Hellsing - Last Story von MisssMonster ================================================================================ Kapitel 1: Werk der Zeit. ------------------------- „Ich bin alt geworden.“ Die blonde Frau, die ihm den Rücken zukehrt, steht am Fenster und blickt in die Ferne. Es ist Nacht und keine Wolke steht am Himmel. Der volle Mond beleuchtet den Raum hell genug, dass kein elektrisches Licht nötig ist. Seine Silhouette im Hintergrund. Stille. Nur das betrübte Schlagen eines Herzens dringt ab und an in seine Ohren. „Ich wiederhole mich: Das macht nichts.“ Der in Stoffhose und weißem Hemd gekleidete Mann, tritt mit sachten Schritten aus den Schatten heraus, ihr entgegen. Die im Raum schwebende Stimmung ist auf resignierende Weise bedrückend. Alles scheint Grau in Grau. Er ist bei der Frau, deren heller gewordenes Haar ihr schwungvoll über die Schultern in ihrem schneeweißen Hemd fällt, angekommen, steht nun rechts hinter ihr. Sie wendet sich nicht um. „Die Jahre haben Euch nicht geschadet. Ihr seid wunderbar – Wie schon immer.“ Sie antwortet nicht. Er betrachtet ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. Ihr linkes Auge wird von einer schwarzen Augenklappe bedeckt, das andere starrt regungslos in die Nacht hinein. Das einst leuchtende Blau verschwimmt hinter einem grauen Schleier. In ihrem Gesicht finden sich Falten, die er früher nicht gekannt. Zeit hinterlässt Spuren. Aber nicht bloß Körperliche. Drei Jahrzehnte sind für einen Menschen viel Zeit. Ob sie sich verändert hatte? Jedoch – gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte er es gerochen und auch geschmeckt – sie war noch immer jungfräulich, wie am ersten Tag. Hatte sie all die Zeit gewartet? Hatte sie gewusst, er würde zurückkommen? Ihre Gedanken sind undurchdringlich. Benebelt. Es gongt dreimal. Ihr Auge bewegt sich. Nun schaut sie ihn durch das spiegelnde Glas an. Als wäre es das Gestern von vor dreißig Jahren. Die Szene. Er. Sie. Der Raum. Der gemeinsame Blick aus dem Fenster ins Dunkel. Wie bekannt und vertraut. Und doch war alles anders. Sie beobachtet ihn, wie er sie beobachtet. Sie weiß, er erwartet, dass sie spricht. Sie schweigt. „Wie wird es mit der Organisation weitergehen? Ihr habt euch nicht um einen Erben bemüht, wie ich sehe.“ Entgegen ihrer Erwartung findet sie kein Grinsen in seinem Fenstergesicht. Es scheint, als sei ihm jede Konversation lieber, als gar keine. Ihre Antwort war mühelos. „Unsere Aufgaben werden nun in anderer Leute Hände fallen. Die Organisation stirbt mit mir.“ Die Zeit und vermutlich auch das Rauchen hatten ihre schöne Stimme rau werden lassen. Auch ihr Duft hatte sich verändert. Es war immer noch der ihre, den er unter tausend Anderen wiedererkannt hätte. Und doch wieder nicht. Werk der Zeit. Was sich wohl noch verändert hatte… „Ihr stört Euch an Eurem Alter, Mylady. Weshalb ist das so?“ Ein kurzer Blickkontakt mit dem Spiegelbild. „Mein Körper hat sich verändert. Ich bin nicht mehr schön – Nur noch alt.“ Ihr Gesicht bleibt ruhig. Sie hat nicht das Verlangen nach Ausflüchten zu suchen oder das alte Gedanken-versteck-Spiel zu spielen. Es wird ihr alles zu mühsam und vor allem sinnlos. Durch ihre Direktheit überrascht, glüht ein freudiger Funken in ihm auf. Er muss noch einen letzten Schritt an sie heran treten. Sein Brustkorb berührt von hinten ihre Schulter. „Ihr wusstet also doch immer von Eurer Schönheit. Und die Eitelkeit steht Euch ganz ausgezeichnet." Es freut ihn. "Warum wollt Ihr schön sein?“ „Immer schon wollte ich für dich schön sein.“ Er fühlt sein eigen` Herz. Ja, die dreißig Jahre hatten die Frau vor ihm verändert. Er fühlt, dass „Schweigen“ oder „Verleugnung“ nicht mehr in ihrem Geist zu finden sind. Er fühlt es genau. Und auch spürt er immer noch die Traurigkeit, die neben der Kälte in ihrem Herzen Platz gefunden hatte. Er empfindet ihre Worte als Aufforderung. Er muss reagieren. Antworten. Er darf sie nicht vor den Kopf stoßen, nicht in einem solchen Moment. Also antwortet er. Leicht beugt er sich nach unten, umschließt mit seinen Armen ihren immer noch schmalen Körper. Er spürt ihre Haare auf seinem Gesicht. Sein Blick geht ins Leere – Sie schaut ihn mit weit geöffnetem Auge durch das Fenster weiter an. Ihr Herz pocht in seinen Ohren. Beide schweigen. Eine gefühlte Ewigkeit vergeht. Sie weiß nicht mehr, wessen Atem sie leise hört. Sie fühlt Wärme. Das schwere Ticken der großen Wanduhr erfüllt den Raum. „Wir haben soviel Zeit verloren“, flüstert sie in die Stille hinein und erschauert beim Klang ihrer eigenen Worte. Er hebt seinen Kopf mit den schwarzen verwuschelten Haaren, der auf ihrer Schulter geruht hatte. „Dann wird es langsam Zeit.“ Ende Kapitel eins Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)