Ruffys Weihnachten von TeZ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Winter war über große Teile von Dawn Island hereingebrochen. Er war gemäßigt, in diesen Breiten, doch er war vorhanden. Tatsächlich schneite es seit einigen Tagen sogar manchmal. Natürlich blieb der Schnee nicht lange liegen und es war fraglich, ob er das überhaupt je tun würde, doch es reichte um der Gruppe Piraten, die sich gerade in die kleine Bar im Windmühlendorf drängte, eine gepuderte Schicht aufs Haar zu zaubern. „Brrr“, knurrte Yasopp und fegte den Schnee von seinem Kopf, „Ist das eine Schweinekälte da draußen!“ Vom Tresen her drang ein Lachen. Shanks saß davor, rücklings dagegen gelehnt und grinste ihn frech an. „Siehst du, deswegen geh ich nicht raus!“ Yasopp verzog säuerlich das Gesicht. „Haha“, machte er lahm, „Wer hat mich denn raus geschickt, damit ich auf dem Schiff nach dem Rechten sehe? Warum macht das eigentlich nicht der Captain?“ Besagter Captain lachte auf. „Weil es draußen schneit?“ Darauf wusste Yasopp keine Antwort. Düster vor sich hin murmelnd ließ er sich auf einen Hocker fallen und sich von Makino eine Flasche reichen. Shanks kicherte leise und drehte sich wieder zur Bar zurück. „Also ich“, mischte sich plötzlich eine kindliche Stimme ein, „Ich mag ja den Winter!“ Shanks grinste den kleinen Ruffy, der auf dem Hocker neben ihm saß und fröhlich mit den Beinen baumelte, an. „Ach ja?“, fragte er. „Ja, Winter ist toll!“, behauptete Ruffy und schob Makino sein leeres Glas hin. „Kann ich noch was haben?“ Lächelnd füllte die junge Barbesitzerin sein Glas wieder mit Saft und nahm Shanks leere Flasche, um sie gegen eine Neue auszutauschen. „Danke Makino, bist ein Schatz“, säuselte Shanks und blinzelte sie mehr als übertrieben an, woraufhin Makino ihm spielerisch mit ihrem Lappen auf den Arm schlug. „Ich mag den Winter auch“, nahm Shanks schließlich das vorangegangene Gespräch wieder auf und blickte sinnend an die Decke. „Ach ja?“, schaltete Ben sich amüsiert brummend ins Gespräch ein, „Hätte ich dir gar nicht zu getraut.“ „Warum denn nicht?“, wollte Makino wissen. Bens Mundwinkel hoben sich ein Stück. „Shanks und der Winter? Das passt irgendwie nicht, oder?“, gab er zu bedenken. Zustimmend hob Makino die Schultern. „Was magst du denn am Winter?“, wollte Ruffy interessiert wissen und schlürfte an seinem Strohhalm, während er den Captain unter seinen schwarzen Ponyfransen her anblinzelte. Shanks grinste und fuhr Ruffy sanft durchs Haar. „Weißt du“, begann er in fast belehrendem Tonfall, „Es gibt einen Grund, warum ich den Winter gern mag… Sake wärmt einfach viel besser, wenn’s draußen so richtig schön kalt ist!“ Der Captain brach in Lachen aus und Ben und Makino stimmten ein. Nur Ruffy verzog die Lippen zu einer Schmollschnute. Er fühlte sich ganz gehörig auf den Arm genommen. „Hör auf dich über mich lustig zu machen!“, nörgelte er. Shanks grinste noch immer. „Ich mein das ernst!“, beharrte er. Ruffy streckte ihm die Zunge heraus. „Also ich“, begann er dann altklug, „Ich mag den Winter, weil…“, er zögerte, „weil…“ Ruffy brach ab und sah verwirrt drein. „Eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich den Winter gerne mag“, stellte er irgendwie verblüfft und äußerst liebenswert fest. Shanks versteckte sein Grinsen hinter seiner Flasche. Auch in Bens Mundwinkeln zuckte es. Makino beschloss dem Kleinen ein wenig unter die Arme zu greifen. „Vielleicht wegen Weihnachten?“, schlug sie vor. Jetzt runzelte Ruffy die Stirn. „Weihnachten?“ Shanks prustete in seine Flasche, versuchte das Ganze aber als ein Husten zu tarnen. Ben drehte sich dezent zur Seite, um sein verräterisches Lächeln zu verstecken. Makino fuhr Ruffy zärtlich durchs Haar. Der sah sie fragend an. „Pass auf, Ruffy“, erklärte sie, „Das ist so. Weihnachten ist ein altes Fest, das manchmal noch gefeiert wird. An Weihnachten kommt der Weihnachtsmann und bringt viele Geschenke mit, für die braven Kinder. Und dann freuen sich alle und feiern zusammen und haben viel Spaß… hach, ich erinnere mich noch, als ich das als Kind immer gefeiert habe…“ Makino schien richtig ins Träumen zu geraten. Sie stützte ihr Kinn auf ihre Hand und ihr Blick schweifte verzückt in die Ferne. Shanks kicherte leise. Ben runzelte die Stirn, als er den leicht bitteren Unterton vernahm. „So ein Quatsch“, murmelte Shanks und leerte seine Flasche auf einen Zug. Ruffys Kopf fuhr herum. „Was?“, wollte er empört wissen. „Der Weihnachtsmann, nein so ein Schwachsinn“, meinte Shanks, nur um dann ernsthaft hinzuzufügen: „Den Weihnachtsmann gibt es gar nicht.“ Ruffy blies die Backen auf und zog die Stirn in tiefe Falten. „Ich glaub dir nicht!“, rief er lautstark aus. Ben ahnte schlimmes. Mäßigend legte er die Hand auf die Schulter seines Captains, doch der ignorierte ihn. „Den Weihnachtsmann gibt es nicht“, beharrte Shanks. Die Empörung auf Ruffys Gesicht wuchs ins Unermessliche. Er zog eine Schnute und in seinen großen, kindlichen Augen wallten Tränen auf. Ruffy ballte die kleinen Fäustchen und begann vor unterdrückter Wut zu zittern. Ben vergrub das Gesicht in den Händen. Oh Himmel, konnte der Kerl sich nicht einmal wie ein erwachsener Mann aufführen und nicht wie ein kleines Kind? So viel hatte er doch noch gar nicht intus, dass er das erklären könnte! Dann ging alles ganz schnell. Ruffy streckte das kurze Bein aus, trat Shanks überraschend fest vors Schienbein, dann hüpfte er vom Barhocker, stürmte durch die Bar und verschwand hinaus in den Schnee. Shanks rieb sich das Schienbein und blickte fassungslos drein. „Was war dass denn jetzt?“, wollte er wissen, als hätte er keine Ahnung, was er eben getan hatte. Ben und Makino warfen einander einen frustrierten Blick zu. „Die Frage hast du jetzt nicht ernsthaft gestellt“, brachte Makino schließlich mit gehobener Augenbraue hervor. Shanks sah sie mit großen Augen an. „Der Junge hat mich getreten“, ließ er sie angesäuert wissen. „Das hast du aber auch absolut verdient“, brummte Ben in sein Glas hinein. „Was soll denn das jetzt heißen?“, fuhr Shanks auf. Ben schüttelte den Kopf. „Warum hast du ihm das jetzt an den Kopf geworfen?“, wollte er wissen. Shanks zuckte die Schultern. „Gibt keinen Grund“, murmelte er dann und schob Makino seine leere Flasche zu. „Kann ich noch eine?“ Makino nahm die Flasche an sich und hob eine Augenbraue. „Findest du nicht, dass du genug hattest?“, hakte sie behutsam nach. Shanks sah sie fest an. „Nein“, meinte er dann. „Ich aber“, erklärte Ben und sah Shanks von der Seite her an. Shanks wandte sich zu ihm um. „Seit wann bist du Captain?“, fragte er ungewöhnlich kühl, dann seufzte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Entschuldigung“, nuschelte er undeutlich und glitt vom Hocker. „Ich geh mal auf dem Schiff nach dem Rechten sehen…“ Makino hob eine Augenbraue. „War nicht vorhin erst Yasopp…?“ Ben legte ihr eine Hand auf den Arm, dann folgte er seinem Captain. Er fand Shanks draußen, im sanft fallenden Schnee stehen und trat neben ihn, während er eine Zigarette hervor zog und sie anzündete. „Was sollte das eben?“, fragte er, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. Shanks Fuß malte Kreise in den Schnee und er zuckte die Schultern. „Hätte ich nicht tun sollen, was?“ Ben schüttelte den Kopf. „Nein. Nein, hättest du nicht.“ Ein weiteres, bitteres Lachen entrang sich Shanks Kehle. „Mit mir hat nie jemand Weihnachten gefeiert“, sinnierte er. „Und deswegen machst du Ruffys Weihnachten kaputt? Er hatte sich darauf gefreut.“ Shanks knurrte auf. „Ich weiß“, brachte er hervor, „Aber… ich hab mich wie ein Idiot aufgeführt, nicht?“ „Oh ja, das hast du“, erwiderte Ben, fast belustigt. Shanks warf ihm einen Seitenblick zu, dann hob er die Hand und boxte Ben schmerzhaft fest gegen den Arm. „Warum hast du Hund mich nicht aufgehalten? Warum hab ich dich eigentlich angeheuert, hä?“ Die beiden Männer teilten ein Lachen, das über die kalten Straßen klang, dann fragte Shanks leise: „Und jetzt?“ Bens Mundwinkel verzogen sich nach oben. „Jetzt hast du was wieder gut zu machen, bei dem Jungen“, erklärte er, „und ehrlich gesagt hab ich da auch schon eine Idee…“ Ruffy war sprachlos. Schlicht und ergreifend sprachlos. Er sah richtig niedlich aus, wie er so in der Tür stand, die Augen tellergroß, den Mund zu einem erstaunten „o“ geöffnet. In seinem wirren Haar hatten sich Schneeflocken verfangen, die in der Wärme des Barraumes langsam tauten und seine Wangen waren vom kalten Wind und der Aufregung gerötet. Ben, der noch immer hinter ihm stand, wuschelte ihm durchs Haar und schmunzelte. Er hatte ihn an diesem Abend abgeholt und in die Bar gebracht, wo Makino und der Rest der Piraten bereits auf ihn warteten. Nun ja, bis auf einen. Shanks, der Captain, fehlte noch, doch das war Ruffy bisher nicht aufgefallen. Kein Wunder, es war schon ein seltener Anblick, die Crew des roten Shanks, normalerweise eine unheimlich starke, genauso Furcht einflößende wie versoffene Bande, saß manierlich an den Tischen und an der Bar und sie alle sahen aus, als wäre man ihnen (gegen ihren Willen im Übrigen) mit Kamm und Seife zu Leibe gerückt. Hinter dem Tresen stand Makino und grinste. Und in der Ecke stand ein riesiger, grüner Tannenbaum, über und über geschmückt mit schreiend bunten Lichterketten, Strohgebilden, die aussahen wie kleine Fischchen und tatsächlich ein paar farbigen Glasflaschen, die wohl einmal Alkoholika enthalten hatten. Man sah ganz genau, wessen Baum das war, welche Crew das grüne Ungetüm geschmückt hatte. Es war vollkommen gegen jede Tradition oder Regel des guten Geschmacks und eigentlich nur eine Ansammlung bunter, funkelnder Dinge, doch es sah auf seine ganz eigene, liebenswerte, chaotische Weise zauberhaft aus. „Woah!“, brachte Ruffy nun doch hervor. „Da staunst du, was?“, fragte Makino und schob eine Tasse über den Tresen. „Guck mal, ich hab dir Kakao gekocht!“ „Wir trinken alle Kakao“, ließ Yasopp ihn wissen und hob die eigene Tasse. Dass die Piraten ihn mit Rum gestreckt hatten, musste ja der Kleine nicht wissen. „Woah“, machte Ruffy erneut verblüfft. Er hüpfte auf den Tresen zu, kletterte auf einen Hocker, der extra für ihn frei geblieben war und nahm seine Tasse. Glücklich schlang er die kleinen Finger darum, doch anstatt zu trinken, sah er sich verwirrt um. „Wo ist denn Shanks?“, wollte er misstrauisch wissen. Ben und Makino tauschten einen verschwörerischen Blick. „Der kommt heute nicht“, erklärte Ben schließlich nüchtern. Ruffy riss die Augen auf. „Aber warum denn nicht?“ Wieder ein Blickwechsel. „Shanks hat einen schlimmen Kater“, versuchte Makino zu erklären, doch Ruffy fuhr dazwischen: „Aber das hält ihn doch sonst auch nicht ab!“ Gerade als Ben und Makino das Gefühl hatten in arge Erklärungsnot zu geraten, klopfte es lautstark an der Tür. Das nahm Ruffys Aufmerksamkeit völlig in Beschlag. Er drehte sich um und starrte wie hypnotisiert die Tür an. „Wer klopft denn da?“, fragte er fasziniert. An der Tür zu Makinos Bar hatte noch nie jemand geklopft! Hilfe suchend wanderte sein Blick zu den beiden Erwachsenen, doch die grinsten ihn nur undurchsichtig an. Plötzlich schwang die Tür auf und aus dem Schneegestöber vor dem dunklen Abendhimmel stapfte eine Gestalt ins helle Innere der Bar. Ruffy riss die Augen soweit auf, dass Ben für einen Moment Angst hatte sie würden ihm aus den Höhlen quellen. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch er brachte kein Wort hervor. Schon zum zweiten Mal an diesem Abend war Ruffy sprachlos. Die Gestalt an der Tür schüttelte sich um die Schneeflocken los zu werden. Es war natürlich Shanks, wer auch sonst, doch er trug ein Weihnachtsmannkostüm, mit Stiefeln und Mütze und Mantel, stilecht in einem sattem Rot, das sich ganz fürchterlich mit seinem hellroten Haar biss. Aber das war nicht wichtig, jedenfalls nicht für Ruffy und daher war es auch den anderen vollkommen egal. Es ging nicht darum, dass Shanks aussah wie der echte Weihnachtsmann (ihm fehlte auch der weiße Rauschebart) oder dass der Baum stilvoll geschmückt war (da hingen leere Glasflaschen zwischen den Zweigen!), sondern es ging einzig und allein um eines: Um das glückliche Leuchten in Ruffys großen, kindlichen Augen. Shanks hob den braunen Jutesack, den in der Hand hielt und fragte grinsend: „Sollen wir da mal reingucken?“ Als Ruffy aufquietschte, vom Hocker sprang und auf den Captain zu rannte war allen, der gesamten Crew samt Shanks, bewusst, dass das hier, dieser Moment, Ruffys Weihnachtsfest war, so, wie er es sich gewünscht hatte. Und es tat einfach furchtbar gut zu wissen, dass man für das Glück eines kleinen Jungens verantwortlich war. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)