Retrograde Amnesie von Mihikoru ================================================================================ Kapitel 11: Freund und Feind ---------------------------- In den nächsten zwei Wochen konnte die gesamte Oberstufe der Domino High inklusive Joeys Freunde eine nie gekannte Friedlichkeit zwischen den beiden, ehemaligen Erzfeinden beobachten. Kein Gestichel, kein Wortgefecht und kein böser Blick ging zwischen dem Brünetten und Blonden einher, höchstens einige milde Neckereien waren zu hören. Es glich einem Wunder und war vielen schlichtweg unheimlich. Joey wurde langsam, jedoch stetig besser in seinen ehemaligen Hassfächern und konnte durch gute Mitarbeit und korrekten Antworten bei seinen Lehrkörpern punkten. Kaiba und er verbrachten fast jede Mittagspause zusammen, die sie in Stiller Zweisamkeit nutzten. Der Größere telefonierte meist mit einen seiner Angestellten oder tippte einige Daten auf seinem Laptop ein, während Joey neben ihm saß und meist in seinen Büchern las. Der ehemalige Klassenclown und Raufbold war ruhig geworden und strebsam. Yugi nahm dies mit stillem Lächeln zur Kenntnis und auch Tea half ihm bei allen anfälligen Fragen und Problemen zum Unterrichtsstoff, jedoch gab es auch Freunde des Blonden die nicht zufrieden schienen mit dieser Entwicklung. "Joey, können wir uns mal unterhalten?" Tristan stand auf einmal neben seinem geöffneten Spind und legte ein Gesicht an den Tag, was keineswegs als freundlich zu bezeichnen war. "Sicher." Der Blonde nickte bereitwillig, verstaute seine Schulbücher in den Spint und verschloss ihn. Er folgte Tristan einige Meter bis zu einer ruhigen Ecke, am Ende des Flures. "Gibt es ein Problem?" "Ich wollte mich mal über Kaiba und dich unterhalten." "Über mich und Kaiba? Wieso?" "Ich finde es unpassend, wie ihr beiden euch benehmt." "Was tun wir denn?" Joey wusste nicht so Recht, wieso sein Freund ihn beinahe strafend ansah. Verschwörerisch hatte er die Stimme gesenkt, sie glich fast einem zischeln. "Ihr seit so etwas wie Freunde." Tristan spie das letzte Wort so aus, wie ein gemeines Schimpfwort, was Joey langsam den Kopf neigen ließ. "So würde ich das nicht bezeichnen. Wir haben eine Art Waffenstillstand oder eine friedliche Kooperation." "Ihr verbringt jede freie Minute in der Schule zusammen." "Richtig. Aber nur, weil er so nett war und mir Nachhilfe angeboten hat. Er ist ein guter Lehrer, etwas streng aber ich glaube, sonst würde es bei mir auch nichts bringen. Und es hilft, ich bin in Mathe schon 15 Punkte besser geworden und das nur in knappen zwei Wochen." "Joey, du hast Kaiba immer gehasst." "Mag sein, aber das bringt mich nicht weiter. Ich kann mich ans nichts erinnern, ich fange quasi bei euch alle wieder bei null angefangen. Kaiba ist nicht einfach, aber er ist auch kein schlechter Mensch." "Weißt du eigentlich was du da sagst?", brauste sein Freund auf und raufte sich in einer verzweifelten Geste die Haare. "Ihr beide habt euch immer regelrecht verabscheut. Wenn du wüsstest, was dir dieser Kerl alles an den Kopf geworfen und wie er dich tagtäglich in unserem Klassenraum gedemütigt hat. Er hatte nie auch nur ein einziges gutes Wort für dich übrig!" "Ich habe sicherlich auch meinen Teil dazu beigetragen. Ich bin auch nicht einfach, ich war früher wohl ziemlich temperamentvoll." "Du verlierst dich selbst! Und das schlimmste ist, du verrätst dich selbst!" "Tristan, ich kann mich nicht verlieren oder mich verraten, weil es mein altes Ich nicht mehr gibt. Verstehst du es denn nicht? Ich wohne bei den Kaibas, ich muss mich Ihm anpassen. Ich muss ihm dankbar sein und ich bin ihm dankbar. Natürlich habe ich keine Ahnung, was alles zwischen uns im Vergangenen schief gelaufen ist, aber nun ist es anders. Und das ist gut so. Er kümmert sich um mich." "Kaiba hat ständig nur seinen eigenen Vorteil im Auge, wenn er dir jetzt hilft dann nur, weil er eine Gegenleistung erwartet." "Er ist nicht so. Was könnte ich ihm schon geben?" "Bitte, sei nicht so dumm." "Ich bin nicht dumm!", erhob Joey nun langsam wütend die Stimme da auch Tristans Ton immer aggressiver wurde. "Ich habe zwar mein Gedächtnis verloren, aber ich bin nicht dumm. Es tut mir wirklich Leid, dass du dich von mir zurück gesetzt fühlst und das nicht verstehen kannst aber der Schulstoff ist im Moment das einzige, woran ich mich klammern kann." "Joey, ich...", setzte der Andere nach, brach jedoch ab als die hochgewachsene Gestalt des CEOs am Treppenabsatz erschien. "Wheeler, alles in Ordnung?" Angesprochener nickte wortlos auf die Frage bevor er sich wieder Tristan zuwandte. "Alles okay. Ich weiß, dass du es gut meinst aber versuche bitte mich auch zu verstehen." Sein Freund erwiderte nichts darauf, grimmig sah er ihm hinterher wie er die Treppe nach unten erklomm und Kaiba ihm nach einem kurzen Blick folgte. Joey gingen Tristans Worte den ganzen Nachmittag nicht aus dem Kopf, es war der erste Tag seit langem, wo er sich nicht auf seine Schulaufgaben konzentrieren konnte. So geschah es dann auch, dass er sich bei Zubereitung des Abendessens in den Finger schnitt. "Mist!", fluchte er inbrünstig während er seine blutende Wunde unter das Wasser hielt und Mokuba die besudelte Gurke in den Mülleimer wandern ließ. "Ist doch nicht schlimm. Wir haben noch mehr Gemüse.", entgegnete der Schwarzhaarige munter und ging in die Speisekammer um Nachschub zu organisieren während sich der Blonde ein Stück Küchenrolle nahm und sich mit umwickelten Finger auf einem der Stühle sinken ließ. Er hatte Kopfschmerzen von seinen vielen Gedanken und lehnte erschöpft seinen Kopf auf die kühle Tischplatte. "Willst du mir sagen, was dich bedrückt?", erklang Mokubas Stimme durch seine wirren Gedanken und als er den Kopf hob, saß der Jüngere ihm direkt gegenüber und besah ihn mit wachen Augen. "Gar nichts.", wiegelte er halbherzig ab sodass Mokuba sichtbar die Augen verdrehte. "Natürlich. Deswegen schaust du auch so glücklich." "Es ist kompliziert." "Ich bin ziemlich schlau für mein Alter." Joey hob den Kopf und sah einige Sekunden schweigend in das Gesicht des jüngeren Kaibas, bevor er hörbar ausatmete. "Tristan hat mir heute in der Schule Vorhaltungen gemacht." "Weswegen?" "Ich würde mich angeblich zu gut mit deinem Bruder verstehen." "Oh..." "Ja. Er hat mich regelrecht angeschrien. Als ob ich eine wahre Todsünde begannen hätte." "Hast du wohl auch in seinen Augen." "Mokuba, auf welcher Seite bist du eigentlich? Du fällst deinem großen Bruder in den Rücken." "Das kann man auch sachlicher betrachten. Seto war nicht immer sehr nett zu dir und deinen Freunden. Ich kann Tristan schon etwas verstehen. Es ist nicht einfach mit ihm." "Sag das nicht zu laut, nachher hört er es noch.", murmelte Joey und warf einen schnellen Blick hinter sich, so als hätte er Angst dass der Brünette genau in diesem Moment die Küche betreten würde. "Ich bin auf gar keiner Seite, manches mal konnte ich Setos Beweggründe auch nicht verstehen oder gut heißen. Er ist ein Einzelkämpfer, das hat gute aber auch schlechte Seiten. Yugi hat ihm mehrfach seine Freundschaft angeboten und er hat immer wieder abgelehnt, obwohl er am Ende doch immer mit euch zusammen gekämpft hat. Er gibt es nicht gern zu aber so unnütz, wie er es auch immer glauben gemacht hat, findet er euch gar nicht und dich Joey, mag er." "Mokuba...!" "Er mag dich. Sonst würde er nicht soviel Zeit mit dir verbringen. Wann hat er dich das letzte Mal Köter genannt?" "Erst vorgestern sagte er Idiot zu mir.", warf der Blonde eilig dazwischen obwohl er wusste, dass der Brünette dies eher im Affekt gesagt hatte, als er ein mathematisches Verfahren beim dritten Mal noch immer falsch angewendet hatte. Auch Mokuba grinste nun vielsagend. "Seto hat dir Nachhilfe angeboten, dass ihr beinahe jeden Abend zusammen in seinem Arbeitszimmer verbringt war nicht abgesprochen. Ich durfte noch nie über drei Stunden auf seiner Couch sitzen während er arbeitet und du bringst ihm ständig Kaffee nach oben." "Ich will mich nur revanchieren." "Und er isst seit einigen Tagen jeden Abend mit uns im Esszimmer. Das hat er vorher nie und er lobt dein Essen." "Das tut er nicht." "Er sagt nicht, dass es schlecht wäre und er isst seinen Teller immer leer. Das ist ein Lob.", gluckste der kleine Frechdachs sodass es Joey einige Augenblicke die Sprache verschlug. "Du findest also, das Tristan Recht hat?" "Tristan ist eifersüchtig, weil du mehr Zeit mit meinem Bruder verbringst als mit deinen ehemaligen Freunden. Aber du brauchst wohl Abstand um dich zu neu zu ordnen." "Nicht nur das. An den Schulstoff kann ich mich klammern, mit oder ohne Gedächtnis und es hilft mir, nicht zu viel über mich nachzudenken." "Joey, ich verstehe dich doch.", beruhigte ihn Mokuba mit einem leichten Lächeln. "Aber ich verstehe auch Tristan, du bist nun ein vollkommen Anderer und er vermisst seinen ehemaligen Freund. Du solltest dich bald mal mit ihm treffen, alleine und ihm in Ruhe alles erklären." "Wie alt bist du nochmal?", scherzte Joey nun ebenso lächelnd während ihm der Kleinere die neu geholte Gurke entgegenhielt. "Ich bin eben ein Kaiba." Während sich die beiden wieder etwas fröhlicher daran machten das Abendessen vorzubereiten saß Kaiba wie immer um diese Zeit in seinem Arbeitszimmer. Jedoch blieb diesmal der Laptop unbenutzt an seinem Platz stehen und auch keine der daliegenden Mappen wurde angerührt. Schweigend saß er in seinem großen Lederdrehstuhl und starrte ins Nichts während er ab und an seinen Kopf leicht neigte. Auch ihm gingen viele Gedanken durch den Kopf, er konnte keinen von diesen richtig fassen. Es lies ihn unruhig werden und an richtige Arbeit war heute nicht mehr zu denken. Da er einige Leistungskurse besuchte und er in manchen Fächern nicht mit Wheeler eine Klasse teilte hatte er am Schultor gewartet bis dieser nach dem letzten Klingeln erschien. Jedoch war es heute so spät geworden, dass er ihm entgegen gegangen war. Teils aus Ärger, weil der Andere anscheinend bummelte, jedoch leider auch aus leichter Sorge, was er nicht gerne zugab. Jedoch hätte es ja sein können, dass sich der Kleinere wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte. Schon kurz vor dem letzten Treppenaufsatz hatte er die aufgebrachte Stimme von Taylor identifiziert und er war ganz automatisch stehen geblieben. Er hatte nicht vorgehabt zu lauschen, ein Kaiba lauschte schließlich nicht, und ihm war es auch egal, was Irgendjemand von ihm dachte. Jedoch hatte es ihn verwundert, wie vehement der Blonde ihn verteidigt hatte. Er hatte sich klar auf seine Seite gestellt, hatte gegenüber seines Freundes sogar Dankbarkeit ausgedrückt und sich ganz klar positioniert. Dies hatte ihn verwundert und es gab fast nichts was ihn noch in Verwunderung versetzte und er erschrak selbst darüber, wie ihn Wheelers Worte freuten. Auch empfand die Anwesenheit des Kleineren nicht mehr als störend oder lästig. Die Nachhilfe macht ihm inzwischen sogar etwas Spaß und Wheeler gab sich wirklich Mühe seine Erwartungen zu erfüllen. Er honorierte das der Blonde ihm ab und an einen Kaffee hochbrachte und ihm still Gesellschaft leistete. Zwar gab er es nicht gerne zu, aber wenn er in seiner Firma saß, in seinem riesigen Büro, vermisste er es manchmal die gebeugte Gestalt seines Schulkameraden zu sehen, wenn er von seinem Monitor aufblickte. Er hatte sich an Wheeler gewöhnt und daran, dass er meist auf seiner Couch saß und in seinen Schulbüchern las oder sich irgendetwas abschrieb. Die Missgunst von Taylor gefiel ihm gar nicht, gerade er sollte als angeblicher Freund mehr Geduld und Verständnis für den Blonden erübrigen. Wenn er es sogar schaffte, dies zu tun, sollte es doch kein Problem darstellen. Sich leise seufzend die Schläfe massierend stand er von seinem Stuhl auf um etwas die Beine zu vertreten, als es an der Tür klopfte. "Herein." Wie zu erwarten gewesen war, war es der Blonde, der wie immer mit einem Tablett mit Kaffee und etwas Gebäck zu ihm kam. "Mokuba und ich haben angefangen das Abendessen zu kochen. In circa einer Stunde müsste es fertig sein. Ich habe gedacht, bis dahin kannst du eine kleine Stärkung vertragen." Kaiba beobachtete wie Wheeler das Tablett auf seinen Schreibtisch stellte und sich wieder umwandte das Zimmer zu verlassen. "Wheeler.", rief er aus einer plötzlichen Eingebung heraus noch einmal nach ihm, sodass sich der Kleinere noch einmal umdrehte, ihn wortlos ansah. "Danke.", gab er schlicht und einfach jedoch ehrlich gemeint zurück, sodass sich die bernsteinfarbenen Augen des Blonden weiteten. "Bitte. Gern geschehen." Die Tür schloss sich und über die schmalen Lippen des Geschäftsmannes bahnte sich ein leichtes Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)