Falling for you von moonlight_005 ([NejiTen]) ================================================================================ Teil II: Fliegen und Fallen --------------------------- Falling for you Das Strandhaus sah anders aus, als sie es in Erinnerung hatte. Noch immer lag es in beinahe unberührter Natur, am Rande einer Klippe, noch immer hatte man den schönsten Blick aufs Meer, noch immer erhob es sich majestätisch aus der Küstenlandschaft, doch man merkte auch, dass sich etwas verändert hatte: Die Menschen hatten ihre Spur hinterlassen. Wenn Tenten als kleines Mädchen hierher gekommen war, hatte das Gebäude immer zugleich schön und einsam auf sie gewirkt. Ein verlassenes Überbleibsel einer einstigen Besiedlung, ein Ort zum Träumen, aber kein Zuhause. Doch die Menschen waren mit Nejis und Hinatas Familie zurückgekehrt und hatten dem alten Haus wieder Leben eingehaucht. Der Garten war gepflegt und an der Tür war fein säuberlich ein Schild unter der Klingel angebracht worden auf dem ‚Hyuga’ zu lesen war. Tenten musterte gerade den neuen Briefkasten, als die Tür von innen aufschwang. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück, aber es war niemand, den sie kannte. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen lehnte im Türrahmen und blickte sie düster an. „Ja?“, fragte sie. „Ähm“, begann Tenten, „ich und … Lee, wir wollten zu Neji.“ „Der ist drin“, sagte das Mädchen, „schraubt mal wieder an dieser Schrottkiste rum.“ Sie verdrehte die Augen und warf ihr langes Haar über die Schulter. Im ersten Augenblick war Tenten zu verblüfft um zu reagieren. Bevor sie Nejis Motorrad malträtiert hatte, war es ganz und gar keine Schrottkiste gewesen. „Tenten!“, rief Lee, der hinter ihr auftauchte und schwer an einem Koffer mit Werkzeugen schleppte. „Oh, hallo Hanabi“, sagte er, als er das Mädchen entdeckte, das lässig die Arme verschränkt hatte und sie immer noch frech ansah. „Hi, Vollidiot“, begrüßte ihn Hanabi, drehte sich um und ließ die Tür hinter sich offen stehen. Tenten tauschte einen schnellen Blick mit Lee, dann folgten die beiden dem Mädchen nach drinnen. „Lee“, zischte Tenten, als sie sicher war, dass Hanabi sie nicht hörte, „wer ist das?“ „Das?“, flüsterte Lee zurück, „das ist Hinatas kleine Schwester. Hanabi Hyuga.“ Was?! Dieses kleine Biest war Hinatas Schwester?! Wie konnte die liebe, nette Hinata nur mit so jemandem verwandt sein? Tenten und Lee folgten Hanabi durch ein Labyrinth von Gängen an dessen Wänden die verschiedensten Kunstwerke hingen. Da waren Öl- und Aqrylmalereien, Kohlezeichnungen, alte – antike wie Tenten sich innerlich verbesserte – Karten von Schiffen, ein gestickter Wandteppich auf dem ein Stammbaum abgebildet war und dutzende von Fotographien. In ein paar davon erkannte Tenten Hinata, offensichtlich beim Spielen mit ihrem Vater und ihrer Mutter bevor ihre Schwester geboren war, aber die meisten waren ihr gänzlich unbekannt. Vermutlich stellten sie Hinatas, Hanabis und Nejis Ahnen dar. Als sie den schönen Gang, der mit edlem Holz verkleidet war, weiter entlang gingen, schienen sich die Porträts zu verjüngen. Die Schwarzweißaufnahmen wechselten zu jenen in Farbe, die Bilder wurden professioneller, die Kleidung passte sich immer mehr dem an, das Tenten kannte, und ganz am Ende erkannte sie Neji, Hinata und Hanabi in ihrem jetzigen Alter. Plötzlich stoppte Hanabi und Tenten wäre fast in sie rein gelaufen. Hanabi warf ihr einen verärgerten Blick zu und verkündete dann: „Hier ist es.“ Dann hämmerte sie an die Tür und riss sie ohne auf ein ‚Herein’ zu warten auf. „Hey Neji, du hast Besuch!“ Dann grinste sie hinterhältig. „Damenbesuch um genau zu sein.“ Tenten lief auf der Stelle rot an, was der Hyuga keineswegs entging und ihr einen bedeutungsvollen Blick zu warf bevor sie laut polternd irgendwo im Haus verschwand. Bevor sie ihn zurückhalten konnte, stürmte Lee auch schon in den Raum und stellte den Werkzeugkasten auf dem Fußboden ab. „Hey, Neji!“, begrüßte er den Hyuga. Neji grummelte ein unverständliches ‚Hallo’ zur Antwort und Tenten war sich augenblicklich sicher, dass er sich gewünscht hatte Lee wäre nicht aufgetaucht. Wenn er so auf Lee reagierte, wie würde er sie erst behandeln? Wahrscheinlich würde er sie irgendwo anketten, sodass sie seinem heißgeliebten Motorrad nicht noch mal zu nahe kam. Was für rosige Aussichten! Und trotzdem biss sie die Zähne zusammen und folgte Lee zögernd in die improvisierte Werkstatt. Neji lag unter seinem Motorrad und legte gerade den Schraubenschlüssel zur Seite als sie näher trat. Auf dem Boden lagen dutzende Schrauben, Ersatzteile und Werkzeuge verstreut und als sie die Maschine betrachtete, erkannte Tenten, dass Neji sie offenbar halb auseinander genommen hatte. Oh Gott! Wie viel hatte sie daran bloß kaputt gemacht! Unendlich nervös, brachte Tenten schließlich nur ein piepsiges „Hey…“ zustande. Neji kam unter der Maschine hervor, krempelte die Ärmel seines Karohemdes hoch und wischte sich die Hände an seiner Jeans ab. „Du bist gekommen“, stellte er fest. „Was dachtest du denn?“, erwiderte sie leicht eingeschnappt, „du Wette verloren.“ Neji schnaubte. „Wir wissen beide, dass das ganz und gar nicht fair zugegangen ist.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und für einen Moment kam es ihr tatsächlich so vor, als wäre er nicht wegen des Motorrads sondern wegen seiner Niederlage eingeschnappt. „Wie auch immer“, lenkte er dann ein, „hast du jemals etwas repariert?“ Es war eine rhetorische Frage und sie wusste es. So kam es nicht überraschend, dass Neji tief seufzte als sie den Kopf schüttelte. „Worauf wartet ihr denn noch?!“, rief Lee plötzlich während er den Werkzeugkasten aufklappte, „wir müssen heute noch fertig werden!“ Tenten warf Neji einen Blick zu und war überrascht, dass er ihn ebenso gequält erwiderte. So wie es aussah würden sie beide alle Hände damit zu tun haben, Lee von dem Motorrad fernzuhalten. „Was ist los?“, wollte Besagter wissen, als er ihre Mienen sah. „Lee“, begann Neji, „ich glaube es ist besser, wenn du meine Yamaha erst mal in Ruhe lässt bis …“, er räusperte sich, „bis du dich ein bisschen besser auskennst.“ „Was!“, empörte sich Lee, „Tenten und ich haben extra Werkzeug besorgt! Natürlich helfe ich dir, Neji! Wie kannst du nur sagen, ich solle dir nicht helfen?!“ Der Hyuga hob eine Augenbraue und ignorierte, den scheinbar tief verletzten Lee. „Nun ja… du hältst einen Hammer in der Hand.“ . . . Entgegen Lees selbst gesteckten Ziels schafften sie es trotzdem nicht am Abend fertig zu sein. Es war eher das Gegenteil der Fall. Sie hatten es kaum geschafft ein paar Ersatzteile ordnungsgemäß anzubringen und Tenten war von dem ständigen Heben des Motorrads todmüde. Nach drei Stunden Arbeit waren sie kaum vorangekommen, mussten sich schließlich die Erschöpfung eingestehen und hatten sich mit jeweils einer Flasche kühler Cola auf die Terrasse verzogen. Tenten betrachtete missmutig ihre Kleidung. Auf der heute Morgen noch sauberen Jeans waren Ölflecken, ihr T-Shirt war durchgeschwitzt und hatte auch schon bessere Tage gesehen. Lee und Neji sahen nicht viel besser aus, aber die waren Jungs wie Tenten sich höchst sauer eingestand. Bei ihnen erwartete man nicht, dass sie nach der Schrauberei noch vernünftig aussahen. Herrgott, vielleicht fanden die das sogar noch männlich! Aber sie war ein Mädchen – eine Tatsache, die weder Lee noch Neji wirklich registriert zu haben schienen – und bei ihr würde man den Kopf schütteln, wenn man ihr so auf der Straße begegnete. Nicht, dass sie sich darum scherte, aber einen gewissen weiblichen Stolz hatte sie dann doch. In einem verzweifelten Versuch die Unterhaltung in Gang zu bringen fragte sie Neji schließlich: „Warum bringst du das Motorrad-“ Er hob eine Augenbraue. „Oh, schon gut“, fauchte Tenten, die in den Stunden ohne Verbesserung zunehmend gereizter geworden war, „warum bringst du deine Yamaha nicht einfach in eine Werkstatt, Neji?“ „Zu teuer.“ „Und, wenn wir zusammen legen?“ Der Hyuga schüttelte nur den Kopf, was Tenten dazu veranlasste eingeschnappt an ihrer Cola zu nippen. „Aber Tenten“, mischte sich Lee ein, „wie kannst du so etwas sagen! Diese Zeit wird unsere Freundschaft festigen. Wir werden jeden Tag zusammen Nejis Motorrad reparieren. Ist das nicht wundervoll!“ „Ich habe mir nichts sehnlicher gewünscht“, erklärte Neji trocken. Lee strahlte und es blieb Tenten übrig sich zu fragen, ob Lee überhaupt eine Ahnung hatte was Sarkasmus war. Nicht, dass sie ihm das auch noch erklären musste! Tenten blickte auf ihre Uhr und stellte fest, dass sie nur noch eine halbe Stunde bis zu Onkel Gais heiligem gemeinsamen Abendessen hatten. „Wir sollten los, Lee, sonst kommen wir zu spät“, sagte sie, „ich denke den Werkzeugkasten lassen wir da. Ist das okay, Neji?“ Der Hyuga nickte. Neji brachte sie noch mit zur Tür und lehnte an der Hauswand, als Tenten mit Lee auf dem Beifahrersitz ausparkte und auf dem Hof drehte. „Wir kommen morgen um die gleiche Zeit wieder, Neji!“, verkündete Lee. „Bis morgen“, verabschiedete sich Tenten ohne groß auf ihren hyperaktiven Cousin zu achten. „Ich hoffe, wir machen dir nicht so viele Umstände.“ Das war eine höfliche Art auszudrücken, dass Hanabi ihretwegen jede halbe Stunde vorbeigeschaut hatte und ihre Kommentare abgeben hatte, was den Prozess der Reparatur nicht wirklich beschleunigt hatte. „Nein“, sagte Neji, „es ist okay…“ Das war mehr als sie erwartet hatte. Tenten lächelte ihm noch mal zu und schickte sich dann an vom Hof zu fahren. Gerade als sie das Tor durchquerte rief Neji: „Tenten! Du wärst so oder so gekommen, oder?“ Ohne sich umzudrehen fuhr sie vom Hof, winkte einmal und grinste ihn listig an. Sie sah Neji im Rückspiegel verschwinden. Mit den schmutzigen Klamotten, erschöpft, aber doch zufrieden mit sich und auf einmal spürte Tenten ihr Herz bei diesem Anblick schneller schlagen. I’ve been spending all my time Just thinking about you I don’t know what to do I think I’m fallin’ for you ♫ “Gib’ mir mal den Schraubenschlüssel”, verlangte Neji und Tenten reichte ihm das gewünschte Werkzeug. Wie am Vortag hatten Lee und sie sich pünktlich bei den Hyugas eingefunden und diesmal hatte – Gott sei Dank – Hinata geöffnet. Nicht, dass Tenten Hanabi nicht mochte, es war einfach die Tatsache, dass sie sich in den letzten Stunden hatte stark zusammen reißen müssen um der kleinen Göre nicht über den Mund zu fahren. An Lee hatte sie sich gewöhnt. Das war nicht schwer, denn er war lieb, wenn er auch naiv und ein bisschen verrückt war. Lee war jemand, der wie ein Tornado in das Leben jeden einzelnen gestürmt kam und eine Freude mitbrachte, die die meisten zuerst verschreckte. Ein bisschen nervig, aber schön irgendwie so viel Lebendigkeit zu spüren. Was viele nicht wussten, war, dass er einen sehr weichen Kern hatte und wenn man ihn verletzte – wirklich verletzte, dann litt er Tage darunter bis sich jemand um ihn kümmerte und für ihn da war. In der Vergangenheit hatte sie sich oft um ihn gekümmert, denn manche konnten einfach nicht akzeptieren wie er war, nannten ihn einen Irren und erkannten nicht, was für ein Mensch wirklich in ihm steckte. Seine Freunde waren nicht so und es beruhigte sie. Naruto und Kiba schienen sich zwar manchmal einen Spaß draus zu machen ihn aufzuziehen, aber sie meinten es nicht ernst, Hinata war zu lieb um überhaupt jemandem ein böses Wort an den Kopf zu werfen und Ino schien gut damit zu leben ihn zu ignorieren. Wie dieser Shikamaru dazu stand, konnte sie nicht sagen, da er immer am Schlafen gewesen war, wenn sie ihm begegnet war (was ihr beinahe ein wenig unheimlich war), aber im Großen und Ganzen konnte Lee sich glücklich schätzen solche Freunde zu haben. Und Neji … ja Neji schien so etwas wie sein Ziel zu sein. Neji redete nicht viel, aber er schien Lee auf seine eigene Art zu akzeptieren, still, ein bisschen genervt, aber er war ihm gegenüber nicht reserviert. Neji war so etwas, wie die Mauer, die Lee überwinden wollte. Er wollte schneller, besser, klüger sein als er und doch waren sie Freunde. Auf eine verquere Art und Weise, aber wieso sollte Lee sonst seine Zeit opfern um sie damit zu verbringen mit ihr und Neji das Motorrad zu reparieren? Und wieso sonst schien Neji diese Tatsache – wenn auch leicht verdrießlich – zu akzeptieren? „Ich habe noch ein paar Ersatzteile besorgt“, sagte Neji plötzlich und Tenten registrierte zu spät, das die Repariergeräusche verstummt waren. Überrascht blickte sie auf und sah Neji an, neben dem sie kniete. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie nicht einmal gemerkt hatte, dass Lees Krämerei im Werkzeugkasten aufgehört hatte und er nun eifrig die Maschine inspizierte. „Was denn?“, brachte Tenten schließlich zustande. „Zwei neue Blinker, einen Außenspiegel und ein bisschen was für die Elektronik, wir müssen den Vergaser komplett auseinander nehmen…“ Als Neji damit begann Fachbegriffe für die Mechanik zu gebrauchen, hörte Tenten weg und schaltete auf Automatik um und befolgte weggedämmert Nejis Anweisungen. Lee durfte von dem was Neji sagte noch weniger verstehen, aber er geriet trotzdem jedes Mal aus dem Häuschen, wenn er eine Schraube festdrehen durfte. Sie waren wirklich eine tolle Hilfe und Neji war vermutlich der Einzige, der überhaupt eine Ahnung hatte was er da tat. Im Grunde hatte Neji durch Lee und sie nur zwei paar Hände mehr und ihre Gesellschaft. Auf dem Fußboden herrschte ein heilloses Durcheinander von etlichen Kleinteilen, Schrauben und Motorradteilen mit denen Tenten nichts anfangen konnte. Was zur Hölle war überhaupt ein Vergaser!? Neji, der ihre fragende Miene bemerkte, warf ihr einen belustigten Blick zu. „Ein Vergaser ist ein Teil vom Motor“, erklärte er sachlich, „er ist für das Benzingemisch verantwortlich, wir müssen ihn in Einzelteile zerlegen und reinigen … in irgendeinem ist der Fehler. Das müssen wir austauschen.“ Neji schraubte ein weiteres Teil ab und Tenten verstand langsam, was sie da eigentlich die ganze Zeit machten. So richtig wusste sie zwar immer noch nicht, was ein Vergaser war, aber zumindest war das Ding wichtig damit das Motorrad lief. Und irgendein Teil davon war wohl kaputt. Nur lagen da verdammt viele kleine Teile und wo da der Unterschied sein sollte… Das war keine Reparatur, das war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen! Sie betrachtete die Teilchen auf dem Boden, den ölbeschmierten Lappen und schließlich wanderte ihr Blick durch den Raum. Gestern hatte sie nicht die Zeit gehabt sich richtig umzusehen, jetzt schien sie die Werkstatt erstmals richtig wahrzunehmen. Es war ein gemütlich eingerichteter Raum, ein wenig chaotischer als der Rest des Hauses. In der Ecke hing eine Hängematte, an der Wand stand ein Regal mit abgegriffenen Büchern, in der Mitte des Raumes war eine alte Sofagruppe zu einem U gruppiert. Und ganz hinten hatte Neji sein Surfbrett angebracht. Die Sonne fiel durch das Fenster und blendete sie. Tenten blinzelte und musste unwillkürlich grinsen. Das war eigentlich nicht der Ort, von dem sie gedacht hätte, dass Neji gerne dort abhing, aber irgendwie… Irgendwie war auch er nur ein Teenager, der gerne mal seine Ruhe hatte – oder mal laute Musik hörte. Tenten schielte zu ihm herüber und Neji fing ihren Blick auf. Tenten musste grinsen und unwillkürlich verzogen sich auch seine Mundwinkel. Sie kannte ihn nur von ein paar mehr oder minder zufälligen Treffen, aber irgendwie mochte sie es in seiner Gegenwart zu sein. Oh ja, unter der stoischen Fassade steckte so viel mehr, als das man auf den ersten Blick sah… I’m trying Not to tell you But I want to I’m scared of what you’ll say So I’m hiding what I’m feeling but I’m tired of Holding this inside my head ♫ “Erzähl’ mir von dir.” “Was?” Er drehte sich überrascht zu ihr um. „Erzähl’ mir was über dich“, wiederholte Tenten, „ich weiß fast gar nichts über dich, aber ich möchte es wissen.“ „Wieso?“ Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Wurde zu einem leichten Grinsen. „Es ist ziemlich still, wenn wir nur das Motorrad – “, sie seufzte, „deine Yamaha reparieren.“ „Lee macht genug Lärm für uns beide.“ „Lee ist nicht hier“, widersprach Tenten. Neji richtete sich auf und legte den Schraubenschlüssel beiseite. „Was willst du denn wissen?“ „Alles“, grinste das Mädchen. Neji hob eine Augenbraue. „Nun“, begann er, „ich heiße Neji Hyuga, bin siebzehn Jahre alt und einsachtzig groß.“ Er sah sie an und schien auf etwas zu warten. „Was ist deine Lieblingsfarbe?“, half Tenten ihm aus. „Weiß.“ „Weiß ist keine Farbe.“ „Nein?“ „Nein.“ Beide schwiegen eine Weile. „Was ist dein Lieblingsessen?“ „Pizza.“ „Wieso Pizza?“ „Spinatpizza.“ „Uääärgh“, entfuhr es Tenten. Sie betrachtete ihn skeptisch. Neji starrte unbeeindruckt zurück. Plötzlich musste sie kichern. Es wurde lauter und auf einmal lachte sie aus tiefster Seele. „Hey, was ist?“ „Stell…ste… stell dir vor, du hast das Zeug zwischen den Zähnen kleben.“ Seine Mundwinkel hoben sich um Millimeter. „Glaubst du wirklich, das würde mir passieren, Tenten?“ Sie kicherte immer noch, betrachtete ihn dann von oben nach unten und begegnete wieder seinem Blick. „Hmm… vielleicht?“ Das brachte ihr einen leichten Faustschlag auf ihren Arm ein. „Schon gut, schon gut.“ Sie hob abwehrend die Hände, „als, wenn der große Neji Hyuga den Kampf gegen Spinat verlieren würde…“ Tenten fing wieder an zu lachen und diesmal fiel auch Neji ein. Zögernd, als würde er sich dessen schämen, doch dann schien er es vergessen zu haben und ihr Lachen hallte von den Wänden zurück bis sie sich den Bauch hielten und auf dem Rücken liegen blieben. „Was ist deine Lieblingsfarbe?“ Neji grinste leicht. „Blau“, antwortete Tenten ohne zu zögern. „Und wieso Blau?“, wollte er in perfekter Imitation ihres Tonfalls wissen. „Das Meer ist blau, der Himmel ist blau…“ Sie zuckte die Achseln. „Das Meer ist nicht wirklich Blau“, widersprach Neji, „und der Himmel ist eigentlich weiß.“ „Weiß ist doch keine Farbe… deswegen ist der Himmel blau und das Meer blau.“, bestimmte Tenten. „Dein Lieblingsessen“, unterbrach Neji sie. „Onkel Gais sensationelle Spaghetti.“ „Meinst du, du schaffst es die zu essen ohne zu schlürfen?“ Tenten grinste. „Ich bin die weltbeste Spaghettiesserin, der du je begegnet bist.“ „Ach ja?“ „Zweifelst du an mir?“ Amüsiertes Lachen seinerseits. „Natürlich nicht.“ „Sag mal“, begann Tenten, „was ist dein größter Traum?“ Die Stimmung wurde schlagartig ernster. Diese Frage war persönlicher als die letzten, weniger belanglos und so dauerte es auch eine gewisse Zeit ehe er überhaupt etwas sagte. „Eigentlich … ist es genau das heraus zu finden.“ Tenten drehte leicht den Kopf um ihn anzusehen. „Das ist ziemlich weise, weißt du.“ „Es ist die Wahrheit.“ Sogar in dieser einfachen Antwort hörte sie den schelmischen Unterton von all seinen anderen Antworten heraus. „Was ist mit dir?“, fragte Neji. Tenten stemmte sich hoch, verzog das Gesicht und wurde gegen ihren Willen ein wenig rot. „Ich bin gar nicht weise.“ „Hat das einer verlangt? Ich habe nicht gefragt, ob die Antwort weise ist, sondern was sie ist.“ „Also gut“, ließ sie sich breitschlagen, „ich habe überhaupt keine Ahnung.“ „Wie? Du weißt nicht wie du es sagen sollst?“, fragte Neji. „Nein, ich habe keine Ahnung was es ist.“ Stille. „Das ist wirklich nicht weise.“, sagte der Hyuga in die Stille hinein. „Hey!“ Neji lachte. Schließlich richtete auch er sich wieder auf. Sah sie amüsiert an. „Hast du noch mehr Fragen? Wir müssen weiter arbeiten.“ Tentens Augen funkelten verschwörerisch. „Tausende!“ Neji stöhnte genervt. I can’t stop thinking about it I want you all around me And now I just can’t hide it I think I’m fallin’ for you ♫ Tenten und Lee kamen jeden Tag. Mal waren sie früher da, ein anderes Mal später, aber immer standen sie am Nachmittag vor seiner Tür. Manchmal arbeiteten sie ohne Unterbrechung, sprachen kaum. Dann wiederum blieben sie nur eine halbe Stunde und schleiften Neji anschließend mit zum Strand, wo sie meistens Naruto und Kiba begegneten und ab und an auch Ino und Shikamaru. Es wurde so sehr Routine, dass es Tenten fast vorkam als hätte sie nie irgendwo anders gelebt, als hätte sie tagtäglich nie irgendetwas anderes getan als ein Motorrad zu reparieren. Ihr vorheriges Leben war in weite Ferne gerückt und jeden Tag kam es ihr wie vor einer Ewigkeit vor, dass sie in der Stadt gelebt hatte und für Klausuren gelernt hatte. Der Sommer war heiß, der Wind erfrischend kühl und das Meer glitzerte im Sonnenschein, wenn sie an den Strand kamen. Ein Gefühl der Leichtigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen. Sie fühlte sich so stark, dass sie glaubte alles erreichen zu können. Es waren die alltäglichen Kleinigkeiten, die sonst im Tagesablauf völlig untergingen. Onkel Gais selbsternanntes drei Sterne Frühstück, das Surfen am Strand, Kibas und Narutos Neckereien und die Zeit, die sie zusammen mit Neji und Lee beim Reparieren des Motorrades verbrachte. Und um diese Stunden drehte sich ihre Welt. Seit einer Ewigkeit hatte sie nicht mehr so viel Spaß gehabt wie, wenn Lee sich voller Begeisterung in die Arbeit stürzte. Nie war sie so glücklich gewesen, nur, wenn Neji von sich aus mehr als einen Satz sagte. Wenn sie langsam aber sicher in sein Inneres blickte, das die gelassene Fassade nicht ganz verbergen konnte… ♫ Sie hörte wie die Klingel im ganzen Haus widerhallte. Als Tenten es das erste Mal gehört hatte, war sie so erschrocken gewesen, dass sie beinahe rückwärts die Stufen herunter gefallen wäre. Jetzt hatte dieses Geräusch nichts Furchteinflößendes mehr an sich. Dennoch war ihr unbehaglich zumute. Lee wollte mit Naruto irgendwo in die Stadt und nun stand sie allein vor dem riesigen Haus. Tenten konnte nicht begreifen, dass sie plötzlich so nervös war. Sie war schon etliche Male hier gewesen, warum also jetzt? Sie war doch nicht darauf angewiesen, dass ihr Cousin den Babysitter spielte! Und überhaupt sie kam gut alleine klar! Warum also sollte sie Angst haben?! Das einzige, das Neji tun könnte war sie anzuschweigen, verdammt noch mal! Das Geräusch der Klingel erstarb und dann hörte sie in der Ferne wie Schritte näher kamen. Wahrscheinlich war es Hanabi, die Gefallen daran gefunden hatte sie aufzuziehen sobald sie die Gelegenheit dazu bekam. Warum ließ sie sich das eigentlich gefallen? Das Mädchen war zwölf! Sollte das kleine Biest doch kommen! In Gedanken legte Tenten sich schon ein paar Sprüche zurecht, die sie ihr an den Kopf werfen konnte, als sich plötzlich die Tür öffnete. Sie setzte dazu an Hanabi etwas Lässiges entgegen zu schleudern, doch schluckte die Worte herunter noch bevor sie auch nur eine Silbe heraus brachte. „Ja?“, fragte ein mittelalter Mann, der elegant gekleidet war. Unter seinem Blick wurde Tenten ganze zwanzig Zentimeter kleiner. Ihr Mut verflog in sekundenschnelle. Der Mann vor ihr hatte etwas Einschüchterndes an sich, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre. „Wer sind Sie?“, fragte er, als sie immer noch nichts sagte. „Te…Ten…ten“, stotterte sie, „i..ich… wollte Ne..ji-“ „Neji, so?“ Sein Blick wurde intensiver. „Ich helfe ihm sein Motorrad zu reparieren.“ Innerlich gratulierte sie sich zu dem ersten vollständigen Satz, den sie zustande brachte. „Nun gut, Tenten“, antwortete der Mann, „ich nehme an, du weißt wo sich mein Neffe herumtreibt?“ Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Vorsichtig lächelte sie zurück und nickte. Er öffnete die Tür ganz und trat dann zur Seite um sie einzulassen. „Übrigens…“ Sie drehte sich um, bemerkte, dass er die Hand ausgestreckt und ergriff sie hastig. „Hiashi Hyuga.“ „Freut mich“, brachte Tenten etwas verspätet heraus. Irgendwo auf dem Weg zu Nejis Werkstatt war sie in der Lage wieder ihre Gedanken zu ordnen. Hiashi Hyuga war Hinatas und Hanabis Vater und Nejis Onkel. Oh Gott! Sie musste sich total lächerlich gemacht haben mit ihrem ganzen Gestotter. Sie sollte sich auch nicht so schlecht fühlen, Hiashi war schließlich nicht Nejis Vater. Warum dachte sie überhaupt darüber nach was für einen Eindruck sie bei Nejis Onkel, Vater – wem auch immer! – hinterließ? Ein kräftiges Pochen riss sie aus den Gedanken. „Geh’ weg, Hanabi, ich arbeite!“, hörte sie Nejis Stimme durch die Tür. Ohne darauf einzugehen, öffnete Hiashi die Tür auf und erklärte einem überraschten Neji: „Du hast Besuch.“ „Onkel!“ Er wirkte überrascht, wischte sich die Hände an einem Tuch ab und nickte ihr einmal zu. Irgendwie schaffte es Tenten sich an Hiashi vorbei zu schieben und scheinbar unbeeindruckt in der Werkzeugkiste zu kramen. „Mach nicht zu lange“, sagte Hiashi an Neji gewandt, „bis bald, Tenten.“ Erschrocken sah sie auf und fummelte an einer Schraubenmutter herum. „Si..sicher.“ Die Tür fiel ins Schloss und Tenten ließ sich vor lauter Erleichterung auf den Boden fallen. „Guten Eindruck gemacht?“ „Das war das Schlimmste, das mir je passiert ist. Ich war noch nie im Leben so nervös. Ist dein Onkel immer so?“ Neji machte ein Geräusch und es dauerte bis Tenten begriff, dass er sich das Lachen verkniff. „Was?!“, fauchte sie. „Dein Gesichtsausdruck“, klärte Neji sie auf, „nur, weil mein Onkel dich eingeschüchtert hat.“ „Er hat mich nicht eingeschüchtert!“, widersprach Tenten, „er ist nur … ähm… sehr einnehmend?“ Warum klang das wie eine Frage? „Einnehmend“, wiederholte Neji, „dann solltest du ihn vielleicht mal erleben, wenn er wütend ist. Das eben war nur ein Test.“ Er zuckte die Schultern. „Ein Test?“ „Keine Panik, du hast bestanden. Die meisten wären wieder umgedreht, nachdem er ihnen die Tür aufgemacht hätte.“ Darauf fiel ihr nichts mehr ein. „Wie auch immer. Wir haben noch einen Haufen Arbeit vor uns.“ Er bückte sich und drehte eine Schraube fest. „Wo ist eigentlich Lee?“ „Lee?“ Tenten war sich sicher, dass er den nervösen Tonfall heraushören musste. „Wer sonst hält mich mehr von der Arbeit ab und sorgt dafür, dass ich nicht eine Sekunde Ruhe habe?“ „Ähm… Der ist nicht da.“ Neji hielt abrupt mit seiner Tätigkeit inne, drehte sich dann um und warf ihr einen sehr skeptischen Blick zu. Unangenehm fühlte sich Tenten an den Blick seines Onkels erinnert. Die gleiche Nervosität drohte an die Oberfläche zu kommen. Himmel! Wenn sie jetzt auch noch zu stottern anfing! „Naruto hat ihn mitgeschleppt. Ich konnte nichts machen.“ Sie grinste halbherzig und war sich gleichzeitig sicher, dass er ihre Halblüge sofort durchschauen würde. Es war ja nicht so, dass Naruto ihren lieben Cousin gedrängt hätte mitzukommen, Lee hätte ablehnen können und sie hätte ihn an die heutige Reparaturstunde erinnern können, aber man konnte ja auch mal was vergessen, nicht? „Naruto.“ „Du weißt ja wie er ist“, winkte Tenten ab, „absolut unberechenbar. Er hat mich überrumpelt.“ „Aha.“ Tenten strich sich eine Strähne hinter das Ohr und versuchte nicht daran zu denken, dass er nur so einsilbig war, wenn er jemandem etwas absolut nicht abkaufte. Dann halt mit einer anderen Strategie. „Vermisst du Lee etwa?“, wollte sie unschuldig wissen, grinste innerlich in sich hinein und wusste instinktiv, dass sie ihn auf dem kalten Fuß erwischt hatte. „Wie bitte?“ „Na du weißt schon, Hyuga, du musst nichts vor mir verheimlichen, ich habe ihn auch gern.“ Seine Miene war Gold wert, Nejis Gesichtszüge entgleisten ihm und er sah so aus, als wenn er ihr gleich an die Gurgel gehen wollte. Tenten amüsierte sich köstlich. Nicht nur, dass sie geschickt davon abgelenkt hatte, dass sie einen ganzen Nachmittag alleine zusammen arbeiten würden, sie kam auch noch in den einmaligen Genuss Neji Hyuga sprachlos zu erleben – mehr oder weniger. „Ich habe Lee nicht gern.“ „Wirklich?“ Sie grinste. „Ich bin mir sicher, dass Lee sehr verletzt ist, wenn er das hört.“ „Nicht so nicht gern.“ „Du musst dich schon genauer ausdrücken.“ Neji stöhnte genervt, was Tenten dazu brachte erneut über seinen Gesichtsausdruck zu lachen. Er warf ihr einen sehr wütenden Blick zu. Tenten verstummte jäh, sah ihn an und fing wieder an zu kichern. Wer hätte gedacht, dass es so viel Spaß machte Neji Hyuga zu ärgern. „Himmel!“, fluchte Neji, „lass uns endlich anfangen!“ Tenten warf ihm einen letzten Blick zu und konnte sich nur mit Mühe zurück halten wieder mit dem Lachen anzufangen. Schließlich konnte sie sich so weit zusammen reißen, dass sie Neji dabei helfen konnte das Motorrad zum siebten Mal wieder zusammen zu setzten. Eine Stunde lang arbeiteten sie schweigend zusammen und bauten den Vergaser zum gefühlten hundertsten Mal zusammen. Ohne Lee war es bemerkenswert still. Aber auf eine angenehme Art und Weise war Tenten die Stille nicht unangenehm. Neji war jemand, der nicht zu viele Worte verlor und manche Dinge einfach anders mitteilte. Sie hatte zwar auch schon andere Seiten an ihm gesehen, aber die plötzliche Stille machte ihn verwundbarer, angreifbarer als alles, das er sagen konnte. Im Profil fielen ihr einige Dinge auf, die sie sonst übersehen hatte. Da war die Strähne, die ihm immer in die Augen fiel, wenn er sich zu weit nach vorn beugte. Die gekonnten Handgriffe, die seine Hände trotz der schmutzigen Arbeit immer noch geschmeidig aussehen ließen und nicht zuletzt seine Augen. Wenn das Licht in einem bestimmten Winkel durchs Fenster einfiel schienen seine Augen das Licht aufzufangen und in einem unendlich intensiven Blick wieder abzugeben. Ein paar Mal war sie einem dieser Blicke begegnet. Zuerst vollkommen von seinen Augen gefangen und dann pochte ihr Herz so schnell, dass sie glaubte etwas Unantastbares berührt zu haben. Als sie ihn das nächste Mal ansah, richtete Tenten den Blick lieber wieder auf ihre Arbeit. Während sie auf die Mechanik starrte spürte sie wie ihre Wangen heiß wurden und wie es ihr die Röte ins Gesicht trieb. Nur aus den Augenwinkeln nahm sie noch die Bewegungen neben sich wahr. Wie sich seine Schultern anspannten, wenn er die Hand nach dem Werkzeug ausstreckte. In allem, was er tat war er schön. Schon vorher hatte sie es gemocht in seiner Nähe zu sein, aber jetzt war es anders. Vorher hatte Neji es einfach nur hingenommen, dass sie da war. Einfach, weil er diese dumme Wette verloren hatte… Jetzt sah es nicht mehr danach aus. Gerade, weil Neji kein Wort sprach, akzeptierte er ihre Anwesenheit. So sehr, dass es ihn nicht mehr kümmerte, dass er einen Teil seiner selbst offen legte. Da war ein Verständnis ohne Worte. Neji stand schnell auf und streifte dabei ihren Arm. Es durchzuckte sie wie ein elektrischer Schock, so plötzlich, so nah… Neji schien nichts zu merken. Er ging um das Motorrad herum, drehte am Zünder herum und gab zum elften Mal resigniert auf, als sich wieder nichts tat. Tenten starrte ihn an und versuchte ihr rasendes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dieser winzige Kontakt brannte sich wie Mal in ihre Haut ein. Ob er überhaupt eine Ahnung hatte, was er da gerade getan hatte? Augenblicklich lief Tenten hochrot an und realisierte plötzlich, dass sie wirklich ganz allein waren. „-ten. Hörst du mir überhaupt zu?“ „Was!?“ Sie schoss in die Höhe, völlig ahnungslos um was es ging. Neji seufzte und war dann so höflich seine Worte noch mal zu wiederholen. „Wir müssen noch mal anfangen. Das falsche Teil ist immer noch dabei.“ „Oh.“ Der Hyuga hob skeptisch eine Augenbraue. „Wo bist du nur mit deinen Gedanken?“ Da würde eher die Hölle zufrieren, bevor sich ihm das sagte. „Ähm… bist du noch sauer?“ Zu ihrer allergrößten Erleichterung nahm er ihr die improvisierte Erklärung zunächst kommentarlos ab. Misstrauisch beobachtete Tenten wie er sich zum zwölften Mal am Vergaser zu machen. Urplötzlich fuhr er herum und warf ihr blitzschnell eins der Vergaserteile zu. Völlig erschrocken fing Tenten es auf und setzte gerade zu einer entrüsteten Bemerkung an, als Neji ihr zuvor kam. „Hm… Wenn ich mich nicht täusche, dann hast du mir unterstellt schwul zu sein.“ Er grinste hinterhältig. „Ich glaube, du schuldest mir eine Entschuldigung.“ Auf dem falschen Fuß erwischt, riss Tenten erschrocken den Mund auf. „Wie bitte? Wer hat sich denn um Kopf und Kragen geredet?!“ „Du hast mir die Worte im Mund umgedreht!“ Neji war mittlerweile um das Motorrad herumgekommen, Tenten trat gleichzeitig zwei Schritte zurück. Neji folgte ihr in gleichem Maße, krempelte sich die Ärmel hoch und sah sie herausfordernd an. Unvermittelt sah sie sich nach Fluchtmöglichkeiten um, doch der einzige Ausgang war die Tür hinter ihm. „Tenten…“ Sie konnte förmlich sein Vergnügen spüren sich rächen zu können. „Jetzt bist du doch sauer“, stellte sie leicht panisch fest. Ohne sie zu beachten verlangte er: „Nimm es zurück.“ „Was denn genau?“ Noch zwei Meter bis zur Wand. „Hm… wie wär’s mit: Ich nehme alles zurück, dessen ich Neji Hyuga als schwul bezeichnet habe und ich entschuldige mich dafür, dass ich ihn seit zwei Stunden in den Wahnsinn treibe.“ Tenten kicherte nervös. „So schlimm, Neji, ich wusste gar nicht, dass du so viel Wert auf deinen männlichen Stolz legst.“ „Tenten…“ Sie stieß mit dem Rücken an die Wand. Shit! Blitzschnell sah sie nach links und rechts. „Ich warte, Tenten.“ „Ähm…“ Neji hielt drei Finger in die Luft und zog den ersten ein. „Zwei Chancen geb’ ich dir noch.“ „Ach, verdammt Hyuga! Lass den Mist!“ „Eins.“ Tenten verschränkte die Arme vor der Brust. „Was könntest du schon tun?“ Neji grinste gefährlich. „Wie wär’s damit?“ Und noch bevor sie gucken konnte, hatte er sie sich über die Schulter geworfen. „Neji!“, kreischte sie, „lass mich sofort runter!“ „Hm…“, machte Neji und tat so, als ob er schwer nachdenken musste, „nein, ich glaube nicht.“ „Neji Hyuga! Wenn du mich nicht sofort wieder absetzt, dann werde ich das verdammte Motorrad wirklich verschrotten!“ „Wieso sollte ich dich dann absetzen?“ „Neji!“ Jemand räusperte sich und beide sahen überrascht zur Tür. „Ich wusste nicht, dass das auch zur Reparatur eines Motorrads gehört“, sagte Hiashi, nachdem er ein Tablett mit zwei Tassen Tee und einem Teller Keksen auf den kleinen Couchtisch gestellt hatte. „Onkel…“ Neji hatte sie endlich wieder auf der Erde abgesetzt. „Ich hätte ein besseres Benehmen von dir erwartet, Neji.“ „Ich kann da erklären, Onkel.“ Hiashi seufzte und nahm einen Keks. „Du hättest wenigstens absperren können, ich war auch mal jung, weißt du.“ Tenten starrte ihn sprachlos an. Sie sah einmal von Neji zu seinem Onkel, dann wieder zurück. Als nächstes bemerkte sie, dass Neji immer noch die Hand an ihrer Taille hatte. Bestimmt packte Tenten sie und drückte sie von sich weg, bevor sie erneut knallrot anlief. Oh Gott, was musste Hiashi jetzt nur von ihr denken? „Ich lass euch dann mal wieder allein.“ Und schon war er wieder aus der Tür. „Das ist alles deine Schuld“, stellte Tenten klar. Neji stöhnte und rieb sich die Schläfe. „Du bist fast so schlimm wie Lee, weißt du das?“ „Liegt in der Familie“, gab Tenten zurück. „Wie auch immer. Lass uns endlich weitermachen, ich will das langsam mal fertig kriegen.“ Binnen Minuten hatte er den Vergaser wieder zerlegt und betrachtete ungeduldig sein Werk. „Lass mich mal“, mischte Tenten sich ein, „wir haben es jetzt ein dutzend Mal nach deinem Plan gemacht, jetzt versuch ich es mal.“ „Du kennst dich doch überhaupt nicht damit aus.“ „Nein, aber ich kann organisieren“, erklärte sie, während sie die bereits ausprobierten Bestandteile des Vergasers zu verschiedenen Haufen sortierte. „Diese hier hatten wir schon“, sie deutete auf den linken größeren Haufen, „und die müssen wir noch probieren“, sie zeigte auf den anderen Haufen. „Na los, Hyuga, zeig mir was du drauf hast!“ Sie grinste. Neji sah sie einmal an und fing zur Antwort damit an, die Technik abermals zusammen zu setzen. Nach drei weiteren Versuchen blieb ihre Mühe immer noch vergeblich. „Sag mal“, begann Neji, „wieso ist es überhaupt dazu gekommen, dass du … na ja.“ Sein Blick wanderte zu der Yamaha. „Oh… ähm…“ Tenten ließ den Schraubenschlüssel sinken, den sie gerade noch gehalten hatte. „Ich also… ich wollte schon immer ein Motorrad. Für mich ist das pure Freiheit. Dahin zu rasen, den Himmel über sich und keiner holt einen ein. Findest du das jetzt komisch?“ Er fummelte ohne Aufzuschauen an dem Vergaser herum, setzte sich dann auf die Maschine und drehte an der Zündung. „Nein, eigentlich nicht, es ist gut … um nachzudenken und den ganzen Stress loszuwerden. Ich-“ Der Motor heulte auf, während Neji ungläubig mitten im Satz stockte. „Wir haben es geschafft!“, jubelte Tenten, „Neji wir haben es geschafft!“ „Was?“ „Du musst eine Runde drehen! Komm schon!“ Tenten packte Neji am Ärmel und dirigierte ihn nach draußen. Neji warf ihr einen höchst skeptischen Blick zu, bevor er sich seinen Helm aufsetzte. Draußen angekommen realisierte Tenten als erstes, dass die Sonne schon fast untergegangen war. Sie hatten sich mehr als drei Stunden in der Werkstatt aufgehalten! Neji drehte unterdessen nochmals an der Kupplung und drehte eine kleine Runde. Alles schien einwandfrei zu funktionieren. Sie lächelte. Wenn Lee erfuhr, dass sie den Fehler ohne ihn gefunden hatten, würde er die Wände hochgehen. Es war einfach zu komisch. Er war derjenige, der immer so früh wie möglich zu den Hyugas wollte und einmal kam er nicht, da schafften sie es. Neji testete unterdessen die Bremsen. Im Abstand von wenigen Metern hielt er immer wieder abrupt an, doch auch das stellte kein Problem dar. Schließlich stieg er ab. „Warte kurz“, sagte Neji und verschwand wieder im Haus. Tenten setzte sich indessen auf die Stufen der Haustür und sah aufs Meer. Das Licht der untergehenden Sonne verwandelte das Wasser in leuchtendes Orangerot. Der Himmel war beinahe wolkenlos und ab und an konnte man eine Möwe ausmachen, die als dunkler Fleck über das Meer flog. Tenten hätte sich dieses Schauspiel jeden Abend anschauen können. Es hatte so etwas Warmes, das ein Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit in ihr auslöste. Eine innere Ruhe, so viel Glück, dass sie sich in diesen Momenten fast sicher war, nichts könne ihr etwas anhaben. „Hier.“ Neji tauchte wie aus dem Nichts auf und drückte ihr einen Helm in die Hand. Tenten sah ihn ungläubig an. „Guck nicht so, ich weiß ganz genau, wie gerne du das willst.“ „Du willst, dass ich die Yamaha noch mal zerschrotte und mir dabei den Hals breche?“ „Auf keinen Fall“, widersprach Neji, „ich fahre.“ „Was…?“ „Das Auto kannst du morgen abholen.“ Er drehte ihr den Rücken zu und schwang geschickt ein Bein über die Yamaha. Dann startete er das Motorrad. Tenten hatte sich noch immer nicht gerührt und sah ihm nur ungläubig hinterher. „Ich biete es kein zweites Mal an.“ Zögernd erhob sie sich, machte einen unsicheren Schritt auf ihn zu und setzte sich fast automatisch den Helm auf den Kopf. Tenten blieb vor der Yamaha stehen, betrachtete den Platz hinter Neji, den er für sie freigelassen hatte. Schüchtern sah Tenten zu Neji, doch in dessen Gesicht zuckte kein Muskel. Er würde nichts sagen, so viel war sicher und er würde auch nicht ewig warten. Doch er überließ ihr die Entscheidung. Vielleicht wollte er nur nett sein, vielleicht war das sein Danke dafür, dass sie ihm geholfen hatte oder es war eine fixe Idee über die er gar nicht weiter nachgedacht hatte. Sie klappte das Visier ihres Helms herunter, versuchte abermals aus Neji Hyuga schlau zu werden und zog sich schließlich hinter ihn auf das Motorrad. Kommentarlos löste Neji den Ständer und die Yamaha ruckte ein kleines Stück vor. Im nächsten Moment gab er bereits Gas, sie schossen aus der Ausfahrt und Tenten sah das Strandhaus in Sekundenschnelle hinter ihr verschwinden, als sie einen Blick zurück warf. Die Maschine wurde schneller, das Adrenalin schoss durch ihren Körper und fühlte sie endlich das Gefühl, das sie sich so sehr gewünscht hatte zu spüren. Es war Fallen und Fliegen zugleich. Der Wind fuhr durch ihre Haare und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne wärmten ihr Gesicht. Das Gefühl war viel intensiver als sie gedacht hatte. Links erstreckte sich das endlose Meer, auf der anderen Seite begann eine Dünenlandschaft und in diesem Moment erschien es Tenten beinahe so als würden sie wahrlich dem Himmel entgegen fliegen. Hätte die Geschwindigkeit sie nicht so überrascht, hätte sie vermutlich die Arme ausgebreitet und sich vorgestellt es wirklich zu tun, doch so blieb ihr im ersten Augenblick des Schrecks nichts anderes übrig als sich an Neji festzuhalten. Sie spürte die Wärme seines Körpers, die leichten Bewegungen mit denen er das Motorrad in der Balance hielt. Im ersten Moment war sie wie erstarrt. Neji und sie hatten sich in all der Zeit zwar besser kennen gelernt, aber es brauchte mehr als das um so abrupt in den persönlichen Raum eines anderen einzudringen. Sie konnte nicht mehr klar denken. Mit einem Schlag war seine Präsenz beinahe erdrückend. Sie nahm seinen Geruch in sich auf, die Berührung seines Körpers und erinnerte sich an all die Stunden, die sie mit ihm verbracht hatte… An all die Gedanken, die sie gedacht hatte und dann ergab alles einen Sinn. Plötzlich war es da. Das Gefühl von dem sie alle redeten und das sie nie verstanden hatte. Tenten fühlte sich als würde sie platzen vor Glück und nie hätte sie sich gewünscht jetzt irgendwo anders zu sein. Ohne, dass sie es gemerkt hatte, hatte er etwas in ihr verändert. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie so viel Spaß gehabt wie in den letzten Wochen, war nie so glücklich gewesen und nie war ihr ein anderer Mensch so wichtig geworden wie er. Der Geschwindigkeitsanzeiger überschritt die Hundert, die Maschine legte noch einmal an Tempo zu und sie schossen die Straße entlang. „Halt dich fest.“ Nejis Stimme war fest und bestimmt. Zögerlich schlang Tenten die Arme fester um seinen Oberkörper und spürte wie ihr Herz im selben Takt schlug wie seins. Oh I just can’t take it My heart is racing The emotions keep spinning out ♫ Willkommen zum 2. Teil meines kleinen Adventswerkes :) Diesmal ging es eher darum ein paar Dialoge zu üben und darum, dass Neji und Tenten sich ein bisschen näher kennen lernen. Und ein kleines bisschen Humor darf natürlich auch nicht fehlen *grins* Noch etwas, die Sache mit dem Vergaser ist genau recherchiert. Bzw. hat es mir mein bester Freund erklärt. Danke noch mal dafür, ohne dich hätte ich diese verdammte Technik nie kapiert ^^" Ich hoffe, es hat euch gefallen. Bis zum 4. Advent! Alles Liebe moony Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)