Trumpfass von Maclilly (Ace of Trumps) ================================================================================ Kapitel 1: Trumpfass – Ace of Trumps ------------------------------------ „Wie kommst du denn bitte darauf?“ Skeptisch zog eine junge Frau die Brauen zusammen, ließ den ernsten Ausdruck in ihren Augen im Kontrast zu den fröhlichen Sommersprossen auf ihren Wangen stehen. Eine gelockte Strähne ihrer rotblonden Haare fiel ihr über die Schulter. Sanft strich sie die Strähne wieder zurück, damit die rote Hibiskus-Blüte in ihrem Haar nicht den Halt verlor, ihr taxierender Blick ließ jedoch nicht von ihrem Geliebten ab. Wie gewohnt grinste der Piratenkapitän bis über beide Ohren, gab der jungen Frau damit nur noch mehr Rätsel auf. Dieses undurchschaubare Grinsen, welches sie über alles liebte, auch wenn ihr dadurch wieder einmal schmerzlich ins Bewusstsein gebrannt wurde, dass ihre gemeinsame Zeit verstrich. Sie neigte sich dem Ende zu ebenso wie Rogers Leben. Doch dafür sollte auch ein neues Leben entstehen. Ein Leben, das seit vier Monaten in ihr heranwuchs. Ein Leben, das der Marine bereits jetzt den Schrecken in die Glieder trieb. Ein Leben, dem allerdings noch ein Name fehlte. „So kannst du ein Kind nicht nennen“, murmelte Rouge schließlich, stemmte die Arme in die Hüften und versuchte, den Mann mit einem mahnenden Blick zu belehren. Doch einem alten Piraten konnte man nicht durch einen bloßen Blick überzeugen. „Doch“, erwiderte der schwarzhaarige Pirat, nahm am Esstisch Platz, welcher neben einem Sofa und einem Regel voller Bücher zu der kargen Ausstattung des Wohnzimmers gehörte. Auf dem Tisch lag ein Stapel Karten, den Roger in die Hand nahm. Langsam begann er, den Stapel zu durchblättern, legte nach einiger Zeit eine Karte auf den Tisch. Zögerlich warf Rouge einen flüchtigen Blick aus dem Fenster, schloss seufzend die Augen, nachdem sie das Marineschiff entdeckt hatte, das wohl Kurs auf die kleine Insel im South Blue nahm. Tag ein, Tag aus patrouillierten die Kriegsschiffe entlang der Küsten verschiedener Inseln. Die Gerüchteküche schien zu brodeln, von fast jeder Insel kamen Meldungen über eine Sichtung des Piratenkönigs, sogar samt Frau und Kinder. Rouge schmunzelte. Was für ein Witz, denn seit Monaten hielt Roger sich bedeckt auf Baterilla auf und ihr gemeinsames Kind hatte noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt. Ihre Hand ruhte auf der sanften Wölbung ihres Bauches, während sie zum Tisch wanderte, um einen Blick auf die Spielkarte zu werfen, die Roger aussortiert hatte. Ein Ass. Ein Kreuz-Ass, das Symbol für den Start etwas ganz Großen. Rouge nahm die Karte in die Hand, betrachtete kurz das schwarze Kreuz, bevor sie leise seufzte: „Und es ist trotzdem kein Name für ein Kind.“ „Warum denn nicht?! Spielkarten tragen doch auch diesen Namen!“ Lachend durchsuchte Roger weiter das Kartendeck, hielt kurz inne, damit er abwiegen konnte, ob sich auch die nächste Karte auf den Tisch zu dem Kreuz-Ass gesellen sollte. Gelegenheit für Rouge, den Dickkopf in persona zu überzeugen. Immerhin war Ace kein richtiger Name für ein Kind, für ihr gemeinsames Kind. „Ace bedeutet nichts anderes als Ass. Willst du dein Kind wirklich nach einer Spielkarte benennen?!“ „Ist doch egal. Dafür ist das Ass eine der trickreichsten Karten im gesamten Spiel!“ Der Piratenkönig lachte, warf die nächste Karte auf den Tisch. Neben dem Kreuz-Ass lag nun auch das Pik-Ass, welches aufregende Abenteuer bedeuten konnte. Ob Roger sich im Klaren war, welche Karten er soeben offen gelegt hatte? Was sie bedeuteten? Vermutlich. Er hörte die Stimme des Universums, konnte somit verstehen, ohne zu lesen. „Der Beginn eines großen Abenteuers“, sprach Rouge leise, setzte sich neben Roger und lehnte ihren Kopf gegen den Arm des Piraten. Wärme ging von dem Mann aus, der weiter das Blatt Karten durchblätterte, bis das nächste Ass erschien. Das Karo-Ass. „Großes Glück.“ Die junge Frau richtete sich wieder auf, strich sich die Strähne ihres blonden Haares hinter ihr Ohr, ehe sie die drei Karten in die Hand nahm, sie der Reihe nach besah. Kreuz, Pik, Karo. Beginn, Abenteuer, Glück…All das, was ihr ungeborenes Kind ausmachen würde. „Bist du dir ganz sicher?“, hakte Rouge noch einmal nach, den Blick nicht von den Karten ablassend. Roger antwortete nicht, doch auch ohne eine Antwort zu erhalten, wusste Rouge, dass der Pirat es ernst meinte. Sie konnte sein Grinsen förmlich vor ihren Augen sehen, sodass ihr nichts als ein Kopfschütteln blieb. Wie man einem alten Hund keine neuen Kunststückchen mehr beibringen konnte, so konnte man einen Piratenkönig kaum eines Besseren belehren. Er war ein alter Sturkopf, der sich Zeit seines verbleibenden Lebens nicht mehr ändern würde. „Wie hat Rayleigh deinen Dickkopf nur die ganze Zeit ertragen“, schmunzelte Rouge und genoss die Überraschung in Rogers Augen, bevor seine Miene sich plötzlich gänzlich wandelte. Der Ausdruck in seinen Augen wurde ernst, sein Grinsen verschwand. Er verstaute den Stapel Karten in der Tasche seines Mantels, stand auf, damit er einen Blick aus dem Fenster werfen konnte, um Bestätigung für seine düstere Vorahnung zu erhalten. Mittlerweile hatte das Marineschiff im Hafen angelegt, Soldaten strömten in Scharen über die Auen, direkt auf die kleine Stadt zu. Hätte sich die kleine Hütte nicht auf einer kleinen Klippe abseits der Küstenstadt befunden, säßen sie nun wie die Mäuse in der Falle. So aber blieb ihnen noch Zeit. Ein wenig Zeit für eine kleine Täuschung. „Zehn Minuten, dann sind sie hier!“ Auch Rouge hatte sich erhoben und einen Blick aus dem Fenster riskiert. Einige Soldaten hatten bereits die Hütte entdeckt und sich auf den Weg gemacht, um auch abseits der Stadt nach dem Rechten zu sehen. „Vielleicht solltest du einen kleinen Spaziergang durch den Wald machen.“ „Wieso?“ Verständnislos verschränkte der Pirat seine Arme hinter dem Kopf, starrte weiterhin gelassen aus dem Fenster, während die Marine sich auf den Weg zu ihnen befand, allzeit dazu bereit, sie sofort festzunehmen und hinrichten zu lassen. „Sei kein Idiot, Roger“, mahnte sie ihn, die eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere auf die Hintertür gerichtet, die aus der Küche hinaus und beinahe direkt in ein kleines Waldstück führte. „Falls sie dich sehen, war alles umsonst. Also verschwinde so lange, bis ich sie abgewimmelt habe!“ Mit ernster Miene verwies sie den Piratenkapitän des Hauses, stürmte ihm jedoch sogleich hinterher, als ungewöhnlich viel Zeit verstrich, ehe die Hintertür ins Schloss fiel. Ihr ungutes Gefühl trübte sie auch nicht, stand die Tür zur Speisekammer noch sperrangelweit offen. Seufzend lehnte sie sich gegen den Rahmen der Küchentür, ihr Kopf ruhte sanft auf dem alten Holz. Ob ihr Kind wohl mit dem gleichen Appetit gesegnet sein würde wie sein Vater? Brummend verschlang Roger den letzten Rest des gemopsten Stückchen Schinkens, blieb schließlich im Dickicht des Unterholzes stehen, als er befand, dass kein Marine ihn entdecken würde. Er jedoch hatte noch immer das kleine Haus im Blick, dem die Soldaten nun gefährlich nahe kamen. Zwar verhinderten einige Zweige und Blätter eine ganz klare Sicht auf die Klippe, doch er erkannte genug. Genug um im Ernstfall jedem einzelnem dieser Soldaten die Kehle umzudrehen, sollten sie es wagen Rouge und dem Ungeborenen auch nur ein Haar zu krümmen. Wie auf glühenden Kohlen stand der Pirat hinter einigen Brombeer- und Himbeersträuchern versteckt, sein Blick starr auf die Marines gerichtet. Für nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde ließ er diese Truppe von Kadetten aus den Augen, die Hände angespannt zu Fäusten geballt, aber es waren nicht die Soldaten, die ihm die Anspannung in die Glieder trieb. Eher war es das ungewohnte Gefühl der Hilflosigkeit. Er konnte nichts tun. Nichts außer zusehen und abwarten, bis die Soldaten sich wieder zurückziehen würden. Roger seufzte, lehnte sich an den Stamm einer alten Eiche und fasste sogleich einen Entschluss. Kein weiteres Mal würde er darauf warten, dass die Marine wieder verschwand. Er würde es nicht noch einmal riskieren, sein Kind der Marine auf dem Präsentierteller zu servieren. Es blieb ihm sowieso keine Zeit mehr, die Freuden des Vaterseins zu genießen. Ein bitteres Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, verfolgte er weiterhin aus den Augenwinkeln die Soldaten, während er das Kartendeck aus der Manteltasche zog, um das letzte verbliebene Ass herauszusuchen. Ungläubig starrten sowohl Rayleigh als auch Krokus auf die ausgelegten Karten, währendem sich der Kapitän des Schiffes auf seinem Stuhle zurücklehnte, gleich noch nach einer Flasche Rum griff und abwartete, bis der Doc, sich die Blütenblätter an seinem Haaransatz raffend, hochfuhr. Ebenso ließ auch Rayleigh vom entsetzten Starren auf die Karten ab. „Mistkerl“, fluchte er leise, zog seinen Flachmann aus der Tasche seines Umhanges, um einen großen Schluck aus diesem zu nehmen. Beruhigend rann ihm der angewärmte Sake die Kehle hinab. Ein wohltuendes Gefühl, wenn man schon gegen den Kapitän im Kartenspiel verloren hatte. „Wie kann man nur so viel verdammtes Glück haben“, brummte er schließlich in seinen Bart. Die gesamte Zeit hatte der Kapitän nichts Gutes auf der Hand gehabt. Nichts. Ein paar kaum zu beachtende Luschen und ein Ass, welches zusammen mit den anderen Karten im Blatt gerade mal einen Punkt gezählt hätte. Doch der Kapitän hatte doch tatsächlich das Kunststück vollbracht, irgendwo aus den Untiefen des Kartenstapels einen Herz-König und die dazugehörige Dame zu fischen. Und jedes kleine Kind wusste, dass das Ass somit zum Trumpf wurde. Denn spielte man das Ass nach dem König, wurde es zur mächtigsten Karte im gesamten Spiel. Das Grinsen des Mannes wuchs in die Breite, als er abermals die drei Karten in Händen hielt, Herz-Ass samt König und Dame. Ja, würde man das Ass nach dem König ausspielen, würde es eine unglaubliche Macht entwickeln. Ein Ass könnte sich zur mächtigsten Karte im Spiel mausern, zum Ace of Trumps. Und genauso würde sein ungeborenes Kind zu einem Trumpf werden, selbst wenn er es nicht mehr erleben konnte, so wusste er es dennoch. Die Marine packte doch jetzt schon das blanke Grauen allein bei dem Gedanken, es bestünde auch nur die entfernteste Möglichkeit, eine neue Ära von Piraten könnte die Welt ein weiteres Mal aus den Angeln heben. Rogers Grinsen erreichte seine maximale Auslastung. Sollte die Marine sich doch fürchten, sie hatten jeden Grund dazu. „Roger?“ Rouges Stimme ließ den Piraten aus den Gedanken hochfahren. Raschelnd wurden einige Zweige der Sträucher beiseitegeschoben und Rouge erschien, blickte sich mit gerunzelter Stirn um, bis sie den Gesuchten endlich entdeckte. „Was wollten diese Spinner?“, murrte Roger, richtete seinen Blick auf die Anhöhe, auf der keine Spur mehr von den Soldaten zu sehen war. „Was wohl? Sie haben nach dir gesucht.“ Seufzend lehnte sie sich an den Mann, spürte gleich einen starken Arm auf ihrer Schulter, während sie auf die drei Spielkarten in der anderen Hand des Piraten sah. Das Herz, Symbol der Liebe. „Einverstanden“, murmelte sie schließlich und nahm Roger die Karten aus der Hand, schenkte jeder einzelnen Karte einen musternden Blick, während sie von den Armen ihres Geliebten etwas stärker herangezogen wurde. Seine Hand wanderte vorsichtig zu ihrem Bauch. Rouge lächelte, die Anspannung der letzten Minuten verflüchtigte sich. Für einen Augenblick konnten sie jegliche Sorgen um die Marine und Roger vergessen. „Wenn es eine Junge wird, dann Ace. Und wenn es ein Mädchen wird?“ „Da überleg ich mir noch etwas.“ „Aber diesmal bitte einen nicht ganz so ausgefallenen Namen.“ Roger lachte nur, löste die Umarmung langsam auf und riskierte einen Blick aus dem Gebüsch, bevor er zurück zur Hütte kehren wollte. Einige Zweige auf dem Boden knacksten, zerbrachen, als Roger sich durch die Büsche kämpfte, jedoch auf halben Weg stehen blieb. Mit gerunzelter Stirn drehte er sich noch einmal um, war Rouge ihm nicht gefolgt. Die Brauen hochgezogen und die Arme vor der Brust verschränkt war sie einfach stehen geblieben und verschwendete ebenso wenig einen Gedanken daran, ihm zu folgen. Zunächst wollte sie eine Antwort. Und zwar eine, die ihr auch zusagte. Doch Roger kreuzte ebenfalls bloß die Arme vor der Brust, gab sein Dickkopf eigentlich nicht so schnell nach. Aber Rouge Blick bohrte sich förmlich in seine Augen, würde sie keine Widersprüche zulassen. „Roger, bitte!“ „Na schön. Wie du meinst“, antwortete er schließlich schulterzuckend und grinste zufrieden, als sich auch auf Rouges Lippen ein Lächeln abzeichnete. Wenigstens einmal hatte sie diesen alten Sturschädel von etwas überzeugen können, auch wenn es gleichzeitig das letzte Mal sein sollte. „Ach, Roger, du Dickkopf“, murmelte Rouge kaum hörbar, Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie drückte den neugeborenen Jungen näher an sich. Sie spürte, wie ihre Kraft langsam versiegte. Die zwanzig Monate der Schwangerschaft und die Schmerzen der Geburt hatten zu sehr an ihrem Körper gezehrt, viel Zeit würde nun auch ihr nicht mehr auf Erden bleiben. Doch wenigstens einmal wollte sie ihrem Sohn die Liebe schenken, die er verdient hatte. Mit zittrigen Fingern strich sie dem schreienden Jungen über den feinen Flaum schwarzer Haare. Sogleich wurden die Schreie leiser, perlten nur noch feine Tränchen seine Wangen hinab. „Nicht weinen“, versuchte sie den kleinen Ace zu beruhigen, wenngleich ihr selbst Hunderte von Tränen über die Wangen liefen. Aber es war vollbracht. Das Trumpfass war ausgespielt. Ihr gemeinsames Kind hatte überlebt und war in Sicherheit. Ace. __________ Ich bedanke mich vielmals fürs Lesen und hoffe, dem ein oder anderen hat dieses kurze Geschichtchen zugesagt. Und mit diesem OS brennt das erste Lichtlein (wenn auch etwas verfrüht) meines kleinen, persönlichen Adventskranzes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)