Fairytale von Zuckerschnute (das Leben ist ein Märchen- oder auch nicht) ================================================================================ Kapitel 1: Begegnungen ---------------------- Womit hatte er das verdient? Er hatte doch nur seine Kopfschmerzen auskurieren wollen und war deswegen gelaufen, anstatt sich wie sonst in seinem Auto fahren zu lassen. Und nun so etwas! Blöde Kopfschmerzen! Als er durch die Straße gegangen war waren seine Gedanken in eine andere Richtung abgedriftet und so hatte er das sich öffnende Gartentor erst zu spät bemerkt. Bei dem Versuch auszuweichen waren zwei Dinge passiert: Er hatte das Gleichgewicht verloren und war während seines Sturzes an einem rostigen Nagel hängen geblieben. Das hässliche Geräusch von reisendem Stoff war zu hören gewesen und im nächsten Moment saß Alexander Trenchard, zukünftiger Lord, mit zerrissener Designerhose auf seinem Allerwertesten und verfluchte den Nagel, das Gartentor, die Person die das selbige geöffnet hatte, seine Kopfschmerzen, seine Hose und zur Sicherheit den Rest der Welt gleich mit. Warum war er überhaupt aufgestanden? Schmerzen an seinem Knie machten ihn darauf aufmerksam, dass beim Zusammentreffen mit dem Nagel nicht nur seine Hose gelitten hatte. Als er den losen Stofffetzen zur Seite strich sah er einen langen dünnen Kratzer, aus dem ein wenig Blut sickerte. Und so kam es, dass Alex, mit mittlerweile verpflastertem und desinfiziertem Knie, im Badezimmer einer wildfremden Frau stand und eine Hose anzog, die er von ihr bekommen hatte. Zu seiner Überraschung passte sie ihm recht gut, auch wenn es ein recht billiges Teil war. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer kam er an einem kleinem Tisch vorbei, auf dem ein recht hoher Stapel Papier lag und wie das Schicksal so spielte wurden einige durch den von ihm verursachten Luftzug auf den Boden geweht. Gut erzogen wie er war sammelte er sie wieder ein und versuchte dabei nicht den Inhalt zu lesen. Allerdings sprang ihm trotz aller Mühen mehrmals der fett gedruckte Begriff Mahnung ins Auge. Offenbar hatte die Frau Geldprobleme. Aber was um alles in der Welt kümmerte ihn das? Er legte den Stapel zurück und machte das er ins Wohnzimmer kam. Die Frau musterte ihn. „Scheint ja ganz gut zu passen.“ „Wenn man davon absieht, dass ich die sonst niemals tragen würde...“ Ihr rechtes Auge blitzte ihn wütend an. „Sie müssen sie nicht tragen! Lassen sie sie einfach da und gehen, wenn ihnen das lieber ist!“ Sie schien sich die Haare aus dem Gesicht streichen zu wollen, ließ die Hand aber kurz davor wieder sinken und ihre linke Gesichtshälfte blieb weiterhin hinter den blonden Strähnen versteckt. Die Frage warum sie so rumlief wurde genauso schnell wieder verdrängt, wie sie gekommen war. Stattdessen bedankte er sich und machte das er wegkam. Allerdings stolperte er auf dem Weg nach draußen über eine auf dem Boden liegende Puppe und hätte beinahe auch noch den Boden im Haus näher kennen gelernt. Seine Laune sank langsam aber sicher auf den Tiefpunkt. Viel schlimmer konnte der Tag ja nicht mehr werden! Hatte er das wirklich gesagt? Genau diese Frage stellte Alex sich zum wahrscheinlich... äh zum wievielten mal eigentlich? Er hatte irgendwann bei fünfzehn oder so aufgehört zu zählen. „Und warum?“ fragte er seinen Gesprächspartner bemüht ruhig und freundlich. „Nun, ihre vielen... wie soll ich sagen... Liebeleien sprechen nicht gerade für einen standfesten Charakter. Und dann ist da natürlich noch diese Sache mit Herrn Schübel... Sie verstehen doch sicherlich, das ich meine Firma keinem Mann anvertraue, der nicht in der Lage ist sie gut zu führen!“ Alex verdrehte innerlich die Augen. Diese Sache würde man ihm wahrscheinlich für den Rest seines Lebens unter die Nase reiben. „Und wie soll ich ihnen bitte beweißen dass ich geeignet bin?“ „Nun ja, diese Fehleinschätzung bezüglich des Charakters von Herr Schübel können sie natürlich nicht wieder rückgängig machen...“ „Das war keine Fehleinschätzung!“ So langsam reichte es ihm. Warum musste diese olle Kamelle immer wieder aufgewärmt werden? “Nicht? Nach meinen Informationen hat er eine nicht unerhebliche Geldsumme unterschlagen!“ „Haben ihre Informationen ihnen auch gesagt, dass seine Frau schwer krank war und das Geld ausschließlich für ihre Behandlung verwendet wurde? Bis zu dem Zeitpunkt an dem sein Privatvermögen aufgebraucht war hat er nie auch nur einen Cent von den Firmengeldern angefasst!“ Der zukünftige Lord unterdrückt den Drang sein Gegenüber am Kragen zu packen und diesen alten Sturkopf mal kräftig durchzuschütteln. Aber auch nur, weil das seinen Chancen auf eine Firmenübernahme den Gnadenstoß verpasst hätte. Er wusste ja schließlich selbst, dass kein noch so edles Motiv einen Betrug rechtfertigte. Sein Gegenüber schien diese Meinung zu teilen. „Wie ich schon sagte: Es kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und aus Fehlern lernt man ja schließlich. Aber mir ist immer noch nicht wohl bei dem Gedanken die Führung meiner Firma einem Frauenhelden, entschuldigen sie diese Ausdrucksweise bitte, zu überlassen.“ „Die Arbeit kommt immer an erster Stelle. Was muss ich tun um sie davon zu überzeugen?“ „Zeigen sie mir das sie auch Standfest sein können! Soweit ich weiß waren sie mit kaum einer Frau länger als zwei Monate zusammen. Ich selbst bin seit dreißig Jahre glücklich verheiratet und würde deswegen gerne sehen ob sie Durchhaltevermögen haben und es länger mit einer Frau aushalten. Sagen wir mindestens ein halbes Jahr?“ „In Ordnung!“ Die Antwort kam, bevor Alex Zeit zum nachdenken hatte. „Noch lieber wäre es mir natürlich, wenn sie heiraten würden. Dann gäbe es jemanden, der ein Auge auf sie hätte... Aber lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, nicht wahr? Wir sind uns also einig?“ Alex nickte und nach einem kurzem Händeschütteln verabschiedete sich Herr Koch kurze Zeit später. Kaum war er zur Türe hinaus sank Alex auch schon zu einem Häufchen Elend zusammen. Wie hatte er nur zustimmen können? Ein halbes Jahr mit ein und der selben Frau? Du lieber Gott, welcher Teufel hatte ihn denn da geritten? Wie sollte er da wieder rauskommen? Er atmete tief ein und richtete sich wieder auf. Es gab für ihn nur eine Option: Augen zu und durch! Das würde er schon schaffen! Blieb nur noch die Frage woher er eine Frau nehmen sollte. Sarah? Zu anhänglich! Rebecca? Hübsch aber dumm wie Bohnenstroh! Kathrin? Zu gierig! Und auch keine seiner anderen Exfreundinnen kam in Frage. Die wollten alle gleich heiraten oder lebten auf seine Kosten in Saus und Braus. Er musste jemanden finden, der ihm half ohne dafür groß etwas zu fordern! Aber wer sollte das sein? Die Antwort sollte ihm von ganz allein in den Schoß fallen. Mehr oder weniger... Am nächsten Tag schlenderte er über den Jahrmarkt um seinen Kopf freizubekommen. Manchmal kamen die besten Ideen, wenn man nicht zu viel nachdachte. Wo sollte er hingehen? Es war ewig her, seit er das letzte mal auf einem Jahrmarkt gewesen war. Sollte er zum Schießstand oder Dosenwerfen? Oder doch lieber erst etwas essen... Jemand zupfte ihm am Ärmel. Ein kleines Mädchen, etwa sechs oder sieben Jahre, schaute ihn aus großen grasgrünen Augen an. „Suchst du etwas?“ „Ja! Eine Frau zum heiraten!“ meinte er scherzeshalber. Das Kind schaute ihn hocherfreut an. „Dann heirate doch Mama!“ Wie bitte? Das hatte sie nicht wirklich gesagt, oder? Heiraten? Er? Eine Frau mit Kind? „Bist du verrückt?“ gab jemand anders seinen Senf dazu. „Dem Typ überlass ich Mama nicht!“ Der Junge, etwa im selbem Alter, hatte offenbar eine völlig andere Meinung zu diesem Thema als seine Schwester. Seine Augen, leuchtend dunkelblau, funkelten misstrauisch und er machte den Eindruck, als wolle er Alex am liebsten sein im schmelzen begriffenes Eis an den Kopf werfen. Allerdings nahte Hilfe. „Kito? Lalita? Wo seid ihr?“ Die Stimme klang schon leicht panisch. „Hier Mama!“ Keine zwei Minuten später kam eine junge Frau angelaufen. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah die beiden einfach nur an. Ziemlich vorwurfsvoll, um genau zu sein. Und es zeigte offenbar mehr Nutzen als jede Moralpredigt, denn die Kinder schrumpften unter ihrem Blick fast noch schneller als ihr Eis in der Sonne. „Seien sie ihnen nicht böse! Ihre Tochter wollte mir nur Hilfe anbieten.“ „Na dann... Ihr wisst doch, dass ihr keine fremden Leute ansprechen sollt!“ „Tut uns leid! Dürfen wir Dosenwerfen?“ Dieser, zugegebenermaßen nicht besonders elegante, Themenwechsel brachte sowohl Alex als auch sein weibliches Gegenüber zum schmunzeln. Ein Geldschein wechselte den Besitzer und der Junge düste sofort ab zum Stand. Das Mädchen schaute seine Mutter aus großen Augen an und fragte ob sie nicht mitkommen wolle. „Nein, geh schon mal vor! Ich werde mich noch kurz mit dem Herrn hier unterhalten, dann komme ich nach.“ Der Kleinen passte das offenbar gar nicht und sie versuchte ihre Mutter durch Quengelei zum mitkommen zu überreden, womit sie aber wenig Erfolg hatte. „Weißt du was? Wir laufen einfach langsam hinter dir her. Was hältst du von diesem Vorschlag?“ Das Kind war entzückt und zeigte seine Begeisterung, indem es dem auf dem Boden knienden Alexander um den Hals fiel und ihm einen dicken Kuss auf die Wange gab. Eine für ihn völlig neue Erfahrung. Verdattert stand er wieder auf und wandte sich der Mutter zu. Ein kleines Schockerlebnis folgte als er sie erkannte. Honigblondes Haar, das die linke Gesichtshälfte bedeckte und ein funkelndes graues Auge. Die Frau von gestern! Schockschwere Not! Verfolgte die ihn etwa? Und warum hatte die Frau Kinder? Er hatte sie auf höchstens ein paar Jahre jünger als sich selbst geschätzt, also Anfang oder Mitte Zwanzig! Was heißen würde, dass sie im „besten“ Fall mit achtzehn Mutter geworden war. „Ich hoffe die beiden haben sie nicht auf irgendeine Weise belästigt.“ Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Was dachte er da schon wieder? Die Frau war anscheinend nicht gut für ihn. Er machte sich einfach viel zu viele Gedanken über sie. Und das, obwohl er sie erst zum zweiten mal traf! Das war doch einfach zum Haarausraufen! „Nein natürlich nicht!“ beeilte er sich zu sagen während sie hinter Lalita hergingen. Dabei viel ihm auf, dass sie ihn mit einem ziemlich verwunderten Blick bedachte. „Ist irgendwas? Sie schauen so komisch!“ „Nein, es ist eigentlich nichts. Nur..“ „Ja?“ „Ich wundere mich nur, dass Lalita so aufgeschlossen ihnen gegenüber ist. Normalerweise bringt sie Fremden gegenüber keinen Ton raus.“ „Dafür scheint mich ihr Sohn überhaupt nicht zu mögen...“ „Kito? Der sieht jedes männliche Wesen als Bedrohung.“ Sie lachte leise wurde aber sofort ernst als sie ein Schluchzen hörte. Ihre Tochter versteckte sich hinter ihrem Bruder und schien Todesangst vor dem Mann im Stand zu haben. „Ich habe nichts gemacht!“ versicherte er panisch als Alex und die Frau bei seinem Stand ankamen. Die Kleine warf sich sofort in die Arme ihrer Mutter und vergrub ihr Gesicht in ihrem Pullover. „Das glaube ich ihnen!“ Sie begann ihrer Tochter beruhigend über das kastanienfarbene Haar zu streichen. „Sie fremdelt nur ziemlich. Tut mir leid, ich wollte ihnen keine Schwierigkeiten machen!“ „Macht fast nichts! Ihr Sohn hat übrigens richtig abgeräumt!“ Stolz hielt Kito den Plüschtiger hoch den er gewonnen hatte, worauf deine Schwester zu quengeln begann, weil sie auch einen wollte. Da sie sich allerdings permanent weigerte zu werfen erbarmte sich Alex schließlich und versuchte sein Glück. Tatsächlich gewann er sogar ein Plüschherz, was der Kleinen ein entzücktes Kreischen entlockte und dazu führte, dass Alex zum zweiten mal an diesem Tag in den Genuss eines feuchten Kusses kam. So langsam gewöhnte er sich daran. Woran er sich aber wohl nie gewöhnen würde waren die Mörderblicke aus den saphirfarben Augen ihres Bruders... „Kriegen wir... diese... diese braunen viereckigen Dinger? Die in der dreieckigen Tüte?“ Ein Glück lenkte diese Frage die Gedanken des Jungen in andere Bahnen, sonst hätte er Alex vermutlich tot gestarrt. „Ihr hattet doch erst ein Eis.“ „Biiiitteeee!“ „Nein! Jetzt guck nicht so! Hör sofort damit auf! .... Na gut. Aber nur eine kleine Tüte!“ Bettelnde Blicke von kleinen Kindern waren eben nur schwer zu ertragen, wie Alex feststellen musste. Fünf Minuten später kaute Lalita zufrieden auf einem Stück Magenbrot herum und bot ihm auch eins an. „Wie heißt du eigentlich?“ fragte sie plötzlich zusammenhangslos. „Alex.“ „Ich bin die Lalita, das da ist der Kito und das ist Mama.“ „Hat Mama auch einen Namen?“ fragte er der Höflichkeit halber. Es wunderte ihn sowie so schon das er noch nicht wieder verschwunden war. Sie gehörte eigentlich nicht zu der Art von Frau mit der er normalerweise zu tun hatte. „Amber. Ich heiße Amber.“ „Sind sie Engländerin?“ „Nur zur Hälfte.“ Irgendetwas hielt ihn davon ab weiterzufragen. Was genau konnte er nicht sagen. Vielleicht ihr Tonfall? Oder die Art wie sie den Blick abwandte? Egal, ein anderes Thema musste auf den Tisch! „Schönes Wetter heute nicht wahr?“ Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt oder? Ein blöderer Klischeespruch war ihm wohl nicht eingefallen oder? Aber der Themenwechsel war ihr offenbar willkommen, da sie sofort darauf einging. „Ja. Aber ich befürchte, dass es regnen wird. Wollt ihr Karussell fahren?“ Die beiden waren sofort Feuer und Flamme und nach einem weiterem Anfall von Fremdelei seitens Lalita drehten die Kinder glücklich ihre Runden auf den Pferden. Immer wenn die beiden vorbeikamen winkten sie ihrer Mutter begeistert zu, welche lächelnd zurückwinkte. Zumindest bis Amber aus heiterem Himmel plötzlich umkippte. Beim Versuch sie aufzufangen ging Alex mit ihr zu Boden. Das schien langsam zur Gewohnheit zu werden jedes Mal den Boden zu küssen, wenn er diese Frau traf. „Tut mir leid! Es hat mir nur den Kreislauf zusammengehauen! Es geht schon wieder!“ Ihr Versuch aufzustehen scheiterte kläglich. „Sind sie sicher?“ „Ja. Ich habe nur zu lange nichts getrunken.“ Er brachte sie zu einer schattigen Bank in der Nähe. Bis er sie abgesetzt hatte waren auch schon ihre Kinder da. Mit der Anweisung auf sie aufzupassen lies Alex die drei allein und machte sich auf ihr etwas zu trinken zu besorgen. Keine fünf Minuten später trank sie brav ein Glas Wasser leer, was ihr tatsächlich gut zu tun schien. Allerdings bestand Alex trotz aller Beteuerungen darauf, sie nach Hause zu fahren, bzw. fahren zu lassen. In dieser Nacht schlief Alex schlecht. Er hatte immer noch keine Lösung für sein Problem und als ob das nicht schon genug wäre, träumte er auch noch von Mahnungen, zerrissenen Hosen und verängstigten und wütenden Kindern. Einen Vorteil hatte das ganze aber doch! Als er aufwachte hatte er die Lösung für sein Problem gefunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)