Bloody Snow von Moon-Cat (Wenn dein Freund ein Werwolf ist...) ================================================================================ Kapitel 2: Das Rudel der Vergangenheit -------------------------------------- Can seufzte und ging zurück in die Höhle, die er nun bald verlassen würde. Bedrückt setzte er sich vor das Feuer und schaute hinein. Alexandras Blick ging ihm nicht mehr aus dem Sinn – dieser vorwurfsvolle und zugleich traurige Blick. ‚Womöglich hat sie bemerkt, dass etwas nicht stimmt... Ich habe Michael bisher noch nie die Hand gegeben...’, dachte er sich und schloss die Augen. Er wusste, was er zu tun hatte und ihm blieb dafür nicht mehr viel Zeit. Langsam trottete er in eine dunkle Ecke und klappte einen Schrank auf. Gemächlich zog er seinen alten Leinensack heraus und schaute ihn an. Als Wolf konnte er ihn leicht tragen, wenn er mit der einen Vorderpfote durch die Trägerschlaufe ging. Dahinein packte er nun alle seine Klamotten: Zwei Pullover, zwei T-Shirts und zwei Jeans’. Mehr hatte er von Anfang an nicht gehabt und mehr benötigte er auch nicht. Die Jogginghosen, die Alexandra ihm immer wieder mitgebracht hatte, ließ er im Schrank. Michaels Leute würden sie zwar nicht anziehen, aber im Winter vielleicht schon. Anschließend lief er zu dem Schrank, in dem er die Brötchen aufbewahrte, und machte sich ein Brot mit Käse. Damit ging er zurück zum Feuer und ließ sich davor nieder, um zu überlegen, was er noch erledigen musste. Doch es war ihm nicht möglich, seine Gedanken zu bündeln. Immer wieder drifteten sie zu Alexandra, die vollkommen überrascht und verletzt mit ansehen musste, wie er Michael die Hand gegeben, mit ihm diskutiert und sich mit ihm unterhalten hatte. Er seufzte und biss wieder in sein Brot. Daran konnte er jetzt auch nichts mehr ändern. Wenn er je wieder kommen würde, würde sie ihn sicher hassen. Und das war dann ihr gutes Recht. Wieder stieß er Luft aus seinen Lungen aus und schaute betrübt ins Feuer. Er wusste, dass er ihr Herz brechen würde. Schließlich sah sie ihn nicht nur als einen Beschützer oder großen Bruder – was ihm wesentlich lieber gewesen wäre -, nein. Sie musste sich ausgerechnet in ihn verlieben. Er würde niemals auch nur annähernd in der Lage sein, ihr das zu geben, was sie wollte. Ein Mensch und ein Werwolf durften einfach nicht ineinander verliebt sein. „Na, am Trübsal blasen?“, fragte ein junger Mann vom Höhleneingang aus. Can seufzte, stand auf und warf ihm eine alte, kaputte Hose aus dem Schrank zu. Er war froh, dass er sie doch noch dagelassen hatte. „Zieh das an! Noch ist diese Höhle FKK-freie Zone, verstanden?“, meinte er und holte sich Stift und Papier aus einem Schubfach. „Ja, ja“, gab der Mann nur zurück, zog sich an und lief zu Can. „Was machst du da?“ „Einen Brief schreiben.“ „Oh, einen Abschiedsbrief für deine geliebte Alexandra?“, fragte er neckend. Genervt drehte Can sich zu ihm um. „Kannst du nicht jemanden anderen nerven, Chester?“, wollte er im Gegenzug wissen. Chester kicherte, ließ sich neben dem Höhlenbesitzer nieder und biss in dessen Brot. „Michael hat angerufen und gesagt, ich soll auf dich aufpassen. Du weißt schon, damit du auch keine weiteren Dummheiten anstellst und so“, meinte er. Can unterdrückte eine gehässige Bemerkung und setzte sich wieder ans Feuer. Dort fing er an, den Brief an Alexandra zu schreiben, in dem er ihr alles erklärte. Sie würde es schon verstehen – zumindest hoffte er das. Er musste nicht lange über den Text nachdenken, den er niederschrieb; er hatte das alles schon längst sagen wollen. Auch wenn Alexandra ihn dafür hassen würde, musste Can ohne sie weiterziehen. Er hatte sich schon zu lange an diesem Ort aufgehalten und manchmal hatte er das Gefühl, als riefe jemand seinen Namen in Neu- und Vollmondnächten. Es gab nur eine einzige Erklärung dafür. Doch er wollte nicht darüber nachdenken; es würde nur mehr Wunden, die längs verheilt waren – zumindest fast -, aufreißen. „Klingt ganz schön schnulzig, was du da so von dir gibst, Can!“, sagte eine andere Stimme über Cans Rücken hinweg und schmatzte. Tief atmete er ein und drehte sich mit zusammengekniffenen Augen um. „Was willst du hier, Max?“, fragte er genervt. In gespieltem Entsetzen riss Max seine Augen auf und klagte mit einer übertrieben, weinerlichen Stimme: „Aber Can! Wie kannst du nur so gefühlskalt sein? Schließlich waren wir doch einst die besten Freunde! Es verletzt mich, dass du nach all der Zeit so abweisend zu mir bist!“ Der Höhlenbesitzer funkelte den blonden Mann böse an und knurrte fast, als er sagte: „Da liegst du richtig. Wir waren einst Freunde. Anscheinend hast du unseren damaligen Abschied erfolgreich verdrängt!“ Max zuckte zurück und sein Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. „Dacht ich’s mir doch!“, zischte Can und widmete sich wieder dem Brief. Noch einmal las er sein beschriebenes Blatt durch: Liebe Alexandra, es tut mir leid, doch ich muss gehen. Ich weiß, wir hatten eine Abmachung und du wirst sicherlich nicht über meinen Vertrauensbruch hinwegkommen, so starrsinnig wie du bist. Falls du jetzt Angst um dein Leben durch Michael hast, so kann ich dich beruhigen. Er wird dir nichts tun und sich um dich und Joanna kümmern. Er hat sich durch sie verändert – und glaub’ mir, ich weiß, wovon ich rede. Zudem möchte ich dir noch folgendes sagen: Ich liebe dich als eine Schwester, fast schon wie eine Tochter. Doch die Art, wie du mich liebst, ist es nicht. Ich kann dir meine Liebe nicht schenken, weil ich dich nicht so sehe, wie du es gerne hättest: als eine Frau. Es tut mir leid. Doch die Liebe könnte ich nicht einmal wegen meiner Rasse zurückgeben. Werwölfe und Menschen dürfen sich nicht lieben. Du wirst dich sicherlich fragen, weshalb ich ohne dich weiterziehen muss, doch das ist eine alte, lange Geschichte, die du nicht verstehen würdest. Es gibt Aufgaben, Feinde und Dinge, die ich dir vorenthalten muss, damit du in Sicherheit bist. Vielleicht wirst du mich eines Tages verstehen und mir verzeihen können. Ich werde eventuell vorbei kommen – für ein paar Stunden, Tage, ... -, um zu sehen, wie es dir geht, wie du dich so machst. Wie du einen anderen Jungen verliebt ansiehst... Vielleicht werde ich sogar einmal die Zeit finden, dir wirklich alles über die Spezies Werwolf zu verraten. Schließlich gibt es da viel zu entdecken. ;) Aber das muss warten, bis du mir verzeihst... Auf jeden Fall wirst du mir fehlen. Ich vermisse dich jetzt schon, obwohl ich den Brief bereits nach unserer letzten Begegnung geschrieben habe. Leb wohl, Dein bester Freund Can Can seufzte. Die letzten zwei Absätze und die Schlussfloskel hatte er jetzt noch schnell hingeschrieben, um es endlich hinter sich zu haben. Anschließend stopfte er ihn in ein Kuvert und steckte ihn in seine Hosentasche. Dann holte er sich eine Decke, legte sich vors Feuer und schlief kurz darauf ein. Es war ein langer und anstrengender Tag gewesen – und nicht weniger anstrengend war der Abend verlaufen. Als er am nächsten Morgen aufwachte, tat er das nicht von alleine – auch wenn er unglaublich schlecht geträumt hatte –, denn eine wilde Keilerei war in seiner Höhle ausgebrochen. „Das ist mein Schlafplatz! Hast du verstanden?“ „So ein Blödsinn! Der gehört mir!“ „Gar nicht, keinem von euch beiden gehört er, sondern ganz allein mir!“ Noch ein paar Stimmen mischten sich ein und Can wusste bereits jetzt, dass sich Michaels ganzes Rudel bei ihm eingenistet hatte. Plötzlich traf etwas Cans Kopf. Verwirrt setzte er sich auf und schaute nach, was es war. Er hielt den Eisenbecher hoch, der jetzt eine Delle von seiner Stirn hatte. Er atmete tief ein und wieder traf etwas Hartes auf seinen Kopf. Langsam wandte er sich dem Radau zu und wurde wütend. Nicht nur, dass Max, Chester und Bryan mit Bechern und Tellern um sich warfen, nein! Sie hatten den Kühlschrank auch noch offen und warfen mit den wenigen Lebensmitteln um sich, die sich noch darin befanden. Can war damals sehr froh gewesen, als er den Kühlschrank durch eine Autobatterie betreiben konnte, doch im Moment hätte er ihn gerne da gelassen, wo er ihn her hatte: Auf dem Schrottplatz! Zudem standen noch fünf weitere, nackte Männer um sie herum und waren in eigene Streitereien verstrickt, ohne die anderen drei auch nur ansatzweise zurückzuhalten. Langsam stand Can auf. Hätte man seine Aura sehen können, hätte man sogar seine Mordlust gesehen. Er hätte alle acht Rudelmitglieder zu gerne verprügelt und im hohen Bogen aus der Höhle geworfen. Aber zuerst wollte er die friedlichste Methode probieren und holte deswegen tief Luft. „Ruhe!! Verdammt noch mal!“, brüllte er. Befriedigt sah er mit an, wie alle in ihren Bewegungen verharrten und ihn ansahen. Auf dem Boden waren sogar bis zum Eingang hin Lebensmittel und Geschirrteile verstreut. Noch einmal atmete er tief ein und lief zu Max, Chester und Bryan. Ihnen nahm er als erstes die Lebensmittel aus den Händen. Dann schickte er sie an die Wand. Dasselbe tat er mit den anderen; manche davon musste er nicht einmal dazu auffordern, sich in Bewegung zu setzen. Schließlich konnte er sich die Sauerei ansehen, die sie verursacht hatten. Es war sehr viel schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. Alles war entweder verbogen, zerbrochen oder zerquetscht auf dem Boden verteilt. Can war zu entsetzt, um zu hören, wie sich die anderen aus dem Staub machten. Er bemerkte es erst, als er sich umdrehte, um sie noch einmal anzuschreien. Seine Wut verpuffte und er drehte sich um. „War ja klar“, murmelte er vor sich her, während er mit einem resignierenden Blick anfing, das Geschirr vom Boden aufzuheben. Dabei murmelte er immer wieder vor sich hin, dass er es sich hätte denken können, schließlich kenne er sie schon lange genug. Ein kleines, sanftes Tapsen vor dem Eingang machte Can stutzig. Er drehte sich um und sah einen kleinen, schwarz-weißen Wolf – seine Schulterhöhe war nicht größer als Cans, wenn er in Menschengestalt aufrecht da stand. Wolf war allerdings etwas untertrieben; das Tier hatte einen breiten Brustkorb – allerdings schmal gegenüber älteren –, lange Arme und etwas kürzere Hinterbeine, da sein Rumpf höher als sein Hinterteil war. Diesen Werwolf kannte Can sehr gut. Er war schon oft bei ihm gewesen und hielt sich im Gegensatz zu seinen Rudelmitgliedern ziemlich zurück. Bei den Keilereien, war er nicht einmal in der Nähe gewesen. Can wusste nicht, ob er wirklich Michaels Idealen folgen wollte oder nicht. Er hatte sich andere Möglichkeiten bereitgelegt, die er verfolgen könnte. Schon oft hatte er mit ihm darüber gesprochen. Der Ärger des Höhlenbesitzers war jetzt so gut wie verflogen und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Was gibt es heute, Lóme? Wieder ein Gespräch über deine Zukunft?“, fragte Can ihn und packte eine Jeans aus seiner Tasche, die wie durch ein Wunder heil geblieben war – die anderen Hosen lagen in Fetzen verteilt auf dem Boden herum – und warf sie zu seinen Besucher. Dieser hob sie mit der Schnauze auf und schlich sich auf leisen Sohlen in die Höhle. Dort verwandelte er sich in einen Jungen und zog sich die Hose an. Er sammelte ebenfalls den Müll auf dem Fußboden auf, ohne etwas zu sagen, während er sich Can näherte. Es dauerte einige Zeit, bis sie alles in Müllsäcken verstaut und zur Seite geräumt hatten. Dann machte Can wieder ein Feuer, vor dem er sich schließlich niederließ. Lóme setzte sich dazu. „Ich habe mich entschieden“, sagte er nach einer Weile und starrte ins aufflammende Feuer. „Und? Muss ich dir jetzt deine Versuche ausreden?“ „Nein“, antwortete der Junge. „Nicht, wenn du mich dabei haben willst. Wenn du nicht willst, dass ich mit dir gehe, dann sag’s ruhig. Dann geh’ ich meinen eigenen Weg.“ Can warf einen Blick zu seinem jungen Freund. Dann lächelte er, als er die Wehmut und Angst in den blau-schwarzen Augen sehen konnte. „Hast du schon mit Michael darüber gesprochen? Schließlich ist er dein Rudelführer.“ Lóme schnaubte, sagte dann aber: „Michael ist damit einverstanden. Er hat gesagt, dass er froh ist, wenn ich endlich weg bin. Alle haben das gesagt, nur weil ich manchmal vor mich hin träume und auch auf Alexandras Seite stand.“ „Spürst du sie noch?“, wollte Can jetzt von ihm wissen. Sein kleiner Freund schüttelte den Kopf. „Es ist schon seit Wochen schwächer geworden und als ihr den alten Vertrag geschlossen habt, hat er mich komplett verbannt.“ „Du kannst ihre Wolfsgestalt also nicht mehr spüren“, murmelte Can und grinste Lóme an. „Na dann, willkommen im Club! Du konntest dich an diese Situation ja langsam gewöhnen, mich hat mein damaliger Rudelführer ohne Vorwarnung rausgeworfen. War ganz schön schwer, anfangs damit zu recht zu kommen. Aber mit der Zeit hat sich alles eingerenkt.“ Lóme schaute Can neugierig an. „Wie war das damals eigentlich? Weshalb hat dich dein Rudelführer rausgeworfen? Warst du nicht mal mit Michael in einem Rudel?“, fragte der junge Wolf den Höhlenbesitzer. Der grinste ihn nur noch breiter an und antwortete: „Ha! Ich war sogar mal sein Vorgesetzter!“ Dann seufzte er und warf ein Holzscheit ins Feuer. „Aber das ist jetzt auch schon über zehn Jahre her.“ „Du warst sein Vorgesetzter?“, fragte Lóme ungläubig. „Was ist passiert? Wie kam es, dass du rausgeschmissen wurdest?“ Can seufzte wieder und stützte seinen Kopf auf seinem Arm ab. Müde schaute er seinen jungen Freund an. Er wusste nicht, ob er es ihm erzählen konnte oder sollte – aber was hatte er schon zu verlieren? Sie würden in Zukunft zusammen sein, also konnte er es ihm genauso gut auch erzählen. „Weißt du, das ist wirklich eine alte Geschichte. Damals schien alles noch einfacher zu sein“, meinte Can seufzend und schaute ins Feuer. „Du weißt, dass Werwölfe eine unbegrenzt lange Lebenszeit haben, solange sie nicht lebensgefährlich verletzt oder gar getötet werden, und dass sie ab einem bestimmten, persönlichen Alter aufhören älter zu werden, oder?“ Er schaute zu Lóme, der ihm mit einem Nicken antwortete. „Ich war damals schon seit vielen Jahren unter der Führung des Alphawolfes Galahad, der durch die Größe seines Rudels gefürchtet war, und hatte meinen Rang als einer der Top-Fünf mit harter Arbeit und Stärke erlangt. Eigentlich hätte Michael dieser Rang zuteil werden sollen, da er der Ältere von uns beiden war. Allerdings war ich stärker als er und bekam so die Stellung. Er war unglaublich wütend auf mich.“ Ein Lächeln schlich sich auf Cans Gesicht, als er an die damalige Zeit zurück dachte. Es waren tolle Jahre dabei gewesen, die er mit dem Rudel zusammen verbracht hatte. Er wandte sich seinem Zuhörer zu. „Wusstest du eigentlich, dass Michaels Rudel eigentlich Galahads ist? Alle Mitglieder seines Rudels sind jetzt bei diesem schnöseligen weißen Werwolf.“ „Aber wie ist das passiert? Wieso bist du jetzt hier und nicht bei Michael?“, fragte der Junge. Can ließ seinen Blick durch seine Höhle wandern und starrte ins Feuer. „Es war vor zehn Jahren und zehn Tagen, als Galahad zu einer kleinen Exkursion mit vier seiner Männer auszog. Mich ließ er zurück und gab mir die Befehlsgewalt. Ich legte das strikte Verbot aus, keine Menschen zu töten. Unser Rudelführer hatte es zwar bereits getan, doch ich wusste, dass Michael immer wieder schummelte, schließlich gab er vor mir immer damit an. Und wenn ich es Galahad sagte, meinte der nur, ich sei zu sehr in dieser Vision eines mordfreien Lebens unter den Menschen verfahren. Man könnte eben nicht dem zarten Fleisch eines Menschen widerstehen, wenn man lange nichts gefressen hatte.“ Ein Seufzer entfuhr ihm und er warf wieder ein Holzstück ins Feuer. „Galahad brach also auf, um zu sehen, ob er sein Territorium erweitern könnte. Ich gab den anderen Werwölfen die Anweisung, keine Menschen zu töten. Auch wenn sich nicht viele in die Berge verirrten, wusste ich von einer Hütte, in der ab und zu mal ein paar Menschen wohnten, wenn auch nur für ein paar Tage oder Wochen. Auch Michael wusste davon und er wusste, dass damals eine kleine Familie in dieser Hütte hauste.“ Knurrend wandte er seinen Blick ab. Wenn Can daran zurück dachte, könnte er Michael noch immer die Kehle durch beißen und seinen Körper in ätzende Lauge legen. Neugierig schaute Lóme ihn an. „Was passierte?“, fragte er nach. „Michael nutzte Galahads Abwesenheit aus und brachte die anderen Rudelmitglieder dazu, mich ebenfalls zu hassen.“ Can schaute den jungen Mann wieder an. Ein sarkastisches und zugleich wütendes Lächeln trat auf sein Gesicht. „Er hatte die Überhand gewonnen und ich konnte nichts dagegen tun. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hatte, sie zu überreden, aber er hatte es geschafft. Galahad war bereits drei Tage weg, als Michael seinen Anschlag auf mich verübte.“ „Er hat einen Anschlag auf dich verübt?“, wollte Lóme mit einem entsetzten Gesichtsausdruck wissen. „Ist das dein Ernst?“ Can schnaubte. „Glaube mir. Er hat mich in eine dunkle Ecke gelockt, weil er angeblich mit mir reden wollte. Vertrauensselig und naiv wie ich war, folgte ich ihm und fand mich am Ende hinter einem Felsen eingesperrt wieder. Zuvor hatte er mich mit ein paar anderen Wölfen in die Ecke getrieben und von oben haben sie dann loses Geröll nach mir geschmissen, das sie in ihrer Werwolfsgestalt herum schieben konnten. Ich konnte einigen ausweichen, aber dann traf mich ein ziemlich großer Brocken am Kopf und ich wurde bewusstlos.“ Wieder erfuhr er dieselben Gefühle wie damals. Die Machtlosigkeit, die er in diesem Moment verspürt hatte, und die Schuldgefühle, die ihn heute umso mehr plagten, die Angst, um die Menschen, der Hass auf das Rudel, für das er verantwortlich gewesen war und das Gefühl des Verrats, als er Galahad wieder gegenüber treten musste. Er spürte den Blick des schwarz-weiß Haarigen und erzählte weiter, während er seinen Blick weiter auf die Flammen richtete: „Kurz darauf kam ich wieder zum Bewusstsein, aber nicht, weil ich mich von dem Schlag erholt hatte.“ – Ein Schauder durchfuhr ihn. – „Die Schreie der Menschen brachten mich zurück und so schnell ich konnte, rannte ich zu Michael. So schnell ich konnte, wollte ich ihm diese Gräueltat büßen lassen. Doch, wie du siehst, bin ich nicht dazu gekommen.“ „Waren das... Alexandras Eltern? Wieso konntest du ihm das nicht heimzahlen?“, fragte Lóme wütend und sprang auf. Aufgeregt lief er in der Höhle auf und ab. Niedergeschlagen ließ Can seinen Kopf hängen und lächelte doch leicht vor sich hin. „Weil Galahad plötzlich vor mir auftauchte und ein lautes Heulen von sich gab.“ Die Schritte stoppten. „Dieses Heulen gab uns den Befehl, ihm zu folgen und uns zu versammeln. Er konnte die Wut in mir spüren, als ich Michael wieder sah. Ein breites Grinsen kam auf sein Gesicht, als er mich sah und ich stürzte mich voll Hass und Wut auf ihn. Der Alphawolf setzte dem ein Ende, indem er uns zur Ruhe rief und mich vortreten ließ, um meine Beweggründe vorzubringen. Das tat ich auch. Aber er hätte ruhig anders reagieren können.“ Ein Plumpsen war zu hören und wieder saßen sie zu zweit vor dem Feuer. „Er gab mir die Schuld an dem Verrat, dem ich zum Opfer gefallen war und dass zwei Menschen nun tot in einer Hütte lagen. Und dem konnte ich wirklich nichts entgegen bringen. Ich war schwach gewesen und naiv. Ich hatte mich von Michael und den anderen Rudelmitgliedern an der Nase herumführen lassen. Dass ich deswegen allerdings diese Strafe erhalten würde, hätte ich nicht gedacht.“ Can schaute an die Höhlendecke, schloss seine Augen und blickte dann zurück ins Feuer. Wehmütig fuhr er fort: „Ich hatte keine Ahnung, was dieses plötzliche Gefühl der Leere in mir war, bis ich Galahad nicht mehr verstand. Seine Worte in der Werwolfsgestalt waren für mich plötzlich wie eine andere Sprache, die mir völlig fremd war. Er sah mich mit seinen leuchtend roten Augen an und plötzlich verstand ich, was er getan hatte. Ich war geschockt und fühlte mich so verraten.“ Er knirschte mit den Zähnen und ballte seine Hände zu Fäusten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)