Golden Mask von Juih (Akkarin x Sonea) ================================================================================ Kapitel 1: Golden Mask ---------------------- Golden Mask Über den prächtigen Gärten der Gilde von Kyralia hatte sich kaum, da die Sonne zwischen den mächtigen Bergen des Stahlgurtgebirges versunken war, eine plötzliche Dunkelheit gelegt. Es war einer der ersten kälteren Tage des Jahres gewesen und obgleich man den Auszug des Sommers gespürt hatte, waren die anmutigen Strahlen der Sonne nicht weniger hell gewesen, als zu den Stunden des fünften Monats. Jetzt aber, da die Nächte wieder länger wurden, lag es an den Magiern selbst ihre Wege mit Licht zu erfüllen. Heute, so wusste jeder, war ein besonderer Tag und so kam es auch, dass einzig die Fenster der Quartiere links und rechts von der Universität erleuchtet waren. Alle Schüler und Magier hatten jenes nun in Dunkelheit liegende Gebäude schon vor Stunden verlassen. Nicht, aber weil man den Novizen einen freien Tag vom durchaus stressigen Schulalltag gewähren wollte. Nein, der Unterricht hatte früher enden müssen, weil die Magier die Zeit gebraucht hatten, um sich für den heutigen Abend herzurichten, denn heute fand der all zehnjährige Ball der Gilde statt. Seit Monaten hatten Novizen und Magier über nichts anderes gesprochen. Besonders zwei Themen waren dabei immer und immer wieder ausführlich besprochen worden. Man hatte sich vor allem unter den älteren und noch alleinstehenden Frauen stundenlang darüber unterhalten, ob auch der Hohe Lord erscheinen würde, um mit einer von ihnen – und jede glaubte diejenige welche zu sein - den traditionellen Tanz um Mitternacht zu vollführen. Unter den Novizen hingegen war diese Frage weniger interessant, als viel mehr wie man überhaupt erst einmal in den Ballsaal gelangen konnte. Zum Protest vieler dieser reichen Kinder, war es den Novizen nämlich untersagt am Gildenball teilzunehmen – mit wenigen Ausnahmen. Eine von diesen Ausnahmen war Sonea. Sie stand hinter einem der beleuchten Fenster des Magierquartiers. „Du kannst jetzt gucken.“ Die ganze Zeit hatte sie mit dem Rücken zu einem hohen, von Gold umrahmten Spiegel gestanden und einzig auf diesen Moment gewartet, doch nun da er gekommen war, konnte sie nicht den Mut aufbringen es zu tun. Sie fürchtete das, was der Spiegel ihr zeigen würde. „Nur Mut, Sonea. Du siehst wahrhaftig wunderschön aus!“ Zögerlich sah die junge Frau an sich herab. Ihre Hände strichen fast ehrfürchtig über den unübersehbar teuren Stoff, welcher sanft ihren zierlichen Körper hinab floss. Im Schein ihrer Lichtkugel glänzte die Seide mit den mühsam aufgestickten, fein geschliffenen Steinchen um die Wette. Unter ihren Fingern konnte sie die sorgsam ausgearbeiteten Stickereien spüren, die einst eine Schneiderin in unzähligen Stunden mit viel Geduld auf den grünen Stoff gebracht hatte. Dann blickte sie wieder auf zu Rothens Dienerin Tania. Sie hatte ihr beim Anlegen des Ballkleides geholfen. „Du wirst heute alle anderen in den Schatten stellen.“ Tanias Stimme klang so voller Zuversicht, als wäre es eine unübersehbare Tatsache. Doch Sonea hatte gar nicht vorgehabt zum Ball zu gehen… Die Tatsache, dass Novizen nicht an ihm teilnehmen durften, war ihr wie ein glücklicher Zufall erschienen. Sie hatte nicht gewusst, dass es Novizen gab, denen es durchaus gestattet war und selbst wenn, so hätte sie dennoch nicht in Betracht gezogen eine jener zu sein. Der Jahrgangsbeste der einzelnen Klassen, Novizen von Eltern, welche den Ball mit sponserten und… der Novize des Hohen Lords. Sonea seufzte bei dem Gedanken. Sie fühlte sich nicht wohl bei der Vorstellung in einen Raum voller Menschen zu gehen, die sie mehr oder weniger für Abschaum oder minderwertig hielten nur weil sie in den Hütten groß geworden war. Doch ihre Dienerin hatte ihr sachlich erklärt, dass man es von den Novizen, denen es gestattet war auch erwartete. All diese Nachrichten hatten sie erst am heutigen Morgen überflutet, als Rothen sie gefragt hatte, was sie denn zum Ball anziehen würde. Natürlich hatte sie zuvor nichts gekauft und so stand sie nun hier, in diesem wunderschönen Seidenkleid. „Ich bin nur nicht gewohnt solch teure Kleider zu tragen.“ Doch viel mehr als der Preis verunsicherte sie die Tatsache, dass es einmal Yilara gehört hatte. Rothens Frau war schon vor vielen Jahren verstorben, doch ihr ehemaliger Mentor hatte ihr erklärt, dass sie die Bälle der Gilde immer geliebt hat. Anfangs hatte sich Sonea dagegen gesträubt ihr Kleid zu tragen, aber schließlich siegte Rothens Durchsetzungsvermögen. Noch einmal sah sie zu Tania, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und sah in ihr eigenes Gesicht. Das Kleid flatterte um ihre Beine und noch Sekunden später konnte sie im Spiegelbild die wellenartige Bewegung des Stoffes sehen. Ihre dunklen Augen weiteten sich. War das wirklich ihr Gesicht? Das Haar wirkte noch dunkler als sonst, fast schwarz. Es war ein wunderschöner Kontrast zum Grün des Kleides. Tania hatte es zu leichten Locken gedreht und dann hochgesteckt. Lediglich über ihre Schläfen hingen einige leicht gewellte Strähnen und umrahmten ihr schmales Gesicht. Bei jedem ihrer Kopfbewegungen wippten sie auf und nieder. Strichen über die leicht geröteten Wangen. Und dann ihre Augen. Sie glänzten verträumt vor sich hin, wie die eines jungen Rehs. „So, und nun das Wichtigste.“ Sonea zuckte zusammen als Tania sie mit ihren Worten von ihrem Abbild losriss. Die Dienerin reichte ihr die Ballmaske. Sie war ebenfalls zum Großteil grün. Auf ihr fand sich das Stickmuster des Kleides wieder und an den Rändern trug sie einige silberne Pailletten. Vorsichtig hob Sonea sie hoch und hielt sie sich vor die Augen, damit Tania die Maske in einer aufwendigen Prozedur in den dunklen Haaren befestigen konnte. „Nun müsste es halten“, ließ sie schließlich verkünden und als Sonea daraufhin ihre Hände runter nahm(niedersinken ließ), war sie ehrlich verwundert, dass die Maske sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegte. Sie hatte zwar erwartet, dass es halten würde, aber auch gedacht, dass sie zumindest ein kleines Stück tiefer rutschte. Tania schien ihren Blick bemerkt zu haben und lachte leise. „Schließlich musst du damit tanzen können. Ich gebe aber zu, es ist eine Kunst für sich.“ Sonea entflog erneut ein Seufzen. Tanzen. Sie beherrschte es nicht gut. Rothen hatte versucht ihr die Grundschritte beizubringen, doch immer wieder ging sie dazu über führen zu wollen. Rothen hatte das amüsiert, aber es war sehr hinderlich, da dies der Part des Mannes war. Vielleicht konnte sie der Sache entgehen, wenn sie sich ruhig verhielt. Sie hatte keinen Partner für den Ball und falls Rothen oder Dannyl sie aufforderten, konnte sie sich getrost weigern. Dieser Abend würde wahrhaftig lang werden… Es war doch immer so gewesen. Er hatte ihm noch nie was abschlagen können. Es war einfach seine Art. Wie er sprach und die Dinge für sich einnahm. Früher war es noch schlimmer gewesen. Mit seinem Charme hatte er immer bekommen, was er wollte. Seit Akkarin jedoch von seiner Reise, auf der er Wissen über alte Magier hatte sammeln wollen, zurück war, hatte er sich verändert. Er war ruhiger, aber immerhin war er seit damals auch erwachsener geworden. Trotz allem hatte er sich jedoch die Kunst bewart Menschen für seine Zwecke zu gewinnen. „Du wirst sehen Lorlen, damit werden wir mal wieder Aufsehen erregen.“ Akkarin klang amüsiert, als er diese Worte sprach. „Der Gedanke scheint dir zu gefallen.“ Diese Antwort seines alten Freundes entlockte dem Hohen Lord nur ein schiefes Halblächeln. „Sag mal, wo ist eigentlich deine Novizin?“ „Sonea ist bei Rothen. Soviel ich mitbekommen habe, hat er ihr doch noch ein Ballkleid besorgen können.“ Ihr Weg trug die beiden Männer zur Tür der Residenz hinaus. Es war schon lange dunkel, nur am Eingang zur Universität hangen nun einige Lichtkugeln in der Luft, um die Gäste des Balles zu begrüßen und ihnen den Weg zur Gildenhalle zu weisen. Obwohl es draußen bis auf das letzte Lied eines Mullocks vollkommen still war, brachte die aufkommende Brise eine unbeschreibliche Spannung mit sich. Lorlen musterte noch einmal den schwarzhaarigen Magier neben sich. Es war mal wieder perfekt - wie alles was Akkarin anfasste. Sein Freund trug heute ausnahmsweise einmal keine Roben sondern ein schwarzes Gewand von dem Typ wie es die Familienoberhäupter der Häuser trugen. Es bestand aus einem weiten Hemd indem goldene Stickereien eingearbeitet waren und einer passenden Hose. Der Stoff war fein und glänzte im Licht leicht. Das nachtfarbene Haar trug er nicht wie sonst im Nacken zusammengebunden sondern weiter oben am Hinterkopf, sodass es in einem sanften Bogen in der Luft hing, und sein Gesicht um die Augen wurde verdeckt von einer goldenen Maske. Lorlen musste in keinen Spiegel schauen um zu wissen, dass er haargenau so aussah wie Akkarin, denn schließlich bestand darin der Plan seines alten Klassenkameraden. Es war ein kleines Spiel, welches sich der Leiter der Gilde erdacht hatte. Eine Art Prüfung, aber mit Sicherheit auch ein Schutz vor der großen Anzahl an Frauen, die es heute Nacht auf ihn abgesehen hatten. Aus diesem Grund hatten sich die beiden exakt gleich hergerichtet – nun ja, es gab da einen winzigen Unterschied um einer wirklich aufmerksamen Beobachterin doch noch die Chance zu gewähren den richtigen zu finden aber Lorlen bezweifelte, dass jemand diese fast unsichtbare Differenzierung bemerken würde. So würde sich der Ansturm auf die beide verteilen, denn sie hatten sich schon immer sehr ähnlich gesehen. Zwar war es durchaus möglich sie auseinander zu halten auch wenn sie gleich angezogen waren, aber dafür hatte Akkarin Lorlen dazu angehalten sich den ganzen Abend möglichst auf Distanz zu ihm zu halten. Dann war da noch die Ausdrucksart, aber bei dieser würde sich Akkarins höfliche Art Stillschweigen zu behalten auszahlen. Die Maske tat den Rest und verbarg wohl den einzig noch hervorstechenden Unterschied zwischen ihnen beiden – den Ausdruck ihrer Augen. Noch niemals zuvor hatte Sonea so viel sinnlosen Prunk gesehen, wie in dem Moment, in dem sie hinter Rothen und Dannyl die Gildenhalle betreten hatte. Sie war schon einmal hier gewesen, aber damals zum Prozess gegen Fergun waren zu beiden Seiten Sitzreihen für die Magier gewesen, welche nun aber um des Platzes Willen rausgeschafft worden waren. Unter der Decke schwebten unzählige golden schimmernde Lichtkugeln und überall hangen frische Blumen und Goldschmuck an den Wänden. Kleine Tische aus kunstvoll geschmiedetem Silber und Glas waren an den Seiten mit dazu passenden Stühlen errichtet worden, um den weniger tanzwilligen Magier einen Platz zum Zuschauen zu bieten. Und überall huschten durch den Saal Diener mit Tabletts auf denen Weingläser oder delikat wirkende Häppchen lagen. So viel Überfluss und in den Hütten wissen die Menschen nicht wie sie den nächsten Tag überstehen sollen. Der Gedanke stimmte Sonea wütend, machte sie traurig und erhöhte nur noch mehr ihr Unbehagen hier sein zu müssen. „Habe ich dir schon gesagt wie umwerfend du heute aussiehst“, vernahm sie die wohlbekannte Stimme des großgewachsenen Magiers, ehe sie sich ganz in ihrem Elend verkriechen und mal wieder über diese hochnäsigen Magier schmollen konnte. Sie erwiderte seine Worte mit einem matten Lächeln. „Gefühlte 100mal Dannyl.“ Der Alchimist, welcher heute typisch männliche weinfarbene Ballkleidung trug, lachte leise. „Nun, dann lasse es dir zum 101mal gesagt sein.“ Während Sonea nun ihm und ihrem alten Mentor Rothen zu einem der Tischchen am Rand der Tanzfläche folgte, sah sie sich noch einmal im Saal um. Nicht jeder der Magier und Magierinnen, sondern lediglich jene von ihnen, die sich als Junggesellen oder ledig bezeichnen konnten, trugen ins Haar festgesteckt ihre Masken. Der Rest unter ihnen hatte entweder gar keine oder eine solche, die an einem kunstvoll ausgearbeiteten, stockartigen Halten befestigt war, wodurch man sich das wichtigste Requisit eines Maskenballs immer mal wieder vor die Augen halten konnte. Sonea ließ sich auf einen der freien Stühle neben ihren Begleitern nieder und beobachte weiter fasziniert das Schauspiel. Die Maskenbälle der Gilde hatten früher dazu gedient in der höheren Gesellschaft unvoreingenommen einen möglichen Partner zu finden. Um dieses zu gewähren waren die Masken da und natürlich durfte nur jener eine tragen, der auch tatsächlich auf der Suche war. Heute diente es weniger mehr diesem Zweck als vielmehr der allgemeinen Erheiterung. Aber trotz allem waren diese Bräuche erhalten geblieben. Ebenso wie der, dass jeder Mann sich bis Mitternacht die in seinen Augen schönste Frau im Saal erwählen konnte und diese dann um Punkt zwölf zum letzten Tanz des Abends aufzufordern. Nach diesem Tanz lüftet der Mann seine Maske, um der Frau seine Identität zu offenbaren und somit seine Aufrichtigkeit zu bezeugen. Diese gab er anschließend seiner Ballpartnerin, damit jene einen Beweis dafür hatte auch wirklich die geheimnisvolle Frau aus der Ballnacht zu sein – falls sie denn Interesse an ihrem Tanzpartner zeigte. Rothen trug keine Maske, zwar war er logischerweise nicht mehr verheiratet, aber offensichtlich zeigte er auch kein großes Interesse daran eine neue Frau zu finden. Sonea hatte ebenfalls keine tragen wollen, da sie sich ebenfalls nicht auf der Suche befand, aber Tania hatte ihr so lange ins Gewissen geredet es wäre ja solch eine Schande, wenn eine junge Frau wie sie nicht wenigstens einmal in ihrem Leben richtig an einem solchen Ball teilnehmen würde, dass Sonea schließlich nachgegeben hatte. So saß sie nun hier in einem Saal voller aufgebrachter Frauen, von denen jede hoffte, es sei doch bitte der Mann ihrer Träume, der sie zum Tanz zur zwölften Stunde aufforderte. Solche Bälle waren wirklich aufregend. Schon als er ein Kind gewesen war hatte er immer voller Aufregung dabei zugesehen wie seine Eltern und seine ältere Schwester sich für dieses Fest vorbereitet hatten. Es war erst das zweite an dem er auch selber teilnahm, doch beim letzten Mal hatte die Frau, mit der er um Mitternacht getanzt hatte, nichts mehr von sich hören lassen. Er hoffte vielleicht diesmal eine passende zu finden, auch wenn er offengestanden nicht allzu viel Interesse daran hatte. Auch Sonea musterte er noch einmal voller Bewunderung. Wer hätte gedacht, dass so viel Schönheit in diesem Mädchen steckt? Ein Aufraunen ging durch die Reihen und riss ihn aus seinem innerlichen Schwärmen. Als Dannyl begriff, dass sich alle Aufmerksamkeit zur Eingangstür der Gildenhalle richtete huschte auch seine augenblicklich in diese Richtung. Zwei Personen in schwarz hatten den Saal soeben betreten. Eleganz und Anmut ging von ihnen aus und nachdem sie sich einen kurzen Blick zugeworfen hatten, schritten beide in entgegen gesetzte Richtungen davon. Moment mal… das ist doch. Wie viele andere erstaunte Gesichter hatte auch Dannyl in diesem Moment die unübersehbare Ähnlichkeit der beiden Personen erkannt. Wobei Ähnlichkeit es schon kaum noch traf... es war viel mehr als wären sie Zwillinge. Neben sich vernahm Dannyl ein Lachen, welches ihn auffahren ließ. „Da haben sich die zwei aber wieder was ausgedacht. Sie wissen wahrhaftig wie man aufgebrachte Frauen in Schwung hält.“ Erneut lachte Rothen auf, als er sah, dass seine beiden ehemaligen Schützlinge ihn voller Verwunderung ansahen. Dann flog Dannyls Blick erneut kurz hinüber zu der ersten Person und anschließend zur zweiten. Um beide der Herren hatte sich bereits eine große Ansammlung an Frauen eingefunden. „Sind das Akkarin… und Lorlen?“, fragte er dann wieder an Rothen gewandt. Dieser nickte. „Natürlich. Siehst du das denn nicht?“ Erneutes Lachen folgte. „Und wer ist wer?“ Überrascht zuckte sein Blick zu Sonea. Er hatte nicht erwartet von ihr eine solche Frage zu hören, aber das Ereignis hatte offensichtlich ihre Aufmerksamkeit erregt. Gerade wollte er ihr antworten, doch Rothen kam ihm zuvor. „Das muss jede Dame selber herausfinden. Weißt du, früher war es üblich, dass die Damen ein solches Versteckspiel heraufbeschworen haben, um den Scharfsinn eines Mannes zu testen, aber da der Hohe Lord sehr beliebt bei den Frauen ist will er vielleicht auch herausfinden, welche unter diesen ihn so gut kennt, dass sie auch eines dieser Spiele ganz einfach durchschauen kann.“ Sonea nickte bloß, sah noch einen Moment in die Richtung eines der beiden Männer und wandte dann den Blick ab. Dannyl jedoch fand diese Regung sehr interessant und musterte die junge Magierin aufmerksam. „Meinst du, er ist Akkarin?“ Verwundert sah sie wieder auf und blickte ihn kurz fragend an, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht. Ich kenne ihn nicht sehr gut. Zwar bin ich seine Novizin, aber eigentlich sehe ich ihn kaum.“ Der hochgewachsene Magier nickte zu dieser Antwort, wollte sich aber dennoch nicht geschlagen geben. „Würdest du gerne einmal mit ihm tanzen?“ „Dannyl!“ Vernahm er daraufhin Rothens streng klingende Stimme und ging über in eine Art Verteidigungsstellung, welche immer besonders seine Unschuld untermalte. „Was denn? Wäre es nicht ein schönes Bild? Der Hohe Lord und unsere Sonea!“ Er sah ein Lächeln über ihre Lippe gleiten, eines, das ihn nur noch bestärkte. „Danke, Dannyl, aber ich denke nicht, dass ich heute Abend tanzen werde.“ Doch den Alchimisten interessierte diese Antwort schon gar nicht mehr. Er stand auf und beschloss – wie viele andere im Saal auch - herauszufinden, welcher der echte Hohe Lord war. Misstrauisch blickte Sonea Dannyl hinterher. Er konnte ja tun und lassen was er wollte, doch zum Tanz mit dem Hohen Lord würde er sie ganz sicher nicht bewegen. Auch sie sah nun noch einmal zu den beiden schwarz-golden gekleideten Magiern. Sie konnte es wirklich nicht sagen, zumal sich keiner von ihnen in ihrer Nähe befand. Vielleicht würde sie es an der Stimme ausmachen können. Akkarin klang meist so reserviert und diplomatisch, wohingegen Lorlen wesentlich wärmer und wohlklingender sprach. Wenn sie ehrlich war, würde sie schon gerne wissen wer hinter welcher Maske steckte und spätestens zu Mitternacht würden es ohnehin alle sehen, also musste sie nur etwas Geduld haben. Während sich im Saal allmählich die ersten Tanzpaare aufs Parkett wagten, sah sich Sonea im Raum um. Hin und wieder konnte sie einige ihr bekannte Gesichter erkennen oder aber sie sah Leute mit Masken bei denen sie ohne weiteres erraten konnte wer der Mensch war, der sie trug. Unweit von ihr saß ein Mann in Dienerkleidung vor einem Klavier und spielte wohltuende Klänge. „Wieso stehst du nicht auf und siehst dich etwas um?“ Rothen musste ihr wohl angesehen haben, dass sie nicht gerade vor Aufregung und Spannung bebte. „Ich glaube nicht, dass ich die Frau für irgendjemanden hier im Raum bin nach der er schon immer gesucht hat.“ „Du musst das anders sehen, Sonea. Das hier ist eine gute Chance, dich einmal etwas unbefangener mit den anderen zu unterhalten, denn schließlich wissen sie ja auch nicht wer du bist.“ Nun, zumindest reintheoretisch nicht… Mehr, weil sie sich bedrängt fühlte und nicht den Willen hatte das nun auszudiskutieren als aus Einsicht erhob sie sich nickend. „Du wirst sehen, wenn man nicht weiß wer der andere ist kommt man leichter in ein Gespräch.“ Er lächelte ihr zu, dann erhob er sich ebenfalls und machte ein paar Schritte zu einer kleinen Gruppe von älteren Magiern, die ein anregendes Gespräch zu führen schienen. „Ah, Lord Rothen. Schön sie zu sehen! Wie geht es Dorrien…“ Sonea wandte sich ab und lief dicht an der Wand der Gildenhalle entlang zum anderen Ende der Tanzfläche. Von hier konnte man den Tisch an dem sie eben gesessen haben nicht mehr sehen, genauso wenig wie Rothen. Sie würde einfach etwas hier stehen bleiben und später wieder zurück zu ihrem Tisch gehen… „Sagt es mir doch“, die Stimme der Frau in einem umwerfend schönen Kleid klang fast flehend. „Seid ihr der echte Hohe Lord?“ Warum suchten alle Frauen eigentlich immer nur Akkarin? Schon in ihrer Novizienzeit war er ständig nach ihm gefragt worden. Wieso suchte nie jemand ihn; Lorlen? Er nahm es Akkarin nicht übel, denn schließlich hatte er es in keiner Zeit ihres Lebens darauf angelegt ihm eine Frau auszuspannen oder Ähnliches. Früher war er zwar um einiges experimentierfreudiger gewesen was die Damenwelt betraf, doch seit er von seiner Reise zurück war, schien er keinerlei Interesse an einer Frau zu haben und sei es nur für ein paar nächtliche Stunden. Lorlen blickte die Klette vor sich an, welche immer noch bittend zu ihm aufsah. Sie war nicht die Einzige, die ihm heute Abend diese Frage gestellt hatte und sicher auch nicht letzte. Doch auch ihr würde er nicht antworten, stattdessen wandte er sich ab und trat etwas zur Seite. Sein Blick flog suchend über die Masse an Menschen. Ein Meer geprägt von der Farbe Gold. Wo ist denn der gnädige Hohe Lord? Statt seines alten Freundes entdeckte er jedoch unweit von sich eine andere ihm wohlbekannte Person. Es war Sonea. Er wusste es, weil es einfach offensichtlich war. Sie hatte die ganze vorherige Zeit bei Rother gesessen, der aufgrund des Mangels einer Maske nicht gerade schwer zu erkennen gewesen war. Nun stand sie dort, alleine in diesem hinreißenden Kleid und Lorlen musste gestehen, dass er durchaus auf den Geschmack hätte kommen können, wenn… er überlegte genauer und stellte fest, dass es gar keinen wirklichen Grund gab. Er hatte es einfach noch nie in Betracht gezogen. Und was sprach schon gegen einen kleinen Tanz? Höflich aber mit gesenkter Stimme entschuldigte er sich bei der Frau und ihren Freundinnen und schritt dann zielstrebig auf Sonea zu. Sie sieht nicht gerade glücklich aus. Vielleicht lässt sich das ändern. Zumindest ein wenig. Kurz bevor er bei ihr war, stellte sich eine Truppe junger Magierinnen in seinen Weg. „Ah.. guten Tag...“, ein fragender Blick traf ihn und er überlegte einen Augenblick, ob das ein Trick sein sollte um ihm seinen Namen zu entlocken. „Tut mir Leid. Ich bin gerade dabei eine Dame zum Tanz aufzufordern. Ich hoffe, wir können das Gespräch später fortsetzen?“ Ein nicht sehr typischer Satz für Akkarin, aber so jung wie sie war hatte sie den Hohen Lord sicher noch nicht allzu oft reden hören. Es würde ihnen nicht auffallen. Er schob sie vorsichtig beiseite und sah, dass Sonea mit einem anderen Mann sprach. Einen Moment zögerte er, wollte schon umdrehen und vielleicht später wiederkommen, aber dann sah er wie sie die Lippen zu einem schmerzlich wirkenden Ausdruck verzog. Dem wachsamen Auge Dannyls entging selten etwas. Doch bei dieser Fülle von Farben und Formen war sein sonst so tüchtiger Verstand einfach überfordert. Er war aufgebrochen um das Rätsel des Abends zu lösen und obwohl man hätte meinen müssen, dass die Farbe Schwarz bei dieser Masse an Rot und Gold hervorstechen würde, erwies es sich bereits als schwierig genug mitten im Getümmel überhaupt irgendwen oder was zu finden. Der hochgewachsene Magier lief weiter zum Rand der Gildenhalle um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Wie sich herausstellte, war dies eine fabelhafte Idee, denn gleich erblickte Dannyl das schwarz-goldene der Kleidung einer der potenziellen Akkarins. Der Mann bewegte sich weiter auf die Ecke der Gildenhalle zu, in der sich kaum Menschen aufhielten und die deshalb fast schaurig verlassen wirkte. Noch ehe er sich die Frage stellen konnte, ob der Hohe Lord wohl etwas Auszeit suchte, erblickte Dannyl, das scheinbare Zielobjekt des ehrgeizigen Vorgehens des Magiers. Es war Sonea. Sie stand an eine der Ecksäulen gelehnt und wirkte so als wolle sie versuchen möglichst unsichtbar zu sein. Vor dem schwarzgewandeten, der offenbar von einer Horde Frauen gestoppt worden war, trat nun jedoch ein anderer Mann auf sie zu. Er war in ein rotes prachtvolles Gewand gekleidet. Dannyl zuckte nur mit den Schultern. Würde Akkarin so zielstrebig auf Sonea zugehen? Wäre es nicht viel zu verdächtig, wo sie doch seine Novizin ist? Andererseits hatte er in der ganzen Zeit nicht allzu viel Interesse an ihr gehabt, was diese Szene hier jedoch ebenso unwahrscheinlich machte. Der wahrscheinlich-Lorlen, zumindest beschloss Dannyl das für sich in diesem Moment, hatte sich nun von der Gruppe Frauen loseisen können und stand unweit Soneas mit leichtem Zögern. Noch einmal brannte Dannyl sich seinen Anblick genau ein. Es musste einen Unterschied geben, irgendeinen und er würde ihn finden, da war es sich sicher. Wenn das da Lorlen ist, dann muss der echte Akkarin irgendwo anders hier im Raum sein und irgendwas haben was diesem dort fehlt. Der Alchimist wand sich ab, ohne noch einmal einen Blick zu der Situation um Sonea zuwerfen. Eine ganze Zeit lang hatte sie ruhig dagestanden und doch etwas Staunen für die Gewandtheit der meisten Magier im Tanzen aufbringen können. Als sie jedoch gesehen hatte, dass einer der schwarz-golden gekleideten Männer auf sie zu zukommen schien, war ihr Herz in einen unrhythmischen Takt verfallen. Das war doch nicht etwa Akkarin? Wenn er sie zum Tanz aufforderte würde sie sich kaum weigern können. Nein, bleib ganz ruhig. Er würde nie seinen Abend mit dir verschwenden. Sicher will er nur zu jemandem, der in meiner Richtung liegt. Mit Erleichterung hatte sie dann gesehen, wie der Magier von einer Gruppe Frauen aufgehalten worden war. Allerdings hielt diese Freude nur einen Moment, denn im nächsten erklang eine von ihr fast noch mehr gefürchtete Stimme als die ihres Mentors. „Sonea! Willst du denn gar nicht tanzen?“ Voller Streck starrte sie auf eine kunstvoll ausgearbeitete Ballmaske. Sie hätte jedoch nicht einmal das faulig Braune der Augen sehen müssen um zu wissen wer da vor ihr stand. „Lass mich in Ruhe, Regin.“ Er wirkte überrascht, fing sich jedoch schnell wieder. „Während meine Eltern viel Geld zahlen mussten um die Erlaubnis für meine Teilnahme an diesem Ball zubekommen, hast du dich wieder einfach durchgefuscht“, seine Stimme klang schneidend, „Findest du das fair, Sonea?“ Ein widerliches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Sonea wusste genau, dass es ihm nicht um seine Eltern und auch nicht um das Geld ging. Dies hier war lediglich einer seiner hinterhältigen Versuche ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, ihr gleichzeitig zu zeigen wie angewiesen sie auf dieses Glück war und über wie wenig Mittel sie doch verfügte. Mehr unterbewusst, denn es wäre ja ein Zeichen dafür gewesen, dass sie einknickte, verzog sich ihr Mund zu einem schmerzhaften Ausdruck. „Hast du keinen anderen der heute Abend mit dir spielt…?“ Normalerweise würde ihre Stimme bei solchen Worten vor Trotz klirren, doch hier und heute in diesem Saal fühlte sie sich wie eine Robbe in einem Haifischbecken. Völlig schutzlos. Sonea sah wie Regin einen Schritt auf sie zu machte, doch dann mitten in der Bewegung hielt er jähe inne. Eine hellhäutige Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt. Hinter ihm hing eine goldene federlose Maske in der Luft. Wie ein Gespenst. „Verzeihung…“, der schwarzgewandete Magier zögerte einen Moment, „Aber diese Dame wollte ich gerade um einen Tanz bitten.“ Na das hatte ihr noch gefehlt. Während Regin sich zu dem Mann umdrehte – erst mit wütendem Ausdruck, dann aber erschrocken als er sah wer da stand – wandte Sonea sich von den beiden Männern ab und hastete zurück in die Richtung aus der sie gekommen war. Zurück an den Glastisch und nahm Platz. Im Stillen betete sie, dass weder Regin noch irgendein Hoher Lord es heute Abend erneut versuchen würde sie anzusprechen. Nervös blickte Dannyl zu der großen Uhr, die mit Hilfe von Magie in der Luft gehalten wurde. Normalerweise hing sie nicht dort, sondern in dem großen Vorraum der Universität indem auch die Gildenhalle stand. Da sie jedoch von großer Wichtigkeit für den heutigen Abend war, hatte man sie spontan hierher verschoben. Die großen goldenen Zeiger, waren meisterhaft geschmiedet und verschnörkelt wie die Schönschrift König Merins. Was Dannyl jedoch so in Unruhe versetzte war die Position der Zeiger. Kurz vor Mitternacht. Der Alchimist hatte den anderen Akkarin - der wahrscheinlich wirkliche Akkarin - nur für eine Sekunde gesichtet, doch dann waren ihm Lord Yaldin und seine Frau in die Quere gekommen. Sie waren schon seit Ewigkeiten Freunde und Dannyl hatte es nicht übers Herz gebracht das alte Ehepaar gleich wieder abzuwimmeln. Nun war er kurz davor aufzugeben und ging mit hängenden Schultern zum Tisch zurück an dem Sonea und Rothen noch gesessen hatten, als er zu seiner Suche nach der Wahrheit aufgebrochen war. Noch bevor er dort war sah er bereits das grüngekleidete Mädchen… oder nein - die grüngekleidete Frau, denn in diesem Kleid hatte sie rein gar nichts mehr von einem Kind an sich. Hat sie den ganzen Abend hier gesessen? Zeitgleich zu seinem Gedanken erklang plötzlich ein lauter Gong. Mitternacht. Die Anwesenden verstummten einen Augenblick. Die Zeit schien für diesen einen Augenblick, indem es wirklich Punkt Mitternacht war, still zu stehen. Nur um im nächsten Moment loszurasen, als wäre der Gong ein Startschuss zu einem Marathon gewesen… Auch Sonea vernahm den Gong, die darauffolgende Stille und schließlich die plötzlich aufbrausende Unruhe. Männer mit Masken begannen sich zwischen den vielen Gästen durchzuschlängeln und die Frau zu suchen, welche sie sich erwählt hatten. Die schlaueren von ihnen waren gleich in der Nähe der Zielperson geblieben oder hatten vorausschauend bereits Minuten zuvor mit ihrer Suche begonnen. Erleichterung breitete sich in Sonea aus. Noch dieser letzte Tanz und der Abend würd´ an seinem Endpunkt sein. Von ihrer Linken hörte sie aufgebrachte Frauenstimmen und zu ihrer Rechten nahm sie die Umrisse Dannyls wahr, doch etwas ganz anderes rückte mit dem Aufkommen der Erleichterung in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Es war eine Hand. Bleich und makellos war die Haut, welche sie umspannte. Dieses Bild erinnerte sie augenblicklich an ein anderes. Lange, elegante Finger, die ein Glas gefüllt mit dunklem Wein umschlugen hielten. Die Art wie die Hand dort vor ihr in der Luft hing war einladend, auffordernd und in dem Moment indem sie dies begriff setze ihr Herz einen Schlag aus. Noch bevor sie sich bewusst machen konnte, was sie wollte oder wie sie überhaupt reagieren sollte, ertönte schon eine leicht ungeduldig klingende Stimme. „Da bist du ja. Ich hatte schon befürchtet, du wärst bereits gegangen.“ Wie von einem Stromschlag durchstoßen blickte Sonea auf, direkt in dunkle Augen verborgen hinter einer goldenen Maske, die an einer Seite mit zwei unscheinbaren schwarzen Federn geschmückt war. „Erweist du mir die Ehre dieses Tanzes?“ Später hätte Sonea wohl nicht mehr sagen können, was sie dazu verleitete diese Hand zu ergreifen und sich von ihr auf die Tanzfläche führen zu lassen. Es war einfach die Magie des Augenblicks, die sie zu einer willenlosen Schachfigur des Schicksals werden ließ. Hinter ihr wurden Stimmen laut, erregt aber noch nicht ohne Hoffnung, denn ein Magier mit einer goldenen Maske war ja noch frei. Sonea hörte die Stimmen nicht und sie sah auch nicht wie der andere schwarzgewandete ihr nachsah als hätte er dasselbe vorgehabt. Sie sah nur diese dunklen Augen inmitten des goldenen Meeres und das schiefe Halblächeln, welches sich soeben auf den Zügen ihres Tanzpartners abmalte. „Du siehst im Übrigen wirklich hinreißend aus.“ Es war nur ein Flüstern in ihrem Ohre. Doch die Stimme und die Worte jagten ihr augenblicklich einen Schauder über den Rücken. Der Rest des Balles würde sie nur noch wie durch einen weißen Schleier wahrnehmen… Unweit der ganzen Szenerie stürmte Dannyl wie vom Schlag getroffen auf Rothen zu, der verwundert Sonea nachsah. Jetzt wo die beiden Goldenträger so nahe beieinander gestanden hatten, hatte Dannyl es endlich bemerkt! Der feine Unterschied, er hatte ihn gefunden! „Täusche ich mich, mein alter Freunde, oder hatte gerade unsere beiden potenziellen Hohen Lords vor Sonea zum Tanz einzuladen?“ Dannyl hatte es auch gesehen doch ob gleich es verwunderlich war interessiere ihn mehr die Tatsache mit wem Sonea nun dort auf der Tanzfläche stand. „Und jetzt rate wer es geschafft hat?“ Er grinsend wissend und Rothen sah ihn mit weiten Augen an. „Du hast es tatsächlich rausgefunden, nicht wahr?“ Seinem ehemaligen Mentor antwortete Dannyl mit einem Nicken. Er wollte ihm schon die Antwort auf die Frage des Abends geben, da trat der leerausgegangene schwarzgekleidete Magier neben sie. „Und wieder einmal war er schneller als ich. Ist es nicht verwunderlich, wie er es immer wieder schafft? Mit einem solchen Freund ist man wirklich gestraft.“ Dann wandte der Mann sich ab und reichte einer Frau unweit von sich die Hand. „Darf ich bitten?“ Sie schien ganz aus dem Häuschen zu sein, aber Dannyl wusste, dass es nur bis zudem Moment reichen würde indem er seine Maske abnahm. Obwohl… vielleicht würde ja doch mehr draus werden. Dannyl konnte es dem Mann nur wünschen. In all der Aufregung hatte er jedoch ganz vergessen sich selbst eine Partnerin zu suchen. Gleichgültig zuckte er die Schultern und setzte sich - ebenso wie Rothen - wieder an den Tisch, an welchem der Abend begonnen hatte. Dann sah er zu wie nun der letzte Tanz um Mitternacht stattfand. „Seltsam… wenn sie mit mir getanzt hat, dann fiel es ihr immer sehr schwer sich führen zulassen.“ Dannyl lächelte wohlig und sagte schließlich: „Tja, Akkarin strahlt eben eine ganz andere Aura aus als du.“ Die plötzliche Stille dröhnte ihr in den Ohren und holte sie schließlich zurück in jene Welt. Die ganze Zeit über, seit sie den Ball verlassen hatten, war sie schweigend neben Rothen hergelaufen, um in seinem Zimmer das Kleid wieder abzulegen – sie hatte nicht einmal bemerkt, wie Dannyl sich verabschiedete und einen Gang zuvor abgebogen war - und nun wurde ihr bewusst, dass sie wie gebannt auf die goldene Maske in ihren Händen starrte. Jetzt jedoch aus dieser Trance gerissen sah sie zu ihrem ehemaligen Mentor auf. „Wieso wollte er gerade mit mir tanzen?“ Rothen sah sie lächelnd an. „Nun, weil du offensichtlich für ihn die schönste Frau im Saal warst.“ Sonea schüttelte den Kopf. „Ich versteh' es trotzdem nicht. Sie alle wollten mit ihm tanzen und jede von ihnen hätte sich mehr gefreut als ich.“ Noch während sie dies sagte wurde sie sich jedoch unsicher darüber, ob es wirklich die Wahrheit war. „Das konnte er ja nicht wissen. Bei einem solchen Ball weiß man eben nicht wer die Frau ist, die man sich erwählt.“ Einen Moment überlegte sie. Sie wollte ihm schon zustimmen als ihr Akkarins Worte wieder einfielen. „Ich glaube, er wusste, dass ich es bin.“ Einige Augenblicke herrschte Stille, dann fügte sie hinzu: „Und ich glaube, er hatte es die ganze Zeit geplant.“ Rothen schien nicht so recht zu wissen, was er ihr darauf antworten sollte, sagte dann aber: „Der Hohe Lord wird schon seine Gründe gehabt haben. Du solltest dich freuen Sonea, die Gesamtzahl der Frauen wird dich wohl auf ewig darum beneiden.“ Wieder musterte Sonea die goldene Maske in ihren Händen. Nach dem Tanz hatte Akkarin sie abgenommen und ihr überreicht. So wie es der Brauch von ihm verlangte. Sie war überrascht gewesen, aber wenn sie nun genauer darüber nachdachte, hatte sie schon gewusst, dass er es war als sie seine Hand gesehen hatte. Ebenso hätte man es an der Art wie er sie führte und was er zu ihr gesagt hatte ausmachen können. Doch das Bild seiner eleganten Hand, welches sie gut von den Freitagabenden kannte, war ihr sofort aufgefallen. Nun gehörte diese Maske jedenfalls ihr. „Was wird nun geschehen?“ Rothen wusste offenbar sofort, was sie damit meinte und begann ihr die Möglichkeiten des weiteren Verfahrens zu nennen. „Heute bedeutet es meistens nicht mehr viel mehr als eine Trophäe. In manchen seltenen Fällen entstehen aber auch durchaus noch Beziehungen daraus. Wenn die Frau dem Mann ihre Identität auch preisgeben will als Zeichen, dass sie ebenfalls Interesse pflegt, dann geht sie mit der Maske des Mannes, die ein Beweis dafür ist, dass sie auch wirklich die Frau aus der Ballnacht ist, zu ihm und bittet ihn um ein weiteres Treffen. Er nimmt diese Einladung an. Das ist schon aus reiner Höflichkeit so festgelegt. Und dann wird sich zeigen, was aus dieser Nacht entsteht.“ Sonea würde nicht zu Akkarin gehen und ihn auch nicht um ein Treffen bitten. Sie würde sich ihm ja gar nicht zeigen müssen, weil sie sich sicher war, dass er gewusst hatte wer sie war. Als Rothen erneut zu sprechen begann - und diesmal klang seine Stimme weniger lehrerhaft als amüsiert – horchte sie auf. „Es gibt einige Schreiber, die sich aus solchen Ballnächten die schönsten Liebesgeschichten erdacht haben. Eine zum Beispiel handelt von einer jungen Dienerin, die sich auf den Ball geschlichen hat und um Mitternacht vom Hohen Lord zum Tanz aufgefordert wird. Sie kann sich ihm jedoch nicht zeigen, weil dann ihr schweres Vergehen entdeckt würde und so läuft sie mit flatterndem Herzen des nachts zu seiner Residenz, klopft an seine Tür und legt seine Maske dorthin, um ihm doch irgendwie ihre Liebe zu offenbaren. Sie läuft daraufhin hastig in den nahen Wald, unterschätzt jedoch die Schnelligkeit des Hohen Lord, der ebenfalls voller Hoffnung war, bald von der geheimnisvollen Frau besucht zu werden, um sie heiraten zu können aus unsterblicher Liebe heraus. So sieht dieser sie gerade noch in den Forst eilen. Es beginnt eine Jagd…“ Während Rothen die Geschichte weitererzählte formten sich Bilder vor Soneas geistigem Auge. Mondlicht scheint wie Scheinwerferlicht durch den im Dunkel liegenden Wald. In der Ferne hört man ein Kreuzchen schreien. Angespannte Ruhe erfüllt die Luft wie der rosige Duft eines verheißungsvollen Tages. Ihr grünes Kleid wehte wie Nebel um ihre Beine, während sie immer tiefer in den Wald hineinrennt. Hinter ihr vernimmt sie seine raune aber doch so süße Stimme. „Warte doch!“ Ihre Maske nimmt ihr die Sicht, doch sie rennt mit wildem Herzschlagen immer weiter. Fühlt sich wie ein junges Reh auf der Flucht vor dem schwarzen Wolf. Unter ihren Füßen knacken ätzend einige Ästchen. Dann verfängt sich ihr Kleid in einem Dornenbusch und sie kann schon seinen aufgebrachten Atem ganz nahe hinter sich fühlen. Wie in Trance reißt sie sich los und eilt weiter. Einen Augenblick meint sie seine kühle Hand an ihrer nackten Schulter spüren zu können. Ein Wind kommt auf, der ihr Kraft zum Weiterkommen zu bringen scheint, wie eine warme Hand im Rücke, die sie zärtlich voran schiebt. Sie vernimmt das Plätschern von Wasser. Es ist ein kleiner Bach. Hastig läuft sie an ihm vorbei. Langsam werden ihre Beine müde und ihr Atem liegt schwer in ihrer Brust. An einem großen Baum hält sie inne und sieht sich um. Niemand konnte von ihren Augen erfasst werden. Sie glaubt sich einen kurzen Augenblick in Sicherheit. Ihre Stirn sinkt gegen den Baum, als wäre er ein beschützender Vater. Sie ringt nach Luft, doch stoppt jähe als sich mit einem Mal zwei starke Arme um sie schließen. „Hab ich dich“, seine Stimme ist kühl und erreicht doch sogleich ihr Herz. „Bitte…“, flüstert sie verzweifelt und zugleich flehend. Er dreht sie um und sie erblickt sofort seine dunklen Augen. Schwarz wie seine Roben. Spannung und Erwartung zieren sein Gesicht. Er ist… Sie wagt nicht zu denken wofür sie bis vor kurzem noch keinerlei Verständnis gehabt hatte. Doch nun konnte sie diese Schönheit, die ihn zierte, deutlich erkennen. Sein Körper presst sich näher an ihren. Sie sitzt hier in seinen Armen in der Falle und sie ist unglaublich erleichtert darüber. Seine bleichen Lippen kommen ihr näher. Sie spürt seinen warmen Atem an ihren heißen Wangen. Noch einen Augenblick. Während sie das Prickeln seiner Lippen schon spüren kann, hebt er die Hand zu ihrer Maske. Noch eine Sekunde und… “Sonea?“ „Ähm, ja?“, verwirrt und zugleich ärgerlich über sich selbst schüttelt sie den Kopf, so als wollte sie die Bilder wie Staub aus einem Tuch schütteln. Rothen lachte. „Wie du siehst gibt es viele Geschichten darüber aber nur wenige entsprechen den Tatsachen. Angefangen davon, dass Akkarin der erste Hohe Lord ist, der wirklich so jung ist wie all die Hohen Lords in diesen Geschichten. In Wirklichkeit aber sind die meisten, wenn sie diesen Posten zugeschrieben bekommen, bereits fünfzig Jahre und älter.“ Er lachte erneut. „Und somit nicht gerade interessant für eine kaum volljährige Dienerin.“ Dann folgte Sonea ihm in seine Räume um das Kleid auszuziehen und sich hinzulegen. Der Tag war lang gewesen, doch die Nacht wartete schon mit verhängnisvollen Träumen auf die kaum volljährige Novizin. Träume, die sich alle um den einen Hohen Lord rankten, der wirklich so jung war wie die ganzen Führer der Gilde aus diesen fantastischen Geschichten. Nachdenklich sah er wie die dunkelrote Flüssigkeit sich in sein Glas ergoss. Schon seit sie sich in Akkarins Empfangsraum auf die Sessel in der einen Zimmerecke gesetzt hatten, brannte Lorlen diese Frage auf den Lippen. Nun sprach er sie aus. „Wieso gerade sie?“ Akkarin stellte die Flasche mit seinem Lieblingsrotwein ab und setzte sich auf den Sessel gegenüber seinem Freund aus Kindertagen. Er nahm sein Glas in die Hand und beobachtete das blutrote Meer darin. „Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich sie gewählt, weil sie sich von allen Frauen in diesem Saal das wenigste darauf einbilden wird.“ Lorlen erschütterte weniger dieser Plan als die Art wie Akkarin ihn nun gestand. Er sprach als würde es sich hier um eine vollkommen belanglose Sache handeln. Und falls er nicht in dieser Weise dachte, so machte es doch den Anschein. Hatte er auch nur einen Augenblick an Sonea gedacht? „Alle werden sich fragen, was dich dazu bewegt hat. Sie werden es nicht verstehen.“ Akkarin lächelte: „Nun, sie trug eine Maske. Woher sollte ich wissen, dass sie es war?“ Lorlen sah skeptisch wie sein Freund einen kräftigen Schluck nahm. „Es war offensichtlich.“ „War es das?“, seine Stimme klang irgendwie verspielt. Es war eine typische Ausrede für ihn und natürlich würde sie auch ziehen, denn er hatte ja recht: Reintheoretisch wusste niemand von niemandem an diesem Abend wer er war. Nur sah die Praxis oft genug anders aus. „Ich hoffe nur, du hast ihr damit keinen unnötigen Ärger eingebracht es gibt genug Leute hier in der Gilde, die nur einen kleinen Anlass brauchen um Sonea wieder einmal Schererei zu machen.“ Man hörte klar an Lorlens Stimme, dass er missbilligte wie Akkarin nur zu seinem Vorteil bedacht riskierte, dass Sonea wohlmöglich noch mehr von den anderen verachtet wurde. „Ich weiß, was du denkst. Aber auch, wenn alles unter anderen Umständen stattgefunden hätte, so hätte ich sie wohlmöglich trotzdem gewählt…“ Dieser Satz enthielt so viele Bedingungswörter, dass Lorlen sich fragte, was diese Aussage sollte. Dann verzog sich Akkarins Mundwinkel zu seinem typischen Halblächeln. „Du wolltest sie doch auch zum Tanzen auffordern. Habe ich Recht, mein Freund? Und dann siehst du es mir nach…“ Lorlen war überrascht, dass Akkarin mitbekommen hatte, dass er auch gerade auf dem Weg zu ihr gewesen war. Allerdings hätte es ihn nicht verwundern sollen, schon oft genug hatte er feststellen müssen, dass es scheinbar nichts gab das Akkarin nicht wusste oder mitbekam. Nun hob er sein Glas und murmelte: „Also hast du sie nicht nur wegen deiner Bequemlichkeit gewählt?“ Der Hohe Lord antworte nicht, sondern hob erneut lächelnd sein Glas zum Prost und trank dann den letzten Rest des betörenden anurischen Dunkelweins. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)