Walkabout von Yamato_ (Mein Beitrag zur 8.Taito-Challenge) ================================================================================ Prolog: Shuppatsu (Aufbruch) ---------------------------- Sonnenbrille, Geldbeutel, Deo, Zahnbürste, Taschenlampe, Unterwäsche, Klamotten zum Wechseln – ein paar Sachen reichen, Wäsche kann man schließlich überall kaufen oder waschen – Taschentücher, Handtuch, Handy, auch wenn ich’s am liebsten einfach hier lassen würde, mein Schweizer Taschenmesser, mein Feuerzeug, Ohrenstöpsel, ’n Schal, am besten auch ’ne Mütze. Block und Stift sind überlebenswichtig, ebenso der iPod. Ohne meine Musik geht gar nix. Schlimm genug, dass ich die Klampfe nicht mitnehmen kann, aber Rucksack, Schlafsack und Klampfe, da würd’ ich ja wie ein Packesel durch die Gegend laufen. Und damit ist der blöde Rucksack auch schon voll. Ein bisschen Platz für ein Buch hab’ ich noch, aber nur eins, also wird’s wieder mal ein Stechen zwischen Kafka am Strand und Norwegian Wood. Ich denke, Kafka hat eindeutig die besseren Karten. Norwegian Wood ist einfach mit zu vielen Erinnerungen behaftet. Wenn ich den ganzen Kram mitschleppen wollte, könnte ich ebenso gut hier bleiben. Genaugenommen fühle ich mich im Moment auch wie Kafka Tamura, nur dass ich kein Alter Ego namens Crow besitze, das mich vollquatscht. Normalerweise erfüllt Gabumon diese Funktion ganz prächtig, aber er weiß schließlich am besten, dass es sinnlos ist, mich zuzutexten, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe. Also sitzt er einfach mit hängenden Ohren neben mir und schweigt. Wenn ich gehen will, dann gehe ich. Schluss. Punkt. Aus. Das sollte jedem, der mich kennt, klar sein. Rucksack, Schlafsack, Stiefel, Jacke und ab geht die Post! Aber irgendjemandem schien es offensichtlich doch nicht klar zu sein, denn die kleine Gestalt, die mir in den Weg trat, machte keinerlei Anstalten, sich aus demselben wieder zu entfernen. “Laufen wir wieder mal vor unseren Problemen davon?“ fragte mich eine kühle Stimme und wäre Tentomon nicht so angriffslustig vor meiner Nase herumgeflattert, hätte ich seinem Digimon Partner die gespielte Gleichgültigkeit fast abnehmen können. So wusste ich ganz genau, dass Koushirou eines nicht war, gleichgültig. Er war stinksauer auf mich und er würde es mich spüren lassen. “Wenn du hier bist, um mir Vorwürfe zu machen, kannst du es dir gleich schenken,“ Ich trat einen Schritt zurück in die Wohnung, schließlich mussten wir den Nachbarn nicht unbedingt eine Vorstellung geben. Mir wär’s egal, ich bin eh weg, aber mein Vater muss ihnen schließlich noch in die Augen sehen können. “Ich weiß, dass ich Mist gebaut hab’, okay? Und ich fühl’ mich schon scheiße genug deswegen. Du musst mich nicht extra daran erinnern.“ “Doch, ich erinnere dich daran, Yamato-san.“ Koushirou zog seine Schuhe aus und stellte sie ordentlich neben die Tür, bevor er diese sorgsam schloss. Ohne zu knallen. “Und es interessiert mich im Augenblick nicht, ob du dich schlecht fühlst. Deswegen bin ich nicht hier.“ Bei soviel Kaltschnäuzigkeit blieb mir im ersten Moment die Luft weg. Gabumon knurrte bedrohlich und legte die Ohren an, als wolle er im nächsten Moment auf Koushirou losspringen. “Schon klar, warum du hier bist, Koushirou.“ Ich nestelte am Reißverschluss meiner Stiefel herum, um den Augenblick hinauszuzögern, an dem ich ihm wieder ins Gesicht sehen musste. “Du willst mir eine Standpauke halten, weil ich Sora wehgetan habe und weil ich – wieder mal – daran schuld bin, dass Taichi mit den Nerven am Ende ist. Also schön, ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, ich weiß, dass es meine Schuld ist und ich weiß, dass ihr alle ohne einen Idioten wie mich besser dran seid. Zufrieden?“ Koushirou verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die geschlossene Tür. “Und warum sollte ich damit zufrieden sein, dass du hier in Selbstmitleid zerfließt, anstatt dir mal Gedanken über das Trümmerfeld zu machen, welches du hier zurücklässt. Jeder von uns macht Fehler, Yamato-san. Aber dann sollte man auch das Rückgrat haben, sie wieder in Ordnung zu bringen, anstatt sich einfach klammheimlich aus dem Staub zu machen. Damals in der DigiWelt warst du wenigstens so fair, uns zu erklären, warum du fortgehst. Jetzt sind wir dir offensichtlich nicht einmal eine Erklärung wert. “ “Verdammt, lass die DigiWelt aus dem Spiel,“ brüllte ich zurück. Mir macht keiner Vorschriften, was bildete sich der Kerl eigentlich ein! “Das hat nichts mit irgendwas zu tun!“ “Doch, es hat damit zu tun, dass du immer wieder in dieselben Muster zurückfällst. Du vergräbst dich und wirst aggressiv, anstatt mit deinen Freunden über deine Probleme zu reden. Und dann, wenn du es endlich geschafft hast, alle die dir helfen wollen, erfolgreich von dir wegzustoßen, redest du dir ein, dass dich ohnehin keiner braucht und nimmst das als Vorwand, um dich noch tiefer in deine Höhle aus Selbsthass und Selbstmitleid einzugraben. Es ist ein Teufelskreis, Yamato-san, und du unternimmst seit Jahren nichts, um ihn zu durchbrechen.“ “Halt endlich die Klappe, du verdammter Klugscheißer! Du hast doch keine Ahnung, wie ich mich fühle!“ Autsch, das war ein echter Tiefschlag, selbst für meine Verhältnisse. Füße hoch, Yamato, damit du nicht aufs Niveau trittst. Ich schluckte heftig, aber irgendwie war meine Kehle zu zugeschnürt für eine Entschuldigung, geschweige denn, dass mein Kopf klar genug gewesen wäre, um die richtigen Worte zu finden. Ich komm’ ja nicht mal mit mir selber klar, wie kann Koushirou da erwarten, dass ich das Trümmerfeld hinter mir aufräume! Selbst wenn ich’s versuchen würde, so viele Trümmer wie ich tagtäglich fabriziere, kann ich gar nicht aufräumen. Ich wüsste ja nicht mal, wo ich überhaupt anfangen soll. Bei Sora? Die hat selbst gesagt, dass sie mich momentan nicht sehen will. Bei Taichi? Das würde nur mit einer Prügelei enden und da Taichi vom letzten Digi-Kampf sowieso noch in der Klinik liegt, schenk’ ich mir das lieber. Der soll erst mal wieder gesund werden und da braucht er den mit mir verbundenen Stress nicht. “Du tust mir leid, Yamato-san.“ Weder verlor Koushirou die Beherrschung, wie Taichi das in dieser Situation wahrscheinlich getan hätte, noch brach er in Tränen aus, so wie Sora vermutlich reagiert hätte, wenn man ihr mal eben im Vorbeigehen einen symbolischen Tritt in den Magen verpasst hätte. Koushirou drehte sich nur ganz ruhig von mir weg und begann seine Schuhe wieder anzuziehen. “Hier.“ Er hielt kurz inne, um mir einen Umschlag in die Hand zu drücken. “Ich habe Taichi versprochen, dass du ihn bekommst, und zwar bevor du auf Nimmerwiedersehen in deine Höhle der Dunkelheit verschwindest.“ Er ließ mir nicht wirklich die Gelegenheit für eine dramatische Erwiderung, ja nicht einmal für ein beleidigtes “Taichi kann sich seine Briefe sonstwohin stecken!“ Und da er sich bereits wieder von mir weggedreht hatte, war mir trotz meines verzweifelten Zustands klar, dass ein theatralisches Zerknüllen und in die Ecke werfen dieses Briefs einfach nur der Gipfel aller Peinlichkeit gewesen wäre. Und peinlich hatte ich mich gerade schon genug aufgeführt. So stand ich letztendlich einfach nur da wie ein begossener Pudel, während Koushirou‘s Schritte sich entfernten und das Surren von Tentomon’s Flügeln immer leiser und leiser wurde wie ein Bienenschwarm, der langsam in der Ferne verschwindet... Kapitel 1: Ashiato (Fußspuren) ------------------------------ Meena’s Wegbeschreibung auf meinem Handy war ungefähr ebenso hilfreich wie meine hoffungslosen Versuche einen ganzen, nicht-gestammelten englischen Satz über die Lippen zu bekommen, und als ich endlich auf die glorreiche Idee kam, mich in ein Internet-Café zu hocken und eine Runde “Google ist mein Freund“ zu spielen, fiel bei denen der Strom aus. Handy-Netz war sowieso Essig, aussprechen konnte ich “Charanpur“ noch weniger als einen gestammelten englischen Satz, und wahrscheinlich wäre ich sowieso elendig von Mücken gefressen worden, hätte der clevere kleine Bruder der Freundin des Internetcafé-Besitzers nicht so einfallsreich kombiniert, dass dieser komische Ausländer mit dem sprechenden Datensatz an seiner Seite vermutlich auf dem Weg zu der einzigen hier ansässigen Person war, die ebenfalls einen solchen mit sich rumschleppte. Kurz und gut, als eine Viertelstunde später ein Gemüsehändler mir mit seltsam klingenden Brocken aus Hindi und Englisch begreiflich machte, ich solle mitsamt Datensatz auf die Ladefläche seines Trucks hüpfen und es mir zwischen nicht verkauften Kohl- und Rübenkisten bequem machen, fackelte ich nicht lange und spätestens als wir, umringt von einer Schar aufgeregt plappernder Kinder in ein kleines Dorf einfuhren, war mir klar, dass das schon alles seine Richtigkeit hatte. “Yamato,“ quäkte Gabumon mit hängenden Ohren, “sie sollen mich nicht alle auf einmal streicheln, das mag ich nicht.“ Klar. Ich schreib’ mal eben “Bitte nicht alle auf einmal streicheln“ in Hindi auf ein Schild und häng’ es meinem Didschi um den Hals. Letztendlich konnte ich die Kleinen ein wenig ablenken, indem ich meine Klampfe auspackte, (die ich eigentlich nicht hatte mitnehmen wollen) und ihnen was vorträllerte. Irgendwann kam dann ein Junge angerannt, der mich an der Hand packte und von der Ladefläche zog. Offensichtlich schienen die hier alle zu wissen, wo ich hinwollte. Meena sah genauso aus wie auf dem Photo, das Hikari mir zu Sylvester gezeigt hatte, allerdings trug sie jetzt keinen Sari, sondern Jeans und eine lange bunte Bluse. Sie schoss sofort lächelnd auf mich zu, umarmte mich als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen, und stellte mich anschließend einem ganzen Haufen Leuten vor, die wohl ihre Eltern, Geschwister, Freunde, Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen soundsovielten Grades sein mussten. Normalerweise lass’ ich mich nicht gern anfassen und bei vielen Menschen auf einem Haufen nehm’ ich sowieso Reißaus. Aber die Herzlichkeit dieser Familie hatte etwas derart Entwaffnendes an sich, dass ich überhaupt nicht dazu kam, meine üblichen Schutzschilde hochzufahren. In dieser Nacht schlief ich zum erstenmal seit langem ohne Grübeleien und Alpträume und weder das ungewohnte Essen, noch die Tatsache, dass draußen irgendwelches Viechzeug im Gebüsch herumraschelte, konnte mir irgendetwas daran vermiesen. Am nächsten Tag nahm Meena mich mit hoch zu der Quelle, die – soweit ich das verstanden hatte – dem Dorf ihren Namen gegeben hatte. “Charanpur heißt Dorf der Fußspuren,“ erklärte sie mir, als wir gefolgt von unserem Didschi-Anhang den Berg hochkraxelten, ich keuchend und schwitzend, sie nicht im Mindesten außer Atem. “Rama und Sita sind vor langer Zeit in dieses Dorf gekommen und haben ihre Fußspuren im Lehm hinterlassen.“ “Okay.“ Mittlerweile hatte ich mich genug an die Sprechweise der Leute hier gewöhnt, um auch wieder auf meine Englischkenntnisse, die ja durchaus vorhanden sind, zurückgreifen zu können. Nicht, dass ich zu diesem Thema besonders viel hätte beitragen können. Schließlich weiß ich von Rama und Sita gerade mal, dass sie so ’ne Art Mischung aus Halbgöttern, Engeln und indischen Nationalhelden sind, und irgendwas war da noch mit ’nem Dämon, der sieben Köpfe hatte. Oder war’n es neun? Ja, ich glaub’ es waren neun. So unwichtige Details merkt sich der Yamato nämlich. Jetzt verstand ich auch, warum es unten im Dorf diese Steine und Anhänger mit Fußspuren drauf zu kaufen gab. Ich hatte mich schon gestern Abend darüber gewundert, warum sich jemand Fußspuren um den Hals hängen oder in die Wohnung stellen sollte. Gut, ich darf nix sagen, wir hatten mal die halbe Wohnung voller Fußspuren. Das war als Vater daheim sein Arbeitszimmer aufgelöst hatte, damit Takeru und ich jeder sein eigenes Zimmer bekommen konnten. Mama strich Takeru’s neues Zimmer in einer babyblauen Farbe an, und als sie nicht aufpasste, tunkten Takeru und ich unsere Füße in den Eimer und tapsten dann auf dem Boden herum. Wir hinterließen zwei Reihen babyblauer Fußspuren quer durch die Wohnung, eine mit großen und eine mit kleinen Füßen. Ich kann sie jetzt noch vor mir sehen, auch wenn ich fast alles andere aus dieser Zeit vergessen habe. Eine Erinnerung ist auch so was wie eine Fußspur, eine Spur, die etwas oder jemand in deinen Gedanken hinterlassen hat. Etwas, das geblieben ist, auch wenn die Uhr sich weiterdreht und die Welt sich verändert. Oben an der Quelle machten wir Rast. Wir hockten uns auf die Steine, aßen die leckeren Samosas, die Meena’s Mutter uns mitgegeben hatte und sahen unseren Didschis beim Spielen zu. Gabumon und PetitMeramon schienen sich prächtig zu verstehen. Soweit mein Englisch es zuließ und soweit sie es nicht ohnehin schon wusste, erzählte ich Meena von unseren Abenteuern. Die persönlichen Details ließ ich allerdings lieber weg, denn ich war gerade mal froh, dass ich nicht ständig daran erinnert wurde. Aber das Bild mit den babyblauen Fußspuren wollte mir nicht mehr aus dem Kopf. Ob Vater schon nach mir suchte? Oder Mama? Glaubten sie meine Erklärung, dass ich was Wichtiges zu erledigen hatte oder machten sie sich Sorgen. Oder beides? Vielleicht war es ihnen auch einfach egal. Ich wollte sie nicht in mir haben, diese Fußspuren, diese Erinnerungen, die so weh taten. Nicht die von Mama, nicht die von meinem Vater, nicht die von Takeru. Nicht die von einer Familie, die es nicht mehr gab, die wir nicht mehr waren. Nicht die von Freunden, die jetzt vielleicht nicht mehr meine Freunde sein wollten und nicht die von Taichi. Ganz besonders nicht die von Taichi. Warum musste ich ausgerechnet jetzt an den Moment denken, als wir uns das erstemal geküsst haben? Ich meine, eigentlich war es eher das zweite Mal, denn unser erster Kussversuch war schon in der DigiWelt, aber der ging ziemlich daneben, weil wir ständig mit den Nasen zusammenstießen. Damals waren wir übereingekommen, dass Küssen eigentlich doof ist und nur was für Mädchen, und dass wir da eigentlich keinen Bock drauf haben. Deshalb haben wir es auch eine ganze Weile nicht mehr versucht. Warum es dann genau an diesem Nachmittag passiert ist, kann, glaub’ ich, keiner von uns beiden sagen. Ich erinnere mich nur daran, dass wir bei mir im Wohnzimmer waren und mit der Playstation 2 spielten, die damals im März grade rausgekommen war. Ich bin eigentlich nicht so verrückt nach Spielkonsolen, aber Taichi sprach seit Monaten von nichts anderem mehr, also ließ ich mich von seiner Begeisterung anstecken und überredete meinen Vater, dass er mir eine kaufte. Taichi war dann auch fast jeden Nachmittag bei mir und wir zockten. Ich sehe noch heute vor mir, wie Taichi bäuchlings auf dem Teppich lag, mit den Beinen in der Luft strampelte, vor lauter Nervosität auf einem knallgelben Quietscheentchen rumkaute und dabei wie wild auf dem Controller herumhämmerte, während sein Charakter auf dem Bildschirm über irgendwelche Kisten hüpfte und dabei sein Schlüsselschwert schwang. Leider waren diese Kisten genau die Stelle an der Taichi jedes Mal scheiterte und so ließ er irgendwann frustriert den Controller sinken, spuckte das Entchen aus, schob mir für alles die Schuld in die Schuhe und fing an, sich mit mir herumzubalgen. Seine Haare kitzelten mich und rochen nach Apfelshampoo. Er guckte mich aus seinen braunen Glubschaugen an und ich weiß nicht, wer wen zuerst packte und warum ich plötzlich seine Lippen auf meinen spürte und warum es sich auf einmal so gut anfühlte, wo es doch eigentlich doof und nur was für Mädchen war. Irgendwann kriegten wir dann beide keine Luft mehr, ließen uns etwas verlegen los und Taichi griff wieder nach dem Controller und zockte weiter, als wäre nichts gewesen. “Wollen wir dann langsam zurückgehen, Yamato?“ fragte Meena und lächelte verschmitzt. “Wir treffen uns gleich noch unten am See mit ein paar Freunden, die dich unbedingt kennen lernen wollen und wir wollen ja schließlich nicht zu spät kommen.“ Klasse. Noch mehr Leute. Aber seltsamerweise erschien mir der Gedanke gar nicht so unangenehm. Tsuzuku... Kapitel 2: Yume no Toki (Traumzeit) ----------------------------------- “Weißt du, es ist echt nicht so, dass du dich dumm anstellst, aber du machst es dir unnötig kompliziert. Es genügt vollkommen, wenn du das Segel locker hältst, dann spürst du auch leichter, aus welcher Richtung der Wind kommt und kannst dich dementsprechend anpassen. Aber du klammerst dich ja an dem Ding fest als ob du gleich ertrinken würdest. Kein Wunder, dass du solchen Muskelkater hast.“ Muskelkater nennt der das. Für mich fühlt es sich an, als hätte ich mich einmal quer durch einen Fleischwolf gedreht. Und ich dachte, Fußball wäre anstrengend. Wie man sich doch täuschen kann. Ganimon kam über den Strand gekrabbelt und schleppte einen riesigen Ast für unser Feuer herbei. Zentimeterweise zerrte das Krebsdigimon ihn mit seinen Scheren über den Sand, aber Gabumon sah ihm nur mit mildem Interesse dabei zu und machte keinerlei Anstalten aufzustehen, um ihm zu helfen. Es schien genauso müde zu sein wie ich, dabei hatte es nicht den halben Tag auf einem Surfbrett verbracht, sondern lediglich mit ängstlichen Augen unsere Aktivitäten am und auf dem Meer verfolgt. Seine Abneigung gegen Wasser, die zwischendrin fast überwunden schien, war wieder mit voller Wucht zurückgekehrt. Trotz meiner schmerzenden Muskeln war es sehr angenehm, hier am Strand zu sitzen und in die Flammen zu starren. Selbst im Zeitalter von Vergnügungsparks und Online-Spielen kann nichts ein richtiges echtes Feuer ersetzen, eins das brennt und knistert und flackert und lange Schatten auf den Boden wirft. Vor einigen Stunden waren wir noch eine größere Gruppe gewesen, hatten gequatscht und mit der Klampfe, (die ich eigentlich nicht hatte mitnehmen wollen, aber das sagte ich schon,) Musik gemacht, aber irgendwann hatten sich auch die letzten von Dingo’s Surf-Kumpels verabschiedet und waren nach Hause gefahren. Wir hatten um diese Uhrzeit keinerlei Möglichkeiten mehr, nach Sydney zurückzukehren, das, wie ich Banause heute herausgefunden hatte, nicht die Hauptstadt von Australien war. Also würden wir den Rest der Nacht einfach hier bleiben. Der Gedanke, dass ich mich irgendwann neben Gabumon im Sand zusammenrollen und einschlafen würde, erschreckte mich nicht besonders, schließlich hatte ich in der DigiWelt auch nichts anderes getan. Seltsam, auch wenn ich oft diese böse giftige Stimme im Hinterkopf höre, die mir sagt, dass ich ein Versager bin und ganz bestimmt nicht tough genug für den ganzen Mist, den das Leben mir auf den Teller packt, so gibt es doch auch Situationen in denen “normale“ Menschen verzweifeln würden und ich höchstens mit den Achseln zucke. Das sind dann genau die Situationen in denen ich merke, wie sehr mich die Monate in der DigiWelt verändert haben und dann schöpfe ich auch wieder Hoffnung für die Zukunft. “Ich weiß nicht, ob das Surfen was für mich ist.“ Dingo schien es nicht weiter zu stören, dass ich erst nach etwa zehn Minuten auf seine letzte Bemerkung antwortete. “Sich nach dem Wind richten – das liegt mir nicht so.“ “Wie ich schon sagte, nimm’s locker, es ist schließlich ein Sport und keine politische Entscheidung. Apropos Entscheidung, wo willst du denn als Nächstes hin? Falls es zu den amerikanischen DigiRittern geht, bestell’ ihnen Grüße.“ “Ich weiß noch nicht.“ Unter normalen Umständen hätt’ ich schon Lust gehabt, Mimi wiederzusehen, aber sie war unter Garantie auch sauer auf mich. Und auf den Karpfen konnte ich gut und gern verzichten. “Musst dich ja nicht jetzt entscheiden.“ Dingo gähnte. “Ein Walkabout ist schließlich keine Kreuzfahrt.“ “Ein was?“ Ich hatte nicht die geringste Ahnung wovon der Kerl redete, aber es klang wie eine australische Biermarke. “Ein Walkabout. So nennen es die Aborigines, wenn man sich für ein paar Monate in die Wildnis zurückzieht, um dort auf den Songlines zu wandeln. Ursprünglich war das ein Ritus, der zum Erwachsenwerden dazugehört, aber heute nimmt man den Begriff auch im übertragenen Sinne, wenn jemand auf eine Reise geht, um etwas über sich selbst herauszufinden.“ “Ach, du meinst also, ich bin auf so einer Art Selbstfindungstrip?“ Mit diesem esoterischen Gelaber über Walkabouts und Songlines konnte ich noch weniger anfangen, als mit der Geschichte von Rama und Sita. “Du, kein Grund gleich auf die Barrikaden zu gehen,“ winkte Dingo ab. “Wenn du schon durch die Weltgeschichte rennst, solltest du dich vielleicht nicht unbedingt über die Kultur anderer Völker lustig machen. Pass auf, ich erklär’s dir in der Kurzfassung. Die Songlines heißen deshalb Songlines, weil sie die Verbindung zwischen unserer Zeit und der Traumzeit darstellen. Und das geht nur durch Lieder, weil nach dem Glauben der meisten australischen Ureinwohner die Welt aus Musik erschaffen wurde.“ Die Welt wurde aus Musik erschaffen? Dieser Gedanke hat was. Und ich sollte mich also auf so einem Walkabout befinden und den Weg in die Traumzeit suchen? Und was war bitteschön Traumzeit? “Nun, manche würden das so erklären, dass die Traumzeit eine ferne mythische Vergangenheit ist, in der die Welt erschaffen wurde oder eine spirituelle Welt in der die Geister leben, aber das ist so nicht ganz richtig. Die Traumzeit ist eine andere Zeitlinie, die zwar zeitgleich zur normalen Linie abläuft, aber ganz andere Zusammenhänge kennt. Millionen von Jahren können in ihr wie Sekunden vergehen oder Sekunden können wie Jahrmillionen sein.“ Hm.. irgendwie klang das stark nach der DigiWelt. Aber das sagte ich nicht laut, weil es dann wieder so rübergekommen wäre, als wolle ich mich darüber lustig machen. Stattdessen überlegte ich, wie die Sache mit diesen verschiedenen Zeitlinien zu verstehen war. Ich weiß nicht, wie es Taichi gelungen war, nach diesem Kuss einfach diesen blöden Controller zu nehmen und weiterzuspielen, aber ich weiß, dass so etwas noch viele Male passierte. Im normalen, im realen Leben hatten wir unsre Eltern, die Schule, unsere Hobbies und Freunde. Aber da gab es noch ein zweites Leben, ein Leben, in dem es nur uns beide gab. Wenn ich Taichi nahe war, wenn ich neben ihm lag und sein Gesicht streichelte, wenn ich seine Lippen auf meinen spürte, dann war er ebenso wirklich wie die normale Welt und doch konnte ich diese Verbindung zu ihm nicht in die normale Welt einordnen. Es gab keine Worte dafür, keine Kategorie in die sie hineinpasste, keine Definition, um sie festzuhalten. Wahrscheinlich fürchteten wir beide, dass wir diese Verbindung zerstören würden, sobald wir versuchten, sie mit Gewalt in die normale Welt hinüberzuzerren. Es hatte ohnehin alles in der DigiWelt angefangen und jetzt konnte es in unserer Welt bleiben. In unserer Traumzeit, wo jeder Kuss eine Million Jahre dauerte und die Zeit doch so schnell verflog wie ein Wimpernschlag. Wo Taichi’s Wärme mir Geborgenheit schenkte, und wo wir ganz wir selbst sein konnten. Wo wir die ganzen Dinge, die ach-so-wichtig waren einfach mal beiseite schieben und nur füreinander da sein konnten. Ohne Fragen und Erklärungen. Aber irgendwann kamen die Fragen und seltsamerweise war Taichi derjenige, der sie laut aussprach. “Was ist das mit uns?“ wollte er wissen. “Sind wir nur Freunde? Oder sind wir so was wie ein Liebespaar? Gehen wir miteinander? Wie geht das überhaupt, wo wir doch beide Jungs sind? Bin ich jetzt schwul?“ Und dann die Frage, die am Schwierigsten schien: “Wie erklären wir das unseren Eltern?“ Das Feuer war jetzt beinahe heruntergebrannt. In dieser Nacht träumte ich von Wölfen. Von einem hellen Wolf und einem dunkelbraunen, die gemeinsam auf die Jagd gingen und sich schließlich friedlich nebeneinander zum Schlafen niederlegten. Tsuzuku.... Kapitel 3: Kake (Splitter) -------------------------- Irgendwie will es mir echt nicht in den Kopf, warum die ganze Welt dermaßen verrückt nach dieser dämlichen Mona Lisa ist. Vor dem Bild drängten sich Amis, Europäer, Japaner, Chinesen, und Afrikaner und als wir nach einer halben Stunde Anstehzeit immer noch nicht in die Nähe des begehrten Objekts gerückt waren, zog ich Catherine kurzerhand aus der Schlange und wir guckten uns stattdessen einige der anderen dreihunderttausend Bilder an, die da sonst noch so rumhingen. “Jetzt hast du was, womit du angeben kannst,“ neckte sie mich später, als wir gemütlich unser Eis schleckend am Seine-Ufer entlang schlenderten. “Du warst im Louvre und hast die Mona Lisa nicht gesehen.“ “Die kann ich mir auch im Netz angucken.“ Ich brach ein Stück Hörnchen ab und warf es einer Taube hin. “Ich wette, sie war gar nicht Leonardo’s Meisterwerk, sondern nur irgendein Bild, das er einfach so zum Spaß gemalt hat.“ “Ist doch immer so mit der Kunst.“ Catherine grinste und reichte ihr Eis an Floramon weiter, das sich fröhlich darüber hermachte. “Das Kunstwerk, wo wirklich dein Herzblut drinsteckt, interessiert keinen, aber irgendwas, was du mal irgendwie gemacht hast, das finden alle toll.“ Auch von Versailles war ich zugegebenermaßen nicht besonders begeistert. Diesen ganzen Prunk und Protz fand’ ich einfach nur lächerlich. Was ich aber liebte, war Paris selbst, diese facettenreiche Stadt mit ihren Straßen und Gassen, ihren alten Kirchen und hypermodernen Gebäuden, mit ihrer ganzen Vielfalt aus verschiedenen Epochen. Einmal bin ich schon hier gewesen, als wir Mama’s Gastfamilie besuchten, aber das scheint mir so lange her wie aus einem anderen Leben. Später nach der Scheidung kam Mama nur noch mit Takeru hierher. Nicht, dass ich nicht mitgedurft hätte, aber ich wollte nicht ohne Vater an einen Ort zurückkehren, wo wir mit der ganzen Familie waren. Es fühlte sich falsch an. Ich versuchte mir vorzustellen wie Mama vor zwanzig Jahren dieselben Straßen entlang ging. Laufe ich gerade auf den Fußspuren, die sie hinterlassen hat? In der Traumzeit könnten sich unsere Wege kreuzen und ich könnte eine junge japanische Austauschstudentin sehen, vielleicht mit einer Mappe unterm Arm oder einem Rucksack voller Bücher. Auf dem Bild, das bei Michel und Louise an der Photowand hängt, hat sie einen frechen Kurzhaarschnitt und ein verschmitztes Lächeln und vor ihr steht ein riesengroßes Stück Gâteau au Chocolat. Ich frage mich immer noch, ob sie es damals geschafft hat, diesen Riesen-Kuchen zu essen... Auf dem Eiffelturm waren wir auch, aber nur kurz, denn Catherine bekam einen Anruf von einer Freundin mit Liebeskummer und musste Seelentrösterin spielen. Da ihre Eltern unterwegs waren und sie selbst vielleicht bei besagter Freundin übernachten würde, wollte sie mir ihren Hausschlüssel geben, aber ich lehnte ab und sagte, ich wolle noch jemanden besuchen. Aber eigentlich hatte ich nicht wirklich vor, zu Michel und Louise zu gehen. Was sollte ich ihnen auch erzählen? Mein Brüderchen nannte sie mittlerweile Oma und Opa, aber für mich waren es Fremde. Irgendwann, als im Osten schon der Morgen dämmerte, standen Gabumon und ich vor der Kathedrale von Nôtre-Dame. In den letzten vier Tagen waren wir wohl ein knappes Dutzend Mal daran vorbeigerannt, immer mit der geistigen Notiz im Hinterkopf, dass wir da mal reingehen würden, aber nicht jetzt, denn sie lag ja morgen auch noch auf dem Weg. Im Dämmerlicht sah das Gebäude düster und unheimlich aus, aber auch abenteuerlich. Wäre Taichi jetzt hier gewesen, so hätte er mich an der Hand gepackt und hineingezogen. “Komm, lass uns das entdecken!“ Er war immer so lebenslustig, sprühte so vor Energie und Charisma. Ich hab’ ihn heimlich dafür bewundert und auch beneidet. Genau diese Lebensfreude hatte mich aus meinen Depressionen geholt, Koushirou aus seinem Schneckenhaus und Sora aus ihrer Einsamkeit, hatte Mimi ihre Selbstsüchtigkeit vor Augen geführt, mit Jou’s Schwarzseherei aufgeräumt, Hikari den Rücken gestärkt und Takeru endlich das Gefühl gegeben, ein wertvoller Teil einer Gruppe zu sein. Ganz ehrlich, war es ein Wunder, dass ich diesen glubschäugigen Idioten mit seiner Stracheldrahtfrisur und seiner albernen Taucherbrille liebte? Dass ich ihn liebte und dass ich ihn nie wieder gehen lassen wollte? Aber an dem Tag, als ich verstand, dass ich im Begriff war, genau diese Lebensfreunde zu zerstören, wurde mir klar, dass ich vor einer Wahl stand. Der Wahl, entweder zu bleiben und guten Gewissens dabei zuzusehen, wie der Freund, den ich liebte, vor die Hunde ging, oder zu gehen und ihm dieses Schicksal zu ersparen. Zum einen wuchs langsam aber sicher der Druck von außen. Mit dem ersten Typen aus dem Fußballteam, der Taichi als Schwuchtel bezeichnete, prügelte er sich einfach und da er die Rauferei gewann, war nach Fußball-Logik (die ich nie verstehen werde, aber egal) wieder alles im Lot. Aber was würde passieren, wenn sein Team herausbekam, dass er wirklich einen Freund hatte? Würden sie ihm noch erlauben, für Odaiba zu spielen. Und würde er es ertragen, falls nicht? Und was war mit der Schule? Würde sich die Sache mit uns irgendwann herumsprechen? Romantische Beziehungen unter Schülern waren nicht grundsätzlich verboten, es wurde lediglich erwartet, dass wir dezent damit umgingen. Solange man also nicht Hand in Hand durch die Schule lief oder beim heimlichen Rumknutschen im Gang erwischt wurde, gab’s auch keinen Ärger. Im Gegenteil, manche Lehrer freuten sich sogar, wenn sich wieder ein Pärchen gefunden hatte und drückten unter Umständen schon mal ein Auge zu. Aber zwei Jungs konnten wohl kaum mit soviel Rücksichtnahme rechnen. Im Gegenteil, sie würden uns mit Argusaugen überwachen und in jedem Schulterschlag oder Händedruck eine sexuelle Belästigung sehen. Und gerade jemand wie Taichi der offen und ehrlich mit seinen Gefühlen umging, würde fürchterlich darunter leiden. Mein Blick wanderte zu einem Liebespaar, welches Arm in Arm über den Platz ging und schließlich in einer der Seitenstrassen verschwand. Es erschien mir immer noch etwas befremdlich, dass sich in Europa die Paare auf offener Straße küssten. Ein Kuss ist doch etwas Privates, das niemanden was angeht. Das wär’ ja beinahe so, als würde ich Taichi auf offnerer Straße einen runterholen. Hah, ich wette, wenn ich’s täte, dann würden all diese ach so toleranten Europäer allesamt kreischend in Ohnmacht fallen. Bei dieser Vorstellung musste ich schmunzeln, aber das Lächeln blieb mir im Hals stecken. Letztendlich lag es nicht an den Umständen, dass unsere Beziehung zum Scheitern verurteilt war. Letztendlich lag es nur an einem und zwar an mir. Ich mag nach außen hin wie ein netter Kerl wirken, etwas schwarzseherisch und zynisch vielleicht, aber ansonsten ganz in Ordnung. Aber das ist nur die Oberfläche. Darunter lauert ein Abgrund, ein Schwarzes Loch aus Angst, Verzweiflung, Schmerz und gnadenloser Wut, die immer genau die Menschen trifft, die ich am meisten liebe und die am wenigsten was dafür können. Wie oft hab’ ich Taichi diese ganze Wut entgegengeschleudert und wie oft ist er einfach stehen geblieben und hat mich aufgefangen, wo jeder andere schon umgefallen oder schreiend weggerannt wäre. Er war da, war ein Fels in der Brandung. Aber es zerrte trotzdem an seinen Nerven und irgendwann würde es ihn kaputt machen. Es hat ihn damals schon fast kaputt gemacht, als wir unseren fürchterlichen Streit in der DigiWelt hatten. Er hat es mir nie erzählt, aber ich habe es sehr viel später von Sora erfahren und es hat mich wahnsinnig erschreckt. Wie oft würde er mich noch auffangen können? Und wann würde der Moment kommen, an dem er unter dem Gewicht meiner Seele auf den Boden krachte? Und vielleicht nicht mehr aufstand... Ich konnte nicht mehr ruhig hier rumstehen, ich war innerlich zu aufgewühlt. Ich schlüpfte durch die offene Pforte in die Kathedrale und lief ziellos zwischen den wuchtigen Säulen herum. Es war noch dunkel hier drinnen, bis auf die Kerzen, die eifrige Bittsteller angezündet hatten. Ob das etwas half? Keine Kerze, kein Räucherstäbchen, kein Wunsch und kein Gebet hatten damals unsere Familie zusammenhalten können, als sie zerbrach. Und ich gleich mit. Ja, das ist genau das verdammte Problem mit mir, dass ich so unglaublich zerbrochen und zerrissen bin. Ich habe ständig das Gefühl, ich falle auseinander. Ich ziehe eine Spur aus Splittern hinter mir her und ich vergrabe mich darin, damit jeder, der mir zu nahe kommt, sich erst mal kräftig daran schneidet. Ich blieb ziemlich abrupt stehen, denn mein Weg war zu Ende. Vor mir lag nichts als die Wand. In diesem Moment flutete mir von draußen das Sonnenlicht entgegen. Myriadenfach brach es sich in dem riesigen Rosettenfenster vor mir und verwandelte sich in ein buntes Farbenspiel, welches schillernd und funkelnd vor mir herumtanzte. Dieses Fenster bestand nicht aus einer einzigen ganzen Scheibe, es war aus Hunderten winziger Scheibchen zusammengesetzt. Nein, es war nicht ganz. Es bestand wie ich aus Splittern, und es war wunderschön und einzigartig, ganz genau deshalb. Diese Splitter waren nicht dazu da, um jemandem weh tun. Sie waren da, um zu leuchten. Eine Weile stand ich noch wie vom Donner gerührt da, dann ging ich mit schnellen Schritten zum Eingang zurück. Ich musste mir echt Mühe geben, nicht zu rennen, solange ich noch in der Kirche war. Gabumon trabte neben mir her, er konnte meine Aufregung wohl spüren, wusste aber vermutlich nicht, was mit mir los war. Im ersten Moment wusste ich es ja selbst noch nicht, weil das Gefühl, das mich durchströmte, ein sehr unbekanntes war. Erst nach einer Weile konnte ich es wirklich einschätzen. Es war das Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Nicht mit Catherine, Dingo oder Meena, denen ich diese Entwicklung wohl auch mit zu verdanken hatte, aber jetzt brauchte ich jemanden, der mich gut kannte und durchaus eine Portion Yamato’sches Schwarzes Loch vertragen konnte. Jemand, der mir dabei helfen konnte, das Trümmerfeld hinter mir aufzuräumen, diese vielen bunten Splitter zu sortieren und in eine Form zu bringen. Natürlich musste ich das letztendlich selbst tun, aber ich wollte mir Hilfe dabei holen. Und nein, es war kein Zeichen von Schwäche, jemand anderen um Hilfe zu bitten. Endlich hatte ich das verstanden, auch wenn ich wieder mal schwer von Begriff gewesen war. Und warum hat ausgerechnet derjenige, dem ich immer Begriffsstutzigkeit vorwerfe, es schon früher, sehr viel früher verstanden, als ich? In der Métro zog ich Taichi’s Brief aus meinem Geldbeutel, wo ich ihn seit meiner Abreise verwahrt hatte. Yamato – Ich schwanke gerade zwischen “Ich hau dir eine rein“ und “Ich knall dich mit dem Kopf gegen die Wand“, aber beides geht nicht, denn du bist nicht da und kommst auch nicht zu mir. Und zu dir kommen geht auch nicht, weil ich hier rumhängen muss und mit Spritzen zugedröhnt werde. Ich weiß, du gehst weg und ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann. Ich konnte das auch damals nicht, als du gemeint hast, mich verprügeln zu müssen, weil irgendein dummer Kirschbaum dir Märchen erzählt hat. Nein, ich will das nicht wieder aufrollen. Wenn du mich verletzt, dann kann ich das verzeihen. Aber wenn du meine Freunde verletzt, werd’ ich fuchsteufelswild, und Sora hast du verdammt wehgetan und dafür schuldest du mir was. Und wenn du nur einen Funken Ehre im Leib hast, dann ist dir das nicht egal und du versprichst mir jetzt etwas. Ich verlang’ nicht von dir, dass du hier bleibst. Aber ich möchte von dir, dass du dich nicht in irgendwelchen Höhlen verkriechst und dich selbst bemitleidest. Wenn du gehst, dann geh dahin, wo andere Menschen sind und wo du nicht die ganze Zeit allein bist. Du kannst gerne brüllen und toben und mich als Idioten beschimpfen, wenn du dich dann besser fühlst. Aber gib’ mir einfach dieses Versprechen und steh’ zu deinem Wort. Taichi Kapitel 4: Namida (Tränen) -------------------------- Ich hatte bei der Aufpasserin am Eingang der High School meinen Charme spielen lassen und so durfte ich die Zeit bis Mimi’s Unterricht beendet war, in der Bibliothek verbringen. Dort stürzte ich mich auf alles, was ich über Rama und Sita, die Traumzeit und die Kathedrale von Nôtre-Dame finden konnte. Besonders über die Aborigines hatten sie unheimlich viel an Literatur. Jedes Tier und jede Pflanze schien in der Traumzeit seine ganz eigene Bedeutung zu haben. Ich hatte nicht die Zeit alles zu lesen, aber dank Mimi’s Ausweis konnte ich einige Bücher ausleihen und mitnehmen. Palmon beäugte die Bücher kritisch, als wir bei Mimi zu Hause ankamen und ich sie auf der Couch ablud. Gabumon blickte sich neugierig im Zimmer um und entdeckte schließlich meine Mundharmonika auf dem Hängeregal über Mimi’s Bett. Ich hatte sie Mimi damals als Andenken geschenkt, als sie nach Amerika ging. “Spielst du mir was vor?“ fragte mein Didschi. “So wie damals?“ “Später vielleicht.“ Mein ruppiger Tonfall tat mir schon wieder leid, aber im Moment reagierte ich auf das Wörtchen damals wohl ein bisschen allergisch. “Also hab‘ ich das jetzt richtig verstanden,“ begann Mimi, “du hast Taichi versprochen, dass du dich nicht verkriechst, sondern mit Menschen zu tun hast und deshalb bist du nicht einfach irgendwohin gerannt, sondern hast stattdessen DigiRitter in anderen Ländern besucht.“ “Na ja, so kann man das ausdrücken. Taichi dachte wahrscheinlich, dass es mir dabei hilft, ein paar Dinge über mein Leben zu verstehen.“ “Aha.“ Mimi sog hörbar die Luft ein. “Zum Beispiel, warum du alle paar Monate mit Taichi Schluss machst, ihn abwechselnd zurück willst und auf Sparflamme setzt, ihn plötzlich ganz abschiebst, aus heiterem Himmel mit Sora ausgehst, ihr nach drei Wochen den Laufpass gibst und dann auf Nimmerwiedersehen verschwindest, um durch die Weltgeschichte zu gondeln.“ Hm. Wie kompliziert kann mein Leben eigentlich sein, wenn diese Frau es schafft, es so beiläufig in ein, zwei Sätzen zusammenzufassen? “Mimi, muss das jetzt sein?“ “Ja, muss es!“ Energisch knüllte sie bekritzeltes Papier auf dem Tischchen zusammen und warf es mit Schwung in den Mülleimer. “Die Vorwürfe musst du dir jetzt anhören, Yamato-kun! Du hast auch nicht mit Vorwürfen gespart, als ich mit Michael zusammengekommen bin. Und im Gegensatz zu dir war das, weil ich ihn wirklich mag und nicht, weil ich Jou eins auswischen wollte.“ “Jetzt mach’ aber mal ‘nen Punkt,“ unterbrach ich sie. “Vorwürfe, okay, aber du kannst hier nicht einfach solche unfairen Behauptungen aufstellen. “Gut, ich hab‘ mich damals dumm benommen und ich war auch nicht unbedingt nett zu deinem Karpfen. Aber erstens hab‘ ich mich dafür entschuldigt und zweitens ist es einfach nicht wahr, dass ich mit Sora aus war, weil ich Taichi eins auswischen wollte.“ Mimi warf mir ihren Todesblick zu. “Erstens könntest du mal mit diesem lächerlichen Spitznamen aufhören, schließlich kann Michael nichts dafür, dass sein Japanisch noch nicht so gut ist. Und zweitens warst du verdammt wütend auf Taichi. Ich weiß es aus erster Hand von Jou. Und nein, er hat mir das nicht erzählt, um über dich zu petzen, sondern damit ich Sora ins Gewissen rede, dass sie nicht mit dir ausgeht, damit du ihr nicht das Herz brechen kannst.“ Verdammt, was wird das hier, ein J-Drama oder gleich eine Telenovela? Ja, ich war auf Taichi sauer gewesen, aber ich wusste auch, dass ich dazu eigentlich kein Recht hatte. Schließlich hatte ich Schluss gemacht und es war auch schon einige Monate her. Aber dann war unser Konzert an Weihnachten und dann stand da plötzlich Sora vor mir mit diesen Plätzchen. Clive Barker schreibt am Anfang von Cabal, dass von allen Versprechungen, die im Namen der Liebe gegeben werden, keines so einfach gebrochen wird wie: “Ich werde dich nie verlassen!“ Aber im Namen der Freundschaft gibt es ein anderes Versprechen, das niemals, wirklich niemals gebrochen wird und das lautet: “Ich spanne meinem besten Freund oder meiner besten Freundin nicht den Partner aus.“ Dass Sora ein romantisches Interesse an mir hegte, kam eigentlich nicht als Überraschung. Wir hatten in den Monaten davor viel Zeit miteinander verbracht und auch einiges an Gemeinsamkeiten entdeckt, zum Beispiel, dass wir einen ähnlichen Musikgeschmack haben oder dass wir beide angefangen hatten, uns für Literatur zu begeistern. Sie war auch die erste, mit der ich die Bücher von Haruki Murakami, der im Moment mein Lieblingsautor ist, so richtig durchdiskutieren konnte. Jou und Koushirou lasen beide fast nur wissenschaftliche Bücher und Taichi‘s Verlangen nach Gedrucktem hält sich, gelinde gesagt, in Grenzen. Wie gesagt, mit dem romantischen Interesse hätte ich leben können. Aber die Tatsache, dass sie versucht hatte, mich für sich gewinnen, konnte nur eines bedeuten: Taichi hatte ihr die Erlaubnis dazu gegeben. Sora hätte mir niemals diese Plätzchen geschenkt, wenn Taichi ihr vorher nicht unmissverständlich klar gemacht hätte, dass er kein Problem damit hatte. Und dass er kein Problem damit hatte, bedeutete, er hatte mich abgeschrieben. Er war über mich hinweg, endgültig. Und genau das wollte ich auch schaffen. “Soll das heißen, du hast Sora dazu benutzt, um dir selbst vorzugaukeln, dass du über Taichi hinweg bist,“ rief Mimi empört, als ich versuchte, ihr die Sache zu erklären. “Nein, das stimmt nicht,“ versuchte ich ihr begreiflich zu machen, ohne mich dabei um Kopf und Kragen zu reden. “Ich...“ Wie verdammt noch mal sollte ich ihr das erklären, wenn ich es selbst nicht verstand? Eigentlich wäre es einfach und logisch gewesen. Alles, was ich hätte tun müssen, wäre Sora sanft aber bestimmt zu sagen, dass ich ihre Gefühle nicht erwidern konnte. Sie hätte es verstanden und niemand wäre mir böse gewesen und alles wäre gut und ich würde jetzt nicht hier sitzen und mir den Kopf über mein sinnloses Verhalten zerbrechen. Warum also mach‘ ich so einen Blödsinn und lass‘ mich auf etwas ein, bei dem ich von vornherein weiß, dass es nicht funktioniert? Warum bin ich so, dass ich mich selbst nicht verstehe? Nein, alles wäre eben nicht gut! Es ist alles Mist! “Du, das ist aber nicht aus unserer Bibliothek, oder?“ Mimi griff sich eines der Bücher heraus. “Das ist doch auf Japanisch.“ Ich zuckte zusammen. Mimi hielt meine Kopie von Norwegian Wood in der Hand. “Nein, das ist ein Buch das ich von zu Hause mitgebracht habe.“ “Haruki Murakami?“ Mimi sah auf den Einband. “Das ist dieses Buch über den Kerl, der mit seiner Mutter schlafen will und diese ganzen Katzen ermordet, oder?“ Sie rümpfte die Nase. “Nein, ich versteh‘ echt nicht, wie Sora und du sowas toll finden können!“ “Das Buch, was du meinst, ist Kafka am Ufer, das liegt bei mir zu Hause. Hier geht es um einen Typen namens Toru, der sich in ein Mädchen namens Naoko verliebt.“ “Ich hätte ja nicht gedacht, dass dieser Autor auch was Romantisches schreiben kann.“ Neugierig schlug Mimi die erste Seite auf. “Es ist ganz und gar nicht romantisch,“ fauchte ich und konnte gar nicht begreifen, warum mir plötzlich so die Galle hochkam. “Naoko liebt Toru kein Stück, sie nutzt ihn nur aus. Sie klammert sich an ihn, weil sie Kizuki liebt und in die Zeit zurück will, als Kizuki noch bei ihr war. Toru ist das Letzte was von Kizuki noch übrig ist, aber Naoko versteht das nicht, weil sie eine egoistische Mistgöre ist, die nur ihre eigenen Gefühle im Kopf hat und sich kein Stück dafür interessiert, wie es anderen geht, und was sie Toru damit antut…“ “Hey, hey, nun komm mal wieder runter!“ Mimi legte ihre Hände um mein Gesicht, so dass ich gezwungen war, sie anzublicken. Im ersten Moment hatte ich das Bedürfnis mich loszureißen, aber ich hatte nicht das Versprechen vergessen, dass ich mir selbst gegeben hatte. Ich würde das Trümmerfeld hinter mir aufräumen und ich würde mir von anderen dabei helfen lassen. “Wir schaffen das, wir kriegen das hin,“ sagte Mimi und dann sagte sie gar nichts mehr, sondern hielt mich einfach nur fest, während ich ihr die Schulter vollheulte und in meiner Kehle ein Knoten von den Ausmaßen des Fujisan platzte. Tsuzuku... Epilog: On My Way ----------------- “Das ist ja wieder mal so typisch,“ schimpfte Taichi und ließ sich zurück in die Kissen fallen. “Die ganzen Ferien darf ich hier rumhängen und wenn sie mich dann wieder rauslassen, fängt die Schule an. Das ist – wie nennen sie das in Amerika? Ihr wisst schon, das was Mimi-chan immer sagt.“ “Seelische Grausamkeit,“ erklärte Jou, welcher am Fenster lehnte, da die beiden Stühle im Krankenzimmer schon von Sora und Koushirou belegt waren. “Aber sei lieber mal froh, dass du überhaupt so schnell wieder auf den Beinen bist. Mein Bruder sagt...“ “Bla, bla, bla. Mir reicht schon dein schwarzseherisches Geschwafel, da muss ich mir nicht auch noch das von deinen Brüdern anhören. Tschuldige, das war grad nicht nett von mir. Ich bin nur so furchtbar hibbelig, weil ich endlich hier raus will. Keks?“ Mit einem Unschuldsblick, der kein Wässerchen trüben konnte, deutete Taichi auf die stets gut gefüllte Keksdose auf seinem Nachttisch. Sich selbst steckte er auch gleich einen in den Mund. “Schon in Ordnung,“ winkte Jou ab. “Warum nützt du die Zeit nicht einfach, um dich auf den Unterricht vorzubereiten? Deine Zensuren würden es dir danken.“ “Also sooo gemein war ich jetzt auch wieder nicht zu dir, dass du mich gleich quälen musst.“ Erneut folgte ein Griff zur Keksdose, bis Sora aufstand und sie mit energischem Griff vom Nachttisch nahm. “Taichi, was du dir jetzt anfutterst, darfst du dir alles mühsam wieder abtrainieren. Du sollst schließlich mit dem Ball spielen und nicht selbst als einer übers Feld rollen.“ “Ich würd’ ja trainieren, wenn ich dürfte,“ murrte Taichi. “Los, Leute, erzählt mir was. Irgendwas Spannendes. Habt ihr inzwischen wieder mal versucht, Agumon reinzuschmuggeln, oder habt ihr aufgegeben, nachdem diese Schwester auf’m Weg zum OP in Ohnmacht gefallen ist?“ “Taichi-san, das war keine Schwester, das war die Anästhesistin und sie war glücklicherweise nicht auf dem Weg zu einem Patienten...“ Ein Klopfen an der Tür ließ die Gruppe aufhorchen und einen Augenblick später steckte Hikari ihren Kopf zur Tür herein. “Onii-chan.“ “Hey, Schwesterchen.“ Taichi zog verwundert die Augenbrauen hoch. “Du hast mich doch heute morgen schon besucht. Ich meine, nicht dass du mich nicht auch zweimal am Tag besuchen dürftest, aber ich dachte, du wolltest noch zu Takeru. Ist irgendwas passiert?“ “Na ja, nicht direkt,“ druckste Hikari herum. “Es ist nur, ich war zwischendurch noch mal zu Hause und du hast Post bekommen. Und da dachte ich, ich bring’ sie dir vorbei.“ “Echt? Von wem denn?" Neugierig guckte Taichi auf den dicken braunen Briefumschlag, den seine Schwester in den Händen hielt.“ “Es steht kein Absender drauf,“ entgegnete diese und mit einem Mal schien sich die Stimmung im gesamten Raum zu verändern. Jou starrte nachdenklich aus dem Fenster, Koushirou verfolgte mit aufmerksamem Blick eine Fliege an der Wand und Sora verließ mit einem knappen “Bitte entschuldigt mich!“ das Zimmer. “Das Einzige, was ich sicher weiß ist, dass eine Kassette in dem Umschlag sein muss. Ich habe sie durch die Wattierung hindurch gespürt,“ sagte Hikari, deren Wangen sich leicht gerötet hatten. “Eine Kassette?“ fragte Taichi entgeistert. “Und wo in aller Welt soll ich einen Kassettenrecorder hernehmen? Werden die Dinger heutzutage überhaupt noch hergestellt? Oder müssen wir die zwischen Dinosaurierknochen ausgraben?“ „Taichi-san,“ Koushirou hatte sich als erster wieder gefangen. “Ich verspreche dir, ich besorge dir einen Kassettenrecorder und wenn ich dafür ganz Tokio absuchen muss.“ * * * Taichi – Ich hab‘ versucht, dir einen Brief zu schreiben, hab‘ ihn aber immer wieder zerknüllt und weggeworfen und irgendwann wurde mir das zu blöd und deshalb spreche ich auf Band, so kann ich wenigstens nicht wieder alles wegwerfen und von vorn anfangen. Tschuldige, dass ich grad nur ‘nen alten Kassettenrecorder habe, ich hoffe, du kannst das Band irgendwie abspielen. Die nächste Aufnahme mach‘ ich dann ordentlich am PC. “Wenn ich überhaupt Lust habe, mir deine nächste Aufnahme anzuhören, du Volltrottel,“ maulte Taichi leise und umklammerte sein Kissen. Erstmal, ja, ich hab‘ mein Versprechen gehalten und ich halte es immer noch. Ich verkrieche mich nicht. Ich habe mittlerweile schon so viele unterschiedliche Leute getroffen und so viel Neues kennengelernt, aber auch einiges über mich selbst rausgefunden. Wahrscheinlich stimmt das alte Sprichwort, dass man auf jeder Reise sich selbst begegnet. Ich weiß nicht, ob du Zeit und Lust hast, mir zuzuhören, aber ich riskiere es einfach mal und erzähle dir, was ich so erlebt habe. Wenn du keinen Bock mehr auf mein Gelaber hast, kannst du mich ja jederzeit abstellen. Jedenfalls, ich war in Indien und Meena hat mir eine SMS mit einer Wegbeschreibung zu ihrem Dorf geschickt, aber ich…. ‘Wäre schön, wenn ich dich so einfach abstellen könnte,‘ dachte Taichi und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Aber der Yamato in seinem Herzen war, anders als der Yamato auf dem Tonband nicht so einfach durch einen Knopfdruck loszuwerden. Wie dem auch sei, Zeit hatte er jedenfalls genug. Er kuschelte sich unter die Decke, schloss die Augen und hörte einfach nur Yamato‘s Stimme zu. Mit geschlossenen Augen ließ sich sogar vergessen, dass der Urheber dieser Stimme Hunderte von Kilometern weit weg war und er konnte sich statt dessen ausmalen, dass er hier neben ihm an seinem Bett saß und dass er nur die Hand auszustrecken bräuchte, um ihn zu berühren. …habe zuerst nicht verstanden, warum ich dir so etwas versprechen soll, aber du kennst mich einfach besser, als ich mich selber. Als ich zu dieser Reise aufgebrochen bin, bin ich nur vor meinen Problemen davon gerannt, aber du hast meiner Reise einen Sinn gegeben und dafür bin ich dir unendlich dankbar. Und um genau das auszudrücken hab‘ ich jetzt ein ganz besonderes Geschenk für dich, Taichi… Als die ersten Akkorde der Gitarre erklangen, wusste Taichi nicht, ob er sich freuen oder gleich in Tränen ausbrechen sollte. Yamato’s Lied brachte eine Flut von Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen mit sich, aber letztendlich überwog doch die Freude darüber, dass er endlich einen Zugang zu Yamato’s Herz gefunden hatte. Dies war nicht das Lied eines verzweifelten Wanderers in der Dunkelheit, dies war das Lied eines reisenden Abenteurers, der sich darauf freute, nach Hause zu kommen. Tell everybody I'm on my way New friends and new places to see With blue skies ahead, yes I'm on my way And there’s nowhere else I'd rather be Tell everybody I'm on my way And I'm loving every step I take With the sun beating down, yes I'm on my way And I can't keep this smile off my face Cause there’s nothing like, seeing each other again No matter what the distance between And the stories we tell, will make you smile Or really lifts my heart So tell 'em I'm on my way New friends and new places to see And to sleep under the stars and could ask for more With the moon keeping watch over me Not the snow nor the rain, can change my mind The sun will come out, wait and see And the feeling of the wind In your face can lift your heart So tell 'em I'm on my way… “Hey!” protestierte Taichi, als sich plötzlich mit einem Klacken das Band abschaltete. Bei der nächsten Aufnahme sollte Yamato wohl darauf achten, dass am Ende der Kassette noch genügend Platz war. “Na ja, vielleicht willst du den Rest vom Lied lieber live hören,“ schlug Yamato vor. Er nahm seine Finger vom Ausschaltknopf des Recorders um stattdessen die Gitarre auszupacken. ~Owari~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)