Das Herz von Azkaban von Betakuecken ((ABGESCHLOSSEN)) ================================================================================ Kapitel 1: Eins --------------- Das Herz von Azkaban Dunkelheit. Überall Dunkelheit. Und Stille. Stille, die einen in den Wahnsinn trieb. Es war schrecklich, wenn man niemanden hatte, mit dem man sprechen konnte. Seine Stimme hatte er schon so lange nicht mehr gebraucht… Er wusste nicht, wie viel Zeit schon vergangen war, seit er sich in dieser ach so wundervollen Zelle aufhielt, aber es schien eine Ewigkeit zu sein. Die Mauern umgaben ihn, schnitten ihn von der Außenwelt ab. Errichteten eine Barriere, kerkerten den Verstand in ein Gefängnis. Dann die Dementoren. Sie schwebten beständig um seine `Unterkunft´ herum. Er war froh, dass sie nicht hier rein kamen, denn ihre bloße Anwesenheit auf den Gängen reichte schon aus, um all die schönen und glücklichen Erinnerungen zu vernichten. Aus irgendeinem Grund schienen sie Gefallen daran gefunden zu haben, sich speziell an ihm zu laben. …irgendwann war man einfach nicht mehr in der Lage sich zu schützen, indem man absichtlich an etwas Furchtbares dachte oder versuchte seinen Kopf zu leeren. Besuch hatte er noch nie gehabt. Würde er sicherlich auch nicht. Es gab niemanden, der ihn sehen wollen würde. Vielleicht waren es diese verachtenden Blicke, die ihn bei Verstand bleiben ließen, obwohl die grässlichen Wächter aus Dunkelheit und Abgründen hier herum spukten. Oder es war das Wissen, dass er niemals wieder hier heraus kommen würde. Er wusste nicht einmal, weshalb man ihn eingesperrt hatte… Leise Geräusche drangen an seine Ohren. Das kam nicht so oft vor, meist dann, wenn die anderen Insassen lauter wurden. Was er jetzt hören konnte, waren sicherlich die Ratten. Gestern war das Gejammer des Gefangenen in der Nebenzelle verstummt, so dass sich diese kleinen, widerlichen Nagetiere wohl gerade über ein Festmahl hermachen konnten. Es jagte ihm einen Schauer über den Rücken und Ekel erfasste ihn bei dem Gedanken daran. Sein Körper lehnte an der kalten, feuchten Kerkerwand, den Kopf hatte er ebenfalls nach hinten gelegt, so dass er ihn nicht mühselig halten musste. Die Arme waren um die Knie geschlungen und seine Augen starrten halb geöffnet, trübe und leer in die fast bodenlose Finsternis. Alle Hoffnung war schon längst aus ihm gewichen, hatte Leere Platz gemacht. In der Welt außerhalb gab es nichts mehr, an das er glauben konnte. Nichts war dort, das ihm helfen konnte. Alle hatten ihn verlassen, es wartete niemand auf ihn. Allerdings hatte er noch einen Wunsch, der ein winziges Licht der Hoffnung erzeugte. Freiheit. Endlich wieder die Möglichkeit haben, sich frei bewegen zu können. Das wollte er. Das Sonnenlicht sehen, den Wind fühlen. Als man ihn hergebracht hatte, war es Nacht gewesen. Regen hatte ihn durchweicht und in seiner kleinen Zelle hier frieren lassen. Damals hatte er sich nicht einmal von der Sonne verabschieden können. Nichts hatte man ihm zugestanden! Manchmal konnte er auch Schritte hören, das war dann, wenn die Wachen einen neuen Todesser in den Hochsicherheitstrakt brachten – was wirklich nicht sehr oft vorkam -, sie das Essen verteilten oder die Überreste beseitigten, die die Ratten hinterlassen hatten. Das, was man hier vorgesetzt bekam, war abgestandenes Wasser mit grauer Pampe. Zumindest würde es so aussehen, wenn es hier unten Licht gäbe. Aber es interessierte ihn nicht mehr, denn seit Tagen schon rührte er nichts mehr an. Wenn es kontrolliert wurde, so störte sich wohl niemand daran, dass er nicht aß. Für ihn hatte es keinen Sinn, sein Leben in Gefangenschaft zu verlängern. Denn mit dem Ende seines Lebens würden der Frieden und die Freiheit beginnen. Man hatte alles, das er besessen hatte weggesperrt. Zumindest hatte man ihm das so gesagt. Ob es stimmte, wusste er nicht. Es war ohnehin bedeutungslos. Von all den materiellen Dingen hatte er sich distanziert. Er fragte sich sowieso, weshalb er noch nicht tot war. Doch in seinem Inneren wusste er es: Magie. Sie war mächtiger als er jemals erwartet hatte und erfüllte ihn auch jetzt. Doch irgendwann würde sein Körper zu schwach werden, als dass Magie helfen konnte. Und dann könnte er Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit erhalten. Wobei sein Tod dann wohl eigentlich eine Ungerechtigkeit sein würde… --- „Ich verstehe es einfach nicht…“, flüsterte ein dunkelhaariger Junge und rieb sich das Kinn. „Was verstehst du nicht?“, erkundigte sich das Mädchen neben ihm, da sie nicht verstand, was der andere meinte. „Na, dass Fudge nicht in seinen Schädel bekommt, dass wir mehr tun müssen, als zu warten, bis sich einer dieser Todesser zeigt!“ „Kumpel, ich kann ja verstehen, dass du willst, dass die alle eingesperrt werden, aber denkst du nicht, dass du den falschen Weg einschlägst?“, fragte ein Junge ihm gegenüber. Erschrocken riss er die Augen weit auf und wurde von Dunkelheit begrüßt. Sein Puls raste und das Blut rauschte in den Ohren. Ein Schauer rann ihm über den Rücken und dann spürte er plötzlich wieder die betäubende Kälte um sich herum. Es musste einfach Winter sein, denn er konnte sich nicht erinnern, dass es sonst so kalt war. Seine Gedanken schwebten träge zurück zu dem Traum, der ihn aus seinem sowieso schon seltenen Schlaf gerissen hatte. Er erinnerte sich gut daran, dieses Gespräch geführt zu haben, aber es war noch weiter gegangen. Ein leises Geräusch erklang und er wusste, dass wieder einmal das Tablett mit der Pampe und dem ekelhaften Wasser erschienen war. Er rührte sich nicht, um etwas zu essen. Auch sonst hatte er keinerlei Interesse länger an diesem Ort zu bleiben. Sollte er also in der nächsten Zeit sterben, so würde er den Tod mit offenen Armen empfangen. Zitternd zog er die Beine näher an sich und legte die Arme wieder fester um die Knie. Seine Augen schlossen sich beinahe von selbst. Er wollte doch gar nicht schlafen! Aber ob er nun in die Finsternis starrte oder die Augen geschlossen hielt, wo war da der Unterschied? So konnte er sich wenigstens besser vorstellen, wie es wäre, wenn er nicht mehr hier war. Schwerelos würde er seinem Körper entgleiten und frei sein. Nun, es würde wohl noch eine Weile dauern, denn er konnte seine Magie in sich fühlen, die sich weigerte, ihn einfach sterben zu lassen. „Warum kann ich nicht gehen?! Ich habe genügend Erfahrung und bin stark genug! Wenn ihr nicht für die Zukunft kämpfen wollt und euch feige versteckt, ist das eure Sache, aber ich gehe!“, brüllte Harry. „Das kommt gar nicht in Frage! Wir können es uns nicht leisten, dich zu verlieren, schließlich bist du unsere Ikone!“, verweigerte ein Mann in Anzug strikt seine Zustimmung. „Fudge, Sie können nicht einmal Hü und im nächsten Moment Hott sagen!“ „Ich dulde keine weiteren Diskussionen, verstanden? Du bleibst hier, basta!“ „Glauben Sie!“, fauchte der Junge so wütend zurück, dass sämtliche Gläser barsten und seine Magie hörbar laut knisterte. Er schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. Diese Träume über seine Vergangenheit hatte er in letzter Zeit oft. Es war, als wollten sie ihm etwas sagen, aber er wusste nicht was. Damals hatte er einen Streit gehabt und war wütend geworden. Wütend genug, dass sich der Zaubereiminister angegriffen gefühlt hatte. Zu Recht, wenn er so überlegte, aber warum dachte er überhaupt darüber nach? Eigentlich wollte er doch einfach nur vor der Last dieser Ungerechtigkeit fliehen. Selbst wenn sie jetzt kommen und sagen würden, dass ihnen ein Fehler unterlaufen war, wie würden sie es wieder gut machen wollen? Den Aufenthalt eines Unschuldigen in Azkaban konnte man gar nicht wieder gut machen. Ja, sollten sie hier erscheinen, so würde er sie auslachen, mit allem was er noch an Kraft hatte - und das war nicht viel. Er wusste, er würde außerhalb dieser Mauern niemals mehr friedlich leben können. Was hätte ihm die Welt zu geben? Wem könnte er vertrauen? Die Magische Welt würde er verlassen, denn diesen Verrat konnte er nicht verzeihen. Und an die Muggelwelt hatte er nur schlechte Erinnerungen. Im Endeffekt würden sie ihm lediglich einen anderen Ort zum Sterben geben… --- „Hast du gehört, was passiert ist?“, erklang die Stimme eines Schülers, der mit einem Freund hinter einer Säule versteckt stand und tuschelte. „Was denn?“ „Na, dass Potter sich mit dem Zaubereiminister angelegt hat. Angeblich soll er ihn sogar angegriffen haben.“ „Ist nicht wahr?!“ „Doch, doch. Mum hat es mir geschrieben, sie abreitet doch im Ministerium.“ „Krass, vielleicht stimmt es ja doch…“ „Du meinst, dass er zu einem zweiten du-weißt-schon-wer wird?“ „Mhm. Ich hab schon einige andere so reden hören. Ich meine, stell dir das mal vor! Er ist stark genug gewesen, um IHN zu töten. Was könnte er also alles tun, wenn er wirklich so werden würde?“ „Ich mag gar nicht dran denken…“ Die Zähne fest aufeinander gebissen, schnaubte er. Kinder waren so naiv. Hatten sie wirklich geglaubt, dass so etwas passieren könnte? Harry Potter, der neue Dunkle Lord! Pah, wie dumm. Wieso hätte ein Mensch, dessen Familie und Freunde von einem Wahnsinnigen getötet worden waren, genauso werden sollen? Was hätte das gebracht? Doch war es nicht eigentlich egal, was sie gedacht hatten oder nun über ihn denken mochten…? Hier erreichte ihn sowieso nichts und niemand und er bezweifelte, dass er jemals wieder einen Menschen sehen würde. Genau genommen wollte er das auch gar nicht. Was sollte er auch mit ihnen anfangen? Zitternd atmete er aus und bemerkte wieder einmal, dass der Winter eisig war. Könnte er sehen, so würde er sicher beobachten, wie sein Atem zu kleinen Wölkchen kondensierte. Doch so blieb ihm lediglich die Vorstellung und Erinnerung daran, wie es früher gewesen war. Sachte schüttelte er den Kopf. Nein, Erinnerungen an Früher waren definitiv etwas, das er nicht haben wollte. Sie schmerzten und Schmerzen wollte er keine mehr. Also schloss er seine Augen wieder und legte den Kopf auf den Knien ab. Die Kälte war nicht mehr zu spüren, sein Körper war taub geworden. Wenn er Glück hatte, würde er heute Nacht noch für immer einschlafen. --- „Ist das wahr?“ „Ja, hast du den Tagespropheten noch nicht gelesen?“ „Nein.“ „Potter hat wirklich einen Antrag gestellt, dass Magische Wesen mehr Gleichberechtigung bekommen.“ „Was denkt er, wer er ist?!“ „Ja, das hat Mum auch gesagt. Und Dad war vielleicht wütend.“ „Kann ich mir vorstellen. Man stelle sich einmal vor, ein Vampir oder Werwolf könnte einfach so alles tun, was wir dürfen. Wo kämen wir da hin, schließlich sind das Schwarze Kreaturen!“ „Finde ich auch. Merlin sei Dank ist auch Fudge dieser Meinung. Allerdings munkelt man, dass einige Ratsmitglieder Potters Meinung sind.“ „Echt?“ „Ja…“ Wieder ein Traum. Es war beinahe so, als würde sein Leben noch einmal vor ihm ablaufen, ehe er die Grenze zur anderen Seite überschreiten würde. Doch für ihn war es einfach nur lästig. Wieso nur musste man ihn so quälen? War das Absicht? Es gab doch nichts mehr, das die Dementoren aus ihm herausholen konnten, schließlich fühlte er kein Glück mehr, keine Freude. Frei sein, das wollte er. Hier heraus, sich bewegen können. Hier drinnen war ihm das verwehrt. Und er hatte bis heute immer noch keine Ahnung oder Gründe gesagt bekommen, weshalb man ihn hierher gebracht hatte. Waren diese Träume vielleicht ein Hinweis? Wenn ja, wieso konnten sie nicht einfacher gestaltet sein? Warum konnte ihm nicht einfach jemand sagen, was los war?! Das Nächste, das er wahrnahm war, dass er husten musste. Seine Gedanken kreisten nicht länger um die Träume. Vielmehr war ihm gerade bewusst geworden, dass er krank war. Ja, ihm war heiß, unendlich heiß. Die Kälte war in weite Ferne gerückt, kam dann plötzlich mit einem Schlag zurück und ließ ihn erzittern. Erklären ließ sich das mit einem Wort: Fieber. Husten und Schüttelfrost quälten seinen ohnehin schon schwachen Körper und wenn er jetzt endlich Glück hatte, würde er bald schon den letzten Schritt machen können, und den Menschen somit den Rücken zuwenden. Er grinste leicht, in letzter Zeit dachte er sehr oft an den Tod… Aber was sollte es? Er hoffte nur, dass sie alle erfahren würden, dass er unschuldig gewesen war und dass sie ein schlechtes Gewissen mit der Größe der Rocky Mountains zermürben würde. Erneut hustete er so sehr, dass der Hals wehtat. Müdigkeit gesellte sich hinzu und es dauerte nicht lange, bis er wieder träumte. --- „Weißt du, die Leute schauen dich schon schräg an, wenn du an ihnen vorbei gehst und ehrlich, wir wollen dir ja helfen, aber es ist unangenehm, wenn sie uns genauso behandeln.“ Hermine saß mit ihren zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren und überschlagenen Beinen, ihm gegenüber. Der Blick war ernst und die Worte, die sie eben ausgesprochen hatte, waren seiner Meinung nach fast eine Kündigung ihrer Freundschaft. „Das heißt also, dass ihr meine Meinung nicht teilt! Ständig versucht ihr mir auszureden, dass man etwas in der Zauberwelt ändern muss! Wieso eigentlich?!“ Ronald Weasley, der neben ihm auf einem Sessel saß, seufzte genervt. „Hast du es immer noch nicht kapiert? Die Dunklen Wesen haben es nicht verdient, Rechte zu bekommen! Ich meine, sie greifen Unschuldige an und benutzten Schwarze Magie! Was willst du mehr als Erklärung? Außerdem versuchen sie ständig an Macht zu gewinnen und die Weiße Magie zu untergraben!“ Es war unglaublich, solche Worte aus dem Mund des Jungen zu hören, von dem er gedacht hatte, dass wenigstens er ihn vielleicht ein wenig verstehen würde. Hatte nicht auch er es als unfair empfunden, dass man Remus Lupin so schlecht behandelt hatte? Und nun verriet er sich selbst! „Solch durchdachte Worte hätte ich dir nicht zugetraut! Hast du sie vorher mit Hermine einstudiert?!“, fauchte er nur noch zurück und verschwand aus dem Raum. Es brachte doch nichts, sich weiter mit ihnen zu streiten, wenn sie ohnehin an die überholte Moral der Zauberwelt glaubten… --- Das kratzende Geräusch von Metall auf Stein weckte ihn aus seinem unruhigen Schlaf. Unscharf blinzelte er in das helle Licht, das von einer Zauberstabspitze zu ihm strahlte. Schwere Schritte schlurften in seine Richtung und jemand berührte ihn, doch es war alles so weit entfernt. Dann erklang eine Stimme: „Er lebt doch noch. Aber er ist krank.“ „Und?“ „Sollten wir nicht einen Heiler holen? Ich meine, immerhin hat er Voldemort vernichtet.“ „Er ist hier Gefangener und wird sowieso irgendwann sterben, oder? Er wird’s schon noch eine Weile machen.“ „Aber-“ „Kein aber! Wir haben Anweisungen und außerdem hab ich beim besten Willen keine Lust, dass er, wenn er wieder gesund wird, ausbricht und sich an uns allen rächt. Los, gehen wir, ist ja jetzt geklärt, ob er noch lebt.“ Schweiß rann ihm über die Schläfen und wurde von der scheinbar gefrorenen Kleidung aufgesogen. Zitternd schaukelte er sich unbewusst hin und her. Die Männer waren sicher Auroren, die geglaubt hatten, dass er schon längst tot war. Wie sehr er sich wünschte, dass dem so wäre. Aber noch hieß es warten. Dumpfe Geräusche erklangen, sicherlich die Schritte der beiden Männer, die die Zelle verließen. Dann herrschte wieder Stille. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)