Tochter des Mondes von WoelfinAsaki ================================================================================ Kapitel 3: Schwarze Sterne -------------------------- Der Wald vor ihnen war in dunkles Dämmerlicht getaucht. Keine Sonnenstrahlen brachen durch das dichte Geäst der Baumkronen, wie es sonst zu dieser Tageszeit üblich war. Stattdessen schien sich ein dunkler Film auf Nowakis Augen gelegt zu haben. Die Umgebung erschien ihr nun seltsam unwirklich, wie ein Traum. Das spärliche Unterholz war vertrocknet und knisterte leise, wenn man darauf trat. Der weißen Katze, die weiterhin unbeirrt durch die Dunkelheit lief, schien das nichts auszumachen. Ihr Fell leuchtete wie eine Laterne und gab der Umgebung ein wenig Farbe zurück. Verwelkte Blumen blühten kurz auf, wenn das Licht sie streifte und ließen den Kopf wieder hängen, sobald es vorbeigezogen war. Auch bewegte sie sich völlig lautlos über den laubbedeckten Waldboden. Nowaki fragte sich, wie sie das anstellte. Aber dafür musste man wohl eine Katze sein. Ihr dürft euch nicht zu sehr auf eure Augen verlassen, Wölfchen. Ihr seid zwar nicht so sehr darauf angewiesen wie diese Zweibeiner, doch ist es durchaus irritierend, wenn man nicht mehr weiß, ob das, was man sieht, wirklich wahr ist. Dämonen sind Meister der Täuschung. Ihr könnt sie nur dann mit ihren eigenen Tricks schlagen, wenn ihr schlauer seid als sie. Benutzt euren Verstand, so spärlich er auch vorhanden sein mag. Nur dann habt ihr eine Chance gegen sie. Die Katze wusste offensichtlich, wovon sie sprach. Sie hatte wohl schon öfter gegen Dämonen oder was auch immer gekämpft. Ob Kira ein solches Schattenwesen war? So wirklich konnte sich Nowaki das nicht vorstellen. Zwar hatte sie ihn nur kurz gesehen, doch sie glaubte nicht, so etwas böses wie einen Dämon in ihm gesehen zu haben. Wobei ihre Erfahrungen mit dergleichen sich natürlich in Grenzen hielten. Doch musste eine Dämon in ihren Augen viel mehr von Bosheit zerfressen sein, als der Alpha des Wolfsdämonenrudels. Es gehörte schon mehr dazu, als brutal die Macht eines Rudels an sich zu reißen. „Kann man einen Dämon töten?“, fragte Mailo leise. Hört auf laut zu reden, ihr Amateure! Sie sind ganz in der Nähe, sie werden uns sofort bemerken, wenn ihr nicht still seid. Euer dämlicher Trick mit dem Wind hilft euch da auch nicht viel, da die sofort riechen, dass da Windmagie im Spiel war. Denkt euch einfach, was ihr sagen wollt, ich werde es dann aus eurem erbärmlichen Hirn herauspicken. Aber nun zu deiner Frage. Ja, man kann einen Dämon töten. Doch es kommt ganz darauf an, wie mächtig er ist. Da dieser an das Blut eines Mondwolfs kommt, wird er im Moment ziemlich mächtig sein. Unsere einzige Chance bin im Moment ich, da Dämonen Sonnenlicht fürchten oder zumindest nicht mögen, da es sie schwächt. Die Katze machte eine kleine Pause. Das ganze hörte sich durchaus plausibel an. Nowaki hatte sich schon gedacht, dass es sich nicht um normales Licht handelte, das die Katze da unfreiwillig von sich gab. Im Moment werden wir ohnehin nicht viel machen können. Wir werden nur Kataya da rausholen und uns anschließend zurückziehen, bis die Macht durch das Mondlicht wieder nachlässt. Wenn wir Pech haben, kann das ziemlich lange dauern, insbesondere da dieser Dämon in Gestalt eines Wolfes unterwegs ist und die haben nunmal eine besondere Affinität zum Mond. Vorher ist der Dämon allerdings zu mächtig, als dass wir groß was anrichten könnten. Kommt also nicht auf die dumme Idee, eure Familienangehörigen mitnehmen zu wollen. Die machen uns nur unnötig langsam. „Nur aus Interesse: Werden nur Dämonen durch dieses... „Mondlicht“ stärker? Oder gibt es noch andere Wesen?“, fragte Mailo völlig unvermittelt. Die Katze blieb urplötzlich stehen, sodass Nowaki beinahe in sie hineingelaufen wäre. Sie kannte den Grund: Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, wusste worauf Mailo hinauswollte. Ich warne dich nur eine einziges Mal, Bursche... Die Stimme der Katze klang bedrohlich. Sie schien gar nicht bemerkt zu haben, dass Mailo seine Frage nicht in Gedanken gestellt hatte, wie sie zuvor noch gefordert hatte. Wer Kataya auch nur ein Haar krümmt, bekommt es mit mir zu tun. Ich habe es schon vorhin erwähnt: Diese Krallen tun verdammt weh. Und sie hinterlassen auch mehr als nur Narben. Mailo schien nicht sonderlich beeindruckt von der Drohung, doch er fügte sich. „Verstanden“, sagte er leise. Für einige Augenblicke blieb die Katze noch an Ort und Stelle stehen, bevor sie sich endlich wieder in Bewegung setzte. Also, fahren wir fort. Zurück zu der Lektion, bevor mich dieser Schwachkopf aus dem Konzept gebracht hat. Wie gesagt werden wir nur Kataya da rausholen. Ich vermute, dass Kira sie am Leben gelassen hat, damit er immer wieder von ihrem Blut trinken kann. Er sieht nicht so aus wie ein dummer Dämon, der gleich alles auf einmal verschlingt und dann zwei Monate Macht hat, ehe er sich das nächste Opfer suchen muss. Er scheint mir ein kluger Taktiker zu sein. Das wird uns noch Schwierigkeiten machen aber nun gut. Mit dem Problem müsst ihr euch schlussendlich auseinandersetzen, nicht ich... Plötzlich blieb die Katze wieder stehen. Doch im Gegensatz zu zuvor war ihr anmutiger Körper angespannt. Ihr Schwanz zuckte unruhig hin und her, während die Ohren aufgestellt in alle möglichen Richtungen lauschten. Langsam begann sich ihr Fell aufzustellen. Aus den Augenwinkeln konnte Nowaki einen Schatten sehen. Doch ehe sie sich umdrehen konnte, sprang er schon auf sie zu. Die graue Wölfin lag völlig ohne Regung in der hintersten Ecke der Höhle und hatte den Blick wachsam auf den Eingang gerichtet. Die silbrige Flüssigkeit, die zuvor noch aus ihren Wunden geflossen war, hatte sich nun kristallisiert und ließ den Pelz in den Farben des Mondlichts leuchten. Tatsächlich ging ein heller Schimmer von der Flüssigkeit aus, der die Höhle in schwaches Zwielicht tauchte. An den Wänden konnte man ein schwaches Lichtspiel erkennen, wie Licht, das sich im Wasser spiegelte und bizarre Formen auf Stein zu malen vermochte. Sie hätte es eigentlich wissen müssen. Schon als sie zum ersten Mal in diese unheimlichen Augen geblickt hatte, hatte sie geahnt, dass mit dem schwarzen Wolf etwas nicht stimmte. Es war nicht einfach nur so, dass seine Taten böse Absichten verfolgten. Eine finstere Aura umgab diesen Wolf, eine nicht greifbare Bosheit, die sich wie schwarzer Nebel um ihn gelegt hatte und sämtliches Licht zu verschlingen drohte. Jetzt, wo sie darauf achtete, konnte sie auch die Dunkelheit in der Luft spüren. Sie machte ihr das Atmen schwer und raubte ihre Kraft. Und es verzögerte ihre Genesung. Kein Sternenlicht drang durch den Eingang in die Höhle. Nur ihr Pelz brachte ein wenig Licht in ihr Gefängnis. Auch wenn es ihr eigenes war, so tröstete es sie. Sola hatte ihr einmal erzählt, dass sie die Finsternis nie zu fürchten brauche, da das Licht immer bei ihr war. Nicht einmal die dunkelsten Dämonen vermochten es, dieses Licht gänzlich zum Erlöschen zu bringen. Und doch fühlte Kataya sich einsam. Sie vermisste ihre geliebte Sonnenkatze. Sie sorgte sich um sie. Schon seit ihrem Erwachen kreiste nur das Bild der verletzten Sola in ihren Gedanken. Wo sie wohl war? Das Geräusch schneller Schritte ließ Kataya aufhorchen. Wachsam stellte die Mondwölfin ihre Ohren auf und ihre Lefzen zuckten. Sie versuchte, sich halbwegs aufzurichten, doch ihr verletztes Bein knickte unter ihr weg. So setzte sie sich nur halbwegs auf und strafte den schwarzen Wolf, der soeben die Höhle betrat, mit einem missachtenden Blick. „Wie ich sehe, bist du erwacht“, sagte er mit tonloser Stimme. Kataya gab nur ein bedrohliches Knurren von sich, was angesichts ihres derzeitigen Zustands jedoch nur halb so furchteinflößend wirkte, wie sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Amüsiert verzogen sich die Lefzen des Alphawolfs zu einem Lächeln. Selbst wenn die Wölfin es gewollt hätte, hätte sie Kira wohl nichts tun können. Langsam kam er auf sie zu. „Komm nicht näher!“ Die Fänge lagen nun blank. Sie meinte es ernst: Sollte er noch näher kommen, würde sie ihn zerfleischen, ganz gleich, wie viele Verletzungen sie an ihrem Leib trug. Die Haare in ihrem Nacken hatten sich steil aufgerichtet. Dieser Wolf jagte ihr Angst ein. Sobald er die Höhle betreten hatte, hatte sie seine bösartige Aura gespürt. Er war der Ursprung der schwarzen Wolken, die sich vor die Sterne geschoben hatten, um das Licht der Himmelsgeschwister auszusperren. Auch der Mond war irgendwo dort oben, außerhalb ihrer Reichweite. Seine Macht wurde von dem finsteren Nebel geradezu verschlungen. Doch er war unbestreitbar da. Amüsiert verzog der schwarze Wolf die Lefzen und musterte sie abschätzend. „Du brauchst keine Angst vor mir haben, Wölfin. Ich werde dich nicht töten.“ Er tat einen langsamen Schritt auf sie zu. „Auch werde ich dich nicht quälen, weil ich Freude daran habe. Ich brauche dich einfach nur. Und gesund und kräftig bist du mir mehr von Nutzen, also verstehe meine Gesten bitte nicht falsch.“ Voller Angst wich Kataya auf drei Beinen hinkend vor dem großen Wolf zurück. War er wirklich ein Dämon, wie sie vermutete? Oder war er nur ein bösartiger Wolf, der sich von ihrem Blut unbegrenzte Macht versprach? Der dunkle Schatten, der sich um sie herum ausgebreitet hatte und seine dunkle Aura sprachen für sich, doch mochte die Mondwölfin nicht recht glauben, dass ein Dämon hinter Kira steckte. Sola hatte ihr einst beigebracht, dass solche Schattenwesen üblicherweise sofort ihre Opfer verschlangen. Zwar waren sie ziemlich clever, doch ihnen fehlte das zukunftsorientierte Denken. Und so wie es aussah, hatte Kira durchaus vor, Kataya über einen längeren Zeitraum als seine Gefangene zu behalten. Wer war er also wirklich? Sie wusste nur, dass er abgrundtief böse war. Und er machte ihr Angst. Mit der Rute fühlte sie die Wand im Rücken. Nun saß sie in der Falle. Noch immer lief Kira auf sie zu, ganz ohne Eile. Er wusste, dass sie ihm nicht entkommen konnte und kostete ihre Angst aus. Nur mit Mühe unterdrückte Kataya ein Winseln. Diesen Triumph würde sie ihm nicht gönnen! Die Mondwölfin versuchte nun, an der Wand entlang Richtung Ausgang zu gelangen. So würde sie zwangsläufig für einen kurzen Moment dem schwarzen Wolf nähern, doch es war ihre letzte Chance. Mit ihrem verletzten Lauf würde sie ohnehin nicht weit kommen, doch hatte sie es dann zumindest versucht. Kira sah ihr nur dabei zu, und ließ sie gewähren. Er wusste, was sie vorhatte, doch er wusste auch, dass ihr Plan zum Scheitern verurteilt war. Endlich erreichte sie den Ausgang der Höhle. Misstrauisch hielt sie inne und sah zu dem schwarzen Wolf. Was hatte er vor? Würde er sie einfach gehen lassen? Nein, er spielte mit ihr! Sie konnte es deutlich an seinem Blick sehen. Die Seelenspiegel verengten sich zu Schlitzen. „Nur zu, versuche doch, vor mir zu flüchten“, forderte er sie auf. „Ich werde dich ohnehin wieder einholen. Was denkst du, wie weit schaffst du es mit deinem verletzten Lauf, bevor ich dich einhole?“ Wieder bleib Kataya stumm, nur das allgegenwärtige Knurren entkam ihrer Kehle. Ohne Vorwarnung sprang Kira plötzlich auf sie zu. Die Mondwölfin hatte keine Chance mehr, darauf zu reagieren. Sie stieß ein lautes Winseln aus, als der schwere Leib des Wolfs sie mühelos rückwärts zu Boden zwang. Jetzt war sie ihm schutzlos ausgeliefert. Seine Pfoten gruben sich schmerzhaft in ihre Seite und hinderten sie am Aufstehen. Ganz langsam näherte er sein Gesicht dem ihrem. Kataya war vor Angst völlig gelähmt. Ihr Atem ging unregelmäßig und das Herz schlug hart gegen ihre Brust. Seine schwarze Augen nahmen sie förmlich gefangen. Die Mondwölfin hatte das Gefühl, in der unendlichen Schwärze darin zu ertrinken. Gleich würde er sie verschlingen. Von irgendwo her konnte sie eine leise Melodie hören. Sie hatte sie noch nie in ihrem Leben vernommen, doch sie kam ihr seltsam bekannt vor. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Ihr Herz schlug nun ruhiger und sie hatte das Gefühl, wieder denken zu können. Endlich vermochte sie es, sich von dem unheimlichen Blick zu lösen und den Kopf gen Himmel zu strecken. Voller Kraft stieß die Mondwölfin ein lautes Heulen aus. Eine Weile schwebte die Melodie nur wie eine Glocke über den Wald, als würden die schwarzen Wolken das Lied reflektieren. Dann stoben sie auseinander. Kira stieß ein lautes Winseln aus und sprang von Kataya hinunter, als habe er sich verbrannt. Das silberne Fell der Wölfin war in Mondlicht getaucht und ließ es hell schimmern. Noch immer heulte sie voller Inbrunst die Melodie aus ihrem Herzen. Irgendwie gab es ihr Kraft. Die Schmerzen in ihren Wunden ließen nach und ließen ein angenehmes Gefühl von Wärme zurück, das sich im ganzen Körper ausbreitete. Die Angst, die sie zuvor noch gelähmt hatte, schmolz dahin wie zarter Schnee im Sonnenlicht. Was blieb, war Geborgenheit, die sie sonst nur von Solas Nähe her kannte. Als das Lied endete, blieb Kataya noch einige Herzschläge lang stehen. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie aufgestanden war. Hellsilbernes Licht umspielte ihren zierlichen Leib. Hinter sich konnte sie Winseln hören, doch sie wandte sich nicht danach um. Sie hatte Wichtigeres zu tun. Mit einem Satz sprang sie aus der Höhle. Die Wächter, die den Ausgang bewachen sollten, waren verschwunden. Gut so. Ohne weiter darauf zu achten preschte Kataya los. Sie wusste nicht, wohin, sie folgte einfach ihrem Gefühl. Am Ende des Weges würde jemand auf sie warten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)