Und alles erwacht zu neuem Leben von Nifen ================================================================================ Kapitel 4: 29. März 1996 ------------------------ IV-1 Das Klopfen an der Bürotür gehörte mehr und mehr zu jenen Geräuschen, die es im Bruchteil einer Sekunde schafften, seine Laune noch unter Kerkerniveau zu bringen. Besonders in diesem Schuljahr, war doch stets damit zu rechnen, dass der Grund für diesen besuch in irgendeiner Weise mit seiner verhassten Kollegin Dolores Umbridge zu tun hatte, sofern sie es nicht sogar selbst war, die ihn mit einem weiteren, hirnrissigen Ministeriumserlass konfrontierte. Inständig hoffend, dass die Person vor seiner Tür nicht die diesjährige Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste war, rief Severus Snape ein angesichts seiner eher ungnädigen Laune erstaunlich neutral klingendes „Herein“. Wie so oft in seinem Leben war das Glück nicht auf seiner Seite und Dolores Umbridge in vollem Staat, einschließlich dieser lächerlichen, überdimensionalen Haarschleife, betrat sein Büro. Severus unterdrückte ein Stöhnen und fragte mit frostiger Höflichkeit, welchem Umstand er diesen Besuch verdankte. „Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, hat das Ministerium in seiner unendlichen Weisheit und seiner ebenso unendlichen Besorgnis um das Wohl der Schüler dieser Institution mir als Großinquisitorin das Recht eingeräumt, an der Wahrheit interessierte Schüler unter meine Fittiche zu nehmen und mit ein paar Privilegien auszustatten, so dass sie mich in meinem Bemühen um den Erhalt unserer Werte und Traditionen unterstützen können. Da ich aber natürlich keineswegs so etwas über die Köpfe meiner geschätzten Kollegen einführen möchte, allen voran Hauslehrern wie Ihnen, Severus, dachte ich mir, ich zeige Ihnen die Liste der Schüler Ihres Hauses, die sich hierfür qualifiziert und auch Interesse an einer solchen Position bekundet haben, in dem Vertrauen darauf, dass Sie mich darauf hinweisen, falls die Gesinnung des einen oder anderen Schülers unseren Bemühungen zuwider läuft.“ Die mädchenhaft hohe Stimme, mit der Professor Umbridge sprach und die Severus schon bi den Erst- und Zweitklässlerinnen höchst nervtötend fand, schien sich direkt in sein zentrales Nervensystem zu bohren und jagte ihm Schauder der Abscheu über den Rücken. Dazu noch der anmaßend vertrauliche Gebrauch seines Vornamens... Severus musste an sich halten, Umbridge nicht frei heraus seine Meinung zu sagen, sondern mit einem falschen Dank auf den Lippen die hingehaltene Liste entgegenzunehmen. Rasch erfassten seine Augen die Namen. Die wenigsten überraschten ihn, erlagen doch mehr als genug seiner Slytherins der Versuchung der Macht und nichts anderes wurde ihnen hier angeboten. Über den Preis, den sie dafür würden letztlich zahlen müssen, dachten die wenigsten dabei nach. Dann aber entdeckte Severus einen Namen, der ihn stutzen ließ. Was zum Henker...? In diesem Moment aber wurde er sich des lauernden Blickes von Dolores Umbridge bewusst. Brüsk gab er die Liste zurück. „Ich habe keinerlei Einwände!“ Dann wartete er voller Ungeduld, bis die verhasste Großinquisitorin das Büro und den Kerkerbereich verlassen hatte, ehe er hinter seinem Schreibtisch aufstand und raschen Schrittes und mit wehenden Roben zum Slytherinhaus hinüberging. „Wo ist Miss Bulstrode?“ IV-2 Auf der Rückseite des altehrwürdigen Schlosses von Hogwarts gab es eine Reihe abgeschiedener Gärten, die von halbhohen Steinmauern umgeben waren. Einst hatten sie dem Unterricht in Kräuterkunde gedient, doch boten die modernen magischen Gewächshäuser weit stabilere klimatische Bedingungen für die Pflanzen, so dass diese Gärten weitestgehend von den Bewohnern des Schlosses nicht länger genutzt wurden und in Vergessenheit gerieten. Einzig der jeweilige Zaubertrankmeister hielt einen Teil der Kräuterbeete instand, denn nicht alle Zaubertrankzutaten entwickelten in der künstlichen Atmosphäre der Gewächshäuser ihr volles Potenzial. Doch nur so ließ sich erklären, warum es niemandem auffiel, dass manchmal in einem der Gärten ein stattlicher Lindenbaum stand. Aber eben nur manchmal, dabei erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass ein Baum plötzlich beschließt den Standort zu wechseln. Andererseits war Hogwarts seit seiner Gründung ein Ort voller Magie, so dass wohl letztlich nichts unmöglich war. Auf jeden Fall war es dieser Lindenbaum, der seine noch recht kahlen Äste den ersten frühlingswarmen Sonnenstrahlen entgegenstreckte, den der kleine, schwarze Vogel in schnellem Flug ansteuerte. „Was haben Sie sich dabei gedacht?“, zwitscherte die Amsel ärgerlich, kaum dass sie sich auf einem der Zweige niedergelassen hatte. „Was meinen Sie, Professor?“, raschelte der Baum überrascht zurück. „Das Inquisitionskommando!“, herrschte der Vogel zurück. „Umbridge war vorhin bei mir und ich war höchst erstaunt, Ihren Namen auf der Liste der Kandidaten zu lesen, Miss Bulstrode! Ich dachte, wir wären über das Stadium hinaus, in dem Sie nach Anerkennung von außerhalb suchten... Das war schließlich mit einer der Gründe, weshalb ich Sie in Ihrem Plantimagustraining unterstützt habe!“ Das leichte Rütteln der Zweige zeigte, wie belustigt der Baum über den Ausbruch der Amsel war. „Professor Snape, denken Sie wirklich, dass ich der Anerkennung wegen bei Umbridge einen auf lieb Kind mache?“ Wieder ging ein Lachen durch die Linde. „Umbridge steht für das Ministerium, das Ministerium wiederum in seiner Beharrlichkeit die Rückkehr des Dunklen Lords zu leugnen für die Gefahr, der die Bevölkerung durch bewusst herbeigeführte Unwissenheit ausgesetzt wird. Um den Feind in Form des Dunklen Lords zu bekämpfen, muss erst einmal ein Bewusstsein für die Gefahr geschaffen werden. Das kann aber nicht geschehen, solange das Ministerium diesen Feind wie ein Bollwerk der Verleugnung schützt. Will man also etwas an dieser Situation ändern, muss man die Schwächen dieses Bollwerks finden, um so die Festung zum Einsturz zu bringen. Und im Inquisitionskommando bietet sich mir eine geradezu einmalige Gelegenheit, dieses Bollwerk und seine schärfste Verfechterin zu studieren.“ „Ich bin beeindruckt, Miss Bulstrode. Überaus Slytherin dieser Gedanke. Ich...“ Abrupt brach die Amsel in ihrem Gezwitscher ab, da jemand den Garten betrat und man in einer derartigen magischen Umgebung nie sicher sein konnte, ob es nicht jemand war, der gerade mit Übersetzungszaubern experimentierte und so unwissentlich einen unregistrierten Animagus sowie einen nicht minder registrierten Plantimagus enttarnte. Auch der Baum verharrte still, ließ sich nur von dem leichten Wind im Einklang mit der Natur wiegen. Trotzdem konnte die Linde ein kurzes „Blaise!“ nicht verhindern, als sie erkannte, wer da den ummauerten Garten betreten hatte. Neugierig beobachteten Lehrer und Schülerin wie Blaise Zabini über den Rasen schritt und sich dann ausgerechnet zwischen den Wurzeln der Linde einen Platz suchte, sich mit dem Rücken an den breiten Stamm lehnte und aus einer der Taschen seiner Robe ausgerechnet eine Porzellantasse hervorzog. „Jimmy... nach dem Brief von heute... Ich kann das nicht! Ich will das nicht! Ich...“ Seufzend lehnte Blaise sich an den Stamm und blickte die Fassade des Schlosses empor. „Was meinst du, Jimmy, wie hoch ist wohl der höchste Turm?“ „Mieb?“ Dieser Klang schien zur Verblüffung von Baum und Vogel von der Tasse zu kommen. „Wieso ich das frage? Es bringt schließlich nichts, wenn ich mich von einem Turm stürze, nur um zwei Meter tiefer auf einem Vorsprung aufzukommen und mir lediglich ein Bein zu brechen.“ Ein Knarzen ging durch den Baum und die Amsel in seinem Geäst fing das Zwitschern an. „Miss Bulstrode? Wie ernst, denken Sie, meint Mr. Zabini diese Äußerung?“ „Ich denke, Professor, dass Sie zum Schloss zurückfliegen sollten, damit Sie in Ihrem Büro sind, wenn Blaise Sie, nachdem ich mit ihm geredet habe, dort finden kann. Es muss ja schließlich nicht erst so weit kommen, dass Sie einen weiteren Slytherin aus dem Sicheren Raum holen müssen. Es gibt immer einen anderen Weg. Das waren Ihre Worte, Sir. Wir müssen nur herausfinden, was Blaise soweit getrieben hat, dass er derartige Gedanken hegt.“ IV-3 Mein geliebter Sohn, ich habe wunderbare Neuigkeiten! Sicher erinnerst Du Dich an Cliff, ich habe ihn Dir während der Weihnachtsferien vorgestellt. Nun, er und ich haben gestern geheiratet! Ich bin ja so glücklich! Dieses Mal ist es etwas Besonderes, das spüre ich. Dieses Mal wird alles gut gehen und wir werden glücklich bis an unser Lebensende! Oh Blaise, Du ahnst ja nicht, wie wunderbar er ist. Es ist als hätte ich meinen Seelenpartner gefunden. Aber Du brauchst nicht zu befürchten, ich würde Dich darüber vergessen. Im Gegenteil, endlich wirst Du kennenlernen wie es ist, eine richtige Familie zu sein. Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber nicht alle meine vorherigen Ehemänner waren sonderlich angetan von der Idee, dass ich bereits ein Kind mit in die Ehe brachte, auch wenn sie sich Dir gegenüber um meinetwillen immer höflich verhalten haben. Bei Cliff ist es anders. Er freut sich schon darauf, wenn Du im Sommer heim kommst, und man spürt dabei, wie aufrichtig seine Worte sind, wenn er von Dir spricht. Blaise, das wird ein wundervoller Sommer! Bis dahin, Deine Dich liebende Mutter. Die Worte verschwammen vor Blaises Augen, als ein anderes Bild sich ihm aufdrängte und die Zeilen seiner Mutter überlagerte. Es waren zum einen die Erinnerungen an das vergangene Silvester, die er tief in sich verschlossen hatte, um sie zu vergessen, zum anderen Bilder der Vorsehung, die ihn mit einer unangenehmen Deutlichkeit vor dem warnten, was ihn im Sommer erwarten würde. Oh ja, die Beziehung seiner Mutter zu Cliff war tatsächlich etwas Besonderes. Und Blaise hatte keinerlei Zweifel daran, dass sich der neue Gatte seiner Mutter darauf freute, wenn deren Sohn für die Ferien heim kam. Denn im Gegensatz zu all den anderen Ehemännern, die seine Mutter bislang verschlissen hatte, galt Cliffs Interesse nicht der Frau an seiner Seite sondern Blaise. Und um dieses Ziel zu erreichen, zog dieser Mann alle Register. Er war aufmerksam, höflich, hatte ein exzellentes Gedächtnis und überraschte mit kleinen, romantischen Gesten im Alltag, die nicht als das auffielen, was sie waren: Schauspielerei. Nur wenn er mit Blaise alleine war, zeigte er sein wahres Gesicht. Dann fing er an, Blaise wie zufällig zu berühren, während er über belanglose Dinge mit ihm sprach, von denen er annahm, dass sie einen Jungen in seinem Alter interessierten. Dann wanderte seine Hand bald weiter, wurde aus den zufälligen Berührungen gezieltes Streicheln, der Abstand zwischen ihnen geringer. Und wenn Blaise dem ausweichen wollte, rückte Cliff einfach nach, so lange, bis er Blaise in die Ecke gedrängt hatte. Einmal hatte er Blaise in der Küche überrascht, als dieser sich etwas zu Trinken hatte holen wollen, während die Mutter gerade beim Bäcker Brot für das Abendessen holte. Cliff hatte die Tür mit einem Zauber verschlossen und Blaise hatte in der Falle gesessen. Seinen ersten Zungenkuss hatte er sich immer anders vorgestellt. Als er sich dagegen gewehrt hatte, als er Cliff nicht nur bei dem ungebetenen Kuss so kräftig er konnte auf die Zunge gebissen hatte und dem Mann gedroht hatte, ihm zu zeigen, dass er nicht umsonst ein Slytherin sei, hatte dieser nur eiskalt gelächelt. Dann hatte er einen Ausweis hervorgezogen und Blaise gefragt, ob er wüsste, was dies sei. Auf den ersten Blick hatte es wie ein gewöhnlicher Ausweis eines Heilers auf dem St Mungo’s ausgesehen. Dann aber hatte Blaise die Zusätze gesehen und erkannt, was sie bedeuteten. Denn es war ein Ausweis für einen Heiler siebten Grades für die Notfallabteilung. Und als solcher war Cliff berechtigt in Situationen, die seines medizinischen Urteils nach ein solches Handeln erforderten, den Imperiusfluch anzuwenden. Man brauchte kein Genie sein, um zu erkennen, was Cliff mit dem Zeigen seines Ausweises zum Ausdruck bringen wollte. Und die Bilder, die Blaise dank seiner Gabe nun für den Sommer zuteil wurden, zeigten genau diese Konsequenz. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, öffnete Blaise seine Nachttischschublade und zog seinen einzigen Vertrauten hervor: Jimmy, die sprechende Tasse aus der dritten Klasse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)