Schneesturm von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie stand schon am frühen Morgen an dem gusseisernen Tor. Es war kalt, ein Schneesturm zog auf, denn der Wind blies ihr eisig ins Gesicht. Jedes Jahr um diese Zeit fiel der erste Schnee in dieser verlassenen Gegend. Es blieb bis zu den ersten Schneeschauern warm und grün auf diesem Planeten. Doch dann, wenn der erste kalte Herbstwind auffrischte, schneite es. Der weiße Himmelsbote bedeckte alles um sich herum und verschluckte das Leben. Er konservierte es bis zum nächsten Frühjahr. Die Blondine hatte ihre Haare streng und scheitellos nach hinten gebunden. Sie versteckte ihren Schopf unter einer dunklen Mütze, die sie vor dem Wind schützen sollte. Doch als sie den ersten Windstoß spürte, zog sie fröstelnd die Schultern nach oben und stellte den Kragen ihres dicken Wintermantels auf. Gleich darauf versteckte sie ihre behandschuhten Hände wieder in den Manteltaschen. Sie senkte den Kopf, damit der Wind nicht allzu viel Angriffsfläche hatte. Melancholisch betrachtete sie ihre Stiefelspitzen. Sie kam nicht gerne hier her. „Hallo, Prinzessin!“, Colt schreckte sie aus ihren Gedanken hoch. Auch der Cowboy war dick eingepackt, mit der weißen Daunenjacke wirkte er ein bisschen wie das Michelin-Männchen, weil sie auftrug. Colt hatte seine Ehefrau dabei, die April mit einem stummen Nicken begrüßte. Der Scharfschütze schloss die Blondine kurz in eine herzliche Umarmung. Auch er war an diesem Tag nicht so blendend gelaunt wie sonst. Sein Blick fiel auf das Gelände hinter dem Tor. Sofort wandte er sein Antlitz davon ab und schluckte betreten. Er wollte nicht daran denken müssen, also wollte er von April wissen: „Wartest du schon lange auf uns?“ April schüttelte den Kopf, obwohl sie bestimmt schon seit einer Stunde hier draußen stand. Sie kam jedes Jahr etwas früher als sie es ausgemacht hatten, damit sie noch etwas für sich sein konnte. Die Erinnerung, die sie das ganze Jahr über wegschloss, war an diesem einen Tag wieder ganz frisch. Jedes Mal tat es aufs Neue weh. Schweigend warteten die drei vor dem Tor auf die anderen beiden. Sie begingen diesen Tag immer nur gemeinsam, keiner sollte alleine sein müssen. Endlich traten auch die anderen beiden an die kleine Gruppe heran. Der blonde Schotte war ebenfalls bis oben hin zugeknöpft und der dunkelrote Schal saß so weit oben, dass er auch noch einen Großteil der Ohren wärmen konnte. Saber sah wie immer vornehm aus, seine Begleitung trug einen bodenlangen, schwarzen Mantel. Man sah ihr an, dass sie fror. Saber begrüßte April, Colt und Robin, ehe er bedrückt seufzte: „Lasst ihn uns besuchen, Freunde.“ Dabei nahm er die frierende Sincia an der Hand und ging voraus. Er wusste, dass niemand den ersten Schritt machen würde, wenn er es nicht tat. Saber öffnete das schwere Eisentor mit den vielen Verzierungen. Er mochte diesen Ort nicht unbedingt, für gewöhnlich mied er ihn. Hier war es immer ruhig, und die Stimmung war immer bedrückt. Manchmal, wenn er hier vorbei kam, blieb er kurz vor dem Tor stehen und senkte den Blick. Es fiel ihm immer noch schwer, zu akzeptieren, was damals geschehen war. Colt nahm seine Robin ebenfalls bei der Hand, die andere legte er April um die Schulter. Sie brauchte den Halt am dringendsten. Er biss sich auf die Lippen. Tag ein, Tag aus lebten sie, als wäre nichts geschehen. Doch einmal im Jahr, an diesem einen speziellen Tag kamen sie alle wieder zusammen und besuchten ihren ehemaligen Freund. …Der Krieg gegen die Outrider dauerte schon einige Jahre, die Freunde hatten mittlerweile alle eine Familie gegründet. Colt war mit Robin zusammen gezogen, Saber führte mit Sincia eine Fernbeziehung und die beiden Jüngsten hatten sich lange schon gefunden. Aber sie waren nach wie vor im Einsatz für das Neue Grenzland unterwegs. Sie beschützten mit Ramrod das Leben der Unschuldigen. Pünktlich, kurz vor Weihnachten, begann es in Yuma zu schneien. Der Wind verwehte den Schnee in alle Himmelsrichtungen und machte es ohne technische Hilfsmittel kaum mehr möglich, die Orientierung zu behalten. Die Straßenräumdienste der Stadt waren rund um die Uhr damit beschäftigt, die Straßen frei zu halten, auf dem Land war jeder sich selbst überlassen. Man konnte die befestigten Straßen von den Feldern nicht mehr unterscheiden. An diesem Morgen waren alle früh aufgestanden, der Wind, der um Ramrod pfiff, verursachte unangenehme Geräusche und hatte es unmöglich gemacht, auszuschlafen. Die vier hatten gemeinsam gefrühstückt und sich auf einen ruhigen Tag eingestellt. Was sollte an einem stürmischen Tag wie diesem auch schon passieren? Sie hätten es wissen müssen. Outrider kannten kein Schneefrei. Eine wilde Horde Phantomwesen griff Yuma an. Sie hatten die Störungen, die der Schneesturm verursachte, ausgenützt und waren unbemerkt mit mehreren hundert Schiffen auf den Planeten gelangt. Die vier Freunde mussten sich aufteilen, weil die Outrider an verschiedenen Stellen angriffen. Colt, Saber und Fireball sprangen mit ihren Gefährten in die Breschen, während April ihre Jungs aus der Luft mit Ramrod unterstützte. Saber blieb mit Steed in der Stadt, einerseits weil er mit seinem Ross dort halbwegs vor dem Sturm geschützt war und andererseits weil er dort leichteres Spiel mit den Outridern hatte. Colt flog mit dem Bronco Buster in die Wüstengegend Yumas und Fireball knöpfte sich die Fieslinge in den Bergen vor Yuma vor. Sie kämpften erbittert um den Frieden auf Yuma und blieben auch dieses Mal wieder siegreich. Als der letzte Outrider den Weg zurück in seine eigene Dimension angetreten hatte, machten sie sich auf den Weg zurück zu Ramrod. Saber und Colt kamen unversehrt zu April zurück, doch von Fireball war weit und breit nichts zu sehen. Colt zog sich im Hangar den Helm vom Kopf und schmunzelte: „Der Kindskopf muss bei dem Wetter sicherlich noch schnell einen Schneemann basteln.“ „Er wird die vereisten und schmierigen Straßen wohl eher dazu nützen, den Red Fury wieder mal ausgiebig auszutesten“, Saber betrachtete wie immer alles eher rational. Tatsächlich war es allerdings ungewöhnlich, dass er sich über Funk nicht meldete. Gegen ein bisschen Spaß hatte niemand was, da hätte er sich trauen können, sich noch für eine halbe Stunde zu verabschieden. Die drei taten es für den Moment einfach ab und setzten sich in der warmen Stube zusammen. Als Fireball nach einer Stunde allerdings immer noch nicht zurück an Bord war und der Schneesturm heftiger geworden war, begannen die Sorgen überhand zu nehmen. April setzte sich in ihre Satteleinheit und versuchte, den Red Fury zu orten. Sie hatte Glück. Auf ihrer Anzeige blinkte ein stetiger, roter Punkt. Allerdings bewegte sich der Punkt nicht. Fireball war noch in den Bergen, wie April feststellte. Vielleicht war er mit dem Red Fury stecken geblieben. Sie versuchte, über Funk Kontakt zu ihm aufzunehmen. Doch ihre Anfrage blieb ohne Reaktion. Fireball antwortete nicht auf ihren Funkspruch. Saber entschied sich daher, mit Ramrod hinzufliegen und dem Rennfahrer eine Mitfahrgelegenheit nachhause zu geben… Nachhause. April blieb auf halben Weg stehen und kämpfte die Tränen hinunter. Sie hatte Sabers Worte von damals noch deutlich im Kopf: „Holen wir ihn nachhause.“ Sie machte sich Vorwürfe, immer noch. Und auch Saber und Colt erging es nicht besser. Die beiden Männer richteten den Blick auf die kleine Anhöhe, zu der sie den schmalen Weg hinauf spazierten. Von dort oben hatte man einen guten Überblick über Yuma. Fireball hatte es immer geliebt, die Dinge von oben zu betrachten. Das tat er auch jetzt noch. …April stand am Fuß der Rampe und starrte wie gebannt auf Colt und Saber. Als sie in den Bergen angekommen waren und den Red Fury gefunden hatten, waren die beiden Männer rausgegangen, um Fireball zu suchen. Nun kamen sie zurück, mit hängen gelassenen Köpfen. Colt griff im Vorbeigehen nach Aprils Hand und wollte sie zurück in den Friedenswächter führen: „Komm, Prinzessin.“ Doch April riss sich los. Colt und Saber waren ohne Fireball wieder gekommen. Schreckliche Angst breitete sich in ihr aus. Hysterisch schrie sie Colt an: „Wo ist Fireball? Was ist mit ihm?“ Dem Cowboy standen die Tränen in den Augen und Saber setzte zu einer Antwort an, doch ihm brach die Stimme. Das genügte April. Sie lief nach draußen, so wie sie war, ohne Mütze, ohne Handschuhe und ohne warme Kleidung. Sie watete durch den Schnee, kämpfte gegen den Wind an, der sie davon abzuhalten schien, zum Red Fury zu gelangen. Doch April ließ sich nicht aufhalten. Sie wollte zu ihm! Saber sah der Blondine besorgt hinter her. Er nickte Colt zu, er sollte warme Sachen von Bord holen, er würde April folgen. Sie würde Beistand brauchen. Endlich hatte sie es geschafft. Sie war endlich bei Fireballs Auto angekommen. Ihr Herz schlug wie verrückt, als sie sah, was Colt und Saber nicht hatten aussprechen können. April hatte es geahnt. Sie hatte es geahnt, als ihre beiden Freunde alleine wieder gekommen waren. „Nein! Turbo…“ In diesem Moment war April das Herz gebrochen. Weinend sank sie neben Fireball in den kalten Schnee. Sie rüttelte ihn, schrie ihn verzweifelt an: „Fireball! Du hast mir versprochen, bei mir zu bleiben… Du darfst dein Versprechen nicht brechen! Fire!“… Die kleine Gruppe war endlich dort angekommen. Sie standen auf dem Hügel und blickten auf das Grab. Saber griff fester um die Hand seiner Frau und schloss die Augen. Er hatte noch immer vor Augen, wie sie Fireball gefunden hatten. Im Schnee, kalt, leblos. Ihr Freund war bereits tot gewesen, als er und Colt ihn gefunden hatten. Colt zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. Auch nach all den Jahren übermannten ihn immer noch die Gefühle, wenn er vor dem Grab seines besten Freundes stand. Er war von der verschneiten Straße abgekommen und mit dem Wagen in eine Schlucht gestürzt. Aprils Augen schimmerten traurig, als sie auf den Grabstein sah. Auf einem Foto lächelte er ihnen entgegen. Spitzbübisch, frech, wie immer. Gebrochen flüsterte April dem Grab zu: „Du hast mich angelogen. Du hast mich alleine gelassen, Turbo…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)