Drache des Westens von Bitterblue (Das Leben des General Iroh) ================================================================================ Prolog: Nachmittag ------------------ Ein frischer Wind streichelte die Grashalme und ließ die Blüten der Orangenbäume tanzen. Sie umgarnten einander und spielten eine zarte Melodie, begleitet vom steten Plätschern des Wassers im kreisrunden, steinernen Brunnen, inmitten des Hains. Die friedliche Szenerie wurde außerdem passend vom Trappeln sowohl kleinerer als auch größerer Füße untermalt. "Onkel?" Schallendes, unbeschwertes Kinderlachen. Das Produkt wilden Herumtollens. "Onkel Iroh? Ihr seid am Zug." Zug. Natürlich! Pai Sho. Und Zuko! Iroh traf ein leicht irritierender Blick seitens seines Neffen, der ihm gegenüber saß, seine langen Beine im lockeren Schneidersitz gefaltet. Irgendwie kam ihm sein Onkel abwesend vor. Doch der seit nun mehr 39 Jahren amtierende Feuerlord sprach diesen Gedanken nicht aus. Er schätzte das Schweigen sehr und das wusste auch Iroh. Dieses stille Einverständnis, das zwischen ihnen herrschte, bedurfte keiner weiteren sprachlichen Ausführungen. Iroh nahm sich einen weißen Lotusstein und plazierte ihn, für einen Laien scheinbar wahllos, auf dem großen hölzernen Spielbrett. Ein verschmitztes Lächeln erhellte Zukos Miene für einen kurzen Augenblick. Der Alte war nun wirklich nicht von seinen Prinzipien abzubringen. Wie recht er doch hatte! Iroh Tatzu, pensionierter General und unersätzlicher Onkel, Großonkel sowie neuerdings auch Urgroßonkel, hatte sich selten von seinem Weg abbringen lassen. Das heißt nicht, dass es nicht den einen oder anderen Ausrutscher gegeben hatte, oh nein! Schließlich war auch Seine hoch angesehene und ehrwürdige Lordschaft nicht fehlerlos durchs Leben gegangen. Aber welcher Lebensweg verläuft schon ohne Steine, Stolperfallen und Schluchten? Iroh seufzte selig; er liebte einfach Alliterationen und Metaphern. Am liebsten beides zusammen. Sein Atem fühlte sich rauer an als sonst. "Lu Ten?" Der sonst so pflichtbewusste Thronfolger überhörte diesen Ausruf penetranter Ungeduld gekonnt. Er war gerade dabei, seinen Jüngsten zu beobachten, wie der durchs Gras krabbelte, während Prinz Tunichtgut seine Gemahlin gedankenverloren hinter den Ohren kraulte. "Lu Ten!," schallte die Stimme von Jin Tatzu, geborene We, über den Garten. "Der Hofschneider wartet schon eine halbe Ewigkeit..." Auch Iroh entging diese Szene nicht. Wie auch? Wenn die Feuerlady erst einmal so richtig in Fahrt war, hätte sie eine Horde trampelnder Rhinos übertönt. Doch auch dieses schöne Stilmittel verflog rasch aus dem Kopf des Alten. Er wurde von etwas anderem eingenommen. 'Lu Ten'. Natürlich war es für ihn eine Ehre gewesen, dem Fürstenpaar diesen Namen für ihren Erstgeborenen zu überlassen. Ihren Erstgeborenen, der lebte und liebte. Doch so sehr er sich über das Glück dieser Familie freute, so schmerzte es ihn umso mehr, an seine eigene Familie zu denken, wenn er andere jenen Namen aussprechen hörte. Seine Familie, die nicht mehr war. Kapitel 1: Übermut tut wohl ganz gut ------------------------------------ Fon keuchte. Er lag rücklings, die Ellbogen aufgestützt, auf reich verzierten Steinplatten, die zusammen eine kreisrunde Fläche ergaben. Ein Schatten huschte über ihn. Gegen das Sonnenlicht konnte er nicht in das Gesicht seines Gegenübers sehen, aber die Konturen traten umso stärker hervor. Über ihn gebeugt stand ein junger Mann von stattlicher Größe. Er war zwar nicht so hochgewachsen wie sein Vater, doch das minderte seine einschüchternde Ausstrahlung nicht im geringsten. Für sein Alter war er erstaunlich gut trainiert. Die Umrisse seines muskulösen Körpers zeichneten sich kontrastreich im Gegenlicht ab. 'Wie kann es sein,' dachte Fon, um Atem ringend, 'dass ein Bursche wie der da einen Älteren schlägt?' Der Ältere bildete sich anscheinend ganz schön was auf die drei Jahre ein. Allerdings würde er es nie wagen, so etwas auszusprechen. Zum Glück verfügte Fon über ausreichend Selbstkontrolle um seine Gedanken klar von seinen Äußerungen zu trennen. Nein, nie würden ihm solche Unangebrachtheiten über die Lippen kommen. "Gut gekämpft, Hoheit," keuchte er und nahm dankend die Hand seines Gegners an. "Netter Versuch, Fon," spottete der Thronfolger und grinste. "Ich weiß ganz genau, dass du mir den Triumph nicht gönnst." Nun versuchte der Dreikäsehoch ihn auch noch aus der Reserve zu locken? Niemals! "Niemals, Hoheit," sagte Fon Yuhao; pikiert, aber würdevoll. "Ein Krieger weiß, wann er geschlagen ist." Iroh grinste immer noch. Dieser Fon! Wie er immer so höflich sein konnte! "Was hälst du von einer Partie Pai Sho, Fon?" fragte er. Natürlich würde Fon der Loyale nahezu jeder beliebigen Bitte nachkommen. Aber Iroh würde natürlich nie einen Vorschlag unterbreiten, ohne sich sicher zu sein, dass sein erster Diener, engster Vertrauter und bester Freund ebenfalls Spaß an der jeweiligen Sache hätte. "Selbstverständlich, Hoheit," sprach's und lächelte in sich hinein. Im Pai Sho konnte der Prinz ihm wenigstens nicht das Wasser reichen. Noch nicht! Doch solange Fon der bessere Taktiker war, genoss er seine Überlegenheit. Im Stillen versteht sich. Nach einem ausgiebigen Bad, einer wunderbaren Runde Pai Sho (bei der Fon gewann) und einem fürstlichen Mahl verspürte Iroh die Lust, auszugehen. Selbstredend wurde er begleitet. Iroh und Fon gingen oft zusammen in die Stadt, obwohl dies eigentlich ungebührlich für ein solch hohes Mitglied des Hofstaats war. Doch der Siebzehnjährige scherte sich nicht besonders um bestimmte Richtlinien. Er blieb nicht gerne im Palast. Sein Vater, Feuerlord Azulon, verbrachte die meiste Zeit im Kabinett oder im Kriegsrat und war nur selten bei seiner Familie. Feuerlady Ilah widmete sich meist Irohs Bruder Ozai. Er war dreizehn Jahre jünger als der Kronprinz und dieser konnte demzufolge wenig mit dem Kleinen anfangen. Mit siebzehn war Mann doch zu anderem berufen als zur Unterhaltung eines Kind beizutragen! Nun, deshalb war alles außerhalb des Palastes natürlich sehr verlockend. Tiram Agni lag inmitten eines inaktiven Vulkans. Die Erde war sehr fruchtbar und die ganze Stadt wirkte oft wie eine riesige Parkanlage. Überall gab es grüne Ecken und Nischen, umgeben von Backsteinhäusern mit rotgebrannten Ziegeln. Nach Einbruch der Dunkelheit begann hier das Leben. Während der Mittagshitze war es draußen kaum auszuhalten, außer natürlich für die Bändiger. Die waren allerdings größtenteils an der Front. Wie gesagt, das Leben pulsierte eben abends. Lampions, Fackeln und Kerzen erhellten die Gassen und Plätze. Menschen aßen, tranken und lachten auf den Terassen von zahlreichen Restaurants, Teehäusern und Bars. Auf dem großen Marktplatz fanden sich Straßenkünstler ein und unterhielten Groß und Klein. Bei diesem Anblick hätte man meinen können, dass es kein friedlicheres und friedliebenderes Land gebe, als die Feuernation. Dass "dort draußen", wie die Bürger oft zu sagen pflegten, ein erbarmungsloser Krieg herrschte, war dieser Stadt nicht anzumerken. Lediglich die Wachen Seiner Lordschaft streiften durch die Straßen. Doch selbst die ließen sich oft dazu hinreißen, gelassen einen zu heben. Die Menschen hier tranken auf ihren Feuerlord, denn das, was sie sahen, war gut. Schlicht gekleidet in braune Leinen und rote Westen machten sich Iroh und der ehrwürdige Fon auf den Weg zum Markt. Trotz seines bürgerlichen Aufzugs wurde Iroh oft erkannt. Immerhin hing hier in jedem Haus ein Bildnis der Fürstenfamilie! Doch die Bürger Tiram Agnis wussten inzwischen sehr wohl, dass der Prinz keine ausgesprochene Förmlichkeit wünschte. So kamen ihm zwar unzählige, leichte Verbeugungen zuteil, sowie die hoheitliche Anrede; doch ansonsten wurde er, sehr zu seiner Freude, in Ruhe gelassen. Weniger in Ruhe gelassen wurden die Frauen. Iroh hatte ein ausgesprochenes Faible für das andere Geschlecht entwickelt und spielte seinen Status hemmungslos aus. Wo sie auch hinkamen, Iroh fand immer ein Mädchen, dass er hinreißend fand. Dabei war er bei Weitem kein aufdringlicher Widerling, oh nein. Er verstand es einfach, gekonnt zu flirten. Und er liebte es, die Damen reihenweise zu umgarnen. Viel mehr als eine gelegentliche, unverbindliche Annäherung hinter der nächsten Hauswand kam dabei aber nie raus. Iroh würde es nicht wagen, sich einer Jungfrau so zu nähern, ohne sie vorher beziehungsweise nachher zu heiraten. Bei Ex-Jungfrauen sah er das allerdings nicht so eng. (Später sollte Fon diese Attitüde bei einem gewissen Großneffen seines Herren erneut beobachten.) Wie dem auch sei. So kam es, dass sich Fon und der Prinz in ein Restaurant setzten, um Speis und vor allem Trank zu sich zu nehmen. Warum schon wieder eine Mahlzeit? An dieser Stelle sei gesagt, dass die Tatzus nahezu unersättlich waren. Ein Feuerbändiger brauchte schließlich ausreichend Nährstoffe für seinen feurigen Stoffwechsel! Außerdem bot ein doppeltes Abendessen eine wunderbare Grundlage für sämtliche alkoholische Vergnüglichkeiten. Während die beiden also auf ein gelungenes Training anstießen, blieb Irohs Blick auf einem der Nachbartische hängen. Dort saß eine ganze Reihe junger Damen. Sie waren allesamt hübsch und schick gekleidet und lachten. Fon rollte gedanklich mit den Augen, als er dem Blick seines Schützlings folgte. Dieser seit neuestem selbst zum Weiberhelden auserkorene Fürstensohn hatte also schon wieder seine Beute fixiert. Fon hatte nicht ganz unrecht. Iroh wusste bereits ganz genau, wer es heute sein sollte. Ihr Lachen. Es klang wie reines Quellwasser, das jeden noch so kantigen Stein zu glätten vermochte. Wie hypnotisiert starrte er sie eine Weile an. "Hey, Nola!" Nola wurde angestupst. Das Mädchen zu ihrer Linken gestikulierte kurz mit dem Kopf in Richtung des Nachbartisches. "Der Typ da schaut dich schon die ganze Zeit an," fuhr Zhen fort. Man konnte es den Weibsbildern nicht verdenken, dass sie von 'dem Typen da' sprachen. Immerhin reichte der warme Kerzenschein nicht aus, um das Gesicht Seiner Hoheit ausreichend zu beleuchten. Agni, sie sah her! Auf die Entfernung konnte Iroh allerdings nicht allzu viel erkennen, außer, dass sie sehr hübsch war. Und, dass ihre Augen im schwachen Licht funkelten wie ein Prisma. Der Prinz beschloss, dass er genug geglotzt hatte und lächelte ihr ein wenig zu. Dabei setzte er sein in der Familie Tatzu omnipresentes Grübchen gekonnt ein. Nola konnte nicht umhin, dieses im Halbschatten liegende Gesicht recht charmant zu finden. Sie konnte ebenfalls nicht anders, als sein Lächeln kurz zu erwidern. Dann neigte sie ganz leicht den Kopf und wandte sich wieder ihren Freundinnen zu. Wenn er was von ihr wollte, würde er schon auf sich aufmerksam machen. Sie lauschte also weiterhin den haarsträubenden Geschichten, die ihre Freunde von sich gaben, lenkte hier und da mit ein und lachte herzhaft. Agni, dachte Iroh erneut. Dieses Weib verstand es tatsächlich, den männlichen Jagdtrieb zu wecken. Einfach auf Ignoriermodus schalten, wie? Aber nicht mit ihm. Da er keine Lust hatte, sich dem Tisch zu nähern und vor versammelter Weiberschaft aufzufliegen, bat er Fon, diesen Dienst für ihn zu leisten. Selbstverständlich stand Fon sofort auf und blieb hinter besagter Dame mit dem Namen Nola stehen. Er räusperte sich, was nicht nötig war, denn sofort klebten alle Blicke des gesamten Tisches auf ihm. Alle außer Nolas, was nicht verwunderlich war, denn dazu hätte sie sich um hundertachtzig Grad drehen müssen. Fon, seinerseits auch kein zu verschmähender Junggeselle, schluckte schon etwas. Irgendwie beneidete er Seine Hoheit ja schon um dessen Dreistigkeit. "Sind Sie Nola?" begann er und bemühte sich, seine Augen nicht von den anderen Damen einnehmen zu lassen. "Ja," sagte Nola leise und nickte kaum merklich. Bevor sie etwas hinzufügen konnte, fragte Fon: "Mein Freund hier würde Sie gerne auf ein Getränk einladen. Würden Sie ihm die Ehre erweisen, sich von mir an seinen Tisch begleiten zu lassen?" „Hat Ihr Freund denn keinen Anstand, mich persönlich zu fragen?“ „Oh, ich bin mir sicher, er würde es tun,“ sagte Fon. „Aber Sie werden seine Gründe schon nachvollziehen können, wenn Sie mir folgen.“ Nola überlegte einen Augenblick, dann dachte sie, dass ein kleiner Flirt doch nicht schaden könne und willigte schließlich ein. „Also schön,“ sagte sie, rückte ihren Stuhl zurück und wandte sich an ihre Freundinnen. „Entschuldigt mich bitte für einen Augenblick.“ Nur mühsam, so schien es, verkniffen sich die jungen Damen ein paar anzügliche Bemerkungen. Statt dessen grinsten sie im Kollektiv. Nolas Statur war ziemlich durchschnittlich, fand Iroh, während er jeden ihrer Schritte aufmerksam verfolgte. Ihre Rundungen allerdings waren äußerst bemerkenswert. Der kostbare Stoff ihres Kimonos umschmiegte eine schlanke Taille, ein üppiges, aber nicht zu volles Dekolletée, sowie eine runde, prächtige Hüftpartie. Er schluckte. Das da war nun wirklich ein Vollweib! Kein frühpubertäres Mädel vom Markt. Die da, sie war eine Lady. Und einer Lady gebührte Anstand, jawohl! Ohne Zögern erhob sich Seine Hoheit, als Nola sich seiner genähert hatte. Sie, ihrerseits, erwiderte die Etikette und neigte ihren Kopf eine Spur; was zur Folge hatte, dass ihr eine Strähne nachtschwarzen Haares ins Gesicht fiel. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, sah sie endlich in das Antlitz ihres Verehrers. Nola konnte nicht leugnen, dass es sehr attraktiv war. Er hatte ein markantes Gesicht, aus dem die Weichheit und der Schelm der Jugend aber noch nicht vollständig gewichen waren. Seine Nase war recht groß, aber eindeutig wohlproportioniert und passend. Sein dunkelbrauner Schopf war zu einem strengen Knoten zusammen gebunden; allerdings waren viele Haare nicht lang genug und fielen ihm frech in die Stirn. Dann verlor sich Nola in funkelndem Bernstein. Seine Augen waren ein reines Kaleidoskop, gespickt mit den verschiedensten Farbtönen von Honiggelb bis Kupfer. Irgendwo her kannte sie diesen Kerl doch. Aber ja! „Oh, Euer Hoheit!“ sprach sie, leicht überrascht, aber leise. Hatte Iroh da etwa eine Nuance Spott in ihrer Stimme wahrgenommen? Falls ja, verminderte das die Lieblichkeit ihres Klanges nicht im Geringsten. Kandiszucker, eindeutig. „Das ist richtig,“ entgegnete Iroh, bewusst die Spur Arroganz ignorierend. „Und Ihr seid?“ „Nola. Nola Suraya.“ Ah, die Suraya-Familie! Iroh wusste Bescheid. Das war also die Tochter; ansehnlich, keineswegs. Leider zwei Jahre älter als er. Aber das würde Seine Prinzlichkeit schon nicht davon abbringen, es wenigstens zu versuchen. Der Suraya-Clan war eine recht wohlhabende Familie. Iroh wusste, dass sie erst seit wenigen Generationen hier in Tiram Agni waren und seither den angeblich wohlschmeckensten Tee der Stadt verkauften. Der Prinz war erstaunlicherweise noch nie dort gewesen, aus Überzeugung, der höfische Teekoch bereite den besseren zu. Aber das würde sich bald ändern, wenn er dieses Ex-Provinz-Mädchen wiedersehen wollte. „Darf ich Euch auf einen Drink einladen?“ fragte Iroh und forderte Nola per Handbewegung dazu auf, sich zu setzen. Zu ihrer eigenen Verwunderung tat sie wie geheißen. Aber seine Stimme klang eben so natürlich autoritär! Beeindrucken ließ sich Nola davon dennoch nicht. „Dürft Ihr überhaupt schon trinken?“ konterte sie. Dieses Weib! Also wirklich! „Natürlich,“ raunte Seine trinkbegeisterte Hoheit. Nola schluckte kaum merklich. Auf einmal klang seine Stimme so... rau und trocken. Wie Schmirgelpapier, aber aus Leinen. „Zwei Feuerwhisky bitte!“ rief er dem Kellner zu. „Drei!“ wurde rasch korrigiert, mit einem Seitenblick auf Fon. Dieser saß etwas abseits und genoss die Szene. Sollte Seine ach so umschwärmte Hoheit heute etwa einen Korb bekommen? „Wollt Ihr mich abfüllen, Hoheit?“ säuselte Nola, wobei sie sich leicht nach vorne beugte. Die Arme hatte sie auf dem Tisch verschränkt. Zum ersten Mal wurde ihr Gesicht gänzlich ausgeleuchtet. Agni, hatte der Thronfolger jemals eine schönere Frau gesehen? Ihre Augen! Solche Augen waren ihm noch nie begegnet. Sie waren Tintenblau, eingekreist von violettstichigem Mitternachtsschwarz. Ihre Augen waren die Nacht. Und die vielen reflektierten Lichter waren die Sterne. Sie war weniger blass als ihre Freundinnen. Oder war sie einfach nur nicht gepudert? Unter ihrer markanten, aber sehr femininen Nase prangten volle, unnahbar geschwungene Lippen. Sie hatten eine dunkelrote Nuance. Lippenstift? Oder Aufregung? Nola konnte ihren Blick ebensowenig von dem Burschen mit den Bernsteinaugen loseisen. Fon, der sich köstlich amüsierte Seine Hoheit sprachlos zu sehen, beschloss, die Situation aufzulockern. „Wollt Ihr weiterhin provozieren, wer zuerst wegguckt, oder können wir endlich anstoßen?“ Iroh räusperte sich auffällig unauffällig und Nola strich die Seide in ihrem Schoß glatter als glatt. „Klar,“ erwiderte Iroh leise. „Worauf stoßen wir an?“ Er sah zu Nola, die aber nur mit den Schultern zuckte. So kam es, dass zwei bemerkenswerte Augenpaare Fons nicht minder schöne Graubraune trafen. Er überlegte kurz und machte es unkompliziert; dachte er zumindest. „Auf die Feuernation!“ Der Prinz nickte eifrig und trank. Nola hob ihr Glas, zögerte jedoch einen Augenblick, bevor sie das Gefäß mit dem brennenden Inhalt an die Lippen setzte. Einige Gläschen später war Fon schon nicht mehr da. Er hatte den Nebentisch übernommen und sonnte sich in der Bewunderung, die ihm zu Gute kam. 'Soldat bist du?' 'Wie toll!' 'Trägst du sonst auch Uniform?' Iroh und Nola schwatzten derweil ausgiebig. „...und ich sag' noch 'Machste eh nicht' und was macht er? Nimmt Anlauf und springt geradewegs über die Absperrung!“ Nola kicherte vergnügt. „Er hat's sogar geschafft, ist aber mit dem Fuß an der obersten Latte hängengeblieben und voll auf seinen Hintern geknallt!“ Fräulein Suraya schüttelte sich vor Lachen und schaute in Fons Richtung. Saufgeschichten kamen eben immer gut an. Und sie provozierten dieses herrlich klare Lachen. „Kommst du mit mir an die frische Luft?“ wollte Iroh wissen. „Na klar,“ gluckste Nola und stand auf. Zu schnell wie sich herausstellte. Aber noch bevor sie sich irgendwo festhalten konnte, hatte Iroh die Schwerkraft überlistet und rettete Mademoiselle Ich-vertrag-das-schon vor einer unsanften Landung. Draußen war es bereits sehr kühl. Galanterweise schlang Iroh also seinen Arm um Nolas Schulter. Nur aus Temperaturgründen versteht sich! Nola erlaubte und erfreute sich an seiner Wärme. Bei ihr war nämlich nur der Kopf heiß und rot. Seine Hoheit konnte das von sich allerdings nicht behaupten. Wortlos und scheinbar ziellos schlenderten sie umher. Nach einer Weile wurde Nola klar, dass Seine ach so ehrenhafte Hoheit eine etwas abgeschiedene Gasse in Betracht zog. Also bitte, so betrunken war sie nun auch wieder nicht! Ihr Wille war doch wohl noch vorhanden! Nur, was wollte sie eigentlich? Während das Fräulein also schwer damit beschäftigt war, darüber nachzudenken, was sie wollte, hatte sie der junge Prinz schon längst in eine nicht beleuchtete Ecke geführt. „Wo sind wir?“ fragte sie unbeholfen ins Dunkel hinein. „In Tiram Agni,“ antwortete Seine Hoheit. „Du hälst dich wohl für sehr schlau, was?“ spottete Nola. Iroh fand es zwar sehr angenehm, geduzt zu werden, aber er nutze diese Schwachstelle, um ein paar Schritte vorwärts zu machen. „Du? Du weißt schon, wen du hier vor dir hast, oder?“ entgegnete er. „Allerdings!“ neckte Nola. „Einen aufgeblasenen, kriegstreiberischen Schnösel!“ Sehr gut, sie stieg drauf ein. „Weißt du eigentlich, wie Majestätsbeleidigung geahndet wird?“ Nola sagte nichts, sondern schob nur unwissend und unschuldig die Unterlippe vor. Iroh war kurz davor, sich von ihrem roten Mund hinreißen zu lassen. „Also?“ hakte er nach und knurrte fast. „Nun, ich weiß, was dann passiert. Der Missetäter wird gnadenlos in Beschlag genommen!“ Und so geschah es. Ehe Nola auch nur ein Wort sagen konnte, wurde sie, energisch und paradoxerweise gleichzeitig sanft, an den Oberarmen gepackt und gegen die nächste freie Hauswand gedrückt. Sie konnte nur noch einen kurzen Blick auf seine funkelnden Augen erhaschen, bevor er sie küsste. Seine Lippen waren weder fest noch weich, weder kalt noch warm. Sie waren... perfekt! Sein Mund umgarnte den ihren und Nola musste sich einfach seinem gekonnten Spiel hingeben. Er saugte sanft, zupfte und knabberte; und die Lady genoss. Lauthals! Nach sehr kurzer Zeit hatte auch die Zunge Seiner Hoheit das begehrte Terretorium erobert. Agni, sie hörte sich nicht nur an wie Zucker, sie schmeckte auch so! Brauner, karamellisierter Zucker. Ob Nola, die Zuckrige, ebenfalls zu solch ausgeschmückten Beschreibungen neigte? Aber ja, sie tat es! Nun, fast. So viele Sinne waren bei ihr aktiviert, dass sie gar nicht alles auf einmal wahrnehmen konnte. Wie hätte ein Mensch nur in der Lage sein können, das alles zu fühlen? Dieses Kribbeln, dass ihr durch Mark und Bein ging; die kühle Nachtluft, die auf ihren Lippen prickelte, als er begann, sich der Haut zwischen Hals und Ohrläppchen zu widmen. Sein warmer Atem an ihrer Schläfe. Und sein Duft! Er roch wie der erste Sommerregen im Jahr. Wie frisch gemähtes Gras. Iroh seinerseits fuhr durch die Strähnen ihres geöffneten Zopfes und inhalierte gierig das Aroma von Jasminblüten. Nola schien oft nicht so recht zu merken, was vor sich ging, denn sie war viel zu versunken in ihren Sinnen, dass sie nicht mitbekam, wie sich eine Hand Seiner Hoheit um ihre Hüfte legte und allmählich tiefer glitt, in Richtung... „Du verdammter Flegel!“ rief sie aufgebracht und stieß die muskulöse, in Leinen eingepackte Brust von sich weg. Sie bereute es sofort. So viel hatte sie noch nie bei einer einfachen Knutscherei empfunden. Iroh schritt instinktiv einen weiteren Meter zurück und ohrfeigte sich innerlich. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Erst eine Ältere abfüllen und ausgiebig küssen und dann auch noch zu weit gehen? „Entschuldige, ich wollte nicht -“ Doch Nola ließ den Prinzen nicht ausreden. „Wolltest was nicht? Halt mich ja nicht für blöd! Und jetzt zisch ab, Kleiner!“ fauchte sie. Dafür erntete sie zwar einen bösen Blick der Extraklasse, der sie sprachlos werden ließ, doch Iroh tat wie geheißen. „Ich wünsche wohl zu nächtigen, Mylady,“ näselte er, verbeugte sich knapp und zog von dannen. Nun sollte sie erschrocken feststellen, wie sie gerade mit dem Kronprinzen gesprochen hatte. Dieser sollte sich auf dem Heimweg fragen, wieso ihn ihre Aufgebrachtheit eigentlich störte. Immerhin war es bisher doch auch nie ein Problem für ihn gewesen, mit einem Mädchen ohne wochenlangen Vorlauf ans Äußerste zu gehen. Kurz vor dem Schlafengehen verlangte Seine Hoheit nach einem frisch gebrühten Jasmintee mit Zucker. Komisch, fand der Teekoch, wo er doch sonst lieber Ginseng trank. Kapitel 2: Plan B: Operation Tümpelsee -------------------------------------- Irohs Morgen verlief wie gewohnt. Er wusch sich, ließ sich von Fon die Haare binden und begab sich in den Speisesaal zum Frühstück. Wie üblich war sein Vater nicht da; nur seine Mutter saß an dem langen Tisch und sah Ozai dabei zu, wie er Reisbällchen, Hafertaler und Obst mit Honig futterte. „Guten Morgen, Mutter,“ grüßte Iroh gut gelaunt und küsste ihr die Hand. „Morgen kleiner Mann,“ fügte er hinzu und wuschelte durch Ozais schwarzen Schopf. „Rieche ich da etwa gebratene Bananen?“ Ilah hob leicht ihre linke Augenbraue. Gut, ihr Sohn war von Natur aus ein fröhlicher Mensch, aber sie konnte sich nicht entsinnen, dass er jemals mit solch einem Dauergrinsen durch die Gegend spaziert war. „Geht es dir gut, mein Sohn?“ fragte Ilah skeptisch, während sich besagter Sohn an den gefüllten Blätterteigtaschen gütlich tat. „Oh ja, Mutter. Sehr gut sogar! Warum fragt Ihr?“ „Aus reiner Neugier,“ erwiderte sie und fügte hinzu: „Mir scheint es nur, als hättest du etwas ausgefressen.“ Iroh verschluckte sich fast und musste husten. „Verzeihung,“ sagte er kleinlaut. Er räusperte sich. „Nun, ich wüsste nicht, was ich ausgefressen haben könnte. Fon war die ganze Zeit bei mir, er wird es Euch bestätigen.“ „Davon bin ich überzeugt.“ Danach klang sie zwar nicht, doch Ilah hatte da so eine Ahnung, die sie lieber nicht aussprechen wollte. Mütter spürten sowas. Es würde sich schon irgendwie ergeben. „Oh, ich werde heute übrigens wieder rausgehen,“ fiel Iroh ein, nachdem er eine lange Weile genussvoll geschwiegen hatte. „Es ist so ein herrlicher Tag.“ „Rausgehen?“ ertönte eine strenge Stimme. „Das glaube ich aber nicht.“ Iroh schluckte schnell den letzten Bissen runter. „Vater!“ sagte er knapp, erhob sich rasch und neigte den Kopf. Feuerlord Azulon war ein hochgewachser und respekteinflößender Mann. Wenn er einen Raum betrat herrschte absolute Stille. Selbst der kleine Prinz Ozai hörte auf zu essen und starrte seinen Vater an. Die Autorität, die er ausstrahlte war fast schon beängstigend. „Vater,“ wiederholte Iroh. „Guten Morgen.“ „Prinz Iroh,“ begann Azulon, ohne auf den Gruß seines Sohnes einzugehen. „Hast du bei all dem Vergnügen überhaupt noch die Güte, deinen Pflichten nachzukommen?“ „Natürlich, Vater!“ verteidigte sich der Thronfolger hastig. „Schon gestern hat mich Sifu Lansu geprüft und meine Fähigkeiten für ausgezeichnet befunden. Außerdem habe ich meinen Bericht über die Schlacht von Garsai so gut wie fertig.“ Azulon schwieg, brummte nur resigniert. „Nun gut,“ sagte er. „Ich werde das prüfen lassen. Du darfst gehn.“ Iroh verbeugte sich und ließ sehr erleichtert den Speisesaal hinter sich. „Was haben wir gestern noch einmal gemacht, Fon?“ fragte Seine Hoheit unvermittelt, sobald er die Gemächer erreicht hatte. „Wir waren Essen und haben uns auf dem Markt die verschiedenen Künstler angesehen, Hoheit.“ „Ah, ja, natürlich. Richtig,“ grübelte der Kunstliebhaber. „Ich fürchte ich muss bald wieder in die Stadt. Ich habe gelesen, dass heute ein Zirkus kommt.“ „Sehr wohl. Wünscht Ihr, dass ich Euch begleite?“ „Aber nein, Fon. Ich weiß wie wenig dir der Zirkus liegt. Ich gehe lieber allein.“ „Wie Ihr wünscht,“ sagte Fon und verbeugte sich. Bevor Iroh den Raum verließ zwinkerten sie sich kurz zu. Er liebte diese offene Verschwiegenheit! Da er nun am hellichten Tag den Palast verlassen würde, zog Iroh eine Kapuze über den Kopf. Ohne die schützende Dunkelheit war er den Massen ausgeliefert und er hatte überhaupt keine Lust, Verursacher eines Menschenauflaufs zu sein. So schlenderte er halb vermummt über den Markt, blieb hie und da vor einem Stand stehen und besah sich die dort ausgelegte Ware, verfolgte aber jedes Mal nach kurzer Zeit wieder sein eigentliches Ziel: das Teehaus der Familie Suraya. Allein der Eingang des Teehauses der Familie Suraya war prunkvoll. Gut, längst nicht so prunkvoll wie der Palast, aber der war schließlich auch keine Messlatte. Über dem Türrahmen prangten die Zeichen für Yin und Yang. Sehr dekorativ wie Iroh fand. Und passend, immerhin sollte man beim Teetrinken die eigene Mitte finden! Beim Hindurchgehen übersah er allerdings, dass das Symbol aus zwei sich umkreisenden Fischen bestand. Drinnen war das Teehaus nicht weniger schön. Doch das schönste für den Prinzen war wohl die junge Kellnerin. Wie elegant sie sich bewegte! Und wie freundlich sie zu den Gästen war. Iroh setzte sich an einen Tisch und wartete. „Herzlich Willkommen in unserem Teehaus,“ sagte die zuckersüße Stimme plötzlich. „Was kann ich für Sie...“ Der Gast hatte die Kapuze zurückgeschoben und sie sah nun direkt in waldhonigfarbene Augen. „...tun?“ Nola schluckte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Oder doch? Irgendwie hatte sie ja schon gewusst, dass er wieder auftauchen würde. Nur jetzt schon? Hatte so ein Prinz keine anderweitigen Verpflichtungen? „Ich glaube ich hätte gern einen Jasmin,“ orderte Seine Hoheit lakonisch. Eine Weile schwiegen sie sich an. „Machen Sie sich keine Notiz?“ wollte Iroh wissen. „Oh, äh... nein nein, geht schon,“ stammelte Fräulein Suraya und machte sich schleunigst davon. Verdammt, wieso machte dieser Kerl ihr auch so sehr zu schaffen? Wollte er sie rügen, weil sie ihn unangebrachterweise angekeift hatte? Oder... was wäre wenn er etwas wusste? Sie biss sich vor Nervosität auf die Lippen. Nein, sie hatte auf jeden Fall besseres zu tun als ihm dieses Geheimnis anzuvertrauen! Ihm vertrauen? Und dann verraten werden; wo das oberste Gericht auch noch mit ihm verwandt war? Oh nein, kein Wort würde ihr vor diesem Gecken entgleiten. Sollte er nur beharrlich sein, sie würde ihn eben schmoren lassen. Leider wusste Nola nicht, wie beharrlich Prinz Iroh sein konnte, wenn er etwas wollte. Der Tee kam, die Kellnerin ging. Die Kellnerin kam, die Tasse ging; mit ihr. Außer den üblichen Floskeln war sie so warmherzig wie ein Eisberg. Auch die nächsten zwei Tage zeigte sie keinerlei Reaktion auf des Prinzen Flirtversuche. Iroh wusste, dass da was faul war. Natürlich war er zu weit gegangen, aber er war doch nicht so ein Ekel gewesen, dass sie jetzt einen Grund hatte ihn tagelang totzuschweigen! Und außerdem hatte ihr das kleine Techtelmechtel doch auch gefallen. Zumindest hatte sich ihr leises Raunen und Stöhnen danach angehört... Plan A wäre also, sie weiterhin so lange zu umgarnen, bis sie kleinbei gäbe. Plan B wäre, herauszufinden, was sie davon abhielt, mit ihm wenigstens zu reden. Und wer nimmt schon Plan A wenn es einen Plan B gibt? Da Iroh also wusste, dass er diese dritte Schlacht im Teehaus verloren hatte, bezahlte er artig und ging diesmal, zu Nolas Verwunderung, grußlos aus dem Lokal. Schade eigentlich, denn irgendwie hatten ihr diese kurzen Spielchen durchaus Spaß gemacht. Wie dem auch sei. Seine Hoheit wusste außerdem, wer für eine Spionage gut war. Fon! Wenn nicht er, wer dann? Rekrut Fon Yuhao befand sich gerade in seiner Ausbildung zum Spion der Feuernation. Er war ein Naturtalent im Verschmelzen mit den Schatten, er konnte schleichen wie eine Katze und war präzise wie ein Raubvogel. Ohne Probleme würde er dem Geheimnis Nola Surayas auf die Schliche kommen! So kam es, dass Spion Fon Tag für Tag am Teehaus herumscharwenzelte, in der Hoffnung, ein Stück brauchbare Information in die Finger zu bekommen. Mal bestellte er sich einen Tee, mal wachte er unauffällig über den Hintereingang. Nichts von dem was er tat, hätte Verdacht wecken können. Das einzig Verdächtige war, so fand Nola, dass Seine prinzliche Hoheit nicht mehr zum Teetrinken kam. Stattdessen zerstreute der jedweden Verdacht seitens des Fürstenpaares, denn das war irgendwie davon überzeugt, dass ihr Erstgeborener etwas ausbrütete. Um Vertrauen zu wecken blieb Prinz Mustermann die ganze Woche im Palast und nahm zusätzliche Geschichts- und Politikstunden. Wenn das nicht half, wusste er auch nicht weiter! Es dauerte genau fünf Tage, bis Fons Beute endlich angebissen hatte. Er war gerade dabei, eins mit der Gartenmauer zu werden, als Nola Suraya das Haus durch die Hintertür verließ. Sie trug einen Kapuzenmantel und sah auf alle Fälle sehr verdächtig aus! Ihr Blick huschte ständig von links nach rechts, während sie sich durch die Gassen schlich. Weit weniger auffällig gewesen wäre es, hätte sie die Kapuze einfach weggelassen. Aber jedem das Seine. Nun, am Stadtrand angelangt, wählte sie einen versteckten Pfad, der sie aus dem Vulkankrater herausführen würde. Fon merkte sofort, dass ihr dieser Weg vertraut sein musste, da sie ihn auf Anhieb fand. Er folgte ihr mindestens eine halbe Stunde, wie es schien, bis Nola endlich halt machte. Fon musste sich noch ein bisschen durchs Gebüsch schlängeln, eher er sehen konnte, was Nola (wie jedesmal) den Atem raubte. Sie stand am Ufer eines kleinen, fast kreisrunden Sees. Das Wasser war unglaublich klar und der Bewuchs drum herum färbte es dunkelgrün. Jeden auf dem Grund liegenden Kieselstein hätte man zählen können. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde er von einem Bach gespeist, der als schmaler Wasserfall ein paar Meter in die Tiefe rauschte. Alles in allem sah das Ganze aus wie eine Schüssel, deren Rand nur an einer von vier Seiten hochgezogen war. Es schien, als hätte sich die Landschaft drumherum angepasst, sodass sich hinter, sowie rechts und links von Nola Wald und Wiese erstreckten und vor ihr felsige Hügel empor ragten. Nach ein paar kurzen Atemzügen begann Nola, den Teich zu umrunden, bis sie an der hinteren rechten Seite einen kleinen Felsvorsprung erreichte auf dem sie weiter in Richtung des Wasserfalls kraxelte. Fon konnte gerade noch sehen, wie ihre Gestalt in einer Felsöffnung hinter dem Wasserfall verschwand. Also wenn das mal keine Heimlichtuerei war! Fon entfernte sich lautlos und rannte los gen Palast. Was wohl hinter dem Fall war? Das versteckte Hauptquartier eines antiroyalen Geheimbundes? Ein Treffpunkt für sie und ihren Geliebten? Am liebsten hätte er ja direkt selber nachgeschaut, aber dieses Privileg stand eigentlich Seiner Hoheit zu. Nach zwanzig Minuten klopfte er an die Tür der fürstlichen Gemächer. Er wurde sofort eingelassen. „Und?“ fragte Iroh unvermittelt. „Was hast du herausgefunden?“ Fon rang um Atem, er war wirklich schnell gerannt. Keuchend stemmte er die Hände auf seine Knie. „Nun sag schon,“ drängte Seine Neugierigkeit. Fon musste man auch wie üblich alles aus der Nase ziehen! „Was hast du gesehen?“ „Nicht viel, Hoheit,“ sagte der Spion endlich. „Nicht viel, und doch alles.“ „Geht's noch genauer?“ knurrte Iroh. „Was hat sie getan?“ „Sie ist aus dem Haus gegangen und hat die Stadt verlassen. Ich bin ihr eine ganze Weile gefolgt. An einem Tümpel hat sie angehalten und ist hinter einem Wasserfall verschwunden.“ „Und dann?“ Konnte der Prinz noch ungeduldiger sein? „Und nichts,“ sagte Fon. „Ich bin sofort zu Euch geeilt.“ „Wieso hast du nicht nachgesehen?“ fragte Iroh muffelig. „Weil ich Euch die Freude lassen wollte, selbst herauszufinden, was sie verheimlicht,“ erwiderte Fon pikiert. „Wollt Ihr Euch also noch länger ärgern, Sire, oder können wir gehen?“ Obwohl Iroh ein wenig enttäuscht von den mageren Informationen war, konnte er seine Vorfreude nicht verbergen. „Also los,“ sagte er und krallte sich seinen Mantel. „Gehen wir.“ Fon wäre lieber gewesen, er hätte diese Strecke wortwörtlich gehen können. Aber wenn der Thronfolger erst einmal in Fahrt war, konnte ihn nichts so schnell aufhalten. Innerhalb kürzester Zeit erreichten sie bereits besagten Tümpel, Teich, See oder was auch immer. „Du bleibst hier, Fon,“ sagte Iroh, den Blick konsequent auf den Wasserfall gerichtet. Hatte sich dahinter gerade etwas bewegt? „Immer muss ich die Arbeit machen und Ihr habt das Vergnügen,“ maulte Fon. Es war nun aber auch wirklich unfair. „Ich weiß deine Mühen zu schätzen,“ erwiderte der Prinz, „aber ich habe das Gefühl, ich muss sie allein überraschen. Dann trage auch ich die Verantwortung.“ Fon nickte nur knapp. Er deutete auf den Felsvorsprung, den das Mädchen vorher benutzt hatte und Iroh verstand. Langsam und vorsichtig, um ja nicht gehört zu werden, schlich er in Richtung Wasserfall. Zum Glück für ihn rauschte dieser ziemlich laut, denn mehrere Male rutschten ein paar Steine hinab und platschten in den See. Doch in der Höhle schien niemand etwas zu ahnen. Perfekt. Iroh stand nun mit dem Rücken zur Felswand direkt neben dem Höhleneingang. Er hörte fließendes, plätscherndes Wasser, sowie schlurfige Schritte auf dem steinernen Boden. Iroh nahm einmal tief Luft und lugte vorsichtig um die Ecke. Dort war tatsächlich Nola, doch sie sah anders aus als sonst und Iroh konnte nicht umhin, sie ausgesprochen beeindruckend zu finden. Ihre dunklen Haare hatte sie zu einem strengen Zopf gebunden und ihre Kleidung war eng anliegend, schlicht und schwarz. Kein raffinierter Kimono wie in der vergangenen Woche. Und was sie da tat, ließ Iroh fast vergessen zu atmen. Sie bändigte. Und zwar kein Feuer! Das sanfte Rauschen und Plätschern wurde von dem Wasser verursacht, dass sie elegant durch die Luft wirbeln und kreisen ließ. Es sah geradezu meditativ aus, wie sie ihre fließenden Bewegungen durchführte. Iroh war fasziniert. Noch nie hatte er einen Wasserbändiger gesehen. Zumindest niemanden, der keinen Abbildungen aus Büchern entsprang. Und dieses Exemplar hier war auch noch etwas ganz besonderes. Seine Nola, eine Wasserbändigerin! Unglaublich. Und das auch noch mitten in Tiram Agni. Eine Verschwörung? Ein geplantes Attentat? Oder einfach nur Zufall? Seine Hoheit war sprachlos; und das war auch gut so, denn alles andere hätte seine Position preisgegeben. Was sollte er bloß tun? Ihr Geheimnis zu offenbaren wäre unklug. Würde sie verwiesen oder gar festgenommen hätte Iroh ihr Urteil unterzeichnet und jede Chance ihr nahe zu kommen zunichte gemacht. Wahrscheinlich würde er sie nie mehr haben können. Und Agni stehe ihm bei, das wollte er! Diese Augen hatten ihn seit dem ersten Treffen jede Nacht verfolgt, sie glitzerten in seinen Träumen und spielten mit seinen Gefühlen. Darüber hinaus machte sie die Tatsache, dass sie eine Wasserbändigerin war, zur verbotenen Frucht und niemand, der noch bei Sinnen war, könnte sich sowas entgehen lassen. Je länger Iroh nachdachte, desto mulmiger wurde ihm. Vielleicht sollte er einfach mal Taten walten lassen. Er atmete tief durch und verließ sein Versteck. „Wusste gar nicht, dass du auf Wasserspielchen stehst,“ schnurrte er sanft und es klang selbstbewusster, als er tatsächlich war. Nola zögerte gar nicht erst. Sie wirbelte herum und schleuderte ihrem Verfolger einen Schwall eiskalten Wassers entgegen. Doch Iroh trainierte nicht umsonst täglich. Prompt folgte seine Reaktion und besagtes Wasser verdampfte vor seinen Augen. Die Verursacherin dieses ersten Angriffs dampfte ebenfalls. Vor Wut! „Du..“ knurrte sie und nahm ihre Kampfposition ein. Iroh tat es ihr gleich. Obwohl er nicht vorhatte ihr wehzutun, konnte er nicht zu hundert Prozent sagen, dass sie die gleiche Einstellung an den Tag legte. Wie sich herausstellte, tat sie es nicht. Die nächste Attacke kam in Form vieler kleiner messerscharfer Eissplitter und Iroh musste zur Seite abrollen, um aus der Schussbahn zu geraten. Leider konnte er ihren Worten nicht ausweichen. „WAS,“ schrie sie; eine Wasserpeitsche - „ZUR HÖLLE“ - eine ziemlich heftige Welle, die genau traf - „MACHST DU“ - sie ließ das Wasser an ihm gefrieren - „HIER?“ Seine Hoheit musste sich eingestehen, dass diese süße Teekellnerin ihm gerade ganz schön schnell den Garaus gemacht hatte. Sein Ego beschwichtigte ihn mit der Tatsache, dass er ohne sich zu verteidigen geschlagen worden war. „Nola,“ fing er an, „ich habe keine bösen Absichten. Vertrau mir.“ Aber Nola lachte nur ungläubig. „Dir vertrauen? Dir und deiner Familie? Deiner Familie, die es geschafft hat, in den letzten sechzig Jahren das Gleichgewicht unseres Planeten zu zerstören? Nenn mir einen Grund, warum ich dir trauen sollte!“ Während sie das sagte, betonte sie überdeutlich das respektlose Du. Doch Iroh störte das nicht. „Bitte,“ sagte der nur kleinlaut. „Du musst. Ich weiß doch ohnehin schon, dass du eine Wasserbändigerin bist. Was hast du zu verlieren, wenn du dich mir anvertraust?“ „Mein Leben habe ich zu verlieren. Meine Freiheit.“ „Und was, wenn ich anders bin als meine Vorväter?“ Nola schnaubte. „Anders, das ich nicht lache! Deine ganze Sippe ist ein Haufen von Kriegstreibern. Warum solltest ausgerechnet du anders sein?“ „Ich,“ begann Iroh. „Weil die anderen sich noch nie in die Nacht verguckt haben.“ Innerlich schlug sich Prinz Poet vor die Stirn. So einen Schwachsinn hatte er selten von sich gegeben. Doch scheinbar schien es zu wirken, denn binnen einer Sekunde veränderte sich der Blick seiner Auserwählten von wütend und ängstlich zu überrascht und gerührt. Allerdings hielt das nicht lange an. „Klar stehst du auf mich. Alle kleinen Jungs tun das. Ich wär ne nette Trophäe, stimmt's? 'Oh, er hat's mit der Kellnerin getan und sie gleich danach einbuchten lassen. Habt ihr schon gehört, dass sie ne illegale Wasserbändigerin ist?' Na, das wär toll für dich, was?.“ Nolas Stimme klang bedrohlich und Iroh hatte keine Ahnung, wann sie ihn endlich aus dieser unangenehmen vereisten Lage befreien würde. Doch so schnell würde er nicht aufgeben. „Was kann ich tun, damit du mir vertraust?“ „Schon die Frage ist falsch,“ zischte Nola. „Die Frage sollte lauten, was du hättest anders machen können. Wie wäre es gewesen, erst einmal mit mir zu reden, anstatt mir so hinterlistig aufzulauern?“ „Du hast doch kein Wort mit mir gewechselt,“ rief Iroh zu seiner Verteidigung. „Da magst du recht haben,“ sagte Nola bitter. „Ich habe eben meine Vorurteile. Ich kann es nicht riskieren, mich in irgendeiner Form mit jemandem wie dir einzulassen.“ Ihre eigenen Worte versetzten ihr einen Stich. „Mir ist egal ob du dich mit mir einlässt,“ log Iroh. „Aber kannst du mich wenigstens aus diesem Eiskäfig befreien? Es ist verdammt kalt. Bevor du was sagst, ich werde dich nicht angreifen. Ich könnte dir überhaupt nicht wehtun. Und sollte ich wegrennen wollen müsstest du nur den Wasserfall dicht machen.“ Nola musste sich eingestehen, dass er richtig lag. Sie hatte viel trainiert; in Sekunden wäre er wieder in Eisketten gelegt. Sie nickte und ließ Iroh frei. „Puh, endlich,“ sagte er und rieb sich die Oberarme. „Danke.“ Doch Nola schnaubte nur verächtlich. Seltsamerweise tat es ihr weh, so unfair zu ihm zu sein. Im Grunde genommen hatte er ja auch nichts getan. Aber was wäre wenn noch etwas käme? Obwohl Nola so sehr davon überzeugt gewesen war, den Prinzen auf schnellstem Wege in die Stadt rennen zu sehen, um die Neuigkeit zu verbreiten, war sie nicht überrascht, als sie sah, dass er sich auf dem nächstbesten Stein niederließ. Setzen könnte sie sich jetzt ganz bestimmt nicht. Aufgebracht tigerte sie umher und ließ ihr Gegenüber keine Sekunde aus den Augen. Eine ganze Weile sagte keiner von beiden ein Wort. „Ich weiß, dass ich der Sohn des Feuerlords bin,“ begann Iroh schließlich. „Aber ich bin auch nur ein Mensch.“ Nola sagte immer noch nichts. „Ich weiß auch, dass du mir nicht trauen kannst und willst. Deshalb verspreche ich dir hiermit“ - er legte seine rechte Hand auf die linke Brust, - „dass ich niemandem von deinem Geheimnis erzählen werde. Mein engster Vertrauter, Fon, wird es wahrscheinlich auch so herausfinden, denn immerhin war er es, der dich gefunden hat. Aber ihm wird nichts über die Lippen kommen, genauso wenig wie mir.“ Nola ging weiter auf und ab. Sie war skeptisch, aber sie hörte zu. „Ich kann dir keinen Pfand da lassen, denn kein Gold der Welt wäre deine Freiheit wert. Sollten eines Tages Soldaten vor deiner Tür stehen, wirst du Bescheid wissen. Sollten sie es aber niemals tun, wirst du auch Bescheid wissen. Und mir hoffentlich Vertrauen schenken.“ Nola Suraya wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie würde diesem schönen Prinzen am liebsten ihr Herz öffnen und ihm ihr Vertrauen in Seidenpapier inklusive hübscher Schleife überreichen. Nur ihre Vernunft appellierte an sie. Es könnte so viel passieren. Doch sie hatte keine Wahl. Er wusste schließlich schon so ziemlich alles. Was sollte sie tun, ihn für immer und ewig hier festhalten? Nola lachte in sich hinein und schickte die Vernunft in die Wüste. „Also gut,“ sagte sie und Irohs Augen begannen zu leuchten als sie das sagte. „Ich vertraue ab sofort darauf, dass du den Mund hälst.“ Seine Hoheit scherte sich nicht um diesen Ausdruck. Im Gegenteil, er fing an, breit zu grinsen. „Herrlich!“ sagte er nur und stand auf. „Wann sehen wir uns wieder?“ Nola hörte wohl nicht schlecht! „Wiedersehen?“ rief sie verwirrt. „Ich dachte wir hätten gerade was abgemacht!“ „Wir haben abgemacht, dass ich nichts ausplaudern werde. Nicht, dass wir uns nie wieder über den Weg laufen können.“ Die Wasserbändigerin schwieg. In ihrem Inneren tobte ein Kleinkrieg. Natürlich hatte sie sich in ihn verguckt. Und wie! Aber ihm den Triumph gönnen? „Ich sollte manchmal weniger stolz sein,“ lenkte sie schließlich ein. „Perfekt! Es gibt nur ein Problem,“ grübelte Iroh. „Wenn ich nichts sagen soll, darf ich auch nicht negativ auffallen. Ich werde meinen Pflichten mehr als sonst nachgehen müssen, damit niemand Verdacht schöpft. Darum können wir uns auch nicht oft sehen. Sagen wir, einmal die Woche?“ „Jeden fünften Tag der Woche?“ schlug Nola vor. Sie war wie ausgewechselt und konnte sich selber nicht erklären, warum sie auf einmal so voller Vorfreude war. „Abgemacht,“ sagte der Kronprinz und verbeugte sich, wobei er, die Arme horizontal vor der Brust, die rechte Hand zur Faust ballte und seine linke vertikal an den Handrücken der rechten hielt; der respektierende Gruß. Kapitel 3: Von Sitten und Pflichten ----------------------------------- Fon wusste nicht mehr weiter. Irgendwie schien es, als hätten Iroh und er die Rollen getauscht. Auf einmal war es der Diener, der dem Prinzen jede noch so kleine Kleinigkeit aus der Nase ziehen musste. "Nun sagt schon, was ist passiert?" "Nichts besonderes." "Ich würde es doch so oder so rausfinden." "Da bin ich mir sicher." Der Spion blieb stehen um ein paar tiefe Atemzüge zu tun. Dass Seine dickköpfige Hoheit auch immer so ein Tempo vorlegen musste! "Was ist?" wollte Iroh wissen. "Was ist?" echote Fon. "Was ist, ist dass ich gerne für dich arbeiten kann, aber sobald es interessant wird, erfahre ich überhaupt nichts!" Nachdem ihm das letzte Wort über die Lippen gekommen war, schlug sich der Diener die Hand vor den Mund. "Verzeiht, Hoheit, ich wollte nicht..." stammelte er nur. Doch Iroh Tatzu grinste. Solche Entgleisungen passierten selten und auch nur dann, wenn Fon Yuhao äußerst wütend oder beleidigt war. "Schon gut, Fon," sagte der Prinz amüsiert, "ich erzähle dir alles. Sonst würdest du mir womöglich noch nachspionieren." Das mit der Spionage war Agni sei Dank bei Fräulein Nola nicht mehr nötig. Deshalb war Iroh die ganze Arbeitswoche über auch verhältnismäßig entspannt. Er war sichtlich gut gelaunt und erfüllte seine Pflichten ohne sich zu beschweren (abgesehen davon würde er es nie wagen, tatsächlich einmal bei seinem Vater eine Beschwerde einzureichen). Statt abends auszugehen blieb er im Palast und genoss seine Musikstunden - Tsungi Horn spielte er am liebsten. Es war ein lauer Sommerabend, als sich Iroh guter Dinge auf den wohlbekannten Weg zum vereinbarten Treffpunkt machte. Das zweite Mal, da er die Höhle hinter dem Wasserfall betrat, wurde er wesentlich freundlicher begrüßt als bei seinem Debüt vor ein paar Tagen. "Hallo," sagte Nola in einem dunklen aber warmen Tonfall und neigte sacht ihr Haupt. Sie trug die gleichen schlichten Kleider wie bei ihrem letzten Treffen. "Einen wunderschönen sonnigen Spätnachmittag wünsche ich," strahlte Iroh. "Wie geht es dir?" Der Fürstensohn setzte sich auf den nächstbesten größeren Stein und sah Nola erwartungsvoll an. "Gut," sagte sie verlegen. Eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort. Es war diese seltsame, peinlich berührte Stille, die zwischen den beiden im Raum schwebte. Das überstürzte erste Aufeinandertreffen, das wahnwitzige Wiedersehen; und jetzt diese gut geplante Verabredung zum, na was denn nun eigentlich? Diese totale Unwissenheit gepaart mit der durchaus vorhandenen sexuellen Spannung machte jene Begegnung zu einem mehr als unangenehmen Ereignis. Und trotzdem fühlten sich Iroh und Nola in der Gegenwart des jeweils anderen merkwürdig wohl. Das allerdings half auch nicht dabei, Worte zu finden. Doch Nola fasste sich schließlich ein Herz und sprach aus, was ihr schon seit Minuten auf der Zunge gelegen hatte: "Du bist doch sicherlich wegen etwas anderem hier als um nach meinem Befinden zu fragen, stimmt's?." Da Iroh sie nicht unterbrach sondern nur fragend ansah, fuhr sie fort: "Nun, wir können natürlich auch über's Wetter reden, aber du willst doch bestimmt lieber wissen, wie es dazu kommt, dass eine Bande vom Wasserstamm mitten im Krieg in der Hauptstadt der Feuernation landet." "Nun... ja," gab Iroh zu. Diese Neugier plagte ihn tatsächlich seit einigen Nächten. "Also," murmelte Nola und atmete kräftig aus. "Wo fange ich an?" Sie setzte sich nun ebenfalls, zögerte einen Augenblick, und begann dann zu erzählen: "Meine Großeltern väterlicherseits kommen vom Nördlichen Wasserstamm. Beide sind Wasserbändiger, doch nur meinem Großvater war diese Kunst erlaubt. Die Sitten im Norden sind sehr streng und Frauen dort ist es verboten, zu bändigen. Ihre Kräfte werden einzig und allein auf das Heilen reduziert." Nolas Mine verhärtete sich bei diesem freiheitsraubenden Gedanken. "Keyna, meine Großmutter, war unsagbar wütend und traurig, dass sie das, was sie war, nicht entfalten konnte. Sie fühlte sich unvollständig, wenn sie nicht bändigen durfte. Ihre Eltern waren sehr konservativ und ihre Mutter konnte ihr Problem nicht nachvollziehen, weil sie keine Bändigerin war. Einzig und allein mein Großvater, Huroka, hielt zu ihr. Er liebte sie so sehr, dass er bereit war, mit ihr die gemeinsame Heimat zu verlassen, damit Keyna frei sein konnte. Sie schmiedeten einen Plan, doch dann brach der Krieg aus und alles schien zunichte gemacht. Ihr Ziel war natürlich der Südpol gewesen, wo andere Sitten herrschen." "Warum sind sie dann bitte hierher gekommen?" fragte Iroh neugierig. Obwohl er fand, dass er ziemlich erwachsen war, hörte er bei alten Geschichten immer so aufmerksam zu wie ein wissbegieriges Kind. "Das Auge des Sturms," sagte Nola. "Am sichersten ist es im Auge des Sturms. Wo werden Wasserbändiger am wenigsten vermutet? Im Land des Feindes natürlich. Sie wussten, dass die Feuernation nach Bändigern anderer Elemente fahndete – doch die würden vermutlich nie auf die Idee kommen, in unmittelbarer Nähe des Palastes zu suchen. Also ließen Huroka und Keyna den Nordpol hinter sich und machten sich auf den Weg nach Tiram Agni. Es würde unter normalen Umständen unmöglich für sie werden, die Grenze zu passieren. Deshalb gaben sie sich als fahrende Teehändler aus, mit dem Wunsch, in der 'glorreichsten aller Städte' ein Lokal aufzumachen. Wie du weißt, hat es funktioniert." "Und jetzt... bist du hier," sinnierte Seine Hoheit. "Genau. Jetzt bin ich hier. Mein Vater heiratete eine Frau hier aus Tiram Agni. Und ich... ich bin eine Bändigerin, genau wie meine Großeltern." "Wow," sagte Iroh und er klang tatsächlich beeindruckt. "Und ich dachte erst du würdest einer Art Untergrundorganisation angehören." Nola kicherte zum ersten Mal seit zwei Wochen wieder in Irohs Gegenwart. "Untergrundorganisation?" "Allerdings! Mit geplanten Attentaten und allem was dazu gehört." Das Mädchen lachte herzlich. "Wir und ein Attentat?" giggelte sie. "Der Wasserstamm ist friedlich und so sehr wir den Krieg verabscheuen, wir würden nicht auf die Idee kommen, hier irgendetwas in der Art zu veranstalten." "Erzähl' mir vom Wasserstamm" forderte Iroh unvermittelt. Er hatte schon immer ein gewisses Faible für die anderen Elemente gehabt, doch nie hatte er Literatur gefunden, die aus der Sicht von Einheimischen geschrieben worden war. Zugegeben, Nola war gebürtig in der Feuernation, doch nichtsdestotrotz gehörte sie den Wasserstämmen an. "Nun ja," sagte Nola. "Wo fang ich an? Die Geschichte meines Volkes ist uralt. Man sagt, der Mond sei der erste Bändiger des Wassers gewesen, weil er die Gezeiten schuf; Ebbe und Flut, Sog und Schub. Das Symbol der Balance ist sehr wichtig für uns. Wir wissen, dass es immer zwei Seiten gibt im Leben; Wasser und Feuer, Erde und Luft, Licht und Schatten. Der Geist des Mondes und der Geist des Ozeans haben sich einst am Nordpol in weltlicher Form niedergelassen. Sie umkreisen sich seit jeher in einem ewigen Tanz." "Ein ewiger Tanz?" fragte Iroh skeptisch und runzelte die Stirn. "Oh ja," antwortete die Wasserbändigerin. "Es sind Fische; Tui und La." "Verstehe..." murmelte der Prinz. Einen Augenblick lang sagte keiner von beiden ein Wort, denn irgendwie schienen sie in ihren eigenen Gedanken versunken zu sein. "Ach so!" sagte Iroh plötzlich. "Das Yin und Yang Zeichen über der Tür eures Teehauses! Es sind zwei Fische, richtig?" Nola nickte und grinste. "Gut erkannt," bestätigte sie ihm. "War das nicht riskant?" fragte Iroh unvermittelt. "Riskant? Was, dass die Fische uns verraten könnten?" Nola lächelte. "Nein. Die Menschen sind unachtsam. Sie übersehen vieles was ihnen begegnet oder sie können es nicht verstehen. Hast du denn bemerkt, dass es Fische sind? Und wenn ja, hättest du ihre Bedeutung erkannt? Dass selbst der Kronprinz von Tui und La nichts weiß, bestätigt doch nur, dass diese Geschichte auch den anderen Menschen der Feuernation unbekannt ist." "So sieht es aus," schnaubte Iroh. "Meine Vorfahren hatten nie viel übrig für die anderen Elemente. Anscheinend fühlten sie sich so überlegen, dass sie es nicht für wichtig hielten, sich mit ihnen auseinander zu setzen." "Ja, anscheinend..." sinnierte Nola und starrte an die Höhlendecke. In ihrem Kopf rasten die Gedanken. Sie verspürte den Drang, den Prinzen nach dem Krieg zu fragen; was er davon hielt. Irgendwie musste sie einfach wissen, ob er ein Freund oder ein Feind war. Aber sie konnte nicht. So wie Iroh sich ihr gegenüber verhielt, konnte er einfach nicht so sein wie der Rest seiner Sippe. Und was wenn doch? Nola biss sich auf die Lippen. Es schien ihr das vernünftigste zu sein, erst einmal gar nichts darüber zu sagen. Im Moment gab es nichts, was sie ausrichten konnte. Stattdessen beschloss sie, nicht von der persönlichen Ebene abzuschweifen. "Was ist eigentlich mit dir?" fragte sie schließlich. "Von dir weiß ich bisher herzlich wenig. Nur, dass du trinkfest bist und gerne fremden Mädchen nachspionierst." Iroh grinste. "Nicht jedem Mädchen," sagte er. "Aber ansonsten hast du schon Recht. Ich gehe gerne aus. Im Palast ist es nämlich oft kaum zum aushalten. Diese ganzen Erwartungen sind ziemlich anstrengend, weißt du? Jeden Tag muss ich trainieren. Ich werde im Feuerbändigen und im Nahkampf geschult. Ich lerne Strategien und Taktiken, um eines Tages ein großer Eroberer zu werden." - Nola schluckte, sagte aber nichts. - "Dazu kommt mein Politik-, Geschichts- und Wirtschaftsstudium; Kulturwissenschaften nicht zu vergessen, allerdings nur die der Feuernation, alle anderen Kulturen interessieren nun mal nicht." Bemerkte Nola eine Spur Sarkasmus in seiner Stimme? Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. "Wow, das klingt nach einem straffen Zeitplan," sagte sie. "Oh ja," bestätigte Iroh und seufzte. "Deshalb gehe ich so oft in die Stadt. Allerdings hält das auch nicht lange vor. Der Stress holt mich immer wieder ein." "Dann solltest du etwas tun, was dich entspannt," schlug Nola vor. "Also etwas, was dich wirklich entspannt; kein Alkohol, sondern Meditation." "Und wie das? Alles was ich lerne ist, wie ich Aggressionen aufbauen und in Feuer umwandeln kann." "Hast du es schonmal mit Wasserbändigen versucht?" fragte Nola und zwinkerte Iroh verheißungsvoll zu. "Was meinst du denn damit?" Iroh starrte sein Gegenüber verwirrt an. "Nun, Wasserbändigen basiert wie gesagt auf Gegensätzen. Ozean und Mond sind wie zwei verschieden gepolte Magneten: sie ziehen sie sich an. Man könnte auch sagen, es gibt positive und negative Energie. Sie sind unterschiedlich und doch ergeben sie eine Einheit. Wir nennen das "Chi". Wenn wir kämpfen, machen wir uns das Chi unseres Gegners zu nutze. Das ist weniger anstrengend für uns und wir profitieren davon, dass der Gegner müde wird. In der Ruhe liegt die Kraft. Etwas Ähnliches gilt für Meditation. Wir versuchen, das Chi, das uns umgibt, bewusst wahrzunehmen und uns den Energieströmen zu fügen. Dabei spüren wir auch unser körpereigenes Chi. Das bringt uns unserem Umfeld und unserem Selbst näher und wir entspannen uns." "Wenn du davon erzählst, klingt es so verlockend einfach," sagte Iroh, sichtlich fasziniert. "Aber wie genau funktioniert das?" "Wie wär's wenn ich dir das in einer Woche zeige?" schlug Nola mit einem Blick nach draußen vor. Es dämmerte bereits. "Ich möchte zum Essen zu Hause sein." Iroh nickte und horchte in sich hinein. Nola hatte eine richtige Familie. Eine Familie, die sich ganz selbstverständlich zum Abendessen traf. Für Iroh war das alles andere als selbstverständlich. Seit sein Bruder auf der Welt war, hatte sich alles verändert. Aber selbst davor war nichts wirklich gewesen wie in anderen, normalen Familien. "Eins verstehe ich immer noch nicht," begann Iroh unvermittelt. "Deine Großeltern haben die Heimat verlassen, damit sie frei sein können. Aber hier waren sie doch eigentlich auch nicht frei, oder? Sie mussten trotzdem eine Fassade aufrecht erhalten." Scheinbar liebte er es, das Thema zu wechseln. "Ja, das stimmt wohl," seufzte Nola. "Allerdings war meiner Großmutter die Vorstellung eines geheimen Lebens angenehmer, als in der Öffentlichkeit seiner Freiheit beraubt zu sein. Hier ist sie mehr sie selbst, als in der Heimat. Das Bändigen ist, wie du sicher weißt, ein Teil unserer Seele. Dürfen wir das nicht ausleben, stirbt dieser Teil in uns. Und hier in der Feuernation weiß niemand davon. Niemand, gut, außer dir, hat sich bisher gefragt, wo wir ab und an hingehen. Es fällt niemandem auf, weil es niemanden interessiert. Am Nordpol hingegen würde jedermann sofort skeptisch, sollte eine Frau gelegentlich für ein paar Stunden verschwinden. Es wäre so offensichtlich." "Und wie ist es für dich?" wollte Iroh wissen. "Kommst du denn damit zurecht, dass alles so geheimnistuerisch ist?" Nola antwortete nicht. Wenn sie ehrlich zu sich war, hielt sie es kaum aus. Eher würde sie der ganzen Stadt zeigen, wer sie wirklich war; lieber kämpfen, als sich zu verkriechen. "Ich bin gerne geheimnisvoll," sagte sie, doch Iroh bemerkte ihre Unaufrichtigkeit. "Das glaube ich dir nicht." Nola funkelte ihn an. "Du bist niemand, der sich verstecken muss," fügte er hinzu. "Ja und?" rief Nola aufgebracht. Sie sollte wirklich lernen, ihr Temperament zu zügeln. "Dann bin ich eben so. Aber was soll ich denn auch tun? Ich gehöre nunmal hierher, in diese vermaledeite, scheinfriedliche Stadt. Ich gehöre eben zu meiner Familie." "Sei froh, dass du so denkst," schnaubte Iroh. "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich zu meiner Familie gehöre." "Wieso das denn?" Nola war erstaunt. Würde er jetzt tatsächlich das Kriegsthema ansprechen? "Nun ja, von außen her könnte man meinen, es sei alles in Ordnung," fing Iroh an. "Aber das ist es nicht. Bis mein Bruder zur Welt kam, war alles so gut wie normal. Vater, Mutter, Kind. Natürlich, mein Großvater starb, als ich noch nicht auf der Welt war, deshalb kenne ich meinen Vater nur als Feuerlord Azulon. Und trotzdem, meine Kindheit war nahezu durchschnittlich. Mein Vater hat meine Fortschritte im Bändigen immer sehr gelobt und meine Mutter war auch für mich da. Ich war der perfekte Thronfolger. Ich war brav, kam meinen Pflichten nach und lernte fleißig. Im Grunde mache ich das auch jetzt noch. Nur dann kam Ozai zur Welt und alles hat sich verändert. Nein, das habe ich falsch formuliert. Ich habe mich verändert." Iroh atmete kurz und heftig aus, dann fuhr er fort: "Weißt du, es geht nicht um den Altersunterschied. Es geht auch nicht darum, nicht mehr das einzige Kind zu sein. Es geht darum, dass meine Eltern, vor allem mein Vater, Ozai seelisch total vernachlässigen. Sie gehen ganz anders mit ihm um als damals mit mir. Er erfährt schon die gleiche Erziehung, denn die Aufpasser für ihn sind teilweise sogar die selben wie bei mir damals. Aber mein Vater ignoriert ihn die meiste Zeit und meine Mutter kommt nicht damit zurecht, dass Ozai ein recht impulsiver, leicht reizbarer Junge ist. Statt also Grenzen zu setzen und ihm Liebe zu schenken, ignoriert sie ihn ebenfalls. Das heißt, er kann sich so gut wie alles erlauben, denn meine Eltern sehen einfach darüber hinweg. Es ist ihnen egal. Und wenn mal wirklich etwas passiert, wird mein Vater schnell handgreiflich. Ozai hat Angst vor ihm, ich hingegen habe Respekt. Das ist ein großer Unterschied. Meine Vermutung ist, dass Ozai für meinen Vater nur einen Ersatzerben darstellt." Irohs Tonfall wurde zunehmend giftiger. "Du weißt schon, falls mir was zustößt. Ein Bruder als Lebensversicherung. Ist das nicht pervers?" Nola sagte nichts. Sie kannte sich nicht gut aus mit dem Herrscherhaus, doch sie hätte auch nicht erwartet, dass man dort so fahrlässig mit Kindern umging. "Das tut mir Leid für deinen Bruder," sagte sie schließlich. "Ja," seufzte Iroh. "Mir tut er auch Leid." Stille. "Lass uns über was anderes reden," schlug der Kronprinz vor. "Nun, ich wollte eigentlich gehen," murmelte Nola verlegen. "Also schön, lass uns aufbrechen." Seine Stimme klang auf einmal unnatürlich heiter. Die ersten Minuten des Gehens verbrachten Iroh und Nola typischerweise schweigend, dann fingen sie wieder an belebt zu reden. Sie sprachen über Leibspeisen, Tierkreiszeichen und Namen; Belanglosigkeiten, so schien es. "Mein Name ist eine Kurzform von Fiennolah. Fiennolah ist der Sage nach das vierte von elf Kindern des Ozeansgeistes gewesen. Sie war eine Kämpferin, stolz, treu und klug." "So wie du," unterbrach sie Iroh und blieb stehen. Nola errötete. Sie sagte nichts. Stattdessen schaute sie in seine bernsteinfarbenen Augen. An ihrer Oberfläche funkelten sie so freundlich und lebensbejahend. Aber tief in ihrem Inneren war noch etwas. Etwas, das größer und stärker war. Dort waren sie dunkler und sahen Nola durchdringend an. Was machte er bloß mit ihr? Ein ähnlicher Gedanke schoss Iroh durch den Kopf: was machte sie bloß mit ihm? Ihre geheimnisvolle Art fesselte Iroh so sehr, dass er sich ihrem Blick beinahe unterworfen fühlte. Es war, als würde er von einer größeren Macht gezwungen, hinein zu sehen und für ihn war das das schönste auf der Welt. Weg war sie, die Arroganz, der Stolz, die Selbstsicherheit. Bei ihr brauchte er das alles nicht. Er brauchte nur sie und diese wunderschönen blauen Augen. Er brauchte sie als Gegenstück zu ihm selbst. Ihre geröteten Wangen wirkten so zart, ihre leicht geöffneten Lippen weckten ungeahnte Sehnsüchte. So gerne würde er sie wieder berühren. Warum tat er es nicht gleich? Es war diese Angst, wieder zurückgestoßen zu werden. Doch wusste er es nicht eigentlich besser? Immerhin sagte ihre Mimik auch schon alles. 'Du kannst sie nicht haben' sagte eine gebieterische Stimme in Irohs Kopf. 'Sie ist deines Namens nicht würdig. Du kannst sie nicht haben.' "Ich muss gehen," sagte Iroh plötzlich. Irgendwas in seiner Stimme zitterte. Es war inzwischen Nacht geworden. "Wir sehen uns in einer Woche." Mit diesen Worten ließ er die bedröppelte Nola stehen und lief die letzten Kilometer so schnell ihn seine Beine trugen. Kapitel 4: Feuer und Wasser --------------------------- "Dieses Weib macht mich fertig!" Iroh nahm den Stein des grünen Drachen und setzte ihn wahllos auf das Spielbrett. Seine Gedanken waren jetzt bestimmt nicht bei Pai Sho. "Ihr habt also immer noch nicht...?" tastete sich Fon heran. Statt einer Antwort bekam er nur ein Schnauben zu hören. "Das heißt wohl Nein," schloss er. Fon schob, der Taktiker der er war, einen Rubinstein direkt neben Irohs zuletzt gesetzten. "Pai," sagte er schlicht und Iroh schlug sich die Hand vor die Stirn. "Ach scheiße," entfuhr es dem Sohn Seiner Lordschaft. "Ich bin überhaupt nicht mehr bei der Sache, Fon!" Fon Yuhao sagte nichts, er sah den Prinzen nur mitleidsvoll und auffordernd an. Dieser kam der Aufforderung nach und fuhr fort: "Seit Wochen treffe ich mich schon mit ihr und es ist noch immer nichts passiert! Nun ja, es ist ja nicht so, als sei es nicht schön, einfach nur bei ihr zu sein, aber ich will mehr! Das schlimmste ist, wir fassen uns an wenn wir zusammen trainieren und meditieren. Und jede Berührung ist eine Qual für mich. Dieses vermeintlich platonische Beisammensein reicht mir nicht, verstehst du? Es ist die Hölle, so nah bei ihr zu sein, und doch nicht... ach verdammt!" Das letzte Wort entfuhr ihm laut und zur Untermalung nahm er einen Pai Sho Stein vom Brett und pfefferte ihn quer durch das Gesellschaftszimmer. Fon sah sich in der Position, diese Angelegenheit zu kommentieren. "Wartet ab, Hoheit," sagte er gelassen. "Morgen ist ein neuer Tag. Es ist Euer Geburtstag um genau zu sein." Keine Reaktion. "Vielleicht hat das Fräulein ja ein ganz exklusives Geschenk für Euch," fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Iroh seufzte. "Ich wünschte es wäre so." Eine Weile sagten sie gar nichts. Dann räusperte sich Fon und man konnte an seiner Stimme hören, dass es ihm äußerst unangenehm war, zu fragen. "Sagt mal, ist sie eigentlich, nun ja, hat sie schon einmal..." "Keine Ahnung," sagte Seine Hoheit forsch. "Und wenn schon, hab ich ja auch. Es ist mir gleich. Ich würde sie so oder so heiraten." "Das wäre meine zweite Frage gewesen," sagte Fon, sichtlich erleichtert, dass der Thronfolger von alleine auf das Thema gekommen war. "Wie soll ich es anstellen, Fon?" fragte Iroh und seine Stimme klang ratlos. Der Angesprochene schien verblüfft. "Das fragt Ihr mich? Seit wann weiß ich in Liebesdingen mehr als Ihr?" Der Prinz lächelte matt. "Ich weiß ganz genau, was da zwischen dir und Zhen vorgeht. Spionagezwecke, Fon, ich bitte dich." Iroh grinste schelmisch, Fon verlegen. "'Hoheit, vielleicht weiß sie etwas über Nola'," äffte Iroh seinen Diener nach. "Also, was läuft da?" Fon machte Plüschaugen. "Ich hab mich direkt in sie verliebt," seufzte er. "Da in der Bar, wisst Ihr? Sie saß am selben Tisch" – "Fon! Ich weiß es doch," warf Iroh mit einem Augenzwinkern ein. "Zhen ist Nolas beste Freundin. Natürlich hat sie mir von euch erzählt. Ich sagte doch, zwischen uns ist bisher nur nichts... kopulatives passiert. Aber wir stehen uns trotzdem sehr nah." Fon machte Anstalten, etwas zu sagen. Es klang beinahe entschuldigend. "Hab ich da gerade das Wort 'Erlaubnis' gehört?" knurrte Iroh. "Naja," sagte Fon, "Ich sollte nicht leichtfertig meine Zeit mit Mädchen verbringen, immerhin hab ich eine Aufgabe und es ist mir eine Ehre, Euch zu die -" "Jeder von uns hat das Recht auf ein Privatleben, Fon!" wandte Iroh ein. "Und wage bloß nicht, zu widersprechen," fügte er leise hinzu, als Fon schon wieder ansetzte, etwas, wie Seine Hoheit fand, Schwachsinniges, zu faseln. "Ich freue mich für dich." Der Kronprinz lächelte seinen besten Freund an. Er freute sich wirklich. Irohs Geburtstagfrühstück fiel üppig aus. Trotzdem aß er so gut wie nichts. Verliebte Menschen haben keinen Appetit, sagt man. "Und da du nun volljährig bist," hörte er seinen Vater sprechen, "wünsche ich, dass du der nächsten Kriegsratssitzung beiwohnst." Iroh nickte zum Zeichen, dass er hörte. "Sei morgen vormittag im Thronsaal." "Jawohl, Vater," sagte der Prinz gehorsam und verbeugte sich. Der Kriegsrat. Davon hatte Iroh insgeheim immer geträumt. Dort dabei zu sein, wo die Fäden gezogen werden. Er hatte schon immer ein Teil davon sein wollen. Und jetzt? An den Krieg zu denken, versetzte ihm einen Stich. Krieg bedeutete, die anderen Nationen zu seinen Feinden zu zählen; Nola zu seinen Feinden zu zählen. Nola. Iroh ließ die letzten Wochen Revue passieren. Es erschien ihm wie in einem Traum. Ihre Herzen wuchsen immer enger zusammen. Iroh spürte, wie Nola ihm immer mehr vertraute und vertrauter wurde. Keine Geheimnisse mehr, nur die seelische Nacktheit zweier einsam, zweisamer Menschen. Das gemeinsame Meditieren machte sie völlig schutzlos für einander. Auf der anderen Seite schirmte es den Prinzen von seinem Leben am Hofe ab. Er tat zwar alles wie gewohnt und wie geheißen, doch er ließ seinen Geist nicht mehr von banalen Dingen wie Schlachtfeldstrategien beschmutzen. So beendete Iroh sein Frühstück, doch statt wie jede Woche an diesem Tag sofort zu verschwinden, beschloss er, sich ein wenig mit seinem kleinen Bruder zu beschäftigen. "Hey Ozai, magst du mit mir in den Garten gehen?" Ozai lächelte, wie nur Kinder lächeln können, nickte kurz und kletterte vom Stuhl. Dann folgte er mit kleinen aber sicheren Schritten seinem großen Bruder nach draußen. "Schaukelst du mich an?" Ozai zupfte auffordernd an Irohs Hemdsaum. "Ja klar," sagte der und schlug gemächlich den Weg zur Schaukel ein, während Ozai übermütig rannte. Die Schaukel war zwischen zwei Bäumen befestigt und geformt wie eine Schüssel. Daher ließ sie es zu, dass Ozai sich gefahrlos hinein setzen konnte, ohne hinauszufallen. Anschaukeln war gut. Es lenkte seine Gedanken ein wenig von Nola ab. Klar war es schön verliebt zu sein, aber ein verliebter Mensch war eben genauso ver- wie in verletzt, verstört oder verlassen. Diese Silbe trug einfach eine negative Nuance mit sich und es war genau diese Ambivalenz zwischen Schön und Schrecklich, welche das Verliebtsein so unerträglich machte. "Iroh?" meldete sich Ozai zu Wort. "Kannst du noch höher?" Selbstverständlich konnte er höher. "Hallo Majestät," sagte Nola fröhlich, als der Kronprinz die Höhle betrat. "Hallo," erwiderte dieser knapp. Irgendwas war in seiner Stimme heute brummiger als sonst. "Bist du bereit für dein wöchentliches Training?" fragte Nola enthusiastisch. Iroh zuckte nur mit den Schultern. "Was ist dir denn über die Leber gelaufen?" "Nicht so wichtig." Ach so, der Herr ließ sie einfach so abblitzen? Also schön, sollte er sehen, was er davon hatte. Nicht nur Iroh hatte die letzten Wochen als schmerzhaft schön und qualvoll prickelnd empfunden. Oh nein, Nola kannte dieses zweischneidige Gefühl natürlich ebenso gut. Und inzwischen kannte sie auch den Prinzen so gut, dass sie ahnte, was in dessen Kopf vor sich ging. Er wollte sie, doch das würde er nicht sagen, nicht nachdem er beim ersten Versuch zu schnell rangegangen war. Eher würde er schmoren. Da er von sich aus den zweiten Schritt wohl nicht mehr machen würde, lag es nun offensichtlich an Nola, diesen zu gehen. Und das bereitete ihr seit einiger Zeit Kopfschmerzen, gegen die auch die beste Meditationstechnik nichts half (vielleicht lag das allerdings auch nur daran, dass der ausschlaggebende Faktor beim Meditieren stets anwesend war). Jedenfalls wusste Nola genau was sie wollte. Sie wollte mehr. Mehr von diesem festen, muskulösen Körper, den sie nur gelegentlich streifte und der sie jedesmal wohlige und elektrisierende Regenschauer erfahren ließ. Und doch war da mehr, das sie wollte. Zugegeben, Irohs Körperbau allein war schon ansehnlich genug und sein gesamtes Erscheinungsbild war sehr attraktiv. Aber es war seine Stimme und sein Geruch, seine Geschichten und seine Neckereien, nach denen sich Nola wirklich sehnte. Das Gesamtpaket stimmte einfach für sie. Er war charmant und klug und man merkte ihm den kleinen Altersunterschied nur selten an. Natürlich fand Nola auch die leichte Neigung zum kindlichen Gehabe toll. Abgesehen davon tragen alle gesunden Menschen jeden Alters noch ein Kind im Herzen. Und nun war dieses Gesamtpaket auch noch volljährig und je mehr Zeit verging, desto weniger fielen Nola die anderthalb Jahre auf, die, wenn sie ehrlich zu sich war, eigentlich völlig nebensächlich waren. Und so geschah es, dass Nola Suraya vom Wasserstamm an einem warmen Herbsttag beschloss, weniger zu denken und sich ein Herz zu fassen. "Lass uns schwimmen gehen," sagte sie leise und öffnete die Knöpfe ihres Oberteils. Nein, das konnte sie nicht tun, schoss Iroh durch den Kopf. Blut schoss ihm übrigens auch noch woanders hin. Da stand die schönste Frau, die er sich jemals eträumt hatte, und trug plötzlich nur noch kurze, enge Wickelhosen und obenrum eine Bandage aus Leinen, durch die sich ihre üppigen Brüste deutlich abzeichneten. Irohs Mund wurde trocken. Wollte sie ihn quälen? Oder war das nur ein Wink mit dem größten Zaunpfahl der Welt? Iroh schnaufte innerlich und scharrte mit den Hufen. Nola war sichtlich enttäuscht. Anstatt gleichzuziehen stand der Prinz immer noch gänzlich angezogen da. Warum zögerte er? Wollte er sie etwa doch nicht? Wenn sie doch nur wüsste, wie sehr er sie wollte! Ihr straff gebundenes Oberteil gab auch die Konturen ihrer erhärteten Nippel preis. "Geh jetzt lieber ins Wasser," knurrte Iroh. "Sonst vergesse ich mich." Seine Stimme klang gereizt, und der Reiz war sowohl verärgerter, als auch erregter Natur. Durch die Lust drang allerdings auch ein wenig Scham hindurch. Er wollte nicht, dass Nola seine Erregung sah, bevor er sich über sie hermachen konnte. Das erschien ihm als bloße Schwäche. Im Wasser wäre das alles nicht so überdeutlich. Nola tat zum Glück wie geheißen und sprang kopfüber in den Weiher. Es spritzte kaum auf, so perfekt und anmutig waren ihre Bewegungen. Kurz darauf sprang auch Iroh. Bis auf seine Leinenhosen war er nackt. Ein wenig bedauerte Nola ihren vorzeitigen Sprung ins Wasser. Sie hätte seinen Körper nur zu gerne ohne die Verzerrtheit des sich im See brechenden Lichts bewundert. Trotzdem sah sie genug um zu wissen, dass er bis in die letzte Muskelfaser trainiert war. Seine Brust sah fest aus, seine Oberarme strahlten Stärke, seine Beine Beweglichkeit aus. Und sein Blick offenbarte seine Gefühle. Er liebte sie, das wusste Nola. Er hatte es nie gesagt, aber tief in ihrem Inneren hatte sie es schon immer gewusst. Und jetzt, in diesem Augenblick, begehrte er sie mehr als je zuvor. Eine ganze Weile schwebten Iroh und Nola im Wasser und starrten sich an, kamen sich unbewusst immer näher während sie den Tropfen zusahen, wie sie durch ihre Haare auf ihre nackte Haut rannen. "Alles Gute zum Geburtstag," hauchte Nola. Sie überwand die letzten Zentimeter und drückte ihre Lippen auf seine. Endlich, endlich wieder gaben sie sich einen Kuss. Einen Kuss, der so viel Energie freisetzte, dass es fast wehtat. Er schmeckte nach Sehnsucht, nach Begierde, nach Einsamkeit und dem tiefen Wunsch, geliebt zu werden. Aller Scham, alles Misstrauen und alle Fremdheit waren verschwunden. Der Feuerprinz und die Wasserbändigerin schwammen in ihrer Leidenschaft. Im wahrsten Sinne des Wortes waren sie in ihrem Element. Umgeben von Wasser, erfüllt von Feuer. Iroh vergrub seine Finger in Nolas durchgeweichtem Haar und drückte sie fest an sich. Spätestens jetzt würde sie seine Erregung spüren, doch nun war es ihm gleich. Sie waren ebenbürtig, beide nur Menschen; die Sehnsucht nach Liebe verschmolz allmählich mit purer, triebhafter Lust. Und die Lust siegte. Ohne zu zögern schälte Iroh seine Nola aus dem letzten Stoff der sie noch umgab und überließ ihn unachtsam dem Wasser. Doch bevor er sich gänzlich an ihrer Nacktheit laben konnte, war Nola schon einen Schritt weiter. Sie tauchte unter und Iroh konnte nur vage vermuten, was sie da tat. Er spürte, wie sie seinen Hosenbund entknotete und den Stoff rasch nach unten zog. Sie würde doch nicht... und ob sie würde. Einen Augenblick später war Iroh im Himmel. Ihre Lippen, ihre Zunge, ihre Wärme, ihr freches und lockendes Spiel. Sein ganzer Körper kribbelte, während diese starke und selbstbewusste Frau an seinem Unterleib die Initiative ergriff. Hätte sie nicht aufgehört um Luft zu holen (in all der Aufregung vergisst man eben, dass man Wasser bändigen kann), dann wäre das Ganze deutlich schneller vorbei gewesen. Nola tauchte auf und grinste Iroh an. Der schüttelte nur ungläubig den Kopf. "Dafür wirst du bezahlen." Sprach's und verschwand ebenfalls unter der Wasseroberfläche. Allerdings ging er nicht ganz so weit wie sein weibliches Gegenüber. Schließlich hatte er noch Anstand, jawohl! Der Prinz hustete innerlich. Endlich durfte er sie richtig berühren. Endlich würde er sie vollkommen für sich haben. Ihre Rundungen zu ertasten war um ein tausendfaches schöner als sie nur durch Schichten von Kleidung zu erahnen. Iroh hatte Nolas entblößte Brüste ins Auge gefasst. So gierig er auch war, im Gegensatz zu Nola hielt er sich vornehm zurück. Diesmal würde er nichts übereilen. Nur langsam glitt seine rechte Hand von ihrer Hüfte hinauf zu ihrem Brustkorb. Unter Wasser hörte er natürlich nicht, wie Nola leise flehte, er möge sie doch endlich richtig anfassen. Und ganz plötzlich, als könnte er ihre Gedanken lesen, scherte Iroh seinen Anstand zum Teufel und packte bestimmt aber sanft zu. Da eine Brust nun von seiner Rechten beschlagnahmt war, wurde die andere von seinem Mund verführt. Er liebkoste die Rundung mit leichten Küssen und es sah so aus als würde er ihren erregten Nippel einkreisen. Es gab also kein Entkommen. Doch bevor er sich der harten rosa Perle widmen konnte, meldete sich seine Sauerstoffzufuhr zu Wort und zwang ihn, aufzutauchen. Iroh holte kurz Luft und wollte wieder hinab, doch eh er es tun konnte, wurde sein Gesicht von Nola umschlossen und sein Mund von ihrem beansprucht. "Küss mich," hauchte sie gegen seine majestätisch geschwungenen Lippen und übergab sich Irohs gekonntem Spiel. Als er sich ihrem Nacken zuwandte stöhnte Nola leise auf. "Tu es jetzt," flüsterte sie kaum merklich, und das überhörte Iroh nicht. Er packte Nola bei den Hüften und drang langsam in sie ein. Nola wimmerte bettelnd, Iroh raunte. Sie war so herrlich eng, so verboten feucht. Iroh zitterte, während er in ihren hitzigen Körper tauchte. Wie sehr hatte er diesen Moment herbeigesehnt! Leider konnte er sich im Wasser nur sehr unbeholfen und langsam bewegen, und da half es auch nicht, dass seine Auserwählte 'schneller' verlangte. "Ich glaube," keuchte Iroh, "wir sollten das ganze lieber an Land fortsetzen." Nolas Augen sagten Ja und sie schwammen rasch ans Ufer, wofür sie sich widerwillig voneinander lösen mussten. Dort angekommen legte sich Nola sofort rücklings ins hohe Gras. Ohne zu zögern beugte sich Iroh über sie und streichelte die Innenseite ihrer Schenkel. Nola verstand das Signal und eröffnete dem Prinzen das, was er begehrte. Allerdings machte dieser nicht da weiter, wo er aufgehört hatte. Seine nasse rechte Hand eroberte ihre Schenkel, bis sie schließlich das Zentrum von Nolas Lust erreicht hatte. Nola stöhnte auf, als Irohs Finger ihre feuchte Knospe umspielten. "Oh ja, das gefällt dir, was?" raunte er in ihr Ohr. Als Antwort bekam er ein leises Wimmern. "Und was, wenn ich das hier mache?" Iroh widmete sich endlich Nolas Brüsten, die in der Abendsonne prall glitzerten. Ihr Stöhnen wurde lauter, als sein heißer Mund einen ihrer Nippel umschloss und es kitzelte wohlig, sobald er kurz von ihr ließ und der Wind darüber strich. Nola wollte nicht länger warten. Sie drückte ihr Becken fest an seins und beugte sich gegen ihn. Iroh verstand. So schnell er konnte tauchte er erneut in sie ein und umgeben von Luft fühlte es sich noch viel intensiver an, in ihr zu sein. Außerdem war es ohne den Wasserwiderstand deutlich leichter, sie zu nehmen. Nola vergaß sich selbst, während Iroh immer wieder in sie stieß. Es hatte am Anfang leicht geschmerzt, aber das war ihr völlig egal. Es war ein anderes Gefühl als von seinen Fingern verwöhnt zu werden. Es war weniger prickelnd, es war vielmehr die Nähe ihrer beiden nackten Körper, wie sie sich aneinander rieben, wie ihre Fingernägel wildlieb über seinen Rücken fuhren; es war diese Kopflosigkeit, die Nola liebte. "Lass mich nach oben," hauchte sie gegen Irohs Halsbeuge. Er tat wie geheißen und drehte sich auf den Rücken, ohne von ihr zu lassen, wodurch Nola automatisch auf ihm landete. Für einen Moment grinste sie aufgrund der überraschenden Hundertachtziggraddrehung, dann wurde sie von der Dominanz, welche diese Position für sie offenbarte, übermannt. Sie hatte den Prinzen unter Kontrolle und konnte machen, was sie wollte. Iroh musste sich gemischten Gefühlen hingeben; die Lust, unter Nolas Führung zu sein, das Verlangen, wenn sie ihm in die Augen sah, die fast qualvollen Empfindungen, wenn sie sich ganz langsam nach oben und wieder nach unten bewegte. Nola genoss das Gefühl, ihn für sich zu haben. Sie spielte, sie ärgerte, sie reizte. Iroh hielt es nicht länger aus. Dieses Weib verstand es tatsächlich ihn um den Verstand zu bringen. Er packte ihre Hüften und bewegte sich von unten aus. Nola verstand. Sie beugte sich nach vorne und begann, sein Schlüsselbein zu küssen und gleichzeitig ihre Brüste an ihm zu reiben. Er stieß immer wieder in sie, bis er von den unglaublichsten Glücksgefühlen erfasst wurde. Sein Körper explodierte, all die Anspannung, all die Erregung, entlud sich auf dem Höhepunkt seiner Lust. Nola begann zärtlich seine Wange zu küssen. Sie merkte, wie Iroh seine Hände von ihr löste und sie sich an den Kopf hielt. Als könnte sie seine Gedanken lesen, flüsterte sie neckisch: "Keine Sorge. Du kannst dich gerne noch bei Zeiten revanchieren." Daraufhin löste sie sich von ihm. Grinsend lagen Iroh und Nola in der Sonne. Die Begierde in ihren Augen war reinem Vergnügen, Stolz und Befriedigung gewichen. Er hatte ihre Hand genommen und streichelte sie sanft mit seinem Daumen. Keiner sagte ein Wort, dafür waren sie viel zu erschöpft. Ihre Brustkörbe bewegten sich schnell auf und ab. "Wer hätte gedacht, dass es im Wasser so anstrengend ist," sagte Iroh. Nola sah ihn an und lachte mit den Augen. Eine ganze Weile sahen sie sich schweigend an. "Du bist auch nicht mehr unschuldig gewesen, nicht wahr?" fragte Nola unvermittelt. Iroh schüttelte den Kopf und starrte auf seinen Handrücken. Die letzten Tropfen glitzerten im Sonnenlicht. "Körperlich zumindest," sagte er und schluckte. War der große Moment gekommen, seine Gefühle zu gestehen? "Aber hier," - er fasste sich an den Kopf – "und hier," - er legte die Hand auf sein Herz – "war ich bis eben noch Jungfrau." Jetzt sah er Nola in die Augen. In diese wunderschönen, nachtblauen Augen. Sie lachte leise, als verstünde sie nicht ganz, was er meinte. Oder sie wollte nicht, dass er sagte, was er zu sagen vorhatte. Und doch tat er es. "Ich..." Iroh umschloss ihre Hand fester, "Ich liebe dich, Nola." Er liebte sie. Und wie! Und sie liebte ihn doch auch! Aber wie konnte sie, eine Wasserbändigerin im Exil, mit dem Prinzen der Feuernation zusammensein? Ihre Tarnung würde auffliegen, sie würde ihre Familie verraten, ihr Volk. Doch nun, da sie in diese bernsteinfarbenen, glänzenden und glücklichen Augen sah, wusste sie, dass es egal war. Denn ohne ihn wollte sie auch nicht sein. "Ich liebe dich auch." Kapitel 5: Nachtschwarz ----------------------- Nola erwachte früh. Ihr Herz klopfte so sehr, dass sie nicht wirklich hatte schlafen können. Die Morgensonne schlich sich allmählich durch die hellen Vorhänge in ihr Zimmer und kitzelte des Fräuleins Zehen wach. Das hier konnte nur ein herrlicher Tag werden! Sie stand auf, wusch sich und machte sich im Morgenmantel auf den Weg in die Küche. Vergnügt pfeifend setzte sie einen Oolong Tee auf und begann, das allmorgendliche Familienfrühstück vorzubereiten. Nola war guter Dinge, verliebt und daher völlig appetitlos. Sie verbrachte das Frühstück als der verträumte, kaum essende Teil der Familie. Ab und zu grinste sie unvermittelt und einmal stieß sie ihre Teetasse um. Diese mehr als eindeutigen Symptome fielen vorallem Nolas Mutter auf. Anstatt aber ihre Tocher vor versammelter Mannschaft anzusprechen, wartete Qing, bis sich die Runde wieder verflüchtigt hatte und jeder seinem eigenen Tagesgeschäft nachging. "Sag mal Nola," begann Qing, während sie ihrer Tochter einen Teller zum Abtrocknen reichte. "Gibt es vielleicht etwas, das du mir sagen möchtest?" Nola sagte nichts. Natürlich gab es etwas und natürlich wusste Qing Bescheid. Aber wie um alles in der Welt sollte sie ihrer Familie mitteilen, dass sie den Kronprinzen liebte; den zukünftigen Herrscher? Nein, das konnte sie nicht. Sie müsste erst abwarten, wie sich die Dinge entwickelten. Nur was bitte sollte sich entwickeln? Für sie stand fest, dass sie ihr Leben mit Iroh verbringen wollte. Für Iroh stand fest, dass er sein halbes Leben als Feuerlord verbringen sollte. Leider waren das zwei unvereinbare Punkte. Niemals könnte sie an der Seite eines Mannes sein, der Krieg gegen den Rest der Welt führte. Was, wenn sie ihre Fähigkeit Wasser zu bändigen, an ein gemeinsames Kind vererbte? Das Geheimnis würde sofort auffliegen und ihre ganze Familie wäre in Gefahr. "Ach, ich bin nur ein wenig verknallt, nichts weiter," sagte Nola, in einem für einen verliebten Menschen viel zu nüchternen Tonfall. "Ich kenne den Typen kaum." Qing zog ihre linke Augenbraue skeptisch hoch. "Du erscheinst mir mehr als nur ein bisschen verknallt, mein Schatz." "Kann sein," sagte Nola träge, vermied Blickkontakt und zuckte mit den Schultern. "Ich glaube nicht, dass die Aussicht auf eine Zukunft mit ihm realistisch ist." Während sie das sagte, spürte sie ein unangenehmes Ziehen unter ihrem Brustbein. "Aha," entgegnete Qing resigniert. Anscheinend gab es hier kein weiteres Vordringen. Vermutlich war es wirklich nur eine Phase. Wenn sie sich da mal nicht irren sollte! Auch Iroh war glücklich und viel entspannter als in den Wochen zuvor. Fon entging das natürlich nicht. "Und Hoheit?" fragte er herausfordernd. "Und was?" entgegnete Seine Hoheit mit hochgezogenen Augenbrauen. Fon antwortete daraufhin nicht, sondern sah seinen Freund nur eindringlich an, bis der Prinz schließlich kleinbei gab. "Fon, du bist manchmal wirklich anstrengend mit deiner gedankensaugenden Art!" Der Gedankensauger erlaubte sich ein schelmisches Grinsen und fuhr fort, die frisch gewaschene royale Kleidung zusammen zu falten. "Hoheit?" "Ja?" "Es fehlt eine Hose." "Ahrrrg!" So verbrachten die beiden unzertrennlichen einen sehr angenehmen Tag, gespickt mit lauter Neckereien bezüglich Nola und selbstverständlich auch bezüglich ihrer Freundin Zhen ("Wie wär's mit einem schnuckeligen Pärchenabend?" - "Komm mir bloß nicht so."). Die Belästerten ihrerseits fanden sich auch gegen Mittag zusammen um gemeinsam zu essen. Nola musste endlich mit jemandem über den Prinzen reden und Zhen konnte sie sich einfach wunderbar anvertrauen. "Dein Verliebtheitsstatus hat sich verändert," bemerkte Zhen knapp, noch bevor Nola "Hallo" sagen konnte. "Wie bitte?" kicherte Nola. "Also, vor ein paar Wochen warst du es auch schon, aber da noch nicht so überschwänglich. Du warst distanzierter, angespannter und gegen Ende der Woche wurdest du immer nervös. Ich vermute: ihr habt es getan." Nola schüttelte ungläubig den Kopf. "Mensch, Zhen. Du bist viel zu aufmerksam!" "Hab ich denn recht?" hakte Zhen nach und grinste. Ihre beste Freundin seufzte. "Ja." Nach einer Weile fügte sie hinzu: "Aber du hast gut reden. Ich weiß auch von deinem Techtelmechtel." Zhen wurde puterrot und lächelte verlegen. Dann wurde sie enthusiastisch. "Fon ist so toll! Er ist gebildet, unglaublich höflich, groß - " Nola kicherte. "Nola!" rief Zhen empört, konnte aber nicht umhin, ebenfalls zu lachen. Am Spätnachmittag beschloss Fräulein Suraya, dass sie noch eine Runde schwimmen gehen wollte. Auf dem Weg zum Geheimplatz dachte sie natürlich nur an Iroh. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie es möglich wäre, den nächsten Schritt zu machen, sprich, eine richtige Beziehung einzugehen, aber heute konnte ihr nichts den Optimismus nehmen. Iroh schien einfach perfekt für sie zu sein! Und wenn sich zwei Menschen finden, dann finden sie auch einen Weg. Es war bereits Abend, als Nola den See erreichte, doch die Wassertemperatur war noch im angenehmen Bereich. Es fühlte sich wunderbar an, darin zu schweben. Nola schuf sich eine Luftglocke und tauchte unter, um die verlorenen Kleidungsstücke vom Tag zuvor einzusammeln. Bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz warm und sie grinste in sich hinein. Wieder an der Oberfläche, beschloss sie, noch ein bisschen zu trainieren. Aber Nola bemerkte nicht, dass sie nicht alleine war. Sich in einer Höhle zu verstecken, war bisher immer sehr ratsam gewesen, denn dieses schöne Fleckchen ist auch Wanderern nicht ganz unbekannt. Doch verliebt und leichtsinnig wie sie war, vergaß Nola jegliches Risiko, das mit dem Bändigen außerhalb des schützenden Unterschlupfs einherging. So kam es, dass Bao, ein rüstiger Herr im besten Alter, auf dem Weg in die Stadt besagten Weiher passierte. Und Bao traute seinen Augen nicht. Da wollte er doch nur seine Nichte besuchen, und dann sowas! Eine wasserbändigende Hexe, kurz vor der Hauptstadt der Feuernation! Was, wenn sie eine Nihilistin war, eine kaltblütige Assassine auf den geliebten Lord? Um nicht entdeckt und niedergestreckt zu werden, verkroch sich Bao schnell hinter dem nächstbesten Gebüsch. Agni, er musste sofort zum Palast! Diese Nachricht war brisant, diese Frau war gefährlich; er wäre ein Held! Als er sich gerade aufmachen wollte, drehte er sich noch einmal um. Das Gesicht des Mädchens war nur schwer in der Dämmerung auszumachen, und doch kannte er sie von irgendwoher. Aber ja! Es war die kleine Kellnerin aus dem Teehaus, das seine Nichte so liebte! Verfluchte Bastarde, dachte er. Sich heimlich unter des Feuerlords Nase aufhalten, das sah diesem Wasserrattenpack ähnlich. Also schlich sich Bao vorsichtig vom Tatort davon. Genüsslich ging er in seinem Kopf die Siegesrede durch, die er verkünden wollte, sobald sie diese Fischköpfe gepackt hatten. Bao kam nur langsam voran, denn er war schließlich nicht mehr der Jüngste. Aber selbst wenn er erst um Mitternacht am Palast wäre, er müsste diese Neuigkeit verkünden. Bis morgen warten? Unmöglich. Würde etwas in der Nacht geschehen, trüge er Mitschuld. Er sah schon die Schlagzeilen: "Li Bao, angeklagt wegen fahrlässiger Tötung." Nein, das ginge natürlich nicht, murmelte der Alte vor sich hin. Dann lieber "Li Bao, der neue Held unserer Nation: Feinde in Tiram Agni entlarvt." Oh ja, das gefiel ihm schon viel besser! Es war tatsächlich kurz vor Mitternacht, als Li Bao an die äußerste Pforte des Palastes klopfte. "Was wollt Ihr?" ertönte eine raue Stimme. Sie klang dumpf, weil der Sprecher hinter der Mauer stand. "Ich ersuche Einlass, um eine wichtige Nachricht zu verkünden. Es ist sehr dringlich," antwortete Bao. "Alter Mann, wisst Ihr, wie spät es ist?" sagte die Stimme. "Vergebt mir, ich bin mir bewusst wie spät es ist," entgegnete Bao. Er klang leicht nervös. "Aber ich versichere Euch, der Lord wird es nicht bereuen, sich meiner angehört zu haben." "Der Lord?" Die Stimme lachte gackernd. "Ihr glaubt ernsthaft, Eure Lordschaft persönlich würde euch empfangen? Oh nein, alter Mann, so läuft das nicht. Aber wenn Ihr darauf besteht, kann ich den Konsul rufen lassen." "Auch gut," sagte Bao. Ihm war es eigentlich ziemlich egal, wer von der höfischen Kommission von diesem Vorfall erfuhr. "Ich lasse Euch nun rein." Das schwere, eiserne Tor öffnete sich knarzend. Während Bao hindurchging, wurde er kopfschüttelnd vom Pförtner gemustert. "Wartet," sagte er und Bao blieb stehen. "Ich begleite Euch bis zum nächsten Tor." Das Büro des Konsuls war klein und im Vergleich zum sonst so prunkvollen Palast ziemlich schlicht gehalten. Bao wurde von einer Wache aufgefordert, sich zu setzen und auf Konsul Yuhao zu warten. Es dauerte nicht lange, bis ein schlanker, hochgewachsener Mann mit schütterem Haar den Raum betrat. Er trug seine Amtskleidung nur provisorisch; unter seinem Mantel lugte der Zipfel eines malvenfarbenen Morgenrocks hervor. "Was gibt es?" fragte er den Alten. Er konnte nicht verbergen, dass er ein wenig mürrisch klang. Während Bao aufgeregt schnatterte, warf der Konsul immer wieder ein "Aha" oder ein "Hm" ein, zum Zeichen das er hörte. Besonders mitzureißen schien ihn dieses Thema allerdings nicht. Die Szene wurde von einem Türspalt aus verfolgt. Fon schluckte. Er kannte seinen Vater. Ihn schien die Tatsache, dass eine Wasserbändigerin gesichtet wurde, nicht zu begeistern, aber am nächsten Morgen wäre der Feuerlord der erste, der Bescheid wüsste. Fon atmete tief durch. Leise entfernte er sich von der Flügeltür und eilte hinüber zu Irohs Gemächern. "Iroh!" flüsterte er so laut und deutlich er konnte, während er gegen die Tür klopfte. "Iroh, wach auf!" "Was ist?" hörte er den Prinzen antworten. Ohne darauf einzugehen, trat Fon ein. Iroh schlief nicht, das wäre um die Uhrzeit auch deutlich zu früh für ihn. Er saß im Lotussitz auf seinem Bett und las. Auf dem Nachttisch stand eine dampfende Tasse Tee. Sobald Fon die Tür wieder geschlossen hatte, erhob sich der Prinz. Er wusste, das etwas los sein musste. Erstens hatte sein Diener ihn am späten Abend gestört, zweitens hatte er ihn beim Vornamen angesprochen. "Was ist passiert?" "Nola," japste Fon aufgebracht. "Sie ist in Gefahr! Ihre ganze Familie ist in Gefahr!" "Was redest du da?" sagte Iroh ungläubig. Er klang entsetzt. Nie würde Fon ihm etwas Falsches erzählen. "Ein Mann ist hier, bei meinem Vater. Er hat sie gesehen, Iroh!" Fon packte seinen Freund bei den Schultern, sah ihm in die Augen und schüttelte ihn, damit er auch ja verstand, was er zu sagen hatte. Iroh starrte gebannt zurück. "Dieser Kerl hat Nola gesehen, wie sie gebändigt hat! Mein Vater wird es morgen deinem Vater erzählen! Iroh, sie muss hier weg!" Iroh zögerte nicht, er zog sich schnell seinen Mantel über und kletterte auf den Fenstersims. "Geh!" rief Fon. "Ich kann nicht mehr tun, als meinen Vater morgen so lange wie möglich hinzuhalten. Jetzt GEH!" Mit einem kurzen Blick in Fons besorgte, graubraune Augen verschwand der Prinz in der Dunkelheit. Iroh rannte. Er rannte, wie er noch nie zuvor in seinem Leben gerannt war. "Aus dem Weg!" schrie er Passanten an, die töricht genug waren, dem Prinzen zu dieser Stunde den Weg zu versperren. Einen stieß er um und es war ihm egal. Die kalte Nachtluft brannte in seinem Gesicht und seine Augen fingen an zu tränen. Nola. Dieser Name war das Einzige, was seine Gedanken in diesem Moment ausfüllte. Er dachte nur an sie. Nicht an ihre verlorene, gemeinsame Zukunft, nicht an seine Traurigkeit. Das würde noch früh genug kommen. Nein, er dachte nur an sie. Und er rannte. Nola schlief. Sie schlief wunderbar. Ihre Träume waren bunt und quirlig, immer wieder tauchte ein vertrautes Paar bernsteinfarbener Augen darin auf. Plötzlich wurde sie von einem dumpfen Geräusch aus dem Schlaf gerissen. Jemand klopfte an ihr Fenster. Erschrocken setzte sie sich auf und zog die Bettdecke hoch, als wäre sie ein undurchdringlicher Schutz. "Nola," hörte sie eine vertraute, dumpfe Stimme sagen. Sie antwortete erst nach einer Weile. "Iroh?" Nola starrte gebannt auf den Schatten an ihrem Fenster. Sie schlug ihre Decke beiseite und erhob sich. "Iroh," sagte sie erneut und lächelte, als sie sein Gesicht hinter der Scheibe erkannte. Sofort strich sie die Vorhänge weg und schob den Riegel zurück. Das Fenster öffnete sich geräuschlos. "Nola," keuchte Iroh und gab ihr einen sehr festen Kuss, sobald er auf ihren Dielen stand. "Oh Nola..." Seine Stimme klang alt. Die Angesprochene nahm sein Gesicht in beide Hände und lächelte ihn an. Er sah zermürbt aus, geschunden und erschöpft. "Was ist passiert?" fragte sie besorgt. "Jemand hat dich gesehen." Der Kronprinz zitterte und war fast den Tränen nahe, als er in ihre schöne Augen sah. Er würde sie wohl niemals wiedersehen. "Jemand hat mich... oh nein," stammelte Nola. "Oh nein oh nein oh nein. Ich wusste ich hatte etwas gehört vorhin. Warum war ich auch so verdammt leichtsinnig?" "Nola, hör zu," fing Iroh an. Er versuchte, sicher und ruhig zu wirken, doch es gelang ihm nur mit viel Überwindung. "Du musst fliehen. Nimm deine Familie und verschwinde von hier. Sie wissen Bescheid und werden schon morgen früh auf dem Weg zu euch sein." Nolas Augen wurden trocken, weil sie zu blinzeln vergaß. "Fon und ich werden versuchen, euch soviel Vorsprung wie möglich zu verschaffen, aber früher oder später werden sie hier auflaufen. Du musst gehen!" Nola sagte nichts. Sie stand einfach nur da und starrte ihr vermaledeites, süßes Unglück an. "Ich will mich nicht verstecken!" Nolas Stimme bebte. "Ich will bleiben. Sollen sie mich doch einbuchten! Lieber ster - " "SAG ES NICHT!" rief Iroh aufgebracht. "Sag es nicht." Er presste seine Kiefer so fest aufeinander, das es wehtat. "Du musst gehen. Denk an deine Familie." Das tat sie. Und es versetzte Nola einen Stich, bei dem Gedanken, ihre ganze Familie könnte den Rest ihres Lebens in Gefangenschaft verbringen. Oder schlimmer. Nola nickte. "Gut," sagte sie leise. Iroh seufzte erleichtert auf und drückte Nola an sich so fest er konnte. Er würde sie so oder so verlieren. Aber wenn, dann sollte sie frei sein. Wenigstens so frei, dass sie eine Chance hatte, zu leben. Und zu lieben. Der Gedanke, sie könnte einen anderen haben, brach ihm das Herz. Aber er musste sie loslassen. "Ich liebe dich," schluchzte Nola. "Komm mit mir." "Ich kann nicht," knurrte Iroh. Er wurde wütend auf sich selbst und verzerrte sein Gesicht, er biss sich auf die Lippen und ballte die Fäuste, bis ihn die Fingernägel fast ins Fleisch schnitten. "Ich kann nicht gehen," presste er zwischen seinen Zähnen hervor. Das zu sagen, schmerzte. Eigentlich wusste er es doch besser. Schließlich interessierte es ihnen einen Scheißdreck, wer Thronfolger war. Eigentlich wollte er es auch schon gar nicht mehr sein. Und trotzdem. "Sieh doch, ich habe meine Pflichten." Iroh betrog sich selbst indem er das sagte. Nola sah ihn verständnislos an. "Natürlich, ich verstehe," zischte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "So ist das also. Der loyale Prinz erfüllt seine ehrwürdigen Pflichten, um die Welt ins endgültige Chaos zu stürzen." "Darum geht es überhaupt nicht!" Iroh schrie jetzt fast. Es war ihm egal, ob jemand sie hörte. "Ach nein?" entgegnete Nola bösartig. "Nein! Ich hasse diesen Krieg! Ich hasse meine Sippe! Aber wenn ich der einzige in einer Reihe von Kriegsttreibern bin, der noch ein wenig Verstand und Herz hat, habe ich die einmalige Chance, etwas zu ändern! Versteh das doch." Irohs Augen wurden feucht. Es kam heute auch alles auf einmal hoch. "Verdammt, ich liebe dich doch auch Nola." Mit diesen Worten sank er zitternd zu Boden und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Nola sah ihn an. Da hockte der zukünftige Feuerlord auf dem Boden ihrer kleinen Kammer und zeigte sich ihr gegenüber schwach und schutzlos. Eigentlich nur ein einfacher Junge; uneigentlich ein mächtiger Mann mit großem Einfluss auf die Zukunft. Und sie liebte beide Seiten. Das Mädchen vom Wasserstamm kniete sich neben den Prinzen und strich ihm sanft eine Haarsträhne hinter sein Ohr. Dann drückte sie ihm einen liebevollen Kuss auf den dunklen Schopf und atmete seinen Duft nach regennasser Erde ein. Iroh sah zu Nola auf und verlor sich in ihren Augen, die heute nachtschwarz waren. Sie gaben tiefe Traurigkeit preis und offenbarten ihre Angst. "Es wird alles gut," sagte er zu ihr, obwohl er selbst nicht daran glaubte. Er kniete sich vor sie, nahm ihr Gesicht und drehte es zu sich, sodass ihre Stirn die seine berührte. "Alles wird gut. Wir werden uns wiedersehen. Wenn das Universum uns zueinander geführt hat, dann werden wir uns auch wieder finden." Nola nickte leicht. "Geh jetzt und pack deine Sachen," flüsterte er. "Nimm nur das Nötigste mit und versuche, so weit wie möglich heute Nacht zu kommen." "Wo sollen wir denn hin?" murmelte Nola hilflos. "Ich weiß es nicht. Ba Sing Se. Keine Ahnung. Irgendwohin, wo die Feuernation nicht ist. Ich kann nur vermuten, dass die Soldaten zunächst die Dörfer im Umkreis absuchen werden. Dort könnt ihr nicht hin. Aber euch wird bestimmt etwas einfallen," sagte er und lächelte. "Du bist eine starke Frau, Nola." Nola lachte leise und eine Träne kullerte ihre Wange herunter. "Nein, ich bin schwach," sagte sie und wischte sich die Träne aus dem Gesicht. "Ich denke daran, meine Familie für dich zu verraten, und das ist schwach." "Und es ist stark, dass du es nur denkst aber nie tun wirst," erwiderte Iroh und gab ihr einen bestimmten, einnehmenden aber sanften Kuss. Er schmeckte salzig und bittersüß. Er schmeckte nach Abschied. "Auf Wiedersehen, Nola Suraya." "Auf Wiedersehen, Iroh Tatzu." Ein letztes Mal lagen sie sich in den Armen und drückten sich so fest sie konnten, als würde jene letzte Berührung auf diese Weise länger nachklingen. Iroh verschwand in der sternenklaren Nacht und rannte ziellos umher. Er würde seine Entscheidung, in der Feuernation zu bleiben, immer bereuen. Später sollte Iroh versuchen, seinen Neffen davon zu überzeugen, seine eigenen und nicht irgendwelche fremd definierten Ziele zu verfolgen. Nola stand noch lange am Fenster und weinte lautlos, bis sie sich ein Herz fasste und ihre Eltern wecken ging. - - - http://www.youtube.com/watch?v=LjObRm9e81Y Kapitel 6: Offene Wunden ------------------------ Dreieinhalb Jahre später "Eure Fertigkeiten verbessern sich von Tag zu Tag, Prinz Iroh. Es ist wirklich erstaunlich woher Ihr diese Ruhe nehmt und gleichzeitig so... geladen und aggressiv seid." Sifu Lansu notierte sich etwas in sein Trainingsprotokoll während er sprach. "Ich bin sehr beeindruckt," fügte er hinzu und nickte anerkennend. "Wirklich sehr beeindruckt." "Danke, Sifu," sagte Iroh lakonisch und zeugte seinem Lehrmeister den respektvollen Gruß, bevor er sich waschen ging. Natürlich waren Irohs Bändigerkräfte stärker als je zuvor. Es hatte seit jener Nacht ja auch keinen freien Tag gegeben, an dem der Prinz nicht trainiert hatte. Er hatte sogar eigene Techniken entwickelt. Auf eine davon war er besonders stolz: das Blitzableiten. Da nach dem täglichen Kampftraining immer eine Meditationsstunde auf dem Programm stand, war ihm aufgefallen, dass er die Bewegungen des Wasserbändigens wunderbar auf sein eigenes Element übertragen konnte. Ihm waren die Dinge, die sie ihm immer gesagt hatte, wieder eingefallen. Die Energie des Gegners kann genutzt werden, um sie wieder gegen ihn selbst einzusetzen. Es klopfte. "Ja?" Fon. Guter Dinge trat er ein. "Hoheit, Euer Vater erwartet Euch in einer Stunde im Thronsaal." Iroh sah seinen Freund verblüfft an. "Äh... gut?" sagte er. "Hoheit, habt Ihr Lust auf eine Runde Pai Sho und einen Tee?" Iroh schüttelte den Kopf. "Einen Schnaps?" Als Antwort bekam er nur erneutes Kopfschütteln. Fon seufzte. Er erlebte den Thronfolger jetzt schon seit mehr als drei Jahren so trostlos und ertrug es kaum noch. Doch sagte er nichts. Stattdessen machte er dem Prinzen immer wieder freizeitliche Angebote. "Na schön," sagte Fon in die Stille hinein. "Fon?" "Ja?" "Du darfst dir gerne den Rest des Tages frei nehmen," sagte Iroh. Er wusste, dass Fon sich noch mit Zhen traf, nur der hatte natürlich viel zu viel Anstand, das Thema in Gegenwart des Prinzen anzuschneiden. Immerhin war Zhen Nolas beste Freundin gewesen. Außerdem hielt Fon es nicht für angebracht, seinem Herren vorzuhalten, dass er ein Mädchen hatte, und Iroh nicht. "Danke," murmelte Fon und lächelte. Leise fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. So kehrte die Einsamkeit wieder in Irohs Zimmer ein. Sein Vater wollte ihn also sprechen. Nur wieso? Der Feuerlord redete herzlich wenig mit seinen Kindern. Eigentlich immer nur dann, wenn es etwas äußerst wichtiges zu besprechen gab. Iroh seufzte. Was stand denn bitte jetzt an? Er tat seine Pflicht doch immerhin mehr als bewusst. Der Thronsaal war eine dunkle, lang gezogene Halle, an deren Kopfende Feuer loderte. Die Flammenwand umgab den fürstlichen Sitz und schaffte eine respekteinflößende Atmosphäre. Iroh ging aufrecht und stramm wie ein Soldat. Er passierte fünf große, schwarzbraune Marmorsäulen, deren untere Enden üppig mit Gold vertäfelt waren. Sieben Fuß vor dem Thron machte er halt, salutierte und kniete nieder. Dann beugte er sich so weit vor, dass seine Nasenspitze beinahe die kalten Steinfliesen berührte. Nach ein paar Sekunden richtete er seinen Oberkörper wieder auf. Ohne ein Wort des Grußes erhob sich der Fürst und ging auf seinen Sohn zu. "Prinz Iroh," sagte Azulon mit kräftiger Stimme, "Vielleicht ist es dir aufgrund deines jugendlichen Leichtsinns entgangen, aber wie ich wirst auch du nicht jünger. Kurzum, ich finde, es ist an der Zeit für dich zu heiraten und für einen Erben zu sorgen." Iroh sah kurz erschrocken auf, senkte aber sofort wieder sein Haupt. Er schluckte. "Deine Mutter hat ein äußerst günstiges Arrangement für dich getroffen, das dem Hofe sehr entgegen kommt. Mach dich bereit, morgen deine Zukünftige zu empfangen." "Wie Ihr wünscht, Vater," sagte Iroh gehorsam. "Du kannst jetzt gehen," schloss der Lord kühl. Iroh erhob sich und ging mit geneigtem Kopf ein paar Schritte rückwärts, dann machte er kehrt und verließ zügig den Thronsaal. So wurde also innerhalb einer Minute sein Lebensplan beschlossen. Er würde heiraten! Eine Fremde! Aber was hatte er sich denn auch gedacht? Dass sein konservativer Vater ihn einfach machen lassen würde, was er wollte? Natürlich hatte er damit gerechnet, eines Tages mit dem Thema konfrontiert zu werden, nur hatte er insgeheim gehofft, bis dahin ein Lebenszeichen von ihr gehört gehabt zu haben. Nola. Ihren Namen laut auszudenken tat weh. Deshalb mied Iroh ihn meistens. Trotzdem konnte er gelegentlich nicht anders. Das harte Training lenkte wenigstens ein bisschen von dieser offenen Wunde ab; die Zeit hatte sie nicht heilen können. Seit jener Nacht hatte er nichts mehr von diesem Mädchen gehört und Iroh hätte eigentlich froh deswegen sein müssen. Keine Nachricht bedeutete, dass sie nicht gefasst worden war. Aber inzwischen war sowieso niemand mehr hinter ihr her und sie hätte ihm doch bestimmt irgendwie signalisieren können, dass sie noch lebte. Das war es, was Iroh nächtelang den Schlaf raubte; sie hätte tot sein können und er hätte es nicht gewusst. Und doch hatte der Prinz die Hoffnung auf ein Lebenszeichen noch nicht ganz aufgegeben. Er fühlte sich unsagbar schwach ohne Nola, aber der Funke Hoffnung schenkte ihm die Kraft, die er brauchte, um weiter zu machen. Dieser Gedanke war ihm aber erst reichlich spät gekommen. Nur ein paar Tage nach ihrem Verschwinden hatte Iroh um eine Audienz bei seinem Vater gebeten, er möge ihn zum Dienst verpflichten. So kam es, dass der Prinz Soldat wurde. Er focht in dem Krieg, den er so hasste, an vorderster Stelle mit. Gefühlstaub wie er war, scherte er sich nicht darum. Das Einzige was ihm noch blieb war die Hoffnung, Nola irgendwo in den Weiten des Erdkönigreichs zu finden. Aber er fand sie nie. Eines Tages dann kam die Einsicht. Im Kampf zu sterben würde Nola auch nicht zu ihm zurückführen. Er beschloss also, dem Schlachtfeld den Rücken zu kehren und abzuwarten. Seine Aufgabe auf diesem Planeten war es, ihn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Und er hatte die Macht dazu, wenn er nur geduldig war. Bis dahin konnte er nichts ausrichten. Iroh beschloss, dass er mit jemandem reden musste. Und es gab nur einen Jemand. Sofort bereute er es, Fon so früh entlassen zu haben. Auch war es ihm unangenehm, seinen Vertrauten bei einem vertrauten Treffen mit Zhen zu stören. Aber er brauchte ihn gerade so sehr. Also machte sich der Prinz auf zu Zhens Haus. Es lag direkt am menschenüberlaufenen Markt, deshalb warf Iroh sich einen langen Kapuzenmantel über. Die Zeiten, da es ihn nicht störte, erkannt zu werden, waren vorbei. In den letzten Jahren las man nur noch über den "loyalen Prinzen, der sich ehrenhaft seinen Pflichten widmet". Er war kein Weiberheld mehr. Die Hochzeitsmeldungen würden wohl bald folgen. Dreimal klopfte der Prinz an die hölzerne Eingangstür. Zhen öffnete. "Oh, hallo," sagte sie und neigte sacht ihr Haupt. "Hallo Zhen," murmelte Iroh leise. "Kann ich Fon sprechen?" "Natürlich," antwortete die junge Frau, sichtlich verwirrt, und bat den Prinzen mit einer Handbewegung in die kleine Stube. Noch nie hatte so royaler Besuch diese Türschwelle überschritten. "Iroh?" fragte Fon überrascht und vergaß für einen Moment seine Förmlichkeiten. Er bemerkte es aber, erhob sich von seinem Sessel und räusperte sich. "Verzeihung, Hoheit, was kann ich für Euch tun?" "Ach Fon," sagte Iroh. Er klang alt. "Es wäre mir gerade viel lieber, wenn du das mit dem Hoheitsgetue lassen würdest." Fon tat verblüfft, fasste sich aber schnell. "Also schön, wie Ihr, äh, wie du wünschst. Setz dich," fügte er hinzu und deutete auf den Platz neben sich. Iroh tat wie geheißen und ließ sich in dem sehr bequemen Stück nieder. Kurz darauf kam Zhen in die Stube und servierte ihm einen frischen Tee. Es war Jasmin. Irohs Magen verkrampfte sich. Trotzdem bedankte er sich artig und sog den heißen Dampf ein. Er roch wie sie. "Was liegt dir auf dem Herzen, Hoheit?" wollte Fon wissen. Er konnte einfach nicht von seinen Gewohnheiten ablassen und nahm den Mittelweg zwischen Etikette und Vertrautheit. "Ich werde heiraten, Fon, heiraten." Nachdem Iroh das ausgesprochen hatte schnaubte er ungläubig und schüttelte den Kopf. "Heiraten. Kannst du dir das vorstellen?" Fon antwortete nicht direkt. Er musste seine Gedanken erst einmal sortieren. "Mein Vater hat es mir eben gesagt," fuhr Iroh fort. "Ich kenne das Mädchen nicht. Ich weiß nicht wie sie heißt. Ich weiß nur, dass sie eine "gute Partie" sein soll." Der Prinz ließ seinen Kopf in die Hände sinken und fuhr sich durch die Haare. "Eine gute Partie, das ich nicht lache," wiederholte er dumpf. "Wann wirst du sie treffen?" fragte Fon. "Schon morgen." "Oh," stieß Fon aus. "Das ist nun wirklich kurzfristig." "Und ich bin froh darüber," erwiderte Iroh. Fon verstand nicht und schwieg. "Nun ja, wenn ich schon verheiratet werde, dann finde ich es gut, dass sie mich nur einen Tag lang warten lassen. Wenn ich mir vorstelle, ich wüsste ein halbes Jahr vorher Bescheid... ich weiß nicht, was ich dann machen würde. Vielleicht ist es ja auch ganz gut so." "Hoheit?" Iroh antwortete nicht, sondern starrte nur auf seine Füße. "Soll ich morgen dabei sein?" Iroh blickte auf in Fons gütige Augen und nickte dankbar. Dann nahm er einen verboten schönen Schluck aus der wohlriechenden Tasse vor ihm, verabschiedete sich und ging. Zhen sah dem Prinzen noch eine Weile nach, dann wandte sie sich an ihren Verlobten. "Er hat es immer noch nicht überwunden, nicht wahr?" fragte sie leise. Fon stellte sich zu ihr, umarmte sie von hinten und gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Nein," sagte er. "Ich bezweifle, dass er das jemals tun wird." Am nächsten Morgen Fon zupfte ununterbrochen an Irohs Kragen herum. Er trug heute aber auch ganz unpraktisch fallende Kleidung, die nie so halten wollte, wie Fon es gerne hätte. Zwar wusste Irohs persönlicher Diener, dass dem Prinzen dieses Treffen herzlich egal war, aber er war eben zu pflichtbewusst, als dass er unästhetische Faltenwürfe in Kauf nehmen würde. Nicht nur Fon, auch Irohs Mutter, Feuerlady Ilah, wuselte ständig um ihn herum. Zu seinem Leidwesen plapperte sie ununterbrochen vor sich hin. "Mein Sohn, du wirst mir eines Tages noch dafür danken, dass ich dieses Mädchen für dich ausgesucht habe. Sie ist ausgesprochen hübsch, kultiviert und charmant. Oh ja, sie wird dir sehr gefallen. Ihr Vater ist General und es wird dich freuen zu hören, dass er dich als sein Oberster Offizier einstellen und mit an die Front nehmen wird. Welch glorreiche Taten euch bevorstehen werden! Ja, sie ist wirklich ein liebreizendes Geschöpf..." Die Vorteile dieser Ehe, die Vorzüge eines fremden Mädchens, dessen Namen Iroh nicht einmal kannte – all das bekam er immer wieder in verschiedensten Ausschmückungen von seiner Mutter vorgehalten. Ihn überkam ein Anflug von Mitleid für sich selbst und vor allem auch für seine zukünftige Braut. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass sich jemand freiwillig mit ihm, dem zukünftigen Herrscher, einließ und damit auch noch glücklich war. Abgesehen davon würde er sie nie so lieben können, wie das Mädchen mit den nachtblauen Augen. Und sein eigenes Glück? Iroh hatte sehr viel in der vergangenen Nacht nachgedacht. So sehr er Nola liebte und sie vermisste, so real war auch das Hier und Jetzt. Er durfte einfach nicht die Zukunft seiner Nation für die wahre Liebe, die vielleicht nie wiederkehren würde, auf's Spiel setzen. Sein bis dato ungeborener Neffe sollte Jahrzehnte später ebenfalls dazu bereit sein, die gleiche halbgare Vereinbarung mit sich selbst zu treffen (was aber zum Glück nie verwirklicht werden würde). Da stand er nun also; ein rausgeputzter Junggeselle, dessen Herz schon längst jemand anderem gehörte und wohl nie imstande sein könnte, das Mädchen, das jeden Augenblick durch die Tür treten sollte, zu lieben. Als sich die Flügeltüren des Empfangssaals öffneten, hielt fast die ganze versammelte Mannschaft kollektiv den Atem an. Und, zugegeben, die junge Frau, die hinter einem stattlichen, mit Orden geschmückten, Mann eintrat, hatte das Luftanhalten auch verdient. Ausgesprochen hübsch, das war sie tatsächlich. Aber sie war eben nicht sie. Doch Iroh war Iroh und der war eben ein Kavalier. Er küsste dem Mädchen die Hand, die sie ihm anbot und nickte zum Gruß. Dann bot er ihr seinen rechten Arm an und geleitete sie in den Speisesaal. Ilah, Fon, der Vater des Mädchens und zwei von Ilahs Hofdamen folgten ihnen. Bevor sich gesetzt wurde, fing Ilah an, die Anwesenden einander vorzustellen. "General Hong, mein Sohn Prinz Iroh; Iroh, das ist Yu Ann." Yu Ann knickste anständig. Sie war schlank, recht groß und trotzdem zierlicher Statur. Ihr langes, hochgestecktes Haar war kastanienbraun und glänzend, ihre Haut rosig wie ein Pfirsich und ihre Augen jadegrün. Beim genaueren Hinsehen schien es, als wären sie von goldenen Splittern durchzogen, die schimmerten, wie ein Schatz am Grunde eines Bergsees. "Guten Abend, Eure Hoheit," sagte sie, an Iroh gerichtet. Ihre Stimme war angenehm und lieblich, aber sie war nicht vergleichbar mit Nolas süßem Alt. 'Agni,' fuhr sich Iroh selbst in Gedanken an. 'Hör endlich auf, sie mit ihr zu vergleichen.' Aber er konnte nicht anders. Sie war hübsch, aber nicht schön. Sie war charmant, aber nicht umwerfend. Sie war nicht Nola. Die nächsten fünfundvierzig Minuten waren schrecklich. Iroh und Yu Ann sprachen kein Wort miteinander. Sie saßen nur da und kommentierten an einigen Stellen artig, was Lady Ilah oder General Hong zu sagen hatten. Die Themen waren genau die gleichen wie zuvor: Vorteile, Vorzüge, das Angebot, Offizier zu werden; Geld und Macht. Kein Wort fiel tatsächlich über das zukünftige Brautpaar. "Nun denn," sagte Ilah schließlich und platzierte ihre Hände auf den Armlehnen, bereit sich zu erheben, "wir werden euch nun alleine lassen. Iroh, warum geleitest du Yu Ann nicht nach draußen in den Garten? Es ist so ein herrlicher Tag." "Jawohl, Mutter," sagte Iroh gehorsam und reichte Yu Ann seine Hand. Sie akzeptierte. "Schön habt Ihr es hier," übte sich Yu Ann in Konversation mit dem Prinzen, während sie neben ihm durch die fürstlichen Gärten schlenderte. "Yu Ann, ich habe eine Bitte," sagte Iroh nüchtern, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen. "Wir werden höchstwahrscheinlich heiraten und durften uns das nicht einmal aussuchen. Können wir die Förmlichkeiten lassen?" Yu Ann schien ob dieses etikettfreien Vorschlags überrascht, stellte sich aber sofort um. "Also schön," sagte sie. "Wie geht es dir?" "Nun ja, ich habe gestern erfahren, dass ich in einer Woche heiraten soll. Was denkst du?" Iroh fühlte sich elend, mit Yu Ann so sarkastisch zu sein, immerhin traf sie das gleiche Schicksal. Aber er konnte sich im Moment einfach kaum dazu überwinden, Gelassenheit vorzutäuschen. "Erst seit gestern?" murmelte Yu Ann ungläubig. "Ich weiß es seit zwei Wochen und habe das für kurzfristig gehalten." Sie musste dem Prinzen sein Unbehagen ansehen, denn sie fing an herzlich zu lachen und damit traf sie eine von Irohs Schwächen: er war einfach eine Frohnatur. Und einem charmanten Lächeln konnte er keine eisige Miene entgegen setzen. Er lächelte zurück und blieb stehen. "Yu Ann?" Iroh klang jetzt nicht mehr nüchtern. Es war als würde der Frosch im Hals allmählich zum Vorschein kommen. "Komm setzen wir uns," sagte er und deutete auf eine niedrige, moosbewachsene Mauer, welche die Wiese von den Beeten trennte. Nachdem er sich niedergelassen hatte fuhr er fort: "Ich will ehrlich zu dir sein, denn du bist ebenso unfreiwillig hier wie ich, egal wie lange vorher du es schon wusstest. Und ich finde, zwei Wochen machen das ganze auch nicht besser. Wir sitzen einfach im selben Boot und deshalb hast du die Wahrheit verdient." Yu Ann sagte nichts. Sie konnte schon immer gut zuhören. "Ich mag dich. Ehrlich. Du bist ein hübsches und nettes Mädchen und würde ich dich besser kennen, könnte ich jetzt wahrscheinlich noch mehr Vorzüge aufzählen. Aber du musst wissen," Irohs Herz klopfte ihm im Hals, "dass ich dir meine Liebe nicht geben kann." Der Prinz sah die Generalstochter entschuldigend an, doch Yu Ann sah nicht zurück. Sie starrte auf ihre zarten Hände. Agni, hoffentlich hatte er es nicht überstürzt gesagt! Aber Iroh konnte ihr nichts vorspielen, das wäre ihrer nicht würdig. "Ich weiß," sagte Yu Ann schließlich. "Es ist schon in Ordnung. Ich bin mir schon bewusst, dass unsere Eltern das hier arrangiert haben. Aber ich hatte da so einen kleinen Funken Hoffnung, dass wir uns ansehen könnten und..." Sie schluckte und ließ den Gedanken los. "Ach weißt du, eigentlich bin ich froh, dass du mir das jetzt schon sagst. Ich kann dich verstehen. Ich bin zwar noch Jungfrau," - sie betonte es als wäre es wichtig. Aufgesetzt lachend fügte sie hinzu: "sonst wäre ich schließlich auch kein Heiratsmaterial für den Kronprinzen mehr. Aber... es gab da mal jemanden, der..." Sie sprach jetzt wieder leiser, dunkler und wie Iroh fand: nackter. "Ich habe jede Aussicht auf ein Wiedersehen mit ihm verloren." Mit mattem Blick betrachtete sie immer noch ihre perfekt manikürten Fingernägel. "Das tut mir Leid," sagte Iroh aufrichtig. Er nahm Yu Anns Hand und drückte sie sacht. Es fühlte sich liebevoll an, aber auch sehr verhalten. Zwei verlorene Herzen hatten sich anscheinend gefunden. Nun galt es, das beste daraus zu machen. "Ann?" "Ja?" "Sollen wir's einfach tun?" "Heiraten?" "Ja," murmelte Iroh leise. "Weißt du, wir beide werden uns wahrscheinlich nie so lieben können wie wir früher zu lieben vermochten. Aber wie haben heute die Chance, Freunde zu werden. Gefährten, verstehst du?" Yu Ann nickte. "Wir sind vielleicht einsam, aber allein müssen wir nicht sein. Und wenn wir beide so denken, dann wird auch niemand verletzt." Ann sagte eine Weile nichts. Es wurde kühl und sie standen wortlos auf, um sich wieder der Gesellschaft anzuschließen, die gespannt auf eine Entscheidung von ihnen wartete. Iroh schlang wärmend einen Arm um die Schultern des Mädchens, das er bis vor zwei Stunden noch nie gesehen hatte. "Iroh?" "Ja?" "Ich bin gar keine Jungfrau mehr." Als Antwort bekam sie einen Kuss auf die Wange. Kapitel 7: Zwei Hochzeiten und ein Zwischenfall ----------------------------------------------- „Destiny is a funny thing. You never know how things are going to work out. But if you keep an open mind and an open heart, I promise you will find your own destiny someday.“ Ein wenig enttäuscht war das Fräulein Waschfrau ja schon, als es hörte, dass der Kronprinz unter die Haube kommen würde. Alsbald ihm aber der Gedanke durch den Kopf schoss, dass es ja auch noch Prinz Ozai gab, grinste es breit und widmete sich wieder dem Bottich. Immerhin mussten jegliche Banner, Fahnen, Decken und Tücher für den großen Tag reiner als rein werden! Nicht einmal eine Woche später, an jenem großen Tag, verliefen die Hochzeitszeremonien nüchtern und entsprachen der Etikette vom Scheitel bis zur Sohle. Iroh und Yu Ann verhielten sich artig und gestriegelt. Sie waren gekleidet in viel zu aufwendige Roben, unter denen es fast unerträglich stickig war zu dieser heißen Jahreszeit. Und doch ertrugen beide das Brimborium, das gar nicht nach ihrem Geschmack war, mit Anstand und Würde. Wahrscheinlich hielten sie deshalb eine stabile Fassade aufrecht, weil sie jedes Mal, da sie sich in die Augen sahen, wussten, dass sie diese Last nicht alleine zu tragen hatten. Als Iroh eine gute Stunde nach der ermüdenden Trauung seine Gemächer betrat, saß Yu Ann schon auf der Bettkannte. Nur ein Hauch von Nichts umhüllte ihren schlanken Körper und man konnte ihr ansehen, dass ihr unwohl war. Sie sah auf, als der Prinz die Tür leise ins Schloss fallen ließ. „Warte einen Moment,“ sagte Iroh unvermittelt und ging zielstrebig auf das Ankleidezimmer zu. Wenige Augenblicke später kehrte er mit einem richtigen Morgenmantel aus Wolle zurück. Liebevoll legte er ihn ihr um die Schultern. „Danke,“ sagte Yu Ann leise. Man merkte sofort, wie sie auftaute. Iroh bot ihr eine Hand an und führte sie nach draußen. Es dämmerte und ein paar Hirschgrillen zirpten eine beruhigende Melodie. In der Ferne konnte man noch die Stimmen der feiernden Gäste hören. Der Prinz sah sich kurz um und entschied sich für eine alte hölzerne Bank mit geschwungenen Messingfüßen. Er gebat seiner frisch gebackenen Frau sich zu setzen und verschwand noch einmal, um zwei Becher und eine Karaffe Rotwein zu holen. Er schenkte ihnen großzügig ein und ließ sich neben seiner Gemahlin nieder, die er bis vor ein paar Tagen noch nie gesehen hatte. Eine Weile lauschten sie gemeinsam der Musik des Gartens. „Erzähl mir von ihr,“ sagte Yu Ann schließlich und nippte erwartungsvoll an ihrem Wein. Iroh antwortete nicht direkt. Noch nie hatte er jemandem von ihr erzählt. Selbst mit Fon redete er nicht wirklich darüber; vor allem weil der Diener genau wusste, dass Iroh nicht wollte. Oder doch? Vielleicht war es auch einmal gut, von ihr zu sprechen. „Sie...“ begann Iroh zögerlich. Obwohl er nicht weiter sprach, wurde er nicht unterbrochen. Yu Ann war eine sehr geduldige Frau. „Sie hatte... ihre Augen, sie...“ Der Prinz verlor sich in seiner Erinnerung. Während er sein Gesicht in die Hände sinken ließ, spürte er, wie sein rechtes Schulterblatt sacht gestreichelt wurde. Iroh merkte, dass es gut tat, doch als er sich wieder aufrichtete, ließ Yu Ann abrupt los, als fühlte sie sich ertappt. „Sie hieß Nola,“ sagte Iroh rau. Er spürte einen Stich im Herzen, als er von ihr in der Vergangenheitsform sprach. „Sie war wunderschön...“ Iroh nahm einen kräftigen Schluck Wein und hielt kurz inne bevor er fortfuhr. „Es war vor fast vier Jahren; im Sommer. Sie hat im Teehaus ihrer Eltern gearbeitet. Ich... ich habe mich sofort in sie verliebt. Sie war so schön...“ Er stammelte noch etwas mehr vor sich hin und Yu Ann hörte weiterhin aufmerksam zu. Sie merkte, dass er sich schwer tat, von Nola zu reden. Anscheinend hatte er das nicht allzu oft getan. Und sie spürte, wie viel sie ihm bedeuten musste. Es bedarf keiner großen Worte, seine große Liebe zu beschreiben. Wenn sie echt ist, dann merkt man das einfach. „Iroh?“ warf Yu Ann vorsichtig ein. Überrascht sah der Thronfolger seiner Braut in die Augen. „Ja?“ „Es ist schon gut. Du musst doch nicht reden, wenn es dir schwer fällt.“ Iroh verstand und lächelte matt. „Danke,“ sagte er. „Danke, dass du mich nach ihr gefragt hast. Es hat irgendwie gut getan.“ „Das tut es immer,“ antwortete Yu Ann. „Wenn das so ist,“ begann Iroh, „dann erzähl mir doch von ihm.“ Ann schloss die Augen und lächelte in sich hinein. „Es ist noch nicht so lange her,“ begann sie. „Vor etwas mehr als zwei Jahren, am Tag nach meinem achtzehnten Geburtstag, hat mich mein Vater mit ins Erdkönigreich genommen. Er sagte zu mir, ich als Generalstochter sollte wissen, wie es da draußen zugeht. Also reiste ich mit. Wir blieben im Süden, in einem großen, befestigten Lager der Feuernation. Mein Vater war sehr beschäftigt und so konnte ich mich teilweise recht unbeobachtet umsehen. Nur wenige Tage nach meiner Ankunft wurde eine Reihe Kriegsgefangener zu uns gebracht. Unter ihnen... war er...“ „Du hast dich in einen Erdbändiger verliebt?“ fragte Iroh erstaunt. Er merkte, dass er sie unterbrochen hatte und murmelte etwas entschuldigendes. „Ja,“ sagte Yu Ann. „Ja, das habe ich. Sein Name war Tenya.“ Sie stockte, als sie seinen Namen aussprach. Auch ihr fiel es offensichtlich nicht leicht. Doch sprach sie weiter. „Wir trafen uns des nachts, an seiner Zelle. Ich konnte es nicht mit ansehen, dass er nicht frei war. Also... habe ich ihn gehen lassen. Ich schaffte es an die Schlüssel des Wärters zu kommen.“ Wie, das sagte sie nicht. „Noch in der selben Nacht ließ ich alle Männer frei.“ Yu Ann seufzte schwer. „Tenya war so glücklich. Er bat mich, mitzukommen; und ich wollte! Aber ich musste zunächst meine Unschuld beweisen und im Lager bleiben. Niemand sollte mich verdächtigen. Also verabschiedeten wir uns zunächst. Wir vereinbarten eine Zeit und einen Ort, an dem wir uns treffen wollten. Und so kam es.“ Yu Ann lächelte leise. „Wir trafen uns noch ein paar Mal, doch dann... dann kam er nicht mehr.“ Sie unterdrückte eine Träne, die ihr Unterlid zu überqueren versuchte. „Am nächsten Morgen verkündete mein Vater stolz, dass sie die entkommenen, ich zitiere, „Schweine“ geschnappt hätten. Und, dass... dass sie an ihnen ein Exempel statuiert hätten.“ Iroh schluckte. „Ich werde diesen Augenblick nie vergessen,“ fuhr Yu Ann mit zitternder Stimme fort. „Wie mein Vater da stand, mit diesem hungrigen Blick in den Augen und ich... ich durfte nicht einmal die kleinste Gefühlsregung zeigen.“ Auch jetzt blieb sie verhältnismäßig ziemlich nüchtern, fand Iroh. Sie schien es gewohnt zu sein, ihre Gefühle zu verdrängen. „Ann?“ sagte Iroh leise und nahm die Hand seiner Prinzessin. Sie sah auf und versuchte stark auszusehen. „Vor mir musst du dich nicht verstecken. Wenn dir danach ist, dann zeig was du fühlst.“ Yu Ann sah Iroh immer noch an, doch ihre Züge fingen an, sich zu verkrampfen. Sie zog ihre Knie an und vergrub ihr Gesicht darin. Allmählich, ganz langsam, als wüssten sie noch nicht wie ihnen geschah, krochen ein paar Tränen hervor und benetzten den Stoff ihres Morgenmantels. Iroh schlang seinen rechten Arm um sie und Yu Ann ließ all ihren aufgestauten Gefühlen freien Lauf. Erst, als sich die letzten Wolken verzogen hatten und die Sterne klar sichtbar wurden, ging das Brautpaar wieder hinein. Mit Yu Ann zu schlafen war anders. Es war schön, aber es war weniger leidenschaftlich und nicht so explosiv. Sie merkten, dass beide, obwohl sie einander wirklich gern hatten, mit ihren Gedanken ganz weit weg waren. Aber zum ersten Mal seit langem waren sie nicht mehr allein. „Jetzt stell dich doch nicht so an,“ brummte der Prinz, während er ungeduldig am Kragen seines Dieners herumzupfte. Nur ein paar Tage nach Irohs Hochzeit schienen die Rollen vertauscht zu sein. „Ich bin aber so aufgeregt,“ rechtfertigte sich Fon pikiert. „Ich darf Euch daran erinnern, dass es Euch ebenso erging.“ „Ja Fon,“ knurrte Iroh, „mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass du dir deine Braut aussuchen durftest.“ Fon wurde rot. „Entschuldigt, Hoheit.“ „Und hör endlich mit diesem Hoheitsscheiß auf!“ Der kleine Innenhof, in dem die Trauung stattfinden sollte, war von Lampions in verschiedensten Rottönen warm erleuchtet. Entlang der steinernen Türbögen wand sich eine Kletterpflanze, die jetzt zu dieser Jahreszeit in voller zartrosa Blüte stand. Iroh beobachtete, wie Auszüge von Fons und Zhens Verwandtschaft herumwuselten, um alles festlich zu dekorieren. Es wurde recht schlicht gehalten, was ganz nach Irohs Geschmack war. Holzstühle wurden aufgestellt und mit bunten Papiergirlanden verziert. Am Kopfende des Hofes, wo das Brautpaar knien sollte, wurde ein moccafarbener Teppich über zwei Stufen ausgelegt, die auf ein leicht erhöhtes Podium führten. Im Gegensatz zu Irohs Hochzeit, schien das hier wirklich aufrichtig zu sein. Fon und Zhen mussten kein Gefühl der Welt mit Pompösität und Luxus kompensieren. Und ehe der Thronfolger sich für seinen besten Freund so richtig freuen konnte, überkam ihn ein Anflug von purem Neid. Nach und nach trudelten die Gäste ein. Es waren nicht sonderlich viele, aber dafür waren es wirklich die Menschen, die Zhen und Fon bei sich haben wollten. Auch Yu Ann war inzwischen da. Sie und Iroh hatten sich in der zweiten Stuhlreihe niedergelassen und besahen sich das bunte Treiben. „Denkst du das gleiche wie ich?“ fragte Iroh nach einer Weile. „Ich glaube schon.“ Yu Ann schloss für einen Moment die Augen und seufzte. Offensichtlich schwelgte sie in Erinnerungen. „Ja, das hier wäre wirklich schön gewesen,“ fügte sie hinzu. „Ann?“ „Ja?“ „Ich bin froh, dass du da bist.“ Iroh meinte es auch so. Es war ein seltsames Gefühl, verheiratet zu sein, und das nicht mit der Frau, die doch eigentlich die seine war. Er liebte Nola, das stand für ihn fest. War es dumm, über Jahre der Ungewissheit immer noch an der einen Frau zu hängen? Vielleicht wäre es besser, sie zu vergessen und Yu Ann als die Eine zu betrachten. Aber sein Kopf und sein Herz standen wie so oft im Zwiespalt miteinander. Sein Kopf beschimpfte sein Herz als Idioten, der nicht in der Lage war, loszulassen. Sein Herz warf dem Kopf vor, gefühllos zu sein. Denn Irohs Herz konnte Nola einfach nicht vergessen. Sie tauchte in seinen Träumen auf, in seinen Fantasien, sie war nirgendwo bei ihm und doch überall. Iroh wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Yu Ann ihn anstupste. „Es geht los,“ flüsterte sie und drehte sich, wie alle anderen Geladenen, auf ihrem Platz um. Iroh tat es ihr gleich. Durch den mittleren Türbogen trat Fon. Der großgewachsene Diener Seiner Hoheit hätte in dieser Aufmachung ebenso als fürstlich durchgehen können. Er trug eine dunkelrote Uniform, die fast schwarz war. Sie reichte bis knapp über seine Hüften, wo sie in einem helleren burgunder auslief. Die ebenfalls dunkelroten Hosen steckten in schwarzen Lederstiefeln. Seine Gesichtszüge wirkten nun, da hier nun wirklich seine Person im Vordergrund stand, nicht so ehrfürchtig wie sonst; er sah deutlich selbstbewusster und erwachsener aus. Zügigen, aber eleganten Schrittes durchquerte er den durch die Stühle geschaffenen Gang und machte erst vor den Stufen halt. Dann drehte auch er sich um und seine braungrauen Augen leuchteten, als er Zhen erblickte. Iroh konnte sehen, wie Fon stumm 'Agni' hauchte. Die Braut trug ein sonnengelbes Kleid. Es war knielang geschnitten und in die Falten des Rocks waren orangerote Verläufe eingewebt. Oben war es hoch geschlossen, doch als sie sich langsam ihrem Bräutigam näherte, konnten die Gäste der hinteren Reihen schon sehen, dass es hinten tief ausgeschnitten war. Zhens schwarzes, glänzendes Haar, das sie heute nicht wie üblich geknotet, sondern offen trug, fiel ihr sanft über den Rücken. Sie sah wirklich zauberhaft aus. Sobald sie den Platz neben Fon erreicht hatte, knieten sich beide auf den Stufen nieder. Zeitgleich erhoben sich die Gäste. Ein Priester trat vor das Brautpaar und sprach: „Liebe Gäste; geladene Verwandte und Freunde; Euer Hoheit" – er nickte dem Prinzenpaar zu - "Wir haben uns heute hier versammelt, weil diese beiden jungen Menschen vor Agni den Bund der Ehe schließen wollen. Verheiratet sein bedeutet verantworten, vertrauen, teilen, ehren und lieben. Sie soll ein Symbol dafür sein, dass zwei Menschen sich wünschen, für immer zusammen zu sein.“ Der Priester hielt kurz inne, bevor er die entscheidenden Fragen stellte. „Fon Yuhao, möchtest du Zhen Xionghuai zu deiner Frau nehmen?“ „Ja, ich will.“ „Zhen Xionghuai, möchtest du Fon Yuhao eine gute Ehefrau sein? „Ja, ich will.“ Der Weise entfachte eine Flamme in seiner linken Hand und reichte sie Fon. Er formte seine Hände zu einem Kelch, übernahm das Feuer und hielt es zwischen sich und Zhen. Sie hielt ihre Hände vor Fons und empfang die Hälfte der knisternden Flamme. „Mein Herz sei das deine,“ sprach sie laut und deutlich. „Meine Liebe für dich,“ sagte Fon. „So sei es,“ schloss der Priester und breitete die Arme aus. „AGNI, AGNI, AGNI!“ riefen die Gäste und brachen anschließend in tobenden Applaus aus, als Fon und Zhen sich erhoben hatten, um ihren Bund mit einem liebevollen Kuss zu besiegeln. Nachdem sie die ganze Nacht gefeiert hatten, war Iroh am nächsten Morgen dementsprechend verkatert. Zu allem Überfluss hatte seine Mutter, Lady Ilah, beschlossen, ihm in just diesem Moment eine Predigt über sein Sexualleben zu halten. „Iroh, ich möchte dich darauf hinweisen, dass du hauptsächlich deshalb geheiratet hast, um für einen Thronfolger zu sorgen.“ Der jetzige Thronfolger saß vor einer Tasse Tee und hörte seiner Mutter angespannt zu. „Ich bin mir sicher, es liegt in unser aller Interesse, dass Yu Ann sobald wie möglich..." - sie sah zu ihrem Jüngsten hinüber – "...guter Hoffnung ist,“ fügte sie flüsternd hinzu. „Natürlich, Mutter,“ sagte Iroh mit einer Spur Sarkasmus auf der Zunge. „Dann bin ich ja beruhigt,“ sagte Ilah. "Ich werde mich täglich vor den Mahlzeiten darum bemühen." Auf diesen nun eindeutig sarkastischen Kommentar ging Ilah nicht ein. Stattdessen sah sie sich nach ihrem zweiten Sohn um. "Ozai-Schatz,“ fuhr sie mit verändertem Tonfall fort, „wenn du aufgegessen hast geh bitte in das Lehrzimmer. Gleich hast du deine Mathematikstunde.“ Ozai verzog das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich hab aber keine Lust,“ quängelte er und zog eine Schnute. Aus Angst, er könnte sich wirklich aufregen, beschwichtigte Ilah ihren Sohn. "Aber, aber, du kannst das gerne auch morgen nachholen, wenn du jetzt keine Lust dazu hast." Nicht nur Ozai, auch sein älterer Bruder hatte keine Lust mehr. Wortlos erhob er sich und ließ jene Szenerie inkonsequenter Erziehung hinter sich. Fünf Monate später Iroh erwachte abrupt. Er sah nach links und fand die andere Seite des Bettes leer vor, die Wärme hing aber noch in den Laken. „Ann?“ fragte er müde in die Nacht hinein. Eine Antwort bekam er nicht. Stattdessen bemerkte er, dass die Tür zum Waschraum einen Spalt breit offen stand. Iroh schälte sich aus mehreren dünnen Schichten Seide und näherte sich dem Badezimmer. „Ann?“ wiederholte er und klopfte sacht. Da er erneut keine Antwort bekam, trat er einfach ein. Iroh erkannte vage ihre Umrisse. Sie hockte auf den kalten Marmorfliesen. Licht hatte sie sich nicht gemacht. „Ann!“ Iroh eilte auf sie zu und ließ sich neben ihr nieder. „Hey, was ist los?“ fragte er und strich der jungen Frau liebevoll über die Wange. Er entfachte eine schwache Flamme in seiner Linken. Der Schein leckte über die nackten Fliesen und erhellte Yu Anns Antlitz. Sie sah geschunden und erschöpft aus. Ihr Teint war fahl und ihre Augen feucht und geschwollen. „Geh... lieber,“ stammelte sie. Ihre Stimme war geschwollen und schwer. Sie zitterte. „Ich will nicht, dass du mich so siehst.“ Iroh dachte gar nicht daran, von ihrer Seite zu weichen. „Nicht bevor du mir sagst, was los ist,“ sagte er bestimmt und suchte nach ihrer Hand. Die waren aber beide unter den vielen Laken versteckt, die sie schützend um sich gehüllt hatte. Yu Ann brach in Tränen aus und warf ihren Oberkörper immer wieder vor und zurück, als hätte sie starke Schmerzen. „Alles ist gut.“ Iroh machte Anstalten, seine Frau zu trösten. Leider kam ihm so langsam eine Ahnung, die es ihm schwer machte, optimistisch zu bleiben. Und obwohl sich Yu Ann mit all ihrer verbliebenen Kraft wehrte, schaffte es Iroh, sie aus dem Wust von Stoff zu befreien. Er bekam eine ihrer kalten Hände zu fassen und hätte sie fast sofort wieder losgelassen. Sein Atem wurde trocken. Yu Anns Hände waren voller Blut. „Ann...“ brachte Iroh nur hervor, seine Stimme zitterte. Sie wehrte sich nicht mehr als Iroh ihren Morgenmantel hochhob. Er war vollgesogen mit schwärzlichem, schleimigem Blut. Der Prinz sah angsterfüllt in das schwache Gesicht seiner Frau und stand zügig auf. „EINEN ARZT!“ rief er als er den Flur erreicht hatte. „Schnell, einen ARZT!“ „Sie hatte eine Fehlgeburt, Hoheit.“ Iroh sagte nichts. Er saß nur auf der Bettkante und starrte auf seine Fingerknöchel, die langsam weiß wurden. „Es ist nichts ungewöhnliches, dass so etwas passiert. Nach zwölf Wochen Schwangerschaft ist es aber noch nicht so schlimm,“ fuhr Doktor Huzon scheinbar beschwichtigend fort. 'Nicht so schlimm?' schoss es Iroh durch den Kopf. Er presste seine Kiefer so fest zusammen, dass es wehtat. „Aber mit Verlaub, Hoheit, es scheint, dass bei Eurer Frau ein erhöhtes Schwangerschaftsabbruchrisiko besteht. Vielleicht solltet Ihr es überdenken, ob jemand wie sie für den Kronprinzen geeignet ist.“ Iroh konnte sich nicht länger beherrschen „Ich werde sie nicht WEGWERFEN wie ein Stück DRECK!“ schrie er zornig. Er hatte sich erhoben und wie alle Tatzus im wütenden Zustand bot er einen einschüchternden Anblick. Das merkte auch der Hofarzt. „Verzeiht,“ nuschelte er in seinen Bart. „Ich hatte nicht die Absicht, Euch zu erzürnen.“ „Ach ja?“ Iroh knurrte bedrohlich. „Was dann? Mir einreden, dass alles wieder gut wird? Mein Kind ist TOT, verdammt! Und Ihnen fällt nichts besseres ein, als der Mutter meines totgeborenen Kindes die Schuld für alles zu geben? Das finde ich sowas von zum kotzen.“ Der Hofarzt stammelte etwas, das Iroh nicht verstand; und es war ihm gleich. „Raus,“ zischte er. Doktor Huzon sah auf und schluckte. Diese Schlacht hatte er wohl verloren. Doch der eigentliche Verlierer stand direkt vor ihm. Als der Arzt die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ, sank der Kronprinz zu Boden und starrte auf seine Knie. Noch konnte er nicht ahnen, dass es in seinem Leben nicht bei diesem einen Schicksalsschlag bleiben würde. Denn wie wir alle wissen, ist das Schicksal eine seltsame Angelegenheit... Zhen war gerade dabei das Bett frisch zu beziehen, als es leise an der Haustür klopfte. So leise, dass es kaum wahrnehmbar war, und doch so bestimmt und deutlich. Zhen Yuhao stieg langsam die Treppe hinab. Sie erwartete keinen Besuch, Fon arbeitete und selbst wenn er es wäre, er hätte einen Schlüssel. Es klopfte erneut. „Zhen?“ hörte Fons Ehefrau jemanden ihren Namen sagen. Sie kannte diese Stimme doch irgendwoher. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt breit und lugte hinaus. Vor ihr stand eine vermummte Gestalt; eine Frau, fast vollständig in dunkle Leinen gehüllt. Durch den vielen Stoff konnte Zhen aber vertraute Gesichtszüge erkennen; sowie ein Paar tiefblauer Augen. Kapitel 8: Mehr als nur ein Spiel --------------------------------- „In the darkest times, hope is something you give yourself. That is the meaning of inner strength.“ „Nola?“ brachte Zhen ungläubig hervor. Die Besucherin schob ihre Kapuze ein Stück zurück. „Nola!“ rief Zhen und fiel ihrer besten Freundin um den Hals. „Agni, du bist es wirklich! Du lebst! Wir haben gedacht... ach Nola,“ jetzt kullerten ihr Tränen über die Wangen, „Nola... du...“ Zhen ließ von ihr und sah ihr tief in die Augen. Nola versuchte ein Lächeln aber auch sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. „Wie wär's wenn du erstmal reinkommst?“ schniefte Zhen. „Ich hab Tee da.“ Nola nickte und lächelte herzlich. Es tat gut, Zhen wieder zu sehen. Auch wenn es jemanden gab, den sie eigentlich noch viel lieber sehen wollte; wahre Freundschaft ist ein unbezahlbares Geschenk. „Wir haben uns so viel zu erzählen,“ kicherte Zhen, als sie Nola gestikulierend reinbat. „Ich glaube wir sind übermorgen noch hier.“ Nola war wieder da. Sie war hier; in ihrer eigentlichen Heimat. Hier war sie aufgewachsen und zur Schule gegangen. Hier hatte sie ihren ersten Kuss und Korb bekommen und hier, genau hier in dieser Stadt, hatte sie ihre große Liebe gefunden. Doch das alles kam ihr so unwirklich vor. Sie sah sich in der gemütlichen Stube um. Zhen konnte sie nicht alleine bewohnen, denn überall entdeckte sie Herrenstiefel oder -mäntel. Fon? Oder jemand anderes inzwischen? Nola fühlte sich ein wenig verloren; sie wusste überhaupt nicht mehr, was in ihrer Heimat vor sich ging. Während Nola sich umsah, nestelte ihre langjährige Freundin in der Küche an einer Kanne Tee herum. Zhen schien nervös und aufgeregt zu sein. Wann tauchten denn schon seit Jahren vermisste Freunde wieder auf? Fast verschüttete sie die Hälfte des Tees auf dem Weg ins Wohnzimmer. „Wer ist denn der glückliche?“ fragte Nola unvermittelt, als Zhen sich neben sie gesetzt hatte. Zhen schien verblüfft obgleich so einer plauderhaften Frage. Anscheinend hatte sie ernstere, abenteuerliche Geschichten erwartet. „Äh, Fon. Fon! Ja, wir haben vor einem guten halben Jahr geheiratet.“ „Oh Mann,“ sagte Nola und lächelte ihre Freundin an. „Das freut mich für dich.“ Natürlich freute sie sich. Aber natürlich assoziierte sie den Namen des glücklichen Gatten auch mit jemand anderem. „Ich kann es kaum erwarten, bis ihr euch wieder seht,“ plapperte Zhen. „Fon müsste in zwei Stunden zu Hause sein. Dann können wir zusammen essen. Und gleich morgen arrangieren wir ein Treffen mit -“ Sie wurde unterbrochen. „Ich möchte ihn nicht sehen,“ sagte Nola knapp. Es folgte ein äußerst ungläubiger Blick seitens Zhen. „Wie bitte?“ fragte sie und hob die Augenbrauen. „Ich möchte nicht. Ihn nicht und Fon auch nicht. Es tut mir Leid, aber Fon steht ihm so nahe. Er würde wissen, dass ich hier bin.“ „Aber willst du denn, dass Iroh weiterhin denkt du seist verschollen, womöglich tot? So wie wir alle?“ Zhen klang eine Spur gereizt. „Ja... nein.“ Nola sagte lange nichts, während Zhen auf eine richtige Antwort pochte. „Ich habe die Plakate gesehen, Zhen!“ rief Nola plötzlich. „Ich habe sie gesehen. Und die Nachricht, dass -“ Nola hielt kurz inne „- dass sie schwanger ist.“ Zhen schluckte, sagte aber nichts. Von den Geschehnissen der letzten Nacht wusste sie ebenso wenig wie der Rest der Feuernation. „Er ist verheiratet um Agnis Willen!“ rief Nola und gestikulierte heftig um ihrer Freundin die enormen Ausmaße dieses Sachverhaltes zu vermitteln. „Wie soll ich ihm, geschweige denn seiner Frau, nahe treten?“ Jetzt flüsterte sie. „Ich kann es nicht.“ Tränen sammelten sich in Nolas Augen. Sie fühlte sich verraten. „Es war eine arrangierte Ehe,“ sagte Zhen nach einer Weile. „Sie wurden verheiratet. Sie haben sich nicht gekannt. Ich weiß noch ganz genau wie Iroh hierher kam und uns davon erzählte. Er sagte uns, dass er in wenigen Tagen heiraten solle. Und er schien ganz und gar nicht erfreut. Er liebt dich immer noch, Nola. Das weiß ich.“ Eindringlich sah Zhen ihre Freundin an. „Jetzt ist nur noch eine Sache wichtig,“ fügte sie hinzu. „Liebst du ihn denn noch?“ Nola sagte nichts. Sie starrte auf ihre Teetasse und sah zu, wie ein paar Tropfen salzigen Wassers auf der Oberfläche Wellen schlugen. Dann nickte sie. Zhen legte sofort den Arm um Nola. Da saß dieses liebesgebeutelte Elend, in dem Wissen, dass ihre große Liebe nicht nur schwer, sondern gar nicht erreichbar war, solange eine andere Frau zwischen ihnen stand. Zhen beschloss, ein anderes Thema anzuschneiden. „Nun, wenn du also Fon nicht sehen willst, wo bitte hast du vor zu wohnen?“ Nola schniefte noch ein wenig, fasste sich aber schnell. Bevor sie etwas sagte, wischte sie sich über die Wangen. "Ich werde in einem nahen Dorf untertauchen," sagte sie. "Es gibt da einen Hof, der mich einstellen würde. Du weißt schon, als Haushaltshilfe, für's Ställe ausmisten und so weiter. Ich kann Iroh einfach jetzt nicht treffen. Ich weiß nicht ob ich es je wieder kann." Sie legte ihr Gesicht in ihre Hände. "Agni, er wird eine Familie haben..." „Gut,“ sagte Zhen. „Ich werde schweigen. Und ich werde dich ein wenig versorgen, wer weiß, wie die da auf diesem Hof mit dir umspringen.“ „Danke,“ sagte Nola leise. „Du glaubst gar nicht wie froh ich bin, dass du da bist.“ Und schon wieder lagen sie sich in den Armen. Eine Weile erzählten sie sich noch vielerlei Geschichten, doch in keiner wurde Iroh erwähnt. Kurz bevor Fon von der Arbeit heim kommen sollte, hüllte sich die Wasserbändigerin in ihren Umhang und verschwand in der Nachmittagssonne. Die kühleren Herbsttage brachen an und jeden davon verbrachte Nola damit, Bauer Kei und seine Frau zu unterstützen. Sie mistete Ställe aus, pflügte den Boden und kümmerte sich um die Wäsche. Nola war sehr dankbar, hier leben zu dürfen. Die harte Arbeit half ihr, sich von der Akte Iroh abzulenken. Natürlich konnte sie dieses Thema nicht komplett verdrängen, aber sich an einem festgetretenen Acker abzureagieren tat unheimlich gut. Nola musste sich eingestehen, dass sie sich verhältnismäßig richtig wohl fühlte. Sie traf sich oft mit Zhen zu einem Essen und ließ sich ein bisschen mit dem neuesten Klatsch und Tratsch berieseln. Iroh auf der anderen Seite erging es wesentlich schlechter. Seit Yu Ann ihr Kind verloren hatte, war sie völlig unnahbar geworden. Sie aß kaum, nahm rapide ab und sprach sehr wenig. Abends saß sie stumm auf dem Fenstersims und starrte mit leerem Blick in die Dämmerung hinein. Jeglicher Versuch, sie aufzumuntern schlug fehl. Alles um sie herum prallte an ihr ab, als sei sie von einem unsichtbaren Schild umgeben. War Iroh genauso gewesen, nach jener Nacht, als er Nola verlor? Er fühlte sich ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken, eine solche Last für Fon gewesen zu sein. Da half es auch nicht, dass Iroh von seiner Mutter immer wieder zu hören bekam, wie essentiell es sei, so bald wie nur möglich ein Kind zu zeugen. Wochen vergingen in denen Yu Ann keinerlei körperlichen Kontakt zuließ. Es war schließlich ein früher Wintertag, an dem sich das endlich ändern sollte. Iroh war dabei seine Gefährtin liebevoll in eine wärmende Decke zu wickeln, damit sie in der kalten Abendluft nicht fror. Er war fast fertig und machte Anstalten, wieder zu gehen, als Yu Ann plötzlich seine Hand festhielt. "Bleib hier," wisperte sie nur. Iroh stockte kurz. Er war irgendwie erschrocken, Yu Ann etwas sagen zu hören. Er nickte und ließ sich vor ihr im Lotussitz nieder. "Du hälst mich bestimmt für verrückt wenn ich das jetzt sage," begann Yu Ann, "aber ich glaube wir sollten es nochmal probieren." Iroh wusste natürlich sofort, was 'es' war. "Ich meine," fuhr Ann fort, "wir haben uns verheiraten lassen, damit nach dir jemand Neues den Thron besteigen kann. Wäre nicht alles umsonst gewesen, wenn wir es nicht noch einmal versuchen?" Iroh sagte nichts. Natürlich hatte sie recht. Ein enormer Druck lastete momentan auf seinen Schultern. Und doch wollte er Yu Ann das Ganze nicht antun. Was, wenn es wieder nicht klappte? Sie würde völlig zusammenbrechen. Und nicht nur sie... "Hey," sagte Yu Ann und deutete Iroh an, ihr in die Augen zu sehen. "Mach dir keine Sorgen um mich. Ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht und ich bin mir sicher, dass wir eine zweite Chance verdient haben." "Gut," sagte Iroh leise und nickte. "Aber was wenn -" "Schhh," machte die Prinzessin und legte Iroh ihren Zeigefinger auf die Lippen. "Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass wir alle unser Schicksal in unseren eigenen Händen tragen. Wenn wir selber nichts ändern wollen, dann wird es niemand sonst tun." Und sie strich mit ihrem Zeigefinger sanft über Irohs Wange. An einem kalten Wintertag des frühen nächsten Jahres war Irohs Sicht getrübt. Das kleine, dick beglaste Fenster beschlug immer wieder dann wenn er ausatmete. Für einen kurzen Augenblick zog sich dann das Kondenswasser zusammen, nur solange bis der nächste Hauch die Scheibe von Neuem benetzte. Auf der anderen Seite des Glases befand sich nichts weiter als der tiefe, blaue Ozean. Der kürzlich zum Captain ernannte Iroh betrachtete den leicht zerknitterten Brief in seiner Linken und entfaltete ihn erneut. Lieber Iroh, ich habe soeben die Bestätigung vom (neuen) Hofarzt bekommen, dass ich wieder schwanger bin. Er sagt, ich bin jetzt in der sechsten Woche. Außerdem sagt er, wenn die nächsten sechs Wochen alles gut geht, wird es dieses Mal klappen. Ich hoffe Du hast eine gute Reise. Schreib mir wenn Du angekommen bist. Hochachtungsvoll, Ann Als Iroh fertig gelesen hatte musste er lächeln. Er war kaum zwei Tage abgereist gewesen, da hatte er diesen Brief per Eilkurier noch auf dem Schiffsdock überreicht bekommen, just bevor die Flotte ablegen konnte. In seiner Brust machte sich ein Angstgefühl breit; Angst vor dem, was kommen könnte. Und damit meinte er nicht den Krieg, den er bald so nah spüren würde wie nie zuvor. „Ist hier noch frei?“ sagte plötzlich jemand und riss Iroh aus seinen Gedanken. Ein junger Mann, der kaum 20 sein konnte, deutete auf den Schlafplatz über Iroh. Der Prinz nickte und deutete seinem Mitreisenden, sich zu setzen. „Danke dir,“ sagte der Fremde. Seine dunklen Haare waren streng zusammengebunden, doch man konnte an einigen frechen Strähnen erkennen, dass er ohne das Haarband einen einzigen schwarzen Wust auf dem Kopf haben musste. Der Junge warf seinen Leinensack aufs Bett und gesellte sich zu Iroh. Als er das fürstliche Gesicht erkannte, stockte er kurz. „Eure Hoheit, entschuldigt, ich wollte nicht -“ „Wollest was nicht?“ unterbrach ihn Iroh. „Mich duzen? Entspann dich. Hier im Krieg...“ - Iroh besah sich ihre Uniformen und seufzte - „...hier im Krieg sind wir alle gleich.“ Der Thronfolger nickte mit dem Kopf in Richtung des Fremden. „Wie heißt du?“ fragte er. „Ich bin Jeong-Jeong,“ sagte der andere. „Jeong-Jeong,“ wiederholte der Prinz. „Iroh. Sehr erfreut,“ fügte er hinzu und schüttelte Jeong-Jeong die Hand. „Sag, was führt dich zum Krieg, Jeong-Jeong? Oh, oder darf ich dich nur Jeong nennen? Das mit dem zweiten ist so lang.“ Jeong-Jeong grinste und nickte. „Klar kannst du mich so nennen.“ Dann auf einmal verdüsterte sich seine Mine. „Mein Vater ist Commander bei der Marine,“ sagte er. „Sagen wir so, ich hatte nicht wirklich eine Wahl, ob ich hier sein will oder nicht.“ Iroh schnaubte auf sarkastisch. „Das kannst du laut sagen,“ erwiderte er. „Aber so scheint es wohl zu sein. Gehorchen und Kuschen, das ist die Devise.“ Iroh machte ein resigniertes Gesicht und fuhr fort: „Aber weißt du was? Wir können jetzt, in diesem Augenblick, nichts dagegen unternehmen.“ Wie sehr er sich doch irren sollte, denn das, was er nun vorschlagen würde, sollte der Anstoß für eine ganz erhebliche Veränderung sein: „Lass uns eine Runde Pai Sho spielen.“ "Captains," schallte die tiefe Stimme General Hongs durch das große Versammlungszelt. Es war der erste Morgen nach ihrer Ankunft im Erdkönigreich. "Sie sind nun an dem Scheitelpunkt Ihrer Karriere angelangt. Mit dem Rang, den Sie jetzt haben, können Sie sich entscheiden, ob sie lieber unseren Landtruppen oder der Marine Tribut zollen möchten.“ „Was meinst du was du machen wirst?“ flüsterte Iroh seinem neu gewonnenen Freund zu, doch er bereute es sofort. „RUHE!“ brüllte Hong, der allem Anschein nach richtig hellhörig war. Augenblicklich wurde es mucksmäuschenstill. Niemand wagte es, auch nur das kleinste Geräusch zu machen. „Damit eines klar ist: mir ist es egal, wer ihr seid und woher ihr kommt. Bildet euch bloß nichts auf eure Herkunft ein“ - und er sah scharf in Richtung des Prinzen - „hier rede IMMER – NUR - ICH!“ Eine Weile vergewisserte sich General Hong, ob seine Botschaft auch angekommen war, dann fuhr er fort: „Entscheiden Sie sich noch heute. Ab morgen werden Sie dann immer paarweise einem Ranghöchsten zugeteilt sein, der Sie anleiten und fortbilden wird. Denn ich möchte doch meinen, dass Sie alle das Bestreben haben, befördert zu werden. Vergessen Sie nie: einem Mann im Militär gebührt Ruhm, Wohlstand und Ehre. Kämpfen Sie für unser Land, kämpfen Sie für unser Volk! Auf die Feuernation!“ Und die Menge brandete in tosenden Applaus aus; alle, bis auf zwei junge, eigensinnige Kerle, die nur kurz einen Blick austauschten und sich vornehm zurückhielten. Es wundert natürlich keinen, dass sich gerade diese zwei vom ersten Tag an nicht voneinander trennen konnten. Sie waren beide froh, jemanden gefunden zu haben, der so ähnlich dachte wie sie selbst. Sie meldeten sich bei der Landarmee und wurden – wen wundert's – General Hong zugeteilt. Iroh und Jeong-Jeong war klar, dass sie hier nur weiterkämen, wenn sie zusammenhielten. Sie waren ein gut funktionierendes Team. Sie gehorchten und taten stets wie ihnen geheißen, aber wenn sie sich dann des abends zu einem Spiel und einem Tee zusammensetzen würden, sprachen sie über Regime und Gesellschaft, über Krieg und Frieden. „Sag mir Iroh,“ begann Jeong-Jeong eines Abends, da sie gerade eine Runde Pai Sho spielten. „Warum eigentlich hat Avatar Roku damals den Krieg nicht verhindert? Warum hat er es zugelassen?“ Iroh schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht,“ sagte er. „Roku starb vor unserer Zeit und von ihm gibt es im Gegensatz zu meinem Großvater keine Aufzeichnungen. Zu gerne hätte ich gewusst, was Roku davon abgehalten hat, Sozin Einhalt zu gebieten. Ich meine, er war eindeutig der mächtigere von den beiden.“ Iroh seufzte und fuhr fort: „Wusstest du, dass Roku und Sozin beste Freunde waren? Ich vermute einfach, dass Roku es nicht über sich gebracht hat, seinen ehemals besten Freund derartig in die Schranken zu weisen. Leider hat es mein Großvater anders gesehen. Wir wissen ja, dass es mit Roku kein schönes Ende genommen hat.“ Sozins Enkelsohn machte ein betrübtes Gesicht, doch als er sich sein Gegenüber besah, hellte sich seine Mine auf. Er sprach es nicht aus, aber Iroh war unheimlich froh, dass mit ihm noch ein anderer Freigeist hier war. Es tat gut, offen über Politik zu sprechen, mal seine eigene Meinung zu sagen. „Und, wirst du denn den Krieg beenden?“ fragte Jeong-Jeong. Iroh sah ins Leere und nickte. „Ja, das ist mein Plan. Sobald ich meines Vaters Nachfolge antrete, werde ich viel mehr Möglichkeiten haben. Aber es wird schwer werden. Selbst der Feuerlord muss damit rechnen, auf Kontra zu stoßen. So viele Kriegstreiber befinden sich im Rat des Fürsten, so viele Generäle und Admiräle stehen zu diesen Grausamkeiten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ein einzelner Herrscher so eine Änderung vollbringen kann, ohne im Schlaf gemeuchelt zu werden.“ „Aber vielleicht musst du nicht alleine sein...“ sagte Jeong-Jeong. Er klang auf einmal so verschwörerisch. „Was meinst du damit?“ fragte Iroh skeptisch. „Nun ja.“ Jeong-Jeong lächelte süffisant. „Was hälst du davon, wenn wir uns zusammentun? Also ich meine nicht nur so, so unverbindlich, sondern richtig.“ „Du meinst, eine Art Gemeinschaft?“ „Genau! Ein Geheimbund, ein, ein...“ - Jeong-Jeong sah an den Baldachin des Zeltes, während er nach dem Richtigen Wort suchte - „ein Orden!“ „Orden klingt gut!“ Jetzt leuchteten auch Irohs Augen. „Und wer tritt bei außer uns?“ überlegte Jeong-Jeong. „Hmm,“ machte Iroh. Eine Weile dachten beide nach. Dann schlug der Prinz vor: „Jeder, der nur gewillt ist, gegen den Krieg zu arbeiten und für den Frieden zu kämpfen. Ungeachtet der Nationalität, ungeachtet des Elements. Wir sind alle aus dem selben Holz. Wir gehören zusammen!“ „Und wie bitte sollen wir das anstellen? Meinst du wir spazieren einfach so mir nichts dir nichts zu ein paar Erdbändigern und versuchen sie von unserem Bund zu überzeugen? Vergiss nicht, du bist der Sohn des Feuerlords, es wird schwer sein, ihr Vertrauen zu gewinnen.“ „Mag sein,“ sagte Iroh. „Aber ich bin mir sicher, dass wir, wenn wir die richtigen finden, auch wissen, sie für uns zu gewinnen.“ Jeong-Jeong nickte. „Wenn du das sagst. Ich vertraue dir, mein Freund.“ „Gut,“ sagte Iroh. Er besah sich gerade den Spielstein, den er in seiner rechten drehte und wendete. „Wir brauchen aber noch einen Namen,“ warf Jeong-Jeong ein. Iroh sagte nichts, also fuhr Jeong-Jeong fort: „Er muss etwas ausdrücken, dass uns alle, grenzenüberschreitend, verbindet. Etwas, das zeitlos ist und für eine bessere Welt steht.“ „Der Orden des Weißen Lotus,“ sagte Iroh leise aber bestimmt. „Wie bitte?“ Jeong-Jeong schien überrascht, so schnell eine Antwort bekommen zu haben. „Der Orden des Weißen Lotus,“ wiederholte der Prinz und streckte seine Hand aus. Der Spielstein, der darauf lag, zeigte eine weiße Lotusblüte. „Iroh, du bist genial!“ sagte Jeong-Jeong begeistert. „Pai Sho wird auf der ganzen Welt gespielt, es verbindet uns alle. Und der weiße Lotus steht für Frieden und Freundschaft, für Anmut und Kraft. Mensch Iroh, was für eine geniale Idee!“ Iroh grinste selbstgefällig. Der Gedanke daran, nicht alleine mit seiner Meinung zu sein, gab ihm ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Noch konnte er nicht ahnen, dass der Orden eines Tages sein einziger Bezug zu einer besseren Welt sein sollte. Sechs Monate vergingen, in denen Iroh und Jeong-Jeong lernten, beobachteten und gehorchten. Sechs Monate, in denen sie hart trainierten. Sechs Monate, in denen sie im Geheimen Pläne schmiedeten, neue Verbündete suchten und auf bessere Zeiten hofften. Dann, nachdem er dieses halbe Jahr in einer Kolonie der Feuernation verbracht hatte, reiste der Prinz als Colonel Iroh zurück in sein bis dato zukünftiges Reich. Während seiner Fahrt auf dem großen Schiff dachte er nach; über seine Zukunft, den Orden, den Krieg. Doch über allem schwebte etwas anderes: er dachte an sein Kind. Bald schon würde es soweit sein. Er dachte an die Mutter dieses Kindes. Und wie so oft, dachte er auch an die, die ihm eigentlich gehören sollte. Im Hafen wurde Iroh von keinem geringeren empfangen, als Fon. „Hoheit,“ sagte er steif und verbeugte sich. Etwas schien ihn zu beunruhigen, doch Iroh war so voller Vorfreude, dass er es nicht bemerkte. „Fon!“ rief der Prinz freudig und nahm seinen besten Freund ungeachtet der Etikette in den Arm. „Es tut so gut dich wieder zu sehen.“ Fon sagte nichts, sondern lächelte nur matt. „Los, lass uns rauf gehen,“ sagte Iroh enthusiastisch und zerrte Fon fast schon die steinernen, schier endlosen Treppenstufen zum Vulkankrater hinauf. Um sein Gepäck kümmerten sich derweil andere Bedienstete. „Mensch Fon, ich hab dir so viel zu erzählen! Du glaubst gar nicht, was in den letzten Monaten alles passiert ist.“ „Das wirst du auch nicht glauben,“ nuschelte Fon in seinen nicht vorhandenen Bart, aber Iroh überhörte ihn. Zu seinem eigenen Leidwesen, denn was er im Palast bemerken sollte, hätte ihm Fon vielleicht auch schonender beibringen können, wenn er ihn nur gelassen hätte. Und Fon, der zu zurückhaltend war, um aufdringlich zu sein, hielt vornehm den Mund. Wieder in seiner vertrauten Umgebung angekommen, wurde Iroh von seiner Mutter empfangen. Iroh küsste ihr die Hand und sah sich suchend um. Jemand entscheidenes fehlte. „Wo ist Ann?“ fragte Iroh verwirrt. Ilah schien die Situation sichtlich unangenehm zu sein, denn sie räusperte sich sehr lange. „Wo ist sie?“ bohrte Iroh, doch nun klang er deutlich zorniger. Er hatte da so eine unangenehme Vorahnung, die sich allmählich über seinen ganzen Körper ausbreitete. Ihm wurde eiskalt. Ilah atmete tief durch und ließ sich viel Zeit, weil sie sich der Reaktion, die von Iroh ausgehen würde, bewusst war. Dann machte sie den Mund auf, um es schnell hinter sich zu bringen. Sie sprach in einem durch. „Das Mädchen hatte vor zwei Wochen eine Totgeburt und dein Vater hat sie verbannt, weil sie nicht imstande ist, einen Thronfolger zu gebären.“ Iroh war sprachlos. Er starrte seine Mutter unverwandt an. Seine Brust spannte sich schmerzhaft und die Eiseskälte wich langsam einer Taubheit, die er bisher nur einmal zuvor gespürt hatte. Eine ganze Weile ruhte der Sturm noch, indem Iroh einfach nur fassungslos dastand, überschwemmt von Gefühlen. Dann brach das Gewitter aus. „RAUS!“ schrie er in die Stille hinein. „RAUS! ALLE!“ Ilah wusste, dass es in diesem Augenblick für sie besser war, ihrem Sohn zu gehorchen. Fon folgte ihr ohne nur eine Sekunde zu zögern. „SOFORT!“ brüllte Iroh ihnen hinterher. Dann sank er zu Boden und fühlte nichts mehr. Kapitel 9: Darf ich bitten? --------------------------- „Wie geht es ihm?“ Zhen sah besorgt aus dem Fenster. Fon sah sie kurz an, schloss dann die Augen und seufzte. „Nicht gut,“ antwortete er leise. „Erst ist er völlig ausgerastet. Dann hat er sich zurückgezogen, genau wie damals. Beinahe ist es noch schlimmer. Erst verliert er seine große Liebe, dann verliert er die Mutter seiner schon verlorenen Kinder. Wie viel soll ein einzelner Mensch eigentlich noch ertragen?“ Wenn Fon nur wüsste, was noch alles auf seinen Freund zukommen sollte. „Fon?“ begann Zhen nach einer Weile. „Ja?“ Zhen besah sich ihre Finger. An einem war die Haut oberhalb des Fingernagels leicht wund. Sie knibbelte immer dann, wenn sie nervös war. „Ich glaube, ich muss dir etwas beichten,“ sagte sie. Fon besah sich seine Frau. Etwas beichten? Was sollte das jetzt werden? „Ich habe versprochen dir nichts zu erzählen, deshalb habe ich dir etwas verschwiegen. Nola ist wieder hier.“ Was?“ sagte Fon ungläubig. „Ja. Sie ist wieder hier, seit knapp einem Jahr. Letzten Herbst stand sie auf einmal vor meiner Tür, als du gerade arbeiten warst.“ „Das heißt, ihr geht es gut?“ „Den Umständen entsprechend, ja,“ sagte Zhen. „Sie wohnt auf dem Hof von Bauer Kei, das ist etwa zwei Meilen von hier.“ „Und, weiß sie von Ann?“ „Nun ja,“ sagte Zhen zögerlich, „Sie hat es natürlich mitgekriegt. Auch, dass Ann jetzt weg ist. Ich meine, das hat sich ja wie ein Lauffeuer ausgebreitet. In dieser Stadt bleibt einem echt nichts verborgen.“ „Und?“ hakte Fon nach. „Und was?“ fragte seine Frau verwirrt. Manchmal war dieser Kerl wirklich zu wortkarg. „Na, ob sie denn, nun ja, will sie, also...“ „Komm auf den Punkt!“ kicherte Zhen. „Ob sie Iroh noch liebt!“ brachte Fon auf den Punkt und grinste seine Auserwählte schelmisch an. „Natürlich liebt sie ihn,“ schloss Zhen. „Darum müssen wir ja dem Glück etwas unter die Arme greifen.“ „Und?“ fragte Fon erneut. „Was ist denn jetzt schon wieder?“ fauchte Zhen liebevoll. „Liebst du mich denn?“ Zhen machte Plüschaugen und nickte. „Ach, komm her Weib!“ Sprach's und nahm dasselbige in Beschlag. Es vergingen mehrere Wochen, in denen Iroh nahezu nichts tat. Die innere Leere, die sich in ihm ausgebreitet hatte, war nicht einmal ansatzweise gewichen. Sein Diener fand, dass es an der Zeit war, diese Leere auszufüllen. Leider war er da nicht der einzige. Feuerlady Ilah klopfte eines frühen Herbstages an die Türen der Gemächer des Prinzen. Sie hatte etwas zu verkünden und in ihrem Verständnis war dies auch das beste für ihren Sohn. Ilah klopfte erneut, und da sie auch beim zweiten Mal keine Antwort bekam, trat sie einfach ein. „Da bist du ja,“ sagte sie, als sie Iroh auf dem Fenstersims hocken sah. Da er nicht reagierte, machte sie Nägel mit Köpfen. "Iroh, dein Vater und ich sind uns einig, dass es dringlich ist, eine neue Frau für dich zu finden." Iroh ballte seine Hände so stark zu Fäusten, dass er sich mit seinen Fingernägeln fast ins Fleisch schnitt. Doch sagte er nichts. "Nach langem Überlegen bin ich zu dem Entschluss gekommen," sagte Ilah, "dass es das beste wäre, du suchst dir deine Braut selber aus." "Oh, wie gütig," knurrte der Kronprinz bitter. Ilah stockte kurz obgleich dieses Kommentars, fuhr aber unbeirrt fort. "Es wird nächste Woche ein Maskenball stattfinden, an dem du teilnehmen wirst. Es sind viele geeignete Mädchen geladen und du hast die freie Wahl." "Das ist aber schön," zischte Iroh, "ich darf mir also einfach die nehmen die ich will? Muss ich sie vorher fragen oder erlege ich sie gleich wie ein Stück Wild?" Dass Iroh daraufhin eine scharfe Ohrfeige bekam, wunderte ihn nicht. Er nahm sie mit Gelassenheit hin. Nur konnte Ilah ihren Ton jetzt nicht mehr beherrschen. "Sieh zu, dass du da bist, sonst wird das Konsequenzen für dich haben," fauchte sie bevor sie von dannen zog. Besagten Ball nahm nicht nur Iroh zur Kenntnis. Auch Fon erfuhr davon, und wenn er es wusste, wusste es Zhen und wenn Zhen es wusste, wusste es Nola. "Ein Maskenball?" Nola hob skeptisch ihre linke Augenbraue. "So sieht's aus," sagte Zhen und nahm die Einladung wieder entgegen. Sie schwiegen, doch in ihren Köpfen rauchte es. "Du willst doch nicht etwa, dass ich da aufkreuze?" fragte Nola. "Hmm," machte Zhen und lächelte verheißungsvoll. "Wer weiß, es wäre auf jeden Fall mal eine gute Gelegenheit, Iroh unauffällig wieder zu sehen. Hast du denn sonst eine Idee wie du an ihn herankommst? Immerhin verschanzt er sich im Palast und ich bezweifle, dass sie dich einfach so hereinlassen." "Das ist natürlich richtig," registrierte Nola. Nach einer Weile sagte sie: "Weißt du was? Ich werde hingehen." Dabei nahm sie die Einladung an sich und nickte selbstbewusst mit dem Kopf. Zhen lachte bei dem Anblick ihrer besten Freundin. Es war seltsam, die beiden verstanden sich so gut, als wären sie nie voneinander getrennt gewesen. Ob es mit Iroh auch so einfach werden würde? Doch eine Sache war da noch, die Zhen im Kopf herum geisterte. "Sag mal, wie willst du eigentlich heißen?" "Wie bitte?" "Nun ja," begann Zhen, "du kannst da schlecht auftauchen und dich als Nola Suraya vorstellen." "Oh," sagte Nola. "Du hast recht. Hast du eine Idee?“ Zhen überlegte erstaunlicherweise nicht lange, als hätte sie sich schon längst ausgiebig damit beschäftigt. "Wie wär's mit Lin Su? Das bedeutet Wasserseele." "Ja, das ist wirklich schön!" rief Nola begeistert. "Und als Nachnamen?" "Du bist auch nie zufrieden, was?" Zhen streckte ihrer Freundin die Zunge raus. "Was hälst du von Chongfan?" schlug Nola vor. "Die Rückkehr?" übersetzte Zhen und nickte anerkennend. "'Die Rückkehr der Wasserseele'. Also wenn das den Prinzen nicht überzeugt dann weiß ich auch nicht mehr!" Zhen staunte nicht schlecht, als sie wenige Tage später ihr Werk begutachtete. Nola stand vor ihr und drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse, damit Zhen sich auch die Rückseite besehen konnte. Die Wasserbändigerin war in ein fließendes, dunkelblaues Gewand gekleidet, welches ihre schönen Rundungen perfekt betonte. Es war bodenlang und lief nach unten hin in einen schwarz-bläulichen Farbton aus. Nolas langen dunklen Haare waren kunstvoll geflochten und hochgesteckt.; Augen und Nase waren hinter einer blauen Maske verborgen, auf der schwarze und weiße Steine funkelten, die das Zeichen für Yin und Yang bildeten. Nur ihre Mundpartie wurde nicht verdeckt, was auch zu schade gewesen wäre, denn ihre Lippen waren dunkelrot geschminkt. „Wow,“ hauchte Zhen. „Du siehst einfach atemberaubend aus. Wenn er dich so nicht nimmt, dann weiß ich auch nicht mehr.“ Nola besah sich ebenfalls. Großartig verändert hatte sie sich in den letzten Jahren eigentlich nicht. Ein wenig älter war sie geworden, ja. Aber das sah man ihr höchstens an ein paar wenigen Gramm mehr an, die das Kleid wunderbar kaschierte. Ansonsten war sie noch genau die selbe wie damals. Die Aussicht, dass sie in weniger als zwei Stunden ihren Prinzen wiedersehen würde, fühlte sich mehr als seltsam an. Immerhin gab ihr das Kostüm einen gewissen Vorteil: sie konnte sich ihn in aller Ruhe anschauen, während sie selbst im Verborgenen blieb. Nola wollte sich gerade auf den Weg zur Tür machen, als Zhen sie noch einen Augenblick zurückhielt. „Eins haben wir noch vergessen,“ sagte sie und kramte in ihrer Tasche nach etwas. Sie fand schnell wonach sie suchte und drückte Nola ein Stück flachen, rotgoldenen Karton in die Hand. Nola nahm es entgegen und staunte nicht schlecht. Sie betrachtete einen präzise gearbeiteten Pass, der eine Chongfan Lin Su, schwarzhaarig, blauäugig, einsachtundsechzig groß, ausweiste. „Zhen, das ist...“ „Genial, nicht?“ beendete Zhen den Satz für ihre Freundin. „Woher hast du...?“ begann Nola verwundert. „Manche Dinge sollten besser ein Geheimnis bleiben,“ kicherte Zhen mit einem Augenzwinkern. „Nur so viel: mein Gatte ist wirklich mannigfaltig talentiert.“ Vor dem Eingang des Palastes tummelten sich Unmengen an Mädchen, die alle um Einlass gesuchten. Um hinein zu gelangen brauchte man entweder eine direkte Einladung, oder man wurde vor Ort auf oberflächliche Eignung inspiziert. So kam es, dass schon hier die Selektion begann. Zhen sah das ganze sehr nüchtern. „Eigentlich könnten die gleich alle wieder verschwinden,“ giggelte sie. „Du alleine würdest vollkommen ausreichen.“ Nola war sich da nicht so sicher. Ihr war inzwischen auch ein wenig übel und es fühlte sich an als würde ihr Herz den gesamten Brustkorb ausfüllen. Woher sollte sie denn auch wissen, ob der Prinz sie noch wollte? Er hatte vor Kurzem so viel durchgemacht; war er überhaupt bereit, ihr gegenüber zu treten? Von ihren Gedanken eingenommen, bekam sie gar nicht mit, dass die Schlange immer kürzer wurde. „Ausweis,“ krächzte eine Dame im mittleren Alter, die hinter einer Art Pult stand. Sie war das ideale Beispiel für verloren gegangene Jugend, die man mit zu viel Schminke wieder zurück zu holen versucht hatte. Nola griff nach ihrem gefälschten Pass und zeigte ihn vor. „Chongfan, Lin Su?“ las die Empfangsdame. „Ja.“ „25 Jahre alt?“ „Ja.“ „Hmm,“ murmelte die Frau. „Damit wären Sie,“ - sie besah sich das Geburtsdatum - „drei Jahre älter als Seine Hoheit.“ „Zweieinhalb,“ korrigierte Nola intuitiv. „So so, zweieinhalb also,“ zischte die Frau und beugte sich unheilsvoll vor. „Nehmen Sie mal Ihre Maske ab.“ Nola tat wie geheißen und ließ sich von der Frau mustern. Sie überlegte lange. „Nun gut, Sie dürfen hinein,“ schloss sie grimmig, weil sie sich eingestehen musste, dass die junge Dame vor ihr äußerst geeignet erschien. „Die erste Hürde haben Sie bestanden, aber ab jetzt liegt das Ganze nicht mehr in meinen Händen.“ „Zum Glück,“ flüsterte Zhen; so leise, dass nur Nola sie hören konnte. Nola bedankte sich, nahm ihren Pass entgegen und wartete kurz auf Zhen, die ihre Einladung vorzeigte und sich sofort darauf Nola anschloss. „Puh, ich hatte gar nicht an dein stolzes Alter gedacht,“ sagte Zhen und atmete erleichtert aus. „Ist ja gerade noch mal gut gegangen,“ sagte Nola und setzte ihre schützende Maske wieder auf. Da die nächste Schar Mädchen hinter ihnen zu drängeln begann, ging Nola widerwillig durch die große Tür. Links und rechts wurde der Eingang von Wachen flankiert. Ihr Herz schien das Bedürfnis zu haben, platzen zu wollen. Den Gefallen tat es ihr aber nicht; jetzt gab es kein Zurück mehr. Wenige Schritte später standen Nola und Zhen in einem großen, lichtdurchfluteten Saal. Sie staunten nicht schlecht, während sie sich die Aufmachung besahen. Der riesige Raum war prunkvoll geschmückt und von den vielen Fackeln und Kronleuchtern so hell erleuchtet, dass Nola zunächst einmal nichts wirklich erkennen konnte. Erst nach einer Weile gewöhnten sich ihre Augen an die neuen Lichtverhältnisse. Sofort streifte ihr Blick durch die Menge. Natürlich suchte sie nach ihm, da brauchte sie sich nichts vorzumachen. Und es dauerte nicht lange, bis sie ihn fand. Er stand mit auf dem Rücken verschränkten Armen auf einem leicht erhöhten Podest und besah sich die Menge. Ab und an wurden ihm Mädchen vorgestellt, doch außer einem zur Kenntnis nehmenden Kopfnicken zeigte er keinerlei Interesse an ihnen. Neben ihm, leicht nach hinten versetzt, stand Fon und zu Irohs rechten stand eine große, reifere Frau, die seine Mutter sein musste. Nolas Blick fiel aber schnell auf ihren Prinzen zurück. Er schien in den letzten Jahren deutlich älter geworden zu sein. Sein Gesicht war kantiger und ernster, seine Statur noch stattlicher. Nola schluckte. Er schien in ihr immer noch die gleichen Gefühle auszulösen wie damals, denn ihre Knie wurden wabbelig und sie suchte Halt an Zhen. Die war allerdings nicht mehr da, wo sie noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte. Das war auch gut so, denn mit Zhen an ihrer Seite wäre Nolas Maskerade sofort aufgeflogen. Da sie sich nicht mehr sicher auf ihren Füßen fühlte, suchte sie sich den nächstbesten Sitzplatz und besah sich erneut den Prinzen. Er wirkte leer und trocken. Das wunderte Nola auch nicht, denn immerhin lastete ein enormer Druck auf seinen Schultern. Erst musste er all das Leid durchmachen und jetzt waren hunderte von kecken Augenpaaren auf ihn gerichtet, mit der Aussicht, dass er eines dieser Weibsbilder wählen musste. Nola lächelte unwillkürlich. Sie betrachtete liebevoll den, der einmal ihrer gewesen war und streichelte in Gedanken durch sein Haar, murmelte tröstende Worte gegen seine Schläfen. Es wurde Zeit, das alles in die Tat umzusetzen. Mehr als dass Nola ihn brauchte, brauchte Iroh sie. Selbst wenn er noch nicht bereit sein sollte, eine neue Beziehung einzugehen, so brauchte er doch eine Frau an seiner Seite, die ihn wirklich liebte. Und das tat Nola. Sie liebte ihn so sehr, dass sie bereit war, noch länger auf ihn zu warten als sie es sowieso schon getan hatte. Nur jetzt durfte sie nicht länger zögern. Immerhin hatte sie eine Menge Konkurrenz in diesem Saal! Also näherte sie sich langsam dem Kopfende des langgezogenen Raumes. Sie konnte sehen, dass sich Zhen inzwischen zu Fon gesellt hatte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Fon sah kurz auf, entdeckte Nola und sah schnell wieder auf den Boden. Er nickte und ging auf Iroh zu. Fon räusperte sich vernehmlich und Iroh drehte sich zu ihm um. „Na, ist das heute nicht ein schöner Abend?“ begann Fon süßlich. Daraufhin erntete er einen verwirrten Blick seitens des Prinzen. „Ja...“ begann er zögerlich. „Wirklich fantastisch.“ In seiner Stimme schwang der Sarkasmus nur so mit. „Was willst du wirklich, Fon?“ fragte er, nachdem von der anderen Front nichts mehr kam. „Nun, ich wollte vorschlagen, ob Ihr nicht tanzen mögt,“ sagte er todesmutig. „Ich werde mir garantiert keins von diesen Weibern herauspicken,“ knurrte Iroh. Fon ließ sich davon nicht beeindrucken. Er kannte den Thronfolger einfach zu gut. „Fein, dann werde ich das für Euch tun.“ „Wag es nicht...“ zischte Iroh, doch es war schon zu spät. Hinter Fon bahnte sich Zhen ihren Weg, in ihrem Schlepptau ein Mädchen in einem dunkelblauen Kleid. Sie bewegte sich wie... nein, das konnte nicht sein. „Darf ich vorstellen?“ sagte Fon und zeigte auf das Mädchen, das gerade einen Knicks machte. „Chongfan, Lin Su.“ Iroh machte eine bittere Miene. „Es tut mir Leid, dass du umsonst hergekommen bist,“ sagte er an das Mädchen gewandt. „Aber ich lasse mich nicht so einfach verkuppeln.“ „Oh, das bezweifle ich,“ sagte 'Lin Su' süßlich. Jetzt sah sie auf und blickte in ein Paar bernsteinfarbener Augen. Iroh auf der anderen Seite, sah in tintenblaue. „Nein...“ sagte er und wich vor Schreck einen Schritt zurück. „Nein, das kann nicht sein.“ Seine Augen weiteten sich und seine Welt begann zu wanken. Alles um ihn herum verschmolz zu einem Wirbel von Farben. Sie konnte unmöglich hier sein. Hier, vor ihm. Er schloss für einen Moment die Augen, doch da stand sie immer noch: Nola; die Gleiche wie damals, mit ihren atemberaubenden Augen, ihrem glänzenden Haar, ihrer samtigen, moccafarbenen Haut, mit ihren fantastisch schön geschwungenen, vollen Lippen. Bevor Iroh noch etwas sagen konnte, übernahm Nola die Initiative. „Darf ich bitten?“ fragte sie leise und Iroh sog ihn auf, ihren wunderschönen Alt. Er antwortete nicht, doch er nickte und reichte Nola die Hand. Als sie sich berührten, schossen Kaskaden elektrischer Stöße durch ihre Haut. Nolas Herz klopfte nun so laut, dass es eigentlich alle anwesenden Gäste hätten hören müssen. Hören taten sie aber nicht viel, es machte sich nämlich eher eine drückende Stille im Saal breit. Lauter Augenpaare, wenige entzückte, dafür viele entsetzte und enttäuschte, sahen mit bangem Blick auf den Kronprinzen und die Frau, deren Hand er hielt. 'Wer ist die Schnepfe?' gifteten einige Mädchen. 'Der kratze ich die Augen raus!' 'Was nimmt die sich eigentlich heraus, den Prinzen einfach so anzusprechen?' 'Die glaubt wohl, die sei was besseres.' Aber das Gemurmel wurde schnell von der Musik übertönt, die nun einsetzte. Eine Kapelle spielte einen Satz für Tsungi Horn, Lauten und Gum Jo, der sich trotz der lieblichen Melodie an einen strammen Marschrhythmus hielt. Aber anstatt direkt einzusteigen standen sich Nola und Iroh einfach nur gegenüber und musterten sich ausgiebig. Wie viele Erinnerungen den beiden durch den Kopf strömten, von wie vielen Gefühlen sie überrannt wurden und wie viel Sehnsucht in ihren Augen schimmerte... Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sich Nolas Füße in Bewegung setzten. Sie fühlte, dass Iroh dastand wie paralysiert und scheinbar nicht imstande war, halbwegs klar zu denken. Deshalb machte sie einen Schritt nach vorne und flüsterte ihm ins Ohr: „Erinnerst du dich noch an unsere Übungen?“ Iroh zitterte als er ihren Atem spürte. Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr Nola fort. „Lass uns einfach das machen.“ Iroh nickte, er verstand. Und als ob sie nie voneinander getrennt gewesen wären, fingen sie an, sich im vollkommenen Einklang zu bewegen. Sie imitierten Wasser- und Feuerbändigungselemente, sie tanzten fließend und elegant, wie einstudiert. Dabei ließen sie sich keine Sekunde aus den Augen. Auch die Blicke der Zuschauer klebten unentwegt an ihnen. Zhen war diejenige, die sich in der Position sah, zu handeln. Sie schnappte sich Fon und die beiden begannen ebenfalls zu tanzen. Der Plan ging zwar nur geringfügig auf, denn es waren nicht viele Paare anwesend, die zusammen hätten tanzen können; aber immerhin spielten Iroh und Nola nun nicht mehr den alleinigen Aufmerksamkeitsmagneten. Darüber hinaus leerte sich die Halle schlagartig. Es war als hätte jemand einen Feueralarm ausgerufen (Nicht, dass dies im Palast des Feuerlords eine allzu große Katastrophe gewesen wäre.), denn mehr als die Hälfte der anwesenden weiblichen Gäste verließen schlagartig die Veranstaltung. Feuerlady Ilah sah angespannt in die schwindende Menge. Da ging sie hin, ihre stochastisch wertvolle Weiberschar! Sollte sich ihr einfältiger Sohn etwa die erstbeste ausgesucht haben? Nicht, dass sie das störte, aber ihrer Meinung nach sollte man erstmal das gesamte Angebot begutachten. Auf der anderen Seite war das Ganze hier auf diese Art und Weise aber auch schnell vorbei. Solch Brimborium war ohnehin nicht nach dem Geschmack Ihrer Hoheit. „Wir müssen reden,“ flüsterte Iroh atemlos in Nolas Ohr, während die letzten Takte des Stückes ausklangen. Nola nickte. „Leider müssen wir vorher an meiner Mutter vorbei,“ fügte der Prinz hinzu und blickte hoch zu dem Podest, auf dem die Feuerlady stand, die mit geschürzten Lippen die Szenerie im Auge behielt. „Alles klar,“ sagte Nola knapp; sie wollte nicht, dass er merkte, wie sehr ihre Stimme zitterte. Iroh und Nola sahen sich noch für einen Augenblick eindringlich an, dann strebten sie gen Ilah. Die restlichen verbliebenen Mädchen, die sich während des Tanzes noch Chancen ausgemalt hatten, stöhnten enttäuscht auf, denn wenn der Prinz schon mit dieser Ziege zur Feuerlady ging, dann konnten sie gleich ihre Koffer packen. Ende, aus, vorbei, im Kampf um den Titel der Fire Nation's Next Fire Lady hatte ihnen diese olle Pute wohl einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. „Mutter,“ sagte Iroh, als sie vor Ilah standen. Er räusperte sich vernehmlich. „Ich würde Ihnen gerne jemanden vorstellen.“ Er gestikulierte in Richtung Nola, die einen Schritt vorwärts und daraufhin einen tiefen Knicks machte. Der Etikette entsprechend wartete sie, bis ihr gestattet wurde zu sprechen. „Und wer sind Sie?“ fragte Ilah an Nola gewandt. „Lin Su, Hoheit,“ antwortete Nola. „Chongfan Lin Su.“ „Mutter,“ warf Iroh ein ehe Ilah reagieren konnte, „ich würde gerne mit Lin Su unter vier Augen sprechen.“ Ilah musterte die vermeintliche Lin Su lange. „Ich werde veranlassen, dass man euch nicht stört,“ sagte sie schließlich. Iroh und Fon sowie Nola und Zhen tauschten kurz noch einen Blick, dann verschwanden der Prinz und das Mädchen hinter einer unscheinbaren Dienstbotentür. „Folge mir,“ sagte Iroh knapp und eilte den Korridor entlang. Während sie durch die verwinkelten Gänge liefen, staunte Nola nicht schlecht über die Räumlichkeiten. Hier also lebte er. Bisher hatte sie noch nie einen Fuß hinein gesetzt und doch war sie die ganze Zeit irgendwie bei ihm gewesen. „Hier hinein,“ sagte der Prinz und hielt Nola die Tür zu einem urigen Zimmer auf. Es war eine kleine Bibliothek. Iroh machte Feuer im Kamin, zog zwei Hocker heran und deutete Nola sich zu setzen. Sie kam der stummen Aufforderung aber nicht nach. Stattdessen starrte sie den Prinzen einfach nur von oben bis unten an. Wie lange sie ohne ihn hatte sein müssen... „Wie...“ begann Iroh. „Wieso... wie bist du...“ Er war so überrollt, dass er nicht einmal die richtigen Worte fand um eine vernünftige Frage zu stellen. Nola antwortete nicht. Sie ging auf ihn zu und blickte in das Gesicht, das sie während der letzten Jahre nächtelang verfolgt hatte. Wie von einer höheren Macht gesteuert hob sie ihre rechte Hand und strich sanft über Irohs Wange. Irohs Mund wurde trocken. Hatte er erwartet, dass es leicht sein würde, sie wiederzusehen? Hatte er gedacht, sie könnten sich tatsächlich ganz nüchtern gegenüber sitzen und miteinander reden? Er hatte sich anscheinend mächtig geirrt. Seine Sinne waren gepolt auf diese Frau, die nun auch noch den Schneid hatte, ihn so anzusehen und zu berühren. Während Irohs Blutdruck immer höher stieg strebte seine Hemmschwelle exponentiell gegen Null. Nola konnte nur noch einen kurzen Blick auf Irohs funkelnde Augen erhaschen, bevor sie nichts mehr spürte außer seinen Lippen auf den ihren. Soviel also zum Thema Reden. Kapitel 10: Love's Labour's Lost -------------------------------- Da waren sie also; umeinander geschlungen, sehnsuchtsvoll an den jeweils anderen gepresst. Sie waren wieder vereint. Iroh konnte es nicht fassen. Er hätte es noch eine halbe Stunde zuvor nie für möglich gehalten, dass auch nur irgendein denkbares Ereignis ihn von seiner Trauer hätte ablenken können. Sein Gesicht vergrub er in Nolas Haar, das sich nun, da der Zopf in dieser ungestümen Umarmung an Halt verloren hatte, fließend über ihren Rücken ergoss. Das war sie. Das war die einzige Frau auf dem gesamten Planeten, die imstande war, ihn für einige Augenblicke komplett vergessen zu lassen. Welch wunderbare Wohltat für seinen Geist! Es hätte kein größeres Geschenk als das ihre geben können: sie gab ihm Balsam für die Seele. In einem Moment seines Lebens hatte er nahezu alles, was ihm lieb war, verloren. Und im nächsten Moment hatte er seine verloren gedachte Liebe zurückgewonnen. Irohs Herz schlug ihm im Hals und während er ihren Duft nach Jasminblüten einsog, wurden seine Augen feucht. Das war eindeutig zu viel für ihn. Doch anstatt sich von ihr zu lösen, presste er sich noch fester an sie und Nola tat es ihm gleich. Noch nie hatte sie einen solchen Gefühlscocktail erlebt. Sie war drauf und dran, ihren Körper an seinem zu reiben, seine noch muskulöseren Züge zu erforschen. Gleichzeitig wollte sie weg von hier, dann wieder ganz nah bei ihm sein, lachen, weinen, sich die Seele aus dem Leibe schreien. Nichts reißt einen Menschen weiter auseinander, als seine verrückten und widersprüchlichen Gefühle. Denn gegen die Stimme seines Herzens kann niemand etwas ausrichten. Das vermeintliche Fräulein Lin Su und der Prinz standen noch eine ganze Weile nahezu reglos da. Sie atmeten beide schwer und hatten immer noch ihre Hände fest an den Rücken des Gegenübers gepresst. Iroh war so proppenvoll mit Gedankenfetzen sowie Gefühlsduseleien, dass sie ihn ein wenig stumpf machten und es so sein Sprachzentrum doch tatsächlich schaffte, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. "Was hälst du von einem Drink?" flüsterte er rau. "Unbedingt," ächzte Nola und löste sich aus der Umarmung. Sie spürte ihren Torso nicht mehr ganz so deutlich wie noch ein paar Minuten zuvor. Während Iroh eine kleine Holzvitrine öffnete und zwei Becher sowie eine Flasche Feuerwhisky hervorholte, sah Nola ihm schamlos hinterher. Die Lust war nicht gewichen, ganz eindeutig. Der Prinz schank ein, sie tranken zügig und dann kippten sie auch noch den Nachschlag hinunter. Eine wohlige Wärme tat sich in ihnen auf und sie wurden augenblicklich entspannter. Ohne ein Wort zu wechseln, setzten sie sich simultan auf die beiden Hocker und atmeten erst einmal tief durch. Manchmal war Alkohol wirklich nützlich. "Nun..." begann Iroh zögerlich und wrang mit seinen Händen. "Wie, äh, wie geht es dir?" Seine Frage klang viel zu höflich. Genau wie ihre darauf folgende Antwort. "Gut, danke," sagte Nola leise und besah sich ebenfalls ihre Hände. Dann runzelte sie die Stirn als ihr klar wurde, dass dieser Gesprächsanfang zum unpersönlichen Smalltalk ausaten könnte. "Ach verdammt," entfuhr es ihr und sie sah auf. "Das willst du doch nicht wirklich wissen. Deswegen sind wir nicht hier." Iroh sah zurück, sagte aber nichts. "Agni, wir haben uns so viel zu erzählen!" fuhr sie fort. "Ich meine, wenn du nicht reden möchtest, dann kann ich das verstehen. Aber ich für meinen Teil möchte dir alles erzählen. Ich möchte, dass du weißt wo ich war." Nola sammelte sich kurz, bevor sie begann und Iroh sah gespannt zu ihr. Natürlich wollte er alles wissen. „Zuerst haben wir uns hier in den Wäldern versteckt,“ sagte Nola schließlich. „Wir sind nie lange an einem Ort geblieben, weil wir wussten, dass sie hinter uns her waren. Auch konnten wir uns in keinen Dörfern zeigen. Entweder hätten sie Spione platziert, oder einfach alle Bewohner zur Alarmbereitschaft getrimmt. Letztendlich wussten wir, dass wir nicht hier bleiben konnten, also haben wir uns auf den Weg zu den Häfen gemacht. Das Problem war nur, dass sie an Bord der Fähren Ausweise kontrollierten. Aber wir fanden einen Fischer, der..." Nola stockte kurz. Ihr Blick wurde leer, aber dann schien sie sich zu fassen und fuhr fort: "...der war bereit uns für eine kleine Gegenleistung rüber zu setzen." "Was bitte für eine Gegenleistung?" fragte Iroh und zog eine Augenbraue hoch. Nola schien die Frage überhört zu haben, jedenfalls sprach sie ohne darauf einzugehen, weiter. "Bevor wir das Erdkönigreich erreichten, schmiedeten wir Pläne. Eigentlich brauchten wir auf jeden Fall eine Stadt, in der wir vor der Feuernation sicher waren. Sobald wir an Land waren, machten wir uns auf den Weg Richtung Süden. Wir wollten nach Omashu oder Gaoling. Wochenlang liefen wir. In Omashu blieben wir ein paar Monate, so auch in Gaoling. Aber die Neugier packte uns und wir beschlossen, unsere Brüder und Schwestern am Südpol zu besuchen. Von Gaoling aus war es nicht mehr allzu weit. Die Wasserwege im Süden sind kurz, deshalb konnten uns immer wieder neue Seeleute mitnehmen. Über Kyoshi kamen wir auf die Patola Inseln. Auf der südlichsten davon fanden wir eine kleine Anlegestelle, die wohl zum Wasserstamm gehören musste. Also machten wir ein paar Tage Rast, bis ein Händler vorbeikam und uns mitnahm. Es war ein seltsames Gefühl für mich. Meine Großeltern fühlten sich sofort heimisch, aber ich habe noch nie eine solche Eislandschaft gesehen. Überall Eis und Wasser und Schnee! Es war einfach unglaublich. Und dort unten blieben wir. Eine sehr nette Frau nahm uns auf. Sie hieß Kana. Auch sie war ein Flüchtling der nordischen Etikette. Sie hatte eine kleine Tochter namens Kya. Kya war unheimlich süß, gerade mal acht Jahre alt. Kana erzählte uns, dass vor gar nicht so langer Zeit die Feuernation ihr Dorf überfallen hatte. Dabei wurden nicht nur alle Bändiger verschleppt, sondern auch Kyas Vater getötet. Meine Großeltern und ich, wir waren die einzigen Wasserbändiger am Südpol. Aber es war eine, den Umständen entsprechend, gute Zeit. Wir sind länger als zwei Jahre dort geblieben. Das Problem war, dass es für mich trotz alldem keinen Ort der Welt gab, an dem ich glücklicher war, als...“ Nola stockte kurz und sah Iroh in die Augen. „...als bei dir. Inzwischen wusste meine Familie natürlich längst, was damals zwischen uns war, und ich muss leider sagen, dass sie dich auch irgendwie dafür verurteilt haben, dass wir damals aufgeflogen waren. Aber ich konnte sie schließlich doch irgendwann davon überzeugen, dass du derjenige warst, der uns letztendlich beschützt hat. Wie dem auch sei, ich wollte wieder zurück. Es war jetzt genug Zeit vergangen und ich war mir ziemlich sicher, dass, wenn wir inkognito einreisen würden, niemand mehr sagen würde 'Hey, das sind doch die Wasserratten, die man vor vier Jahren mal gesucht hat'. Also habe ich rumgefragt und schließlich einen Kapitän gefunden, der willens war, uns auf seinem Schiff zum südlichsten Zipfel der Feuernation mitzunehmen. Unterwegs kam es zu einigen Konfrontationen... aber sie haben es immer geschafft. Nein, wir haben es immer geschafft. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich für mich und mein Volk kämpfen. Und doch... es war ein schreckliches Gefühl, den Krieg so nah zu spüren. Nach vielen, vielen Tagen auf See waren wir dann endlich wieder zurück. Und auch wenn ich hier nicht willkommen bin, so ist es doch irgendwie meine Heimat." Nola hörte auf zu erzählen und Iroh rechnete in Gedanken nach. "Moment mal," sagte er aufbrausend. "Soll das heißen, du bist seit über einem Jahr wieder hier und ich wusste nichts davon?" Er klang äußerst zornig. "Verdammt du hättest TOT SEIN KÖNNEN! Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe, jeden verdammten Tag?" "Aber was hätte ich denn tun sollen?" verteidigte sich Nola. Sie war erneut den Tränen nahe. "Weißt du überhaupt wie es mir erging, als ich wieder in der Stadt war? Überall hingen Bilder von dir und deiner Frau." Das letzte Wort kam ihr verächtlicher über die Lippen, als sie beabsichtigt hatte. Iroh starrte Nola unverwandt an. Da saß seine große Liebe, die Frau, die er immer hatte haben wollen. Und er konnte nicht anders, als sie anzufahren, um sie von der Gütigkeit einer anderen zu überzeugen. „Sprich nicht so über sie!“ knurrte er, selbst davon erschrocken, wie kalt er klang. „Yu Ann ist eine wunderbare Frau.“ Nolas Gesichtszüge erhärteten sich, während er sprach. „Sie ist mutig und herzensgut. Aber -“ Er wurde unterbrochen: „Was aber?“ fauchte Nola giftig. „Aber ich liebe sie nicht!“ Iroh atmete schnell, während er in Nolas ungläubige Augen sah. Diese Augen... „Ich habe immer nur dich geliebt,“ schloss er und versuchte ein Lächeln. Auch wenn sie hier vor ihm stand, auch wenn er und Yu Ann immer gewusst hatten, dass es eigentlich andere Herzen waren, die sie begehrten, kam sich Iroh vor, als würde er seine einstige Ehefrau betrügen. Und doch, es stimmte einfach: Iroh liebte Nola und niemanden sonst. Die Art von Gefühlen, die er für Ann empfand, war anders. „Ich liebe dich, Nola,“ wiederholte er leise. „Alles andere wäre gelogen.“ Nola sagte nichts. Sie spürte wie ihre Augen feucht wurden und erneut starrte sie zu Boden. So verharrte sie sehr lange. Dann: "Hast du noch Wein da?" 'Hast du noch Wein da?' echote es in Irohs Kopf. Das war alles was ihr in diesem Moment einfiel? Iroh schluckte und merkte, dass sein Hals trocken war wie Schmirgelpapier. Ohne zu antworten erhob er sich und wandte sich wieder dem kleinen Schrank zu, dem er zuvor den Whisky entnommen hatte. "Iroh, warte," sagte Nola leise. Iroh drehte sich um. Es war das erste Mal, dass sie ihn direkt ansprach. Erwartungsvoll blieb der Prinz stehen und suchte ihren Blick. "Ich... das wusste ich. Zhen hat es mir erzählt." Sie druckste ein wenig herum, bevor sie seinen Blick schließlich erwiderte und ihre Stimme wiederfand. "Glaubst du wirklich ich wäre wieder zurückgekommen, wenn ich nicht immer noch genauso empfinden würde?" Zu seiner eigenen Verwunderung lachte Iroh kurz auf. Es war ein gutes, ein erleichtertes Lachen, eigentlich eher ein kräftiges, stoßartiges Ausatmen in Kombination mit leicht angehobenen Mundwinkeln. Natürlich musste sie ihn lieben. Alles andere hätte ihn den letzten Rest seines Verstandes gekostet. "Ich hole dann mal den Wein." Es war, als würden binnen weniger Sekunden tausend Steine von ihren Herzen fallen. Der Wein kam, Iroh im Schlepptau, und lockerte die Knoten noch ein wenig mehr. "Fon und Zhen, hm?" munkelte Nola und nippte an ihrem Getränk. "Allerdings," gluckste Iroh. "Einfach gut die beiden. Haben sich furchtbar lieb. Ich frage mich nur warum die noch kein Kind in die Welt gesetzt haben." "Oh, das geht nicht," sagte Nola und gestikulierte abwinkend. Iroh schaute sie verdutzt an. "Wie, das geht nicht?" "Nun ja," sagte Nola und atmete tief ein, "Fon hat dir nichts erzählt, weil er dich damit nicht verletzen wollte. Sie, also, einer der beiden – oder beide – können nicht. Du weißt schon." "Oh," machte der Prinz und schloss, nachdem er bemerkte, dass seine Kinnlade offen stand, rasch den Mund. "Das ist verdammt beschissen." "Das kannst du laut sagen," schnaubte Nola. "Ich hoffe nur, dass wir damit keine Probleme haben werden." Sofort trafen sich ihre Blicke und sofort sie waren sich stumm einig. "Okay okay, eindeutig zu früh, viel zu früh, lassen wir das," winkte Nola ab und nahm einen großen Schluck Wein. "Nachschlag, bitte!" "Aber was, wenn ich das Problem war?" sagte Iroh nachdenklich, während er der Wasserbändigerin einschenkte. "Ach komm schon, lass uns von was anderem reden," sagte Nola leberwurstartig, aber Iroh beachtete sie nicht. "Jetzt mal ehrlich. Was wenn bei Yu Ann alles in Ordnung war? Was wenn ich derjenige bin, der keine Kinder bekommen kann?" Nola schwieg und besah sich den Inhalt ihres Bechers. "Dann muss," nuschelte sie schließlich, "dann muss wohl dein Bruder deine Stelle antreten und nach ihm sein Sohn." Iroh schnaubte verächtlich. "Also bitte," sagte er. "Ozai? Der ist grün hinter den Ohren und abgesehen davon total verzogen. Ich will gar nicht wissen, wie er, geschweige denn sein Balg, das Amt des Feuerlords handhaben würde." "Schon, aber dann wärst du frei!" sagte Nola, nun etwas lauter. "Frei, zu tun was du willst, zu gehen wohin du willst, zu lieben, wen du willst. Das ist es doch, was du willst!" "Schon," grummelte Iroh bitter. "Klar ist es das. Aber vielleicht hast du vergessen, wer in dieser Familie noch alle Tassen im Schrank hat. Vielleicht sollte ich weniger an mich denken, als an das Wohl meines Landes, und vor allem an das Wohl dieses Planeten." Nola sagte nichts. Er hatte natürlich vollkommen recht. "Und was machen wir nun?" fragte sie leise. "Ich weiß nicht," sagte Iroh unschuldig. "Ich hätte noch mehr Wein da..." "Ich meinte," unterbrach ihn Nola, "was wir, also wir beide, ab sofort machen sollen. Ich meine, wie soll es mit uns weitergehen? Wir, nun, empfinden noch für einander und wir sind beide alleine. Also..." Iroh runzelte die Stirn. "Meinst du nicht, dass wir erstmal für uns darüber nachdenken sollten?" Nola lächelte. "Weißt du, ich glaube ich habe in den letzten Jahren genug 'nur darüber nachgedacht'. Ich sehe das im Grunde ganz einfach: wir brauchen vielleicht noch etwas Zeit um uns aneinander zu gewöhnen, gut. Aber wir sind beide erwachsen. Müssen wir in der Zwischenzeit wirklich noch Fangen spielen? Können wir nicht einfach unsere Gesellschaft genießen? Ich für meinen Teil gebe zu, ich möchte nicht mehr alleine sein. Aber wenn du noch Abstand brauchst, dann versteh ich das." Iroh dachte nach. Nola war alles, was er begehrte. Und sie war hier, sie saß hier vor ihm. Eigentlich hatte er keinen triftigen Grund, der gegen sie sprach. Und seine Eltern würden dann auch Ruhe geben... "Lass uns morgen ausgehen. Was sagst du dazu?" "Gerne," sagte Nola. "Und was machen wir bis dahin?" Sie grinste schelmisch. "Wie bitte?" fragte Iroh verdutzt und schluckte kurz als Nola sich erhob und einen ziemlich verführerischen Blick aufsetzte. "Sag mal," begann sie neckisch. "weißt du eigentlich, wie lange ich ohne dich sein musste? Dir ist schon klar, dass das jetzt sehr lange her ist..." "Ähm... schon," machte Iroh und sein Mund wurde trocken beim Anblick ihrer langen Haare, die nun, da sie sich zu ihm hinunter beugte, vorn über ihre Schulter fielen. Das lenkte seinen Blick natürlich unvermeidlich und zu allem Überfluss auch noch auf den Ausschnitt ihres Kleides. "Ich habe so lange gewartet," fuhr Nola fort. Ihre Stimme vernebelte Iroh den Kopf. "all die Jahre lang, und nun, da ich den richtigen Mann wieder gefunden habe, soll ich mich zurückhalten? Glaub mir," - und sie hockte nun über ihm, ihr Mund näherte sich auf wenige Millimeter dem seinen – "das kann ich nicht." Und es war Iroh, der den letzten Schritt ging und diese Wahnsinnsfrau so heftig küsste, dass sie fast vom Stuhl kippten, während seine Hände begierig ihre Hüfte umfassten. Was bildete dieses Weib sich eigentlich ein? Als ob er nicht genauso fühlen würde wie sie. In dieser Nacht schaffte es ein einziger Mensch, den Prinzen für einen Moment vergessen zu lassen. Nola allein war es, die ihn wieder richtig fühlen ließ. Es sollte eine Zeit anbrechen, in der Prinz Iroh über die Maßen glücklich war. Doch das Schicksal meinte es leider nicht allzu gut mit ihm. Es trifft eben halt so oft die, die es am wenigsten verdient haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)