Reneé von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 1: Die Nacht vor der Schlacht ------------------------------------- Acht Jahre waren seit der bitterkalten Winternacht vergangen und ihre Geschichte hatte in jener Nacht wirklich neu begonnen. Obwohl die Zeit die Erinnerungen an Demütigung, Angst und Leid verblassten, verschwanden sie nie ganz. Neue Erinnerungen nahmen den Platz neben alten ein und löschten das blässliche Mädchen aus, um der Frau die Aramis heute war Platz zu machen. Das Feuer das im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation wütete, hatte 1636 Frankreich erreicht. Seit 28 Jahren kämpften die europäischen Großmächte gegeneinander, um Macht und Einfluss. Es war ein Krieg, in dem es schon lange nicht mehr um Religion ging, auch wenn dies der Funke war, der den Flächenbrand entfacht hatte. Für das urkatholische Frankreich, waren die spanischen Herrscher die größte außerpolitische Bedrohung und Grund genug, ein Bündnis mit den protestantischen Schweden einzugehen. Als die Schweden 1634 vernichtend geschlagen wurden, war ganz Süddeutschland den Habsburgern ausgeliefert. Frankreichs Grenzen waren fast lückenlos von Feinden bedroht. Da beschloss Frankreich direkt in den Krieg einzugreifen. Im Mai 1635 erklärt Ludwig XIII. auf Anraten Kardinal Richelieus dem spanischen König Philipp IV. den Krieg. Richelieus erstes Ziel war die Eroberung der spanischen Niederlande. Seit 1568 kämpfte ein Teil der niederländischen Provinzen um ihre Unabhängigkeit vom spanisch-habsburgischen König. Der Krieg war für Frankreich ein Wagnis. Noch war das französische Heer klein und so schwärmten die Anwärteroffiziere aus, um Männer in ihren Dienst zu pressen. Die armen Rekruten, geprellt und betrogen, kämpften noch immer mit dem Kater vom Schnaps des Anwärteroffiziers, als sich Ludwigs Herr in Richtung Flandern in Marsch setzte. Im Frühjahr 1636 zogen sie los. Drillsergeant, die wahre Wunder waren, verwandelten den Abschaum den sie bekamen, durch Schikane, Flüche, Zuckerbrot und Peitsche in prächtige Kampfwerkzeuge, die von inkompetenten Offizieren auf dem Schlachtfeld verpulvert wurden. Der Rest starb an Krankheiten. Wer sehr viel Glück hatte, überlebte die Krankheiten und den Krieg und wurde danach für den kläglichen Rest seines jämmerlichen Lebens auf die Straße zurückgeworfen, um für seinen Lebensunterhalt zu betteln. Richelieu und Ludwig waren voll Übermut zu diesem Feldzug aufgebrochen, um endlich die Macht Habsburgs zu brechen und die Vormachtstellung Frankreichs als Großmacht zu sichern. Aus schieren Mutwillen und viel Unverständnis, begingen sie den Fehler, die Spanier zu unterschätzen und die Proviantvorräte zu überschätzen. Frankreichs Soldanten begannen Hunger zu leiden. Für die französischen Soldaten war es ein komplizierter Krieg, der aus noch komplizierteren Gründen stattfand. Sie litten unter dem Hunger, dem Wetter in einem Land, das nur aus Niederschlag zu bestehen schien und der Inkompetenz ihrer Offiziere. Von Offizieren mag man ja mit einer gewissen Inkompetenz rechnen, man bringt ihnen ja nichts bei, aber bei den Franzosen kam noch ein besonderes Maß an Hochmut und Pietätlosigkeit gegenüber dem gemeinen Soldaten hinzu. Mit den anfänglichen Erfolgen war es bald vorbei. Es war schon nach Mitternacht und es regnete wieder. Niemand im Lager schlief. Die Männer gruben an der Frontlinie noch immer die Schützengräben aus. Die Artilleristen zwangen ihre tonnenschweren Kanonen durch den aufgeweichten Boden in ihre Stellungen, die Dragoner verharrten schweigend mit ihren Pferden in den Verstecken zwischen den Bäumen. Vor den Zelten der Priester und Huren standen die restlichen Männer Schlange, um sich jeder auf seine Art die Absolution zu holen. Einige beteten im stummen Entsetzen, andere polierten ihre Waffen mit grimmiger Entschlossenheit. Der Eine sann über die begangenen Sünden seines Lebens nach, der Andere bedauerte die Sünden, welcher er nun nicht mehr begehen konnte. Ab und zu knallte ein Pistolenschuss durch die Nacht, da das spanische Heer nur vier Kanonenschüsse entfernt lagerte. Athos lag in seinem Zelt und lauschte in die Dunkelheit. Obwohl er für eine Militärlaufbahn erzogen worden war und seit über zehn Jahren als Musketier im Dienst des Königs stand, hatte er noch nie in einer richtigen Schlacht gekämpft. Vor neun Jahren war La Rochelle belagert worden. Fast ein ganzes Jahr war die Stadt angegriffen worden, bis nicht Richelieus Heer, sondern der Hunger sie zur Aufgabe zwang. Aber der Eroberungsfeldzug von La Rochelle war kaum mehr als das beharrliche Anrennen gegen Steinmauern und er selbst war erst Musketieranwärter gewesen. Das hier, war etwas vollkommen anderes. Der Regen plätscherte auf das Zeltdach, doch er konnte noch die Schlachtrufe der Spanier hören, mit dem sie ihre Feinde einschüchtern versuchten. Im Lager der Franzosen sang niemand. Die Spanier hatten die Franzosen überrascht und sie wussten, dass der Feind zahlenmäßig unterlegen war. Deshalb hatte Oberfeldmarschall Bernards von Sachsen-Weimar befohlen, in aller Eile die Schützengräben auszuheben und die Artillerie in Position zu bringen. Für Athos hieß das warten bis der Morgen anbrach. Kurioserweise wanderten seine Gedanken zu Aramis. Wie so oft in letzter Zeit. Athos wusste nicht wann es begonnen hatte. Sieben Jahre waren vergangen, seit Aramis zu den Musketieren gekommen war und alles schien wie immer zu sein. Vielleicht hatte es schon viel früher begonnen, aber erst an dem einen Regentag im September erinnerte er sich bewusst daran. Auch an jenem Tag, hatte es den ganzen Tag geregnet. Mal war es ein leichtes Tröpfeln, dann wieder Bindfäden die zur Erde prasselten. Der Tag wurde zum Abend und am westlichen Horizont brach die Abendsonne durch die Wolkendecke und tauchte die Welt in ihr unvergleichliches, goldenes Licht. Die Luft war klar und gewaschen vom langen Regen. Sie hatten sich im Gasthaus verabredet. Er sah seinen Freund durch den Regen rennen. Als Aramis bei ihm ankam, lachte er und schüttelte den Regen aus den nassen Haaren. Das Licht tanzte in Aramis Augen und der Regen lief ihm über das Gesicht. Warum kam ihm Aramis Haut mit einem mal so zart vor? Er erstarrte, als Aramis plötzlich einen der Regentropfen sich von den Lippen leckte. Auf eine ihm erschreckende Art und Weise, reagierte plötzlich sein Körper sehr eindeutig. Aramis hatte nichts von alle dem bemerkt und war in das Gasthaus getreten, um Porthos und D`Artagnan zu begrüßen. Die Kleidung dampfte in der bedrückenden Wärme im Schankraum. Sämtliche Tische waren belegt und der Raum lärmerfüllt. Sie nahmen an der Seite von ihren Freunden Platz. Wieder registrierte Athos mit einem merkwürdigen Ziehen im Bauch, wie Aramis das nasse Haar aus dem Kragen hob und den langen Hals nach hinten bog. Wieder erschien ihm Aramis mehr weiblich als männlich. Er rief sich selbst zur Vernunft. Das war doch nur Aramis. Nur ein Stückchen Haut, zwischen Schultern und Kopf. Was passierte mit ihm? „Athos, alles in Ordnung mit dir?“ Aramis Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Alle sahen ihn an. Das Schankmädchen kam mit vollen Bierkrügen an ihren Tisch und enthob ihn von einer Antwort. Der schmale Spitzenbesatz ihrer Bluse spannte sich über ihrem Busen und wie um es sich selbst zu beweisen, ruhte sein Blick ausgiebig auf der ihm dargebotenen Pracht. Eigentlich war sie zu jung und derb für ihn, aber sie bedachte ihn mit einem lockenden Lächeln und strahlte so viel Weiblichkeit aus, mit ihren zarten Gesichtszügen und weichen Rundungen. Das Schankmädchen entfernte sich mit einem verheißungsvollen Blick und Athos fand sich plötzlich Auge in Auge, mit den verblüfften Blicken seiner Freunde. Ein derart scharmloses Verhalten waren sie von ihrem zurückhaltenden Freund nicht gewohnt. Für den Rest des Abends versuchte er aufmerksam zu bleiben und nicht zu sehr Aramis anzustarren. Dabei wanderte sein Blick automatisch zu ihm. Plötzlich faszinierte ihn etwas in Aramis Gesichtszügen, dessen Gesicht ihm vorher als völlig normal erschienen war. An diesem Abend sprach er dem Wein zu reichlich zu. Die Luft wurde plötzlich zu heiß, der Kragen zu eng und er verspürte das dringende Bedürfnis mit einer Frau Zusammensein zu müssen. Athos begann, sehr zur Verwunderung seiner Freunde, mit dem Mädchen zu schäkern. Eine Schankmagd gehörte normalerweise nicht zu den Frauen, mit denen er verkehrte. Allerdings konnten Aramis, Porthos und D`Artagnan nicht wirklich von sich behaupten, Athos Geschmack in Bezug auf Frauen zu kennen. Dafür war Athos zu diskret. Plötzlich lachte Athos zu laut, sein Blick wurde zu forsch und der anzügliche Ausdruck auf seinem Gesicht, schien so gar nicht dem Athos zu passen, den sie zu kennen glaubten. Das Verlangen nach dem Mädchen verging sofort, als er Aramis Gesichtsausdruck bemerkte. Er sah sich in Aramis Mine selbst. Befremdend, verstörend und fast verletzlich. Das Verhalten eines betrunkenen Mannes. Für diesen Abend reichte es ihm. Er erhob sich und schwankte leicht. Aramis war mit ihm aufgesprungen und hatte ihn besorgt am Arm festgehalten. Aramis Hand brannte durch den Stoff auf seiner Haut. Beinah grob, hatte er die Hand abgeschüttelt und war die Treppe hinauf, zur Tür hinaus, in die kalte Abendluft gestürmt. Später schrieb er sein Verhalten dem Alkohol zu. Aber es waren nur wenige Wochen vergangen, als Aramis ihn erneut aus der Fassung brachte. Die beiden Musketiere waren nach Dienstschluss auf den Weg nach Hause. In der Nähe der Hallen, bei den Marche Maubert begannen die Händler und Bauern ihre Waren zusammenzupacken und heimzufahren. Plötzlich wurde erschrockene Schreie laut und das nervöse Wiehern eines erschreckten Pferdes. Sie waren gerade in die Rue des Rennes eingebogen, als Athos aus dem Augenwinkel das in Panik geratene Pferd sah. Der Wagen riss eine Schneise der Zerstörung dorthin, wo das Pferd ihn zerrte und es kam direkt auf sie zu. Mehr aus Reflex, als aus bewusstem Handeln, stieß er Aramis an die Hauswand und drückte sich gegen hin. Er spürte die zerstörende Gewalt, mit der das Pferd die Hufe in den Boden versenkte und an ihm vorbeigaloppierte, den schweren Wagen hinter sich herziehend. Zuerst war da der Schreck des Augenblicks, doch dann registrierte er nach und nach, dass sich sein Körper gegen Aramis Rücken presste. Sein Gesicht war an Aramis Nacken. Er konnte den Geruch riechen, der seiner Haut und seinem Haar verströmte. Er spürte Aramis Atemzüge an seiner Brust und fühlte seinen Hintern an seiner Körpermitte. Aramis stöhnte vor Schmerz leise auf, weil er gegen die harte, raue Wand gedrückt wurde, aber trotzdem erregte Athos der Laut. Sein Körper begann unmissverständlich zu reagieren. Fast panisch sprang er zurück und brachte schwer atmend genügend Abstand zwischen sich und Aramis. Was eben mit seinem Körper geschah, hätte nicht passieren dürfen. Egal wie dramatisch der Augenblick war, oder wie schnell das Adrenalin durch seine Adern rauschte. Nicht bei einem anderen Mann hätte ihm das passieren dürfen. Und wieder war er einfach vor Aramis und seiner Verwirrung geflohen. Darüber dachte er nach, als der Regen gleichförmig an das Zeltdach klopfte. Er wusste nicht warum er sich plötzlich daran erinnerte. Bisher hatte er einfach nicht näher darüber nachgedacht, hatte es verdrängt, so wie er alle Gefühle weg schob, die ihn beunruhigten. Er war nach Hause gegangen und hatte das merkwürdige Gefühl gehabt, dass das alles nicht wirklich ihn betraf. Er hatte begonnen, sich anders in Aramis Gegenwart zu fühlen und nicht verstanden, dass es Sehnsucht war. Sehnsucht danach bei ihm zu sein und ihn zu berühren. Es raschelte vor seinem Zelt und die Zeltplane wurde zurückgeschlagen. Athos bekam unerwarteten Besuch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)