Dance with me von sissyphos (Naruto & Sasuke) ================================================================================ Kapitel 19: Ein Versprechen unter Brüdern ----------------------------------------- "Hallo Sasuke", grüßte mich die Stimme meiner Mutter direkt aus Richtung Küche, als ich durch die, zur meiner Verwunderung, nicht verriegelte Tür trat. Zügig hing ich meine Jacke an der Garderobe auf, streifte meine Turnschuhe ab und ging auf Socken über die knarrenden Dielen, um meine Eltern zu begrüßen. Als ich in die hell erleuchtete, wohlig duftende und warme Küche trat, sah ich nur meine Mutter, die gerade an der Spüle ein paar dreckige Gläser säuberte. Sie nahm mit einem Lächeln zur Kenntnis, dass ich überrascht war. "Dein Vater ist mit einigen Kollegen ein paar Bier trinken", meinte sie und ich nickte bloß, ließ mich erstmal auf einen der sechs Stühle plumpsen. Gähnend streckte ich meine ebenso müden Beine und versuchte mich, während ich dem Geräusch von fließendem Wasser lauschte, ein wenig zu entspannen - was für ein Tag. Leicht dösend legte ich meinen Kopf in den Nacken, hörte nur, wie ein Schrank geöffnet, das Wasser kurz darauf abgestellt wurde und etwas knackte, raschelte. Langsam schlug ich die Augen wieder auf, betrachtete das Gesicht meiner Mutter, die mir nun gegenüber saß und ihre Tabletten mit einem Schluck Wasser hinunterspülte. Sie litt seit ihrer Kindheit an leichten Depressionen - keine große Sache eigentlich, das wurde in ihrer Familie schlichtweg vererbt und jeder hatte sich damit abgefunden. Itachi und ich hatten uns deshalb in unserer Kindheit so einigen nervigen Untersuchungen unterziehen müssen, die aber alle zu dem Ergebnis führten, dass wir nicht betroffen waren. Erleichternd, aber gleichzeitig auch total egal, sofern man doch mit ein oder zwei Tabletten täglich, alles unter Kontrolle bekam. Trotzdem hatte ich manchmal das ungute Gefühl, dass meine Mutter, trotz ihrer Medikamente, einen unwahrscheinlichen Hang zur Melancholie und Selbstzweifeln besaß. "Hast du Hunger, mein Liebling?", lächelte mir Mikoto schließlich zu, nachdem sie mich nicht mehr allzu sehr in Gedanken vertieft glaubte. Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein, ich...ich habe schon mit Naruto zusammen gegessen", fügte ich an und wurde aufgrund des Kosenamens ein wenig rot um die Wangen. Dabei nannte sie mich oft so. Aber für mich wurde das nie zur Gewohnheit. "Was Ordentliches oder nur dieses schreckliche Fastfood?" Sofort musste ich schmunzeln. Meine Mutter war ungemein darauf bedacht, dass ich mich vernünftig ernährte. Sie verbot mir zwar nie Süßigkeiten, aber das war angesichts der Tatsache, dass ich den Großteil ohnehin nicht besonders leiden konnte, auch überhaupt nicht notwendig. "Wir waren beim Italiener und haben uns Spaghetti Bolognese bestellt", grinste ich leicht. Sie nickte kurz. Italienisches Essen zählte nicht unbedingt zu ihrer Definition von gesund, aber ich wusste, dass ihr Spaghetti immer noch bedeutend lieber, als ein fettiger Burger waren. "Und wie war dein Tag ansonsten so?", fragte sie interessiert weiter mit ihrem bezaubernden Lächeln. Und ich war froh, dass sie nicht nachhakte, wie es mir mit meinem Auge erginge und ob ich noch Schmerzen hätte. Ich wusste, dass ihr diese Fragen auf der Zunge brannten, doch mir zuliebe schnitt sie dieses Thema gar nicht erst an. Erst vor ein paar Tagen hatte sie mit mir das Gespräch diesbezüglich gesucht und mein Auge vor allem mit ein wenig Salbe verarztet, zur Kühlung, Abschwellung und schnelleren Heilung. Meiner Ansicht nach, hatte sie damit genug für mich getan. Schließlich brachte es mich auch nicht weiter, wenn ich aufgrund dieser Lappalie noch zwei Wochen lang in Selbstmitleid versank. Also atmete ich erleichtert durch und freute mich einfach über ihr ehrliches Interesse. "Also wir haben heute die Geschichtsklausur geschrieben. Über die Französische Revolution und ja, die lief soweit ganz gut. Anschließend war ich noch bei Kakashi zum Training und joa, danach haben sich Naruto und ich wieder unserer Choreo gewidmet." Von unseren Plänen hatte ich ihr bereits am Montag Abend erzählt, also kurz nachdem ich selbst davon erfahren hatte, und sie war wirklich stolz auf mein Engagement gewesen, dennoch riet sie mir Vater nichts davon zu erzählen. Und mit diesem gut gemeinten Vorschlag behielt sie recht. Ich konnte ohnehin von Glück sprechen, dass ich das Training bei Kakashi machen durfte. Mein Vater gab nicht viel auf Break Dance - das sei stümperhaftes Rumhampeln und eine Schande für jeden anständigen Tänzer. Dass ich es dennoch machen durfte, spricht wohl für sich. Sofern mein Fortschritt im Modern Dance nicht darunter litt, hatte ich also von ihm den Freifahrtschein mich derartigen Unsinnigkeiten zu widmen. Aber im selben Atemzug war ich mir sicher, dass er seinen Kollegen nichts davon erzählte, weil es ihm peinlich war, dass ich diese Art von Tanz bevorzugte. "Und? Kommt ihr voran? Du und Naruto?" Ich sah, aus meinen Gedanken gerissen, zu ihr auf - geradewegs in ihre liebevollen Augen und musste postwendend lächeln. "Ähm, ja. Wobei er wirklich nur Müll im Kopf hat, was unseren Auftritt angeht. Na ja, und auch allgemein irgendwie", grinste ich und sah ihn mit seinen Grimassen wieder vor mir, die er während des Übens schnitt, um mich zum lachen zu bringen - meist aber erfolglos. "Aber es macht dir trotzdem Spaß, oder nicht? Und du magst ihn doch auch", lächelte mir meine Mutter zu, nippte an ihrem stillen Wasser. Wieder dachte ich an ihn. An das Gesicht mit den blauen Augen und den blonden Strähnen, das ich aus meinem Kopf zu verdrängen versuchte. "Ja, schon. Ich mag ihn und es macht auch Spaß", murmelte ich. Obwohl es mir immer noch nicht leicht fiel, konnte ich mit meiner Mutter doch relativ offen über alles und jeden sprechen. Bei ihr fühlte ich mich verstanden, sie hörte mir zu. Ich war wirklich glücklich, sie zu haben. Plötzlich spürte ich, wie sie ihre Hand auf meine legte und mich durchdringend musterte. "Als ich eben am Fenster vorbei gegangen bin, um die Blumen zu gießen, da hab ich euch gesehen." Als sie das sagte, ganz ruhig und bedächtig, bemerkte ich wie sich meine Finger verkrampften, mir augenblicklich heiß und unwohl wurde und ich den Blick auf die Tischplatte senkte. Ihr Daumen strich beruhigend über meinen Handrücken. "Das erinnert mich irgendwie an Shisui", murmelte sie ganz leise und ich hob umgehend den Kopf. "An wen?", fragte ich nach. Sie sah mich ein wenig perplex an. "Oh, nicht so wichtig", lächelte sie, "ich habe nur laut gedacht." Noch einige Sekunden strich sie weiter über meine Hand, doch sie bemerkte wohl an meinem Gesichtsausdruck, dass ich mich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben würde. "Itachi wartet oben auf dich", wich sie deshalb aus und nickte seitlich in Richtung Tür. Seufzend erhob ich mich auf ihre Bitte hin von meinem Stuhl und verstand noch nicht ganz, was es mit diesem Kerl auf sich hatte und warum mir meine Mutter nichts von ihm erzählen wollte. Worin bestand das Geheimnis? Immer noch in diesen Gedanken versunken ging ich durch den Flur, dann die Treppe hinauf, vorbei an Gemälden, Spiegeln und einigen Ikonen, wieder einen Gang entlang, indem die halbe Pflanzensammlung meiner Mutter Platz fand und stand schließlich vor Itachis verschlossener Tür. Einen Moment zögerte ich, doch dann drückte ich die Klinke einfach ohne anzuklopfen herunter und trat in das düstere Zimmer, das meine Mutter genauso gelassen hatte wie zu Zeiten, als Itachi noch hier lebte. Nur auf seinem Nachtschrank brannte schwach eine kleine Lampe. Schlief er etwa schon? An den Wänden klebten zahlreiche Poster von Tänzern, aber auch von Musikern und einigen leicht bekleideten Frauen. Leise schlich ich über den Teppichfußboden auf das Bett zu auf dem Itachi - mit dem Rücken zu mir gewandt - reglos lag. Seine heißgeliebte Gitarre ruhte gleich daneben auf einem kleinen Hocker und wirkte auf mich so, als hätte Itachi heute ziemlich lange geübt und Vater damit aus seinem eigenen Haus vergrault. Das Plektrum lag noch auf der Gitarre, neben ihr stand der angeschlossene Verstärker auf dem Fußboden. Vor meinem Bruder ging ich in die Hocke und bedachte ihn für einen Augenblick, überlegte, ob ich ihn wecken sollte. "Du bist spät", kam es jedoch plötzlich von Itachi. Seine Stimme klang nicht müde, nicht mal annährend danach, als habe er bis eben geschlafen. Also ließ ich mich einfach mit einem lauten Krach neben ihn aufs Bett plumpsen, woraufhin Itachi sich zu mir drehte und leicht grinste. Er sah mich an, als wolle er direkt und in allen Einzelheiten wissen, wo ich gewesen war und vor allem, was ich so lange getrieben hatte. "Weißt du, wer dieser Shisui ist?", fiel ich allerdings gleich mit der Tür ins Haus und es entging mir nicht, dass Itachi für den Bruchteil einer Sekunde überrascht die Augen weitete. "Shisui war ein Freund von mir", murmelte er jedoch schließlich mit einer bemerkenswerten und nüchternen Sachlichkeit, während er den Blick geradeaus zur Wand richtete. "War?", hakte ich nach. Einen Moment war es still. Ich hörte die Glühbirne neben mir knistern, versuchte Itachis Gesichtsausdruck zu deuten. Doch es fiel mir schwer, da sein Profil von der Dunkelheit des Raums verschluckt wurde. "Er ist tot", erklang es leise, aber ohne ein Zittern in der Stimme meines Bruders. Augenblicklich senkte ich entschuldigend den Blick. Mein Verhalten war trotzdem stümperhaft, auch wenn es Itachi nicht zu stören schien. "Tut mir leid", flüsterte ich und rieb über seine Schulter. Langsam richtete sich mein Bruder auf, setzte sich neben mich auf die Bettkante und fuhr sich einmal durch die langen Haare. "Ach, macht nichts. Das ist ja jetzt schon Jahre her." "Wart ihr denn gut befreundet?" Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass Itachis Lippen ein leicht trauriges Lächeln zierte. "Er war sogar mein bester Freund." Ich wollte ihn mit meinen Fragen nicht quälen. Wirklich nicht. Weil ich nachempfinden konnte, wie er sich fühlte, aber dennoch brannten sie mir auf der Zunge. Und ich war leider nicht wie meine Mutter, die die Neugierde in sich hineinfraß. "Aber warum habe ich ihn dann nie kennengelernt? Ich meine, ich hab' noch nie von ihm gehört, geschweige denn ihn gesehen." Mein Bruder sah zu mir, aus seinen dunklen Augen, die mich an meine eigenen erinnerten - wie ein Spiegel, in den ich blickte - und er legte mir eine Hand auf die Schulter. "Weil Vater ihn nicht hier haben wollte." Verwundert sah ich in seine, nur noch leicht geöffneten, Augen. Das konnte ich nicht begreifen. Vater hatte irgendetwas an Itachi auszusetzen, auch wenn es nur seine Freunde waren? Das konnte ich kaum glauben. Das war schier unmöglich. "Und warum nicht?", fragte ich nach, bemerkte selbst, dass meine Stimme immer leiser wurde. Itachi zuckte lächelnd mit den Schultern. "Er meinte, er könne mich anstecken." Und in diesem Moment glaubte ich fast, dass mein Bruder unterdrückt auflachte, obwohl das Gesagte nicht zum lachen war. Selten versuchte Itachi seine Gefühle auf eine derartige Weise zu überspielen. Es musste schlimm für ihn gewesen sein, das stand fest. "War er denn krank?", murmelte ich kleinlaut, kam mir mit meiner Fragerei allmählich ein wenig dämlich vor. Entgeistert blickte mich Itachi an. Ich erwiderte seinen Blick und augenblicklich legte sich wieder ein sanftes Lächeln auf seine Lippen. "Nein, das war er nicht. Aber in der Welt unseres Vaters sind Homosexuelle nunmal wie eine Krankheit. Deshalb hatten wir zu der Zeit auch einige Diskrepanzen miteinander." Itachi seufzte und ich verstand endlich, worum es ging. "Nur deswegen hattest du Streit mit Vater?" Neben mir ertönte ein leises Lachen. "Ziemlichen sogar. Einmal hätte er mir fast eine geknallt. Aber ich bin nicht wie du. Ich hätte dem alten Mann genauso eine gezogen." Dass Itachi beinahe von unserem Vater geschlagen worden wäre, erschreckte mich. Und das nur, weil sein bester Freund homosexuell war? Das ging einfach nicht in meinen Schädel rein. Nie hatte ich die beiden miteinander streiten sehen. Wann war die Situation eskaliert? War ich zu der Zeit überhaupt daheim gewesen? "Die Streitereien gingen weiter, bis es zu diesem tragischen Verkehrsunfall kam", erzählte mein Bruder weiter und ich sah zu ihm. "Shisui war etwas älter als ich. Zwei Jahre um genau zu sein. Damals war er 18, gerade den Führerschein bestanden und mit Papas Karre unterwegs. Hat sich selbst aus der Kurve geschmissen, der Vollidiot." Schwach glitt Itachis Hand von meiner Schulter, bedeckte nun sein traurig lächelndes Gesicht. Und er tat mir wirklich leid. Ich wollte endlich einmal für meinen großen Bruder da sein und ihn tröstend in den Arm nehmen, so wie er es bei mir immer liebevoll tat, doch ich hielt inne, als er plötzlich weiter sprach. "Weißt du, was Vater gesagt hat, als er von dem Unfall erfahren hat? Weißt du das? Nein, kannst du ja nicht wissen. Ich sag's dir, Sasuke. Er hat gesagt, das wäre kein Verlust. Kein Verlust! Ein Menschenleben sei kein Verlust hat er gesagt. Gott, dieser konservative Schwachmat. Verdammter Mistkerl." Plötzlich verstand ich die Welt nicht mehr. Ich wusste nicht recht, was mich mehr verwundern sollte: die Tatsache, dass unser Vater in solchen Tönen über einen Verunglückten sprach oder aber, dass Itachi unseren Vater mit Schimpfworten betitelte. Das hatte er noch nie getan. Wirklich noch nie. Zumindest nicht in meinem Beisein. "Sasuke, ich...bitte versprich mir etwas." Seine Stimme war nur ein Hauchen. Etwas überrascht sah ich zu ihm, während er wieder eine Hand auf meine Schulter legte. Dieses Mal mit festem, beinah klammernden Griff. "Du willst doch im Showbusiness bestehen, oder nicht?" Dunkle Augen huschten in meine Richtung, ich nickte stumm. "Und Break Dance ist dein Leben? Das ist das, was du machen möchtest?" Wieder nickte ich bestätigend. Tanzen war alles, was ich wollte. Alles, was ich brauchte. Damit erfolgreich zu werden, war mein einziger Traum. "Und du willst von Vater akzeptiert werden?" Einen Moment zögerte ich, doch dann nickte ich auch jetzt, ein letztes Mal, vorsichtig. Ein Lächeln umspielte Itachis Mundwinkel, während seine Hand sich von meiner Schulter löste und durch mein Haar fuhr. "Ich kann dir den Umgang nicht verbieten. Das kann ich nicht verlangen. Aber versprich mir wenigstens eins: dass du dich niemals auf einen Mann einlassen wirst. Versprich mir das. Das würde alles kaputt machen. Alles worum du so verbissen kämpfst. Einfach alles. All deine Wünsche mit einem Schlag zerstören. Glaub' mir, Sasuke. Glaub' mir das." Verdutzt sah ich ihn an, fast schon wütend, dass er ein solch unsinniges Versprechen überhaupt verlangte. Und ihm entging meine Unruhe nicht, deshalb sprach er mit besonnener Stimmlage weiter. "Ich will dir nichts unterstellen. Aber angesichts dem, was ich dir eben erzählt habe, müsstest du meine Besorgnis doch verstehen können, oder nicht? Also versprich es mir einfach, egal ob sinnvoll und angebracht oder komplett überflüssig. Versprich es einfach." Ich senkte den Blick, rang für einen Moment mit mir selbst. "Ich verspreche es", murmelte ich leise und kurz darauf zog mich Itachi in eine feste Umarmung, strich mit den Händen liebevoll über meinen Rücken. "Dein Wort in Gottes Ohr, Brüderchen", flüsterte er mehr zu sich selbst. Und während er mich so innig umarmte, war ich, entgegen meinem Willen, mit meinen Gedanken bereits wieder bei Naruto und seufzte wohlig, aber kaum hörbar, als Itachi mich zu streicheln begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)