Leere von shironeko4869 (GinXSherry) ================================================================================ Kapitel 1: No Love ------------------ Die Haustüre fiel hinter mir ins Schoss und ich tat den ersten Schritt an diesem eisig- nassen Morgen mit einem leisen Seufzen, das mir ungewollt über die Lippen kam. Dabei war es eigentlich ein gutes Zeichen, dass der Regen sich anscheinend genau in der Zeit meines Wartens eine kleine Pause gönnen wollte. Eigentlich… Die Zeit zog sich dank der Kälte und dem Wissen, dass er mit Absicht zu spät kam, eine ganze Weile hin. Ich ärgerte mich nicht einmal mehr darüber irgendwo wie bestellt und nicht abgeholt zu warten. Ich sagte auch nichts mehr dagegen, so wusste ich doch, dass sich ohnehin nichts daran ändern würde, nein, dazu machte ihm dieses Machtspiel über mich viel zu viel Spaß. Er durfte kommen wann und wie er es wollte. Er durfte tun und lassen was er wollte. Er durfte sich wie das letzte Arschloch benehmen. Immerhin gehörte ich allein ihm… Ich sah auf, als mich das Geräusch von knirschendem Kies, welches von Autoreifen erzeugt wurde, aus meinen Gedanken zerrte. Bei dem Anblick des schwarzen Porsches erschrak ich nicht mehr. Ich schrak auch nicht mehr auf, wenn das beklemmende Gefühl in mir aufkeimte, immer dann, wenn ich seine Gegenwart zu spüren begann. Wie jeden Morgen durfte ich keine Wurzeln schlagen, also stieg ich zügig in den nach Zigarettenqualm stinkenden Wagen und nahm auf dem Beifahrersitz platz. Mit einem scheußlich gesäuselten „Guten Morgen, Sherry“ und einem ebenso scheußlichen Kuss auf meine Lippen nahm Gin mich in Empfang, so, wie er es jeden Morgen tat. Ich schwieg dabei, so, wie ich es für meinen Teil jeden Morgen tat. Was sollte ich ihm auch groß sagen? Dass ich ihm am liebsten ein schrilles „Verpiss dich doch in die tiefste Hölle, Bastard!“ ins Gesicht schreien wollte?! Ein Schlucken glitt meine Kehle herab, nur, um anschließend das Verlangen sich zu übergeben aufwallen ließ. Ich sank in den Autositz zurück. Wann war der Geschmack nach ihm, der solange auf meinem Mund verweilte, bis er vom nächsten Kuss abgelöst wurde, dermaßen anwidernd geworden? War er schon zum kotzen gewesen, bevor ich erkannte, wie Gin tatsächlich war; bevor er mich zum ersten Mal berührt hatte…? Ich überlegte ein paar Augenblicke still, musste jedoch feststellen, keine Antwort finden zu können. War ich wirklich so blind vor irrsinniger Liebe gewesen, dass ich diese offensichtliche Bösartigkeit an ihm einfach ignoriert hatte? Ich schimpfte mich eine Närrin, so, wie es ebenfalls zu meinem morgendlichen Ablauf gehörte. Im Auto herrschte die ganze Fahrt über zu meiner Arbeitstelle –den Laboratorien der Organisation- Stille. Gin und ich sprachen nicht mehr viel mit einander. Wahrscheinlich hatten wir uns einfach nichts mehr zu sagen. Ein Blick aus dem Fenster ließ mich wissen, dass wir an den Laboratorien angekommen waren. „Ich hol dich heute Abend ab. Wird wohl was später.“ Endlich. Endlich erlösten mich diese Worte aus der unangenehmen Ruhe. Und es würde später werden. Vielleicht war heute doch ein guter Tag… „Ist in Ordnung.“, meinte ich und wollte beinahe aus dem Wagen fliehen, wäre Gins Hand nicht so schnell an meinem Arm gewesen, um mich zurück zu halten. Irgendwo zwischen meinem Ausschnitt oder meinen Beinen hing sein Blick an mir. „Wieso denn so eilig?“, raunte er. Ich wusste nicht ob Ärger in seiner Stimme lag, ich vermutete jedoch eher etwas Belustigendes. Bei Gin musste man dennoch immer mit einer Bedrohung rechnen. „Ich hab heute noch sehr viel vor. Erst gestern habe ich dir von den Fortschritten des Apoptoxins erzählt.“ Meine Ausreden waren einmal besser gewesen. Er quittierte meine Antwort mit einem finsteren Lächeln. „Natürlich. Sieh nur zu, dass du pünktlich bis. Ich will nicht warten.“ Ich sollte ihn nicht warten lassen… Ich schluckte einmal, nickte dann. „Braves Mädchen.“, murmelte er, ehe seine Lippen meine eigenen ein weiteres Mal berührten. Die Hand um meinen Arm lockerte sich endlich und er ließ mich aussteigen. Erst als ich am Eingang des Labors war, fuhr Gin fort, zurück auf die Straße von wir eben noch gekommen waren. Ich sah dem Wagen nach. Wer würde heute wohl -mich selbst ausgeschlossen- unter ihm leiden müssen? An manchen Tagen war ich jedoch froh, dass Gin irgendjemanden Leid antat, denn dann war er nicht auf mich fixiert. Ich wusste, dass dieser Gedanke falsch war. Egoistisch. Man sollte niemanden ein Leid wünschen, damit man selbst keines erleiden musste. Doch manchmal kam ich nicht darum herum. Zu oft fühlten sich meine Gedanken misshandelt und vergewaltigt an. Ich biss mir auf die Lippe und betrat das Gebäude, in dem sich mein Labor befand. Die Wände der kahlen Gänge waren mit Sicherheit einmal weiß gewesen, doch nun schimmerten sie in einer Farbe, die undefinierbar zwischen Gelb und Grün lag. Der Boden war gänzlich gefliest und immer blank geputzt, was einen fragwürdigen Kontrast zur Wand bot. Mein Weg führte mich durch den Umkleideraum, der einzig von rot-orangenen Spinden verziert wurde. Irgendein Chemiker aus der pharmakologischen Abteilung war ebenfalls dort. Ihn ignorierend, öffnete ich mein Schließfach mit einer Zahlenkombination und zog meinen blütenweißen Laborkittel an. Mit der einen Hand schlug ich die Tür des Spindes wieder zu und verließ die Umkleiden durch eine Tür, die zu den eigentlichen Laboratorien führte. Ein weiterer Gang tat sich vor mir auf, doch die Tür zu meinem Arbeitsplatz war schon zu sehen. Mich erinnerte das Gebäude immer an eine Art Labyrinth, so verwinkelt waren die Gänge und Flure. Ich war froh darüber, endlich bei meinem Labor angekommen zu sein. Dies war so ziemlich der einzige Ort, an dem ich allein und doch nicht einsam war. Meine Hand tastete nach dem Lichtschalter und das grell-weiße LED-Licht flackerte auf, um den Raum zu erhellen. Ich blieb in der Tür stehen und starrte in den Raum. Unweigerlich stach ein leiser Schmerz in meinem Rücken auf, als ich an einen Tag vor etwa zwei Wochen dachte. Ich war wirklich gestresst gewesen. Viel versprechende Forschungsergebnisse waren den Bach runter gelaufen und ich musste meine Arbeiten wieder von Null beginnen. Als wäre dies nicht schon misslich genug gewesen, war Gin auch noch gekommen, um mich im Labor zu besuchen. Anscheinend hatte ich ihn, seiner Meinung nach, etwas zu schroff und kühl begrüßt, was seine Laune reichlich verschlechtert hatte. Ein falsches Wort traf das andere und ehe ich mich versehen konnte, hatte er mich schon am Kragen gehabt und gegen eine der kalten Wände gestoßen. Der Aufprall war hart gewesen, so hart, dass mir einen Augenblick die Luft aus den Lungen gewichen war. Wie ich so mit ihm reden könne, war seine Frage gewesen, die ich einzig mit einem schmerzverzerrten Keuchen erwidern konnte. Am gleichen Abend noch hatte Gin sich dann über die violett verfärbte Prellung an meinem Schulterblatt empört. Sanft waren seine Finger über die schmerzende Stelle gefahren. Dann seine Nasenspitze. Seine Lippen waren gefolgt. Langsam und bestimmt waren sie über meine Schulter bis hin zum Schlüsselbein geglitten. Entschuldigt hatte er sich. Er habe es nicht so gemeint… Und ich verstand nicht was geschah. Was mit mir geschah. Ich verstand gar nichts. Überhaupt nichts. Wer war der Mann, der mich in diesem Moment gewollt hatte? Wer war der Mann, der mich auch bekommen hatte? Wer war der Mann, der immer bekam, was er wollte? Als sich die feinen Härchen in meinem Nacken aufgestellt hatten, war seine Hand nicht mehr auf meinem Rücken gewesen, sie hatte sich einen anderen, für sich viel erotischeren, Platz gesucht. Ein Seufzen war mir entglitten, welches mir schon nach Sekunden schrecklich falsch vorgekommen war. Was war aus dem Mann geworden, dem ich mich einmal mit Freunde hingegeben hatte? Wann war er aus meinem Leben verschwunden…? Ich bis mir auf die Unterlippe. Nein, dieser Mann war noch immer da. Ein Teil von ihm jedenfalls. Er hatte sich bloß verändert, ebenso wie meine Liebe zu ihm. Mein Blick streifte weiter durch den kahlen Raum und ich fragte mich plötzlich, wie ich diesen Raum mögen konnte. Wie konnte ich diesen Mann lieben? Wie konnte ich überhaupt irgendetwas lieben, das mich verletzte? Mein Labor barg mehr als eine schmerzliche Erinnerung. ~~~ Es war schon nach Zehn, als ich auf die Uhr über der Tür von meinem Labor schaute. Draußen war es mit aller Sicherheit schon stock- duster. Wenn ich Glück hatte, dann würde Gin erst in ein oder zwei Stunden hier auftauchen. Ein erleichtertes Lächeln huschte über mein Gesicht. Ich stand auf und ging ein wenig durch das Labor. Nach den vielen Stunden des Sitzens tat dies besonders gut. Auch die Ruhe war schön. Zwar hatte ich schon öfter daran gedacht, ein wenig Musik während der Arbeit zu hören, die Stille gefiel mir dann aber doch um einiges besser. Ich streckte mich gerade wohlig, als ich zu meinem Entsetzen hörte, wie die Tür hinter aufschlug. Unangemeldet kam niemand von den anderen Wissenschaftlern des Teams zu mir. Außerdem waren die meisten von ihnen schon lange daheim. Dann musste es ja… „Ich dachte es wird später?“, fragte ich ohne mich umzudrehen. „Es war doch einfacher als erwartet. Aber ich kann ja wieder gehen…“ Lügner, den Gefallen würdest du mir nicht tun…, dachte ich mir bitter. Ich ignorierte seine Bemerkung nach außen hin. Er war schlecht gelaunt, ich konnte es an seinen Worten hören. Wahrscheinlich hatte er auch schon was getrunken. Ohne weiter auf ihn einzugehen begab ich mich zurück zu meinem Schreibtisch und setzte mich, die Beine dabei überschlagen. Einige Augenblicke herrschte die altbekannte Stille, die seit einer ganzen Weile unser ständiger Begleiter war. Ich beugte mich über meine Papiere und tat beschäftigt, was ihn natürlich nicht davon abhielt seine Hände auf meine Schultern zu verlagern. Ehrlich darum bemüht ihm nicht zu sagen, dass er seine dreckigen Finger von mir nehmen sollte, atmete ich ein wenig schneller. Seine Hände glitten tiefer. Meinen Brüsten zu. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen, dennoch war ich versucht aufzustehen. Er. Sollte. Mich. Nicht. Berühren. Ich wunderte mich, dass diese standhafte Wut in mir aufkeimte. Sonst ließ ich ihm eigentlich frei Hand. Sonst war es mir gleich, wann und was er mit mir tat. Doch was war dann das, was da gerade durch meinen Körper rauschte? Ohne es zu wollen, biss ich meine Zähne fest zusammen, sodass sie leise knirschten. Er war nicht gekommen, um abgewiesen zu werden. Er war gekommen, weil er mehr von mir wollte. Er war gekommen, um mich zu holen, damit er später seine Wut an mir auslassen konnte. Jetzt war er noch zärtlich. Jetzt war er noch ertragbar. Doch ich war nicht dumm. Sollte ich jetzt so kuschen, wie er wollte, würde ich seinen Stress mit etwas Glück erst im Bett zu spüren bekommen. Ich wusste, dass er nicht mehr zärtlich war. In ein paar wenigen Momenten, vielleicht. Wenn seine Scharade es für nötig erachtete. Weitere Augenblicke vergingen. Sein Haar fiel auf meine Schulter, als sein Gesicht dem meinem näher kam. Seine Nasenspitze berührte meinen Wangenknochen. Und plötzlich, ohne es zu merken, ohne es kontrolliert zu haben, drehte ich meinen Kopf weg. Er kicherte, wenn man es so nennen konnte, und vergrub seine verdammte Visage zwischen meinem Hals und meiner Schulter. „Wieso denn so ablehnend, ma chérie?“ Seine rau geflüsterten Worte drangen an mein Ohr. Jetzt war ich mir sicher. Ja, er hatte getrunken. Weil du mich anwiderst. „Ich hab zu tun, darum.“ Wo nahm ich den Mut her? Ich war verwundert über mich selbst. „Du hast immer zu tun, Sherry…“, warf er tadelnd ein. „Und? Du doch auch.“ War das ein Zittern in meiner Stimme? Ich hatte doch keine Angst, oder? Ärgert es dich, dass ich dir etwas gleich tue…? Ich rutschte auf meinem Stuhl etwas nach vorn. Gin musste seinen Griff etwas lockern. Kaum war dies geschehen, stand ich auf und ging an ihm vorbei, um an einen Aktenschrank zu gelangen. Doch so weit kam ich nicht. Gin hatte mich mit einer einzigen Bewegung an sich gedrückt, den Arm fest um meine Hüfte. Mit der anderen Hand hielt er mein Kinn unnachgiebig im Griff. „Du bist ganz schön frech heute, Schätzchen.“, wisperte er und kam mir immer näher, „Ich weiß nur noch nicht genau, ob mir das gefällt… “ Mein Herz schlug schneller. Wieder war mir nach Kotzen zumute. Düster sah ich ihn an. Geh weg! Er drehte meinen Kopf zur Seite, besah mich genau. Dann stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht. „Ja, doch. Unartigkeit steht dir, meine Süße.“ Abrupt stießen seine Lippen auf meine. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was passierte. Gin drängte mich gegen die Wand. Ich merkte nicht wirklich, ob ich mich gegen ihn wehrte oder nicht. Was brachte das auch? Er war viel zu stark für jemanden, wie mich. Vielleicht erwiderte ich den Kuss ja sogar? Dies war egal. Es war schlichtweg egal, was ich tat. Ich wusste nur eins: Er sollte nicht tun, was er tat. Seine Hände blieben nicht untätig. Der Arm, der meine Hüfte umklammert gehalten hatte, war längst zwischen meinen Beinen angekommen. Zurückgehaltene Gefühle fielen auf mich ein, als ich die Geschmäcker von Tabak und Alkohol wahrnahm. Übermannten mich. Trieben mir Tränen des Zornes in die Augen. Hass. Abscheu. Widerwille. Angst. Wut. Ich dachte daran, was er mir alles angetan hatte. Wie er mit mir umgegangen war. Für wen er sich hielt. Wie er mich benutzte. Ein bitterer Schrei saß in meiner Kehle fest. Wollte hinausgetragen werden, doch Gins Lippen hinderten ihn daran. Er kam mir näher, drückte mich immer fester gegen die Wand. Die Prellung an meinem Rücken begann zu schmerzen und endlich schaffte ich es, ihm meinen Kopf zu entreißen. Ich schrie ihn an. Irgendwelche Worte knallte ich ihn an den Kopf, ich verstand sie selbst nicht. Als er unbeeindruckt davon war, hob ich meine Hand und führte sie zu seinem Gesicht. Mit aller Gewalt, die ich aufbrachte, kratzte ich ihn irgendwie und er ließ diesmal vor Überraschung von mir ab. Zitternd knickten meine Beine ein, und ich sank zu Boden. Das Liebste wäre mir gewesen, hemmungslos los zu heulen, doch ich konnte nicht. Stattdessen starrte ich zu Gin hinauf. Er stand nicht einen Meter von mir entfernt. Ebenso starrte er mich an. Verschwinde. Dann ging er in die Knie, war mir auf Augenhöhe. Lös dich auf. Sein Gesicht war noch nie so ernst gewesen, wie jetzt. Vergehe. Er hob die Hand und ich konnte seine nächste Tat genau erahnen. Ich schloss die Augen. Stirb. Seine flache Hand traf mich mitten ins Gesicht und ich fiel einfach zur Seite weg. Verrecke einfach nur. Ich wusste, dass das nicht alles gewesen war. Es war mir klar gewesen, noch bevor er mich barsch auf die Beine zurückgezogen hatte. „Drecksstück.“, sagte Gin tonlos. Ich hatte ihn verärgert. Ganz, ganz böse verärgert. Und nun war ich dran. Das würde er sich nicht gefallen lassen. Ich presste die Lippen aufeinander. Tränen brannten heiß meine Wangen herunter. Sein einer Arm hatte seinen anfänglichen Platz wieder eingenommen, der andere weilte irgendwo über meinem Kopf an der Wand. Seine Blicke durchbohrten mich. „Ist sie das?“, fragte ich plötzlich unter andauerndem Schluchzen. Unverständlich sah er mich an. „Ist das diese Liebe, um die es in all den Filmen und Büchern geht? Ist das die Liebe, von der alle sprechen?“ Er schwieg einen Moment. Dann wich die Stille einem tiefen Lachen. Er lachte mich aus. „Ich dachte ja eigentlich du bist ein kluges Mädchen, Sherry. Aber du hast doch nicht ernsthaft gedacht, dass so was Liebe ist? Dass ich nicht lache. Du bist ja so einfältig, dummes Ding.“ Hohn. Jedes einzelne verdammte Wort verhöhnte mich. „Aber das, was du angeblich für mich empfindest, soll Liebe sein?“, schluchzte ich weiter. Erneut kam sein Gesicht mir nah. „Aber natürlich. Ich liebe alles, was mir gehört. Das ist etwas Besonderes zwischen uns, glaub mir. Bekomm das irgendwie in dein hübsches Köpfchen rein.“ Damit ließ er mich los und drehte sich zur Tür. „Sieh zu, wie du nach hause kommst. Wir sehen uns dann morgen.“ Ich starrte ihn ein paar Sekunden nach. Torkelte dann, vor Unklarheit benebelt, zur Tür, durch die er gerade gegangen war. Ein wenig kraftlos stütze ich mich an der Türklinke ab. „Gin!“, rief ich. Meine Stimme war stärker als eben, zitterte nicht mehr so sehr. Er drehte sich um und sah mich an, wartete darauf, dass ich fortfuhr. Doch ich sah ihn bloß an. Die Art wie ich ihn ansah, sprach für mich alles aus, was ich nicht in Worte fassen konnte. Die unwahrscheinlich grünen Augen blitzten auf, als er verstand. So hatte ich ihn nie angeblickt. So hatte ihn noch nie jemand angesehen. Irgendwo unter meinen Stolz, der in Form von Tränen in meinem Gesicht hing, musste er sie sehen. Die verzweifelte Wut die ihm bloß eines sagte: Vergiss es. Da ist nur Schmerz zwischen uns. Da sind bloß Lügen. Da ist keine Liebe. Da ist bloß Hass. Mehr ist da nicht. Eine seiner Augenbrauen war nach oben gewandert. Ob das da in seinen Zügen Zorn oder gar Wertschätzung war, wusste ich nicht. Und es war mir gleich, ja, es war mir so verdammt scheiß- egal, denn ich schlug die Tür zu. Musste ihn endlich nicht mehr ansehen. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, sank ich an ihr herab. Mit angezogenen Beinen schaute ich zur weißen Decke auf. Er würde nie mehr bekommen, was er wollte. Er würde mich nie mehr bekommen. Jetzt war Schluss damit. Die Tür hinter mir war zu, und sie würde es auch bleiben. Ein dünnes Lächeln kräuselte meine Lippen ein. Ich hoffte so sehr, dass er endlich verstand. Mich nannte er dumm, doch war er nicht der Unwissende von uns? Liebe war Hass gewichen. Oder doch nicht? Ich musste überlegen. Klar war, dass da keine Liebe war. Doch was war dann da? War da Trauer? War da Angst? War da wirklich Hass? Nein, da war eher Leere. Nichts als gähnende Leere. Doch was war dann Leere? Durfte sich Leer so… frei, so leicht anfühlen? Müde lehnte ich meinen Kopf gegen die Tür. Es war egal, wie sich Leere anfühlte. Solange sie nur gut tat, durfte sie meinet wegen bleiben... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)