Karamellbonbon von blechdosenfee ================================================================================ Kapitel 6: 31. Dezember ----------------------- *** 31. Dezember Schneeflocken wirbelten tänzerisch im Wind und ließen sich mit Schwung und Eleganz über Londons Dächer hinweg tragen. In einigen Einkaufsstraßen von London war noch der herrliche Duft nach Zuckergebäck, Braten und Punsch zu erschnuppern, doch die in den Schaufenstern ausgestellten Esswaren wurden von den Passanten mit aufstöhnender Verachtung gestraft. Vollgefressen und satt. So lief ein Großteil der Bevölkerung auf den vom Schneematsch bedeckten Straßen. Busse fuhren, wie manch eine alte Frau fand, mit voller Absicht durch die angestauten Eispfützen und die Kinder kamen mit nassen Socken und frierenden Gliedern nach Hause, während die Glätte dem Rest die Knochen brach. Auf den Straßen der Metropolenstadt war der Alltag wieder eingebrochen – zu schnell für Einige, die dem rauschenden Familienfest mit wehleidigen Blick nachtrauerten. Noch vor wenigen Tagen hatten Kinder mit leuchtenden Augen den ersten Weihnachtsfeiertag begrüßt, um ohne Umschweife und in heller Vorfreude zu ihren selbst-gekauft-gestrickten Socken zu rennen. Mit einem strahlendem Lächeln, einer Julia Roberts gleich, zeigten sie ihre Begeisterung und so manch ein Stein fiel in diesem Moment vom sorgenden Elternherz. Doch nicht überall fanden die Mundwinkel den Weg nach oben, bei einigen verzog sich die gesamte Gesichtspartie wie von einem Magnet angezogen, in Richtung Füße. Für die Eltern solcher Kinder gab es nur eine Lösung: Tausch! Der Tauschhandel war von je her ein traditionelles und alt hergebrachtes Verhandlungsmittel – das fing schon in den frühsten Jahren der menschlichen Geschichte an und setzte sich in minimalistischer Wiederholung bei jedem Menschenleben fort. Jeder Mensch hatte in seinem Leben einen Tausch vollzogen und wenn es nur das Sandkastenspielzeug der Krabbelgruppe 'Häschen' mit den Holzklötzen der 'Eichhörnchen' war – Tausch war Tausch und dieser hatte sich in den letzten Jahren, besonders nach der Bescherung, zu einem unglaublich standhaften Geschäft entwickelt. Waren die Leute Tage vor Weihnachten wegen Besorgungen der letzten Weihnachtsgeschenke unterwegs gewesen, so füllten sich die Geschäfte mit den Menschen, weil genau jene Geschenke wieder ins Regal kamen und dafür was anderes den Laden wieder verließ. Das es dabei zu kleineren Staus, Engpässen und Versorgungsmängeln kam, war den frustrierten Kunden egal – Kinderherzen, Liebesherzen oder ganz und gar Familienherzen mussten von der Trauer über das falsche Geschenk erlöst werden und das mit allen Mitteln. So wurde geschrien und gemeckert, genörgelt und gemotzt und jeder wollte der Erste bei den Mitarbeitern sein. Diese musste sich die wildesten Beschimpfungen, Spekulationen und Anfeindungen anhören und waren am Ende des Jahres so fertig mit den Nerven, dass der Urlaub für das neue Jahr, gleich wieder aufgebraucht war. Trotz des immer größer werdenden Umtauschhandels war der Stress der vorweihnachtlichen Zeit vorüber – das Fest war schlicht und ergreifend vorbei, für die einen mehr und für die anderen weniger besinnlich. Doch im Grunde würde sich jeder in einigen Monaten mit guten Gedanken an Weihnachten zurück erinnern, genauso, wie sich jedes Jahr zum 25. Dezember die Queen um 15 Uhr 'Tea-Time' ihrer Nation über die Flimmerkiste zeigte. Fraglich war bei dieser Sache nur, ob auch alle Briten diesen pflichtbewussten Termin wahr genommen hatten, schließlich galt es unliebsame Pflichtbesuche bei Verwandten und Bekannten einzuhalten. Es war halt wie immer, ein ganz normales Weihnachten. Vor dem Fest war auf dem Heathrow Airport die Hölle los gewesen, wegen des eisigen Sturms und des unaufhörlichen Schneefalls. Doch jetzt, nach der besinnlichen Mistelzweigzeit, waren die Chaosmacher, die Menschen selbst. An jedem Gate standen sie in Massen und warteten darauf, endlich in ihr Flugzeug zu kommen. Der Pflichtbesuch war beendet und den Menschen saß der baldige Arbeitsbeginn im Nacken. Glücklich konnten sich jene schätzen, die ihren Platz im Flieger schon mit ihrem Hintern gesichert hatten und nur noch auf den Rest der Passagiere warten mussten. Rein – Raus. Das alltägliche System auf einem Flughafen. Flieger kamen und flogen, genauso wie ihrer Passagiere. Hektik beherrschte die riesige Halle. Es wurde ausgecheckt, eingecheckt und sicher gecheckt, was das Gepäck anging. Jeder musste da durch, einfach jeder – doch Ausnahmen bestätigten die Regel. Besitzer von Privatflugzeugen oder dem Status elitärer VIP konnten unbeobachtet von der wartenden Meute den Weg zum besonderen Gate nehmen und ohne lästige Warterei das Flugzeug betreten. Der exquisiten Service des Flughafens erlaubte Privatmaschinen eine Sonderbehandlung beim Start, natürlich nur wenn gewisse Pfunde ihren Besitzer wechselten. Für dieses Privileg mussten andere Passagiere eine weitere viertel Stunde auf das Abenteuer in der Luft warten. Es war kein Geheimnis, das zu den auserlesenen Kunden die Familie Gray gehörte. Sobald hier die Pfunde rollten, waren auch Freunde – die keinerlei VIP-Status besaßen – beliebte und gern gesehene Fluggäste. Geld. Dollar – Pfund – Euro – Yen – Yuan – Naira – Rubie – Rubel – es gab viele Namen für dieses simple Verhandlungsmittel und immer wieder bestätigte sich, dass die Welt im gewissen Maße damit regiert werden konnte. Aber nur, wenn es einen kaufbaren Gegenwert bekam und das war nicht überall auf dem fast runden, blauen Erdball der Fall. Irgendwo auf der indonesischen Insel Java lebte ein Jäger- und Sammlervolk, das den bunten Scheinen und Münzstücken so viel Begeisterung entgegenbrachte, wie ein überzeugter Veganer, der ein saftiges und gut gewürztes Steak sah. Sicherlich gab es rund um den Erdball noch andere kleine Gemeinschaften, die es genauso sahen. Da konnten die Menschen mit den unermesslich vielen Zahlen auf dem Konto und einer unlimitierten Kreditkarte sich wahrlich glücklich schätzen nicht bei den Semang, so hieß der nomadische Indianerstamm, leben zu müssen. Den dort galt von je her: Tausch war der einzig wahre Handel. * Während sich die Menschen, wie in Großbritannien, von den stressigen Tagen erholten, begann der Stress auf der anderen Seite der Erdkugel erst so richtig. Die starken Winterstürme hatten der Hauptstadt Tokio extrem zugesetzt. Fast stündlich rückten Räumungsarbeiter aus, um den weißen und eisigen Gegner entgegenzutreten. Mit mäßigen Erfolg. Eiszapfen wurden erschlagen, störrische kleine Flocken zur Seite geräumt. Doch das Wechselspiel von sonniger Tageswärme und klirrender Nachtkälte führte dazu, dass am Tag genügend Tauwasser gebildet wurde, um in der Nacht die gebrochenen Zapfen wieder wachsen zu lassen. Für Nachschub an Eiswasser sorgten die Schneeflocken, welche am Morgen fast zaghaft aber in Massen auf die Erde nieder schwebten. Sehr zur Freude von den kleinen, unwissenden Kindern, die die rasende Aufregung und die ständige Meckerei der Erwachsenen gar nicht nachvollziehen konnten. Sah doch hübsch aus, dass flockige, kalte Weiß, welches so lustig in den schwarzen Haaren glitzerte und dieses nasse Gefühl auf der Haut hinterließ. Es war fast ein Woche vergangen, seit dem Akemi mit Takeru zusammengekommen war. Sie hatte ihn seit dieser Zeit fast jeden zweiten Tag in der Uni gesehen aber jeden Tag telefonisch kommuniziert. Jedes Mal wenn sie sein Lachen hörte, hätte sich die Japanerin vor Freude auf dem Boden umher wälzen und mit den Beinen strampeln können. „Hey. Nun erzähl doch mal, unternehmt ihr auch was zum Neujahrstag.“ „Nein, leider nicht.“, seufzte Akemi, während sie im Regal nach dem passenden Reis suchte. Irgendwo musste Omas Wunschreis doch sein. Ah! Ganz oben. Ein hauchfeiner und enttäuschter Seufzer war zu hören, der durch den Lärm der anderen Einkäufer übertönt wurde. „Und warum nicht?“, erneut drängte sich eine Stimme in Akemis Bewusstsein, nur dieses Mal viel intensiver als die fünf anderen Male zuvor. Um diesem Gequängel endlich ein Ende zu bereiten, meinte die Gedrängte auf den Zehenspitzen stehend, angestrengt: „Hab ich dir doch schon gesagt.“ Warum mussten die den Reis auch im obersten Fach des Regals haben und warum musste das aus dem amerikanischen Gebrauchshandel sein. „Muss er wieder trainieren?“ Diese ständige Fragerei! Bei Akemi zuckte der Mundwinkel, während sie noch einmal all ihre Konzentration auf die Fuß- und Fingerspitzen legte, um endlich diesen Reis zu bekommen. „Nein, es ist Tradition bei Takeru, mit dem Klan und der Nebenfamilien des Klans zu feiern.“, zischte sie gepresst durch die Zähne hinaus. Ah! Endlich hatte sie mit den Fingerspitzen eine Tüte erreichen können und mit ausgeklügelter Tüftelei diese auch irgendwie in die Hand bekommen. „Hat der dich nicht eingeladen?“ Mit beiden Füßen wieder vollkommen auf dem Boden stehend und die Fußspitzen entlastend, bedachte Akemi ihre beste Freundin mit einem Seufzer. „Emi-chan.“, betonte sie, „Takeru will seinem Vater erst nach der WM sagen, dass er eine Freundin hat.“ „Eine?“, die Augenbraue schwang sich elegant nach oben, während der Blick auf eine korrigierte Antwort wartete. „Mich als Freundin hat.“ „Und warum erst nach der WM?“ Himmel, gingen der den nie die Fragen aus? Doch anstatt einer Antwort, besah sich die frischgebackene Freundin von Takeru die 750 Gramm Tüte Khao Youak Reis, welche sicher in ihren Händen lag. Erneut verfiel sie in einen tranceähnliche Zustand, während ihre Gedanken immer wieder um die letzten Tage kreisten. „Akemi-san?“ Erschrocken sah diese zu Emi auf. „Äh.... was?“ „Alles in Ordnung?“, Sorge schwang in der Stimme mit und Skepsis zu neunzig Prozent. „Ja.“, Akemi nickte. Ihr Blick glitt zur Seite und streifte das Regal. „Weißt du, es ist so...“, fing sie zögerlich an, während ihre Finger mit der Reistüte spielten. „Sein Vater ist ein wenig schwierig. Er würde es nicht verstehen, dass Takeru in der Vorbereitungszeit auf die WM sich nicht voll und ganz auf Meisterschaft konzentriert.“ Es war ein gequältes Lächeln, das Akemi zeigte. „Hallo?“, empört blickend, stemmte Emi ihre Hände in die Hüften und sah ihre Freundin schief an. „Was ist denn das für einer? Es ist doch selbstverständlich das ein junger, gutaussehender Typ wie Takeru sich auch mal nach einer Freundin umschaut … und wenn er dann auch noch dich mit nach Hause bringt, dann sollte sich sein Vater lieber glücklich schätzen.“ Den Rest des Gesagten überhörend, brummte Akemi: „Könntest du bitte die Schwärmerei für meinen Freund unterlassen?“ „Was denn? Er sieht nun mal gut aus.“ „Lass das nur nicht Tanaka-kun hören.“ „Wa ... Woher?“, die Augen der Schwärmenden waren weit aufgerissen, während sie einen wahrlich schockierten Gesichtsausdruck zum Besten gab. „Mein, von dir gerade eben so umschwärmter Freund, hat mir da etwas erzählt.“ „Ha.“, Emi winkte ab. „Da musst du was falsch verstanden haben. Tanaka-kun und ich?“, ein gespieltes Lachen erklang und die Nervosität war der jungen Japanerin anzusehen. Doch Akemi ließ nicht locker: „Du und er. Seit einem Jahr.“, erwiderte sie eindrücklich, während der Weg zu Kasse eingeschlagen wurde. „Takeru-kun muss da was verwechselt haben.“, meint Emi und nutzte den Moment, als Akemi die Ware der Verkäuferin gab. Mit raschen Schritten verließ sie das Geschäft. Dieses Gespräch brauchte nicht in einem 24-Stunden-Laden geführt zu werden, in dem die Regale manchmal Ohren besaßen. Draußen angekommen blieb Emi erst unter einen der vielen Bäume, die den Straßenrand säumten, stehen. Sie bemerkte nicht den Schnee, der wieder vermehrt in kleinen weißen Kristallen sanft auf die Erde fiel. Dafür war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Sache mit Tanaka-kun und ihr, wussten nur die wenigsten. Eigentlich nur Takeru-kun und im Grunde war es Emi auch bewusst, dass ihre Verärgerung vollkommen unsinnig erschien. Schließlich war es nur eine Frage der Zeit, bis eine weitere Person hinter dieses Geheimnis kam. Mit Sicherheit hätte sie schon längst Akemi und Chiyo davon erzählt, wenn da nicht die Sache mit ihrer Mutter wäre. Genau das bereitete ihr Angst. Es brauchte sich nur eine der Beiden bei ihr daheim vor der Mutter verplappern und dann könnte sie aber einer Donnerwetter und vieles mehr erleben, was sie unbedingt vermeiden wollte. Die Tatsache, dass Takeru-kun davon wusste, beruhte einzig und allein auf der hundertprozentigen Sicherheit, dass dieser niemals bei ihr daheim auftauchen würde, denn Herrenbesuch hielt ihre Mutter für überflüssig und somit brauchte ihre Tochter gar nicht erst mit einem männlichen und zweibeinigen Wesen, dass sie zu allem Überfluss als ihren Freund betitelte, anzukommen. Seufzend wurden die Hände noch tiefer in die Seitentaschen des Mantels geschoben, während das Gesicht bis über die Nase hinter dem blauen Schal verschwand. Emi grummelte. Beim nächsten Treffen würde sie ein ernstes Wort mit Takeru-kun wechseln müssen. Einfach so das gehütete Geheimnis weiter plaudern. Mit der Stiefelspitze stocherte sie im Schneehaufen. Sie war wütend. Nicht auf Akemi, nicht auf Takeru-kun, viel mehr auf sich selbst. In der Zwischenzeit war ihre beste Freundin aus dem Geschäft gekommen. „Hey, bist du jetzt sauer?“ „Sollte ich?“, kam es schnippisch. „Ich weiß nicht.“ „Ich weiß nicht.“, äffte Emi nach. „Wegen was bist du denn jetzt so angepisst?“, Akemi berührte ihre Freundin am Arm und versuchte in deren Gesicht zu sehen. Doch diese blickte stur gerade aus und fixierte das Möbelgeschäft, welches auf der anderen Straßenseite mit Rabattangeboten von zwanzig Prozent Nachlass warb. „Emi-chan?“, drängte es. „WAS?“, geifte es vollkommen unerwartet aus dieser heraus, während sie herumwirbelte und Akemis Hand zur Seite schlug. Erschrocken trat diese zurück und sah ihre Freundin mit geschockten Gesichtsausdruck an. Nur ein hauchfeines 'Tschudigung' kam Akemi über die Lippen als sie ihren Blick senkte und den Versuch antrat sich auf einen Punkt am Boden zu konzentrieren. Wissend, dass sie überreagiert hatte, versuchte Emi in einem gemäßigteren Ton weiterzusprechen. „Da, jetzt siehst du zu was solche Gespräche führen. Nichts als Ärger.“, die Arme wurden vor der Brust verschränkt. „Das Takeru-kun nicht einmal die Klappe halten kann.“, murrte sie mit einem angesäuerten Unterton. Weiter betroffen auf den Boden starrend, fragte Akemi leise: „Liegt es an deiner Mutter?“, schließlich kannte sie die Eskapaden der Frau, der es am Liebsten war, wenn selbst die Freundinnen ihrer Tochter den Männern entsagten. Jetzt war es Emi, die einen Schritt zurücktrat und dabei den Kopf senkte. Plötzlich durchzog ein stechender Schmerz ihre Herz. Es tat ihr weh, die beste Freundin so angefahren und verletzt zu haben. Sie hätte ihr vom persönlichen Glück erzählen sollen, schließlich wusste Akemi wie ihre Mutter war und das nicht erst seit gestern. „Du weißt ja wie sie bei dieser Sache ist.“, bestätigte Emi den Verdacht, während ein stummes Nicken als Antwort kam. Natürlich wusste Akemi wie Emis Mutter war. Beide Mädchen kannten sich vom Kindergarten an und dass ihre Namen auch noch so gleich waren, konnte nicht dem Zufall nachgesagt werden. Schon ihre Mütter hatten sich als Jugendliche kennengelernt und waren mit einander befreundet gewesen. Diese Freundschaft war einst so stark, dass sie beschlossen hatten, ihren Kindern ähnliche Namen zu geben und als Beide auch noch Mädchen bekamen, war der Pakt perfekt. Das Verhältnis der Mütter war zwar in der Zwischenzeit durch unterschiedliche Ansichten und Meinungen, insbesondere, was Männer und Erziehung anging, in die Brüche gegangen, doch es hatte noch so lange Bestand gehabt, dass sich Emi und Akemi im Kindergarten anfreunden konnten. Emi schämte sich. Sie und Akemi waren mehr als nur Freundinnen, sie waren wie Schwestern aufgewachsen. Erst in der Oberstufe hatte es einige Dämpfer gegeben, aber dennoch waren sich beide Mädchen so vertraut, dass ein Bruch niemals zur Debatte stand. Sie hatten sich geschworen alles mögliche dran zusetzen, niemals so auseinanderzugehen, wie es ihre Mütter getan hatten. „Du hättest es mir sagen können.“, hauchte Akemi in den kalten Tag. „Ich weiß.“, kam es flüsternd. „Hast du so wenig vertrauen zu mir?“ Es war ein Reaktion aus Reflex und Schuldgefühl. Plötzlich fand sich Akemi in einer Umarmung wieder, während sie Emis Kopf auf ihre Schulter spürte und eine leise, weinerlicher Stimme um Verzeihung flehte. Beruhigend zogen Akemis Hände Kreise auf dem bebenden Rücken ihrer Freundin. „Ist doch gut. Ich verzeih dir.“, erwiderte sie auf das flehende Credo der Entschuldigungen. „Wirklich?“, jammerte es. „Ja. Aber nur unter einer Bedingung.“, willigte Akemi ein. „Du musst jetzt aufhören zu weinen, zu jammern und mich zu umarmen, denn ich bekomme keine Luft mehr.“ Sofort wurde sie losgelassen und besorgt angesehen. „Tschuldigung.“, meinte Emi stammelnd. Doch sie erhielt nur ein Kopfschütteln als Antwort. „Wir sind Schwestern, du Dummerchen.“, hauchte es ihr entgegen. „Wir können uns doch alles sagen.“ * Es war mitten in der Nacht als der Privatjet der Familie Gray die Landeerlaubnis vom JFK Airport in New York bekam. Der Flug hatte nicht lange gedauert. Doch durch kleinere Stürme und Unebenheiten des nächtlichen Winterflugs hatte die Maschine eine Verspätung von zehn Minuten. Nichts weltbewegendes für den Piloten und dem Rest der Crew aber entsetzliches Bangen bei einem Paar, dass schon sehnsüchtig auf die Ankunft ihre beiden Söhne und deren Freunde warten musste. Umso größer war das Aufatmen, als auf der Anzeigetafel neben dem Maschinennamen endlich 'gelandet' stand. Dummerweise stand dieses segensreiche Wort noch bei fünf weiteren Fliegern, bei denen es sich um die größten Passagierflugzeuge überhaupt handelte. Zwei Airbuse und drei Boeings, der Klassen 'wir können bis zu 300 – 400 Menschen mitnehmen'. Zu allem Überfluss befanden sich weitere Maschinen zur Abfertigung bereit. Silvester in New York – ein Spektakel, dass seines gleichen suchte. Egal ob klein oder groß, Großverdiener oder Straßenbewohner, jeder, der etwas auf sich hielt, pilgerte zum Times Square, um dort das bunte Fest mit anderen zu feiern und in mancher frohen Stimmung auch zu betrinken. Wer es nicht mochte, wie ein Sardine zerdrückt zu werden oder billigen Sekt übers Haupt gegossen zu bekommen, der war zumindest so klug, sich eine Wohnung in der Nähe zu suchen, um dort zu feiern. Es wurde sogar auf unliebsame Verwandte und Bekannte zurückgegriffen, nur um einmal im Leben sagen zu können 'Silvester? - Da war ich auf dem Times Square!' Andere hingegen, besonders langjährige New Yorker, die das Gedränge auf dem Times Square kannten – welches gerne schon halb zehn in der Früh stattfand, blieben lieber daheim und arrangierten mit Freunden kleine Privatfeiern auf Balkonen oder Terrassen oder flohen zu den weniger besiedelten Orten, wie Brooklyn Bridge oder Central Park. * Im Café war die Hölle los. Der Kuchenstand wurde belagert, während die Köche mit dem Backen nicht mehr hinterher kamen. Schon vor Wochen waren Bestellungen eingegangen, die es jetzt zu erfüllen galt und ganz nebenbei mussten für den alltäglichen Geschäftsbetrieb die Bleche gefüllt werden. Leni blickte zur Gastronomie, dort saß kaum jemand und wenn doch, dann nur um auf das bestellte Gebäck zu warten. Ihr Blick streifte die Uhr bevor sie den wartenden Kunden ihre Aufmerksamkeit wieder schenkte und diesen die bestellten Kuchen überreichte. Noch fünf Minuten, dann konnte war sie für mehrere Wochen aus dieser Hölle raus und dieses Mal war es ihr egal, ob die Kollegen jammerten und bettelten, damit sie noch einige Minuten blieb, während andere sich für das abendliche Fest vorbereiteten. 'Dieses Mal nicht' dachte sie sich und bemerkte gar nicht, wie ernst ihr Gesichtsausdruck wurde. „Junge Dame, ein Lächeln könnte nicht Schaden, um das alle hier ein wenig erträglicher zu machen.“, krächzte eine ältere Frau über den Tresen und legte die verlangten Rubel in die dafür vorgesehene Schale. Verwundert blickte Leni der Alten ins Gesicht. Sie verstand nicht was die Frau von ihr wollte, obgleich sie jedes Wort gehört und wahrgenommen hatte. „Bitte?“ „Lächeln“, kam es diesmal mit einem röchelnden und schwer klingenden Husten über die faltigen Lippen. Angewidert von dem Geräusch verzog sie nur zögerlich ihren Mund zu einer zaghaften, freundlichen Geste. „Schon besser.“, presste die Alte vor vorgehaltener Hand, in der sie ein altes und abgenutztes Taschentuch hielt, hervor. Mit schlurfenden Schritten verließ die Kundin das Geschäft und zog sich draußen ihren zerlumpten Mantel fester um den drahtigen Körper. Hätte Leni gewusst, dass sie die alte Frau – Jelena Lebetewa – an diesem Tag zum letzten Mal in ihrem Leben sah, ein freundliches Strahlen wäre nur für die ältere Dame über ihre Lippen gehuscht, doch in ihren Augen wäre die Trauer daheim gewesen. Jelena Lebetewa hatte keine Kinder. Ihr geliebter Mann war zu früh von ihr gegangen und neu heiraten kam für die damals Neunzehnjährige nicht in Frage, dafür war die Liebe zu groß – zu heiß und innig gewesen. Als Kassiererin hatte sie ihr Einkommen verdient und nebenbei an den Wochenenden für das kleine Stadttheater die Kostüme genäht oder verbessert. Sie hatte gut gelebt, wenn zugleich auch traurig aber sie lebte und darauf kam es ihr an und das hatte sie ihrem Mann versprechen müssen. Sie konnte ihm zwar nicht die Sache mit dem neuen Ehemann erfüllen, der an seiner über sie Wachen möge, doch das würde ihr geliebter Sascha sicherlich verzeihen. Schließlich galt ihre gesamte Liebe nur ihm. In ihrer kleinen hübschen Wohnung war es immer warm im Winter und im Sommer angenehm kühl, doch irgendwann da kam der Tag an dem alles zu teuer wurde. Seit Monaten hatte sie keine Aufträge mehr vom Stadttheater bekommen, es war Pleite und nun drohte der kleine Laden – unten an der Ecke, der mit dem vielen Obst und Gemüse – geschlossen zu werden, wegen dem 'neuen Supermarkt' am Stadtzentrum. Lange hatten sich ihr Vorgesetzter und Ladeninhaber, ihre beiden Kolleginnen und sie gegen den Fortschritt gewehrt, doch irgendwann blieben die Kunden aus und die Türen des Geschäfts wurden für immer abgeschlossen. An diesem Tag wusste Jelena, dass sie ihre kleine Wohnung nicht mehr halten konnte und so kam es, dass sie umzog in eine heruntergekommene Absteige, deren Wände kalt und nass waren. Irgendwann hatte sie der klammen Kälte nichts mehr entgegensetzen können und sie wurde ein Teil der Wohnung. Genauso verkommen und abgeblättert, wie die Tapete und der Putz, trat sie auf die Straße und verkümmerte langsam unter dem verachtenden Blick ihrer Mitmenschen. Jelena wusste, dass der Kuchen für dieses Silvester die letzte Freude in ihrem Leben sein würde und sie war nicht einmal traurig darüber. Ein kleines Lächeln, dass sie sich immer bewahrt hatte, stahl sich auf ihre dünnen und rissigen Lippen. In der Ferne im Licht, da konnte sie ihren Sascha sehen. Ihn und sein dunkles Haar, die kecken hellbraunen Augen und den charmanten Blick, den er nur für sie zeigte – nur für sie. Von der Arbeit ausgelaugt, betrat Leni die Wohnung. Es war wie jedes Jahr gewesen – die Bestellungen kamen zu spät, zu zahlreich und die Bäckermeister waren kaum hinterher gekommen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit mussten einige Kunden bis in den späten Abend auf ihre Ware warten. Doch das war nicht mehr ihr Problem, sie war jetzt daheim und besah sich mit einem kritischen Blick den 'Jolka', welchen Kostja und Dima besorgt hatten. Er war nicht groß und auch nicht üppig, aber die Nadeln zeigten ein saftiges Grün, während die Spitze kurz und kräftig war, um die kleine Glasfigur zu halten. Sie konnte keine kahlen oder braunen Stellen sehen, die für sie das Bäumchen zu einer Enttäuschung machten. Es war fast perfekt – einzig der Schmuck fehlte, doch dies würde sich in wenigen Stunden ändern. „Und, wie findest du ihn?“, erklang Dimas Stimme. Leni dreht sich nicht zu ihm, als er seinem Antwort bekam. „Besser als den vom vergangen Jahr.“ Ein gedämpftes Lachen war zu vernehmen. „Da waren wir eindeutig zu spät dran gewesen.“ „Wer schmückt ihn?“, sie hatte sich nun doch zu ihrem Mitbewohner gedreht und sah ihn fragend an – obgleich sie die Antwort kannte, die prompt mit einer feststellenden Gegenfrage beantwortet wurde. „Kostja und mich in die Küche zu stellen, wäre keine gute Idee, oder?“ „Ja, ganz und gar eine schlechte Idee.“, seufzte sie, während ein warmes Lächeln ihre Gesicht zierte. Leni wusste, am Ende würde die Arbeit bei den Beiden an Kostja hängenbleiben und Dima ihn im Nachhinein mit spitzen Bemerkungen ärgern, also ging sie in die Küche und löste den dort stehenden Koch ab. Erfreut bemerkte die junge Frau, dass der Salat für das abendliche Essen schon bereit stand und unter einem großen Topfdeckel ein wartendes Dasein fristete. Für das Dessert hatte sie selber einen Tag zuvor gesorgt, einen kleinen flachen Nusskuchen mit Mohn und etwas Honig für die Glasur. Kostja hatte schon alles für den Hauptgang – Borschtsch, vorbereitet, Leni brauchte nur noch den Rest machen. So bekam sie die Gelegenheit den Abend zu genießen, bis es zweiundzwanzig Uhr war und die drei sich an einem reich gedeckten Tisch zum drei Silvestermenü zusammenfinden würden um das alte Jahr zu verabschieden. * Akemi staunte nicht schlecht, als sie von der Einkaufstour mit Emi zurückkam. Ihre Mutter stand mit einem Besen an der Tür und kehrte nicht vorhandenen Dreck nach draußen. „Mama?“, fragte sie erstaunt. Die Angesprochene sah auf und schnaufte. „Und hast du den Reis bekommen?“ „Ähm … ja, natürlich.“, sie deutete mit der Hand auf ihre Tasche und zog sich die Stiefel aus. Verwundert blickte sie zu dem Besen. „Hast du nicht schon heute Morgen den Eingang gefegt?“ „Ja, aber es ist nur nochmal symbolisch … der bösen Geister wegen.“, lächelte ihre Mutter und schloss die Tür. „Geh und bring deiner Großmutter den Reis, damit sie endlich mit den Omochi anfangen kann. Dein Großvater bekommt sonst noch einen Nervenzusammenbruch.“ Akemi stimmte in das wissende Grinsen ihrer Mutter ein und verschwand in der Küche. Sie kannte die Vorliebe ihrer Oma, die nur all zu gerne an Silvester über das Essen und besonders über die Klosnudeln aus gestampften Reis sprach und damit über ihre eigene Kindheit und den Erlebnissen zu Silvester. „Endlich“, flüsterte ihre Großmutter und nahm die 750 Gramm Tüte Khao Youak Reis entgegen. Aus der Ecke war ein erleichtertes Aufatmen zu vernehmen und sie konnte ihren Oji-san aus dem Raum gehen sehen. „Willst du mir helfen?“, dem bittenden Blick ihrer geliebten Oba-san konnte Akemi nichts entgegensetzen. „Ich will mir nur schnell die Schürze holen und meine Hände säubern.“, gab sie zur Antwort und verschwand für wenige Minuten aus der Küche. Als sie wieder kam, hatte ihr Großmutter schon den Reis aufgesetzt und schnitt das frisch gewaschene Gemüse in kleine Würfel für das Toshikoshisoba Gericht. „Und, kommt er heute mal kurz vorbei?“ Akemi schüttelte den Kopf. „Nein.“, hauchte sie und gab die Eier in das kochende Wasser.  „Ah. Bist du enttäuscht?“, aus den Augenwinkeln sah die alte Frau das leichte Kopfschütteln ihrer Enkelin. Ein leichtes Lächeln war auf den Lippen erkennbar. „Nein, gar nicht.“, sprach Akemi aufrichtig und nahm den gekochten Tofu von der Herdplatte. „Sicher?“ „Ja, Oba-san.“, das heiße Wasser vom Tofutopf wurde abgeschüttet. „Das was ich empfinde ist keine Enttäuschung. Meine Gefühle sind eher von trauernder Art, dass ich diesen Tag nicht mit ihm zusammen erleben darf.“ Mit einem Löffel entnahm sie die Tofuwürfel und legte diese in eine Schale. „Doch ich blicke mit großer Zuversicht in die Zukunft, dass es in einem Jahr anders ist und wir uns am Schrein treffen werden, um gemeinsam für ein glückliches neues Jahr zu beten.“ Es war das erste Mal für Oma Ono ihre älteste Enkelin mit solch einem erwachsenen Ausdruck sprechen zu hören. Erstaunt lag ihr Blick auf dem seitlichen Profil des Mädchens, der die Zuwendung nicht verborgen blieb. „Ist irgendwas Oba-san?“ Ertappt wandte sich die Großmutter dem Reis zu und prüfte, ob er schon gut durch gekockt war. „Nein, nein!“, meinte sie mit schneller kopfschüttelnder Gestik, bevor sie den Topf mit dem Deckel verschloss. * Mit voller Vorfreude auf die riesige Suite im angesehensten Viertel von ganz New York zur Silvesterzeit, schmiss sich Nitan auf das Sofa und betrachtete von dort aus die Skyline, die sich ihr durch die Panoramafenster erschloss. Der Tag begann gerade und schickte sich an mit einem rot gefärbten Himmel die Menschen zu begrüßen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Sonnenaufgang in Manhatten am letzten Jahresstag erleb.“ „Wir sind ja auch mitten in der Nacht los, da ist es ja kein Wunder.“, meinte Ju und tat es der Blonden mit einem Gähnen hinter vorgehaltener Hand gleich. „Jack, ich glaube es nicht.“, erklang Karis fassungslose Stimme. „Eure Eltern haben nur für uns die gesamte obere Etage gemietet?“ Ein Grinsen war die stumme Antwort, während Joe ihr Handgelenk umfasste, um sie endlich in das Appartement zu ziehen. „Ich dachte immer die Räume des Empire State Building werden nur für Gewerbliches genutzt?“, kam es fragend von Gilbert, der dem Pagen das Trinkgeld für die enorme Leistung mit den Koffern gab. „Nicht nur.“, meinte Jack. „Unser Dad hat einige Verbindungen genutzt, um besonders diese Etage von den gewerblichen Geschäften frei zu bekommen und daraus eine wohnlicheres Ambiente zu schaffen.“ „Aber nur über Silvester!“, ertönte die Stimme des jüngeren Bruders aus der Wohnung. „Und was war das alles vorher?“, Ju drehte sich auf dem Sofa zu den anderen um und verschränkte ihre Arme auf der Rückenlehne. „Besuchersammelpunkt für Touristen, die auf die Plattformen rund um uns oder über uns wollten.“, gab Nitan in aller Ruhe zur Antwort, während ihr kritischer Blick auf ihren in dunkellila gefärbten Nägeln lag. „Ja, gibt es dann hier überhaupt Bäder?“, geschockt über diese Information wechselte Kari ihre Aufmerksamkeit zwischen der Couch und den männlichen Bandmitgliedern hin und her. „Gibt es!“, kam es diesmal von Hero, die hinter ihr an einer Tür stand und auf den Raum zeigte, aus dem sie gerade gekommen war. Kari wirbelte herum und löste sich für Joes Geschmack etwas ruppig aus seiner Umarmung. „Wollte ihr mir jetzt sagen, dass die Touristen statt Klo- und Waschbeckenanreihungen, richtige Bäder vorgefunden haben?“ „Nein, du Dummerchen.“, grinste Joe und legte seine Arme erneut um ihren Körper, während sie sich an ihn lehnte. „Wochen vorher war der Bereich hier nicht mehr für die Besucher zugänglich. Da genau diese WC-Räume umgebaut wurden in richtige Bäder und sobald das hier vorbei, werden die Bäder wieder raus genommen.“ „Ganz schön viel Aufwand für eine Nacht.“, hauchte die Brasilianerin und zog ihre Augenbrauen nach oben. „Wer Geld hat fragt nicht nach dem Aufwand.“, bemerkte Nitan beiläufig und schlenderte zu der Bar, um sich auf einen der Hocker niederzulassen. Mit einem lasziven Augenaufschlag, der nur Gil galt, flüsterte sie: „Und Herr Barkeeper, welches Getränk können Sie einer jungen und attraktiven Dame wie mir zum anbrechenden Silvestermorgen empfehlen?“ Ein Grinsen mit durchdringenden und vielversprechendem Blick begegnete ihrem. „Wie wäre es...“, Gil lehnte über die Theke und flüsterte: „.. mit einem Orgasm?“ Leise war das Lachen, dass die blonde Schönheit von sich gab, als sie kokett gespielt ihre Hand vor dem Mund hielt und zurück flüsterte: „Ich dachte eher an einem Manhatten. Aber den anderen würde ich gerne für einen späteren Zeitpunkt aufbewahren, wenn du weißt was ich meine?“ „Wie die Dame wünscht.“ Sein Atem streifte ihre Wange und ließ die blasse Haut leicht erröten. „Oh man! Nehmt euch ein Zimmer.“, kam es genervt von Jack, der die ganze Zeit daneben gestanden hatte und für die anderen die Getränke mixte. „Das machen wir, keine Sorge.“, grinste Nitan und betrachtete ihren Freund dabei, wie dieser ihren Drink abfertigt. Sekunden später, nach dem ersten Schluck, lag ihre Interesse auf Hero, die mit einem faszinierten Blick die Gemälde an den Wänden bedachte. „Süße, dein entschärfter Shirley Temple steht bereit. Lass uns anstoßen!“ * Stimmen drangen leise aus der Richtung des Fernsehers. Der jährliche und traditionelle Film Ironie des Schicksals flimmerte in ruhiger Bescheidenheit während des Jahresabschiedsessens über den Bildschirm. Keiner der drei Anwesenden interessierte sich für diese Liebesromanze-Drama-Schnulze-Wasauchimmer – der Ablauf und die Darsteller waren bekannt, schließlich kam er jedes Jahr und besaß dementsprechend Kultstatus. Es war das russische Gegenstück zu 'Diner for One' – das in Russland nicht mal im Fernsehen erschien, geschweige denn bei den Meisten dort bekannt war. Bevor sich über das üppige Essen hergemacht werden konnte, war Dima aufgestanden und hatte den Festschmaus mit den Worten „Lass alles Schlechtes in altem Jahr und nehmen wir nur Gutes ins neue Jahr mit.“ und einem Pinnchen Wodka eröffnet. Obwohl Leni von ihrem Arbeitstag geschafft war, ließ sie sich nichts anmerken. Im Gegenteil, sie blühte auf. Schon vergangenes Jahr hatte sie den Jahreswechsel mit ihren Mitbewohnern gefeiert und dieses Mal genoss sie es wie das Jahr zuvor. Das sie vom Rest des Abends, nach dem spektakulären Feuerwerk kaum mehr Erinnerungen hatte, verdrängte sie. „Dima schmatz nicht so.“, kam es empört gespielt mit einem Lächeln auf den Lippen von ihr. Der Angesprochene sah auf und strich sich mit der Papierserviette die Reste des Borschtsch von seinem Lippen. „Mach ich doch gar nicht.“, grinste er charmant zurück und griff zu dem Glas Bier. Sein Blick glitt zu Kostja, der in aller Ruhe sein Süppchen löffelte. „Sag mal Kostja, warum hast du das Angebot von Beljajew nicht angenommen?“ Leni blickte auf und sah fragend zwischen ihren beiden Jungs hin und her. „Was für ein Angebot?“, hakte sie nach. Ein böses Brummen an Dima gerichtet war die Antwort von dem Jüngeren. „Nichts besonderes.“, meinte er und wandte sich dem Salat zu. „Kostja.“, wurde er mahnend aufgefordert, bevor er es 'jemand' anderes tat. Der Angesprochene seufze und legte seinen Löffel beiseite. Bevor er sich zum Sprechen durchrang nahm er einen Schluck von seinem Bier und lehnte sich zurück. Er blickte Leni an. „Es ist nichts besonders.“, an ihrem Ausdruck erkannte er keine Gnade. „Okay.“, beschwichtigte er sie. „Beljajew hat mir angeboten in Moskau zu trainieren und dort auch zu leben. Für immer.“ „Aber, das ist doch wunderbar.“, lächelte Leni erfreut. Sie beachtete den skeptischen Blick ihres Mitbewohners nicht. „Leni. Ich würde für immer in Moskau leben, so lange ich Kendo trainiere und für Russland Wettbewerbe in diesem Sport bestreite.“, die junge Frau wusste worauf er hinaus wollte. Einfühlsam legte sie ihre Hand auf seine. „Kostja hast du mit deiner Absage zu dem Angebot auch darüber nachgedacht, dass dir damit auch die Möglichkeiten für bessere Bedingungen bei deinem Training entgehen?“ „Ja.“, seufzte er leidig. „Und?“ „Leni.“, nuschte Kostja. Dima verkniff sich ein Kommentar und grinste hinter vorgehaltener Hand, während sein jüngerer Trainingspartner die Mitbewohnerin über seinen Grund aufklärte. „Was soll ich in Moskau, wo inkompetente Trainer versuchen mir das Kendo neu zu erklären und glauben mit ihren besonderen 'russischen' Trainingsmethoden mich endlich zum Weltmeister zu machen? Leni, wenn die in Moskau ein Wundermittel gegen diesen Kato hätten, ich säße schon lange nicht mehr hier – der Grund warum Beljajew mir das Angebot gemacht hat, ist das Ansehen.“ „Das Ansehen?“, hakte die junge Frau verwundert nach. Ein Nicken und quälendes Schnauben. „Wie sieht es denn aus, wenn ich wirklich den WM Titel hole und die Presse nach fragt, welcher Verein mich zu dem gemacht hat. Wäre es da nicht wunderbar für die Moskauer Trainer, wenn ihre Namen unter dem Vereinsnamen auftauchen, als die Tatsache, dass ich aus einem Provinznest komme und unter keinem nennenswerten Verein in Eigenregie mit einem Trainingspartner und internen Konkurrenten trainiere.“ Daraufhin blieb die junge Frau stumm. Ihr fiel nichts ein, was sie dazu sagen sollte und so war es Kostja, der dieses Thema abschloss. „Und ich bin sicherlich nicht der Mensch, der Werbung für Inkompetenz macht.“ Dima konnte sich nun wirklich nicht mehr halten. Verwundert blickte beide auf als er anfangs in ein grunzendes Glucksen ausbrach und dann mit voller Inbrunst haltlos sein Lachen verkündete. „Alles in Ordnung mit dir?“, hauchte Leni besorgt und legte ihr Besteck neben den Teller. Der Ältere winkte ab und hielt sich die Serviette vor dem Mund. Erst nach einigen Minuten und einem Fußtritt von Kostja gegen sein Bein gaben den Dunkelhaarigen die Vernunft wieder sich gesittet am Tisch zu verhalten. Noch immer bebend vor Lachen atmete er tief durch und versuchte sich auf sein Essen zu konzentrieren. „Was zum Teufel war eben los mit dir?“, ihre Stimme war lauter als sonst. „Alles in Ordnung.“, gab er nur zur Antwort. „Und warum hattest du gerade eben so nen Aussetzer?“ Durch den Gedanken an die Ursache zuckte Dima schon wieder zusammen und konnte nur mit Mühe sein Lachen unterdrücken. „Nichts besonderes.“, meinte er erneut und wollte sich den letzten Bissen zuwenden, als Kostja für ihn sprach. „Ich nehm ganz stark an, dass er statt Inkompetentz, an das Wort Impotzenz gedacht hat.“, er gab es so nüchtern und emotionslos an, dass es in diesem Moment für den Älteren gar nicht mehr so lustig klang, wie er es zu Beginn empfunden hatte. „Wegen so was lachst du los?“, hakte Leni nach um sicher zu stellen, dass Kostja richtig lag. Ein Nicken kam zur Antwort. Resigniert schüttelte die junge Frau ihren Kopf und seufzte. Typisch Dima. * Oma Ono und Akemi hatten sich mit dem Essen selbst übertroffen. Es hatte vorzüglich geschmeckt, sogar Opa hatte ein bewundernswertes Kommentar über den Tofu abgegeben, dass dieser ausnahmsweise nicht nach fader Seife geschmeckt hatte – was er sonst auch nie tat. Fünf Schüsseln standen leer auf dem Esstisch, das konnte für das kommende Jahr doch nur Glück bringen. Schließlich war es das erste Mal gewesen, das Hina es ohne fremde Hilfe geschafft hatte ihre Toshikoshisoba alleine zu essen. Während Opa Masao sich dazu aufopferte die Omochi in einen tragbares Behältnis zu verstauen, halfen Oba-san und ihre Tochter den beiden Jüngsten der Familie beim Einkleiden. Es war kurz vor Mitternacht und die Silvesterglocken hatte noch nicht mit Läuten begonnen. Ein gutes Zeichen für eine pünktlich Ankunft am Schrein. Hina betrachtete sich von allen Seiten in ihrem ersten eigenen Kimono, zuvor hatte sie immer die abgetragenen ihrer Schwester anziehen müssen. Doch dieses Jahr waren die Familienmitglieder zur Übereinkunft gekommen dem jungen Mädchen den langersehnten Wunsch nach einem ungetragenen Kimono zu erfüllen. Die Freude war groß gewesen als ihr Oba-san das Päckchen nach dem Essen in die Hand gedrückt und sie dabei mit einem Augenzwinkern angelächelt hatte. Hina war es sofort bewusst, dass es sich um ein Kimono handelte – und was für einer, sie fühlte sich wie die Kaiserin persönlich. Akemi, die durch die Hilfe ihrer Mutter schon fertig war, zupfte noch an einigen Stellen am Obi ihrer Schwester. „Halt still!“, ermahnte sie diese. „Au! Du tust mir weh.“, kam es kläglich. „Da war eine Falte und die musste raus, sonst hast du einen Kimono mit Falte und das ist auch nicht toll.“ „Aber doch nicht so brutal.“ „Anders geht es nicht. Oba-san hat das auch immer so gemacht und ich hab auch nie gejammert.“ „Ich bin aber nicht du!“, fauchte die Jüngere. „Na. Mädchen!“, kam es mit erhobener Stimme von deren Mutter. „Nicht am Oomisoka.“ „Ja, Oka-san.“, riefen beide synchron und senkten ihre Köpfe. „Seid ihr endlich so weit?“, rief Oji-san von unten. Er stand mit einem blauen Kimono am unteren Treppenende und wartete auf seine vier Frauen. „Einen Moment, Liebling.“ „Einen Moment.“, knurrte er. „Das neue Jahr wird auch keinen Moment warten, nur weil du es sagst.“ Mit verdrehten Augen stand Oma Ono in einer fließenden Bewegung, die die Geschwister an eine Geisha erinnerten, auf und ging langsam die Treppe hinunter um den Wartenden Gesellschaft zu leisten. „Hier bin ich.“,meinte sie beschwichtigend und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Der Rest fehlt.“, gab er ruppig zur Antwort, zeigte mit seiner tätschelnden Geste auf ihre Finger aber eine andere Emotion. Ein Lächeln war der Dank. „Wir kommen schon nicht zu spät, mein Lieber.“ In diesem Moment kamen die anderen drei die Treppe hinunter. „Na endlich.“, schnaufte Opa in einem Ton, als ob er schon Jahre auf die Frauen gewartet hatte. Obwohl es Winter war, der Schnee lag und die Straßen stellenweise extrem glatt waren, zogen die Fünf ihre Getas an und liefen in Richtung Schrein, der nur zehn Minuten vom Haus entfernt war. Opa trug eisern die Omochis, während Oma den heißen Tee in einer Kanne in den Händen hielt. Sicherlich war es am Schrein trotz des Massenauflaufs von hunderten Menschen extrem kalt, schließlich stand das Objekt auf einem Hügel und dort wehte der Wind immer sehr streng – zum Glück schneite es im Moment nicht, sonst wären die Stufen eine Qual gewesen. Doch diese waren geräumt als die Familie eingereiht im Menschenstrom dort ankam und langsam die Treppe erklomm. Auf der Hälfte ertönten die ersten Schläge der Silvesterglocke und im Stillen zählte jeder Japaner das Läuten mit. Hundertundacht Mal würden alle Glocken in sämtlichen buddhistischen Tempeln auf den japanischen Inseln schlagen und erst beim Letzten wäre das alte Jahr vorüber. Für einen Europäer wäre dieser Brauch das sprichwörtliche 'Einläuten des neuen Jahres' gewesen, doch für die Japaner bedeuten die hundertundacht Schläge die Vertreibung der in der gleichen Zahl aufgewogenen Leidenschaften, die sich innerhalb eines Jahres ansammeln konnten. Schließlich wollte jeder mit einem reinen Geist das neue Jahr begrüßen. In einer Menschenmasse zusammengepfercht wie die Sardinen in der U-Bahn stand Familie Ono endlich auf dem Tempelplatz und hielt betend die Hände vor dem Gesicht. Jeder von Ihnen trug eine Weihrauchstäbchen zwischen den Fingern und flüsterte ein altes buddhistisches Gebet, um im selben Moment für reiche Gaben im neuen Jahr zu bitten. Auf dem gesamten Platz konnte ein einheitliches und doch so variierendes Flüstern gehört werden, während die Glockenschläge jedes Wort untergehen ließen. Wie ein magisches Zeichen verstummten die Massen beim letzten Läuten der Glocke und für einen Moment war außer dem Hall des Klanges nichts mehr zu hören. Überall kamen die 'Joya no kane' zum Stillstand und eine Stille legte sich über das Land. Tief atmeten die Menschen die kühle Luft ein und richteten ihren Blick zum Himmel. Ein Zischen verriet das anstehende Spektakel. Plötzlich pfiff und knallte es überall und am nächtlichen Firmament wurden die Sterne von den buntesten Farben, die in den spektakulärsten Explosionen geboren wurden, überstrahlt. Das neue Jahr hatte begonnen und das Feuerwerk zeigte es denen, die nicht mehr auf den Glockenschlag geachtet hatten. * CNN und BBC berichteten in ihren Nachrichten über das Spektakel in Japan und dem großen Feuerwerk über Tokio, wo vor einigen Minuten das neue Jahr gefeiert wurde. Keiner außer Hero sah sich diese Übertragung an. Wie gebannt blickte das Mädchen mit feuchten Augen auf die dargestellten Bilder und verkrampfte die Finger an ihrem Glas. Es war schon ihre fünfte 'entschärfte' Shirley Temple. Sie liebte es mit ihren Bandkollegen, gleichermaßen auch Freunden, Silvester zu feiern, aber es war nichts im Vergleich zu traditionellen Fest in Japan – mit der Familie. Ein Arm umschlang ihre Schultern, während ein Kopf sich darauf betete. „Hey. Nur noch wenige Stunden und dann wird das Ganze auch bei uns stattfinden und irgendwann wirst du wieder in Japan sein und noch vor uns allen anderen das neue Jahr begrüßen.“, hauchte Kari und strich ihrer besten Freundin durchs Haar. Diese nickte nur und schluckte die aufkeimenden Tränen hinunter. Sie vermisste ihre Heimat so sehr. Die Sehnsucht war in solchen Momenten ein unerträgliches Laster, dass sie nur ungern auf ihren Schultern trug. An solchen Tagen war sie froh nicht allein sein zu müssen. „So Schluss damit.“, kam es angeheitert von Nitan, die auf einen Musikkanal wechselte. „Die New Yorker können viel bessere Feuerwerke als ihr Japaner.“, grinste die Blonde und beugte sich zu Hero. „Und du bekommst jetzt einen unentschärften Shirley Temple.“, hauchte sie und richtete sich trotz Protestes auf. Sie lief leicht schwankend zur Bar, hinter der jetzt ein professioneller Barkeeper stand und gab ihren Wunsch an, dieser nickte nur und mixte für Hero das alkohollastige Getränk. Die junge Japanerin wusste, dass sie dieses Silvester nicht unbeschadet überstehen würde – aber Weihnachten war schon schlecht gewesen, also konnte der letzte Tag im Jahr nur noch besser werden. Mit einem skeptischen Blick auf das eigentlich nicht alkoholische Mix-Getränk, das jetzt mit einem Schuss Wodka beschwipst war, nahm sie das Glas von der Theke und schnupperte leicht an dem süßlichen Zeug. Zaghaft zog sie am Strohhalm und nahm einen minimalen Schluck der roten Flüssigkeit. Der Barkeeper hatte gute Arbeit geleistet, denn vom Wodka schmeckte Hero nichts, dennoch trank sie diesen Shirley Temple langsamer als die Fünf zuvor. „Nicht so schüchtern.“, rief Nitan ihr mit einem breiten Lächeln zu und schnappte sich ihren Cocktail. „Und außerdem, wo ist die Musik?“, grölte sie ungehalten zu den Jungs, die es sich auf der weißen Designercouch bequem gemacht hatten. Jack blickte auf und gab ein resigniertes Seufzen von sich, bevor er zu Gil meinte: „Du solltest Nitan von der Bar weg bringen.“ „Zwecklos.“, war die monotone Antwort. „Sie findet so oder so wieder hin.“, ein Grinsen erschien auf Gilberts Gesicht. Sein Nebenmann schüttelte nur den Kopf und nahm einen Schluck aus der Bierflasche. In der Zwischenzeit hatte Nitan einen ganz anderen Weg gefunden – den zur Fernbedienung. In unsagbarer Schnelligkeit, die nur einem Sportwagen nachgesagt wurde, schnellte der Lautstärkepegel in wenigen Sekunden von Null auf Maximum – das Grinsen auf ihrem Gesicht und der 'Yeah' Schrei waren eindeutig dem Alkohol zuzuschreiben. Elegant warf Nitan die Fernbedienung zu Gilbert, der sie in letzter Sekunde auffangen konnte, während sie ihren Körper im Takt der Musik rocken ließ. Da es dem Rest der Gruppe jedoch zu Laut war und ihnen der Alkohol noch nicht den Hörsinn geschädigt hatte, entschloss sich der Brite den Bass wieder runter zu drehen. Natürlich blieb das Gezetere von Nitan nicht aus. „NI! Ich will mein Gehör noch behalten, für die leisen Dinge im Leben!“, schrie ihr Freund entgegen. Mit einem genervten Gesicht und dem weg pusten der Haare, die ihre Augen verdeckten, nahm sie nochmals einen Schluck ihres Manhatten. „Menno!“, maulte Kari und zog so die Aufmerksamkeit der anderen auf sich. „Wasn los, Süße?“, lallte Nitan etwas mürrischer, als sie es wollte. Sie war noch immer angepisst, dass ihre Musik wieder leise gedrosselt worden war. „Ich weiß nicht welche Schuhe ich anziehen soll.“, jammerte die Jüngere. „Bequeme!“, rief Ju in den Raum ohne vom Bildschirm ihres Laptops aufzusehen. „Nein! Die sind nicht auffallend genug.“, entgegnete die Brasilianerin und wühlte in ihrem Berg von Absatzschuhen. Hero trat näher an sie heran und zog leicht am Strohhalm. „Nimm doch die Buffalos.“ „Welche?“, fragend sah Kari ihre Freundin an. „Die Schwarzen mit den Schleifen an der Seite.“, der kreischend-grüne Halm wurde von den Schneidezähnen malträtiert. Kaum waren die Worte gesagt, wühlte sich das Mädchen durch ihren Berg und zog das schwarze Paar hervor. Skeptisch betrachtete sie die edlen Plateau-High-Heels und blickte dann zu Hero. „Gute Wahl.“, grinste Kari und stand auf. „Jetzt muss ich nur noch das Outfit nach den Schuhen ausrichten.“, damit hüpfte sie in ihr Zimmer und hockte sich von einem Berg Kleider. Nach kurzer Zeit erklang ein verzweifelter Hilfeschrei und es war Nitan, die verlangt wurde – schließlich war die Finnin der Fashion-Guru. „Was machst du da eigentlich?“, hakte Joe mit verwunderten Blick über Jus Schulter nach. „Ach, die von der WM wollte einen Artikel auf ihrer Seite über uns ins Netz stellen, ich will nur nochmal schnell drüber lesen, bevor ich diesen dann absegne.“ „Und was steht so drin?“ „Das wir eine Schülerband sind, aber Newcomer im internationalen Geschäft und wir unsere ersten Auftritte in kleineren Lokalen hatten und....“, die nächsten Worte wurden betont: „… das Wichtigste, das wir von Kendo Ahnung haben.“ „Werden unsere Namen auch erwähnt?“, Jack beugte sich vor und stützte seine Unterarme auf den Beinen ab, während sich seine Finger miteinander verknoteten. „Ja, aber nur unsere Vornamen. Damit sollte es kein Problem darstellen, oder?“, Ju war selber froh, dass die Nachnamen unerwähnt blieben, brachte nur Ärger und falsche Schlagzeilen für den Rest der Familie und den dazugehörigen Firmen. Schulternzuckend gab der Amerikaner sein Einverständnis und stand auf. Mit wenigen Schritten war er bei der IT-Website-Drummer-Presse-Managerin angekommen und ließ sich auf der Armlehne des Sessels nieder. „Lass mich auch mal drüber lesen.“ „Kein Problem.“, grinste Ju und drehte ihren Laptop zu Jack, während sie sich nach hinten lehnte. Interessiert betrachtete das Mädchen Jacks Profil, während dieser konzentriert Zeile für Zeile erfasste und sich jedes Wort gedanklich auf der Zunge zergehen ließ. „Der Text ist gut. Haben die den verfasst?“ „Teils, ich hab immer mal wieder einige Anekdoten oder Satzformulierungen als Anregung mit rein geworfen.“ „Haben die gut umgesetzt.“, meinte ihr Mitleser mit anerkennenden Blick und einem leichten Nicken, bevor er wieder aufstand und sich sein Bier vom Tisch schnappte. „Ja, so kann das Werbung machen.“, grinste er und lief zu der großen Fensterfront. Es hatte mit Schneien begonnen und auf den Straßen waren die hell erleuchteten Lichter der Weihnacht zu sehen. Die Menschen erschienen wie kleine bunte Punkte, die sich wie Ameisen einen Weg durch das weiße Chaos suchten. Mehr aus Langeweile, als wirklichem Interesse zählte Jack die Taxis, die auf den vier Spuren wie an einer Nylonschnurr aufgereiht hinter oder nebeneinander standen und versuchten wartende Gäste durch New York zu bringen. * Ein seltenes aber angenehmes Lachen erklang von Kostja. Er und Dima hatten schon die vierte Wodka-Flasche niedergeknüppelt und besahen sich das Bild vom russischen Präsidenten im Fernsehen, der seinen Landsleuten zum neuen Jahr gratulierte, dass in weniger als fünfzehn Minuten begann. Landestreue und Heimatstolz in allen Ehren, aber im angetrunken Zustand erschien irgendwie alles Lachhaft. Nur Leni, die nur wenige Pinnchen mit getrunken hatte, blieb stumm aber mit einem breiten Lächeln, zwischen den Jungs auf dem Sofa sitzen. Ihr Blick schweifte interessiert zu dem hübschen Bäumchen, dass festlich geschmückt neben dem Fernseher stand. „Wir sollten schon mal den Sekt eingießen.“, grinste Dima und stand auf. Sein Weg führte ihn an der Flimmerkiste und dem Jolka vorbei, hin zu der Balkontür. „Ob es draußen kalt ist?“, fragte Dima mit breitem Lächeln. „Keine Ahnung. Am besten machst du die Tür auf und probierst die Luft.“, gab Kostja mit einem unterdrückten Lachen zur Antwort. Gesagt, getan und und sofort zog eine angenehme Kälte in das warme Zimmer. Die Scheiben beschlugen und Leni hatte das Gefühl den Schnee, der draußen lag, schmecken zu können. Tief sog sie die frische Luft ein und genoss den Moment als ihr Kopf langsam aufklarte. „WOOHOO!“, schrie Dima in die Nacht und vergrub seine Hände in den Schnee. Mit schnellen Bewegungen formte er einen Ball und schmiss diesen mit aller Kraft auf das gegenüberliegende Haus. „Scheiße! Ich hab getroffen.“, hallte seine Stimme mit panischen Unterton wieder. Leni wollte gerade aufstehen um nach ihm zu sehen, als er mit verlegene Grinsen, einem spitzbübischen Glanz in den Augen und der kalten Flasche Sekt wieder in die Wohnung reinkam und die Tür schloss. Kostja blickte ihn fragen an: „Was ist passiert?“ Der Sekt wurde auf den Tisch gestellt und aufgemacht. Ein 'Plob' verriet den Geist der Flasche. „Hab nen Schneeball geformt und rüber geschmissen. Wollte das Haus treffen.“, meinte Dima knapp, während er auf die Zwei zukam. „Aber?“, hakte Leni mit ungutem Gefühl nach. „Hab nicht getroffen.“ „Sondern?“, das flaue Drücken in der Magengegend wurde stärker und die Angst stieg höher. „Hab das Auto vom alten Lewitscharoff getroffen. Ich glaub, seine Scheibe ist hinüber.“, antwortete er und setzte sich mit einem Anflug eines leisen Lachens wieder hin. Sie zog scharf die Luft ein und starrte ihn entsetzt an. „Bist du dir sicher, dass die Scheibe kaputt ist?“, es war ein Hauchen auf das ein Nicken als Antwort folgte. „Hoffentlich hat das keiner gesehen.“, flüsterte Leni und ließ sich erschlagen zurück sinken. „Und wenn schon.“, warf Kostja in die Runde. „Ist Silvester, kann doch mal passieren.“, damit zog er sein Sektglas zu sich. Im Fernsehen erklangen die Glocken des Kremels und auf einer aufgestellten Anzeige auf dem roten Platz, wo viele Menschen, darunter auch Natascha und ihr Freund waren, zählte eine Uhr in roten Lichtzahlen den Countdown. Bald war es soweit, bald war das neue Jahr da. Mit einem letzten Blick auf die Uhr rief sich Dima alle Vorsätze für das Neue in den Kopf und ein Punkt stand ganz oben – mit verschmitzten Lächeln betrachtete er Leni. Sie bemerkte seinen Blick nicht, viel zu sehr hing sie ihren eigenen Gedanken nach. Ihr war bewusst, dass nach der WM ihre Zeit gekommen war, um neue Wege zu gehen – es würde ihr schwer fallen und wehleidig dachte sie an ihre Jungs, aber sie konnte nicht länger in dieser kleinen Stadt leben. Sie brauchte Geld und den damit verbundenen guten Job, um endlich mit dem Studium beginnen zu können. Das alles fand sie in dieser Provinz nicht – sie würde nach Moskau oder St. Petersburg gehen. Seit dem Vorfall im Cafe war sie langsam zu diesem Entschluss gekommen. Der letzte Schlag der Glocke erklang und in diesem Moment wusste Kostja was er wollte, während überall in Russland S nowym godom gerufen wurde und die Gläser klirrend aneinander fanden. Er prostete Dima und Leni zu und trank seinen Sekt mit Gedanken an das Karamellbonbon – er würde sie finden, irgendwie. Begegnungen, sind kein Zufall, sondern vom Schicksal geformte Fügungen, an die es sich immer wieder zu erinnern gilt. - er hatte verstanden, wie noch nie zuvor in seinem Leben hatte er diesen verdammte Satz verstanden. Sie war sein Schicksal – seine Fügung und vergessen konnte er sie nicht, also musste er sie finden. * Er hoffte und betete, dass sie seine Nachricht bekommen hatte. Mit schnellen Schritten rannte der junge Mann durch die schmalen Gassen und verfluchte leise den Winter, der mit seiner Glätte und den ungeheuren Schneemassen ein Vorankommen mehr als erschwerte. Seine Augen leuchten, während der Atem hektisch kam und die kalte Luft sich in seine Lungen verbiss. Er hatte den Treffpunkt erreicht und da stand sie – in einem Kimono und einem kleinen Schirm, der sie vor den fallenden Flocken bewahren sollte. Die Knie zitterten als er vor ihr stand und zögerlich eine ihrer Strähnen nach hinten strich, sie wieder in das hochgesteckte Gebilde einbettete. Ihr Name kam wie ein Hauch über seine spröden Lippen, die vom anstrengenden Marathon rot schimmerten. Eine Verführung für sie, der sie nicht standhalten konnte. Zaghaft, dann mit bestimmenden Besitz schmiegten sich ihre Münder aneinander. Seine Hände legten sich auf ihre Hüfte und zogen sie an ihn. Der Schirm fiel. Ihre Arme umwarben seine Schultern, schlangen sich um seinen Hals. Die Finger in seiner Jacke verankert, als ob sie Angst hatte, beim loslassen, fallen zu müssen. Schon lange war aus der zärtlichen Liebkosung ein erregendes Spiel zweier Liebender geworden, die um die rare Zeit wussten, die sie beide füreinander hatten. Die Ärmel ihres Kimonos rutschten von den Armen und gab die Handgelenke, die Unterarme, die Beugen frei. Ihr war die Kälte egal, so lange sie ihn bei sich spürte, vernahm sie eine unglaubliche Hitze. Nur kurz lösten sich die Lippen voneinander, flüsterten unter erwachter Atemnot geheime Liebesschwüre, bevor sie wieder zueinander fanden. Sie spürte seine Hände wandern – kreisend, sie haltend. Ein Keuchen entrann ihr und sie drängte sich sehnsüchtig an ihn, während ihre Finger sich in sein Haar niederließen. Er löste sich von ihr, besah ihren flehenden Blick und senkte sein Haupt ihr wieder entgegen. Doch diesmal umspielte seine Zunge nicht die ihre, sondern hinterließ eine heiße Spur auf ihren Hals, den sie ihm mit geneigtem Kopf entgegen bog. Zähne streiften ihre Haut und entlockten ein Seufzen. Ihre Finger spielten mit dem Verschluss seiner Jacke. Ein heißer Kuss an ihre Beuge, immer tiefer wandernd. Das der Kimono verrutschte, ihre linke Schulter preis gab, nahm sie nicht wahr. Er zuckte leicht und ein gepresstes Keuchen entkam ihm als er die kalten Finger ihrer Hand unter seinem Shirt an seiner Haut hauchzart wahrnahm. Doch ihre Spielerei ließ ihn nicht von seinem Ziel abbringen. Mit aller Zärtlichkeit, die er in diesem Moment aufbringen konnte, knabberte er an ihrem Schlüsselbein und ließ seine Zunge darüber wandern. Ein Wispern erreichte sein Ohr und er wusste, dass es zu Ende war. Das Vibrieren seines Handys verriet es. Er musste sie gehen lassen, sie dem Licht wiedergeben und allein im Dunkeln bleiben, sich von diesen kurzen Momenten nähren. „Du musst gehen. Die fünf Minuten sind vorüber.“, flüsterte er und richtete ihren Kimono. „Nein.“, war ihr zitterndes Flüstern. Die Tränen glitzerten schon gefährlich in ihren Augen. Er küsste ihre Finger und den Handrücken, drückte die Kalten in seine Hände. „Emi, deine Mutter wird bald wieder zurück sein.“ Sie nickte verstehend. Dennoch hauchte sie ihm einen sanften Kuss auf die Lippen, wollte es noch nicht beenden. Doch er schob sie von sich, ins Licht und drückte ihr den Schirm in die Hände. „Geh schon.“ „Liebst du mich noch?“, wisperte sie zaghaft. Ein Lächeln zeigten seine Lippen. „Ja, deswegen geh jetzt.“ Sie erwiderte den zärtlichen Blick und drehte sich um und verließ die Straße. Koji blieb allein zurück – in der Dunkelheit. * Seit zwei Stunden – in denen die Herren der Gruppe schon den fünften Scotch tranken – probierten die Mädchen ein Kleid nach dem anderen, um herauszufinden, welches am Besten für die Silvesternacht war. Eigentlich waren es nur zwei Weiblichkeiten, die sich noch nicht entschieden hatten. Kari und Nitan. „Ahhh!“, zischte die Blonde und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. „Was?“, kam es ruhiger aus der Kabine daneben. „Das Kleid.“ „Was ist damit?“ „Es passt nicht!“ „Wie es passt nicht?“, die Verwunderung konnte nicht nur im Unterton akustisch vernommen werden, visuell war sie auf den Gesichtern der Wartenden wundervoll erkennbar. „Oben!“, knurrte Nitan. „Was meinst du mit oben? Ist dein Rücken zu breit. Soll dir jemand helfen, es hinten zu schließen.“ „Nein!“, kreischte sie beinah. Nun steckte Kari ihren Kopf durch den Vorhang und blickte zu Nachbargarderobe. „Ni?“, hauchte sie, wissend, dass ihr Stimme dennoch erhört wurde. „Mein BUSEN!“, kam es nun wimmernd. „Meine Oberweite ist zu groß.“ Stille. Niemand wagte etwas zu sagen. Die Beraterinnen des Ladens hielten für einen Moment mit ihrer Tätigkeit inne und versuchten durch einen freundliches Lächeln die anderen Gäste davon zu überzeugen, die gerade eben erklungenen Äußerungen gar nicht gehört zu haben. Ja, sie existierten gar nicht. Doch es war eine ältere Dame im Pelzmantel und mit schwarzen Lederstiefeln, die durch ihr empörtes 'Pf' und dem rasanten Abgang mit Hut und Fiffi den Schein ins Sein aufbrach. Gilbert war der Erste, der sich nicht mehr halten konnte und seinen Getränk auf den Tisch stellte. Sein Gesicht zierte ein breites Grinsen, dass schnell hinter vorgehaltener Hand verschwand. Er stand auf, ging um die anderen herum und verschwand ebenfalls nach draußen. Dort angekommen brach es aus ihm heraus. Sein Lachen schallte über die gesamte Straße, verwirrt blickten sich die Passanten zu ihm um und fingen an zu tuscheln. Nach Luft ringend, hielt sich der Brite am Eingangsbereich fest und versuchte unter größer Anstrengung seinen Atem zu kontrollieren. Was ihm irgendwie auch wieder gelang, er durfte nur nicht an de Ausbruch seiner Freundin denken. Währenddessen hatte sich diese wieder aus dem Kleid herausgeschält und sah es leidvoll, jammernd mit kläglichen Blick – der Fiffi, dem Schoßhund der älteren Dame – wahrlich Konkurrenz machen konnte, an. „Warum?“, flüsterte sie dem roten Stoff entgegen in der Hoffnung er möge ihr Antwort geben. „Wieso?“, kam es seufzend. „Jammer nicht rum.“, meinte Ju und zog sie zur Kasse. „Hier, bezahl endlich die anderen Klamotten, damit wir hier raus kommen.“ „Ja, ja.“, nörgelte Nitan wegen dem befehlerischen Unterton ihrer Freundin und gab der Kassiererin die Kreditkarte. Keine zwei Minuten später stand die Gruppe in gemeinschaftlicher Geschlossenheit vor dem Geschäft und suchte via Smartphone-Navigator das nächste Restaurant auf. Kaufen machte schließlich hungrig. * Leni schlief sanft ihren leichten Rausch aus und schmiegte sich vollkommen sorglos in ihr Kissen. Währenddessen zogen Kostja und Dima schon zum siebten Mal ihre Kreise um den Häuserblock. Viermal hatte die gute Fee der WG das Ganze mitgemacht, doch beim fünften Mal hatte sie dankend verneint. Schließlich war sie keine Kältefanatikerin. Noch immer schwebte der Geruch von verbrannten Geschossen in der Luft und dämmte die Lichter der Nacht in einem zarten Nebelschleier. „Da hast du aber ganz schön Glück gehabt.“, murmelte Kostja und strich mit den Fingern über die schneebedeckten Fensterbretter. „Das kannst du laut sagen.“, die Besorgnis war in Dimas Stimme nicht zu überhören. „Ich dachte ja wirklich, dass ich die Scheibe zertrümmert hab.“ Ein Lachen erklang von dem Jüngeren. „Glück im Unglück – das die Scheibe schon kaputt war und das Fenster nur durch eine Folie abgedichtet wurde.“ „Wohl war.“, grinste sein Gegenüber und legte den Kopf in den Nacken. „Schade, die Wolken verdecken den Himmel.“ Dem Blick des Älteren folgend, betrachtete auch Kostja das Firmament. „Bei dem Geknalle auch kein Wunder.“ „War doch toll das Feuerwerk. Sonst war es immer so fad und kurz.“ „Ja, diesmal haben 'se alle ihren Frust in den Himmel geschossen.“ Verwundert blickte Dima seinen Trainingspartner an, doch an seinem Blick konnte er erkennen, worauf dieser hinaus wollte. Er blieb stumm und ließ das Gesagte unkommentiert. Wortlos liefen die Beiden weiter und bogen um die letzte Ecke, als Kostja stehen blieb. „Wann willst du es ihr sagen?“ Erneut von Dima mit einem verwirrten Blick bedacht, sah er diesen ernst an. „Was meinst du?“ „Ich rede von Leni und dir.“ „Leni und mir?“, der Ältere schluckte und zuckte leicht mit den Schultern, währen die Finger nervös in den Taschen des Mantels zuckten. „Alter! Du kannst ihr vielleicht den Weiberhelden vorspielen, der in ihr sowas wie eine gute Freundin – kleine Schwester – sieht. Aber glaub nicht, dass du mich hinters Licht führst.“ „Bist du besoffen?“, Dima kam leicht lächelnd auf ihn zu. „Ich glaub, der Alk und die frische Luft tun dir nicht gut.“ „Schnauze!“, giftete Kostja ihn an. Sein Blick war mit Zorn beseelt. „Sie ist das einzige Mädchen, dass sich in deiner unmittelbaren Umgebung befindet, der du aber nicht wie ein schwanzgesteuerter Affe hinterher steigst.“, bevor sein Gegenüber sich rechtfertigen konnte, sprach er weiter. „Und erzähl mir nichts von 'sie ist nicht mein Typ'!“ Ein Seufzen – tief und schwer. Dima sah seinen Trainingspartner nicht an. Die Lippen waren hart aneinander gepresst, während die Augen die Nacht mit wütenden Blick bedachten. „Ein Wort von ihr...“, hauchte er leise. „Nur eine Wort und ich würde ihr die Welt zu Füßen legen.“, sein Blick traf Kostjas. „Aber wenn ich ihr sagen würde, was ich für sie empfinde – sie würde lachen und meinen, dass ich es nicht ernst meine.“ „Dann gib ihr einen Grund, dass sie merkt und erkennt, wie ernst es dir ist.“ Zynisch war das Lachen, dass Dima hervorpresste, während er den Blick nach unten richtete und sein Haupt leicht schüttelte. „Das musst du gerade sagen.“, seinen Augen wieder dem Jüngeren zugewandt, sprach der Ältere weiter: „Hängst an einem Karamellbonbon, schwelgst lieber in Erinnerungen an das was war, als die Mädchen hier in der Gegenwart zu beachten.“ „Das geht dich gar nichts an.“, zischte Kostja und ballte seine Hände zu Fäusten. „Dann geht es dich auch nichts an, was zwischen Leni und mir ist.“, damit war das Thema für Dima ausgesprochen und vorbei. * Ein Spektakel war es gewesen. Bunt, feurig und doch so wunderbar schön, dass die Gänsehaut über den Körper wanderte, wie das Wasser beim Duschen. Mit staunendem Blick, erfreutem Lächeln, jubelnden Jauchzen und einer feiernden Stimmung hatten die Sieben das Neue Jahr unter einem farbenfrohen Lichterhimmel betrachtet und fröhlich begrüßt. Überall in New York waren die Menschen auf die Straßen, Plateaus der Hochhäuser, Balkons und Terrassen getreten, um das Spektakel zu beobachten. Die Menschen genossen diesen Moment, stießen mit ihren Gläsern auf das neue Jahr an und von überall ertönte Auld lang syne, während in Manhatten das Balldrooping ein Ende in einer spektakulären Lasershow fand. Hero war die Erste, die die Aussichtsplattform verließ und in die umgebaute Wohnung zurückkehrte. Zu überwältigend war alles für die junge Japanerin. Es war nicht ihr erster Jahreswechsel fern ihrer Heimat, doch irgendwie war es diesmal anders. Der Schmerz, den sie die gesamte Zeit so gut verbergen konnte – weggeschlossen hatte, stach in einer unsagbaren Qual in ihr, dass sie die Tränen nicht mehr halten konnte. Ungehemmt quoll das heiße Nass aus ihren Augen und benetzte die von der eisigen Nachtluft erkalteten Wangen. Das Knallen der Raketen verhallte, umso lauter wurden die Stimmen ihrer Freunde, als diese wieder in das Appartement zurückkehrten. „Ach Süße.“, waren die leisen Worte, die Kari sprach, als sie die Tür zu Heros Zimmer schloß. Von wärmenden Armen umfangen, versiegten nach einiger Zeit die Tränen. „Tut mir leid.“, wisperte Hero. „Was denn?“ „Das ich Silvester versaut hab.“ „Ach, quatsch.“, grinste die junge Brasilianerin und reichte der Verweinten ein weiteres Taschentuch. „Jeder hat seine emotionalen Momente. Manchmal mehr, manchmal weniger.“ Die Tränen wurden abgetupft und das Haar neu gerichtet, bevor Hero aufstand. „Okay.“, kam es noch ein wenig kläglich. „Lass uns raus gehen und in den Morgen tanzen.“ „Na, aber sowas von.“, grinste Kari und drängte ihre beste Freundin – Seelensschwester – aus dem Raum. Nur für einen Moment bedachte die Ältere das schwarze Haupt der Japanerin mit einem wehleidigen Blick. Sie wusste um das unsagbar große Heimweh und den damit verbunden Schmerz und dennoch würde sie die Letzte sein, die ihr den Rat der Heimkehr gab. Der Rest der Band war schon lautstark am Feiern. Musik brauchten sie keine, denn die machten sie selber. Mit einer unglaublichen Selbstbeherrschung stand Nitan kaum schwankend am Mikro und sang mit rauchiger Stimme, die dem Alkohol zugeschrieben werden musste, eine der Balladen, die Hero in Zusammenarbeit mit Jack verfasst und komponiert hatte. Dieser gab mit dem Schlagzeug den passenden Takt an, während Gilbert mit der Gitarre den Akkord dazu spielte, um ein wenig die Stimme seiner Freundin zu unterstützen. Ihre Blick, den sie ihm während des Refrains zuwarf, brachten ihn zum Lächeln. Keiner der Beiden wusste, dass die zwei Verfasser von Text und der Melodie die Beiden als Vorlag für dieses Lied benutzt hatten. Mit einem schmunzelnden Grinsen betrachteten sich die Autoren für einen kurzen Moment. An diesem Abend musste jeder sein Gesang am Mikro demonstrieren. Das natürlich die Frontsänger einen Vorteil gegenüber den 'Gelegenheitssängern' hatten, war deutlich herauszuhören. Ju, die lieber hinter dem Schlagzeug saß, schaffte es keinen einzigen hohen Ton zu treffen, welchen Kari und Hero mit Leichtigkeit erklingen lassen konnten. Den größten Unterschied stellten Jack und Joe dar. Während der Eine mit seiner Stimme die Engel zum Träumen animierte, soweit es Engel gab – und denen wurden ja schon samtweiche Stimmen, die einer zerfließenden Butter Konkurrenz machen konnten, nachgesagt – brachte der jüngere Bruder mit einem schiefen Ton nach dem anderen die Hölle zum Gefrieren. Harmonie gleich Null – aber melodische Disonanz, Zehn Plus und ein Besuch beim Ohrenarzt. Das waren auch Joes Worte gewesen, als er Protest einlegte, um den Gesang zu entgehen. Unglaublich aber war, singen konnte er nicht, aber summen. „Junge, und das sind Brüder?“, war Nitans einzige Aussage, während sie ungläubig zuhörte, wie unterschiedlich die beiden waren. * Einszweidrei, im Sauseschritt - Läuft die Zeit; wir laufen mit. (Wilhelm Busch; 1877) * Eine Woche war nach dem Neujahrstag vergangen. In Russland wurde noch immer gefeiert, soweit man den täglichen Alkohol standhielt, während in anderen Teilen der Welt schon am zweiten Januar, spätestens am Dritten, die Arbeit beziehungsweise Schule rief. Mit jeder Menge Widerstand und nur mit Hilfe von den unglaublichen Überredungskünsten von Gilbert, hatte die siebenköpfige Band es mit Nitan zurück in die Schweiz geschafft. Die giftige Blonde hatte sich mit Händen und Füßen am letzten Morgen in ihr Bett gekrallt und wollte unter keinerlei Umständen aufstehen, geschweige denn sich überhaupt in Richtung Flughafen bewegen. Zwei Stunden hatte es gedauert bis die Finnin genügend überzeugt war, die Schule nicht abzubrechen, nur um in New York zu bleiben. Das der eigentliche Grund eine Abstinenz zu Gilbert war, die er ihr in einem Vier-Augen-Gespräch androhte, indem er sie auf Distanz halten und jegliche erotisch, sexuelle Anzeichen von ihr ignorieren oder gar in den Wind schießen würde, brauchte niemand zu wissen. Absolut niemand – außer Gilbert selbst, der ihr aber das Versprechen geben musste, nach der Landung in der Schweiz und dem Einzug ins Internat sie keine Sekunde länger auf ihre traute Zweisamkeit warten zu lassen. Während die Beiden ihr Liebesleben mit angedrohten Abstinenzverfahren am Leben erhielten, musste ein ganz anderes erst einmal zu Leben erweckt werden. Noch immer Hang der Plan von Hero, Jack und Ju miteinander zu verkuppeln, in der Luft – wie manchmal das Schicksalsschwert über dem Haupt einer mehr oder weniger erwählten Person. Hier waren es gleich zwei, die vom gleichen Schlag des Schicksals getroffen werden mussten, nur war dieses Unterfangen alles andere als leicht. Natürlich gab es Gemeinsamkeiten zwischen den Beiden. Sie stammten beide aus den USA. Der eine aus Florida und die andere aus Kalifornien und von mütterlicher Seite her aus China, aber das tat hier nichts zur Sache. Im Grunde genommen waren die beiden Staaten ein Katzensprung voneinander entfernt was die Welt betraf, aber eine gewaltige Hürde was die Vereinigten Staaten anging. Beides waren Sonnenstaaten aber mit den unterschiedlichsten Begebenheiten, die es überhaupt geben konnte. In Kalifornien sorgten hin und wieder Erdstöße für ein aufregendes Leben und nicht zu vergessen waren die Glamourmetropolen L.A. und San Francisco, die diesen Staat zu einer schillernden Welt für sich machten, während Florida, Jacksonville und Miami besaß und die dumme Angewohnheit genau in der Region zu liegen, wo alljährlich von Juni bis November teils heftige tropische Stürme anklopften und häufig auch über das Land hinwegfegten. Hinzukam, das in Florida selbst im Winter gerade mal fünfundzwanzig Grad herrschten und eine Möglichkeit des Skifahrens nur auf Sand möglich war. Eigentlich waren dies ja nur kleine gedankliche Hürden, die sich leicht überspringen ließen, wenn da nicht ein Hindernis wäre, dass sich wie eine Mauer aufbaute. Natürlich waren die USA eine vereinte Nation aus vielen kleinen Unterstaaten, dennoch kam es vor, dass es dieses Westcoast and Eastcoast-Denken gab. Bei Jack und Ju zwar nicht ganz so arg ausgeprägt, aber hin und wieder war es ein Streitgespräch bei den Beiden – manchmal auch bei den Dreien, wenn Joe sein Kommentar nicht hinterm Berg halten konnte. Seufzend besah sich Hero die Bilanz ihrer Idee und musste feststellen, dass ohne Nitans Hilfe gar nichts ging und die würde erst wieder vollkommen ansprechbar sein, wenn die Schule wieder anfing, denn in den Ferien hatte die Gute nichts anderes zu tun, als: Party-Party-Party, Alkohol, Spaß, Gilbert und das dazugehörige Ausleben der Fantasien, die Hero gar nicht erst in ihren Kopf lassen wollte. * Gemütlich an Takerus Rücken gelehnt, surfte Akemi im Internet. Es war einer dieser wenigen Tage, an denen sich ihr Freund nach der Uni mit ihre Treffen konnte, weil er von seinem Großvater vom Training befreit worden war. Zum Missfallen des Vaters – aber das Studium war auch wichtig, das war zumindest der Vorwand, den Opa anbrachte. Sie spürte, wie die haltende Quelle sie verließ und sich dafür zwei Arme um ihren Körper schlangen. „Darf ich fragen, was in der großen weiten Welt interessanter ist, als ich?“ Sie lachte, mädchenhaft und wurde rot. „Ja, darfst du.“, mit den Fingern umspielte sie die Seinen und deutete auf die Website, die sich gerade öffnete. „Ich war nur neugierig, wie es in Russland ist.“, hauchte sie, während seine Wange an ihrer lehnte. „Du musst dich dort warm anziehen, was das Wetter angeht.“ „Ach wirklich?“ „Ja, Takeru.“ Wieder erklang ein leises Lachen ihrerseits. Heiß fühlte sich der Kuss an ihrem Ohr an und hinterließ ein ungewohntes aber angenehmes Prickeln. Vorsichtig drehte Akemi ihren Kopf zu Seite. Ihr Blick fiel auf Takerus Lippen, die leicht geöffnet waren und so einladend aussahen. Zaghaft beugte sich zu diesen und empfing diese mit den ihren. Sofort vernahm sie seine Hand an ihrer Wange und den langsam aufbauenden Druck der ihrem Mund entgegenkam. Mit einem unruhigen Zittern registrierte sie das Tun seiner zweiten Hand, wie sie wanderte – auf und ab an ihrem Körper. Flüchtig ihre unter einem Pullover versteckten Rundungen streifend und ihr damit einen wohligen Seufzer entlockend. Sie waren gerade mal etwas über drei Wochen zusammen, konnten sich nicht viel sehen und wenn, dann nur unter Aufsicht von Freunden oder ganz peinlich der Familie. Doch heute war alles anders. Keiner war bei ihr daheim gewesen, als sie mit Takeru von der Uni gekommen war. Zum ersten Mal hatten sie einen Moment für sich allein, ohne die Blicke von Fremden in der Öffentlichkeit oder vertrauten Menschen in bekannter Umgebung auf sich zu wissen. Akemi drehte sich in seiner Umarmung. Saß ihm kniend gegenüber und strich zärtlich durch sein dunkles Haar, während der Kuss immer leidenschaftlichere Züge annahm. Doch der Verbrauch des Atems forderte ein auseinanderdrängen der Münder. Stirn an Stirn lehnten sie beieinander und spürten das Streifen des Luftzugs auf der Haut des Anderen. Takeru lehnte sein Gesicht an ihre Seite und bettete seinen Kopf an ihrer Schulter. Er sog ihren Duft ein und schlang seine Arme eng um ihren Körper. Krampfhaft hielt sich Akemi an seinen Sachen fest und wagte kaum zu Atmen. Doch eine unerwartete Berührung, die von ihrem Liebsten ausging, ließ sie kurz im hellen Ton keuchen und sich noch enger an ihn schmiegen. Die Röte schoss ihr in die Wangen und ein unglaubliche Hitze breitete sich in ihr aus. Zittrig atmend spürte sie seine Zähne an ihrem Hals und die darauffolgenden Lippen und seine Zunge, die rau über die gereizte Stelle strich. Oh, Gott war ihre einziger Gedanke. In den nächsten Wochen würde Akemi nur noch mit Rollkragenpullover oder Halstücher gesichtet werden. Wie sollte sie das ihrer Mutter beibringen,geschweige denn ihrem Großvater – der würde Takeru den Kopf abreißen und ihr den halben, weil sie nichts dagegen getan hatte. Aber das war für die junge Japanerin Nebensache, jetzt galt es, genießen – genießen und nochmals genießen. Schließlich würde er ab Mitte Februar nicht mehr in Tokio bei ihr sein, sondern in diesem verdammt kalten Russland. Obwohl, was die Temperatur anging, war Japan momentan auch nicht besser, es sei den, mal lebte wie ein entfernter Verwandter auf der südlichsten Insel Japans, die es gab. Eine der siebenundvierzig bewohnten Ryukyu-Inseln, von Achundneunzig. Die lagen nämlich alle so ungefähr zwischen dem vierundzwanzigsten und einunddreißigsten Grad nördlicher Breite und dementsprechend war auch das Klima, subtropisch und humid; kurz: Durchschnittstemperatur von 21°Grad, im Winter sogar ein Grad, Plus-Minus-Unterschied. Als ob sein Kuss oder das was er da mit seinen Zähnen, den Lippen und der Zunge getan hatte nicht schon heiß genug war, strich nun auch noch sein warmer Atem über die Stelle und jagte ihre bei jeder weiteren Brise einen neuen Schauer über den Körper. Wieder gingen ihre Gebete an 'Gott'. Wieso hatte er sie nicht schon früher gefragt, ob sie mit ihm zusammen sein wollte. Dann hätten beide das Ganze sicherlich schon viel früher getan und währen nun auf einer ganz anderen Ebene ihrer intimen Liebeszuneigung. Erschrocken über ihre Gedanken nach Luft schnappend und sich krampfhaft an ihm festhaltend, schloss Akemi rasch ihre Augen und strafte sich gedanklich selber ihrer unzüchtigen Fantasien. Aber je mehr sie versuchte diese Hirngespinste aufzuhalten, desto schlimmer wurde es. „Alles in Ordnung?“, flüsterte seine Stimme ihr ins Ohr. Fast panisch und ein wenig heißer, kam ihr die Antwort über die Lippen. „Ja~ha.“ „Sicher?“ „Ja.“, beteuerte sie und versuchte mit hektischen Nickbewegungen dem Ganzen mehr Glaubwürdigkeit zu geben. „Ich werde dich so vermissen.“, kam es aus ihr herausgeschossen. „Ich bin doch noch eineinhalb Monate hier und danach noch nicht aus der Welt.“, meinte Takeru mit einem belustigendem Lächeln. „Trotzdem.“, wisperte Akemi ihm entgegen und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. Beruhigend strich Takeru ihr über den Rücken. Sie wäre nicht die Einzige, die in dieser Zeit jemanden vermisste. Er würde mit seinen Gedanken ihr genauso nachhängen. * „Oh man!“, stöhnte Dima. Verwundert über diesen frustrierten Laut sah Leni von der Bügelwäsche auf und betrachtete ihn. „Was ist?“ „Jetzt weiß ich, warum wir alle an dem Abend, zwei Tag bevor es mit der WM losgeht im Station sein müssen.“ „Weil die uns erklären, wo die Notausgänge sind?“, brummte Kostja, ohne von seinem Buch aufzusehen. „Nein.“ „Sondern?“, hakte Leni nach, während sie den Ärmel von Dimas weißen Hemd zurecht zupfte und mit dem heißen Eisen wieder drüber ging. „Weil die Veranstalter im Rahmen der WM ein Konzert von irgend so einer drittklassigen No-name-Band geben.“ Überrascht hob die junge Frau erneut ihren Blick: „Die tun was?“, mit Sorgfalt legte sie das heiße und dampfende Gerät beiseite und zog den Stecker, bevor sie zu Dima ging und auf den Bildschirm des Laptops sah. Dort stand Schwarz auf Weiß, was ihr Mitbewohner wenige Sekunden zuvor wiedergegeben hatte. „Aber nen Namen haben die schon.“, erwiderte Leni auf Dimas 'No-name-Bezeichung' und zeigte auf den angezeigten Bandnamen. Nun wurde auch Kostja neugierig und warf ein sarkastisches Kommentar in die Runde: „Wie nennen sie sich denn? Die Samurai des Gesangs?“ „Ne. Heavens Break.“, las Dima vor. Perplex blickend, bat der Jüngere um eine Wiederholung des Gesagten. „Heavens Break.“, kam es diesmal von Leni. Sich wieder seinem Buch zuwendend, meinte Kostja: „Na ja, bestimmt so ne billige Girlieband, die dann mit bonbonfarbener Popmusik von Liebe und Herzschmerz erzählen.“ „Hm.“, war das Einzige was Dima daraufhin sagen konnte. Leni drehte den Bildschirm zu sich und filterte für ihre beiden Turnierteilnehmern die wichtigsten Informationen über die Band aus dem Artikel heraus. „So wie es aussieht, sind sie gemischt. Also drei Jungs - vier Mädels...“ Ein Lachen kam von dem Älteren: „Da weiß ich schon, wie die Musik aussieht.“ „...Dima. Sei nicht immer so voreilig.“, ermahnte sie ihn mit erhobenen Zeigefinger - der auch dafür stand, dass er sie nicht einfach unterbrechen sollte. Ihr Blick fiel wieder auf den Bericht: „Die scheinen in Europa schon relativ bekannt zu sein, obwohl es sich um eine Schülerband handelt.“ Dima blinzelte. Eine Schülerband - und dann nicht einmal aus Russland? Langsam wuchs sein Interesse und die Neugierde wie diese merkwürdige Band wohl aussah. „Haben die auch Bilder?" Es kam Nicken mit akkustischer Antwort: „Ja und einen Link zur Website der Band...", Leni stockte für einen Moment. Ein zartes Lächeln zierte ihre Lippen als sie weiter sprach: "... und die Jungs, zumindest zwei von denen, sehen gar nicht mal so übel aus.“ Schneller als sie reagieren konnte, war der ihr der Laptop entzogen wurden, nur um auf Dimas Schoss zu landen. Grimmig sah er auf die Fotos. „Was soll an denen den so besonders sein, alles schwächliche Milchbuben, die durch Bildbearbeitungsprogramme umdesignt wurden.“, in seiner Stimme klang ein hauchfeiner Ton von Eifersucht. Erneut blickte Kostja von seinem Buch auf: „Na, du musst es ja wissen.“ „Da schau selber.“, mit diesen Worten wurde das Gerät zu ihm geschoben. Seufzend legte der Jüngere ein Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte den Krimi zu. Mit gelangweilten Blick sah er auf die ins Internet gestellten Bilder. Langsam scrollte er nach unten und betrachtete sich stumm auch den weiblichen Teil der Gruppe. Plötzlich stockte er. Ein kalter Schauer lief ihm über den den Rücken, während er mit rasendem Herzen und fixiertem Blick bei einem Bild hängen blieb. Sein gesamter Körper verkrampfte sich und es vergingen Sekunden bis er sich von dem Antlitz losreißen konnte, um nach dem Namen dieser Person zu suchen. Er brauchte nicht lange, um ihn zu finden. Die Bildunterschrift gab die Antwort: Hero Hart schluckte er, während seine Augen zwischen dem Name und dem dargestellten Mädchen hin und her huschten. Augen, Mund - das gesamte Gesicht wurde regelrecht von seinem Gehirn gescannt und mit einem dort abgespeicherten Antlitz verglichen. Seine Gedanken und Erinnerungen arbeiteten fieberhaft mit dem Dargestellten aus der Gegenwart. Innerlich aufgewühlt kam er zu der einen für ihn nur möglichen Erkenntnis - doch der Name passte nicht, zerstörte das Gefühl des Glücks und hinterließ Zweifel. Kostja fing an sich einzureden, dass jeder Mensch auf der Welt einen Doppelgänger hatte und außerdem konnte sie auch ganz anders aussehen. Trotzdem konnte er nicht verleugnen, dass er das abgebildete Mädchen als hübsch und interessant empfand. Ende sechstes Kapitel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)