Momentaufnahmen von Terrormopf ================================================================================ Kapitel 3: Blutgrätsche ----------------------- Das Training war hart gewesen und die Mannschaft total durchgeschwitzt. Eigentlich wollte Phillip nun fast sofort in sein Auto springen, nach Hause fahren und da erstmal duschen. Doch als sie vom Platz gingen, spürte er, wie Leon seine Hand ergriff und ihn damit dazu bewog, stehen zu bleiben. Auch er hatte geschwitzt. Sein Gesicht war rot und er atmete noch etwas flach. Doch er schielte zu den anderen, die nur die Umkleiden im Blick hatten. Schließlich ließ er seine Hand ganz in Phillips gleiten, kam seinem Ohr nahe und flüsterte: „Bleiben wir heute wieder etwas länger?“ Warum nicht? Er nickte langsam, dann ließen sie voneinander ab und folgten den anderen in die Umkleide. Sie warteten, bis alle anderen gegangen waren, sahen dann noch einmal auf die Spielfelder und gingen zurück aufs Feld. Dort ließ sich Leon ins Gras fallen, schloss die Augen und atmete die milde Luft ein. Phillip setzte sich neben ihn, zupfte ein paar Grashalme aus und ließ sich schließlich auch zurück ins Gras sinken. Es war schön kühl. Leon rutschte näher an ihn heran, bettete seinen Kopf auf seiner Brust. Der Stürmer legte seinen Arm um ihn, fuhr ihm sanft mit den Fingerkuppen über den Oberarm. „Ich find’s gut, dass wir zusammen sind, Phlip.“ Phlip! Irgendwann hatte Leon damit angefangen ihn Phlip zu nennen. Es störte ihn zwar nicht, aber es war dennoch ungewohnt, weil er davor immer nur mit vollem Namen angesprochen worden war. Er brummte zustimmend, zog den jungen Verteidiger noch etwas näher an sich. Die Zeit mit Leon war eigentlich immer gut. Er kam auf die dämlichsten Schnapsideen, aber wenn es drauf ankam, konnte er genauso ernst sein wie sonst albern. Das Gras um sie herum duftete angenehm. Langsam ging es auf das Ende der Saison zu. Aber erst kürzlich hatten sie erfahren, dass sie irgendwann in der nächsten Saison ein Freundschaftsspiel gegen die B-Mannschaft des SC Freiburg zu bestreiten hatten. Phillip glaubte ja nicht wirklich daran, dass sie gegen diese Mannschaft eine Chance hatten, aber wer konnte das im Voraus bestimmen? Vielleicht geschah ja ein Wunder. Er wusste auf jeden Fall, dass die Mannschaft sich voll reinhängen und kämpfen würde. Und mit Leon bei ihnen würde es ihnen noch leichter fallen. Der junge Spieler hatte ihnen neuen Elan verpasst, spornte sie zusätzlich an. „Denkst du wieder an das Spiel gegen Freiburg?“ Leon hob den Kopf und sah seinen Freund kritisch an. Der nickte nur. „Jetzt mach dir doch nicht dauernd Gedanken darüber, wir schaffen das schon. Und selbst wenn wir verlieren sollten – was wir nicht werden! – können wir immer noch sagen, dass wir gegen eine Mannschaft verloren haben, deren Verein in der 1. Bundesliga spielt. Außerdem sollten wir uns jetzt erst mal um das Spiel am Sonntag kümmern, wir wollen doch die Saison gewinnen!“ Er lächelte zuversichtlich und legte seinen Kopf wieder auf Phillips Brust, spielte mit der Hand mit dem Stoff am unteren Saum des T-Shirts, streifte hin und wieder seine Haut. Es dämmerte schon. Sie lagen wohl doch schon ziemlich lange hier. Als Phillip sich langsam erhob, damit Leon seinen Kopf von seiner Brust nehmen konnte, spürte er, dass sein Shirt feucht vom Gras an seinem Rücken klebte. „Willst du schon gehen?“, fragte Leon. Phillip wusste, dass er nur noch bleiben wollte, um nicht nach Hause zu müssen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien er mehr als ungern zu Hause zu sein, aber immer wenn Phillip ihn danach fragte, zuckte er nur die Schultern und versuchte schnellstmöglich wieder von dem Thema wegzukommen. Phillip akzeptierte das und die Tatsache, dass Leon des Öfteren zu den unmöglichsten Zeiten bei ihm mit gesenktem Kopf vor der Tür stand und um Einlass bat. Dann murmelte er immer was von er habe keine Lust mehr auf Zuhause. Eigentlich machte er sich schon Sorgen um den Jüngeren, doch was sollte er tun, außer ihn bei sich aufzunehmen und ihn wieder aufzumuntern? Er konnte sich noch genau an Einmal erinnern, sie waren vielleicht ein paar Tage zusammen gewesen: Er sah gerade Fernsehen, da klingelte es. Schwerfällig erhob er sich und schlurfte zur Tür, während weiter sturmgeklingelt wurde. Als er die Tür öffnete, fiel Leon ihm praktisch um den Hals, drückte sich an ihn. Perplex fragte er, was vorgefallen sei, doch Leon schien nicht fähig zu sprechen, sondern schüttelte nur den Kopf an seiner Schulter. Einen Moment lang standen sie in der Tür und Phillip fühlte sich etwas verloren, mit diesem todunglücklichen Jungen in seinen Armen, der sich einfach nur an ihn schmiegte, Schluckauf bekommen hatte und unregelmäßig und flach atmete. „Was ist denn los?“, fragte er wieder, doch erneut bekam er keine Antwort, außer einem erstickten Hicksen. „Jetzt komm erst mal rein, ich hol dir ein Glas Wasser.“ Etwas unwillig löste sich Leon von ihm und schlich, noch immer mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern ins Wohnzimmer. Phillip hingegen schloss die Türe, ging in die Küche, füllte ein Glas mit Wasser und reichte es Leon, nachdem er zu ihm ins Wohnzimmer gegangen war. Der trank hastig und verschluckte sich. Phillip seufzte, nahm ihm das Glas aus der Hand und schlug ihm leicht auf den Rücken, damit er aufhörte zu husten. „Danke“, murmelte Leon und sah das erste Mal zu ihm auf. Phillip erstarrte bei dem Anblick. Die Wangen des Schülers waren stark erhitzt und seine Augen gerötet und geschwollen. Hatte er geweint? In seinen Augen stand Verzweiflung. „Jetzt erzähl mir doch endlich was passiert ist, Leon!“, drängte er, setzte sich zu ihm aufs Sofa und legte ihm den Arm um die Schultern. Doch erneut war die Antwort ein Schütteln des Kopfes. Leon ließ sich gegen ihn fallen und atmete tief durch. Der Schluckauf war verschwunden und seine Atmung wurde langsam wieder normal. Phillip seufzte. Er streichelte ihm über den Arm und küsste sein Haupt. Was konnte nur vorgefallen sein, dass er es ihm nicht erzählen wollte, aber dennoch so vollkommen aufgelöst hier bei ihm auftauchte? Er hatte den Grund dafür nie erfahren, aber er würde auch nicht mehr danach fragen. Wenn Leon mit ihm reden wollte, dann sollte er auf ihn zugehen. Der Stürmer selbst würde ihn zu nichts zwingen. „Ich will noch nicht gehen“, sagte er. „Es wird nur langsam unbequem.“ Er log. Am liebsten wäre er jetzt wirklich nach Hause gefahren, hätte geduscht und sich dann ins Bett gelegt. „Oh, okay. Sorry.“ „Passt schon.“ Er wuschelte ihm durch die Haare. Sie waren noch immer etwas verschwitzt, aber es störte ihn wenig. Leon rümpfte die Nase. „Meine Eltern nerven grad wieder übelst…“ Phillip wusste, worauf das hinauslaufen würde. Leon wollte wieder die Nacht bei ihm verbringen, doch er sagte nichts, sondern wartete ab, ob er wirklich richtig lag. „Ich weiß einfach nicht, was die dauernd von mir wollen. Du hast es so gut, dass du alleine wohnen kannst!“ Phillip zuckte die Achseln. So eine Mutter, die sich ums Essen, die Wäsche und den Hausputz kümmerte wäre schon manchmal nett. „Ich hab momentan echt keine Lust mehr auf die beiden. Und meine Schwester nervt auch nur. Blödes Streberkind…“ Er hielt inne, kratzte sich am Kinn. Wartete er jetzt etwa darauf, dass Phillip ihn zu sich einlud? „Weißt du? Ich bräuchte einfach mal wieder Abstand von denen, nur ein oder zwei Nächte.“ Er sah Phillip hoffnungsvoll an, doch der schwieg eisern. „Könnte ich vielleicht…“ Er stockte, überlegte wohl, wie er es am galantesten formulieren sollte. „Könnte ich vielleicht die nächsten paar Tage bei dir bleiben? Ich putz auch und mach die Küche und das Bad und alles sauber!“ Phillip musste sich ein Grinsen verkneifen und nickte. Er sagte nie nein, wenn Leon ihn fragte, ob er für ein paar Tage bei ihm wohnen durfte. Ihn störte es ja nicht. Er war fast den ganzen Tag bei der Arbeit und abends, wenn sie kein Training hatten, machte Leon seine Hausaufgaben, während er sich irgendeinen Film im Fernsehen ansah oder im Internet surfte. Und vor allem nach diesem einen Mal konnte er nicht nein sagen. Er hatte ja keine Ahnung, was bei Leon Zuhause abging und wie ernst es war. Doch bevor es etwas Schlimmes war, nahm er ihn lieber ein paar Tage bei sich auf. „Dann fahren wir gleich noch bei dir vorbei, damit du dein Zeug holen kannst“, schlug er vor, wollte dadurch wissen, ob Leon wirklich nur deswegen nicht hatte gehen wollen. „Müssen wir nicht mal, ich hab schon alles dabei“, lächelte Leon und deutete auf die Tasche, die verlassen mit Phillips zusammen vor den Umkleiden stand. Der Schreiner schüttelte daraufhin nur den Kopf. Er hatte es also schon geplant, dass er zu ihm kommen würde. „Dann lass uns gehen“, sagte er schließlich und steuerte die Kabinen an, um ihre Taschen zu holen. Leon folgte ihm und ergriff seine Hand. Phillip störte das nicht. Im Gegenteil: er schloss seine Hand noch etwas fester um Leons, um ihm zu bedeuten, dass er sich auf ihn verlassen konnte, dass er ihn nicht im Stich lassen würde. Bevor sie ins Auto einstiegen, küsste Leon ihn noch mal auf die Wange und hauchte ihm ein Dankeschön zu. Phillip hätte ihn auch ohne all das aufgenommen. Er mochte es, wenn in der Nacht noch jemand bei ihm war, der ihm nahe war, sich an ihn schmiegte, seine Nähe brauchte und ihm Nähe gab. Die Tage bis zum Spiel vergingen schnell und Leon hatte die ganze Zeit bei Phillip gewohnt. Das Spiel war herrlich! Sie dominierten klar, das einzige Problem war, dass sie es noch nicht geschafft hatten, ein Tor zu erzielen. Aber nun waren sie auf dem besten Wege dazu. Die gegnerische Mannschaft hatte es geschafft in ihren Strafraum einzudringen, aber Leon wiederum hatte dem Stürmer den Ball abgenommen und war selbst nach vorne gestürmt. Es hatte einen herrlichen Doppelpass mit einem Mittelfeldspieler gegeben und Leon kam weiterhin ohne Probleme durch. Phillip stürmte mit ihm auf einer Linie, wartete nur darauf, dass Leon ihm den Ball passte oder eine seiner traumhaften Flanken vollführte; gleichzeitig musste er aber aufpassen, dass er nicht direkt ins Abseits rannte, das passierte ihm nämlich viel zu oft. Jetzt war einer der anderen Mannschaft an Leon dran. Er hatte ihn schon das ganze Spiel über gedeckt und war hin und wieder doch etwas hart zur Sache gegangen – aber so war Fußball eben. Der Libero schaffte es allerdings den Verteidiger auszudribbeln und spielte dann auf Phillip. Der hatte ab diesem Moment nur noch Augen für den Ball. Er stürmte nach vorne, dribbelte den ersten Verteidiger aus, sprang fast schon über den Zweiten. Und dann war nur noch der Torwart zwischen ihm und dem eins zu null. Blitzschnell entschied er sich für die linke obere Ecke, zog an und schoss. Was für ein Tor! Überglücklich drehte er sich um und wartete nur darauf, dass seine Mannschaftskameraden über ihn herfielen, doch keiner kam. Verwirrt sah er sich um und sah dann eine Traube von Spielern am Rande des Strafraums stehen. Langsam ging er auf sie zu. Von dort aus hatte Leon ihm den Pass gespielt. Was war passiert? Ein Schweißtropfen fiel ihm von der Nasenspitze, als er an dem Pulk ankam. Und dann bekam er eine Gänsehaut. Er hatte zuvor nichts gehört, war so auf das Tor versessen gewesen und hatte alles andere ausgeblendet. Und nun hörte er Leon vor Schmerzen schreien. Leben kam wieder in ihn und er boxte sich durch die Menge, bis er zu ihm durchdrang. Er lag auf dem Boden, wälzte und krümmte sich vor Schmerz, schrie und hielt sich die linke Schulter. Phillip ließ sich auf die Knie fallen, legte Leon die Hand auf die Stirn und fragte irgendeinen aus seiner Mannschaft, der grade am nächsten stand: „Was ist passiert?“ „Das Arschloch hat ihn gefoult!“ Er deutete auf einen Spieler der anderen Mannschaft, der mit gehobenen Brauen auf den am Boden liegenden Leon sah. Es war derjenige, der es schon das ganze Spiel über auf ihn abgesehen hatte. Langsam erhob sich Phillip. Er wollte auf den anderen Spieler zugehen, doch seine Mannschaftskameraden hielten ihn zurück. Er brüllte, warf ihm irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf. Zum Glück war der Schiedsrichter zu dem Moment nicht in Hörweite, sonst hätte er bestimmt rot gesehen, aber er konnte nicht anders. Er musste seinem blinden Zorn Ausdruck verleihen. Leon stöhnte wieder auf und keuchte. Die Schmerzen schienen kaum erträglich zu sein. Der Stürmer ließ sich wieder zu ihm aufs Gras fallen und ergriff seine Hand, murmelte beruhigende Worte. Leon packte zu. Phillip hatte bis dato nicht gewusst welche Kraft in diesen Händen steckte, doch nun hatte er Angst, dass Leon ihm die eigene Hand zerquetschen würde. Er sog im ersten Moment scharf die Luft ein, dann biss er die Zähne aufeinander und legte die andere Hand noch auf Leons. Endlich kam der Schiedsrichter wieder, löste die Menge auf – er hatte sich darum gekümmert, dass jemand einen Krankenwagen rief. Nur Phillip blieb bei Leon. Er wollte irgendwas tun, doch er hatte keine Ahnung was. Er fühlte sich so hilflos wie noch nie in seinem Leben. Wann kam denn der scheiß Krankenwagen endlich? Irgendjemand musste Leon doch was gegen die Schmerzen geben! Das Spiel blieb weiterhin unterbrochen, sie hatten keine Trage da und Leon könnte auch beim besten Willen nicht aufstehen, um den Platz zu räumen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte Phillip endlich die Sirenen. Aber die Sanitäter liefen nicht aufs Feld, sie trotteten. Und hätte Leon nicht noch immer seine Hand fest im Griff gehabt, hätte er sie schon längst angeschoben. Konnte man nicht sehen und hören, dass Leon Schmerzen hatte? Als sie endlich auf dem Feld ankamen, sprachen sie zuerst mit dem Schiedsrichter und kamen dann auf sie zu. Die anderen Spieler machten ihnen Platz. Sie legten die Trage ab, knieten sich ebenfalls nieder, stellten sich vor. „Du bist also gestürzt?“, fragte die Frau, der Mann kramte in seiner Tasche. Leon nickte, biss die Zähne noch fester zusammen; Phillip spürte es daran, dass der Druck auf seine Hand größer wurde. „Auf den Arm?“, fragte sie weiter, erneut nickte Leon. Warum sollte er sonst den Arm so nahe am Körper halten, als wolle er ihn schützen? Nun griff sie ihm behutsam an den linken Arm, hob ihn vorsichtig an. Leons Bein zuckte und dann schrie er. Er jaulte wieder vor Schmerz auf und auch Phillip konnte es sich nicht verkneifen aufzukeuchen, als der Verletzte seine Hand schier zerquetschte. „Ich würde 'ne Clavikulafraktur vermuten, die müssen ihn nachher röntgen. Hast du die Spritze?“ Der Mann nickte, stach durch den Deckel in ein kleines Glas und sog die Flüssigkeit daraus in die Spritze. Dann hielt er sie mit der Nadel nach oben, presste die letzte Luft heraus, schnippte noch ein- zweimal mit dem Finger dagegen, spritzte dann noch etwas heraus, bis keine Luftbläschen mehr übrig waren. Die Frau hatte inzwischen Leons Arm gerade gelegt, sodass die Armbeuge gut sichtbar und erreichbar war. Sie desinfizierte sie kurz, dann setzte sie die Nadel an und stach zu. Mitten in die Vene. Leon winselte inzwischen nur noch, zitterte dafür aber beinahe unkontrolliert. Phillip hätte so gerne etwas für ihn getan! Nachdem sie die Nadel wieder herausgezogen hatte und den Einstich mit einem Pflaster überklebt hatte, wurde Leon ruhiger. Der Druck auf Phillips Hand ließ nach. Sie warteten noch einen Moment ab. Wahrscheinlich bis die Spritze ihre Wirkung entfaltete und es dauerte nicht lange, bis das der Fall war. Leon hielt Phillips Hand nur noch schwach, sein Gesicht wirkte entspannter. „Danke sehr“, sagte er nun wieder ruhiger an die beiden Sanitäter gewandt und Phillip grinste er an, wenn auch noch immer sehr blass um die Nase und fragte: „Hast du das Tor gemacht?“ Er nickte. „War es ein schönes Tor?“ „Herrlich!“ „Und ich hab dir die Vorlage gegeben. Wir sind ein gutes Team. Wart nur, das Zwei Null baller ich denen rein!“ Fassungslos sah Phillip ihm dabei zu wie er sich aufsetzte. Was sollte das denn jetzt? Er konnte doch nicht weiterspielen! Die Frau hatte doch irgendwas von einer Fraktur und Röntgen gesagt. Hilflos sah er eben die an. Sie lächelte. „Jetzt fährst du erstmal mit uns ins Krankenhaus.“ War sie solche Szenen etwa gewöhnt? Phillip verstand gar nichts mehr. Auch warum die Freundin des Trainers jetzt aufs Feld rannte, war ihm schleierhaft. Das durfte sie doch gar nicht. Er sah sich um. Es standen nicht mehr all zu viele Spieler um sie herum. Der Hauptteil war zur Trainerbank gegangen, um etwas zu trinken und ihr Kapitän kam nun auch mit einer Wasserflasche auf sie zu, reichte sie Phillip und sagte: „Da, trink was, es ist heiß. Schönes Tor übrigens.“ Perplex bedankte er sich und trank wirklich ein paar Schlucke. Dann spürte er, wie Leon sich erhob. Durfte er das schon? Anscheinend, denn nun löste der Sanitäter ihn ab und stützte Leon, während er vom Platz schlich. Die Freundin vom Trainer folgte ihnen. Sie schien wohl mit ins Krankenhaus zu fahren. Sie hatte Leons Handy in ihrer Hand, tippte aufgeregt auf den Tasten herum, bis sie es sich ans Ohr hielt. Dann waren sie außer Sichtweite. Phillip saß im Auto und fuhr viel zu schnell. Nur bei den fest montierten Blitzern ging er vom Gas runter. Den Rest des Spiels über waren seine Gedanken die ganze Zeit bei Leon gewesen. Er hatte sich nicht konzentrieren können, hatte die ganze Zeit gepatzt, schlechte Pässe gespielt und einmal der anderen Mannschaft eine wunderbare Torchance zugespielt, die diese, Gott sei Dank, versemmelt hatten. Schlussendlich hatten sie Zwei zu Null gewonnen, durch ein Tor, dass ihr Kapitän geschossen hatte, nachdem Phillip schon längst auf der Bank saß. Der Trainer hatte ihn ziemlich schnell ausgewechselt. Er war gerade in die Kabine gekommen, da hatte er sein Handy klingeln gehört. Er war hingehechtet und hatte es aufgeklappt, es sich ans Ohr gehalten und ziemlich atemlos „Hallo?“ gefragt. Am anderen Ende hatte sich eine Frau gemeldet. „Ja hallo? Ist da Phillip? Phillip Jener?“ „Ja“, hatte er skeptisch geantwortet. Wer war diese Frau? „Gut… wir hatten ja bisher noch nicht das Vergnügen…“ Sie hatte gestockt und Phillip abwartend geschwiegen. „Ich bin Leons Mutter…“ Wieder Schweigen. „Er fragt die ganze Zeit nach Ihnen und ich habe Ihre Nummer in seinem Handy gefunden und wollte Sie bitten, ob Sie bei uns vorbeikommen könnten, Leon gibt wohl sonst keine Ruhe.“ „Ja!“, hatte er hastig gerufen. „Ja, ich komme sofort vorbei. Geht es ihm denn gut?“ Nun war Leben in ihn gekommen. Er hatte seine Klamotten und all sein restliches Zeug achtlos in seine Tasche geworfen und war los zu seinem Auto gesprintet. „Ja… nein. Also er hat sich das Schlüsselbein gebrochen, aber wir sind schon wieder zu Hause und es geht ihm schon etwas besser.“ „Danke sehr. Ich bin gleich bei Ihnen. Auf Wiederhören“ Dann hatte er das Handy zugeklappt und es auf den Beifahrersitz geworfen. Und nun endlich kam er vor Leons Haus an. Wohl etwas zu heftig betätigte er die Klingel. Leons Mutter, eine kleine, gut aussehende Frau mittleren Alters machte ihm auf und bat ihn herein. Sie fragte, ob er etwas trinken wolle, doch er verneinte, fragte nur seinerseits, wo Leon sei. Sie deutete mit der Hand auf die nach oben führende Treppe und meinte: „Am Ende des Ganges.“ Er bedankte sich artig und eilte sich nach oben zu kommen, riss die Tür auf und fand sich in Leons Zimmer wieder. Rechts neben der Tür befand sich dessen Bett, in dem er lag, eine dicke Daunendecke bis zum Kinn über sich gezogen. „Hi“, murmelte Leon. Phillip erwiderte den Gruß, schloss behutsam die Tür hinter sich und trat näher an das Bett. „Setz dich“, sagte Leon und rückte ein Stückchen näher zur Wand, damit Phillip Platz hatte. Der ließ sich auf der Kante nieder, beugte sich zu Leon, küsste ihn auf die Stirn. Dann fragte er, ihm die Haarsträhnen aus dem Gesicht streichend: „Wie geht’s dir?“ „Jetzt etwas besser.“ Leon grinste ihm entgegen. Er wirkte trotzdem noch ziemlich blass und seine Augen waren matt. Phillip lächelte schwach und küsste sanft Leons Lippen. Er stützte sich mit der Hand neben Leons Kopf auf, mit der anderen hielt er sich am Rahmen fest. „Was ist eigentlich passiert? Ich hab gar nichts gesehen, weil ich so sehr auf das Tor fixiert war.“ Er senkte schuldbewusst den Blick. „Haben wir gewonnen?“, entgegnete Leon und ging so in keiner Weise auf Phillips Frage ein. Der nickte und sagte: „Zwei zu Null.“ „Siehst du, Phlip? War doch besser so. Mir geht’s soweit ganz gut. Das Schlüsselbein ist halt am Schaft durchgebrochen.“ Er machte ein knackendes Geräusch und Phillip verzog mitfühlend das Gesicht. „Jetzt muss ich halt für die nächsten paar Wochen so 'nen behinderten Rucksackverband tragen. Und ich darf 'ne halbe Ewigkeit nicht mehr Fußball spielen! Das überleb ich nicht!“ Lächelnd schüttelte Phillip den Kopf, sah in Leons feixendes Gesicht. „Du spinnst doch“, entfuhr es ihm – der Libero grinste nur. Dann zog eben der mit einem Ruck der rechten Hand die Decke runter und legte seinen nackten Oberkörper frei. „Außerdem sieht das total scheiße aus mit diesem riesigen Bluterguss!“ Phillip erwiderte nichts, sondern beugte sich zu ihm hinunter und berührte die Stelle sanft mit seinen Lippen. Er hielt kurz inne, falls er Leon wehtat, doch als der nur ein wohliges Seufzen von sich gab, fuhr er weiter mit den Lippen über das Hämatom. Er streifte die Haut nur, berührte sie zuweilen gar nicht und trotzdem konnte er die Hitze spüren, die von diesen Hautpartien ausging. Doch der Träger des Verbandes verdeckte den Hauptteil der Schulter. „Hat es sehr wehgetan?“, fragte Phillip schließlich, legte sich vorsichtig neben Leon, küsste ihn auf die Wange. „Ach, ein bisschen schreien, ein kleines Ziepen, höllische Schmerzen, aber sonst ging’s.“ Er grinste wieder. „Schade nur, dass du nicht da warst, ich hätt dir deine Hand wohl noch ganz zertrümmert gebracht. Tut mir leid, dass ich so fest zugedrückt hab, die Sanitäter meinten, dass du auch nicht sehr gesund ausgesehen hättest.“ „Nicht der Rede wert.“ Seine Hand pochte immer noch. „Ich hab mir nur Sorgen um dich gemacht“, setzte er etwas kleinlaut hinzu. „Komm mal etwas näher“, befahl Leon und Phillip tat wie ihm geheißen. „Noch näher“ Wollte er ihm etwas zuflüstern? Zögerlich kam er Leons Gesicht noch näher. Doch der lehnte sich nun so weit es ging nach vorne und küsste ihn. Mit der rechten Hand streichelte er ihm durch das immer noch verschwitzte Haar. „Jetzt musst du mir entgegenkommen, wenn ich dich küssen will.“ Er grinste. „Weißt du, Hauptsache du hast das Tor gemacht und wir haben gewonnen. Die haben einfach scheiße gespielt und wenn der Kerl meint, dass er es nötig hat mich zu foulen, heißt das doch nur, dass ich ihm haushoch überlegen war, oder?“ „Stimmt“, entgegnete Phillip, lächelte ebenfalls schwach. Er wünschte sich fast, dass Leon schlechter spielte, dann wären ihm dieses üble Foul und die Folgen erspart geblieben. „Und jetzt“ er hob bedeutungsvoll die Augenbrauen. „muss ich pinkeln. Hilfst du mir?“ Phillip erwiderte nichts, sondern erhob sich, half Leon beim Aufstehen. „Au, au, au!“, jammerte er und der Stürmer hätte ihn fast fallen gelassen vor Schreck, doch Leon hob sich mit der rechten Hand an ihm fest, rang sich ein schmerzverzerrtes Lächeln ab und sagte: „Es geht schon, es tut immer ein bisschen weh…“ Er tat ihm so unendlich leid! „Kannst du allein gehen?“, fragte Phillip dann und Leon nickte, doch fügte noch hinzu: „Du müsstest mir nur dabei helfen die Hose runterzukriegen.“ Die Momentane Blässe im Gesicht wurde durch eine leichte Röte ersetzt. Auch Phillip spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Doch er sagte nichts dazu, sondern folgte dem Jüngeren ins Bad. Phillip trug inzwischen eine graue, schlabberige Jogginghose. Hinter ihnen schloss er die Tür ab und folgte Leon vors Klo. Dort ging er vor ihm in die Knie und öffnete mit unsicheren Handgriffen die Schlaufe. Dann hielt er einen Moment inne. Er schielte noch einmal kurz zu Leon hinauf, der ihn gebannt anstarrte. Schließlich küsste er sanft seinen Bauchnabel und zog dann behutsam, als hätte Leon sich das Becken verletzt, die Hose samt Boxershorts hinunter. Leon setzte sich. Sie vermieden den Blickkontakt. Sie hatten sich schon nackt gesehen, spätestens nach den Spielen in der Kabine unter der Dusche, aber diese Situation hatte doch noch etwas anderes an sich. Und das nicht zuletzt, weil Phillip unter der Dusche nicht vor Leon kniete und ihm die Hosen runterzog. Mit geneigtem Blick wartete Phillip, bis Leon fertig war und aufstand, dann zog er ihm die Hose wieder hoch, verknotete hastig die Bändchen. Dieser ging dann zum Waschbecken, wusch sich die bewegliche rechte Hand. „Danke sehr“, flüsterte er, schloss die Tür auf und machte sich wieder auf den Weg in sein Zimmer. Phillip folgte ihm schweigend, machte hinter sich die Zimmertür wieder zu. Er beobachtete Leon, wie er sich langsam auf das Bett sinken ließ und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder hinlegte. Nun kam Phillip wieder in die Gänge. Er ging auf ihn zu und zog ihm die Decke über den Körper. Er setzte sich wieder neben ihn und sagte, den Augenkontakt tunlichst vermeidend: „Kein Ding.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)