Die Rebellion von Momotaro ================================================================================ Kapitel 1: Erwischt ------------------- Yuki beschäftigte sich nicht allzu viel mit ihren Klassenkameraden. Sie war nun bereits das fünfte Jahr in Folge Außenseiterin an dieser Schule und daher hatte sie das Gefühl, es ginge sie nichts an, was in der Klasse geschah. Die meiste Zeit über sah Yuki aus dem Fenster und dachte über das Weltall nach. Denn die Unendlichkeit des Weltalls war das einzige, das sie geistig nicht erfassen konnte. Bei allem anderen hatte Yuki keine Probleme. Es war beinahe unheimlich und für jeden in ihrer Umgebung tödlich nervig, wie perfekt Yuki in allem war. Sie musste nicht lernen, um Leistungsüberprüfungen jeglicher Form zu überstehen, Handgriffe zeigte man ihr einmal und schon konnte sie die, als Mensch war sie still, höflich. Lehrern war sie unheimlich, diese unkomplizierte Schülerin. Von den anderen wurde sie leidenschaftlich gehasst. Yuki hörte die Klassenkollegen darüber reden. Es war Herbst, die erste Schulwoche im neuen Semester. Das erste Jahr in der Oberstufe für die Schüler. Yuki fühlte keine Veränderung in sich, diesbezüglich. Sie hätte auch noch in der ersten Klasse sein können. Nur die anderen wirkten sonderbar verändert... Vernünftiger, irgendwie, und seit Yuki wieder in der Schule war, hatten sich schon zwei Mitschülerinnen dazu hinreißen lassen, sich unaufgefordert mütterlich zu zeigen, dem stillen, stets höflich lächelnden Mädchen gegenüber. Eine hatte ihr Zettel zum Mitschreiben gegeben, obwohl Yuki nicht danach gefragt hatte (als ob sie mitschreiben müsste...). Die andere hat Yuki darauf hingewiesen, dass sie vergessen hatte, ihre Straßenschuhe ins Kästchen zu sperren. Die neue Nettigkeit war misstrauenserweckend. Als ob die Leute etwas planen würden. Etwas großes... Yuki wusste nicht, wie lang diese Stimmung anhalten würde, doch nur deshalb kam sie auf die verrückte Idee, sich zu den Sprechenden umzuwenden und nachzufragen: „Ein Neuer aus dem Ausland? Woher wisst ihr das?“ Eine Klassenkollegin, die Yuki eigentlich nie geärgert hatte, die immer nur dabeigestanden war, antwortete: „Ich hab den Klassenvorstand davon reden gehört. Unten vorm Lehrerzimmer, zur Lebert, hat er gesagt, einer aus Indien. Und dass es da vermutlich einige Anpassungsprobleme geben wird, weil die in Indien ja so ein Kastensystem haben und er soll aus einer wichtigen Familie kommen. Und dass es seltsam ist, dass er auf so eine Schule wie unsere geschickt wird.“ Die eine staatliche war, ohne nennenswerten Ruf oder Spezialisierung. Yuki nickte dem Mädchen dankend zu und setzte sich wieder ordentlich hin. Ein Neuer aus Indien. Yuki wusste gar nichts von Indien, außer dass dort viele Elefanten herumliefen. Ob er was von Elefanten verstand? Der Klassenvorstand war Frau Prof. Kummer, die Deutsch und Geschichte unterrichtete und sich perfekt an ihren Nachnamen angepasst hatte. Sie schien über vieles bekümmert zu sein. Mit einem solchen Gesicht betrat sie die Klasse. Ganz wie man sie bereits gewohnt war, faltig, raunzig, beide Mundwinkel gen Boden gestreckt. Stellte sich hinter den Lehrertisch, seufzte einmal ausgiebig und meinte erst danach: „...Setzen.“ Die Schüler, die alle höflich aufgestanden waren, setzten sich wie ein einziger Körper, ein grusliger Anblick. Ein schauerlicher Klang. Die Lehrerin fuhr fort: „Es ist schon etwas spät dafür...“ Klar, dass sie eine Woche Verspätung bekümmerte. „..., aber er konnte nicht früher kommen. Vielleicht habt ihr es schon gehört, in dieser Schule wird ja getratscht wie am Marktplatz...“ Auch das machte ihr sichtlich Sorgen. „..., ihr bekommt noch einen Neuen.“ „Soll reinkommen!“, rief der Mitschüler Raphael heraus, dem das alles wohl zu langsam ging. Und tatsächlich kam der Neue herein. Man hörte ihm seine fremde Herkunft an, er hatte einen Akzent, doch davon abgesehen war sein Deutsch makellos. „Guten Tag. Ich heiße Navin Chaddar und freue mich darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Er verbeugte sich leicht dabei und obwohl Yuki nichts von Indien wusste, kam ihr das alles sehr indisch vor. Er hätte nur noch einen Turban am Kopf und einen Elefanten hinter sich gebraucht. Seine Haare und Augen waren dunkel, auch seine Haut, bronzefarben. Er lächelte freundlich. Navin. Yuki konnte nicht sagen, woher das Gefühl kam, alles schien zu passen. Doch irgendwas stimmte nicht mit ihm. „Sehr schön.“, meinte die Lehrerin mit leidender Miene: „Du kannst dir einen Platz aussuchen, alles, was frei ist, steht zur Wahl.“ Erst danach kam sie auf die Idee: „Oder ist jemand krank heute?“ Ein kollektives „Nein“ antwortete ihr. Es gab auch eine ganz leere Sitzbank, die hätte Yuki gewählt. Doch der Neue traf eine andere Wahl. Er ließ seinen Blick über die Klasse schweifen, eindeutig suchend... Er schien nach etwas Bestimmtem Ausschau zu halten. Seine Augen blieben an Mari kleben. Mari war ein seltsamer Mensch. Sie und Yuki besuchten dieselben Klassen seit dem Kindergarten, was Yuki schon manchmal misstrauisch gestimmt hatte. Andererseits lebten sie in einer kleinen Stadt mit nicht allzu vielen Schulen, da konnte so etwas schon passieren. Mari war ein ausgefallen schönes Mädchen mit langen, blonden Locken und strahlend grünen Augen, melancholischen Augen, die einen gefangen nehmen konnten, und sie wirkte auch sehr nett. Man brauchte Zeit, um zu merken, wie hinterhältig Mari war. Sie war es gewesen, die in der Volksschule alle gegen Yuki aufgehetzt hatte. Im Kindergarten hatte Yuki noch Freunde gehabt. In der Volksschule hatte Mari, scheinbar ohne es bös zu meinen oder absichtlich getan zu haben, angedeutet, dass Yuki nur deshalb so gute Noten bekam, weil ihre Mutter ihre Hausaufgaben machte. Was nicht stimmte. Aber Mari wirkte nett, sie wirkte zurückhaltend und sensibel, nebenbei war sie wunderschön und jeder, mit dem sie sprach, fühlte sich, unwillkürlich, zutiefst geehrt. Der Kampf gegen von Mari gestreute Gerüchte schien Yuki von Anfang an aussichtslos zu sein. Außerdem war Yuki eh nicht so gut in Freundschaftsführung. Darum hatte sie ihre neue Stellung in der Gruppe einfach akzeptiert. Mari war leicht rot geworden, als Navin sich neben sie gesetzt hatte. Offensichtlich gefiel er ihr. Sie ergriff die Gelegenheit auch sofort beim Schopf und flüsterte ihm etwas zu. Er lachte beifällig. Yuki hörte auf, die beiden zu beobachten. Eigentlich verstand sie gar nicht, warum sie überhaupt damit begonnen hatte. Etwas an diesem Inder stimmte nicht... In der Pause erzählte Besuch aus der Nebenklasse, dass auch sie eine Neue hatten, ein Mädchen aus Kanada. Gleich zwei Neue und beide aus weit entfernten Ländern... Yuki konnte nicht sagen, was sie aufhorchen ließ, aber es zwang sie dazu, die betreffende Nebenklasse zu besuchen und den Neuzugang persönlich unter die Lupe zu nehmen. Auch ihr hörte man den Akzent deutlich an, obwohl das Deutsch grammatikalisch einwandfrei war. Ein sonnengebräuntes Mädchen mit hellblonden Fransen, bei weitem nicht so gutaussehend wie der Inder, eher wie ein Wischmob. Mit schmalen, blitzend blauen Augen. Auch sie hatte sich zu jemandem dazugesetzt. Einem Mädchen mit langen, blonden Haaren und grünen Augen. Das musste ein Zufall sein. „Mach Platz, Streber.“, schaffte man Yuki an, die den Eingang zum Klassenraum blockierte. Ruhig trat sie zur Seite und entschuldigte sich. Noch einmal blickte sie zur Neuen. Die erwiderte nun ihren Blick. Und wirkte mit einem Mal furchtbar erstaunt. Ihre Sitznachbarin wollte das Gespräch zwischen ihnen weiterführen, doch die Neue schien sie nicht mehr zu hören. Sie starrte Yuki groß an. Die fühlte ein leichtes Kribbeln in ihrem Kopf, nah dem rechten Ohr, und zog sich schnell zurück. Als ob sie auf der Flucht wäre, ging Yuki zügig zu ihrem eigenen Klassenraum zurück und setzte sich. Sie sank in ihrem Sitz zusammen. Obwohl Yuki nicht sagen konnte, woher das Bedürfnis kam, sich zu verstecken, war es zu übermächtig, um ignoriert zu werden. Am liebsten hätte Yuki sofort ihre Sachen gepackt und wäre nach Haus gelaufen. Sie bemühte sich, nicht zur Klassentür zu schauen. Und war heilfroh, als es läutete und der Lehrer der nächsten Stunde den Raum betrat. Dieser Wischmob... Und der Inder... Beide wirkten unerklärlich falsch. Kurz sah Yuki zum klasseneigenen Neuen zurück. Er erwiderte ihren Blick für einen Moment. Dann nickte er. Als ob er verstanden hätte, obwohl Yuki gar nichts gesagt hatte. Schnell richtete Yuki ihre Augen auf die Tafel und atmete tief durch. Das Gefühl war deutlich. Sie musste hier weg. Kapitel 2: Betäubt ------------------ Es gab noch zwei weitere Neue. In den übrigen zwei Parallelklassen war auch jeweils ein Schüler hinzugekommen. Das fanden alle Schüler des Jahrgangs furchtbar komisch, jeder redete von dem kuriosen Zufall. Und beide aus ebenso fremden Ländern. Einer kam aus Botswana, einer aus Argentinien. Das konnte kein Zufall sein. Dass jener aus Argentinien stur seinen komischen Indianer-Jones-Hut aufbehielt, obwohl er wiederholt von Lehrern dazu aufgefordert wurde, ihn abzunehmen, machte es noch mysteriöser. Yuki trat vorsichtig hinter den Türstock zurück, an dem sie vorbeigelugt hatte. Nachdenklich und nach wie vor verwirrt darüber, wie deutlich ihr Körper hier wegwollte, kehrte sie zu ihrer Klasse zurück. Dort lehnte der Inder, Navin, neben der Tür an der Wand - nur halbherzig am Gespräch mit einigen anderen Schülern, darunter Mari, beteiligt – und sah ihr entgegen. Verunsichert blieb Yuki stehen. Nur noch zwei Minuten, dann war auch diese Pause vorbei. Dann musste der Neue auf seinen Platz zurück und Yuki konnte gemeinsam mit dem Lehrer hineingelangen... Woher kamen diese taktischen Überlegungen? Warum hatte sie solche Angst vor dem Jungen? Der löste das Problem auf seine Weise, ließ die anderen einfach stehen und kam auf Yuki zu. Neben ihr angekommen flüsterte er: „Verzeihung, ich wusste nicht, dass hier schon jemand ist.“, dann ging er. Nicht in die Klasse zurück. In der nächsten Stunde fehlte er. Der Lehrer wunderte sich nicht schlecht. „Nanu?“ Aber erklärte es sich damit, dass es vielleicht zu einem interkulturellen Missverständnis gekommen ist. Schließlich war Navin Inder. Und keiner hier wusste viel von Indien. In der Garderobe nach der Schule wurde Yuki vom Mobmädchen abgefangen. Plötzlich stand sie vor Yuki, in unpassend provozierender Haltung, betont locker an die Kästchenreihe gelehnt. Sie war um einen halben Kopf kleiner als Yuki. Was die Situation nur noch absurder erscheinen ließ. Und stellte fest: „Mein Kollege ist ein Idiot.“ Yuki hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, doch pflichtete vorsichtshalber bei. Höflich lächelnd meinte sie: „Das ist er.“, und wollte an dem Blondschopf vorbeigehen, doch diese stieß sich von der Kästchenreihe ab und trat Yuki in den Weg. Mit vor der Brust verschränkten Armen. „Du bist nämlich gar nicht von uns.“, fuhr sie fort. Das war eine Aussage, bei der sich Yuki sicher war, zustimmen zu können. Sie nickte. „Richtig.“ „Aber wenn du nicht von uns bist, frag ich mich...“ Die Körperhaltung des Mädchens wurde noch bedrohlicher, noch absurder. „..., wer bist du und was tust du hier?“ Die Fragen schienen einfach zu beantworten zu sein. Yuki meinte: „Ich bin Oshima Yuki und geh hier zur Schule.“ Das Mädchen fragte: „Soll ich dich erst foltern?“ Yuki antwortete: „Lieber nicht.“ Das Mädchen meinte: „Dann sag mir die Wahrheit.“ Yuki fragte vorsichtig: „Was ist denn die Wahrheit, deiner Meinung nach? Ich mein, was könnte denn so eine Wahrheit sein?“ Denn das ganze Gespräch war von Anfang an zu realitätsfern gewesen, um in Yuki auch nur eine Vermutung darüber aufkommen zu lassen, worauf die Neue hinauswollte. Yuki war heilfroh darüber, als hinter der Neuen ein vertrautes Gesicht auftauchte. Mari. In Straßenschuhen und Mantel – vermutlich war sie schon auf dem Heimweg gewesen – kam sie auf die beiden zu und baute sich, neben Mobkopf, vor Yuki auf. Auch sie wirkte nicht ganz ungefährlich, aber bei weitem nicht so verwirrend wie die andere... Eindeutig das kleinere Übel. Yuki lächelte sie erfreut an. „Ah, Mari! Hast du was vergessen?“ Und hoffte darauf, dass Mari sagen würde: „Ja, dich.“, um sie danach mitzunehmen, weg von den unheimlichen, angeblich fremdländischen Gestalten, die diese Schule zu invadieren schienen. Doch Mari wollte ihr Anliegen scheinbar vor Ort klären. Sie fragte: „Was hat der Neue von dir gewollt?“ Sie klang dabei ungewohnt schroff. Sonst wirkte Mari stets beherrscht und höflich. Yuki antwortete wahrheitsgemäß: „Keine Ahnung.“ Mari fragte weiter: „Und warum ist er nachher einfach weg?“ Sie fügte hinzu: „Warst du gemein zu ihm?“ Der Mob mischte sich ein: „Ach, der ist ein Trottel, deshalb ist er weg! Wah, ich könnt mich so aufregen über den!“ Und zerwuschelte sich unbeherrscht ihre blonden Fransen. Mari sah sie groß an. „...Kennst du ihn etwa?“ Das Mädchen schaute groß zurück. Schließlich meinte sie: „...Nein.“, sodass jeder deutlich hören konnte, dass sie log. Daher fragte Mari: „Woher kennst du ihn?“, und Yuki: „Gehören die anderen Neuen auch zu euch?“ Der Mob murmelte: „Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten.“ Mari fragte: „Wohin ist er denn gegangen?“ Und Yuki: „Was verbirgt der Argentinier unter seinem Hut?“ Die Neue warf verzweifelt ihre Arme in die Luft und rief: „Warum muss das immer mir passieren?“ Dann sah sie Mari in die Augen. Mari fiel um wie ein Brett. Erschrocken sprang Yuki hinzu, um ihren Sturz abzubremsen. Dabei wandte sie dem Mob kurz den Rücken zu. Yuki konnte nicht sagen, was ihr passierte, sie wusste nur, dass es biss... Ein plötzlicher Schmerz an der Schulter, ein Schock, der durch ihren ganzen Körper fuhr und ihn kurzzeitig von ihrem Hirn abzukoppeln schien. So der Kontrolle über ihre Muskeln enthoben brach Yuki zusammen und stürzte mit Mari, auf Mari. Durch Mari, in Schwärze. Kapitel 3: Verpackt ------------------- Es war kalt, als Yuki aufwachte. Alles um sie herum. Die Kälte war bereits durch die Kleidung in den Körper eingedrungen, durchgedrungen, noch im Halbschlaf gefangen und kaum fähig, sich ihm zu entreißen, rollte sich Yuki zu einer festen Kugel zusammen und fror. Sie zitterte, je wacher sie wurde, desto heftiger. Bald schlugen die Zähne so hart zusammen, dass sie es im Hirn spürte, da schaffte sie es endlich, sich aufzurappeln. Auf alle Viere. Mit geschlossenen Augen. Die Augenlider mussten angeschwollen sein. Und der Mund fühlte sich unerträglich trocken an. Die Zunge klebte. Yuki zwang die Augen mit Gewalt auf. Jemand rief: „Eine ist aufgewacht!“ Eine bekannte Stimme. Nur der erwartete Akzent blieb aus. Es war Navin. Yuki schüttelte stur den Kopf, rieb das Gesicht am abgestützten Arm, tat alles, um endlich wieder sehen zu können. Zunächst blieb alles verschwommen, trotzdem erkannte Yuki eine metallene Unterfläche. Auffällig sauber, darin schwankte ihre eigene Spiegelung sachte hin und her. Eisenstäbe. Nein, eigentlich fühlte sich auch der Untergrund nicht wie Eisen an. Kalt, ja, aber eher... kristallen. Die Stäbe glänzten. Sie schienen durchsichtig zu sein. Dahinter stand Navin und beobachtete Yuki. Dann ging er einige Schritte weiter. Und stellte fest: „Die Prinzessin schläft noch!“ „Wie geht’s der Exilantin?“, kam es von weiter weg. „Sie friert!“, gab Navin zurück. „Mhm.“, murmelte Yuki zustimmend. „Und der Kopf tut weh.“, wollte sie hinzufügen, doch ihre Zunge konnte sich nicht regen und was rauskam, war: „Hnangmn...“ „Ihr tut der Kopf weh!“, übersetzte Navin für sie. Tief beeindruckt blieb Yuki der Mund offen. „Das ist normal nach einem so starken Elektroschock!“, gab die Stimme von weiter weg zurück: „Bring ihr was zu trinken, das wird schon wieder!“ Ein Elektroschock also! Das war der Biss gewesen. Und nun erkannte Yuki auch die Stimme von weiter weg. Der Mobkopf war da. „Wie kann man nur so ungeschickt mit einem Elektroschocker sein!“, rief Navin zurück, während er wo anders hinging. Vermutlich ein Glas Wasser holen. Er verschwand aus Yukis erbärmlich verschwommenen Sichtfeld. An den Rändern war es noch undeutlicher und der Kopf weigerte sich,die Bewegungen nachzuvollziehen, die das Hirn für ihn plante. „Ich bin ja kein Techniker!“, gab der Mob zurück. „Das Minus heißt weniger Spannung, das Plus mehr!“, erklärte Navin, er klang dabei offen genervt: „Sowas kann sich einem ganz intuitiv erschließen, selbst einer Techniknull wie dir!“ „Warum regst du dich so auf?“, kam es vom Mob zurück: „Sie lebt ja noch!“ „Hngnfl!“, mischte Yuki sich empört ein. „Dem kann ich nur beipflichten!“, rief Navin. Er schien Yuki tatsächlich zu verstehen. Ob er Gedanken lesen konnte? Seine Beine kehrten in Yukis Gesichtsfeld zurück, beugten sich, er ging in die Hocke vor dem Käfig, in dem Yuki saß. Und fragte sacht: „Kannst du allein trinken?“ Yuki bezweifelte, dass sie sich überhaupt bewegen konnte. Sie versuchte nach vorn zu krabbeln, stolperte über ihre eigenen Hände und fiel flach zu Boden. Über sich hörte sie Navin seufzen und was er rief, dröhnte in ihrem Kopf hundertfach wieder: „Ich öffne die Zelle!“ „Nein!“, kam es prompt zurück: „Auf keinen Fall! Mit diesen Exilanten ist nicht zu spaßen!“ „Sie weiß ja nicht einmal, was ein Exilant ist!“, hielt Navin dagegen. „Spielt keine Rolle!“, meinte der Mob: „Wenn sie eine Chance sieht, wird sie sich sehr schnell wieder erinnern und dann haben wir den Salat!“ „Wfnhngrn?“, fragte Yuki leise vom Boden her Navin. „Das werd ich dir erklären, sobald es dir wieder ein bisschen besser geht.“, versprach Navin: „Ich stell das Glas hier vor dich und eine Decke bring ich auch gleich.“ „Keine Decke!“, befahl Mob mit den Luchsohren: „Du weißt nicht, was ihr damit alles einfällt!“ „Wenn sie uns umbringen will, dann wohl eher mit dem Glas als mit einer Decke!“, meinte Navin, der Spott war deutlich hörbar. Der Mob schwieg ein wenig, dann meinte er: „Hast recht! Gib ihr nicht das Glas!“ „Ach, Himmel...“ Navin hatte vermutlich eben die Augen verdreht. Yuki hievte sich erneut auf ihre Arme hoch und ließ sich zur Seite in eine sitzende Position fallen. Die Gelenke lohnten es ihr mit unangenehm harten Pochen, die Muskeln schienen reißen zu wollen, sie gaben kein Stück nach und Yuki musste einige Male tief durchatmen, bevor der allgegenwärtige, dröhnend um sich schlagende Schmerz auf ein erträgliches Maß abgeklungen war. Sie fühlte sich wie ein einziger Muskelkater. Yuki zielte auf das Glas, doch ihre Hand zitterte zu sehr und stieß gegen die Gitterstäbe. „Lass dir Zeit.“, meinte Navin freundlich: „Ich schau inzwischen zu deiner Freundin.“ ...Zu Mari? Nun begriff Yuki erst, wer vorhin vermutlich mit Prinzessin gemeint gewesen war. Aber Mari war nicht ihre Freundin. Sie ließ ihre Hand langsam an der Stange vorbeigleiten und hinaus aus dem Käfig. Sie stieß gegen das Glas, das fiel um und das Wasser schwappte über den glatten Boden. „Na toll!“, bemerkte der Mob, er war plötzlich deutlich näher als davor. „Hngdn.“, meinte Yuki trocken. „Ja, hättst halt noch gewartet.“, meinte Mobfrau. Sie hockte sich eben neben Yukis Käfig, hob das Glas auf und wischte das Wasser mit ihrem Ärmel auf. „Und wer steuert jetzt das Schiff?“, fragte Navin. „Der Autopilot?“, fragte Wischmob zurück. „Na fein... Weißt du, wann der zum letzten Mal gewartet wurde?“ Navins Schritte entfernten sich eilig. Der Mob sah ihm nach und zerzauste sich mal wieder ärgerlich die Haare. „Wah! Der Kerl regt mich so auf!“ Sie packte das Glas fester und ging davon. Kurz darauf war sie mit frischem Wasser zurück, langte in die Zelle. Hatte Yuki so schnell am Kragen, dass diese gar keine Zeit hatte, wegzuschrecken. Mit der anderen Hand hielt sie Yuki das Glas vor den Mund. „Gehts so?“ ...Dieses Mädchen war ja furchtbar grob. Yuki musste den ersten Schluck mit Gewalt die Kehle runterzwingen. Der zweite war schon leichter. Nur dann wurde ihr schlecht, und schon war das ganze Wasser wieder draußen. Wischmob betrachtete sich die Sauerei, die teils auch an ihrem Arm klebte. „...Ganz toll.“ Sie nahm das Glas wieder mit sich und verschwand. Yuki saß noch eine Weile. Bis der Magen aufgehört hatte, sich wie ein gefangener Aal zu winden und auch das Zittern etwas abgeklungen war. Dann drehte sie sich um, in die Richtung, in der sie Mari vermutete. Die lag in einer bequem wirkenden Schlafkoje, welche in der metallen glänzenden Wand des Raumes eingelassen war. Natürlich. Yuki hockte in einem kalten Käfig und Mari residierte währenddessen friedlich in einem richtigen Bett. Vermutlich mit Matratze. Sie war sogar zugedeckt. Yuki nahm an, weil sie das Glück hatte, keine Exilantin zu sein. Was auch immer eine Exilantin war. Yuki sah sich weiter um. Inzwischen hatten die Farbflecken wieder an Konturen gewonnen, sehr rasant, als hätte jemand einfach die Frischhaltefolie zerschnitten, die Yukis Sicht behindert hatte. Sie erkannte einen Durchgang, dahinter waren zwei Sitze, viele Konsolen und dahinter ein großes Fenster in die Leere. In Schwärze. Mit einzelnen Punkten. Sternen. Es war also bereits Nacht. Yuki sah zur anderen Seite. In der Wand, wo Mari schlief, waren noch weitere Kojen zu finden. Vielleicht befanden sie sich an Bord eines Schiffs. Tatsächlich hatte Navin auch vorhin von einem Schiff gesprochen. Nur hatte er gemeint, wer es flog... Dabei flogen Schiffe nicht. Außer es waren Raumschiffe. Nicht wahr? Yuki wandte sich wieder der vorigen Blickrichtung zu. Das Fenster zeigte nach wie vor friedlichen Sternenhimmel. Und plötzlich dachte Yuki: Was, wenn es das schon war? Wenn überall um sie herum nur Sternenhimmel war. Wenn sie mittendrin im Sternenhimmel waren. Könnte man dann nicht sagen, sie wären im Weltall? In einem Schiff ...Raumschiff? Zu unrealistisch? Nun, sie saß in einem Käfig aus unbekanntem spiegelnden Material, nicht durchsichtig, wie Yuki nun klar sah, und Mari schlief in einer Koje und es war auch tatsächlich ein leises Brummen zu hören, unauffällig im Hintergrund, aber vorhanden, nicht zu vergessen ein leichtes Vibrieren, hin und wieder, durch den Boden. Yuki befand sich eben vielleicht im Weltall. Dabei wollte sie da schon immer hin! Aufgeregt sprang sie auf. Nein, die Muskeln funktionierten noch nicht so richtig. Yuki brach gleich wieder zusammen, die Knie waren überfordert, und fiel hart auf den Boden zurück. Aber das Glas Wasser konnte sie inzwischen vermutlich bereits halten. Sie schlug aufgekratzt gegen die Gitterstäbe. Navin kam. „Wasser.“, verlangte Yuki. Ah, sie konnte sogar wieder sabbern, wenigstens klebte ihre Zunge nun nicht mehr. „Bist du dir sicher?“, fragte Navin unsicher nach, mit Blick auf die stehende Kotzlacke um Yuki herum. „Sind wir im Weltall?“, fragte Yuki unzusammenhängend, statt Antwort zu geben. „Ja.“, meinte Navin: „Macht dir das Angst?“ Yuki sah ihn fassungslos an. Schließlich musste sie laut auflachen, um auszudrücken, was sie eben fühlte, und endlich fand sie auch die passenden Worte: „Ich bin begeistert!“ „Ah...“ Navin lächelte warm. „Dann ists gut. Ich hol jetzt dein Wasser.“ Er ging. Zum Waschbecken neben der Kabine in der hinteren Ecke des Raums. In der vermutlich das Klo war. Aus dem Kasten über dem Becken nahm er ein Glas und füllte es. Yuki konnte es nicht erklären. Sie atmete tief durch. Gefilterte und abermals gefilterte Raumschiffsluft, ein übler Nachgeschmack... Sie konnte das gar nicht kennen. Und die Leere um sich herum, die selbst ihr schneller Geist nicht zu umfassen imstande war, all das fühlte sich an, als ob Yuki nach langer Zeit wieder nach Haus gefunden hätte. Sie sah aus dem Fenster und konnte nicht zu grinsen aufhören. „Gesichtslähmung?“, vermutete Wischmob, die hinter einer der hohen Sessellehnen hervorblickte: „...Oder ein erster Fetzen Wiedererkennens. Na, auf alle Fälle schauts scheiße aus.“ Sie lachte kurz, bevor ihr Kopf wieder hinter der hohen Lehne verschwand. Yuki bekam ihr Wasser, hinter ihr raschelte die Bettdecke, als Mari sich im Schlaf bewegte. Yuki nahm einen Schluck und fragte dann: „Was ist eigentlich mit ihr?“ Dabei wies sie auf Mari. „Denn soweit ich mich erinner hat Mobkopf sie nur angeschaut...“ Der Kopf war sofort wieder hinter der Lehne hervor und fauchte: „Wen nennst du hier Mobkopf!“ „Naja...“, meinte Yuki und wies dabei auf Mobs Haare. „Du red nix!“, gab Mob wütend zurück und wies dabei auf Yukis Haare. Die zugegebenermaßen auch nicht besonders ordentlich waren. Besonders nach dem Elektroschock... „Na, das ist wohl dein Werk.“, meinte Yuki daher, während sie sich bereits verlegen durch die in alle Richtungen stehenden dunklen Locken fuhr. „Warum müsst ihr eigentlich alle so gemein zu mir sein?“, verlangte Mob empört zu wissen: „Mir gefällt die Frisur und wer hat euch überhaupt gefragt und außerdem, nur weil ihr das hässlich findet, heißt das noch lang nicht, dass es das auch ist! Oder?“ „Richtig.“, bestätigten Navin und Yuki schnell, wie aus einem Mund, und: „Verzeihung.“, fügte Yuki noch höflich hinzu. Mob sah sie einen Moment lang lauernd an. Schließlich entspannte sie sich wieder und meinte: „Schon gut.“ Ihr Kopf verschwand abermals. Mari fragte: „Wo bin ich?“ Yuki rief Mob hinterher: „Eigentlich find ich es auch gar nicht hässlich! Ich meinte ja nur, dass es nach Mob aussieht, aber wer sagt denn, dass ein Mob hässlich ist...!“ „Du hilfst dir nicht!“, warnte die Sessellehne sie. „Guten Morgen, Prinzessin.“, grüßte Navin die erwachte Mari: „Hast du Hunger?“ Nun konnte Yuki nicht mehr umhin, nagende Eifersucht zu empfinden. In einem Bett zu schlafen und mit so freundlichen Worten empfangen zu werden... Obwohl Navin auch zu ihr nicht unhöflich gewesen ist, aber vom Service, das Mari erhielt, war Yukis trotzdem meilenweit entfernt. Mari richtete sich kerzengerade auf, sie wirkte deutlich verstört, und fragte noch einmal, aber diesmal mit Nachdruck: „Wo. Bin. Ich?“ Navin verbeugte sich. „Verzeihung, das muss dir alles sehr seltsam vorkommen. Aber du bist nicht in Gefahr, das versicher ich dir.“ Das erinnerte Yuki an etwas. „Oh! Bin ich in Gefahr?“ Denn immerhin saß sie in einem Käfig, ohne erkennbaren Grund, und wurde Exilantin genannt... „Wenns nach mir ginge, hättest dus schon hinter dir, die Gefahr!“, rief die Sessellehne ihr zu. „...Nein, bist du nicht.“, antwortete Navin Yuki mit besänftigender Stimme, nachdem er einmal mehr die Augen verdreht hatte. „Yuki!“, bemerkte Mari! Sie sprang aus ihrer Koje. Sie wirkte beneidenswert agil. Frustriert zog Yuki die Augenbrauen zusammen. So gestaltete sich ihr Leben bereits seit etlichen Jahren, für Mari und gegen Yuki. Kapitel 4: Verschickt --------------------- „Was machst du denn in diesem Käfig?“, fragte Mari und die Sorge in ihrer Stimme entschädigte Yuki etwas für all die ertragenen Unannehmlichkeiten. Sie lächelte schwach. „Scheinbar bin ich eine Exilantin.“ „Exilantin?“, wiederholte Mari verständnislos: „Im Exil? Welches Exil? Und für was?“ „Erlaub mir zunächst, dass ich mich und meine Kollegin vorstelle.“, mischte sich Navin ein. Mari sah ihn an und wurde tatsächlich wieder rot. Diese Frau... Navin fuhr fort: „Wir sind Soldaten der Flaggengarde der Auserwählten. Einer Menschenart, die im Weltraum lebt, in den äußersten Sphärenschichten unseres Sonnensystems. Ich bin Hauptmann Miki, die dort ist Generalin Chiba.“ „Ich bin ranghöher als er.“, kam es selbstzufrieden hinter der Lehne hervor. „Richtig.“, bestätigte Navin, der scheinbar Miki hieß, merklich widerstrebend. „Ich bin seine Kommandantin.“, fügte der Mob aus dem Off hinzu. „Gänzlich unverdient.“, murmelte Miki leise in sich hinein. Der Mobkopf beugte sich an der Lehne vorbei. „Das hab ich gehört.“ Miki machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nein, machst es eh gut...“ Der Mob sprang vom Sessel auf. „Immerhin leben wir noch alle!“, rief sie aus. „Selbst ich leb noch!“, fügte Yuki hinzu: „Obwohl dieser Zwerg wirklich keine Ahnung von Elektroschockern hat!“ „Stimmt.“, sagte Miki und kicherte verhalten. „Ach, verfluchte Technik!“, lamentierte Mobkopf Chiba theatralisch: „Die kann mir gestohlen bleiben, die verfluchte Technik!“ Danach war es momentelang totenstill im Schiff. Chiba war beleidigt, Miki noch immer von Yukis Hinweis amüsiert, Yuki hatte sich ausgesprochen und Mari war zu verwirrt, um auch nur ein Wort hervorbringen zu können. Schließlich fing sich Mari wieder und versuchte ihre Situation mit Vernunft zu verstehen. „...Wir sind im Weltraum?“ „Ja.“, bestätigte Miki. „Toll, nicht?“, fügte Yuki begeistert hinzu. Mari nickte einfach, obwohl sie es vermutlich nicht im Geringsten so toll fand wie Yuki. Aber sie hatte auch nicht dieses überwältigende Gefühl in sich toben, endlich nach Haus gekommen zu sein. Diese unerklärliche Vertrautheit mit allem um sie herum. Mari fragte weiter: „Und ihr seid Außerirdische?“ „Eher Auswanderer.“, berichtigte Miki. „Ich bin Erdling wie du.“, meinte Yuki. „Lüg nicht.“, zischte Chiba ihr zu. „Sie weiß es ja nicht besser.“, erinnerte Miki sie. „Pff.“ Dieses Argument ging verloren an Chibas anhaltendem Misstrauen Yuki gegenüber. „Die tut doch nur so. Einmal Rebell, immer Rebell.“ Mari musterte Yuki nachdenklich. Dann fragte sie: „Hast du dich angepischt?“ Mit einem Blick auf die Lacke um Yuki. Diese winkte ab. „Nein, nur gekotzt.“ „Na dann ists ja gut... Und wohin fliegen wir?“ „Zum Flaggschiff unserer Flotte.“, erzählte Miki: „Dort führen wir dich dem Generalsstab vor...“ „Zu dem gehör ich auch.“, erinnerte Chiba alle Anwesenden. Schon verdrehten sich Mikis Augen wieder. „..., die führen eine Befragung durch, um zu sehen, ob du wirklich zur Prinzessin geeignet bist.“ „Und wenn ich besteh?“, fragte Mari. „Behalten wir dich und hoffen das Beste.“, antwortete Miki mit einem breiten Grinsen. „Ist so ein Prophezeihungskram.“, fügte Chiba offen geringschätzig hinzu: „So eine Such-die-holde-Jungfer-mit-dem-Flachshaar-Sache. Beschäftigungstherapie von und mit unseren ehrenwerten Hochpriestern. Zeitverschwendung.“ „Vorsicht.“, bemerkte Miki warnend: „Sonst bist du gleich die nächste Exilantin.“ Yuki horchte auf. „Ah, so wurde ich eine?“ Im Cockpit des Schiffs erhob sich ein penetrantes Piepen, wurde schnell lauter. „Annäherungsalarm!“, erkannte Chiba mit Expertenmiene im Gesicht. Hastig hüpfte sie in ihren Sessel zurück. Miki folgte ihr ebenso rasch. Zurück blieben Mari und Yuki, beide nicht ganz sicher, ob sie auch nur ein Wort von dem glauben konnten, was sie eben zu hören bekommen hatten. Mari beugte sich zu Yuki herab. Leise fragte sie: „Geht es dir gut?“ Yuki fragte zurück: „Geistig oder körperlich?“ „Komm mir nicht altklug.“, ermahnte Mari sie: „Sag einfach, wenn ich dich hier rausholen würde, könntest du bei unserer Flucht hilfreich sein?“ „Ah.“ Hier musste Yuki ein bedauerndes Lächeln aufsetzen. „Ich befürchte nicht. Mir tut echt alles weh.“ „Arme Maus.“, meinte Mari und Yuki war sich nicht ganz sicher, ob sie das nun ernst gemeint hatte oder bloß über Yukis Wehleidigkeit spottete. „Rebellen!“, rief Miki nach hinten. Kapitel 5: Verirrt ------------------ „Rebellen!“, rief Miki nach hinten: „Das könnte nun etwas unangenehm werden!“ „Die riechen ihren Artgenossen!“, fügte Chiba grimmig hinzu: „Miki, das Waffensystem!“ „Fährt hoch!“, gab Miki zurück. „Ich würd gern mal wissen, woraus die schließen, dass ich zu denen gehör.“, murmelte Yuki resigniert: „Ich kenn die doch gar nicht.“ „Typisch Yuki.“, gab Mari ebenso resigniert von sich: „Immer in Schwierigkeiten.“ Yuki sah sie fassungslos an. „...Wegen dir! Nur wegen dir mochten die mich nicht, weil du erzählt hast, dass mir meine Mama alles macht!“ „Willst du diese alte Geschichte wirklich jetzt aufwärmen?“, versicherte Mari sich. Angesichts dieser Frechheit blieb Yuki schlichtwegs die Spucke weg. Sie gab auf, wie schon so viele Male zuvor, und lehnte sich erschöpft gegen die Gitterstäbe hinter ihr. Im nächsten Moment schlugen die Gitterstäbe schmerzhaft fest gegen ihren Rücken, während unter ihr der Boden wegsackte. Haltlos stürzte Yuki nach vorn und konnte sich eben noch zusammenkugeln, bevor sie an die gegenüberliegenden Stäbe prallte. Sie erinnerte sich an einen Würfel im Becher, als der Boden zur anderen Seite ausschlug und Yuki zurückwarf. Irgendwo, hinter, über, neben Yuki, keuchte Mari erschrocken auf und Mikis Stimme rief: „Schilde auf 76 %!“ Es donnerte, laut, wie von einem nahen Blitz. Chiba rief: „Was ist denn mit den Dämpfern los?“ „Auch schon lang nimmer gewartet!“ „Jetzt ziel doch mal ordentlich!“ „Mach doch du, wenn dus besser kannst!“ Der Untergrund pendelte sich wieder ein, Yuki blieb in einer Ecke ihres Käfigs liegen und klammerte sich hastig an die Stäbe, bevor das Gerüttel von Neuem beginnen konnte. Mari hatte sich ebenfalls an die Stäbe geklammert. Leise fragte sie Yuki: „Wie alt sind die beiden eigentlich?“ Yuki, um die sich alles drehte, reagierte stark verspätet mit: „Hä?“ „Immerhin ist das ihr Revier hier.“, flüsterte Mari wütend: „Wehe die vergeigen das. Ich will nicht sterben wegen diesen unfähigen Idioten!“ „Keine Sorge, wir kriegen das hin!“, rief Miki nach hinten. Mari wurde erneut rot, mehr als je zuvor. Sie sah Yuki erschrocken an. „Wie hat er das hören können?“ „Er kann Gedanken lesen.“, erklärte Yuki ernst. „Ah?“ Es rüttelte ein weiteres Mal das ganze Schiff durch, es donnerte wieder, es gab weitere Prozentzahlen zum Schildwert, Chiba fluchte. Mari biss zornig die Zähne zusammen. So hatte Yuki sie noch nie erlebt. Dieses Mädchen schien angesichts ihres drohenden Todes tatsächlich furchtbar wütend zu werden, anstatt vor Angst gelähmt herumzukauern, zu was Yuki eher tendierte... Und dann reichte es Mari einfach. Sie sagte es sogar: „Jetzt reichts!“, bevor sie aufsprang und ins Cockpit stürzte, um dort loszubrüllen, als ob sie die Ranghöchste wäre. „Seid ihr beide echt so unfähig? Weg da, ich schieße!“ „Du kannst es auch nicht besser!“, brüllte Chiba zurück, die tatsächlich den höchsten Rang hatte. Sie klang eindeutig geübter im Brüllen. „Hol die Exilantin!“, brüllte Miki dazwischen. Auch er war nicht schlecht, aber man merkte ihm den Mangel an Übung doch deutlich an. Mari versicherte sich: „...Yuki?“ Chiba widersprach: „Auf keinen Fall!“ „Sie erinnert sich wirklich an nichts mehr!“, versicherte Miki ihr: „Glaub mir, ich muss es wissen! Aber ihr motorisches Gedächtnis wurde nicht gelöscht, sie kann uns helfen!“ „Wah!“ Chiba war hörbar frustriert von dem guten Argument. Doch sie entschied, wie es ihre Position von ihr verlangte: „Gut, versuchen wirs!“ Miki sprang auf, drängte an Mari vorbei und rannte auf Yukis Käfig zu. Dieser war gar nicht nach Helfen. „Ich kann das nicht.“, versicherte sie Miki, noch bevor er das Schloss erreicht hatte. Miki lächelte aufmunternd. „Doch, sicher. Du machst das schon.“ Dann tippte er den Code ins Schloss ein und die Tür des Käfigs sprang auf. „Komm.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. Yuki versuchte noch einmal, ihm die dumme Idee auszureden. „Wirklich, das endet alles in einer großen Katastrophe.“ „Ach was.“, fegte er den Einwand zur Seite: „Wirst sehn, es wird dir Spaß machen.“ Einen kurzen Augenblick lang sah Yuki in die dunklen Augen... Ruhig und warm. Ohne Furcht. Sie ergriff die angebotene Hand und ließ sich aus dem engen Gefängnis zerren. Miki musste sie stützten, auf dem Weg zum Cockpit, und auf den Stuhl bugsieren wie eine alte Frau. Yuki sah auf die vielen Konsolen herab. Lichter. In erster Linie waren wirklich viele verschiedene Lichter zu entdecken. Keine Schriftzeichen, nur Symbole. Manche bewegten sich. Ein Blick aus dem Frontfenster ließ sie das richtige Symbol der Position des Gegners zuordnen. Ein hässliches Schiff. Andererseits wusste Yuki ja nicht, wie ihr eigenes aussah. Aber das vor ihr war ein einziges, mitleiderregendes Flickwerk, mit Platten in allen Farben und Schattierungen, zusammengehalten von den verschiedensten Schrauben, Schweißnähten und Metallstreifen. Und keinem Fenster. „Ein Maulwurf.“, erklärte Miki leise: „So nennen wir Schiffe ohne Fenster. Gut gepanzert, aber muss seinen Sensoren vertrauen, wenn es darum geht, die Umgebung wahrzunehmen.“ Etwas regte sich am anderen Schiff. Yuki erkannte es wieder und rief Chiba zu: „Ausweichmanöver, sofort!“ Chiba reagierte ohne zu fragen und das gegnerische Schiff schien nach oben zu stürzen, während das eigene mit unerwarteter Geschwindigkeit nach unten absackte. Besonders ungewohnt war, dass man im Inneren des Schiffes nichts von der Bewegung mitbekam. Als ob sie nie stattgefunden hätte. „Der Schwerkraftgenerator gleicht das alles aus.“, erklärte Miki, während über ihnen ein grellgelber Strahl die Schwärze des Raums durchstach. Ein leichtes Beben fuhr durch das Schiff. Und kam Yuki ganz selbstverständlich vor. Irgendwo in ihrem Hirn wollte ihr ein Begriff dazu einfallen. Er tat es aber nicht. Dafür stach es im hinteren Teil des Kopfs. Yuki hielt sich den Hinterkopf. „Au!“ „Nicht denken.“, raunte ihr Miki zu: „Nur handeln. Das ist die Kontrolle über die Geschütztürme, da für die Raketenbatterien...“ Alles andere erklärte sich Yuki tatsächlich von allein. Ihre Hände bewegten sich, ohne viel Zutun durch ihren Kopf. Was gut war, bei dem gegenwärtigen Zustand ihres Hirns. Sie zog Symbole über Displays auf andere Displays, stellte Balken um, in Begriffen hätte sie nicht erklären können, was sie da trieb. Außer dass sie Dingsda umdingste, um das Dings zu dingsen. Dann schoss sie. Das Dings rastete am Dingda ein, Yuki reagierte schnell, noch bevor der Computer die Daten richtig ausgerechnet hatte, und das musste sie auch, denn der Gegner war unglaublich flink und wendig. Als ob er an allen Ecken und Enden kleine Steuerungsdüsen hätte. Er kam aus seinem Manöver heraus, Yuki schoss. Der Strahl bohrte sich in die blau leuchtende Sphäre um das Schiff, das Schild, vermutete Yuki. Er fraß sich tief hinein und hätte beinahe die Schiffshülle erreicht, bevor sein Glühen sich zerstreute. „Volltreffer!“, jubelte Chiba, und zu Miki: „Siehst du, so geht das!“ Miki meinte: „Ah, so.“ Er lächelte zufrieden. Kapitel 6: Verwirrt ------------------- Yuki konnte noch einen Volltreffer landen und selbst die folgende Rakete erreichte ihr Ziel. Es war, als ob Yuki auch das andere Schiff lenken würde, als ob sie im Kopf des Piloten wäre und ihn das Schiff mitten ins Ziel lenken ließe. Das Flickwerk ihnen gegenüber rauchte bereits und seine Manöver wirkten hinkend. Sein Schild war verschwunden und seine Außenhülle zeigte deutlich Risse, hinter denen es hellgelb glühte. Es drehte ab. Chiba setzte den Verfolgungskurs, doch Miki unterbrach sie: „Das reicht, wir müssen zum Mutterschiff. Für sowas haben wir keine Zeit.“ „Für Rebellen erlegen ist immer Zeit.“, gab Chiba grimmig von sich. Aber dann ließ sie es doch. „...Naja, man muss Prioritäten setzen.“ Sie klopfte Yuki neben sich auf die Schulter. „Du warst wirklich gut.“ Und grinste. „Aber obwohl du sogar dazu bereit bist, deine eigenen Leute abzufetzen, glaub ich noch immer nicht, dass du auf unserer Seite stehst.“ „Tu ich auch nicht.“, meinte Yuki empört: „Und das waren auch nicht meine Leute. Ich kenn euch alle nicht.“ Chiba sah sie bewundernd an. „...Sie ist echt überzeugend.“ Yuki winkte ab. „Ach, ich gebs auf.“ Sie stand auf und kehrte in den hinteren Teil des Schiffs zurück. Hinter sich hörte sie Mari fragen: „Warum seid ihr eigentlich noch so jung? Ich mein, für Soldaten... Ihr seid kaum älter als wir.“ „Eine Eigenheit der Auserwählten.“, antwortete Miki. „Ich hab Hunger.“, warf Yuki missmutig ein. Plötzlich war ihr wieder schlecht. Das hinkende Schiff... Yuki konnte nichts dagegen tun, in ihr zeigten sich Bilder erstickter, erfrorener, gegen Außenhüllen geschleuderter und zerschmetterter Körper. So realistisch. Als ob sie die schon hunderte Male zu Gesicht bekommen hätte. Ihre Knie zitterten. Sie hatte einfach den Knopf gedrückt. Also eher das Symbol am Display. Ohne daran zu denken, dass im anderen Schiff auch Menschen waren. „Ich hab sie abgefetzt...“, murmelte Yuki fassungslos und hörte dabei eine verstörend fremde Stimme aus ihrer Kehle kommen... Sie riss sich mit Gewalt zusammen und wiederholte, deutlich vehementer: „Ich hab Hunger!“ Dabei fuhr sie herum und blitzte alle im Cockpit wütend an. Eigentlich war sie nicht auf jene wütend. Nur auf sich. Was die trieben, ging sie nichts an, aber sie hätte weiterdenken müssen! Sie war intelligenter als die meisten Menschen und hätte eben weiterdenken müssen! „Schon gut.“, meinte Chiba missmutig: „Kein Grund, so einen Aufstand zu machen.“ Sie ging an Yuki vorbei, nicht ohne sie mit einem ausführlichen, verächtlichen Wasn-mit-dir-los-Blick zu bedenken. Die anderen beiden wirkten bloß irritiert und unfähig, auf Yukis Stimmungsumschwung zu reagieren. Schließlich wandten sie sich wieder einander zu und sprachen leise weiter. Die Turteltäubchen... Chiba war hinter einer Luke verschwunden, die bisher geschlossen gewesen war. Yuki folgte ihr, auf unsicheren Beinen und mit einem Kopf so schwer wie eine riesige Wassermelone. Vollgefüllt mit Bildern und Strudeln und Übelkeit. Hinter der Luke führte ein schmaler Gang, so schmal und niedrig wie in einem alten Diesel-U-Boot, weiter nach hinten, vermutlich bis zu den Antriebsdüsen. Doch zunächst zweigte ein weiterer Raum davon ab. Eine Küche. Yuki betrat sie lang genug nach Chiba, um sie bereits werken zu sehen. An Dosen und Pfannen. Chiba blickte nicht auf, als Yuki in den Raum kam. Sie meinte nur: „Hol den Kanister von unter dem Tisch.“Yuki sah unter den Tisch, der am Boden festgenietet war. Da stand eine ganze Reihe von Kanistern. Sie richtete sich wieder auf und wandte sich zu Chiba um. Die stand nun dicht vor ihr. Und sprach mit gedämpfter Stimme. „Sie wären nicht freiwillig abgezogen.“ Yuki sah in die hellen, ernsten Augen. „Ich weiß.“ Sie wandte den Blick ab. „Du hast uns gerettet.“, hörte sie Chiba fortfahren: „Nicht die abgeschlachtet. Die haben angegriffen.“ Yuki musste lachen. „Das sagst du dir wohl jedesmal, nachdem du jemanden getötet hast.“, bemerkte sie heiter. Sie wusste gar nicht, warum sie so heiter klang, sie fühlte sich ganz anders. Chibas Hand schloss sich fest, unerwartet fest, um Yukis Oberarm. Und flüsterte: „Ich muss mir nichts sagen. Ich mach das freiwillig.“ Etwas an dieser Aussage, vielleicht war es der Tonfall, vielleicht tatsächlich der Inhalt, ließ Yuki frösteln. Sie brachte noch heraus: „Lass los.“, bevor sie zur Spüle rannte und sich erneut übergab. Hinter sich hörte sie Chiba protestieren. „He, da waschen wir unser Geschirr drin!“ Mari kam herein, wohl angelockt von dem Geräusch, und fragte: „Wie geht’s dir?“ „Furchtbar!“, antwortete Chiba: „Allein der Geruch, und das beim Kochen!“ „Ich meinte Yuki.“, wies Mari sie zurecht. „Die fängt sich wieder.“, gab Chiba zurück: „Die ersten Morde sind die schwersten, aber bald geht das ganz von allein.“ Geschäftig arbeitete sie weiter. Yuki musste sie einfach ausführlicher betrachten. Wusste diese Person eigentlich, wie schauerlich sie manchmal klang? Sie wirkte, als wüsste sie es nicht. Das sonnengebräunte Kindergesicht mit den schmalen, blitzend blauen Augen. Diese harmlose Erscheinung. Auch Mari war schockiert. „Das waren doch keine Morde!“, widersprach sie vehement: „Die haben uns angegriffen, wir haben uns bloß verteidigt!“ Chiba sah Yuki an, Yuki betrachtete Chiba nach wie vor, Chiba lächelte schmal und meinte: „Wie ichs dir gesagt habe...“ Und Yuki musste unwillkürlich daran denken, wie Chiba als Leiche aussehen würde. Oder Mari oder sie selbst. Man dachte nur selten daran, aber alle um einen herum, einschließlich man selber, waren dem Tod unerträglich nah, in jedem Moment ihres Lebens... Yuki griff sich an den pochenden Kopf. „Aus!“ Und zu Mari meinte sie: „Es war Mord! Ich hab sicher einige von ihnen getötet!“ Mari erwiderte: „Ich hab keine Toten gesehen. Muss doch nicht sein, oder?“ „Aber warum hab ich dann überhaupt geschossen?“, fuhr Yuki sie unbeherrscht an: „Darum schießt man doch!“ Und zu Chiba zurück: „Nie wieder schieß ich! Das hab ich alles schon hinter mir, ich will nicht mehr!“ Chibas Zeigefinger schoss auf sie zu. „Ah! Also weißt dus doch noch!“ Mari widersprach: „Blödsinn! Ich kenn Yuki schon seit dem Kindergarten, noch nie hat sie einen Menschen erschossen. Sie ist nur etwas verwirrt, derzeit, das beweist gar nichts.“ Tatsächlich fühlte sich Yuki eben etwas verwirrt. Besonders weil sie selbst nicht sagen konnte, was sie damit gemeint hatte. Das schien ihre Zunge ganz ohne sie gesagt zu haben. Jedenfalls konnte sich Yuki nicht daran erinnern, jemals irgendwen getötet zu haben. Abgesehen von den Rebellen eben. Mari trat näher an Yuki heran und raunte ihr zu: „Mal zu was ganz anderem. Wusstest du, dass diese Aliens hier unsterblich sind?“ „Wir sind keine Aliens!“, widersprach Chiba heftig: „Wir sind Menschen, genauso wie ihr, nur viel klüger!“ „Dafür habt ihr euch eben aber wirklich dumm angestellt.“, bemerkte Mari schnippisch: „Da musste schon so ein ganz normaler Mensch ran, um euch zu helfen.“ „Die ist kein Mensch!“, rief Chiba aus, kam auf ihren eigenen Denkfehler und berichtigte: „Ich mein, die ist ein Mensch, sicher, aber so wie wir! Die weiß es nur nicht mehr!“ Wieder ein Denkfehler. Chiba runzelte genervt die Stirn. „Das heißt, die weiß das schon, tut aber so, als ob sies nicht wüsst, um unser Vertrauen zu erschleichen. Was mich daran erinnert, dass sie eigentlich in ihre Zelle zurück sollte. Miki!“ „Nein, die bleibt!“ Entschlossen stellte sich Mari zwischen Yuki und Chiba. „Sie hat euch gerettet, ihr schuldet ihr was!“ „Sie hat sich selbst gerettet.“, tat Chiba gleichmütig ab: „Und nun speibt sie mir die Küche voll. Miki!“ „Ich bin schon klüger als andere Menschen.“, bemerkte Yuki nachdenklich. Mari wandte sich langsam zu ihr um. Mit einem Gesichtsausdruck, der Pflanzenfresser in Todesstarre versetzen hätte können. Bedrohlicher als zwei Scheinwerfer auf der nächtlichen Landstraße. Und grollte: „So klug nun auch wieder nicht.“ Doch Yuki war zu verwirrt, um die Warnung beachten zu können. Nachdenklich fuhr sie fort: „Schon deutlich klüger als du.“ Mari zischte: „Auf keinen Fall klüger als ich.“ „Aber in der Schule...“, begann Yuki. „Was kümmert einen die Schule!“, brüllte Mari sie an: „Ich hab immer gelernt, für die Schule, mich angestrengt, du hast ja keine Ahnung, was Anstrengung überhaupt ist, du hast dich nie bemüht, ich bin eine so viel bessere Schülerin als du!“ „Ich denke nicht, dass wir sie wieder einsperren müssen.“, meinte der inzwischen eingetrudelte Miki an Chiba gewandt. „Ich kann lernen, du kannst nur wissen, du bist bloß ein Trottel mit einem Riesen-Gedächtnis, das bist du!“, brüllte Mari weiter. „Wir könnten sie in Schutzhaft nehmen.“, schlug Chiba vor. „Du bist ein ganz besonderer Geist.“, sagte Miki ruhig, an Mari gewandt. Darauf war Mari nicht gefasst gewesen. „...Was?“ Sie sah Miki groß an und wurde mit einem Schlag rot wie ein Paradeiser. Miki lächelte freundlich. „Darum bist du hier. Weil du ein besonderer Geist bist, der sich von den anderen unterscheidet. Wenn der Generalsstab damit einverstanden ist, wirst du auch bald eine Auserwählte sein.“ Mari schwieg noch einen Moment lang verlegen. Bevor sie zu Yuki herumfuhr und meinte: „Ha!“ Als ob sie damit eine Diskussion gewonnen hätte, die an sich gar nicht stattgefunden hatte. Nur ein gebrüllter Monolog ohne ernstzunehmende Prämissen. Yuki zuckte mit den Schultern. „Egal, alles, woran ich mich erinner, hat auf der Erde stattgefunden, also bin ich von der Erde und sonst nirgendwo her. Von diesen Rebellen weiß ich gar nichts.“ „Na, wenigstens erneuern die sich.“, knüpfte Mari an eine Erzählung an, die sie bereits sehr viel früher begonnen hatte: „Ihre Körper werden älter so wie unsere, doch wenn sie gebrechlich werden, leiten die Ärzte eine Transformation ein und der Körper wird praktisch wiedergeboren, also wieder ganz jung. Unglaublich...“ „Ich wurde schon so 20 Mal transformiert.“, bemerkte Chiba stolz: „Was heißt, mein Geist ist über 1600 Jahre alt. Beeindruckend, nicht?“ Nein, Mari beeindruckte das nicht. Sie wandte sich schüchtern lächelnd an Miki: „Und wie alt bist du? Ich mein, falls es nicht zu indiskret ist, zu fragen...“ „Noch nicht so alt.“, antwortete Miki ungenau. „Wir könnten im Mutterschiff im System nachsehen, wie alt Yuki ist.“, schlug Chiba vor: „Im Strafregister.“ Sie grinste Yuki breit an. „Ich bin 14.“, meinte Yuki: „Dafür brauch ich kein Strafregister.“, und grinste breit zurück. Chibas Grinsen starb. „Ach, ich gebs auf...“ Sie sah in die Pfanne neben sich. „Es gibt Bohnen mit Speck. Wer will?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)