A Thief´s Life von TiniChan ================================================================================ Kapitel 2: Die Kathedrale Teil 2: Auftrag ausgeführt ---------------------------------------------------- Die Statue sollte sich im Privatraum des derzeitigen Hohepriesters befinden eine Etage höher. Er schlich sich in die Schatten des Kreuzgangs. Die ganze Kathedrale war nur schwach beleuchtet, ideale Bedingungen für Demian. Anscheinend war ein Dieb hier in diesem Gebäude das letzte, womit gerechnet wurde. Tatsächlich konnte sich Demian nicht erinnern, je von einem Einbruch in die Kathedrale gehört zu haben, die schiere Zahl an Wachen schreckte die meisten Diebe ab. Nur der Boden war nicht wirklich ideal, denn er bestand aus nur von einzelnen Teppichen unterbrochenen Marmorplatten. Demian schätzte die Entfernung von seinem Standpunkt aus bis zu einem dunklen Gang des rechten Querschiffs genau gegenüber und schoß ein paar Moospfeile ab. Da vorerst keine Wachen zu sehen waren, auch nicht in der oberen Etage, nahm er den direkten Weg zwischen den unzähligen Reihen der Kirchenbänke hindurch. Es war fast andächtig still. Im Mittelgang angekommen musste er doch kurz stehen bleiben und staunen: der Raum des Hauptschiffs war einfach gewaltig, die Decke schien weit über ihm in der Luft zu schweben. Die riesigen Säulen sahen aus, als müssten sie das Himmelsgewölbe selbst tragen. Wer die Mittel hatte, eine Kirche mit diesen Ausmaßen zu bauen, der sollte sich auch nicht über den Verlust einer Statue zu sehr aufregen, das war zumindest Demians Meinung. Dann hörte er Schrittgeräusche aus einem Seitengang. Schnell huschte er in die Schatten. Es handelte sich um eine mit Schwert bewaffnete Wache, die mit bärbeißiger Miene den Gang entlang schritt. Als sie ohne ihn zu entdecken vorbei gegangen war, schlich er weiter, kam an eine Reihe von Seitentüren und musste zum zweiten Mal unwillkürlich grinsen. Die Ordensbrüder waren dermaßen ordnungsversessen, dass sie jede Tür mit einem kleinen Schildchen versahen, auf dem stand, was sich dahinter befand. Leichter konnte man es einem Dieb nicht machen, so würde es ihm nicht schwer fallen, das richtige Zimmer zu finden. ‚Vielleicht sind die erleuchteten Brüder nicht so helle, wie sie glauben.‘, dachte er spöttisch. Der die ersten beidem Räume waren zur Vorbereitung für den Gottesdienst, dort fand er nichts wertvolles, die dritte Tür erwies sich als ein Durchgang zum Haupteingangsbereich. Leise schlich er sich eng an der Wand entlang und traf auf zwei Wachen, die sich über das Essen unterhielten. Einem der beiden Männer sah man deutlich an, dass er gern und viel aß. Sie standen mit dem Rücken zum Dieb, den Blick auf die große Haupttür gerichtet. Lautlos schlich er sich hinter den Beiden nach rechts zur Treppe und wollte die ersten Stufen hinauf, als von oben Schritte und Feuerschein kamen. Schnell huschte er in die dunkle Niesche unter der Treppe. Erfreulicher Weise fand er dort einen prall gefüllten Geldbeutel. Vielleicht eine heimlich versteckte Notreserve von irgendeinem der Wachen oder Diener, hier schaute normalerweise keiner nach. Die Wache wechselte ein paar Worte mit den anderen Beiden und ging dann wieder die Treppe hinauf, Demian folgte ihr. Es war riskant durch das Fackellicht, aber es gab keinen anderen Weg nach oben. Als sich die Wache schon wieder umdrehen wollte, gelang es ihm gerade noch rechtzeitig, in den nächstbesten Raum zu huschen. „Nanu, war da etwas? Hm, nur ein Luftzug, hier ist nichts.“ Leise atmete der Dieb aus, dann sah er sich hier drinnen um. Es war ein Schlafraum, drei Betten mit Nachtschränken standen hier. Nur ein paar Kerzen erhellten das Zimmer, die er löschte, bevor er sich rasch den Schränkchen zuwandte. Wieder wechselte ein Geldbeutel den Besitzer. Demian hatte nicht vor, sich in jeden erreichbaren Raum zu schleichen, sondern wollte den Auftrag so schnell wie möglich erledigen. Die beiden Geldbeutel reichten ihm vorerst. Jetzt wollte er zum Raum des Hohepriesters. Er bog um die Ecke und schlich sich mit Hilfe von Moospfeilen an weiteren Wachen, zum Glück ohne Fackeln, vorbei und gelangte eine Wendeltreppe hinauf. Seine Ohren verrieten ihm aber, dass er dort oben nicht alllein sein würde, denn er hörte frommes Gebrabbel. Irgendwer rezietierte Verse von Gebeten mit monotoner Stimme. Er lugte vorsichtig um die Ecke. Es gab nur eine einzige Tür und eine Wache stand davor. Ebentuell war das der Gesuchte Raum, er sah noch einmal auf die Karte. Diese zeichnete wirklich eine kleine Treppe zu einem einzigen sehr groß eingezeichnetem Raum. Es war hier viel zu eng, er konnte sich nicht vorbei schleichen. Somit musste er die Wache los werden. Demian holte einen Gaspfeil hervor und kam die Treppe bis zum letzten erreichbaren Schatten hinauf. Er konnte der Wache geradewegs in die Augen sehen, diese sah ihn jedoch nicht, sondern starrte stumpfsinnig an die Decke. Der Dieb schätzte schnell die Entfernung ab, er hatte nur einen Versuch und musste auf jeden Fall treffen. Ein gezielter Schuss neben die Füße des Mannes und dieser sackte hustend in einer grünlichen Wolke zusammen. Das Türschild verkündete „Hohepriester Salomon“, er hatte also Recht behalten. Er drückte die Klinke und ein leises Geräusch sagte ihm, was er ohnehin schon ahnte: abgeschlossen. Schnell suchte er die passenden Dietriche und machte sich an die Arbeit. Die Sicherheit des Hohepriesters musste viel wert sein, denn das Schloss war keines der üblichen, die er in ein paar Augenblicken knacken konnte. Aber Demian hatte auch dieses Talent schon gemeistert. Mit einem leisen Quietschen schwang die Tür auf. Entgegen aller Erwartungen schlief der Hohepriester nicht, er war gar nicht da. Es gab nicht viele Möglichkeiten, wo er sein konnte. Vielleicht hatte ihn ein kleines, außerkirchliches Laster in die verruchteren Hafenbezirke der Stadt gezogen. Demian lächelte bei dem Gedanken, von wegen fromm und enthaltsam. Den betäubten Mann zog er mit in den Raum in eine Ecke. Die Räumlichkeiten waren kostbar ausgeschmückt und verziert, eigentlich waren es sogar drei Zimmer: ein Hauptraum, in dem ein großer Schreibtisch stand, in einer Ecke war ein Kamin, von diesem Zimmer ging es weiter in einen Schlaf- und Privatraum, von dem aus eine weitere Tür zu einem kleinen Bad führte. Der Hohepriester schien nicht schlecht zu leben. Demian schaute sich den Schreibtisch an, auf dem einige Listen lagen, Materiallisten, Ausrüstung für die Soldatenmönche des Ordens. Egal, in einem noch eher öffentlichen Raum erwartete er sowieso nicht, die Statue zu finden. Er ließ seinen Blick nochmals durchs Zimmer schweifen. Ein großes rotes Sofa stand zusammen mit einem dazu passenden Sessel vor dem Kamin, der Stuhl vor dem Schreibtisch war mehr als nur reich verziert, die Schnitzereien waren selbst im Licht der Kerze zu sehen. Der Privatraum war etwas sporadischer eingerichtet, es gab ein dermaßen großes Bett, dass Demian sich fragte, für was der Priester das wohl brauchte. Ein Schrank, aus dem noch die Spitze eines Messgewandes heraushing, und eine Vitrine mit verschiedenen Dingen. Und auf einem Ehrenplatz oben in der Mitte entdeckte er die zu besorgende Statue. „Hab ich dich“, sagte Demian zu sich selbst, und wieder musste er grinsen, den selben Spruch würden wohl auch die Wachen benutzen, wenn sie ihn entdeckten. Er öffnete die Tür der Vitrine und wollte gerade nach der Statue greifen, als eine Glocke ertönte, mitten in der Bewegung hielt er inne. Doch nach zwei Schlägen war es wieder totenstill, es war also nur die Glocke der Uhr gewesen. Trotzdem blieb Demian stutzig, konnte er mit der Katze einen Mechanismus auslösen? Die Zwischenböden waren aus unreinem Glas, es hatte eine komisch grüne Farbe und war durchzogen von Rissen und anderen Ablagerungen. Sein Blick fiel auf eine winzige Ecke Pergament, die aus einer Schatulle heraus schaute. Er öffnete sie und besah sich das Schriftstück, das sich als Brief entpuppte. Der Geheimtresor ist wiklich gute Arbeit. Besser ist es auf jeden Fall, die heilige Reliquie hier aufzubewahren um sie bestmöglich zu schützen. Wenn nur mein Zahlengedächtnis nicht so schlecht wäre, aber so muss ich es notieren. - 853 - „Hm, interessant.“ Demian sah sich genau um, aber fand an den Wänden oder Möbeln keinen Schalter. Sein Blick fiel auf das große Gemälde, dass den Schöpfer und seine Propheten zeigte. Das war vielleicht die Lösung. Es ließ sich nicht abhängen, dafür ertasteten seine Finger am Rand einen winzigen Stift, der hörbar klickte. Allerdings musste er erst noch einen Weiteren finden, dann schwang das Bild auf und gab den Tresor frei. Nur eine Minute brauchte er um ihn zu öffnen und die darin befindliche kleine goldene Büste in seinen Beutel verschwinden zu lassen. Das war doch ein nettes Extra. Demian schloss Tresor und Bild wieder und wandte sich nun wieder seinem eigentlichen Auftrag zu. Rings um die Statue herum konnte er nichts entdecken, was darauf hindeutete, dass sie gesichert war. Er streckte seine Finger nach der Katze aus, fasste sie fest und hob sie an. Sie war schwerer, als er erwartet hatte. Er griff sie sich rasch und verstaute sie sicher im Beultel unter seinem Umhang. Zeit sich zurück zu ziehen. Er war gerade wieder an der nach unten führenden Treppe. Auf einmal war das helle Klingen einer anderen Glocke zu vernehmen und diesmal wurde mit Sicherheit keine neue Stunde ausgerufen. „Na toll, jetzt muss ich doch rennen,“ fluchte Demian leise vor sich hin. Wieso war eigentlich Alarm? Der Dieb war sich sicher, nichts falsch gemacht zu haben. Er vernahm hinter sich Schreie und versteckte sich im nächsten Schatten und rüherte sich nicht. Dann sah er den vorher betäubten Wachmen mit vor Wut rotem Kopf zusammen mit anderen bewaffneten Männern. Das war es also gewesen, das Gas hatte seine Wirkung verloren und nun hatte er den Alarm ausgelöst. Normalerweise sollte das nich so schnell der Fall sein, er hatte keine Ahnung, wie der Mann so bald hatte erwachen können. Wie kam er nun am besten ungesehen zum Geheimgang zurück? Den schwer gepanzerten Kriegern hatte er wenig entgegen zu setzen. Er musste auf Heimlichkeit setzen, doch diese war gerade flöten gegangen. Während er noch überlegte, tauchte eine Wache mit Fackel vor ihm auf und schrie: „Da ist der Eindringling!“ und zeigte mit seinem Arm in Demians Richtung. Er fuhr herum und rannte die Treppe hinunter. Überall hörte er jetzt das Scheppern von Rüstungen, das nach der Stille wie ein Gewittersturm klang. Nun war auch das letzte bisschen Tarnung dahin. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Er stürmte den Kreuzgang entlang und wollte zum Mausoleum aber die Männer schnitten ihm den direkten Weg dahin ab. Eine Blitzbombe kam zum Einsatz und ehe die Männer wieder etwas sahen, war Demian in die andere Richtung gelaufen und am Ende der Kathedrale angekommen, an der Stirnseite. Dort suchten auch schon Wachen nach ihm. Noch hatten ihn nicht alle der Männer entdeckt, und so wollte er im Schatten der Wände weiter auf die andere Seite spurten. Rechts von ihm begannen die Reihen der Kirchenbänke, links lagen große Fenster. Nun war er in der Mitte, zu seiner Rechten ging der Mittelgang vor bis zum Altar. Er hörte eine Truppe hinter sich, und kurz darauf auch eine zweite vor sich, mittlerweile befand er sich mitten zwischen der Seitenwand und einem Seitengang, von dem er keine Ahnung hatte, wohin er führte. Er konnte nicht die Wände hoch laufen, den Truppen in die Arme zu laufen wäre genau so unklug gewesen. Also blieb ihm nur eine Möglichkeit, er sprang auf die ersten Rückenlehnen der Kirchenbänke und sprang weiter auf die Lehnen der dritten Reihe. Diese Taktik war gar nicht so schlecht. Die durch ihre Rüstungen schwerfälligen Baltanier waren viel langsamer als er und konnten ihm daher auch nicht so leicht folgen. Schnell war er in den Gang verschwunden und kam am Quergang heraus, der zum Seitenschiff mit dem Mausoleum führte. Die Soldatenmönche verfolgten ihn unerbittlich. „Dieb!“ „Bleib sofort stehen!“ Aus den Augenwinkeln bemerkte Demian jetzt noch etwas anderes und konnte gerade noch zur Seite hechten, bevor der magische Blitz in treffen konnte. Jetzt mischten sich anscheinend die Priester selbst noch mit ein. Den Geheimgang konnte er nun abschreiben. Nur mit äußerste Mühe gelang es Demian mit Hilfe von weiteren Blitzbomben, die wütende Meute aus Priestern und Wachen soweit abzulenken, um durch einen Nebeneingang auf den Hof zu kommen. Aber auch dort suchten sie schon. Der junge Dieb hastete von Schatten zu Schatten über den Hof. Beinahe wäre er an dem Metalldeckel im Boden vorbei gelaufen und hob ihn an um in den Kanälen zu verschwinden. Selbst das bemerkten die Wachen noch. Er konnte sich keine Verschnaufpause leisten, es war nicht auszuschließen, dass sie ihm selbst dahin noch folgten. Oder Männer ausschickten, die an sämtlichen Kanaldeckel in der Umgebung auf ihn warten würden. Der Sims an der Seite war zu schmal, um darauf rennen zu können, also eilte er in der Abwasserrinne weiter. Er kam zu einer Kreuzung, hier flossen Kanäle aus verschiedenen Richtungen zusammen. Er blieb kurz stehen und versuchte sich eine Straßenkarte der Stadt ins Gedächtnis zu rufen, er wollte so schnell wie möglich zu seiner Wohnung. Aber vergeblich, er hatte die Orientierung schon verloren. Hier unten war es nass, kalt und außerdem roch es bestialisch. Endlich hatte er sich für eine Richtung entschieden und rannte weiter. Nach kurzer Zeit kam er an eine weitere Kreuzung, die ihm bekannt vorkam, er wollte stoppen, um sich kurz umzusehen, als er auf dem glitschigen Untergrund ausrutschte, ungeschützt und hart schlug sein Kopf auf einen der Simse auf. Ihm wurde schwarz vor Augen. Etwas tropfte auf seine Stirn. Demian erwachte wieder langsam, seine Fackel lag erloschen und durchweicht neben ihm, er fror und musste auch sogleich niesen. Vorsichtig betastete er seinen Kopf. „Au, das gibt eine Beule ...“ Er erhob sich und sah sich um. In der Kanaldecke entdeckte er eine etwa faustgroße Öffnung. Da noch kein Lichtschimmer da hindurchfiel, konnte er wohl nicht lange ohnmächtig gewesen sein. Erst nachdem er mehrere Kanäle passiert hatte, entschied er sich wieder nach oben zu klettern. Langsam hob er den Deckel an, es war nichts und niemand da. Demian kletterte hinaus und schaute zum Himmel, es würde bald dämmern, aber es war noch nicht so spät, dass er seinen Auftraggeber Blake verpasst hätte. Dennoch beeilte sich Demian, um unbemerkt durch die Stadt nach Hause zu kommen. Dort wusch er sich gründlich und zog sich um, aber obwohl er nun warme Kleidung am Leib hatte und das Feuer im Kamin prasselte, war ihm kalt. Schließlich machte er sich auf den Weg zur Brücke. Um diese Zeit traf er außer ein paar Frühaufstehern niemanden. Sein Kontaktmann stand bereits am selben Fleck wie beim letzten Mal. Demian hatte die Katze in einem Wäschesack versteckt. Nachdem er sich umgesehen und nichts Verdächtiges entdeckt hatte, näherte er sich dem Mann wie gewohnt leise von hinten. Er wollte sich gerade räuspern, als er laut niesen musste, sein Auftraggeber drehte sich um und erkannte ihn sofort wieder. „Habt Ihr die Katze?“ „Bin ich ein guter Dieb?“ sagte Demian lächelnd und hielt ihm den Sack unauffällig hin. Blake schaute kurz hinein und antwortete: „Ja, das seid Ihr. Ich bin überrascht, dass Ihr es wirklich geschafft habt, Ihr werdet Eurem Ruf mehr als gerecht. Dieses Schmuckstück ist meinem Herrn sehr viel wert.“ „Dann erfüllt auch Euren Teil der Abmachung.“ Blake grinste breit. „Ha! Denkt Ihr wirklich, mein Herr zahlt Euch das Geld? Narr! Ihr solltet lieber verschwinden, bevor ich die Stadtwache informiere.“ Demian spürte Zorn in sich aufsteigen. „So haben wir nicht gewettet. Ich bin zwar keiner, der gleich den Dolch für sich sprechen lässt“, sagte er leise und in seiner Stimme schwang eine Drohung mit. „Aber auch ich lasse mich nicht lumpen.“ „Ihr wollt mir drohen?“ Blake lachte verächtlich auf. Dann lüftete er seinen Mantel und offenbarte ein Schwert an seiner Seite, mit dem er zweifellos auch gut umgehen konnte. „Versucht doch, Euch das Geld zu holen.“ Demian sah Blake an, dass der sich regelrecht wünschte, dass er sich provozieren ließ. Aber den Gefallen würde er ihm ganz sicher nicht tun. Dolch gegen Schwert? Das konnte nicht gut gehen. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen und er stand hier gut sichtbar wie auf dem Präsentierteller, schon bald würde es hier von Leuten wimmeln. In der Nähe hörte er auch schon die erste Patrouille. Er entschied sich zum Rückzug. „Na los, kommt doch, Dieb!“ „Das hättet Ihr wohl gerne“, sagte Demian kühl. „Wir sehen uns wieder.“ Schritte lenkten Blake ab, als die von dem Dieb gehörte Patrouille um die Ecke bog. Er wollte sie schon anhalten, doch als er sich wieder umdrehte, war Demian schon verschwunden. Also machte er sich ebenfalls aus dem Staub. Nur wenige Meter entfernt stand Demian aber noch, verschmolzen mit dem Schatten eines dunklen Hauseinganges und beobachtete Blake. Als dieser sich in Bewegung setzte, sah er sich kurz um und folgte ihm. Er sagte sich dabei, dass es auf jeden Fall besser gewesen war, sich nicht auf einen Kampf einzulassen. Die immer mehr werdenden Wachen wären mit Sicherheit auf den Vorfall aufmerksam geworden und dann hätte es für ihn schlecht ausgesehen. Aber diesen Betrug würde er auf keinen Fall auf sich sitzen lassen. Die Verfolgung führte in westliche Richtung durch Straßen und Gassen und schließlich ein inneres Stadttor. Demian wusste, dass er im Adelsviertel angelangt war. Dieses war von den anderen Stadtteilen durch eine zusätzliche Mauer getrennt. Als Blake von jemandem in ein Gespräch verwickelt wurde, wollte der junge Dieb abwarten und duckte sich in sicherem Abstand hinter einigen großen Fässern. Aber jetzt merkte er, dass es ihm nicht allzu gut ging. Der Weg bis hierher war ihm doch ziemlich schwer gefallen, seine Beine fühlten sich wackelig an und das Kratzen und Brennen im Hals war zurück gekehrt, stärker noch als vorher. Blake ging weiter und er stand auf, um ihm weiter zu folgen, aber plötzlich drehte sich alles um ihn herum, dass er beinahe gestürzt wäre. Leise keuchend hielt er sich am Rand eines der Fässer fest. Sein Kopf begann zu schmerzen, erst leicht, dann wurde es binnen Minuten immer schlimmer. Blake war längst verschwunden. Aber so wie er sich fühlte, war es wohl vorerst besser, die Sache abzubrechen. Er würde schon noch herausfinden, wer ihn betrogen hatte. Immerhin hatte er Blake noch etwas von der Königsstraße sagen hören. Dieser Hinweis würde ihm noch nützen. Jetzt wollte er nur noch nach Hause und sich hinlegen. Der einsetzende erste Schneefall dieses Jahres gab ihm den Rest. Demian musste sich auf dem Rückweg sehr konzentrieren, um nicht aufzufallen und dennoch so vorsichtig wie möglich zu sein. Zwei Stadtwachen kamen vorbei und er verbarg sich in einer Nische, dem einzigen erreichbaren Schatten. Die beiden Männer blieben zu allem Überfluss auch noch stehen und unterhielten sich. Demian ballte die Faust. Mussten sie sich gerade hier aufhalten, um sich gegenseitig ihre neuen Uniformen zu präsentieren? An ihnen vorbei schleichen konnte er sich nicht, sie würden ihn sofort entdecken. Ein Hustenreiz stieg in ihm auf und er konnte ihn nur mit Mühe unterdrücken, um sich nicht zu verraten. Da kam ihm eine Idee. Er nahm einen Stein und warf ihn gezielt hinter eine Hausecke. Wie erwartet, entfernten die Wachen sich in Richtung des Geräusches und Demian huschte schnell unter der Laterne vorbei, bog um eine Ecke und stand endlich vor seinem Mietshaus, trat schnell ein und in seine Kammer. Es war kalt und er fachte das Feuer wieder an. Seine Hände zitterten dabei und er hustete. ‚Großartig‘, dachte er. ‚Eine Erkältung hat mir jetzt gerade noch gefehlt.‘ Er fühlte sich schwach, schwitzte und als er sich den Schweiß von der Stirn wischte, merkte, er dass er wohl Fieber hatte. Demian seufzte. Zwei Straßen weiter wohnte Chiron. Er hatte ihn einst durch Merlin kennen gelernt und war mit ihm in freundschaftlichem Kontakt geblieben. Dieser Mann war ausser dem Hehler und der Gilde der einzige normale Bürger, der Demians Aussehen und seinen Ruf kannte. Er konnte ihm sicher helfen. Aber heute fühlte er sich außerstande, noch einmal in die Kälte hinaus zu gehen. Demian beschloss, gleich am nächsten Morgen den Arzt aufzusuchen. Es blieb ihm erst mal nichts weiter, als auf den Abend zu warten. Also verbrachte Demian den Rest des Tages damit, seine Ausrüstung zu prüfen und zu lesen, zumindest versuchte er das, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, zu niesen und zu husten. Sein Vermieter würde auch jeden Moment auftauchen. Also holte er das Geld aus seinem kleinen Versteck und zählte die Summe ab. Er war kaum fertig, als es auch schon an seiner Tür klopfte und er die Stimme des Vermieters hörte. „Seid Ihr da?“ Bemüht, sich seine angeschlagene Gesundheit nicht anmerken zu lassen, öffnete er. „Ich bin gekommen um den Rest Eurer Miete für diesen Monat zu kassieren.“ „Ja, ich weiß.“ „Gut.“ Er blickte Demian auffordernd an, dieser wandte sich um, nahm den kleinen Geldbeutel vom Tisch und legte ihn in die Hand des Mannes. „Hier, bitte. Genau abgezählt.“ „Vielen Dank. Ich weiß ja, dass Ihr mich nicht betrügt, das ist umso besser für uns beide.“ „Betrug? Das habe ich nicht nötig.“ „Zu Eurem Glück.“ Der Mann grinste und ging. Demian wusste, was er damit gemeint hatte. ‚Was soll´s‘, dachte er. ‚Zumindest bin ich ihn vorerst los.‘ Die Sonne war inzwischen untergegangen. Er war müde und kaputt, also legte er sich schließlich ins Bett und versuchte einzuschlafen. Doch er hustete stark und sein Kopf schmerzte immer noch. Schließlich fiel er in einen fiebrigen, sehr unruhigen und von wirren Träumen durchzogenen Schlaf. Wenig erholt wachte er früh am Morgen auf und machte sich, nachdem er das Feuer geschürt und Brennholz nachgelegt hatte, zu Chiron auf. Der Arzt stand vor einem Regal mit allerlei Flaschen und Tiegeln, als Demian eintrat. „Demian bist du es? Welch seltener Besuch.“ Der junge Mann lächelte ein wenig gequält. Seine Stimme klang sehr heiser, als er antwortete: „Ihr habt nicht zufällig ein Hausmittel gegen Erkältung?“ „Du liebe Zeit, dich hat es ja erwischt. Du hörst dich an wie eine Krähe.“ „Tja, wenn es mich erwischt, dann richtig.“ Schon wieder musste er husten. Chiron lächelte mitleidig, drehte sich um und nahm zwei kleine Fläschchen aus dem Regal und gab sie ihm. „Hier. Das Mittel ist gegen Fieber und Schmerzen und eines gegen den Husten. Du solltest ein paar Tage lieber das Bett hüten. Aber so wie ich dich kenne, wird dir das schwer fallen. In diesem Fall solltest du dich wenigstens solange schonen, bis du deine Erkältung völlig auskuriert hast. Sonst könnte bei diesem Wetter daraus vielleicht noch eine Lungenentzündung werden und das willst du doch sicher vermeiden.“ „Ich werde Euren Rat befolgen, keine Sorge. Was bin ich Euch schuldig?“ Demian bezahlte den Arzt und wandte sich zum Gehen. „Und gute Besserung.“ „Danke, Chiron.“ Demian verließ den Laden und hielt inne, als sich zwei bewaffnete Gestalten näherten. Er erkannte sie als Mitglieder der Diebesgilde und verschmolz schnell mit den Schatten. Eine Auseinandersetzung mit Akers Leuten war jetzt das allerletzte was er brauchen konnte, vor allem da einer der beiden sich als „Stich“ entpuppte. Wenn sie ihn entdeckten, dann würde er in seinem geschwächten Zustand und unbewaffnet kaum eine Chance haben. Als ihm plötzlich schwindelig wurde, oresste er sich eng an die Wand, um nicht umzukippen. ‚Reiß dich zusammen, Demian‘, dachte er. Aber das war nicht einfach, schon dieser kurze Weg zu Chiron war in seiner Verfassung zu viel gewesen und hatte das Fieber wieder steigen lassen. Er rührte sich nicht. Stich und der andere kamen näher, und er hörte Stichs wie immer schlecht gelaunte Stimme. „Keine Sorge“, sagte er zu seinem Begleiter. „Wir wissen zwar nicht, wo er sich einquartiert hat, aber das macht nichts aus. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich mich mit Akers Erlaubnis persönlich um ihn kümmere! Und dann wird Demian Aker auf Knien anflehen sich uns anschließen zu dürfen!“ Trotz seiner gefährlichen Lage musste Demian spöttisch lächeln. ‚Darauf kann Aker lange warten‘, dachte er. ‚Niemals mache ich gemeinsame Sache mit einem wie ihm!‘ Stich zeterte weiter, während sie an ihm vorbeigingen, und als sie außer Sichtweite waren, machte Demian, dass er nach Hause kam. Dort angekommen, aß er ein wenig Brot und Käse, für mehr reichte sein Appetit nicht. Dann nahm er Chirons Medizin. Sie schmeckte bitter und er verzog das Gesicht, aber besser eine Unannehmlichkeit, als sich mit Fieber und Husten herumzuplagen. Dann legte er sich erschöpft ins Bett und schlief augenblicklich ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)