Die Prophezeiung von abgemeldet (Bravestarr) ================================================================================ Kapitel 6: Raven ---------------- Vipra ging, den Kleinen beruhigend in den Armen wiegend, in Stampedes Saal. Sie würde es nun nicht mehr aufschieben können. Seit zwei Tagen war er nun auf der Welt und Stampede wollte ihn sehen. Aus glühenden Augen starrte der Semidrache auf das kleine zarte Gesicht herab und grinste zufrieden. „Gut! Gut!“, knurrte er. „Nun wollen wir unsere kleine Wunderwaffe aufziehen und auf seinen großen Tag vorbereiten.“ Vipra drückte den Kleinen wieder schützend an sich. „Er wird doch bei mir bleiben, oder?“, fragte sie ängstlich. Ihre größte Angst war, dass Stampede ihr den Jungen wegnahm und ihn an irgendeinen unheimlichen Ort bringen würde. An einen Ort, an dem sie nicht bei ihm sein konnte. Das würde sie nicht ertragen. Stampede lachte. Der Kleine begann ängstlich zu wimmern. „Ja, das wird er. Du als seine Mutter hast den größten Einfluss auf ihn. Es wäre dumm, ihn dir wegzunehmen.“, knurrte er. „Natürlich unter der Voraussetzung, dass du dein Bestes für seine Ausbildung gibst!“ „Natürlich werde ich das!“, sagte sie hastig. „Aber er erst, wenn er älter ist.“ Stampede grinste und senkte seinen riesigen Kopf, bis er vielleicht noch einen Meter von ihr entfernt war. „Ich rate dir, dich an unseren Plan zu halten, Vipra! Er ist vielleicht dein Kind, aber vorrangig wird er uns als Waffe dienen! Und ich werde es nicht tolerieren, solltest du ihn nicht auf seine Rolle vorbereiten, oder auf andere dumme Gedanken kommen.“, knurrte er drohend. Vipra wich vor ihm zurück. „Nein...ich meine, das hatte ich nicht vor! Aber er...er ist doch noch ein Baby!“, stotterte sie ängstlich. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, welche Maßnahmen er meinte. „Das sehe ich selbst! Aber sobald er das richtige Alter hat, wird seine Ausbildung beginnen! Und dann wird er uns endlich Schaman und diesen Bravestarr vom Hals schaffen!“, grollte er. „New Texas wird uns gehören!“ Vipra zuckte zusammen und wich so weit vor ihm zurück, wie es ging. „Du kannst jetzt gehen!“, knurrte Stampede und Vipra beeilte sich den Saal zu verlassen. „Ach, wie heißt der Kleine überhaupt?“, fragte er dann noch hinter ihr. Vipra wandte sich um. „Raven!“, sagte sie knapp. Stampede fixierte sie ein paar Sekunden. „Gut!“, knurrte er dann nur und Vipra beeilte sich hinaus zu kommen. Die Zeit verging wie im Fluge. Während Tex und der Rest der Bande nach außen hin ganz normal agierten, wuchs Raven im Hexagon auf, unter strenger Aufsicht von Stampede. Schon bald zeigte sich, dass Raven ein wirklich außergewöhnliches Kind war. Genauso schnell, wie er zur Welt gekommen war, so schnell wuchs er auch. Bereits mit einem halben Jahr war er dem Säuglingsalter entwachsen und hatte Größe und Reife eines Zweijährigen. Er war intelligent und aufgeweckt, was sich ebenfalls sehr früh zeigte. Was jedoch noch viel auffälliger war, waren seine unglaublichen mentalen Fähigkeiten. Diese zeigten sich das erste Mal, als er etwa ein halbes Jahr alt war. Vipra hatte den Kleinen in seinem Laufstall gelassen, um etwas zu erledigen. Als sie das Zimmer wieder betrat, schlug ihr der Geruch von verbranntem Fleisch entgegen. Mit einem heftigen Schrecken blickte sie auf den Boden vor dem Laufstall, wo eine kleine Wüstenechse in Flammen aufgegangen war. Raven stand an den Stangen seines Laufstalles und blickte auf die Echse hinab. Doch anstatt, dass er schrie, oder sonst eine Reaktion zeigte, fixierte er einfach nur das qualvoll sterbende Wesen. Am meisten hatte Vipra sich jedoch vor seinen Augen erschrocken. Sie waren von einem unheimlichen Glühen erfüllt gewesen. Hatte er das getan? Hatte er die Echse angezündet? Es blieb nicht der einzige Vorfall. Etwa drei Monate später, als er gerade begann richtig zu sprechen, nahm Tex ihn einmal mit nach draußen. Und dort ging, bloß weil Raven laut Tex ihn einfach nur anstarrte, ein Busch in Flammen auf. Ein paar weitere Monate später – man hätte Raven bereits gut und gerne für einen Vier- oder Fünfjährigen halten können - kam Vipra in ihr Zimmer und sah plötzlich, die Ravens Spielzeug kreuz und quer durch den Raum flog. „Mutter, Mutter!“, lachte er. „Guck mal, was ich kann!“ rief er lachend und zeigte auf die fliegenden Spielsachen. Wieder war dieses unheimliche Glühen in seinen Augen zu sehen. „Ganz toll, mein Kleiner! Ich...ich glaube, das solltest du Stampede zeigen!“, sagte sie zögernd. Widersprüchliche Gefühle rasten durch ihren Kopf. Auf der einen Seite war sie stolz auf ihn und beeindruckt. Auf der anderen Seite machte es ihr Angst. Es war ein weiteres Anzeichen dafür, dass er tatsächlich der Spross zu sein, den die Prophezeiung erwähnte. „Meinst du?“, fragte der Kleine sie zögern. Vipra zuckte zusammen, als die Spielzeuge zu Boden fielen. „Ja! Das würde er bestimmt gern sehen!“, sagte sie. Die Worte kamen ihr nur sehr schwer über die Lippen. Raven senkte kurz den Blick und stand dann aber gehorsam auf. „Na gut, ich zeige es ihm!“, sagte er dann und lief aus dem Zimmer. Vipra konnte die Schritte ihres Sohnes hören, die sich immer weiter entfernten. Ihr Herz wurde gleichsam immer schwerer und ihre Angst wuchs. Sie hatte kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Sie musste daran denken, wie schön die erste Zeit mit ihrem Sohn gewesen war. Sie hatte sich ganz allein um ihn gekümmert, ohne die Einmischung von Stampede oder Tex. Raven war ihr ein und alles. Sie liebte ihn unendlich. Und sie hatte Angst vor dem was kommen würde. Denn sie liebte nicht nur ihn. Sie liebte auch den Mann, den Raven beseitigen sollte. Seinen eigenen Vater. Leise weinend ließ sich Vipra auf dem Bett sinken. Sie fühlte sich zum ersten mal in ihrem Leben hilflos und schwach. Raven näherte sich Stamedes Saal widerwillig. Ihm war mehr als unbehaglich, denn er mochte den Semidrachen nicht. Er war einfach nur groß, hässlich und gruselig. Er war um jeden Tag froh, an dem er den alten Knochenkopf, wie ihn seine Mutter oft heimlich nannte, nicht zu sehen brauchte. Dazu kam, dass seine Mutter ebenfalls Angst vor Stampede hatte. Sie wollte ihn das zwar nie merken lassen, aber Raven merkte es sehr wohl. Zaghaft klopfte er an die Tür, hinter der Stampedes Saal lag. „Komm nur herein, mein Junge!“, hörte er die grollende Stimme. Langsam trat er ein und blickte zu der gewaltigen Gestalt empor. Stampede hatte seinen Kopf der Tür zugewannt und blickte ihn aus seinen glühenden Augen an. „Komm nur her, Raven!“ Langsam ging Raven näher. Auf der Plattform direkt vor Stampede blieb er stehen. „Was führt dich zu mir?“, fragte er dann und senkte seinen Kopf noch etwas weiter. Sein Maul befand sich nun nicht mehr weit weg, von Raven. Dieser schluckte ängstlich. Er musste sich plötzlich vorstellen, wie er in diesem gewaltigen, rauchendem Maul verschwand. „Also...Mutter meinte, ich soll dir das zeigen!“, sagte er dann zögernd. Dann zog er einen Ball aus seiner Tasche und ließ ihn auf seiner Handfläche liegen. Konzentriert starrte er ihn an und langsam erhob er sich und stieg in die Luft. Stampede sah dem kleinen Gegenstand erstaunt nach. „Unglaublich!“, rief er, ehrlich überrascht. „Wie machst du das?“, fragte er den Jungen dann. Raven war überrascht, den aufrichtig beeindruckten Ton in Stampedes Stimme zu hören. „Naja, ich will einfach, dass er fliegt. Ich kann das nicht genau erklären.“, antwortete er dann wahrheitsgemäß. „Kannst du das auch mit größeren Sachen?“, fragte Stampede neugierig und deutete dann auf eine große Eisenplatte, die in einer Ecke des Saales lag. „Versuch es damit!“, befahl er Raven und dieser beeilte sich ihm zu gehorchen. Tatsächlich erhob sich auch die Eisenplatte gehorsam in die Luft. Aber Raven musste sich sichtlich mehr anstrengen, als bei dem Ball. „Erstaunlich!“, rief Stampede und wandte sich wieder dem Jungen zu. „Sag mal, kannst du auch was anderes? Außer Dinge schweben lassen?“, fragte er dann und fixierte Raven noch mehr. Der Junge schluckte trocken. Irgendwie freute es ihn ja, dass Stampede sich so dafür interessierte, aber andererseits hatte er auch Angst vor ihm. „Ich weiß nicht. Mutter hat mir mal erzählt, ich könnte auch Feuer machen. Aber das habe ich nie wirklich probiert. Sie sagt, das sei gefährlich.“, antwortete er dann. „Na dann wollen wir doch mal sehen, ob du das wirklich kannst.“, grollte der Semidrache und sah sich um. Dann streckte er die Hand aus und riss einfach einen Vorhang von einem der wenigen Fenster. Den hielt er dem Jungen dann hin. „Versuch ihn anzuzünden!“, befahl er dann. Raven konzentrierte sich auf den Stoff, doch auch er begann nur zu fliegen. Aber nicht mal ein Glimmen entstand. „Hm, das musst du wohl irgendwie anders machen!“, sagte Stampede. Raven dachte angestrengt nach. Anders machen. Wie denn? Er konnte sich nicht erinnern, dass er tatsächlich einmal Feuer gemacht hatte. Er wusste es nur aus Erzählungen und die halfen ihm nun nicht wirklich weiter. „Ich...ich weiß aber nicht wie.“, sagte er dann. Stampedes Augen verengten sich. Doch er blieb ruhig und legte den Vorhang beiseite. „Nun, du solltest es mal öfter probieren, wenn du draußen in der Prärie bist.“, sagte er dann und lächelte sogar. Was bei ihm aber mehr unheimlich, als freundlich wirkte. „Und nun geh, und übe fleißig. Diese Fähigkeiten solltest du in jedem Falle trainieren!“, sagte er dann. Raven verließ beinahe fluchtartig den Saal. Er sah nicht, wie Stampede siegessicher lächelte und weiter seine Pläne schmiedete. Pläne, von dessen Bosheit Raven nichts ahnte. Dieser Junge hatte mehr Potential als er geglaubt hatte. Und er würde dafür sorgen, dass er stärker wird. Und das seine Stärke zum Verhängnis seiner Feinde werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)