseinander, waren aber stehen geblieben um dem Schauspiel am Himmel zu folgen.

Hilarion und Aleidis hielten sich nun noch an einer Hand und schwebten, sich immer noch umeinander drehend, zwischen den beiden Armeen zu Boden. Als sie schließlich auf der Erde aufsetzten erstrahlte das Licht noch einmal unglaublich hell und verschwand in den Körpern der beiden, doch es blieb so hell, dass man sie klar und deutlich sehen konnte.

Da standen sie, Rücken an Rücken, aber immer noch Hand in Hand. Jeder sah zu seiner Rasse. Sie wirkten wie unwirkliche Wesen in ihrer Kleidung, die sie durch die Magie bekommen hatten. In diesem Moment spürte Aleidis, das alles richtig war. Alles, was bis jetzt in ihrem Leben geschehen war.

„Aleidis!“, rief Endoril und nahm erstaunt seinen hellsilbernen Helm ab, „Was soll das Theater?“ „Schweigt still, Herr Endoril!“, erwiderte Aleidis mit einer Stimme, die nicht aus dieser Welt zu kommen schien. Endoril klappte der Mund auf, aber er konnte nichts mehr sagen. Rina und Mara sahen sich verwundert an. Anar starrte Aleidis ängstlich an und Fion und Aleno starrten ihren Vater an.

„Hilarion, geh aus dem Weg!“, befahl da eine Stimme hinter Aleidis, die Stimme eines Dämons. „Ich denke nicht daran, Herr Vater!“, erwiderte Hilarion mit fester Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Aleidis spürte, dass Hilarion ihre Hand noch fester packte und sie erwiderte diesen Druck.

„Würdest du mir bitte erklären, was hier los ist?“, fragte Endoril, nachdem er die Sprache wiedergefunden hatte, „Aleidis, du bist die Mondentochter! Du hättest mit uns gegen die Dämonen ziehen sollen! Und hättest den Sonnensohn töten sollen!“ „Ja, Hilarion, du hättest die Mondentochter töten sollen, so wie es seit Jahrtausenden der Brauch ist!“, rief die Stimme hinter Aleidis. Das musste Hilarion's Vater, der Dämonenkönig Sinmar sein.

„Und wenn wir diese Tradition befolgt hätten, dann wäre es auf ewig so weitergegangen! Ewiges Erstehen und Verbleichen.“, erwiderte Aleidis laut, „Doch einen wichtigen Zusammenhang haben weder Dämonen noch Hochelfen in den vielen Zeitaltern je erkannt. Ohne Sonnensohn kann die Mondentochter nicht existieren. Und stirbt der Sonnensohn, dann stirbt auch die Mondentochter. Der eine kann ohne den anderen nicht leben.“

„Und die Dämonen können ohne die Hochelfen nicht leben!“, sagte da Hilarion und über seine Schulter zu den Elfen, „Und die Hochelfen können ohne die Dämonen nicht leben. So ist jeder voneinander abhängig.“

„Und warum habt ihr uns das nicht gesagt?“, fragte da Anar. „Hättet ihr unseren Worten geglaubt?“, fragte Aleidis zurück, „Hättet ihr es geglaubt? Ihr hättet gedacht, wir würden uns vor dem Kampf drücken wollen!“ „Darum hast du dich aus den Planungen herausgehalten.“, murmelte Sinmar, „Ich verstehe. Ich glaube zumindest, dass ich es verstehe.“

„Dann habt ihr uns vor der Auslöschung der beiden Rassen bewahrt.“, rief Endoril plötzlich mehr erschrocken, als erfreut. Aleidis nickte langsam. „Aber das ist nicht der einzige Grund, dass wir zwei uns zusammen getan haben!“, sagte da Hilarion. „Können wir das nicht später besprechen?“, fragte Sinmar, „Da sind mir irgendwie zu viele Neuigkeiten.“ „Nein!“, rief Hilarion mit wütender Stimme, „Diese Sache duldet keinen Aufschub! Später ist es zu spät!“

„Für das, was wir tun müssen, müssen Elfen und Dämonen einander die Hand reichen und Seite an Seite Schwerter ziehen!“, sagte Aleidis, „Und genau darum haben wir bis zum letzten Moment gewartet! Dämonen und Elfen, alle müssen von uns hören, welch dunkler Schatten seine Klauen über sie streckt.“

In den reihen der Krieger brach Unruhe aus, auf beiden Seiten. Aleidis hörte wütendes Geflüster und wie mit hasserfüllter Stimme Vorurteile aufgezählt wurden. Die Elfen hassten die Dämonen und die Dämonen hassten die Elfen abgrundtief. Sie wollten nicht zusammen arbeiten.

„Was meint ihr?“, fragte Endoril nervös. „Wenn niemand spricht werden wir erklären. Alles!“, erwiderte Aleidis. Es dauerte nicht lange, dann hatten sich die hitzigen Diskussionen beruhigt und es wurde ganz still über der Ebene.

„Die Verstorbenen Mondentöchter und Sonnensöhne waren von dem Hass auf die andere Rasse und den anderen so zerfressen, dass ihre Seele nicht gehen konnte.“, begann Aleidis mit lauter, klarer Stimme, „Sie wurden zu Rachegeistern. Im Zwischenreich führten sie ihren Krieg gegeneinander weiter. Doch sie können einander nicht besiegen. Nicht jetzt und nicht in der Ewigkeit.“

„Wir haben eine Prophezeiung gefunden, nach deren Aussage haben wir unseren Plan gefasst.“, fuhr Hilarion fort, „Wenn Mondentochter und Sonnensohn nicht gegeneinander Kämpfen, sondern ihre Kräfte vereinen erreichen sie die Stufe der gottgleichen Macht und die totale Kontrolle über ihr Element.“

„Der Plan der Rachegeister war es, die jetzigen Erwählten wieder in den Krieg zu schicken.“, erklärte Aleidis weiter, „Nur, bei diesem Krieg wären alle, absolut alle gestorben. Die Seelen wären wegen dem Hass auf dem Schlachtfeld geblieben. Die Rachegeister der Verblichenen wären gekommen und heute eure Seelen zu Rächern gemacht, um endlich den Krieg zu beenden.“

„Die Gefahr kommt jetzt nicht mehr von eurer Dummheit und euren Vorurteilen, sondern von der Welt jenseits dieser Welt!“, sagte Hilarion laut, „Wir haben zwar diese Schlacht verhindert, aber jetzt werden sie sich mit Gewalt holen, was sie nicht bekommen haben. Hasserfüllte Seelen.“

„Und darum stellen wir euch ein Ultimatum!“, rief Aleidis und die ungläubige und verschreckte Stille, „Ihr habt eine Woche Zeit um einen Friedensvertrag zu schließen, ohne uns! Wenn ihr das schafft, dann führen wir euch in den Krieg gegen die Rachegeister! Wenn nicht, dann habt ihr euer eigenes Urteil gefällt! Dann könnt ihr von uns keine Hilfe erwarten!“

„Denkt daran : Eine Woche! In sieben Tagen, hier, um die Mitte des Tages! Einen Friedensvertrag, an den sich beide Rassen halten!“, rief Hilarion, wirbelte herum, packte Aleidis und schoss als Feuerschlange hinauf in den Himmel. Aleidis hörte Endoril und seine Kinder rufen, ebenso Sinmar und Hilarion's Geschwister. Doch dann waren sie schon außer Hörweite.

„So war der Abgang aber nicht geplant!“, meinte Aleidis lachend zu Hilarion, machte sich los und flog ebenfalls mit Schlangenkörper neben ihm her. „Na ja, etwas Spontanität muss schon sein!“, lachte Hilarion, „Außerdem war der doch ziemlich cool, oder?“ „Ja, war er schon!“, meinte Aleidis und nahm das blaue Licht wieder in ihren Körper, auch Hilarion zog sein Licht zurück. Niemand sollte wissen, wohin sie jetzt flogen. Es ging niemanden etwas an.

Der Schlachtplan

Die Woche, die sie als Ultimatum gestellt hatten verging schnell. Aleidis und Hilarion hatten sich in das Sommerschloss des Dämons zurückgezogen und waren für niemanden erreichbar. Aleidis hatte einen magischen Bann um ihr Zimmer gelegt, so dass kein Hochelf zu ihr gelangen konnte. Und Hilarion war stets nur in seinem Schloss. Dort brüteten sie über riesigen Landkarten und versuchten die beste Strategie gegen die Rachegeister zu finden.

„Wir müssen wissen, wo die Rachegeister erscheinen werden.“, meinte Aleidis am Abend des sechsten Tages, über einer riesigen Landkarte brütend, „Aber wo ist dieser Ort?“ „Es kommen eigentlich nur Orte in Frage, die mit böse, hasserfüllter Macht erfüllt sind. Aber wo sind die?“, fragte Hilarion und stützte sich müde auf die Tisch mit der Karte. „Das ist eine gute Frage.“, murmelte Aleidis und überlegte schweigend.

„Weißt du noch, der Ort, an dem wir uns kennen gelernt haben? Da waren zwei Rachegeister. Vielleicht tauchen sie dort auch wieder auf!“, mutmaßte Hilarion nachdenklich. „Ganz ehrlich, es ist ne gute Idee, aber wohl nicht der richtige Ort. Glaube ich zumindest.“, erwiderte Aleidis langsam, „Es muss ein Ort voller Hass sein, ein Ort, an dem viele Wesen im Kampf gestorben sind.“

Aleidis stockte und starrte Hilarion an und der sah sie an. „Natürlich!“, rief Aleidis aus und sprang auf. „Ja, klar!“, jubelte Hilarion, umarmte Aleidis, hob sie hoch und drehte sich mit ihr. „Die verschwundene Felsengrenze!“, riefen Aleidis und Hilarion gleichzeitig. „Es kann kein anderer sein!“, meinte Aleidis als Hilarion sie wieder heruntergelassen hatte. „Absolut kein anderer!“, fand auch Hilarion zustimmend und drückte Aleidis einen Kuss auf die Wange.

„Da hätten wir unseren Ort!“, meinte Aleidis und legte eine rote, sonnenähnliche Markierung auf die Stelle, wo die Felsengrenze verschwunden war. „Wie rücken die Armeen am besten an?“, fragte Hilarion und holte zwei Armeefiguren hervor. Eine grüne für die Hochelfen und eine gelbe für die Dämonen. Aleidis nahm zwei kleinere Armeefiguren in rot.

„Die Rachegeister werden sicherlich jeder zu seiner Rasse gehen.“, murmelte Hilarion und Aleidis legte die beiden roten Armeen ab. Eine auf die Dämonenseite und die andere auf die Hochelfenseite. „Rein theoretisch müssten die Armeen dann auf ihren eigenen Ländereien stehen.“, meinte Hilarion und legte seine Armeen in die jeweiligen Seiten, immer der Geisterarmee gegenüber.

„Aber wenn wir sie besiegen wollen, dann müssen wir zusammen kämpfen!“, warf Aleidis ein und betrachtet die zwei Figuren, die sie und Hilarion darstellten. Beide waren lilafarben. „Vermutlich müssen wir wieder den richtigen Moment abpassen. Wie vor sechs Tagen.“, meinte Hilarion etwas müde. „Ja, vermutlich.“, meinte Aleidis, setzte sich und stützte den Kopf auf die Hände.

Eine lange Stille trat ein, eine Stille, in der nur noch ihr gleichmäßiger Atme zu hören war, mehr nicht. „Wie denkst du, wird es ablaufen?“, fragte Hilarion plötzlich und Aleidis zuckte erschrocken zusammen.

„Nun, ich kann es mir so vorstellen. Die Sonnensöhne werden vermutlich gegen die Dämonen marschieren und die Mondentöchter gegen die Hochelfen.“, meinte Aleidis langsam und zögerlich, vielleicht auch etwas unsicher, „Sie wollen bestimmt erst ihre Armee aufstocken, bevor sie gegeneinander ziehen und endlich festzustellen, wer der Sieger ist. Ich meine, wenn die beiden Armeen auf ihre Rassen zuziehen sollten wir dort auftauchen, wo sie erschienen sind. Schließlich sind die Rachegeister stärker als die gewöhnlichen Krieger, aber wir sind stärker als die Rachegeister, deshalb können wir sie auch besiegen.“

Hilarion stellte die beiden lilafarbenen Figuren auf die rote Markierung auf der Felsengrenze. „Ja, das klingt gut.“, meinte Hilarion, und lächelte Aleidis an, „Zwar völlig durchgeknallt, hirnrissig und lebensmüde, aber das beste was wir machen können. Ich stimme deiner Taktik zu. Dafür, dass du noch nie einen Krieg geplant hast bist du verdammt gut im taktieren!“

„Wie lange haben wir eigentlich noch bis zum Treffen der Könige?“, fragte Aleidis und reckte sich etwas. „Noch etwa 14 Stunden.“, meinte Hilarion und stützte sich auf den Tisch. „Also ist es zehn Uhr Abends.“, meinte Aleidis und unterdrückte mühevoll ein Gähnen, „Oder auch zehn Uhr nachts. Das erklärt, warum ich so müde bin!“ „Das heißt, du musst zurück in deine Welt.“, stellte Hilarion mit trauriger Stimme fest. „Ja, das heißt es.“, erwiderte Aleidis und stand auf.

Aleidis nestelte ihr Amulett aus ihrem Hemd. Hilarion schloss sie in die Arme und sie erwiderte es. „Ich hoffe, dass du irgendwann nicht mehr von hier fort musst! Das ist mein größter Wunsch!“, flüsterte Hilarion in Aleidis' Ohr. „Gib niemals die Hoffnung auf! Dann können wir es schaffen!“, erwiderte Aleidis. Hilarion ließ sie los und küsste sie wieder.

Aleidis aktivierte ihr Amulett und im gleichen Moment war ihr, als würde ihr Herz zerspringen. Sie wollte so gerne bei Hilarion, bei ihrem Freund, bleiben. Aber Aleidis löste sich in leuchtenden Staub auf und erschien wieder in ihrem Zimmer. Ihre Augen tränten.

„Ich bin mit Hilarion zwar erst einen knappen Monat zusammen, aber ich liebe ihn so, als wären es schon Jahre und Jahrhunderte!“, dachte Aleidis während sie sich für die Nacht umzog, „Und Endoril weiß davon noch nichts! Aber wenn das alles hier vorbei ist, dann werden es wohl auch Dämonen und Elfen erfahren. Und dann? Was wird dann passieren, wenn sie es wissen?“

Am folgenden Morgen wurde Aleidis, wie immer, von ihrem Vater geweckt, der ihr etwas zu essen brachte und dann ihr Zimmer wieder abschloss. „Lern gefälligst!“, schrie er, als er das Zimmer verließ, „Die Ferien dauern nur noch eine Woche, bis dahin wirst du von früh bis spät lernen!“ „Du kannst mich mal!“, dachte Aleidis und zog sich um, indem sie ihre Magie um sich tanzen ließ. Wieder trug sie die Sachen der gottgleichen Mondentochter.

Und nur Sekunden später tauchte Aleidis in Hilarion's Sommerschloss auf. Hilarion blickte von seiner Arbeit am Schreibtisch auf und lächelte. Er stand auf und begrüßte Aleidis mit einer Umarmung und einem Kuss. „Und, wie steht’s?“, fragte Aleidis und sah auf die kleine Karte, die Hilarion auf seinem Tisch liegen hatte. „Na ja, geht so. Ich zeichne grade auf, was wir gestern besprochen haben.“, meinte Hilarion und zeigte Aleidis, was er bisher geschafft hatte.

„Noch drei Stunden.“, murmelte Aleidis eine Weile später, in der Hilarion fieberhaft an seiner Karte arbeitete. Hilarion murmelte nur etwas und Aleidis lächelte, er war vollkommen abgelenkt. Sie saß auf einem Fensterbrett und sah hinunter auf die Ebene der Dämonen.

Hilarion's Schloss war etwas ganz besonderes. Es war genau zwischen vier Bergspitzen erbaut worden. Von jeder Spitze lief eine Stütze in spitzem Winkel hoch in den Himmel und stützten das Schloss hoch über der Erde ab. Es war quasi in der Luft gebaut worden und auch nur durch die Luft zu erreichen. Das Schloss war vollkommen in grauen Felstönen gehalten uns somit kaum zu sehen. Es hatte gut 60 Zimmer und war sehr geschmackvoll eingerichtet.

„So, fertig.“, stöhnte Hilarion eine Viertelstunde später und lehnte sich ächzend in seinem Stuhl zurück. „Super, dann haben wir jetzt noch zwei Stunden und 40 Minuten bis zum Treffen auf der Ebene.“, meinte Aleidis lächelnd und sah zu Hilarion. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hab jetzt Hunger.“, meinte der Dämon grinsend und rollte die Pergamentkarte zusammen.

Nur wenige Minuten später hatte Hilarion für sich und Aleidis ein ordentliches Frühstück gemacht. Aleidis ließ es sich so richtig schmecken. Wie oft hatte sie schon so ein reiches Angebot an Sachen, die sie so gerne aß?

„Ich hätte nichts dagegen, wenn es noch eine Weile so bleiben würde, wie es jetzt ist. Es gefällt mir gut!“, meinte Hilarion und bis in sein Brot. Aleidis trank von dem Blütennektar und meinte dann : „Ja, mir gefällt es auch großartig. Es dürfte sogar für immer so bleiben!“ Hilarion sah Aleidis an und die errötete leise lächelnd, dann lächelte der Dämon auch.

„Wir haben noch zwei einhalb Stunden.“, meinte Hilarion plötzlich und warf eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das ist ja noch unendlich lang!“, stöhnte Aleidis und schnappte sich schnell das letzte mit Honig und Nüssen ummantelte Blütenblatt. Hilarion starrte auf die leere Stelle und zog eine Grimasse. „Das wollte ich!“, beschwerte er sich dann mit tadelnder Stimme, aber zwinkernden Augen bei Aleidis. „Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss sehn was übrig bleibt!“, lächelte Aleidis und knabberte an dem Blatt herum.

Die Zeit schien nur endlos langsam zu vergehen. Sekunden wurden zu Minuten und Minuten zu Stunden. Und schließlich war es zehn Minuten vor zwölf Uhr Mittags. Aleidis und Hilarion waren schon fertig. Hilarion hatte die Landkarte dabei und Aleidis ein glitzerndes magisches Pulverchen, dass sie brauchen würden.

„Dann los.“, meinte Hilarion und führte Aleidis auf einen Balkon seines Schlosses. Dort kletterten sie auf die Brüstung. Unter ihnen ging es gut 150 Meter in die Tiefe und dort waren spitze Felsenzacken. Aleidis und Hilarion fassten sich an den Händen und ließen sich nach vorne fallen.

Nur Sekunden später waren sie wieder von der leuchtenden Magie umgeben, die sie in Form von Schlangen umhüllten. Aleidis und Hilarion flogen schweigend nebeneinander her, in Richtung Felsengrenze. Es dauerte gut fünf Minuten, dann waren sie da. Sanft setzten sie nebeneinander auf der weichen Erde auf.

Aleidis schauderte. Wenn man darauf achtete, dann spürte man den Hass und die Wut der Verstorbenen an diesem Ort. Die sah Hilarion an und sah, dass er genauso fühlte. „Wir hatten wohl Recht.“, meinte der Dämon dann und sah auf die Ebene der Dämonen, „Mein Vater kommt schon.“ „Endoril auch!“, erwiderte Aleidis und griff in den Beutel mit dem Pulver. Sie nahm etwas davon zwischen die Finger und warf es auf den Boden. Sekunden lang geschah nichts, dann begann das Gras zu wachsen und bildete schließlich einen großen runden Tisch, der auf einer Säule stand. Das Gras verwandelte sich und wurde zu Marmor.

Nur Minuten später waren sowohl Endoril, als auch Sinmar bei Aleidis und Hilarion. Endoril hatte seine Frau, seinen Vater und seine Kinder mitgebracht. Und Sinmar hatte seine Frau und seine Kinde dabei. „Da sind wir.“, sagte Endoril, während er von seinem Pferd abstieg. Er beäugte misstrauisch Hilarion und dann die anderen Dämonen. „Wir sind auch da!“, erwiderte Sinmar, stieg von seinem Pferd und mustere erst mal Endoril. So nahe kamen sich Elfen und Dämonen sonst nur im Kampf.

Nach der offiziellen Begrüßung holte Endoril aus seiner Tasche drei Bögen Pergament hervor. „Seht, Sinmar, ich habe unseren Entwurf sauber abgeschrieben. Auf drei Bögen, einen für jeden von uns und einen für diese beiden Halunken.“, meinte Endoril und zwinkerte Aleidis und Hilarion belustigt zu. „Zwei Dumme, ein Gedanke!“, erwiderte Sinmar belustigt grinsend und zog ebenfalls drei Bögen Pergament hervor, „Ich hatte die gleiche Idee!“

Die Stimmung besserte sich deutlich. Schließlich sollte jeder einen Vertrag von den Elfen und einen von den Dämonen bekommen. So war kein Vertrag unnütz. Sinmar, Endoril, Aleidis und Hilarion kontrollierten die Verträge und es wurde alles als gut und richtig befunden. „Soll ich dann anfangen?“, fragte Endoril Sinmar. „Wenn Ihr wollt, gerne!“, erwiderte Sinmar. Endoril nickte. Er unterschrieb jeden der sechs Verträge zuerst mit Tinte. Dann schnitt Endoril sich mit einem Messer in den Daumen und drückte auf jeden seiner Tintennamen einen blutigen Daumenabdruck. Dasselbe tat auch Sinmar. Dann wurden die Verträge an ihre Eigentümer übergeben und endlich konnte man sich dem Schlachtplan zuwenden.

Hilarion rollte die Landkarte auf dem Tisch aus und begann ihre Taktik zu erklären. Endoril, Sinmar und die anderen hörten gespannt und aufmerksam zu. „Aber, wie wollt ihr sicher stellen, dass die Rachegeister nicht doch zuerst uns oder die Elfen abgreifen? Wie könnt ihr uns schützen?“, fragte Sinmar nachdem Hilarion mit seiner Erklärung fertig war. „Indem wir den Kampf in die Luft verlegen.“, antwortete Aleidis, bevor Hilarion auch nur den Mund öffnen konnte. Sinmar nickte langsam. „Stimmt, Rachegeister sind im Grunde Seelen, und die können fliegen.“, murmelte Endoril und meinte dann lauter, „Eine gute Strategie. Lebensmüde, riskant und durchgeknallt, aber die einzig mögliche mit Chancen auf einen Sieg!“

Aleidis und Hilarion nickten sich unbemerkt zu, sie hatten gewonnen. Sinmar und Endoril diskutierten schon darüber, wie sich ihre Armeen noch besser schützen könnten, nur für den Fall. „Wie wäre es mit Schilden, die mit magischen Bännen besprochen sind? Oder andere Gegenstände, auf die Bänne wirken?“, fragte Hilarion's Schwester Fruna aus dem Hintergrund. „Gäbe es dafür Möglichkeiten?“, fragte Endoril und sah Fruna gespannt an. „Die gibt es!“, erwiderte Hilarion für seine Schwester, „Es gibt genug von der Magischen Essenz, die auch für Bänne von den Dämonen benutzt wird. Diese Essenz kann in Waffen und Schilde hineingearbeitet werden.“ „Fantastisch!“, staunte Endoril ehrfürchtig „Wahrscheinlich sind wir doch mehr von einander abhängig, als wir es je vermutet haben!“

Das Böse erscheint

Aleidis und Hilarion trafen sich in den folgenden Tagen und Nächten oft zu Lagebesprechungen in Hilarion's Schloss. Die Dämonen stellten für zwei Armeen magische Schilde und andere Rüstungsgegenstände her, die mit Bännen besprochen worden waren. Und die Hochelfen erstellten im Akkord Heiltränke und andere Mixturen, die unterschiedliche Wirkungen hatten. Einige stärkten die Waffenhand, andere die Muskeln.

„Wie läuft es?“, fragte Hilarion, als sie sich wenige Tage vor dem Erscheinen der Rachegeister trafen. Der Dämon sah müde und gerädert aus. Unter den Augen hatte der dunkle Schatten und er war ziemlich blass. Auch Aleidis sah nicht viel besser aus. Sie war oft bis zum Morgengrauen im Elfenreich gewesen um dann für drei Stunden Schlaf oder weniger in ihre Welt zurück zukehren.

„Es geht voran!“, erwiderte Aleidis und gähnte, „Wir haben schon fast genügend Tränke für beide Armeen produziert. Und jetzt wird mächtig an kleinen magischen Kristallen getüftelt. Die sollen auf Schilden und anderen Waffen Kampfkraft und was weiß ich noch alles verbessern.“

„Hoffentlich schaffen wir es noch rechtzeitig!“, meinte Hilarion und gähnte schon wieder abgrundtief, „Der Boden der Felsengrenze wird immer mehr mit böser Energie aufgeladen. Wenn die Konzentration des Hasses ein bestimmtes Maß erreicht hat, dann werden sie ein Tor öffnen und zu uns kommen können.“ „Hoffen wir es.“, murmelte Aleidis und unterdrückte ein Gähnen, „Heute muss ich auf jeden Fall noch mit Endoril und den anderen reden. Also, auch ne Lagebesprechung.“ „Gut das du mich daran erinnerst.“, lächelte Hilarion müde und erhob sich von dem schweren dunklen Eichentisch, „Ich muss auch noch zu einer.“

Aleidis und Hilarion verabschiedeten sich von einander und jeder reiste zu seinem Sitz der Armeen. Aleidis war so müde, wie schon lange nicht mehr, und jetzt musste sie sich noch mal durch eine Besprechung quälen.

Die Besprechung fand im Schloss der Hochelfen statt. Alle waren da, Endoril, sine Frau Lorana, Rina, Mara, Anar, Fion und Aleno. Und natürlich Aleidis. „Wie weit stehen die Armeen?“, fragte Aleidis als sie die Sitzung eröffnete. „Wir haben alle kampffähigen und kampfwilligen Männer und Frauen eingezogen.“, begann Endoril, der rechts von Aleidis an einem langen Nussbaumtisch saß, „Es sind insgesamt 16592 Krieger, die mitkämpfen werden.“

So ging es mehrere Stunden weiter. Aleidis kämpfe zu Beginn noch mit der Müdigkeit die sie immer wieder heftig schüttelte. Aber im Laufe der Besprechung wurde sie immer wacher und entschlossener. Und schließlich war die Besprechung mit Erfolg beendet. Aber Aleidis blieb noch im Ratszimmer.

Nachdenklich betrachtete sie die Karte, die sie auf dem Tisch ausgebreitet hatte. „Wir machen wir das nur am allerbesten?“, murmelte sie leise und ließ die Markierungen für die verschiedenen Krieger über die Karte wandern, ohne dass sie die verschiedenfarbigen kleinen Figuren berührte. Aleidis war so in Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, wie sich in ihrem Rücken ein Fenster öffnete.

Plötzlich fuhren ihr zwei Hände auf die Schultern! Aleidis stieß einen erschrockenen Ruf aus und fuhr herum und sah ... in Hilarion's lächelndes Gesicht. „Hilarion!“, stieß Aleidis sauer und erleichtert hervor, „Du ... du bist doch..! Mach das ja nicht noch einmal!! Das ist total gemein!“ „Darum hab ich’s ja auch gemacht!“, gab Hilarion zurück, drückte der überraschten Aleidis einen Kuss auf die Lippen und setzte sich zu ihr.

Mit einer Handbewegung ließ der Dämon auf der Dämonenseite der Landkarte auch winzige Krieger in verschiedenen Farben erscheinen. „Wie steht es?“, fragte er dann und nahm Aleidis' Hand in die seine. Aleidis warf ihrem Freund noch einmal einen bösen Blick zu und seufzte dann.

„Wie haben etwa vier gleich große kleinere Armee mit verschiedenen Klassen.“, erklärte sie langsam und zeigte die vier farbigen kleinen Armeen auf der Karte, „Wir haben Bogen- und Armbrustschützen, Kriegsmagier, Krieger und Paladine.“ „Kriegsmagier? Ich dachte Elfen hätten keine Magie!“, warf Hilarion verblüfft ein. „Doch, aber nur die natürliche Magie.“, erklärte Aleidis langsam, „Heißt, sie können lange Dornenranken aus dem Boden wachsen lassen, oder die Erde formen.“ „Also Schluchten entstehen lassen?“, fragte Hilarion begeistert und Aleidis nickte.

„Und was habt ihr an Kämpfern?“, fragte Aleidis nach einigen Augenblicken des Schweigens. „Wir haben fünf Klassenarmeen.“, grinste Hilarion, „Blutritter, Beschwörer, Schützen, Schattenpriester und Tigerreiter.“ „Auch gut.“, neckte Aleidis und sah wieder auf die Karte, „Jetzt fehlt nur noch die Positionierung der Armeen.“ „Das machen wir am besten jetzt.“, lächelte Hilarion.

Aleidis und Hilarion brüteten noch eine gute Stunde über der idealen Aufstellung der Armeen. Und schließlich einigten sie sich auf eine eher defensive Aufstellung. Die magischen Einheiten, die Bänne und Schutzzauber wirken konnten standen an vorderster Front, dahinter die Fernkämpfer und schließlich die berittenen Krieger und die normalen Krieger.

In dieser Nacht kehrte Aleidis nicht in ihre Welt zurück. Sie schlief in Hilarion's Sommerschloss, wo sie im Grunde genommen schon zuhause waren. Aleidis war sich, als sie sich in die Decke kuschelte, sicher, dass sie nie mehr in ihre Welt zurückkehren wollte. Sie hatte längst ein neues Zuhause gefunden, und das war in dieser Welt, bei Hilarion.

Am folgenden Morgen weckte Hilarion Aleidis sanft auf. „Du verschläfst noch das Frühstück!“, lachte der Dämon als Aleidis endlich unter der Decke hervor kam. „Frühstück?“, fragte Aleidis und gähnte, „Wo?“ Hilarion begann zu lachen, „Im gleichen Saal wie sonst auch immer! Beeil dich, sonst ess’ ich dir noch alles weg!“ „Wehe dir, wenn!“, rief Aleidis und starrte Hilarion hinterher, als der aus ihrem Zimmer schoss. In wenigen Minuten hatte sich Aleidis umgezogen und erschien im Frühstückssaal. „Gerade noch rechtzeitig!“, grinste Hilarion und biss in ein großes, rotes Blütenblatt, das mit Honig überzogen war.

„Die böse Aura wird immer stärker!“, stellte Aleidis fest, als sie nach dem Frühstück auf einen Balkon des Schlosses trat und hinunter auf die Felsengrenze sah, die nur in der Mitte verschwunden war. „Ja, der Moment, in dem wir die Armeen führen müssen kommt immer näher!“, murmelte Hilarion und trat neben Aleidis an die steinerne Brüstung.

„Die Wolken bewegen sich auch schon wieder in einer Spiral über der Grenze. Sie sind schon fast schwarz.“, murmelte Aleidis besorgt, „Die Aura wird mit jeder Stunde böser und deutlicher.“ „Ja.“, meinte Hilarion nervös, „Vielleicht wäre es besser, wenn du jetzt bis zum Kampf hier bleiben würdest.“ Aleidis sah Hilarion ausdruckslos an. Der Dämon senkte den Blick und sah sie nicht an. „Ich bleibe.“, meinte Aleidis dann und griff nach Hilarion's Hand.

Von da an hatte Aleidis etwas weniger Stress, sie musste nicht mehr in ihre Welt zurück, und die Planungen waren abgeschlossen. Endoril, seine Frau und ihre Kinder überwachten sorgfältig die Produktion. Und schließlich tauschten die beiden Völker die versprochenen Hilfen über ein magisches Portal aus. Die Elfen bekamen dämonische Schilde mit Bännen und Armbänder mit magischen Schutzeffekten. Die Dämonen erhielten von den Elfen Heiltränke und Tränke und Elixiere, die Muskeln, Willen und Ausdauer stärkten. Dazu noch kleine Kristalle, die man um den Hals trug und die immer ein wenig heilten.

Aleidis und Hilarion mussten nun von ihren Städten aus die Felsengrenze überwachen. Der boden dort verdorrte und verfärbte sich schwarz und rot. Die Felsen, die in der Nähe lagen zerbröckelten wegen des Hasses, der von dem Durchgang ausging. Die Blutwölfe waren längst schon wieder in die Zwischenwelt zu den Rachegeistern der Verstorbenen Mondentöchter und Sonnensöhne verschwunden.

An einem frühen Abend stand Aleidis wieder auf dem höchsten Turm des Elfenschlosses. Sie stand vollkommen regungslos da, nur der Wind bewegte vorsichtig ihre Haare und ihren Umhang. „Es kann jede Sekunde passieren!“, meinte Endoril, der eben durch eine rohe Brettertüre auf den Turm kam. „Ja, und mit jeder Sekunde wird es wahrscheinlicher und die Aura böser.“, erwiderte Aleidis und drehte sich zu dem König um.

„Warum passiert das nur alles?“, fragte Endoril, trat neben Aleidis und stützte sich auf eine Zinne. Der Elfenkönig sah plötzlich schwach, blass und viel älter aus als sonst. Der Krieg machte ihn fertig. Und wohl auch der Gedanke, dass so viele Leben von dieser einen Schlacht abhingen. Aleidis verspürte Mitleid mit ihm.

„Es ist der Hass.“, sagte Aleidis langsam und sah wieder auf die Ebene. Endoril hob den Kopf und sah sie an. „Über Hunderttausende von Jahrhunderten haben sich die Hochelfen und die Dämonen gehasst!“, fuhr Aleidis fort, „Und die Mondentöchter und Sonnensöhne haben das gelernt. Sie haben den Hass in sich eingeschlossen und haben begonnen die andere Rasse vernichten zu wollen. Da sie so von Hass zerfressen waren konnten sie nach dem Tod nicht einfach weiter gehen und sind in der Zwischenwelt geblieben. Dort haben sie wahrscheinlich noch mehr Hass aufgebaut und nun wollten sie zurückkehren, eine Armee sammeln und die anderen endgültig vernichten. Doch das haben wir vereitelt und nun hassen sie ihre eigene Rasse. Wenn jetzt nicht Schluss damit ist, dann werden sich Dämonen und Hochelfen über kurz oder lang gegenseitig vernichten.“

„Meine Tochter.“, murmelte Endoril und schloss Aleidis in seine Armee, „Du sprichst weiser als je ein Elf zuvor. Deine Zuversicht gibt uns allen Kraft. Und dein Mut macht uns alle mutig. Wenn du und Hilarion es nicht schaffst, dann niemand!“ Aleidis wusste nicht, was sie hätte erwidern können. Endoril lächelte. Seine Augen strahlten, er sah wieder jung und hübsch aus. „Du bist das Herz der Hochelfen!“, meinte Endoril noch lächelnd, dann verließ er den Turm wieder.

Aleidis lächelte glücklich, sie hatte wieder eine Familie! Langsam wandte sie sich wieder um, sah auf die Ebene hinaus und verlor sich in Gedanken.

Sie dachte an den Tag, an dem sie Anar kennen gelernt hatte. Er hatte sie in diese Welt gebracht und nun war diese magische Welt ihr wahre Welt. Hier gehörte sie hin. Hier wollte sie bleiben, für immer. Ihre Gedanken wanderten durch die paar Monate, in denen sie hierher gekommen war. Sie dachte an das harte Training, dass ihre Magie schulen sollte.

Aleidis erinnerte sich lächelnd an den Tag, an dem sie Hilarion kennen gelernt hatte. Sie hatte immer noch die Narbe von dem Angriff der Blutwölfe. Diese Narbe erinnerte sie immer wieder an den Tag des Kennenlernens. Wenn sie nur an diesen einen Tag dachte hüpfte Aleidis' Herz ganz wild auf und nieder. Sie war in Hilarion genauso verliebt wie am ersten Tag. Ob er wohl gerade auch an sie dachte? Drüben im Reich der Dämonen?

Einige Stunden stand Aleidis hoch oben auf dem Turm und dachte zurück. Die paar Monate in dieser Welt waren glücklicher gewesen als ihr ganzes bisheriges Leben in der Menschenwelt. Ja, hier war sie glücklich. Und sie wollte auch, dass alle Hochelfen und alle Dämonen glücklich wurden.

Gegen Mitternacht schließlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Die rotschwarzen Wolken über der Ebene ballten sich zusammen! Sie ballten sich direkt über dem Durchgang der Felsengrenze! „Es hat also begonnen!“, dachte Aleidis grimmig und kletterte auf eine der Zinnen. Sie wurde von hellem Licht umhüllt, dass ihre einfachen Kleidungstücke in die aufwändige Kleiddung der Mondentochter verwandelte. Weit hinter der Felsengrenze sah sie ein rotes Licht, das war Hilarion. Jetzt würde die finale Schlacht beginnen.

Liebe gegen Hass

Aleidis beobachtete, wie ein großer dunkler Schatten von der Elfenstadt weg auf die Ebene glitt. Das war die Elfenarmee. Drüben im Dämonenreich musste sich jetzt auch die Armee in Bewegung setzen. Wie geplant, alles war geplant worden. Sogar Aleidis' und Hilarion's Auftritt war sorgfältig geplant. Sie mussten noch warten.

Aleidis konzentrierte wieder ihre Magie um ihren Körper. So dass sie wieder fliegen konnte. Sie schwebte wirklich ein paar Zentimeter über der Zinne. Aufmerksam und konzentriert beobachtet sie wie sich die rotschwarzen Wolken immer dichter zusammen ballten und die Armeen auf der Ebene ihren Platz einnahmen. Sie bildeten einen weiten Bogen um den Durchlass in der Felsengrenze. Die Dämonenarmee machte das gleiche auf ihrer Seite.

Die Wolken ballten sich immer mehr, und schließlich waren sie als schnell wirbelnder Strudel genau über dem Durchlass. Das war Aleidis' Zeichen! Sie flog los, rauschte durch die Luft und blieb hoch über der Elfenarmee in der Luft stehen. Sie konnte auf der Dämonenseite die Armee erkennen und hoch über ihr schwebte Hilarion, lauernd und dämonisch.

Der boden rund um den Durchlass und im Durchlass selber brach auf! Die Erde begann leise zu grummeln und schließlich bebte sie sogar. Die kleinen Steinchen, die überall herumlagen schwebten in die Höhe und begannen um die gedachte Linie zwischen Durchlas und Wolkenstrudelmitte zu kreisen!

Langsam löste sich aus den Wolken ein roter Lichtstrahl. Er wanderte langsam in Richtung Boden. Aleidis flog vorsichtig etwas näher heran. Jede Faser ihres Körpers war bis zum Zerreißen gespannt. Ihre Hände zitterten und ihre Augen glommen vor Entschlossenheit.

Und jetzt traf der Lichtstrahl auf den Boden! Es hab eine hellrote Explosion aus leuchtendem Licht und schwarzen Staub. Dann wurde es stockdunkel. Aleidis hörte ihr Herz schlagen und ihren fliegenden Atem. Sie hörte ihr Blut durch ihre Ohren rauschen, was war los? Was würde geschehen?

Dann hob ein grässliches, jammerndes und kreischendes Geschrei an und plötzlich war die gesamte Ebene in rotes Licht getaucht! Aleidis riss die Augen erschrocken auf. Im Durchlass stand senkrecht ein schwarzer Wirbel, wie ein schwarzes Loch, direkt in der Luft. Und daraus schossen schwarze Gestalten hervor! Nach beiden Seiten! Zu den Dämonen und den Elfen!

Es waren solche Gestalten, wie sie Aleidis schon einmal gesehen hatte. Schwarze, manifestierte Schatten in leicht schwebende schwarze Kuttengewänder gehüllt. Die einen hatten rot glühende, die anderen blau glühende Augen. Die Rachegeister, ganz klar.

Sie schossen aus dem Schwarzen Loch hervor und flogen kreischend und heulend vor den Armeen in der Luft herum! Zwischen dem schauerlichen Gekreische waren auch immer wieder eindeutige Rufe zu hören! „Tod!“ „Rache!“ „Blut!“ „HASS!“ Aleidis schauderte und fürchte um ihren sicher geglaubten Mut! Sie musste stark bleiben! Für die Elfen und für Hilarion!

Als sie an den Dämon dachte, begann ihr Herz wieder zu pochen. Er war da und vertraute auf sie und sie vertraute auf ihn! Zusammen waren sie unschlagbar! Und dass sollten auch diese Rachegeister merken!

Aleidis wartete, kampfbereit und konzentriert. Als schließlich kein Rachegeist mehr aus dem Schwarzen Loch kam war die Zeit für den Kampf gekommen! Aleidis ließ in ihren Händen weißes Feuer flackern und sie sah auf der anderen Seite Hilarion's Feuer. Ja, jetzt gab es kein Zurück!

Aleidis schoss mit vorgestreckten brennenden Händen durch die ausweichenden Rächer, hinab auf das schwarze Loche zu! Als sie es erreichte und fast hineinrauschte prallten ihre Hände auf die von Hilarion! Das weiße und das rote Feuer vereinten sich und versiegelten das Portal! Es wurde immer kleiner und schließlich verschwand es ins Nichts! Die Rachegeister kreischten wütend auf und stürmten auf Aleidis und Hilarion zu!

„Also dann!“, meinte Aleidis und schoss Hand in Hand mit Hilarion hoch hinauf in den Himmel! So waren die Armeen sicher. Kreischend und heulend schossen die Rachegeister hinter ihnen her. Der blutrote Himmel kam immer näher, und die beiden lauernden Armeen wurden immer kleiner.

Aleidis sah Hilarion an, und er sah sie an. Seine Augen funkelten feuerrot. Er nickte. Urplötzlich ließen sich die beiden zurückfallen und direkt in die Geisterarmee, die ihnen gefolgt war. Rücken an Rücken schwebten Aleidis und Hilarion zwischen all denn Geistern, die sie wütend kreischend umkreisten.

Schließlich stoben die Geister auseinander, umkreisten sie einmal und schossen brüllend auf sie zu. Aleidis wirbelte zu Hilarion herum und ergriff seine ausgestreckten Arme. Aleidis konzentrierte sich auf ihre Magie und spürte sie in sich kochend aufsteigen. Aleidis und Hilarion begannen um einander zu wirbeln. Dabei entstand um sie herum eine Kugel aus roten und blauen Magieschleiern, die alle Rachegeister wegschleuderte. „Jetzt haben wir genug Zeit um die Angriffe vorzubereiten!“, dachte Aleidis, nickte Hilarion zu und ließ ihn los!

Sofort verschwand die Magiekugel und Aleidis und Hilarion standen wieder Rücken an Rücken in der Luft. Die Geister starrten sie an, rührten sich nicht. „Kommt doch her! Kommt schon!“, rief Hilarion hinter Aleidis. „Wenn ihr nicht zu uns kommt, dann kommen wir zu euch!“, rief dann auch Aleidis. Sie berührte kurz Hilarion's Hand und schoss von blauer Magie umhüllt hinauf zu den Rachegeistern.

Mühelos startete sie sämtliche geübten Angriffe. Sie ließ gigantische rotierende Sicheln aus Licht in die Geister sausen! Jeder Geist, der eine solche Sichel berührte schrumpfte auf ungefähr die Hälfte! Und bei der zweiten Berührung zersprang er in schwarzen, brennenden Staub. Hinter sich hörte Aleidis Hilarion kämpfen. Jetzt gerieten auch ihre Gegner in Rage. Sie kamen mit blau und rot brennenden Händen auf Aleidis zu geschossen. Aleidis hatte damit gerechnet und war bereit für den Kampf.

Aleidis' gesamter Körper war von blauen Flammen bedeckt. Aus ihren Händen stoben blaue Licht und Rauchfontänen mit Eiskristallen. Jetzt wagten sich ihre Gegner immer näher an sie heran. Auch sie hatten verschiedene Magische Attacken auf dem Kasten. Aleidis musste mehr als einmal großen Eisspeeren ausweichen! Ihre Augen bewegten sich mit wütendem Glanz hin und her.

Aleidis bemerkte, dass die beiden Armeen weit unter ihr auch angegriffen wurden! Aber es waren nur wenige Gegner. Und mit der magischen Ausrüstung konnten sie gut stand halten und sie sogar besiegen! „Ja, so ist es gut!“, dachte Aleidis und ihre Gedanken begannen zu rasen. Klar denken war kaum mehr möglich! Ihr Körper funktionierte einfach nur noch!

Die Schreie der Rachegeister hämmerten gegen ihre Ohren. Wie von weit weg hörte sie dach Fauchen der Angriffe von Hilarion. Und noch weiter weg waren die todesmutigen Rufe der Armeen! Aleidis spürte, wie die Kälte der Rachegeister in ihren Körper drang! In ihrem Kopf hörte sie die böse, verächtliche Stimme ihres Vaters! Die Rachegeister ließen sie an das denken, dass sie hasste, vor dem sie Angst hatte!

„Liebe gegen Hass!“, dachte Aleidis und versuchte ihren Vater aus ihren Gedanken zu verdrängen. Langsam wurden ihre Angriffe immer stärker, immer unbarmherziger! Aus ihrem Körper schossen Eisströme aus Rauch, Eis und Licht! Eiskugeln flogen aus ihren Händen und jagten den Rachegeistern hinterher!

„Aleidis!“, hörte sie plötzlich Hilarion rufen. Erstaunt wirbelte sie in der Luft herum und starrte auf Hilarion! Er war komplett eingekesselt! Und die Rachegeister wichen jedem seiner Angriffe aus! „Hilarion!“, schrie Aleidis panisch und schoss auf ihren Freund zu! Als ihr die Rachegeister entgegenschossen begann Aleidis sich um die eigene Achse zu drehen! Wie eine Sternschnuppe schoss sie durch die Reihen der Geisterarmee zu Hilarion!

Als sie bei ihm war erschloss ihre Magie kurz und sie fiel ihm um den Hals! Dann aber flogen sie wieder Rücken an Rücken in der Luft. Die Rachegeister flogen in weiten Kreisen mit schauerlichem Geheul um sie herum! „Was tun wir nur?“, fragte Aleidis und starrte auf die Geister. „Allein schaffen wir es nicht, aber zusammen?“, begann Hilarion langsam. „Zusammen haben wir auf jeden Fall bessere Karten.“, meinte Aleidis, „Die Teile sind zwar viele, aber auch feige, den meisten Angriffen weichen sie aus! Und dann kommen sie wieder!“

„Wir brauchen einen Angriff, bei dem wir unsere Macht vereinen und sie besiegen können! Und dem sie nicht ausweichen können!“, knurrte Hilarion und jagte eine Feuerwalze durch die Luft! „Ich hab eine Idee!“, murmelte Aleidis und ließ einen wahren Schauer aus Eiskristallen in die Geister Armee los, „du weißt doch noch, als der kleine Magiewirbel um uns entstand, als wir mal geübt haben?“ „Als wir uns an den Händen gefasst haben?“, fragte Hilarion und verstand, „Gute Idee!“

Aleidis ließ einen letzten Eisschauer los und Hilarion eine Feuerwalze, dann wirbelten sie zu einander herum. Sie fassten sich an den Händen und konzentrierten sich auf den anderen. Ein paar Sekunden lang geschah nichts! Die Rachegeister stoben auseinander und dann alle auf Aleidis und Hilarion zu!

Dann begannen die beiden wie von innen heraus zu leuchten! Ihrem Pulsschlag folgend trat das Licht aus ihren Körpern aus, zuerst ungleichmäßig, dann gleichzeitig mit dem anderen. Aleidis sah Hilarion an, und der Dämon erwiderte ihren Blick. Das Licht strahlte immer heller und immer intensiver! Und schließlich setzten sie die gesamte Magie ihrer Elemente frei.

Wie bei einer Explosion rauschten Wellen aus rotem und blauem Licht aus Aleidis und Hilarion hervor! Sie gingen kugelförmig von ihnen weg und hoch hinauf in den Himmel und bis zu den Städten der Elfen und der Dämonen! Die Rachegeister kreischten und schrieen jämmerlich also sie von den Lichtwellen getroffen wurden! Die Geister, die in die Wellen hineingesogen wurden explodierten in roten Staub der verbrannte. Und schließlich war alles still.

Aleidis zog ihre Magie in ihren Körper zurück und Hilarion tat es ihr gleich. „Sie ... sie sind weg!“, meinte Aleidis als sie sich umsah. Hie und da sank noch einwenig brennender Staub zu Boden, aber mehr nicht. „Du hast Recht!“, murmelte Hilarion, „Es ist nichts böses mehr zu spüren!“ „Wir haben gewonnen!“, realisierte Aleidis dann. „Ja, das haben wir!“, bestätigte Hilarion glücklich und zog sie ganz fest an sich, „Weil wir zusammen gegen sie gekämpft haben! Die Liebe hat den Hass besiegt!“ Aleidis wollte etwas erwidern, aber ein Geräusch hielt sie davon ab.

„Was ist das?“, fragte Aleidis erstaunt und sah sich um. Plötzlich zerriss der wolkenverhangende Nachthimmel und helles Licht breitete sich über die Ebene aus! Es war kalt wie das des Mondes und doch warm wie das der Sonne! Es war auf eine merkwürdige Weise taghell! Die beiden Armeen sahen sich verwirrt um, was war jetzt auf einmal los?

Dann setzte ein ohrenbetäubenden Krachen und Knacken an. „Da!“, schrie von weit unten jemand und in den Armeen wurde es unruhig! Sie zogen etwas in Richtung ihrer Städte. Die Felsengrenze krachte und explodierte teilweise! Aleidis und Hilarion flogen so nah heran, bis es gefährlich wurde. Gigantische Felsen sprangen von den Bergen weg und auf die Ebene! Oder sie polterten hinunter an den Fuß der Berge!

„Was geschieht hier?“, schrie Endoril von weit unten als schließlich auch noch der Boden zu beben begann! „Schande!“, keuchte Aleidis und fixierte die Felsengrenze! Sie zerbröselte regelrecht in kleine Steine! Schließlich riss auch noch der Boden an der Felsengrenze auf und verschlang gierig die Reste diese imposanten Gebirgszuges. Auch die Steine auf der ebene verschwanden im Boden, doch sie sanken langsam ein und hinterließen eine kleine Mulde.

Als es vorbei war, hatte sich das Angesicht dieser Welt verändert. Die Felsengrenze war weg, und nicht nur sie! Die Berge, die diese Welt begrenzt hatten waren weit hinter den Horizont gewandert! Diese Welt musste nun in etwa die Größe der normalen Erde haben! Auf der weiten Ebene erhoben sich hin und da kleine Gebirge, große Wälder und breite Flüsse strömten durch die mit saftigem Gras bewachsenen Ebenen. Es gab auch große, weitläufige Hügel und weite Täler.

„Das ist ja der Wahnsinn!“, staunte Aleidis und landete nicht weit entfernt von Endoril, „Diese Welt war eigentlich viel größer, aber erst jetzt hab ihr die Macht über alles hier!“ „Und mein Sommerschloss ist sonst wo!“, knurrte Hilarion als er bei Aleidis landete. Aleidis grinste breit.

„Aleidis!“, rief Endoril und stürmte auf sie zu, gefolgt von seinen Kindern, seiner Frau und seinem Vater. Von der anderen Seite kam ein lautes „Hilarion!“ Dann pochten laute Rufe gegen Aleidis' Ohren. Alle riefen und schrieen durcheinander. Nach ein paar Minuten schließlich wurde es etwas stiller. „Ihr zwei habt es geschafft!“, rief Endoril noch ganz aufgeregt, „Ihr habt uns alle gerettet und diese kleine Welt zu einem Paradies gemacht!“

„Das waren wir nicht!“, erwiderte Aleidis, „Das waren die Mondgöttin und der Sonnengott!“ „Egal!“, erwiderte Hilarion's Vater, „Wichtig ist, dass ihr zwei unsere Rassen gerettet habt!!“ „He, wenn ihr mich fragt, dann muss das ordentlich gefeiert werden!“, lachte Anar. Endoril starrte seinen Sohn an und grinste plötzlich, „Gute Idee! Morgen beginnt das Fest! Sinmar, kurze Besprechung!“

Sinmar und Endoril gingen etwas weg von der Jubelgruppe und redeten miteinander. Währenddessen wurde es wieder dunkel, wie es sich für ein Uhr nachts gehörte. Nach ein paar Minuten kamen die beiden Könige wieder zurück. „Also, morgen um ein Uhr beginnt das große Fest.“, erklärte Endoril. „Und zwar genau hier!“, lachte Sinmar. Mehr sagten sie nicht.

Die beiden Armeen zogen hundemüde in ihre Städte zurück. Aleidis und Hilarion blieben noch ein wenig am Kampfplatz zurück. Sie redeten über das eben geschehene. Und nach zwei stunden trafen auch sie in ihren Städten ein. Aleidis schlief wieder im Elfenschloss. Sie sah gar nicht ein, dass sie jetzt nach Hause ging. Es reichte, wenn sie in ein paar Tage zurückkehrte. Aber wie würde es zwischen ihr und Hilarion weitergehen? Sie liebte diesen Dämon und wollte ihn nicht mehr verlieren, wie sollte es nur weitergehen?

Das Bündnis wird geschlossen

Aleidis schlief am Tag des Festes bis zur Mittagsstunde. Dann wurde sie von Anar geweckt. Er schubste sie einfach aus ihrem Bett auf den Boden! Während Aleidis sich wütend aus ihrer Bettdecke freikämpft hockte Anar auf ihrem Bett und lachte heftigst! „Das wirst du bereuen!“, rief Aleidis wütend, rappelte sich hoch und stürzte auf Anar zu! Doch der Hochelf sprang einfach nach hinten und Aleidis landete mit einem Bauchklatscher auf der Matratze.

„Warum weckst du mich so früh auf?“, knurrte Aleidis und richtete sich mühsam auf. „Entschuldige, es ist Mittag und in einer Stunde beginnt das Fest!“, erwiderte Anar und hob ein buntest Stoffbündel auf, dass er auf den kleinen Tisch neben der Türe abgelegt hatte. „Stimmt ja.“, murrte Aleidis und gähnte.

„Hier, das hat Mutter noch schnell für dich gemacht. Es müsste passen. Und es passt zum Anlass!“, meinte Anar und drückte Aleidis das Bündel in die Arme, „die Schuhe sind noch auf dem Tisch. Und in einer halben Stunde ist Abfahrt! Unten, bei den Ställen!“ Damit verschwand Anar aus Aleidis' Zimmer im Elfenschloss. Das Mädchen war reichlich verwirrt. Schließlich quälte sie sich aus dem Bett und trat vor den Spiegel. Dort faltete sie das Kleid auseinander.

Es war wirklich sehr bunt und fröhlich. Die Ärmel gingen knapp bis zur Mitte des Oberarms, waren weit und flatterig und knallorange. Der Halsausschnitt war v-förmig und gab viel von den Schultern frei. Vom Hals bis zum Gürtel auf der Taille war der Stoff sonnengelb. Der wadenlange Rock bestand aus mehreren übereinander liegenden Lagen, die verschiedene Längen hatten. Der Rockstoff war in verschiedenen Rottöne getaucht.

„Ist das nicht etwas frisch für diese Jahreszeit?“, fragte sich Aleidis während sie noch das Kleid betrachtete, „Es ist doch Januar und somit Winter!“ Dann fiel ihr Blick auf ihr Fenster. Lautlos flatterte das Kleid zu Boden als Aleidis es losließ und auf das Fenster zustürmte. Sofort war das Fenster geöffnet und Aleidis beugte sich etwas hinaus. Es war ein unglaublicher Anblick.

Die Ebene war mit frischem, grünem Gras bewachsen! Teilweise blühten bunte Blumen, die Sonne schien warm auf das Land nieder und die Temperaturen glichen denen des Frühsommers! „Nun, dass erklärt alles!“, lächelte Aleidis leise und stürmte in ihr Zimmer zurück. Innerhalb von Minuten hatte sie sich fertig gemacht. Das Kleid passte perfekt und dazu die leichten, weißen Ledersandalen. In ihre Haare hatte Aleidis noch ein paar rote, gelbe und orange Bänder eingeflochten. „Ich komme!“, dachte sie als sie sich noch einmal vor dem Spiegel drehte.

Aleidis stürmte leise singend die Treppe hinunter und rannte dabei fast Mara über den Haufen! Die Elfe trug ein grün – rotes Kleid. Zusammen liefen sie hinunter ins Herz des Schlosses. Endoril und die anderen waren schon auf dem Weg nach draußen, in den Hof zu den Kutschen.

„Dann wären wir also vollzählig!“, lachte Endoril als Aleidis und Mara schlitternd bei ihm abbremsten. Der Elfenkönig war vollkommen in hellblau und gelb gekleidet. Und jeder der anderen trug andere Farbkombinationen. Lorana, Endoril's Frau, trug ein gelbgrünes kurzärmeliges Kleid. Rina war komplett in rot und gelb gehüllt. Anar, sowie sein Vater und seine Brüder, trugen ein leichtes Hemd und eine leichte Stoffhose und leichte Schuhe. Anar war komplett grünorange, Fion in alle möglichen Gelbtöne und Aleno total in hellblau und rot gehüllt. Und Elgendo, Endoril's Vater, trug violett und gelb.

„Dann kann es ja losgehen!“, meinte Anar als sie zu den zwei Kutschen traten. Auch die Kutschen waren geschmückt, mit Blumen und Bändern. Die eine Kutsche war für Lorana, Endoril und Elgendo und die andere für Aleidis, Rina, Mara, Anar, Fion und Aleno. „Alle Leute dieser und aller anderen Elfenstädte gehen auch zum Fest!“, erzählte Anar aufgeregt, „Es ist der Wahnsinn, was in so wenigen Stunden alles geschehen kann!“

Die Fahrt zum Festplatz dauerte gut eine dreiviertel Stunde. Als sie dort ankamen staunten alle nicht schlecht. Der Festplatz war etwa so groß wie vier oder fünf Fußballfelder. Es standen Unmengen an Tischen und Bänken in Reih und Glied herum! Dazu einige Baldachine unter denen einzelne Tische waren. Die Tische standen im Rechteck um eine freie Fläche herum. In der Mitte dieser Fläche war eine Art Bühne aufgebaut, auf der Musikanten waren. Sowohl Dämonen als auch Elfen spielten zusammen auf der Bühne Musik.

„Die Tische decken sich von allein!“, erklärte Endoril als sie die Kutschen verließen, „So muss eigentlich keiner arbeiten und es gibt genug Plätze für Dämonen und Elfen!“ „Das ist wirklich toll!“, staunte Aleidis als sie sah, wie viele Feiernde schon da waren. Sie sah nur frohe Gesichter, die von ganzem Herzen strahlten. „Vater!“, rief Anar halblaut, der noch in der Kutsche stand, „Die Dämonen kommen auch schon!“

Aleidis wartete nicht auf Endoril's Antwort. Sie lief auf den Festplatz zu, sprang auf eine Bank und lief balancierend auf die Fläche in der Mitte. Dann lief sie quer über die Fläche und wieder über eine Bank, dann war sie auf der anderen Seite, wo die Dämonenkutschen gerade zum Stehen kamen. Auch die Dämonen war in fröhliche, bunte Farben gekleidet. Hilarion sprang aus der Kutsch, kaum das er Aleidis erkannt hatte. Der Dämon trug ein leichtes rotgelbes Hemd, einen violetten Gürtel und eine dunkelorange Hose. Seine leichten Stoffschuhe waren braun.

„Aleidis!“, rief Hilarion während er auf sei zustürmte. Aleidis konnte kaum den Mund öffnen, da war Hilarion auch schon bei ihr, umarmte sie und hob sie hoch. „Wir haben uns doch erst gesehen!“, lachte Aleidis als Hilarion sie wieder losgelassen hatte, „Und es scheint so, als hätten wir und Tag oder Wochen nicht gesehen!“ „Ja!“, erwiderte Hilarion auch lachend, „Da siehst du mal, wie sehr ich dich mag!“

Gemeinsam gingen Aleidis und Hilarion durch einen Gang zwischen den Tischen wieder zurück auf die Fläche. Anar winkte Aleidis von einigen Tischen unter einem der Baldachine zu. Aleidis und Hilarion kamen zu der Hochelfenfamilie. Hilarion wurde von Endoril und den anderen freudestrahlend begrüßt. Und einige Minuten später auch die Königsfamilie der Dämonen, die sich zu ihnen gesellte.

Der Festplatz füllte sich schnell und nach einigen Minuten waren alle Bänke und Tische besetzt. Und Aleidis wurde das Gefühl nicht los, dass die Bänke von selbst erschienen! Je nachdem wie viele man brauchte. Dann begannen die Musikanten fröhliche Lieder zu spielen und Speisen und Getränke erschienen auf den schweren Eichentischen. Aleidis und Hilarion langten tüchtig zu, die letzte richtige Mahlzeit lag schließlich schon etwas zurück.

Endoril und Sinmar diskutierten fröhlich drüber, wie man das neue Land am gerechtesten gegenüber der anderen Rasse und der Natur nutzen konnte. Rina, Mara und Fruna, Hilarion's jüngere Schwester, diskutierten leise flüsternd über ihre Verlobten. Und Fion, Anar, Aleno und die beiden jüngeren Brüder von Hilarion, Afenju und Loreander schlossen Freundschaft und heckten schon mal Streiche aus. Aleidis und Hilarion redeten über die vergangenen Tage, aber sie mieden es über die Zukunft zu sprechen.

Das Essen dauerte lange, bis 15 Uhr. Und dann erschienen Tabletts mit süßen Kleinigkeiten auf den Tischen und die Musikanten machten eine Pause. Einer von ihnen kam zu Elgendo und Sinmar und sprach kurz mit ihnen. Es sah aus, als würden die beiden Könige ihm Anweisungen geben. Der Elf nickte ein paar mal und ging zurück zu seinen Kollegen. „Was gab’s denn da zu flüstern?“, fragte Aleidis natürlich sofort neugierig. „Das wirst du in einigen Minuten schon erfahren.“, grinste Sinmar zurück und Endoril nickte zustimmend.

Aleidis verdrehte die Augen und sah wieder zu den anderen am Tisch. Dann ließ sie ihren Blick wandern und sah auf all die andern voll besetzten Tische. Es wurde überall viel gelacht und geredet. Dämonen und Hochelfen saßen zusammen an Tischen und unterhielten sich prächtig. Aleidis musste lächeln, all die Angst und die Verzweiflung der letzten Tage war vergessen.

Plötzlich setzte die Musik wieder ein. Und nach den ersten paar Takten verstand Aleidis, was Endoril und Sinmar mit dem Musikanten zu besprechen gehabt hatten. Dies war das Frühlingslied der Elfen. Und dazu wurde ein fröhlicher Tanz getanzt! Endoril forderte seine Frau auf und Sinmar die seine. Die zwei Königspaare gingen auf die Fläche und begannen im Takt der Musik zu tanzen.

Aleidis lächelte, als sich auch andere Paare zu ihnen gesellten, unter anderem auch Mara, Rina und Fruna mit ihren Verlobten. Einige kleine Kinder tanzten wild herum. Dämonenkinder und Elfenkinder. Es war wundervoll. Das Lied war schwungvoll und bunte Kleider flatterten.

„Dann wollen wir doch auch mal!“, flüsterte Hilarion in Aleidis' Ohr, stand auf und deutete lächelnd eine Verbeugung an. Aleidis grinste, nahm Hilarion's dargebotene Hand und folgte ihm auf die Tanzfläche. Aleidis beherrschte diesen Tanz ziemlich gut, ebenso wie Hilarion. Er trat ihr nicht auf die Füße und sie nicht auf die seinen. Aleidis genoss ihr Glück in vollen Zügen.

Nach einigen Liedern, zu denen Aleidis und Hilarion getanzt hatten, setzten sie sich wieder an den Tisch. Hilarion hielt Aleidis' Hand fest in seiner und dachte nicht daran sie loszulassen. Alle, die am Tisch gesessen hatten tanzten inzwischen. Aleidis sah glücklich zu. Sie fühlte sich federleicht und frei von allem, was einmal war. Frei wie ein Vogel im Wind.

Nach einige Zeit kamen Sinmar und Endoril zurück zum Tisch. Ihre Frauen hatten sich zu Freundinnen gesellt. Endoril's Augen strahlten voller Glück und seine Wangen waren leicht rosa. Sinmar sah ganz ähnlich aus. Die beiden setzten sich zu Aleidis und Hilarion und tranken erst einmal etwas.

„Noch vor wenigen Stunden habe ich gedacht, dass wir nie wieder feiern könnten! Und erst recht nicht den Sieg!“, meinte Sinmar, als er ein ganzes Glas Blütenwein getrunken hatte. „Mir ging es ähnlich!“, erwiderte Endoril lächelnd und wurde dann ernst. Nachdenklich musterte er Sinmar.

„Wie lange wird unser Friedensvertrag halten?“, fragte der Elfenkönig dann, „Er ist zwar auf ewig geschlossen, aber vielleicht wird er doch irgendwann gebrochen!“ „Das kann schon sein.“, murmelte Sinmar nachdenklich, „Man weiß nie, was die Zukunft bringen wird. Wenn wir uns durch ein dummes Missverständnis wieder verfeinden? Was dann?“

„Jetzt muss doch erst mal wieder eine Verbindung zwischen den beiden Rassen wachsen! Und gute Freunde sprechen miteinander!“, warf Hilarion ein, „Man kann dann darüber reden und die Wahrheit herausfinden.“ „Ja, aber es wird lange dauern, bis sämtliche Vorurteile verschwunden sind!“, erwiderte Endoril nachdenklich, „Und es wird lange dauern bis wieder ein tiefes Vertrauen zwischen und gewachsen ist. Jahrtausende voller Krieg werden nicht so ohne weiteres vergessen.“

„Vielleicht ginge es einfacher, wenn wir uns einfach verstehen müssten.“, meinte Sinmar nach einigen schweigsamen Minuten, „Wenn wir durch irgendetwas verbunden wären. Etwas, auf das keiner von uns Einfluss nehmen kann.“ „Ein Bündnis zusätzlich zu unserem Friedensvertrag.“, verstand Endoril lächelnd, „Ich verstehe, aber was für ein Bündnis?“

Aleidis bemerkte den festen Druck von Hilarion's Hand. Sie sah ihren Freund an. Er sah sie an, mit einem sehr merkwürdigen Blick. Es war, als würde er ihre Gedanken schicken und ihr erklären was er dachte. Und plötzlich verstand Aleidis. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Spinnst du?“, fragte Aleidis flüsternd. „Nein, absolut nicht! Das wäre doch das perfekte Bündnis!“, flüsterte Hilarion zurück.

Endoril und Sinmar sahen die beiden neugierig an. „Was denn?“, fragte Sinmar schließlich, als ihm das Getuschel von Aleidis und Hilarion nervte. Hilarion machte ihm ein Zeichen, dass er noch ein paar Minuten brauchen würde. Aleidis und Hilarion diskutierten flüsternd miteinander. Und schließlich gab Aleidis nach, sie wollte es ja eigentlich auch.

„Also, was jetzt?“, fragte Endoril neugierig. Er platzte fast. „Wir haben euch etwas verschwiegen.“, begann Hilarion ziemlich sicher, „Wir sind nicht „nur“ Verbündete, oder „nur“ Freunde, wir sind...“ Sinmar klappte der Unterkiefer herunter und Endoril's Augen weiteten sich. „Wir sind ein Liebespaar!“, vollendete Hilarion seinen Satz und wie zum Beweis küsste er Aleidis.

„Ich verstehe!“, flüsterte Endoril, „So ein Bündnis ist natürlich eines der stärksten überhaupt!“ „Du verstehst nur die Hälfte!“, grinste Hilarion, „Wir haben eben beschlossen, dass wir heiraten werden!“ Endoril starrte auf Hilarion, dann auf die rot gewordene Aleidis und schließlich auf Sinmar. „Aha...“, begann Endoril ziemlich verdattert. „Na dann...“, meinte auch Sinmar, „Wann denn?“

„Ihr vergesst etwas!“, warf da Aleidis ein, „Etwas, das unbedingt noch zu klären ist! Mein „Familie“ in der anderen Welt! Was ist mit diesen Leuten? Ich habe dort 17 Jahre gelebt! Wie kann ich von dort einfach verschwinden? Sie würden niemals einwilligen! Und erklären kann man denen nichts!“ „Da hab ich schon eine Idee!“, begann Sinmar, beugte sich vor und erklärte im Flüsterton was er plante.

Aleidis und Hilarion lauschten Sinmar’s Plan und langsam begeisterten sie sich dafür. Nach ein paar Minuten war alles geklärt und Aleidis und Hilarion wurden als Bündnispaar zwischen den Rassen vorgestellt und das Fest wurde noch prächtiger! Und Aleidis grinste immer wieder, wenn sie an Sinmar’s Plan denken musste.

Lebewohl

Nur zwei Tage später wurden in der magischen Welt die Vorbereitungen für die Hochzeit des Jahrtausends gestartet. Aleidis durfte mit Magie durchsichtige, magische Abbilde von Hochzeitskleidern erschaffen, die sie gerne tragen würde. Es machte ihr so viel Spaß, dass ihr manchmal die Fantasie durchging. Aber die zehn Schneiderinnen konnten sich so ein Bild von Aleidis' Geschmack machen. Und Hilarion durfte dasselbe mit seinem Gewand machen.

Und schließlich war es soweit. Es war der dritte Abend nach dem Fest. Aleidis wartete nervös im Gerten des Elfenschlosses. Sie war wieder zur Mondentochter geworden. Nervös ging sie auf und ab, wartete. Und schließlich, nach endlosen Minuten, tauchten endlich Sinmar, Endoril und Hilarion auf. Hilarion begrüßte sie mit einem Kuss, wie immer.

„Also, bist du bereit?“, fragte Endoril Aleidis mit sanfter Stimme. Aleidis nickte nervös, sie war etwas bleich. „Wir sind ja alle da, auch wenn wir zu beginn nicht zu sehen sind, aber wir sind da und helfen dir!“, ermutigte Sinmar Aleidis und Hilarion drückte sie noch einmal. Dann öffnete Aleidis ein Portal in das Schloss ihrer Familie in der Menschenwelt. Einer nach dem anderen ging hindurch.

Aleidis stand wieder in ihrem Zimmer. Langsam wanderte ihr Blick über ihr Bett, ihren Schreibtisch und ihre Bücher. Seltsam, dass alles schien gar nicht mehr ihr zu gehören, sondern jemanden, den sie nicht kannte. Und doch war sie dieser unbekannte Jemand gewesen. Endoril, Sinmar und Hilarion waren auch da, aber nicht zu sehen. Sie wollten später erst sichtbar werden.

Aleidis spürte eine leichte Berührung an der Schulter. Sie nickte langsam. „Ich gehe vor. Sie müssten alle im Esszimmer sein, normalerweise.“, sagte sie leise und öffnete die Zimmertüre, „Wir machen es ja wie geplant.“ Schweigen folgte und Aleidis wusste, dass alle da waren und sie unterstützen würden.

Aleidis hatte fast schon Schwierigkeiten das Esszimmer zu finden, es schien alles so lange her zu sein! Wie aus einer fremden Zeit. Schließlich stand Aleidis vor der schweren Eichentür in Esszimmer. Sie sah an sich herunter, sie sah wirklich etwas merkwürdig für diese Welt aus, aber das war sie! Aleidis nickte langsam, legte die Hand auf die Klinge, drückte sie herunter und drückte die Türe kraftvoll auf.

5 verwunderte Augenpaar starrten Aleidis an, als sie mit festen Schritten, entschlossenem Blick und wehendem Umhang ins Zimmer kam. „Aleidis?“, fragte ihre Mutter verwundert und starrte sie an. Aleidis blieb stehen, stolz und irgendwie eiskalt. Die rechte Hand hatte sie in die Hüfte gestemmt und die linke hing locker an ihrer Seite. „Aleidis?!“, rief ihr Vater halblaut aus und starrte sie an, „Wo hast du denn gesteckt? Du hast so viel Unterricht versäumt!“

„Schweig still!“, erwiderte Aleidis mit schneidender Stimme und fixierte ihren verblüfften Vater. „Was hast du denn da an?“, fragte Markus verwundert und musterte Aleidis. „Sieht aus wie aus einem Fantasyroman.“, meinte Martin grinsen. „Wo kommst du denn her?“, fragte Lisa da.

Aleidis sah ihre Familie einen nach den anderen an. Sie saßen immer noch am Tisch und machten keine Anstalten sich zu bewegen. „Wo ich herkomme?“, wiederholte Aleidis langsam, „Ich komme von dort, wo ich sein kann wer ich bin! Ich komme von meine wahren Familie!“

„Sag mal...“, begann Aleidis' Vater, aber sie schnitt ihm das Wort ab. „Sei still! Seid alle still und hört zu!“, sagte Aleidis laut, „Ich werde euch erzählen was ich seit Monaten erlebt habe!“ Und sie begann mit fast zorniger Stimme zu erzählen.

Aleidis erzählte von den Banditos, die ihr Vater nicht ernst genommen hatte.

Sie erzählte von ihrer ersten Begegnung mit Anar und der Elfenwelt.

Von Endoril, der sie als Nachfahrin seiner Schwester erkannt hatte.

Davon, dass sie eine mächtige Kriegsmagierin im Zeichen des Mondes war.

Von dem Krieg zwischen Dämonen und Elfen.

Von ihrer Rolle in diesem uralten Krieg.

Sie erzählte von Hilarion, dem Sonnensohn.

Von den Rachegeistern, die ihre neue Heimat vernichten wollten.

Von ihrer Freundschaft, ihrer Liebe zu Hilarion.

Davon, wie sie den Krieg zwischen Elfen und Dämonen verhindert hatten und dafür den Krieg gegen die Rachegeister begonnen hatten.

Und von ihrem Entschluss Hilarion zu heiraten und auf ewig in der magischen Welt zu bleiben.

Ihr Vater hatte sie immer wieder unterbrechen wollen. Aber jedes Mal hatte Aleidis ihn mit einer Handbewegung zum schweigen gebracht. Als sie nun fertig mit erzählen war herrschte kurze Zeit stille. Dann begann ihr Vater zu lachen und die anderen stimmten ein. „Vielleicht solltest du neben Rechtsanwältin auch noch Autorin werden!“, prustete ihr Vater atemlos, „Diese Geschichte ist nämlich wirklich gut! Die beste, die ich bisher gehört habe!“

Aleidis schweig und drehte den Kopf leicht nach rechts. „Ich habe es dir gesagt! Sie werden mir nie glauben!“, sagte sie ins Leere. Ihre Familie verstummte. Plötzlich erstrahlte rechts von Aleidis ein helle Licht und Endoril erschien. Groß und königlich, stolz und mit wütend funkelnden Augen.

„Tochter, du hast Recht gehabt!“, grollte er und fixierte Aleidis' Vater, „Sie werden dich freiwillig nicht gehen lassen, diese Ignoranten!“ „Guter Trick!“, lobte Ludwig grinsend. „Seid Ihr bloß still!“, sagte Endoril mit wütender Stimme und sah Ludwig an, „Ihr seid der Schlimmste dieser Familie! Ihr seid ein grausamer Tyrann, der sich vernichtet gehört!“

„Sind Sie total blöd?“, rief Ludwig, stand auf und ging wütend auf Endoril zu, „Ich kann Sie einsperren lassen! Und was fällt Ihnen ein meine Tochter ihre Tochter zu nennen! Ich kann bestimmen was sie macht!“ „Schweig still elender Wurm!“, sagte Endoril mit leiser bedrohlicher Stimme, „Ihr habt hier nichts mehr zu melden! Ihr nicht! Und Eure Familie auch nicht!“

Ludwig verstummte. Endoril's Wut schien wie Hitze aus seinem Körper auszutreten. Er schien auch noch zu wachsen und seine Augen waren verengt und durchbohrend. Ludwig wich zurück und schlich auf seinen Platz. „Gut gesprochen Freund!“, ertönte da Sinmar’s Stimme und mit einem Donnerschlag erschien auch der Dämonenkönig im Esszimmer.

„Aleidis wird hier nicht bleiben!“, verkündete Sinmar, „Sie wird mit uns in die magische Welt kommen und dort mit meinem Sohn das ewige Bündnis eingehen! Und ihr werdet nichts dagegen tun können!“ Aleidis' Mutter sah Sinmar an und tippte sich an die Stirn. Aber der Dämon sah es. Er fixierte die Frau und seine Augen wurden feuerrot vor Wut und Zorn.

Aleidis spürte regelrecht, wie ihre Mutter kleinlaut wurde und Angst bekam. Und es war für sie selbst eine Genugtuung. „Weswegen ich eigentlich gekommen bin ist, dass ich euch sagen wollte, das ich euch alle nicht mehr als Familie akzeptiere!“, begann Aleidis, von Sinmar und Endoril flankiert, „Ihr habt eure Chance vertan und könnt mich auch nicht mehr zurückbekommen! Ich habe eine neue Familie gefunden! Endoril akzeptiere ich als neue Vater und Sinmar als Schwiegervater!“

„Und ich werde ihr Mann!“, kam da Hilarion Stimme aus dem Nichts und der Dämon tauchte aus einer meterhohen Feuersäule auf. Aleidis' Mutter und ihre Schwester kreischten leise. Hilarion schlang seinen Arm um Aleidis' Taille und nahm mit der freien Hand ihre.

„Spinnt ihr alle nun komplett?“, brüllte Ludwig ohnmächtig, „Ich glaube nichts von alledem! Ihr seid verrückt, ihr alle!“ Aleidis sah ihren Vater an. Mit dieser Reaktion hatte sie gerechnet.

„Es ist sinnlos!“, meinte Aleidis gleichgültig, „Ich habe euch die Chance gegeben mit zu glauben! Ihr habt die Chance gehabt mich gehen zu lassen, aber ihr habt sie soeben verspielt! Und damit habt ihr mich verloren!“ „Aber Kind!“, begann da Aleidis' Mutter mit weinerlicher Stimme, „Wir lieben dich doch! Wir wollten nur das Beste für dich! Du wirst doch nicht mit diesen Irren mitgehen!“

„Ihr wolltet nur das Beste für euch!“, erwiderte Aleidis eiskalt, „Ihr habt mich nur solange geliebt, wie ich euch gehorcht habe! Aber das tue ich nun nicht mehr!“ „Aleidis! Du wirst mir gehorchen!“, grollte Ludwig und wollte aufstehen, aber er konnte nicht. Aleidis hatte ihn mit einem Eiszauber gelähmt.

„Aleidis, Hilarion, Sinmar, wir gehen. Es ist hoffnungslos bei diesen Ignoranten!“, sagte Endoril wütend, „Ihr habt euch selbst abgeschossen!“ Aleidis, Hilarion und Sinmar nickten dem Elfenkönig zu und hielten sich an den Händen. Endoril griff nach Hilarion's Schulter und begann einen Zauber zu wirken.

Licht erstrahlte aus Endoril's Körper als er all seine magische Kraft bündelte und in diesen einen Zauber steckte. Dann gab er eine bunte Lichtexplosion und die viel flogen durch einen Wirbel aus Formen und Farben. „Hat es geklappt?“, fragte Aleidis hoffnungsvoll. „Ja, hat es!“, erwiderte Endoril, „Deine Familie und alle die dich gekannt haben, haben dich vergessen und du bist von allen Listen, Urkunden und Fotos gelöscht worden! In der Menschenwelt hast du nie existiert!“

„Aber dafür existiere ich ab jetzt nur noch in der magischen Welt!“, rief Aleidis freudig aus. „Ja!“, lachte Sinmar, „Willkommen! Willkommen in deiner neuen Heimat!“ Aleidis war einfach nur glücklich, sie hatte das, was sie hasste verlassen und befand sich nun auf dem Weg in etwas, dass sie liebte und nie wieder verlassen wollte.

„Ich habe ihnen die Chance gegeben mich gehen zu lassen!“, dachte Aleidis als sie Arm in Arm mit Hilarion durch das Licht schwebte, „Sie wollten mich nicht mein Leben, dass ich leben wollte, leben lassen! So musste ich Lebewohl sagen und Endoril mich aus ihren Hirnen löschen! Aber so wie es jetzt ist, ist es gut! Ich werde Hilarion heiraten und leben wie ich schon immer wollte!“

Die vier erreichten den Garten von Endoril's Schloss und wurden dort von Sinmar’s und Endoril's Familie freudig empfangen. An diesem Abend wurde Aleidis hochoffiziell in die magische Welt aufgenommen. Es gab noch ein kleines, familieninternes Gartenfest, bei dem gleichzeitig auch noch die Liebe zwischen Hilarion und Aleidis gefeiert wurde.

Aleidis fühlte sich endlich frei! Frei wie noch nie zuvor in ihrem Leben! So sollte es für immer bleiben!

Vorbereitungen

Die folgenden vier Wochen sahen sich Aleidis und Hilarion nicht. Sie durften sich laut der Tradition der Hochzeit nicht sehen. Aleidis merkte nun erst, wie sehr sie ihn liebte. Jeder Tag ohne ihm schien ewig zu dauern. Sie wurde in diesen vier Wochen im Schloss der Elfen auf die Trauung vorbereitet. Diese Ausbildung hatten Endoril und Lorana übernommen.

Jeden Abend übte Aleidis noch einmal das Eheversprechen, und jedes Mal meldete sich ihre grenzenlose Aufregung. Sie wusste nicht, wann ihr Kleid kam! Sie wusste nicht, was Endoril und Lorana für ihre Hochzeit geplant hatten! Und diese Ungewissheit steigerte ihre Aufregung nur noch mehr.

Und in der Woche vor ihrer hochzeit überschlugen sich die Dinge fast. Es war Montag morgens und Aleidis schlief noch. Doch plötzlich begann ihr Bett zu wackeln und Aleidis hüpfte auf und ab! Sie riss die Augen auf und sah Mara, die auf ihrem Bett herumsprang und dabei rief „Steh auf!! Aufwachen!“ „Bin ich doch schon!“, rief Aleidis und floh aus dem Bett um nicht seekrank zu werden. Mara hüpfte noch einmal hoch und landete im Schneidersitz auf der Matratze. Doch plötzlich knackte und krachte es und Mara sank samt Matzratze in den Bettrahmen!

„Mein Bett!“, schrie Aleidis entsetzt und stürmte darauf zu, „Du hast den Lattenrost kaputtgesprungen!“ „’tschudigung, Aleidis!“, grinste Mara verwirrt und kletterte aus dem Bettrahmen heraus, „Ich wollt dein Bett nicht kaputtmachen, sondern dich einfach nur aufwecken!“ „Entschuldigung akzeptiert, wenn du dich darum kümmerst, dass ich heute Nacht nicht auf dem Boden schlafen muss!“, grinste Aleidis und gähnte. Sie war doch etwas zu plötzlich wach geworden.

„Warum bist du eigentlich so früh gekommen?“, fragte Aleidis und wandte sich ihrem Kleiderschrank zu. Sie zog das Kleid heraus, das Hilarion ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Während Aleidis sich umzog erklärte Mara ihr kommen und besah sich den Schaden an Aleidis' Bett.

„Nun, in einer Stunde kommen die Schneiderinnen und bringen das Kleid zur Anprobe. Und bis dahin musste du gegessen haben.“, begann Mara zu erklären, „Mitten durchgebrochen! Ja, und nach der Anprobe will Vater die etwas ganz wichtiges zeigen. Alles hin! Ich hab aber keine Ahnung, was er dir zeigen will! Es muss aber irgendetwas wichtiges sein und vermutlich wird es bis zum Abend dauern. Frag mich nicht! Das kann man nicht mehr reparieren! Verdammt! Man muss alles neu machen! Ja, auf jeden Fall wird die Woche etwas stressiger als die letzten frei!“

„Ja, hab ich schon gemerkt!“, grinste Aleidis keck, „Du hast nämlich mit der Verschrottung meines schönen Bettes angefangen! Irrreparabel, hast du gesagt?“ „Ja, nichts mehr zu retten!“, erwiderte Mara und deutete auf den zersplitterten Lattenrost im Bettrahmen, „Aber bis heute Abend sollte es wieder in Ordnung gehen.“ „Ich hoffe es! Ich hab keine Lust auf einer Matratze auf dem Boden zu schlafen!“, lächelte Aleidis und begann ihre Haare zu kämmen.

Die Stunde bis zur Anprobe ihres Kleides verging schneller als gedacht. Kaum hatte Aleidis etwas gegessen holte Mara sie auch schon ab um das Kleid anzuziehen. Aleidis stand in ihrem Zimmer auf einem kleinen Hocker, die Arme zur Seite ausgestreckt. Das Kleid war von extrem hellem, strahlendem Weiß. Es war komplett schulterfrei, und hatte keine Ärmel und auch keine Träger. Es war wie eine Coursage am Oberkörper. Um die Taille war ein breites extrem hellblaues Band genäht, dass hinten eine große Schleife bildete. Der Rock war zwar weit, aber nicht so weit, dass Hilarion, wenn er neben ihr ging, darauf treten würde.

Die Säume an Brust und Rocksaum waren mit winzigen, durchsichtigen glitzernden Steinchen bestickt. Von der rechten Seite des Oberkörpers über die Hüfte hinunter und auf die rechte Seite des Rockes rankte sich eine gestickte blau grün violette Fantasieranke mit zart roséfarbenen Blüten, in die ebenfalls glitzernde Steinchen eingestickt waren.

An den Armen hatte Aleidis oberarmlange Handschuhe an. Die jedoch hatten keine Hände, sondern endeten am Handgelenk, wie Stulpen. An der Handoberseite verliefen die Stulpen nach vorne zum Mittelfinger, wo sie an einem einfachen, silbernen Ring befestigt worden waren. Diese Stulpen waren ebenfalls mit den Fantasieranken bestickt, wie auch der hauchfeine Schleier, der in Aleidis' Haaren befestigt wurde.

Mara ging um Aleidis herum, besah sich die Nähte und sah nach, wo etwas nicht passte, oder einfach nicht richtig verarbeitet worden war. „Mara, meine Arme werden schön langsam taub!“, meinte Aleidis und versuchte ihre Arme vor dem Einschlafen zu bewahren. „Ja, ich hab’s gleich!“, erwiderte Mara und tastete Aleidis' Taille ab, um festzustellen, ob dort der Stoff sich auch richtig an ihren Körper schmiegte und keine hässlichen Falten warf.

„Gut, alles klar.“, meinte Mara und gab Aleidis ein Zeichen, dass sie die Arme senken konnte. Aleidis senkte erleichtert die Arme und dehnte und reckte die Schultern und Arme ein wenig. Die Anprobe war wirklich anstrengender als gedacht. Mara winkte die Schneiderinnen heran und zeigte ihnen, was sie zu bemängeln hatte. Die zwei Elfenfrauen in einfachen grünen Kleidern nahmen Mara's Kritik auf und steckten die Änderungen am Kleid ab.

„Ich muss sagen Aleidis, du hast einen guten Geschmack, was Kleider im Allgemeinen betrifft!“, meinte da die Stimme von Endoril von der Türe her. Der Elfenkönig kam lächelnd herein und musterte Aleidis. Er trug eine braune Lederhose, schwarze Stiefel und eine bläuliche Tunika und über dem Arm einen roten Umhang.

„Vater, was machst du hier?“, fragte Mara und drehte sich zu ihrem Vater um, während die Schneiderinnen noch mit Aleidis' Kleid beschäftigt waren. „Ich wollte sehen, ob Aleidis schon fertig ist!“, erwiderte Endoril schulterzuckend, „Du weißt ja, dass ich ihr etwas zeigen will und ihre Meinung in sehr, sehr vielen Fragen brauche!“ „Ich hab keine Ahnung, wann ich fertig bin!“, rief Aleidis von ihrem Hocker, „Ich hatte ja auch keine Ahnung, wie anstrengend so eine Anprobe ist!“

Endoril lachte, „Dann warte ich einfach in der Eingangshalle auf dich!“ „Gut, kann sich ja nur noch um Stunden handeln!“, erwiderte Aleidis. „Übrigens, du solltest was eher praktisches anziehen, wir müssen ziemlich viel laufen!“, meinte Endoril beim Hinausgehen noch. Aleidis nickte und hob dann auf Geheiß einer der beiden Schneiderinnen die Arme hoch über den Kopf, damit sie seitlich des Brustkorbes eine Naht abstecken konnte.

Nach einer guten Stunde hatte es Aleidis überstanden. Sie quälte sich mit Mühe aus dem Kleid mit dem engen Oberkörperteil heraus und zog sich dann erleichtert um. Einfache blaue Stoffhose, leichte Frühjahrschuhe und eine weiße Tunika. Mara besah sich noch einmal Aleidis' zerstörtes Bett und verließ dann Aleidis' Zimmer mit einem Kopfschütteln. Aleidis nahm sich einen leichten Sommerumhang und ging durch das Schloss zu Endoril in die Eingangshalle.

Endoril saß auf einem Fensterbrett und wartete geduldig. „Da bin ich!“, lachte Aleidis, nachdem sie sich von hinten an Endoril angeschlichen hatte. Endoril zuckte zusammen und wirbelte zu Aleidis herum. „Es hat sich wirklich um Stunden gehandelt!“, grinste der Elfenkönig und stand auf, „Dann wollen wir mal los! Wir müssen mit meinem Streitwagen fahren, die Kutschen sind beim Herausputzen.“ „Gut!“, erwiderte Aleidis zufrieden.

Im Hof des Schlosses stand bereits ein feuerroter Streitwagen bereit. Ein großer, temperamentvoller Rappe war davor gespannt worden. Endoril kletterte in den Streitwagen und zog dann Aleidis zu sich hinauf. „Ich warn dich lieber mal vor, halte dich so gut wie nur möglich fest!“, meinte Endoril und nahm die Zügel in die Hände. Aleidis gehorchte und hielt sich fest, nur um dann noch fester zuzugreifen als Endoril das Pferd lospreschen ließ.

Nach wenigen Meter verloren die metallbeschlagenen Reifen Bodenhaftung und der Wagen schoss, einen roten Funkenschauer hinter sich, hinauf in den Himmel. Aleidis krallte sich fest an die Gerüststange und starrte fasziniert hinunter auf die endlose Welt, die sich dort erstreckte. Nach einer guten halben Stunde deutete Endoril nach vorne.

„Da vorne!“, rief der Elfenkönig, „Das will ich dir zeigen!“ Aleidis sag in die angezeigte Richtung und staunte nicht schlecht. Ein gigantische Felsen schwebte gut 100 Meter über dem Boden in der Luft. Und auf diesem Felsen stand ein schneeweißes Schloss, dass hell in der Sonne leuchtete. „Ein Schloss?“, rief Aleidis verblüfft. „Ja, euer Schloss! Sinmar und ich haben es für dich und Hilarion bauen lassen!“, erwiderte Endoril und ließ das Pferd langsamer werden, „Ihr zwei braucht ja auch ein eigenes Nest, wenn du so willst!“

Endoril ließ seinen fliegenden Streitwagen vor dem großem Schlossportal landen und führte Aleidis stolz durch das Schloss. Jetzt wurde auch klar, wofür er ihre Meinung brauchte, für die Einrichtung! Was für Möbel, welche Holzart. Und war für Vorhänge und noch jede Menge anderer Kleinigkeiten wollte Endoril von Aleidis wissen. An diesem Tag stellte Aleidis fest, das heiraten doch nicht so einfach war, wie sie immer gedacht hatte.

Aber das Beste war, dass Mara es geschafft hatte Aleidis ein neues Bett zu besorgen. „Und wehe, wenn du mich noch einmal als Känguru aufweckst!“, hatte Aleidis lachend gedroht, als Mara ihr das neue Bett gezeigt hatte.

Der Stress ging die ganze Woche noch weiter. Am Dienstag musste sie noch einmal das Kleid anprobieren. Es passte nun schon ganz gut und so konnte mit den Feinarbeiten begonnen werden. Die Stickerei sollte noch feiner ausgearbeitet und mit Edelsteinen besetzt werden.

Am gleichen Tag musste Aleidis noch gut 50 detailreiche Zeichnungen von Ketten, Diademen, Ringen und Armbändern durchsehen. Sie musste sich eine Kette, ein Diadem, zwei Ringe und zwei Armbänder aussuchen. Und das war schwieriger als gedacht, eine Zeichnung war schöner als die andere. Aleidis saß Stunden in ihrem Zimmer und sah sich die Zeichnungen durch, schließlich hatte sie sich entschieden. Eine Kette, die aussah wie eine silberne Efeuranke mit kleinen Diamanten. Ein Diadem mit blassblauen Diamanten gefasst von Silber, das aussah wie Rosen. Die Ringe waren schlicht, mit blauen Tautropfen besetzt und die Armbänder ähnelten Rangen mit Blüten bewachsen.

Von Mittwoch bis Samstag beschäftigte sich Aleidis dann mit der Einrichtung des Schlosses, das Sinmar und Endoril gebaut hatten. Und am Samstagabend begannen Mara und Rina Aleidis vorzubereiten.

Mara und Rina entführten Aleidis schon am späten Nachmittag in ihr eigenes, tennisfeldgroßes Badezimmer. Die große, silberne Badewanne wurde mit heißem Wasser und duftendem Schaum gefüllt. Während Rina schon verschiedene Kämme, Bürsten, Scheren und anderes vorbereitete kümmerte sich Mara um Aleidis. Die saß in der Badewanne, hielt sich am Rand fest und hatte die Augen zugekniffen.

Mara hatte Aleidis eine Art Ölshampoo über den Kopf gegossen und wusch ihr nun die Haare. Dabei lief viel von dem Schaum in Aleidis' Augen und auch in ihre Nasse und den Mund. „Dagegen ist ein Kampf ja gar nichts!“, keuchte Aleidis und hustete, weil sie schon wieder Schaum in den Mund bekommen hatte. „Aber man heiratet ja auch nicht alle Tage!“, erwiderte Mara und ließ endlich von Aleidis ab.

Die setzte sich auf und schob sich vorsichtig die Haarsträhnen aus dem Gesicht und rieb sich die Augen. Und im nächsten Augenblick wurde ihr ein Eimer Wasser über den Kopf gegossen! Hustend und prustend rieb sie sich wieder die Augen und ein weiterer Eimer folgte und brachte die Badewanne zum Überlaufen! Das Wasser floss über den gefliesten Boden und floss in Rinnen, die im Boden an den Wänden waren und das Wasser nach draußen brachten.

„Habt ihr zwei es endlich?“, fragte Rina ungeduldig und zerrte ein großes Handtuch aus dem Schrank. „Ja, fertig!“, erwiderte Mara, nahm das Handtuch entgegen, hielt es hoch und wickelte es um Aleidis als die sich aus dem Wasser erhob. „Zum Glück endlich fertig!“, meinte Aleidis erleichtert, als sie aus der Badewanne kletterte.

Rina drückte Aleidis auf einen Stuhl vor einem großen Frisiertisch und begann ihr mit einem kleineren Handtuch die Haare ordentlich durchzurubbeln. Als Aleidis Haare wenigstens etwas trockener waren ließ es Rina gut sein und begann die Haare zu kämmen. Die Spitzen wurden fransig geschnitten, ebenso wie der Pony. Und am Ende drehte Rina Aleidis' Haare noch so zusammen, dass sie am nächsten morgen große Locken ergaben.

Und am Sonntag war es endlich so weit. Aleidis wurde Frühmorgens geweckt, aber ohne dass ihr Bett zu Bruch ging. Mara und Rina brachte Aleidis zu allererst das Frühstück. Aleidis hatte zwar keinen großen Hunger, aber sie musste etwas essen. „Wenn du jetzt nichts isst, dann wirst du heute bei der Trauung bestimmt zusammenklappen! Da bin ich mir sicher!“, meinte Rina besorgt, als Aleidis nur wenig aß. „Na ja, dann ess ich eben etwas mehr!“, erwiderte Aleidis lächelnd, „Ich will ja meine eigene Hochzeit nicht verpassen!“

Nachdem Aleidis gefrühstückt hatte brachte Mara ihr das Kleid. Es ähnelte einem Traum aus 1001 Nacht. Die Rankenmuster schienen durchsichtig, wie aus Wasser gesponnen. Aleidis war es inzwischen gewohnt das Kleid anzuziehen und daher ging das Einkleiden recht schnell.

Nachdem sie das Kleid anhatte machte Rina ihr die Haare. Die Lockenwickler wurden herausgenommen und Rina verreib ein golden schimmerndes Öl in Aleidis' Haaren. Jetzt fielen sie leicht und wie Gold glänzend auf Aleidis' Schultern. Rina flocht das Diadem kunstvoll in Aleidis' Haare ein und befestigte dann mit einigen Spangen und Klammern den fließenden Schleier an ihrem Kopf.

Mara legte Aleidis inzwischen die Armbänder, die Kette und die Ringe an. Mara kümmerte sich auch um das Make-up von Aleidis. „Ich tu nur wenig drauf.“, meinte Mara nachdenklich und zog eine Dose hervor. Aleidis bekam silbern schimmernde Augenlider, leicht goldene Lippen und einen zarten Rougeschleier auf den Wangen. Schließlich, um 10 Uhr, eine Stunde vor der Trauung war Aleidis fertig! Strahlend drehte sie sich um sich selbst. Sie war jetzt einfach nur glücklich!

Der Schönste Tag

Aleidis zupfte nervös an ihrem Rosenstrauß herum. In wenigen Minuten würde Endoril sie in ihrem Zimmer abholen und nach unten, zur Kutsche, bringen. Und dann ging es zu dem Platz auf der Ebene, wo eine Kathedrale aus Licht erschaffen worden war, nur für die Hochzeit. Aleidis platzte fast vor Aufregung, wie lange es wohl noch dauerte, bis Endoril endlich kam.

Da klopfte es an der Türe. Aleidis fuhr zusammen und ihre Strauß fiel zu Boden! „Herein!“, rief sie, bückte sich und hob ihren Strauß wieder auf. Die Türe öffnete sich und Endoril kam herein. Seine Augen strahlten und er sah ebenfalls glücklich aus. „Und? Bist du bereit für den großen Tag?“, fragte er lächelnd und reichte Aleidis die Hand. „Ja, bin ich und ich bin furchtbar aufgeregt!“, erwiderte Aleidis und stand auf. „War ich bei meiner Hochzeit auch!“, lächelte Endoril und führte Aleidis hinunter zu der mit Rosen geschmückten Kutsche.

Mara und Rina standen auch dort, sie hatten sich umgezogen und trugen nun roséfarbene Kleider und Blumen im Haar. „Wir sind die Brautjungfern!“, rief Rina als sie Aleidis sah. Aleidis lachte und fühlte sich sofort etwas freier und nicht mehr so angespannt.

Endoril, Mara, Rina und Aleidis setzten sich in die Kutsche, Endoril's Vater Elgendo fuhr die Kutsche zum Schlosshoftor hinaus und durch die Stadt, die wie leergefegt war. „Die sind alle schon auf der Ebene!“, erklärte Rina auf Aleidis' Frage hin. Aleidis lächelte, wenn alle Elfen und alle Dämonen anwesend wären, dann war das wirklich die Hochzeit des Jahrmillions!

Es dauerte gar nicht lang und die Kutsche erreichte die Ebene. Aleidis' Augen weiteten sich erstaunt und überrascht. Es war ein wirklich unglaublicher Anblick!

Mitten auf der ursprünglichen Ebene erhob sich eine gigantische Kathedrale aus Licht geformt. Aleidis schätzte ihre Grundfläche auf etwa vier Fußballfelder. Und in dieser Kathedrale standen, in feierlichen hellen Gewändern, alle Elfen und Dämonen. Und ganz in der Mitte der Kathedrale war ein etwa ein einhalb Meter hohes Podest, auf dem Aleidis Hilarion erkennen zu glaubte.

Die Kutsche hielt auf einer der kürzeren Seiten der Kathedrale und alle Gesichter wandten sich zu Aleidis. Die atmete einmal tief durch und stand dann auf. Rina und Mara hatten die Kutsche schon verlassen und warteten davor auf Aleidis. Endoril kletterte aus der Kutsch und reichte Aleidis die Hand. Mit dem Strauß roter Rosen in der Hand ergriff Aleidis mit der freien Hand Endoril's Hand und ließ sich von ihm aus der Kutsche helfen.

Mara und Rina gingen mit Wildblumensträußen vorweg und dahinter Endoril und Aleidis. Endoril führte Aleidis wie ein Vater seine Tochter zum Altar auf dem Podest. Als Aleidis die Kathedrale betrat setzte ein herrlicher, reiner und klarer Gesang ein! Und dazu Geigen und Klavier. Irgendwo musste ein Chor sein!

Kaum hatte Aleidis drei Schritte in Richtung Podest gemacht ertönte unter dem Gesang noch ein leises Rascheln und es regnete von der Kathedralendecke rote und roséfarbene Rosenblätter auf die herab. Aleidis fühlte sich wie in einem Traum! Die Blätter glitten über ihren Schleier, ihren Rock und ihre Arme.

Aleidis' Augen richteten sich auf Hilarion, der vorne auf dem Podest stand. Er strahlte ihr entgegen. Er trug eine extrem hellblaue Tunika, eine weiße Hose und schwarze Stiefel. An der Tunika war ein hüftlanger Umhang aus Seide befestigt. Er sah wirklich noch hübscher als sonst aus.

Während Aleidis in Richtung des Podestes ging fiel ihr auf, wie alle Augen ihren Bewegungen folgten. Eines merkte sie deutlich: Sie gehörte nun hierher und nirgendwo anders hin! Hier spielte ihr Leben! Für heute und für immer!

Endlich erreichten die den Altar. Rina und Mara gingen nach links und rechts und blieben auf der untersten Treppe des Podestes stehen. Endoril führte Aleidis die Treppe hinauf und ließ sie oben los. Aleidis wechselte den Blumenstrauß von der linken in die rechte Hand und legte die linke Hand in Hilarion's dargereichte rechte. Der Dämon lächelte und hielt Aleidis' Hand fest in der seiner.

Aleidis lächelte Hilarion glücklich an, dann sah sie auf den Priester, der sie trauen sollte. Endoril und Sinmar standen hinter ihm. Auch die beiden schienen sehr glücklich zu sein. Der Priester, komplett in grün und rot gehüllt, lächelte weise und sah zuerst auf Aleidis dann auf Hilarion.

„Verehrte Familien und Freunde dieses Paares!“, begann der Priester mit lauter, salbungsvoller Stimme, „Wir hatten schon vor einem Mond etwas zu feiern, den Frieden und die Freundschaft zwischen den Rassen. Und nun wird ein Bündnis geschlossen, dass die Freundschaft noch mehr vertiefen wird. Aber in allererster Linie verbinden sich damit zwei Herzen, die wie eines schlagen.“ Der Priester machte ein Zeichen, dass man sich setzen durfte. Aleidis und Hilarion setzten sich auf die beiden Lichthocker, die hinter ihnen auf dem Podest standen.

Der Priester hielt eine lange, emotionale Predigt, von der Aleidis und Hilarion kaum etwas mitbekamen, sie waren zu aufgeregt. Aleidis bemerkt, dass auch Endoril und Sinmar nervös waren. Endoril wippte mit dem Fuß und Sinmar spielte mit seinen Fingern herum. Schließlich kam endlich der wichtigste Teil!

Aleidis und Hilarion stand in der Mitte des Podestes. Mara stand mit einem Kissen bei Aleidis und Rina stand mit Kissen bei Hilarion. Aleidis hatte ihren Blumenstrauß auf ihren Hocker gelegt um freie Hände zu haben. Hilarion hielt Aleidis' rechte Hand in seiner rechte Hand. Die linken Hand hielt er an sein Herz.

„Ich, Hilarion, will in Liebe zu dir, Aleidis, stehen. In guten, wie in schlechten Zeiten. In Freud und Leid, in Glück und in Trauer will ich treu zu dir stehen.“, sagte Hilarion mit leicht zittriger Stimme, „Deine Tränen will ich trocknen und dein Glück noch mehr stahlen lassen. Und so bitt ich dich mit diesem Ring zu werden mein!“ Damit schob Hilarion Aleidis einen goldenen Ring mit eingravierter Blumenranke und kleinen Rubinen an den rechten Ringfinger. „Dein möchte ich sein, dein möchte ich bleiben, bleiben für immer!“, antwortete Aleidis und nahm nun ihrerseits Hilarion's rechte Hand in ihre linke.

„Ich, Aleidis, will in Liebe zu dir, Hilarion, stehen. In guten, wie in schlechten Zeiten, in Freud und Leid, in Glück und in Trauer will ich treu zu dir stehen.“, sagte Aleidis aufgeregt, „Deine Tränen will ich trocknen und dein Glück noch mehr stahlen lassen. Uns so bitt ich dich mit diesem Ring zu werden mein!“ Damit schob Aleidis Hilarion einen einfacheren goldenen Ring mit Rubinen an den rechten Ringfinger.

„Wollt ihr treu auf ewig zueinander stehen und den anderen niemals im Stich lassen? Wollt ihr Freud und Leid zusammen erleben? Wollt ihr den anderen immer lieben und ewig bei ihm bleiben?“, fragte der Priester, den Aleidis und Hilarion fasst vergessen hätten. „Ja, ich will!“, erwiderte Hilarion. „Ja, ich will!“, erwiderte auch Aleidis. „Somit erkläre ich euch für Mann und Frau!“, sagte der Priester und noch bevor er die Genehmigung erteilen konnte, küsste Hilarion auch schon Aleidis!

Die Anwesenden erhoben sich und klatschten! Von oben regneten wieder Rosenblätter und der Gesang setzte wieder ein. „Viel Glück euch beiden!“, meinte der Priester lächelnd und ging etwas zur Seite, da Endoril und Sinmar zu Aleidis und Hilarion kamen. „Und jetzt geht’s wieder zum Festplatz!“, meinte Endoril und blinzelte eine Träne weg. „Die Kutsche für euch beide wartet schon draußen!“, erklärte Sinmar schluckend, „Die Pferde wissen wohin, ihr müsst nur einsteigen!“

Aleidis und Hilarion sahen sich an. „Lauft schon!“, grinste Endoril. Hilarion nickte, drehte sich um und wartete auf Aleidis. Die nahm ihren Blumenstrauß und nahm dann Hilarion's Hand. Noch einmal sahen sie sich an und dann liefen sie los! Sie liefen lachend den Gang entlang und die Elfen und Dämonen jubelten. Hand in Hand stürmten Aleidis und Hilarion aus der Kathedrale und kletterten in die weiße Kutsche! Die Pferde wieherten und galoppierten los! Ihnen folgten nur Minuten später alle anderen Gäste und Familienmitglieder.

Es wurde ein wahrlich gelungenes Fest. Es gab jede Menge zu Essen und es wurde viel getanzt. Aleidis und Hilarion bekamen Unmengen an Geschenken und Beglückwünschungen. Aleidis und Hilarion tanzten immer und immer wieder, sie konnten kaum von einander lassen. Aber leider geht jeder Tag und auch jedes Fest zu Ende. Und der Abend brach an.

Aleidis und Hilarion packten ihre Geschenke alle in die Kutsche, die sie von Endoril geschenkt bekommen hatten. „Dann fahren wir also zu unserm Schloss!“, lächelte Hilarion, während sie einpackten. „Genau!“, erwiderte Aleidis lächelnd. Es wunderte sie nicht, dass er auch von ihrem neuen Zuhause wusste. „Na, ihr zwei, ihr wollt schon gehen?“, meinte Endoril als Aleidis und Hilarion sich bei ihm abmeldeten. Aleidis und Hilarion nickten.

„Aleidis, du musst aber unbedingt noch den Brautstrauß werfen!“, rief Rina, die es gehört hatte, „Unbedingt! Ich hole ein paar Mädchen!“ „Na gut!“, lächelte Aleidis und ging mit Hilarion in die Mitte des Festplatzes. Rina, Mara, Fruna und gut 20 andere Mädchen stellten sich auf, bereit Aleidis' Strauß zu fangen. Aleidis drehte sich mit dem Rücken zu ihnen, warf einen Blick zurück und warf den Strauß über ihren Kopf nach hinten. Eine Cousine von Hilarion hatten den Strauß mit einem Hechtsprung gefangen und war auf dem Boden gelandet.

Aleidis und Hilarion liefen zu ihrer Kutsche und kletterten vorne auf den Kutschbock. Die noch anwesenden Dämonen und Elfen jubelten, als Hilarion den großen, weißen Pegasus losgaloppieren ließ. Die Kutsche donnerte ein paar Meter über die Ebene und flog dann hoch hinauf in den Himmel in Richtung ihres Schlosses. Aleidis und Hilarion drehten sich noch einmal um und winkten.

Jetzt waren sie verheiratet und waren sich sicher, dass sie auf jeden Fall für Frieden zwischen ihren Rassen sorgen wollten.

Die Jahre zogen ins Land und die Dämonen und Elfen besiedelten die komplette neue Welt. Aus dem anfänglich erzwungenen Friedensvertrag war ein freiwilliger Frieden geworden und nun bestand Freundschaft zwischen den Rassen. Sie hatten miteinander geredet. Hatten Fragen gestellt und geantwortet und sich so besser kennen gelernt. Und wenn es ein Missverständnis gab, so wurde das mit Worten und nicht mit Waffen ausdiskutiert. Und das geschah durch den Sonnensohn und die Mondentochter, die sich nicht an die Tradition gehalten hatten, sondern ihren eigenen Weg gegangen waren und auf ihm blieben.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  SunWarrior
2013-02-27T22:17:46+00:00 27.02.2013 23:17
Hi,

Also zuerst wars ein wenig schwierig rein zu kommen, aber von Kapitel von Kapitel wurde es besser. Allerdings lief es mit dem Friedensvertrag evtl etwas zu glatt-is aber andererseits auch mal was anderes dass sowas leichter glatt geht. Gabe ein Paar Rechtschreibfehler. Ansonsten sage ich aber: Schöne Story, schöne Handlung, schöne Fantasy.
Von:  Ray-rey
2011-05-03T21:44:34+00:00 03.05.2011 23:44
Thema Beschreibung:(Solltest du nachbessern)

Tipp 1
Die Beschreibung ist das A und O einer Geschichte. Wenn die Beschreibung Fehler beinhaltet, ist es schon gelaufen (Wenn du möchtest, kann ich die Rechtschreibung und Grammatik grob überfliegen, bin aber auch nicht perfekt!). Halte die Beschreibung stets auf dem neuesten Schreibstil/Grammatik-stand .

Tipp 2
Meide Ausrufezeichen, so wie Sonderzeichen „^^“. Eigene Geschichten sollten auf den Leser seriös wirken.

Beispiel (Siehe „Mondentochter,Sonnensohn“) :
Zitat: „Das leise Rascheln der Blätter im Wind, das hörte Aleidis als erstes, dann öffnete sie die Augen und erhob sich. Für einen Moment dachte sie, sie wäre in einem Traum! Die gesamte Lichtung war mit spiegelblankem, klarem Eis überzogen!“
Besser:
Das erste was Aleidis vernahm, war ein leises Rascheln, das sich anhörte wie das rauschen von Blättern im Wind. Die Lichtung in der sie sich befand, war mit eiskaltem und spiegelblankem Eis überzogen, dessen Klarheit jeden Kristall übertraf. Als das Mädchen langsam und mühsam ihre Augen öffnete, war es ihr, als befände sie sich in einem Traum, so unwirklich erschien ihr dieser Anblick.

Wie du siehst, brauchst du keine „!“ um einen Moment spannend zu gestalten. Ein Ausrufezeichen ist nur für Schock-Situationen gedacht und sollte auf keinen Fall in zwei Sätzen hintereinander auftauchen. In dieser beschriebenen Situation wäre das Zeichen nur möglich im letzten Satz „Die gesamte Lichtung war mit spiegelblankem, klarem Eis überzogen!“ Wenn du dir nicht sicher bist, merke dir diese Regel: „Nur ein Ausrufezeichen pro Wordseite“.

Weiteres:
Wenn es sich vermeiden lässt, solltest du Verbindungswörter wie „Dann“ „Doch“ oder „Plötzlich“ vermeiden (Selbe Hauptregel wie bei „!“).
Dass sie sich sofort erhebt, nachdem, was auch immer passiert ist, solltest du weg lassen, da die Handlung zu schnell voranschreitet. Versuche Momente wie diese so schön und so lange wie Möglich auszuschreiben. Gefühle und Tätigkeiten spielen dabei eine sehr große Rolle. Ich zitiere: „dann öffnete sie die Augen und erhob sich“, verbessert durch: „Als das Mädchen langsam und mühsam ihre Augen öffnete“ . Wie öffnete sie ihre Augen? - langsam und mühsam.
W-Fragen (Wer? Wie? Was? Wo? Warum?) können dir dabei behilflich sein, wenn du nicht weißt wie du eine Situation schildern sollst.

Tipp 4

Mach deine eigene Geschichte, in der Beschreibung, nicht schlecht (Siehe „Der Bund der Sieben“). Ich zitiere: „Eigentlich wollte ich etwas wegkommen von meinem üblichem Geschichtenaufbau. Hat aber leider nicht ganz so geklappt, wie ich es wollte. Aber vielleicht finden es doch einige ganz in Ordnung.^^“
Ganz in Ordnung? Du musst dem Leser weißmachen, dass er es nicht nur in Ordnung finden soll sondern Fantastisch! Stelle dir vor du verkaufst jemandem dein Buch, würdest du dann sagen: „Naja, ist nicht wie ich es haben wollte, aber vielleicht finden Sie es ja ganz okay.“?
Wenn du nicht selbst von deinem Geschichtenaufbau überzeugt bist, und es zugibst, dann kannst du davon ausgehen, dass andere dann erstrecht den „Fehler“ bemerken und ihn bemängeln.


Kläre die W-Fragen bei „Der Bund der Sieben“:

„Es geht um das Land Elamar.“
Wo befindet sich Elamar? Wie ist Elamar?

„Der Bund der Sieben besteht aus je einem Abkömmling einer der Rassen.“
Was für Rassen?

„Sie wollen den Frieden des Landes bewahren und sichern.
Bewahren und sichern haben dieselbe Bedeutung .“ Wie sichern sie den Frieden? (in dem Fall durch die Macht der Elemente)

„Unter ihnen erblüht das Land. Von den Göttern bekommt jeder die Macht über ein Element verliehen. „
Warum?

„Doch als der Bund seine Nachfolger erwählt und stirbt veränderst sich alles. Der neue Bund gerät in Streit und löst einen verheerenden Krieg aus. „
Warum?

„Bei dem beinahe alle sterben. „
Wer ist alle? Das Volk, oder der Bund?

„Doch als nach Jahren alles wieder auf einen Krieg hindeutet beschließt der erste Bund erneut Nachfolger auszuwählen. Und für sieben Junge Wesen wird das Leben ein Abenteuer.“
Warum gibt es wieder neuen Krieg?
Der erste Bund starb doch? („...Nachfolger erwählt und stirbt veränderst sich alles“)

Ich weiß xD So ne Beschreibung ist eine ansträngende Sache. Die Fragen kommen aber nun mal auf bei eigenen Geschichten. Ich hoffe du kannst damit etwas anfangen. bei „Das Schwert der Macht“ sag ich jetzt noch erst mal nichts, ich denke du hast jetzt erst mal genug zu tun wenn du meine Ratschläge verwirklichen möchtest. Falls ich mich nicht verständlich ausgedrückt haben sollte tut es mir leid, ich bin heute ein wenig neben der Spur, also frag ruhig wenn etwas ist.

Von:  Ray-rey
2011-04-27T19:27:44+00:00 27.04.2011 21:27
Hi^^
ich hab nur mal überflogen und gemerkt, dass dein Stil einwenig seltsam ist. Die Sätze sind manchmal zu kompliziert und du machst sehr viele Satzbaufehler (allein schon durch Kommasetzung). Ich würde dir gerne dabei helfen und dir Tips geben, aber ich bin grade mit dem Handy online.
Eins kann ich dir aber schon mal sagen
Besorg dir die Bücher von Kai Mayer (ausgezeichneter Schriftsteller wegen perfekter Vormulierung)
Ich denke du könntest von diesem Mann eine Mänge lernen und da spreche ich aus eigener Erfahrung^^

lg Ray
Ich hoffe du nimmst das jetzt positiv als Kritik auf!
Wäre schön wenn du dich mal bei mir melden würdest (ich helfe gerne) ;)


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