Adventskalender von Tamanna (Jeden Tag eine Story ^^) ================================================================================ Kapitel 16: Kobato und Weihnachten ---------------------------------- Nachdenklich schob Kobato ihren Finger in den Mund, während sie den Zettel in ihrer Hand las. Ioryogi, wie immer in ihrer Handtasche sitzend, beobachtete sie dabei. Er hat mehrmals versucht, sie anzusprechen, aber sie hatte nicht reagiert. Ihren Stirnfalten nach schien sie nachzudenken, was Ioryogi ziemlich witzig fand: sie sah aus, als ob ihr gleich der Schädel platzen würde. Nachdem er sich genug darüber amüsiert hatte, erbarmte er sich dazu, sie auf ihr Problem anzusprechen. "Kobato? Was ist los? Was hast du denn da?" Keine Antwort. Ioryogi's Schläfen zuckten. Er konnte es gar nicht ausstehen, ignoriert zu werden! Außerdem wollte er ihr doch nur Gutes tun und sie von ihrer Qual erlösen! Darauf achtend, dass die Leute im Zug nichts davon mitbekommen, rückte der blaue Hund näher an Kobato's Arm heran und biss herzhaft zu. Kobato schrie laut auf. "AUA!! IORYOGI! WAS SOLL DENN DAS?! WARUM HAST DU MICH GEBISSEN?" Ioryogi lag bewegungslos in ihrer Handtasche und sagte kein Wort. Der Grund dafür war schnell gefunden: die Leute im Zug. Als Kobato so laut aufschrie, hatte sie die Aufmerksamkeit aller Leute auf sich gezogen. Diese starrten sie an, als sei sie eine Verrückte, weil sie einen Plüschhund beschuldigte, sie gebissen zu haben. Peinlich berührt schnappte sich Kobato ihre Tasche und stieg an ihrer Haltestelle aus. Ioryogi kicherte bösartig. "Das war nicht nett von dir, Ioryogi." Kobato war immer noch puderrot und zog es nun vor, zu flüstern. "Du bist selbst Schuld", fauchte Ioryogi zurück. "Du hast mich einfach ignoriert! Sag mir wenigstens jetzt, worüber du soviel grübelst." Unauffällig hielt Kobato ihm den Flyer hin. Er stammte aus dem Kindergarten. Ioryogi nickte verstehend. "Ach richtig. Heute findet ja die Weihnachtsfeier im Kindergarten statt. Was ist damit?" Kobato seufzte. War das nicht offensichtlich? "Aber Ioryogi, ich hab doch gar keine Ahnung, was Weihnachten ist! Wie steh ich denn vor den Eltern da?" "Du weißt nicht, was Weihnachten ist?", fragte eine überraschte Stimme hinter ihr. Kobato zuckte zusammen und drehte sich um. Hinter ihr stand ihr Kollege, Kiyokazu Fujimoto. Fragend sah er sich um. "Mit wem hast du denn gesprochen?" "Äh... mit meinem Plüschhund! Ich vertraue ihm immer meine Sorgen an!" Fujimoto grinste süffisant. "Verstehe. Und? Konnte er dein Problem lösen?" "Leider nicht. Du bist ja aufgetaucht", murmelte Kobato etwas zu laut. Jetzt lachte Fujimoto. "Du hast echt einen Knall, Hanato!" Lachend lief er weiter, Kobato folgte ihm schmollend mit einigen Metern Abstand. Nach einer Weile durchbrach Fujimoto die Stille: "Jetzt sag mal! Warum weißt du nicht, was Weihnachten ist?" Kobato zuckte zusammen. Nervös suchte sie nach einer Erklärung. Ioryogi flüsterte ihr etwas zu, doch sie verstand es nicht richtig. So sagte sie rasch: "Meine Eltern sind armenische Ochsen!" Fujimoto blieb so plötzlich stehen, dass Kobato fast gegen ihn geprallt wäre. "Sie... sind was?!" Ioryogi schlug sich jaulend die Pfoten über die Augen. Diese dumme Nuss! Er wiederholte, was sie sagen sollte, diesmal ein bisschen lauter und auch zorniger. "Ich meine... Meine Eltern sind armenische... ortho... ortho..." "Orthodoxe?" halft Fujimoto und Kobato nickte. "Ah, verstehe. Das heißt, dass sie das Weihnachtsfest ablehnen und nur den 6. Januar feiern. Aber dass sie dir nichtmal die Weihnachtsgeschichte erzählen... schon krass." Kobato, die keinen Schimmer hatte, wovon er sprach, nickte einfach nur. Da kam ihr auch gleich eine Idee: "Fujimoto-san, würdest du mir die Weihnachtsgeschichte erzählen? Bitte!" Fujimoto überlegte kurz, dann stimmte er zu. Das Kobato die Geschichte nicht kannte, ging ja gar nicht! "Also, ich kenne die Geschichte auch nur sehr wage, aber das, was ich weiß, reicht völlig aus, sofern du jetzt nicht superreligiös bist..." "Bin ich nicht." "Gut. Es waren einmal ein Mann namens Joseph und seine Frau Maria. Die beiden waren verheiratet, hatten aber noch keine Kinder. Eines Tages entdeckte Maria, dass sie schwanger war. Für beide war das zunächst ein großer Schock, war Maria doch noch Jungfrau. Äh... du weißt, was eine Jungfrau ist, oder?" "Sicher. Ich bin ja nicht völlig ungebildet." "Äh... sicher. Ein Engel erschien den beiden und offenbarte ihnen, dass das Kind in Maria's Bauch Gottes Sohn ist. Er würde als Erlöser gefeiert werden. Zur gleichen Zeit machten drei heilige Männer, Kaspar, Melchior und Balthasar, dem König Herodes in Jerusalem ihre Aufwartung. Ein Stern kündigte ihnen die Geburt des neuen Königs der Juden an und sie wollten ihn beschenken. König Herodes reagierte erzürnt, sah er sich doch als König der Juden, und schickte sie fort. Der Stern tauchte erneut am Himmel auf und führte die drei Männer nach Betlehem. Dort, in einer kleinen Scheune von Hirten und Tieren umringt, wurde das Kind geboren, dass den Namen Jesus erhielt. Die Männer freuten sich und beschenkten ihn mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. Dem König verrieten sie natürlich nicht, wo sich das Neugeborene aufhielt, da dieser das Kind sonst ermordet hätte." "Wie furchtbar!" "Tja, und deshalb feiern wir an Weihnachten die Geburt Jesu." "Wow. Das ist eine tolle Geschichte! Danke, Fujimoto-san!" "Hehe." Nun konnte sich Kobato seelenruhig auf die Feier freuen. Sie war ja nun bestens informiert - glaubte sie. Denn leider entpuppte sich die Feier ganz anders, als sich Kobato sie vorgestellt hatte. Alle Kinder und ihre Eltern saßen an einem großen Tisch, plauderten über ganz alltägliche Dinge und aßen dabei Kuchen und Kekse. Niemand erwähnte auch nur die Geburt Jesu. Kobato war verwirrt, doch es sollte noch schlimmer für sie kommen. Gegen 4 Uhr nachmittags klopfte es plötzlich laut an der Tür. Ein großer Mann, ganz in rot gekleidet und mit weißem Rauschebart, trat ein und trug einen großen Sack über der Schulter. "Wer ist denn das?", wunderte sich Kobato. "Das ist der Weihnachtsmann. Er bringt den Kindern die Geschenke. Pass auf, die Kinder werden jetzt der Reihe nach aufgerufen. Sie treten vor den Weihnachtsmann und müssen entweder ein Weihnachtslied singen oder ein Gedicht vortragen. Dann bekommen sie ein Geschenk. Die Geschenke stammen natürlich alle von ihren Eltern und den Weihnachtsmann gibt es auch nicht wirklich, aber die Kinder haben viel Freude daran." Kobato sah aufmerksam in die Runde. Freude? Manche der Kinder sahen verängstigt aus. Da es aber jedes Jahr stattfand, hielt sich Kobato besser zurück und sah nur zu. Am Ende der Feier, als die Kinder und ihre Eltern schon gegangen waren, sammelten Kobato und Fujimoto noch das ganze Papier ein und räumten das Geschirr weg. "Und Hanato? Hat dir deine erste Weihnachtsfeier gefallen?" "Weiß nicht. Irgendwie fand ich das alles ziemlich merkwürdig... Diese ganzen Geschenke... und der bärtige Mann..." "Ja, für die meisten Menschen geht es bei Weihnachten nur darum. Nur wenige kennen noch den wahren Geist von Weihnachten. Aber sie haben sich alle über ihre Geschenke gefreut und das ist doch auch schon was, oder?" Kobato erinnerte sich an die vielen, fröhlichen Kindergesichter und lächelte. Ja, das war wirklich schön. Und wie sie alle gesungen haben! Kobato las die letzten Teller auf und ging in Richtung Küche. Fujimoto kam aus eben dieser. Beide blieben voreinander stehen. "Oh, sieh mal, Fujimoto-san! Da hängt etwas über der Tür!" Kobato deutete mit der freien Hand auf einen kleinen Zweig. Fujimoto errötete. "Das... das ist ein Mistelzweig. Auch eine Weihnachtstradition..." "Und was macht man da?" Der Blonde errötete noch mehr und kratzte sich verlegen am Kopf. "Wenn... ein Mann und eine Frau... unter einem solchen Zweig stehen... dann... müssen sie sich... küssen..." Jetzt errötete auch Kobato. Verlegen schaute sie auf ihre Füße. "Darf... ich dich küssen?", fragte Fujimoto vorsichtig. "Wenn es... so Tradition ist." Schüchtern packte Fujimoto Kobato an den Schultern. Sie, immer noch die Teller in der Hand haltend, stellte sich auf ihre Zehenspitzen - und dann küssten sie sich. Später, auf dem Heimweg, meldete sich Ioryogi wieder zu Wort. "Das war also dein erstes Weihnachtsfest und dein erster Kuss. Wie fühlst du dich, Kobato?" Kobato konnte nicht antworten. Sie tapste völlig weggetreten durch den Schnee und kicherte. Nach einer Weile sagte sie dann aber doch etwas: "Aber weißt du, was ich nicht kapiere, Ioroyogi? Was hat jetzt die Geburt von Jesu mit diesem bärtigen Mann im roten Kostüm zu tun?" Ioryogi blinzelte. Gute Frage. Was eigentlich? ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)