Adventskalender von Tamanna (Jeden Tag eine Story ^^) ================================================================================ Kapitel 9: Der Ritter im Schnee ------------------------------- Die Schlacht war nun ein Jahr her. Doch für Magnus war noch immer so lebendig wie an dem Tag als es geschah. Er und Jaques standen gemeinsam auf dem Feld und kämpften für den französischen König und mit ihrer Ehre gegen die Engländer. Es war ein harter Kampf und der Krieg dauerte mehrere Jahre. Doch diese eine Schlacht war Magnus noch so wahrhaftig vor Augen, dass es ihn jeden Tag auf's Neue schmerzte. Er sah es wieder und wieder, wie dieser verdammte Brite Jaques sein Schwert ins Herz stieß. Magnus schüttelte sich. Ein kalter Schauer jagte ihm über denRücken. Und das lag keinesfalls am Schnee der in großen Flocken auf ihn niederrieselte. Nein, es war die Erinnerung, der Schrecken daran, der ihm diesen Schauer bereitete. Er kniete sich nieder. Kaum ein Bauer räumte die Schlachtfelder, lieber ließen die Höfe verwarlosen und suchten sich einen neuen Ort zum Leben und Arbeiten. An einem Ort des Todes wollte niemand etwas anbauen. Magnus hatte gehofft hier noch Reste zu finden. Wenigstens den Helm von Jaques. Doch nichts fand er. Man hatte dieses Feld tatsächlich geräumt. Damit hatte Magnus gar nicht gerechnet. Er erhob sich und sah sich um. Aline brachte das Brot in die mit einer Kerze beleuchteten Küche. Ein Feuer am Herd wärmte den Raum, doch ihr war dennoch kalt. Ihr Vater saß am Tisch und die Mutter bereitete die warme Suppe. Aline stellte das Brot auf dem Tisch ab und ging ans Fenster. Der Schnee wirbelte draußen dicht umher. Sie hatte freien Blick auf das Feld. Dort sah sie einen dunklen Schatten. "Vater... Ich glaube, dort ist jemand auf dem Feld.", sagte sie. "Bei diesem Wetter? Unmöglich.", antwortete der alte Mann. "Ich gehe nachsehen." Aline schritt vom Fenster weg zur Tür. "Aline! Nicht, dass dir etwas passiert!", sagte ihre Mutter besorgt, doch da war die Tür bereits wieder zu. "Herrje... dieses Mädchen...", seufzte sie. "Aline kann sich wehren, das hat sie schon einmal bewiesen.", gab ihr Mann gleichgültig zu bedenken. Magnus sah das Bauernhaus. Es war ein wenig erhellt, also musste in einem der Zimmer eine Kerze brennen. Dann öffnete sich eine Tür und schloss sich gleich wieder. Hatte ihn jemand gesehen? Nun ja, selbst wenn, er wusste sich zu erklären. Die Person kam näher. Magnus hatte erst gedacht, es wäre der Bauer, aber die Formen erinnerten ihn nicht an einen stämmigen Landmann. Die Figur war eher zierlich, gegenüber einem stämmigen Mann. Je näher sie kam, desto mehr registrierte Magnus, dass es eine Frau war, die mehrere warme Wollkleider trug. Aber sie schien dennoch sehr zierlich zu sein. Je dichter sie kam, desto besser konnte sie auch erkennen. In ihrem dunklen langen Haar waren tausende Schneesterne und sie hielt sich eine Hand über die Augen, um etwas erkennen zu können. "Was macht Ihr hier?", fragte sie mit einer glockenklaren Stimme. "Ich suche etwas. Ich war vor einem Jahr hier und...", antwortete Magnus. "Aber das könnt Ihr doch noch morgen suchen. Ihr holt Euch hier draußen den Tod. Kommt rein. Es gibt warme Suppe, meine Mutter wird bestimmt einen Teller entbehren können." Er betrachtete sie einen Moment. Dieses Mädchen war wirklich nett, geradezu liebenswürdig. "Gut, so will denn auf Euch hören. Wie ist Euer Name?" "Ich bin Aline. Mein Vater ist Bauer, ihm gehört das Feld.", sagte Aline. "Aline...", wiederholte Magnus ihren Namen. "Und wie Euer Name, mein Herr?" "Ich bin Magnus. Magnus Bernot." "Ihr seid von Adel nehme ich an?", fragte Aline. "Man kann es so nennen. Ich war vor einem Jahr noch auf diesem Feld zu Pferde.", antwortete Magnus. "Für unseren König? Habt Acht, dort liegt ein Stein!", sagte Aline und zog den Mann unbedacht vom zugeschneiten Stein weg und näher an sich heran. "Oh... Habt Dank. Und ja, ich kämpfte für unseren König." "Er hat gesiegt. Und ich glaube immer noch, dass wirklich nur er gesiegt hat. Was haben die Ritter schon gewonnen? Außer Ruhm und Ehre..." Aline visierte das Bauernhaus an. "Nichts weiter... Nur Gram und Leid. Ich kann behaupten, dass ich weiß, wovon ich rede... Ich habe einen Freund verloren und ich musste es sehen.", berichtete Magnus. Aline dachte nicht weiter nach. Sie griff nach seiner kalten Hand. "Das tut mir Leid. Das war bestimmt schrecklich." Verdutzt schaute er sie an. Sie standen nun vor dem Bauernhaus und das Kerzenlicht aus der Küche legte einen warmen Schimmer auf das Gesicht Alines. Sie war schön, sehr schön. Fast schon ungewöhnlich für ein Bauernmädchen. Aline bemerkte ihre Hand an seiner und ließ sofort los. "Verzeiht....", murmelte sie. Magnus sah, wie sich ein roter Schleier auf ihre Wangen legte. Vielleicht war es aber auch nur die Kälte? Dennoch musste er lächeln. Sie war niedlich. Und so unbefangen. Sie wärmte sein Herz und es überraschte ihn. "Kommt doch rein.", sagte sie und öffnete die Tür. Dann ging sie voran. "Mutter, Vater... Ich habe ihn mitgebracht, bevor er sich den Tod dort draußen holt.", sagte sie. Ihre Eltern schauten auf und auch sie erkannten sofort, dass Magnus Bernot ein Mann von Adel sein musste. "Mein Herr.", sagte ihr Vater verneigte sich. Ihre Mutter verneigte sich wortlos. "Bitte, Ihr müsst das nicht tun.", bat Magnus. Der alte Mann wandte sich wieder der Kerze auf dem Tisch zu. "Ich habe Suppe gekocht und es gibt Brot dazu. Möchtet Ihr mit uns essen?", fragte die Mutter. "Sehr freundlich, danke.", sagte Magnus. "Setzt Euch.", sagte Aline und, wiederum völlig unbedacht, drückte ihn sanft auf den Holzstuhl neben sich. Wieder war Magnus überrascht und Aline riss ihre Hand wieder weg. Ihre Eltern hatten nichts bemerkt, doch Aline entfernte sich mit glühenden Wangen, wie Magnus feststellte. Und er bemerkte ebenfalls, dass ihre Art ihn erfreute. Er lächelte. Dann stellte die Mutter den Suppenkessel auf den Tisch. Alines Vater brach das Brot in Stücke und legte für jeden etwas neben den Kessel. Ihre Mutter tat die Suppe auf und rief dann Aline zurück. Still setzte sich Aline an den Tisch und begann zu essen. Magnus lobte die Suppe und Alines Mutter schaute zur Seite. Sie freute sich über das Lob, wollte es aber nicht so sehr zeigen – das tat sie nie. Nach dem Essen, war es wiederum Aline die den Tisch abräumte. Ihr Vater ging um nach den Tieren zu sehen und ihre Mutter, um zu Wasser zu holen. "Aline?" "Ja?" "Habt ihr hier ein gutes Leben? Wirft der Hof für euch hier genug ab?", fragte Magnus. Aline drehte sich um und musterte den Mann. "Es reicht gerade so, eigentlich ist es nicht erwähnenswert...Warum fragt Ihr?" "Nach der Schlacht hat der König mir eine kleine Burg überschrieben. Ihr könntet dort einen neuen Hof aufbauen.", bot Magnus an. "Das würdet ihr tun?" Alines Mutter stand in der Tür und schaute den Mann erstaunt an. "Was wir hier erwirtschaften... Mein Herr, bei Gott, das reicht nicht mehr für uns alle.", sagte sie. "Ihr könnt einen neuen Hof bekommen.", wiederholte Magnus. "Es würde mir genügen, wenn Ihr Aline mitnehmt. Mein Mann und ich kommen zurecht und ich würde ihn wohl nicht mehr hier weg bekommen.", sagte Alines Mutter. "Aber ich kann doch Eure Tochter nicht einfach allein mitnehmen. Ihr habt mich so liebevoll bewirtet. Kommt mit mir. Der Hof auf meiner Burg wird noch nicht bewirtschaftet. Bitte kommt mit." Der alte Mann trat von draußen wieder herein. "Was sagt Ihr?", fragte er. Magnus wiederholte sich erneut. Der Alte runzelte die Stirn. "Das geht nicht sofort. Außerdem müssen wir alle Tiere mitnehmen, unser Hab und Gut... Mein Herr, es ist Winter, das geht nicht.", sagte er. "Das verstehe ich wohl. Seid Ihr einverstanden, wenn ich Euren Umzug im Frühjahr in die Wege leite? Ich möchte Euch etwas Gutes tun.", sagte Magnus. Aline beobachtete ihn. Er war ein gutherziger Mann und er sorgte für weiche Knie bei ihr. Sie konnte sich das nicht erklären, aber es war ein angenehmes Gefühl. Hatte sie sich etwa verliebt? "So sei es denn, Mein Herr.", sagte Alines Vater. Ihre Mutter war erstaunt und Aline sah sofort die Freudentränen in ihren Augen. Auf einer Burg war ihnen ein besseres Leben beschieden, als hier draußen, weit entfernt von einem Burgherren. Und auch Aline freute sich. Im Frühjahr würde sie den barmherzigen und, wie sie gestehen musste, schönen Mann wiedersehen und nach dem Umzug konnte sie ihn sicher jeden Tag sehen. "Dann werde ich das tun. Gehabt Euch wohl, wir sehen uns im Frühjahr.", sagte Magnus und wollte gehen. Aline kam an seine Seite. "Ich bringe Euch noch zur Tür.", sagte sie. Er nickte und ließ sich von dem hübschen Mädchen zur Tür führen. Sie öffnete sie und einzelne dicke Flocken wirbelten in den Flur. "Euch, hübsche Bauerstochter... Euch möchte ich gerne wieder sehen. Ich sehne mich schon jetzt nach Eurem Umzug auf meine Burg.", sagte er leise und nahm ihre Hand. Die Röte schoss ihr ins Gesicht. "Mein Herr... Ich... freue mich schon darauf, Euch wiederzusehen...", sagte sie überrascht. Dann ging er. Aline blieb an der Tür stehen, bis sie ihn durch den Schnee nicht mehr sehen konnte. ~owari~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)