Alles nach Plan von Terrormopf ================================================================================ Kapitel 6: Funkstille --------------------- Matthis lag allein auf seinem Bett, hatte ein Buch aufgeschlagen und las. Doch es stellte sich als großes Hindernis heraus, dass er die Worte und Sätze nicht erfasste; las so die gleiche Seite schon zum dritten Mal. Schließlich legte er das Buch seufzend aus der Hand, setzte auch seine Brille ab und massierte sich den Nasensteg. Er konnte sich nicht konzentrieren, ständig dachte er an Alex und Henrik. In der letzten Woche hatte er Alex nur beim Handball gesehen. Sie waren noch zusammen. Sie hatten eigentlich Zeit füreinander. Aber selbst wenn sie zusammen waren, schlich sich immer irgendwann eine unangenehme Stille ein, die blieb und auf ihnen lastete. Henrik stand zwischen ihnen. Sie sprachen dieses Thema allerdings nicht an, als hätten sie beide Angst vor dem Ausgang eines solchen Gesprächs. Zwar war Alex am einen Abend vom Arbeiten nach Hause gekommen und hatte gar nicht genug von Matthis bekommen können, doch am nächsten Morgen hatte sich das geändert gehabt. Er war nun kühl zu ihm, beinahe schon abweisend. Eine Nacht schlafen hatte wohl seine Meinung über Matthis geändert. Matthis starrte mit trüben Augen auf seine Zimmerdecke. Was hatte er angerichtet? Zu David konnte er auch nicht gehen, schließlich hatte der ihm ja beim einen Spiel ganz deutlich gesagt, was er neuerdings von ihm hielt. Er fühlte sich allein, drehte sich auf die Seite, blickte nun auf die Wand. Es klopfte. „Hey Matthias“, sagte sein Vater vorsichtig. Er antwortete nicht, hörte nur wie sein Vater hereinkam, spürte wie er sich zu ihm setzte und ihm die Hand auf den Oberarm legte. „Haben du und Alex euch gestritten?“ Er schüttelte nur langsam den Kopf. „Und warum kommt er nicht mehr her? Ich vermiss ihn ja schon…“ Er wusste, dass sein Vater sanft lächelte. Er wusste auch, dass er nur versuchte ihn aufzubauen. Und dennoch machte ihn diese Aussage rasend. Sein Vater vermisste Alex. Natürlich vermisste er Alex. Alle wollten mit Alex befreundet sein, ihn um sich haben. Als wäre Alex der einzige Mensch auf Erden, der irgendwie Aufmerksamkeit verdient hatte. Er hasste es! Alle liebten Alex. Alex war ja so cool! Alex war ja so witzig! Alex wusste ja immer eine Antwort auf alles! Immer ging es um Alex. Immer, immer, immer! Und kein Mensch merkte, dass Alex sie alle nur manipulierte. Dass er es schaffte sie dazu zu bringen genau das zu tun, was er wollte. Und trotzdem liebten ihn alle! Nicht einmal er selbst stellte da eine Ausnahme dar, obwohl er genau wusste wie Alex tickte. Aber sein Vater vermisste Alex. „Mensch, was ist denn los, Matthias?“ „Lass mich in Ruhe.“ Er rührte sich nicht, seine Stimme klang leise und ruhig. Er vernahm das Seufzen seines Vaters, dann ging er wieder aus dem Zimmer, ließ ihn allein. Zum Kotzen! Alex hingegen saß mit seiner Schwester im Wohnzimmer und zappte desinteressiert durchs Fernsehprogramm. „Boah kannst du nicht mal für zehn Minuten den gleichen Sender lassen?“, regte die sich irgendwann auf, warf sich im nächsten Moment halb auf ihn um ihm die Fernbedienung zu entreißen. Doch Alex hielt sie nur gelangweilt in die Höhe, damit aus ihrer Reichweite. „Ich bin älter, ich darf bestimmen was wir gucken. Und wenn ich zappen will, dann zapp ich.“ „Boah, du nervst echt dermaßen!“ Sie setzte sich wieder aufrecht hin, verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Geh halt in dein Zimmer, wenn‘s dich so nervt.“ „Und was soll ich da machen? Mama hat ja meinen Laptop konfisziert…“ „Wie wär‘s mal mit lernen? Könntest dich ja mal drum kümmern, dass du in französisch nicht noch mal ne fünf bekommst. Genau genommen dürftest du noch nicht mal Fernsehen, also sei froh, dass ich dich lasse und nicht bei Mama verpetze.“ Hätte Mia mal auf die letzte Französischklausur gelernt und wenigstens eine vier geschrieben, hätte ihre Mutter ihr nicht sämtliche Elektrogeräte abgenommen. Eine Weile beobachtete sie weiter, wie ihr Bruder durch sämtliche Kanäle schaltete, bis sie den Kopf in den Nacken warf und stöhnte: „Boah ich vermisse Matthis! Den nervt es auch immer, wenn du so durch die Kanäle zappst.“ Er hörte auf die Knöpfe zu drücken, warf Mia einen vernichtenden Blick zu, bis er knurrte: „Matthis ist aber nicht da. Und jetzt halt die Fresse!“ „Was ist eigentlich mit euch? Oder eher mit dir? Du verhältst dich echt behindert ihm gegenüber.“ „Woher willst du das denn wissen?“ „Ich seh‘s doch im Training. Du behandelst ihn wie Luft! Asozialer geht‘s nich mehr!“ „Was weißt du eigentlich davon, hä? Musst ja grad das Maul aufreißen! Wie lange war nochmal die längste Beziehung die du hattest? Fünf Wochen? Wow! Und du willst mir Beziehungstipps geben! Kannst du dir gepflegt in die Haare schmieren.“ Er stand auf und warf seiner Schwester die Fernbedienung in den Schoß. „Da, kannst jetzt schauen, mir ist die Lust vergangen.“ Er ging aus dem Wohnzimmer, hörte noch, wie seine Schwester ihm nachbrüllte: „So ein Arschloch wie dich gibt‘s auch nur einmal!“ Die ganze Situation war einfach beschissen. Gelinde gesagt. In der Nacht nachdem er mit David geredet hatte, hatte er lange wach gelegen und nachgedacht. Wenn er ehrlich zu sich war, sprachen alle Indizien gegen seinen Freund. Bis eben auf die Tatsache, dass Matthis der treuste und ehrlichste Mensch war, den er kannte. Es war eigentlich viel zu paradox um zu stimmen. Doch am nächsten Morgen konnte er nicht mehr. Er konnte Matthis ab dem Zeitpunkt einfach nicht mehr küssen, geschweige denn mit ihm schlafen, schon allein mit ihm reden oder ihn ansehen fiel ihm schwer. Also hatte er all das gelassen. Er würde ja sehen, wie Matthis das aufnahm und wie er sich verhalten würde. Matthis griff nach seinem Handy auf seinem Nachttisch. Er suchte im Telefonbuch Alex‘ Nummer raus, sah das Bild dazu. Ein Alex, der ihn angrinste, die Augen von einer riesigen Sonnenbrille verdeckt. Eigentlich hätte er ihn gerne angerufen, oder ihm eine SMS geschrieben. Aber was hätte er sagen sollen? Er wollte das Handy gerade wieder zuklappen und zurücklegen, da vibrierte es. Irritiert klappte er es wieder auf. Seit wann wollte denn wieder jemand etwas von ihm wissen? Die SMS war von Alex. „Hey! Hoff, dir geht‘s gut soweit… Wollte eigentlich nur fragen, ob du Samstag nach dem Spiel mit nach Leustetten kommst. Party und so. Bis dann, Alex.“ Matthis schluckte. Es war das erste Mal seit ihrer Funkstille, dass Alex sich bei ihm meldete. Alex gab es nicht zu, nicht einmal sich selbst gegenüber, aber die Worte seiner Schwester hatten gesessen. Matthis gegenüber konnte er sich wirklich nicht so verhalten. Das hatte er nicht verdient. Also hatte er ihm die SMS geschrieben und wartete nervös auf eine Antwort. Er hatte ewig gebraucht den kurzen Text zu verfassen. Er hatte einfach nicht gewusst wie und was er schreiben sollte. Er konnte ja nicht einfach so tun als wäre nichts gewesen. Aber zu abweisend hatte er eigentlich auch nicht klingen wollen. Er hoffte, dass ihm diese Gratwanderung gelungen war. Das Gerät in seinen Händen piepste. „Hey! Danke, mir geht‘s okay, freu mich, dass du dich meldest! Ich komm gern mit. Wer fährt? Wir müssen reden… nicht nüchtern. Matthis“ Matthis hatte schon auf Senden gedrückt, als er das mit dem Reden wieder rausnehmen wollte. Jetzt musste er sich was überlegen… aber vielleicht ging das auch besser, wenn er betrunken war, da fand er immer Worte. Ob das die richtigen waren, war allerdings fragwürdig. Alex lachte, als er die SMS las. Typisch Matthis. Irgendwie hätte er ihn jetzt gerne wirklich bei sich gehabt, nicht nur über irgendwelche sinnlosen SMS-Gespräche. Doch es half nichts. So tippte er seine Antwort ein, schickte sie ab und wartete auf Matthis‘ Reaktion. Für ihn konnte die Zeit bis nach dem Spiel gar nicht schnell genug rumgehen. Matthis hingegen war die ganze Zeit fieberhaft am Überlegen, was er seinem Freund sagen sollte, bisher war ihm noch nichts wirklich Sinnvolles eingefallen. Das Spiel gewannen sie nur knapp, hatten lange im Rückstand gelegen und warfen das Siegtor mit mehr Glück als Verstand. Doch so oder so, nun hatte die Mannschaft einen Grund zum Feiern. Und der Hauptteil ging auf das Fest. Alex und Matthis saßen mit David, Frank – er spielte Rückraum rechts, war der Fahrer am heutigen Abend – und Mia im Auto, die unbedingt hatte mitkommen wollen. „Ist ja gut, ich besorg dir ein 18er Bändchen!“, stöhnte Alex irgendwann, nachdem seine Schwester ihm schon die ganzen letzten Tagen in den Ohren lag, dass sie unbedingt bis nach zwölf bleiben wollte. „Aber wehe ich erwische dich mit irgendwas Hochprozentigem! Und wenn du meinst, mir erzählen zu müssen, dass du Cola oder Saft oder sowas trinkst, dann glaub mir, ich kontrollier. Mama hat mir die Verantwortung für dich gegeben. Also bleibst du immer bei den Jungs aus unserer Mannschaft, die du kennst. Und wenn dir ein Kerl dumm kommt, dann sag einem von uns bescheid, der Typ wird dann seines Lebens nicht mehr froh.“ „Ach, ich liebe dich Bruderherz!“ Sie strahlte ihn an und er hob nur die Brauen, fragte seufzend: „Dein Gehirn hat nach ,Ich besorg dir ein 18er Bändchen‘ ausgesetzt, oder?“ Seine Schwester nickte und er fasste sich an die Stirn, schüttelte den Kopf. Der Abend würde wunderbar werden. Doch schon im nächsten Moment spürte er, wie Matthis zögerlich seine Hand nahm. Für einen Moment wollte er zurückzucken, doch dann besann er sich, ließ seine Hand wo sie war und geschehen, dass Matthis‘ Hand sie umschloss. Matthis hatte gespürt, dass Alex gezuckt hatte. Er hatte inne gehalten, die Kiefer aufeinander gepresst. Es hatte ihn schon Überwindung gekostet Alex nach dem gewonnenen Spiel einen Kuss auf die Lippen zu drücken, obwohl er schon fast gewusst hatte, dass der nicht erwidert würde. Nun fragte er sich immer noch was er Alex erzählen sollte. Bisher war ihm nichts eingefallen. Hoffentlich änderte sich das, wenn er erst etwas Alkohol getrunken hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)