Veränderung von Turiana ================================================================================ Prolog: Veränderung ------------------- Als es anfing ging Itachi noch zur Akademie, hatte diese aber schon so gut wie abgeschlossen. Es war ein sonniger, warmer Tag im Herbst, und als Itachi nachmittags nachhause ging, raschelte das trockene, abgefallene Laub unter ihm, wenn er unter immer kahler werdenden Bäumen herlief. Itachi freute sich schon auf Zuhause. Die Schule war für ihn ziemlich langweilig und eintönig, auch wenn in zwei Monaten die Prüfungen stattfinden würden. Dafür brauchte er sich ohnehin nicht bemühen. Ihm fiel das Lernen sehr leicht, er war aufmerksam und beteiligte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit am Unterricht. Er war der Klassenbeste, nein, sogar der Schulbeste und würde als erster angehender Shinobi überhaupt so früh die Akademie verlassen- nach nur einem Jahr. Und dabei hatte er sich wirklich nicht viel anstrengen müssen, hatte noch genug Zeit für sein Training, Shisui und Sasuke gefunden. Das Training mit seinem Vater oder anderen Verwandten brachte ihn weiter auf seinem Weg, Sasukes Zukunft zu sichern, Shisui war sein bester Freund, der, der mit ihm am meisten trainierte und der ihn, Itachi, nicht nur als Wunderkind ansah, sondern auch als Mensch. Und Sasuke war sein kleiner Bruder, das Wichtigste für ihn. Sasuke war zu der Zeit drei Jahre alt, hing sehr an Itachi und folgte ihm immer, wenn es ging und ihn nicht Mikoto, ihre Mutter, irgendwo im Garten oder Haus aufgabelte. Er lachte so niedlich, wenn Itachi mit ihm spielte, was dieser möglichst oft und auch sehr gerne tat. Itachi kümmerte sich gerne um seinen Bruder, brachte ihn auch oft ins Bett, las ihm vor. Sasuke war sein Ein und Alles. Itachi selbst hatte etwa ein Jahr vor Sasukes Geburt das Ende des Krieges gesehen, den Krieg miterlebt, die Angst, die Vorsicht. Es war grauenvoll für ihn gewesen damals, und er glaubte noch immer nicht, dass ein Frieden von Dauer sein konnte, weswegen er ihn auch absichern wollte für Sasuke. Sein kleiner Bruder sollte niemals so wie er irgendwo im Wald sitzen, weil er seinen besten Freund –oder eben großen Bruder- suchte, und er sollte niemals von fremden Männern gefunden und gepackt, auf die Beine gezerrt und verschleppt werden. Und nicht sehen, wie sein Papa und ein Onkel diese Männer ermordeten, um ihn in Sicherheit zu bringen und dann ein wenig zusammen zu stauchen. Er sollte keine Angst haben, keinen Krieg sehen. Das wollte Itachi Sasuke nie sehen lassen, das wollte er verhindern. Sein kleiner Bruder sollte niemanden sterben sehen. Itachi ging durch das Dorf, und er wäre auch gerannt, hätte sein Vater ihm das nicht in der Öffentlichkeit verboten; Ein Uchiha würde nie rennen, das sei unehrenhaft und ziemlich kindisch, etwas, das Itachi nicht war. Er war nicht kindisch, eigentlich kaum noch ein Kind, auch wenn er noch die Akademie besuchte und zuhause mit seinem kleinen dreijährigen Bruder spielte. Er würde alles für Sasuke tun, und sei es, ihn irgendwann mal zu pflegen, sollte der bei einer Mission verwundet werden. Oder seine Familie umbringen, sollte die Sasuke schaden wollen. Sein kleiner Bruder war nicht wie Itachi, er gluckste, er lachte, er war ein normales kleines Kind, jeder mochte ihn. Er war eben ein kleiner Sonnenschein. Und alle Mädchen und Frauen, die die Brüder zusammen sahen, fanden sie schlichtweg zum erknuddeln. Als Itachi durch das Viertel seiner Familie lief, sah er seine Großmutter hinter dem Tresen ihrer Konditorei stehen und ging zu ihr, als sie ihn rief. „Hier, Itachi“, meinte sie lächelnd und zerzauste sein halblanges schwarzes Haar, das noch zu kurz war, um es zu einem Zopf zu binden, „Ich habe hier für deinen Bruder und dich ein paar Kekse. Nimmst du sie mit oder möchtest du später nochmal vorbei kommen?“ Itachi lächelte leicht, unnatürlich für ein Kind. „Ich nehme sie gleich mit, Sasuke freut sich sicherlich drüber“, antwortete er, nahm eine kleine Dose entgegen, die ihm die Alte reichte. „Lern schön fleißig, dass du deine Prüfungen auch bestehst, mein Schätzchen, und grüß deine Eltern von mir.“ „Mach ich“, sagte der Junge, verließ die Konditorei und winkte seiner Oma noch einmal zu, während er die Straße entlang lief. Da sein Vater das Oberhaupt des Uchiha-Clans war, besaß er selbstredend das größte Haus in diesem Viertel, und die Straßen in diesem Bereich des Dorfes führten alle darauf zu. Itachi musste vom Tor aus, das dieses Viertel begrenzte –wieso es da war, wusste er nicht-, nur noch die Straße entlanggehen und war dann auch schon Zuhause. Er schob die Haustür auf, wie immer, und betrat den Eingangsbereich des weitläufigen Gebäudes, bevor er sie hinter sich wieder schloss. Ein wenig verwirrt zog Itachi seine Sandalen aus, stellte sie ordentlich zu den anderen Schuhen und lief auf Socken durch den ziemlich kahlen Flur. Eben ein einfacher, weiß gestrichener Flur mit dunklem Holzboden und ebenso dunkler Holzdecke. Die Wände zierte in einem regelmäßigen Abstand das Wappen seiner Familie, des Uchiha- Clans: Der Fächer, in Weiß und Rot gehalten, der die Kontrolle über das Feuerelement demonstrierte. Aber es war ein kahler Flur. Alt. Ehrwürdig. Wie der ganze Clan. Als erstes sah Itachi in der Küche nach, vielleicht hatte Sasuke ja Hunger und Mikoto gab ihm ein bisschen Obst, um die Zeit bis zum Mittagessen zu überbrücken, wenn Fugaku heimkam, Itachis und Sasukes Vater. Aber als er in dem Raum mit den weiß gestrichenen Holzwänden, der schlichten Küchenzeile und dem Steinboden, dem Esstisch und Sitzkissen und dem kleinen Schrank trat, war dieser leer. Blieben also eigentlich nur noch der Garten, das Bad und Sasukes Zimmer. Wäre seine Mutter mit Sasuke einkaufen gegangen, hätte seine Großmutter das gesehen und ihm gesagt. Itachi fand Sasuke und seine Mutter in Sasukes Kinderzimmer. Der dreijährige lag noch im Schlafanzug im Bett, hatte die Bettdecke bis unters Kinn gezogen und sah ziemlich müde aus. Mikoto kniete vor dem Bett des Kindes und strich ihm durchs Haar. „Magst du nicht aufstehen?“, fragte sie leise und sanft. Ein Kopfschütteln. Itachi lächelte wieder ein wenig. Sein kleiner Bruder musste schon ziemlich rumgetobt haben, dass er so müde wurde. „Warst du mit ihm weg?“, wollte er deswegen wissen. Mikoto drehte sich um und schüttelte den Kopf. Sie hatte Itachis Schritte gehört und sein Chakra identifizieren können, auch wenn sie ihm bis eben keine Beachtung geschenkt hatte. „Sasuke ist heute schon den ganzen Tag so. Ich habe ihn nicht aus dem Bett bekommen“, sagte sie leise und fragte ihren älteren Sohn dann, wie sein Tag war. „Langweilig. Ich kann das ja alles. Kann ich mal probieren, ihn aus dem Bett zu holen?“ Mikoto erhob sich und strich Itachi durchs halblange Haar. „Wenn du magst. Vielleicht hat er sich ja nur leicht erkältet oder ist zu müde von gestern“, meinte sie, versuchte so, sich selbst zu beruhigen. Sasuke war ein unruhiger Junge, es war so gar nicht seine Art, irgendwo rumzusitzen und nichts zu tun. Schon gar nicht den ganzen Tag lang. Deswegen hockte Itachi sich zu seinem kleinen Bruder runter, obwohl er ja selber noch nicht wirklich groß war. Aber eben doch größer als ein dreijähriger Sasuke, der im Bett lag. „Magst du mit mir spielen?“, fragte er lächelnd. Er wusste eben, wie man Sasuke aus dem Bett locken konnte. Eigentlich. Diesmal klappte es nicht, Sasuke murrte nur und zog sich die Decke nun endgültig über den Kopf. Die kleinen Fingerchen hielten die Decke fest. Itachi aber lächelte- er würde seinen kleinen Bruder schon noch aus dem Bett bekommen! Sasuke zog sich manchmal eine Decke über den Kopf, weil er wusste, dass Itachi ihm diese entkitzeln würde- er würde Sasuke zum Lachen bringen und ihm in einem unachtsamen Moment den Stoff entreißen. So wie immer. Als Itachi dann aber diesmal seine Hände unter die Decke wandern ließ und Sasuke kitzelte, gluckste dieser nur auf und versenkte dann seine Fingernägel in Itachis Haut, kratzte ihn und kugelte sich richtig ein. Der ältere der beiden hatte seine Hände längst unter der Decke vorgezogen und betrachtete überfordert die Abdrücke, die Sasukes Fingernägel hinterlassen hatten, und die tiefen Kratzer, aus denen Blut hervortrat. Noch nie hatte Sasuke ihn gekratzt. Noch nie. Und schon gar nicht blutig. „Sasuke, was ist los?“, fragte Itachi- diesmal ohne lächeln, sondern ernst und besorgt. Sasuke war kein Kind, das nur im Bett lag und sich wehrte, wenn man es kitzelte. Er war auch kein Kind, das seinem großen Lieblingsbruder einfach so die Fingernägel in die Haut rammte. Und schon gar nicht schwieg er auf eine so einfache Frage, meistens plapperte er ohne Unterlass. Nun murrte er nur. Aus einem Impuls heraus entriss er seinem kleinen Bruder die Bettdecke und hob den Jungen auf seine Arme. Sasuke klammerte sich nur murrend an ihn, während Itachi schon seine Mühe hatte, ihn weiterhin zu halten. Er war ja auch erst acht Jahre alt. Zwar ein angehender Shinobi und der Beste an der Schule, aber eben doch noch ein Kind, nicht zu vergleichen mit den älteren Schülern, die mit ihm zusammen die Prüfungen machten. Die waren alle etwa elf oder zwölf, manche auch älter. Er war erst acht. Er war eben auch das Wunderkind des Clans und hatte sich dazu noch kam bemühen müssen. Aber jetzt musste er sich bemühen, um seinen dösenden Bruder zu halten. Würde er Sasuke fallen lassen, könnte er sich das selbst kaum verzeihen, den kleinen Bruder aber auf dem Bett abzusetzen, das war ebenso wenig eine Option. Der Kleine wirkte auf ihn ungewöhnlich müde, er würde sofort einschlafen oder wieder quengeln, so in seinen Armen war er immerhin ruhig und doch zufrieden zu stellen. „Mama“, rief Itachi deswegen nach der erstbesten, die ihm in den Sinn kam. Seine Mutter würde wissen, was er nun tun konnte, oder sie könnte mit ihrem Sohn zum Arzt gehen oder diesen holen. Mikoto war eine ausgebildete Medic-Nin, das wusste er, und vielleicht konnte sie ihm ja helfen oder wusste, was Sasuke hatte. Mikoto brauchte keine Minute. Sie war in ihrem Schlafzimmer gewesen und hatte das Bett gemacht, grübelnd, was ihr Jüngster sich wohl eingefangen haben konnte. Und als sie Itachi gehört hatte, hatte sie alles stehen und liegen gelassen und war sofort zu ihren Kindern geeilt. Itachi war immerhin niemand, der sie ohne Grund rief, und vielleicht war ja etwas mit Sasuke. Als sie das Zimmer betrat, kam sie nicht um ein liebevolles Lächeln umhin. Sie erkannte Itachis Problem sofort: ihr achtjähriger Sohn war noch nicht stark genug, um seinen eben nicht mehr so kleinen und leichten Bruder zu halten. Mikoto nahm Itachi Sasuke ab, und der dreijährige döste in ihren Armen weiter. „Mama, was hat Sasuke?“, fragte Itachi dann betrübt. Fragend wurde er angesehen. „Wieso denn, Schatz?“, wollte die junge Mutter wissen. Itachi zuckte mit den Schultern und zeigte seiner Mama dann seine Hände. „Er hat mich noch nie gekratzt und ist ganz komisch“, nuschelte er. Mikoto lächelte und zerzauste ihrem Ältesten das Haar. „Was hältst du davon, wenn du zu Shisui gehst und ich Sasuke zu einem Arzt bringe?“ Itachi zuckte mit den Schultern, und mit Sasuke im Arm hockte Mikoto sich vor den achtjährigen. „Weißt du, es ist nicht selten, dass Kinder so eine Erkältung überstehen- indem sie einfach mal einen Tag nur rumsitzen und nichts tun wollen außer schlafen. Gönnen wir deinem Bruder ein paar solche Tage, und wenn er bis übermorgen nicht wieder fit ist, bringen wir ihn zum Arzt, ja?“ Der Junge sah auf. „Nur ein paar Tage, ja?“, hakte er nach, mit einer Nachdrücklichkeit, die sehr ungewöhnlich war für sein Alter. Aber Itachi war eben nicht wie andere Kinder. „Ja,“, bestätigte Mikoto, „nur ein paar Tage.“ Sasuke ging es nicht besser. Er war noch immer unheimlich müde, wurde immer schwächer und blasser. Der Arzt vermutete eine Erkältung und riet Itachis Mutter dazu, den Jungen sich einfach auskurieren lassen, auch wenn diese ein wenig misstrauisch dem Urteil war. Ihr Sohn war immerhin nun schon vier Tage so müde, und sie fand, dass er auch ein bisschen zu blass war. Aber der Arzt konnte auch Recht haben und Sasuke nur eine Erkältung. Jeden Tag ging Itachi als erstes zu Sasuke, sobald er heimkam, setzte sich zu ihm, nahm ihn in den Arm und strich seinem Bruder durchs Haar, blieb einfach bei ihm. Und damit er seine Schulsaufgaben auch machte, nahm er die Sachen einfach mit in Sasukes Zimmer. Es ging Sasuke aber auch nach einer Woche nicht besser, im Gegenteil: Sasuke bekam schlecht Luft, musste nun immerzu möglichst aufrecht sitzen, weswegen Mikoto sich entschied, dem Arzt einen erneuten Besuch abzustatten. Und diesmal bestand Itachi darauf, mit zu kommen. In der Praxis mussten sie nur kurz warten, bis sie ins Behandlungszimmer des Arztes konnten. Die junge Mutter trug ihr Sorgenkind auf dem Arm, der ältere Junge folgte ihr stumm und unscheinbar, den Blick auf Sasuke gerichtet, der so schwer atmete. Der Arzt schüttelte Mikoto die Hand und nahm auch die Itachis, lächelte freundlich und bat der kleinen Familie an, sich zu setzen. „So… Frau Uchiha“, meinte er leicht zerstreut und blätterte in einer Akte- die normale Patientenakte Sasukes, eben eine, wie es sie für Itachi auch dort gab, „Geht es Sasuke noch nicht besser?“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Eher im Gegenteil- Ich habe ihn ins Bett gesteckt und dafür gesorgt dass er sich ausruht, aber es geht ihm nur schlechter. Jetzt bekommt er kaum noch Luft, und blass und fiebrig ist er ja schon die ganze Zeit.“ Der Arzt nickte. „Vielleicht eine schwere Grippe… Ich messe ihm erst mal Puls und Blutdruck, vielleicht hat er ja auch nur niedrigen Blutdruck.“ „Davon kann man aber nicht kaum noch atmen“, sagte die Uchiha kühl und half ihrem Jüngsten, sich so hinzusetzen, dass der Arzt, der um den Tisch herumgegangen war, ihm gut Blutdruck und Puls messen konnte. Der Arzt nickte, während er Sasukes Werte maß. „Eigentlich nicht…“, murmelte er dann, „Und Sasukes Werte sind eher etwas erhöht, das passt so nicht zusammen…“ Dann ging er leicht in die Hocke, dass er mit Sasuke auf Augenhöhe war. „Sasuke, ich zieh dir mal dein Shirt am Rücken hoch, ja? Und dann atmest du ganz tief durch, so gut du es kannst, ja?“ Der dreijährige nickte und fiepte auf, als das kühle Stethoskop seinen Rücken berührte. „Und jetzt atme mal ganz tief ein“, wies ihn der Arzt an, und Sasuke machte, was man von ihm wollte- schon alleine, weil er wieder nach Hause wollte, bevor der noch nette Onkel Doc auf die Idee kam, ihm diese komischen spitzen Dinger zu zeigen, wie er es bei Itachi mal getan hatte. Deswegen atmete er ein paar Mal tief aus und wieder ein, ließ dieses komische Ding da auch an seine Brust und seinen Bauch und blieb ganz still und artig, weil er unverwandt seinen großen Bruder ansah, der ihm Grimassen schnitt. Sasuke gluckste leise. Dann ließ der Arzt von ihm ab und ging zu einer Art abschließbarer Kommode, aus der er etwas holte. „Es hört sich nicht gut an. Ich werde ihm ein bisschen Blut abnehmen und die Proben im Krankenhaus untersuchen lassen.“ Mikoto nickte und strich ihrem Sohn durchs Haar, während Itachi immer schlimmere Grimassen zog, nur um seinen kleinen Lieblingsbruder abzulenken. Eigentlich würde er sowas in seinem Alter nicht mehr machen, aber er wusste, wie unangenehm Spritzen sein konnten, und das spitze Ding in der Hand des Arztes, auf dem eine leere Röhre gesteckt wurde, sah wie eine Spritze aus. Itachi wusste, dass Sasuke schreien würde, wenn ihm die in das dünne Ärmchen gerammt wurde. Und Itachi würde Recht behalten. Als der Arzt Sasuke gesagt hatte, was er machen und das nicht wehtun würde und das Sasuke keine Angst haben bräuchte, blieb der kleine Junge noch recht ruhig sitzen. Itachi wusste aber als Sasukes großer Bruder, wie sein kleiner Bruder quengeln konnte, wenn er etwas wollte oder ein ´Aua´ hatte. Sasuke saß ganz ruhig da, wurde abgelenkt von Mikoto, an die er sich müde schmiegte, während der Mann die Sachen für die Blutentnahme holte. Der Arzt kam zu ihm, nahm sein Handgelenk und legte ein Band eng um den Oberarm des Kindes. Itachi sah aufmerksam zu, behielt Sasuke im Auge und sah, dass das elastische Band seinen Bruder störte. „Nein“, quengelte der kleine Junge und wollte seinen Arm wieder an sich ziehen, schrie auf, als der viel stärkere Doktor ihn festhielt und Mikoto beruhigend auf ihn einsprach. Sasuke schrie und fing an zu weinen, während sich die Nadel in seinen Arm bohrte. Sofort lief sein großer Bruder zu ihm und fauchte den Arzt an: „Lassen Sie ihn in Ruhe, Sie tun ihm weh!“ Und dann stellte er sich hinter Sasuke, die Armstützen des Stuhls zwischen Sasuke und sich. Er streckte seine Kinderhand nach Sasuke aus und strich ihm durchs Haar, beugte sich zu Sasukes Ohr und flüsterte ihm Versprechungen ein, versprach seinem Brüderchen ein riesig großes Eis für Sasuke allein, wenn er sich beruhigte; dass es bald vorbei war und er sich an dem bösen blutsaugenden Arzt rächen würde. Sasuke wimmerte nur noch, während Itachi ihm gekonnt versprach, was immer Sasuke so gerne mit ihm unternahm- er versprach dem dreijährigen sogar, ihm das Schwimmen beizubringen, wenn er wieder gesund war. Sasuke hasste von Anfang an das Gefühl, dieses komische spitze Ding im Arm zu haben, dieses Gefühl, als würde ihm etwas ausgesogen werden… Er hasste es. Es machte ihm Angst. Und ohne Itachi, ohne seinen Aniki, da würde er sich wehren, aber sein großer Bruder wollte eben, dass er das überstand, hinnahm. Und er versprach ihm ein Eis, und mit ihm viel zu unternehmen… Grund genug für Sasuke, klein bei zu geben und ruhig zu bleiben- so ruhig es eben ging. Irgendwann hatte der Arzt ein kleines Röhrchen mit dem Blut gefüllt und entzog dem Kind die Nadel. Kaum war das spitze Ding aus seinem Arm gezogen, schluchzte Sasuke laut auf und wurde von Itachi fest geknuddelt, während seine Mutter ihn leise zu trösten versuchte. „Ich werde das gleich ins Krankenhaus bringen lassen. Am besten lassen Sie sich einen Termin geben, in einer Woche dürften die Ergebnisse da sein. Solange gebe ich Ihnen ein Mittel, damit Sasuke wieder richtig Atmen kann. Er sollte auch jeden Tag ein wenig raus gehen, das müsste ihm eigentlich gut tun“, erklärte der Doktor und ging danach zu einem der braunen Holzschränke, die eine ganze Wandseite einnahmen und deren offene Teile vollgestopft waren mit Medizinbüchern und sich so von den mit Kinderzeichnungen übersäten beigen Wänden abhoben. Er kam zurück mit einer Schachtel. Diese reichte er der jungen Mutter. „Davon jeweils Morgens, Mittags und Abends eine Tablette. Es müsste ihm das Atmen erleichtern- sollte es ihm wider Erwarten schlechter gehen, kommen Sie bitte einfach mit ihm hier vorbei oder holen uns. Einen schönen Tag noch. Wiedersehen, Sasuke, Itachi.“ Der Arzt schüttelte den beiden älteren Uchiha die Hände und strich Sasuke kurz durchs Haar, und schon verließ die Familie wieder das Behandlungszimmer. Während Mikoto sich mit der Arzthelferin auf einen Termin einigte, umarmte und tröstete Itachi seinen noch immer schniefenden kleinen Bruder. Und das konnte er ganz gut- mit einem einfachen „Welches Eis willst du denn dann haben?“. Sofort schluckte Sasuke unhörbar und sah mit Tränen in den Augen zu seinem Bruder auf, der doch ein ganzes Stückchen größer als er war. „Weiß nicht“, nuschelte er. Itachi fand es schon wahnsinnig beruhigend, dass Sasuke scheinbar nicht mehr so extrem müde und fast schon teilnahmslos war, sondern wieder ein Stück weit er selber. Eben ein kleiner dreijähriger Junge, der seinen großen Bruder regelrecht anhimmelte. Die Tabletten wirkten. Sasuke konnte wieder normal atmen, bekam ein wenig mehr Farbe, blieb aber ungewöhnlich blass, selbst, als Itachi mit ihm immer rausging, sich mit ihm draußen im Garten auf eine Decke setzte und ihm vorlas oder mit ihm spielte. Dafür, dass er normal atmen konnte, schien sich aber etwas anderes in ihm breit zu machen: Er hatte keinen Appetit mehr. Selbst mit Tomaten konnte Itachi ihn kaum mehr locken, etwas zu essen. Nur wenn sein Magen sich laut beschwerte, aß Sasuke etwas. Stocherte eher lustlos im Essen herum. Und wenn er seine Tabletten einmal vergaß, merkte er es sofort, dann merkte es jeder sofort, wie schwer Sasuke das atmen fiel. Das Medikament sorgte für geweitete Atemwege. Mikoto, Fugaku, Itachi, alle hofften, dass der Arzt das Übel fand, an der Wurzel packte und Sasuke heilte. Itachi machte sich auch mehr Sorgen als üblich, seine Aufgaben kümmerten ihn nicht mehr wirklich. Würde sein Vater ihm nicht die Hefte vor seiner Nase auf den Küchentisch legen und ihn mahnen, Itachi würde die ganze Schule schmeißen. Er hatte sogar seine Mutter angefleht, ihn doch einen Tag krank zu schreiben, einen einzigen, winzigen Tag- Hauptsache, er konnte bei Sasuke bleiben. Mikoto hatte ihn zur Schule geschickt. Und vielleicht war das auch besser so- das kleine Wunderkind wäre sonst wohl nicht nur einen Tag der Akademie fern geblieben. Er hätte wohl geschwänzt, bis sein Brüderchen wieder Gesund geworden wäre. Aber nun saß er in der Akademie, starrte ins Leere und passte kein bisschen auf. Er konnte ja eh schon alles. Er wollte nur noch nach Hause. Wenn er nach Hause kam, wären Sasuke und seine Mutter vom Arzt zurück. Die Woche war um, der Termin war –Itachi sah auf die Uhr neben der Tafel- in fünf Minuten. Hoffentlich hatte der Arzt gute Neuigkeiten oder zumindest eine Möglichkeit gefunden, Sasuke zu helfen. Der Kleine war doch grade mal drei Jahre alt- Drei! Da gab es keine Krankheiten, die man nicht heilen konnte, das glaubte Itachi, das befahl er. Er wollte es so, würde ein `unheilbar` nicht akzeptieren. Und hoffentlich musste er dieses bitterböse Wort gar nicht erst hören. „Itachi“, sagte jemand, und er sah auf. Oh… Der Lehrer stand direkt vor seiner Nase, ein orange-braunhaariger, kräftig gebauter Mann mit Bart, der ihn sonst sehr lobte. Diesmal aber sah er ihn vorwurfsvoll an. „Uchiha, ich habe dich gefragt, welches die fünfundzwanzigste Ninjaregel ist.“ Itachi stand auf, wie es die Schüler beim Antworten zu tun hatten, und sagte laut und deutlich: „Ein Shinobi darf nicht weinen oder andere Gefühle zeigen.“ Der Lehrer nickte und ging wieder nach vorne zur Tafel. Dann drehte er sich um und meinte „Pass das nächste Mal besser auf“, bevor er der Klasse irgendwas erklärte, das Itachi schon konnte und der kleine Uchiha wieder in seine kleine Welt abdriftete, in der der Arzt nur eine ungefährliche fiese Erkältung diagnostizieren und Sasuke gesund werden würde. Seine Hoffnung war umsonst gewesen. Das merkte Itachi schon, als er das Viertel seines Clans betrat und ihn seine Großmutter zu sich in die Konditorei rief. „Itachi, deine Mutter ist mit Sasuke im Krankenhaus. Du sollst hier bei mir deine Aufgaben machen. Bis du fertig bist, ist sie sicher wieder da.“ Itachi ging zu ihr und setzte sich an einen der überdachten Holztische, an die sich die Kunden setzen konnten. Während seine Großmutter ihm einen Becher mit Tee und ein frisch belegtes Brötchen auf einem Teller hinstellte, suchte er aus seiner Schultasche, die er neben sich auf die Bank gestellt hatte, seine Hefte und Bücher heraus. Dann sah er seine Oma an, die ohnehin schon schwarzen Kinderaugen wirkten noch dunkler. „Wieso ist sie im Krankenhaus?“, fragte er unsicher. Ein kleines Kind, das erst jetzt merkte, wie hilflos es selbst als Wunderkind war. „Die Ergebnisse abholen. Euer Kinderarzt hat sie dorthin geschickt, es scheint etwas Ernstes zu sein.“ „Aber er wird doch wieder gesund, oder?“, flüsterte Itachi, seine Großmutter panisch anschauend. „Sicher, mein Schätzchen“, meinte die Alte freundlich lächelnd, „Und jetzt trink erst mal etwas und mach deine Aufgaben. Du kannst mich jederzeit fragen, wenn du etwas nicht verstehst, ja?“ Itachi verstand kaum etwas. Ihm erschien alles, was er konnte, plötzlich unverständlich. Selbst für die einfachsten Aufgaben brauchte er Ewig, weil er immer wieder an Sasuke dachte, daran, wie wenig der Kleine aß, wie blass er noch immer war, wie schlecht er ohne die Medikamente Luft bekam, und er sah ihn vor sich, als er damals so müde gewesen war, so… am Ende. Dabei war sein kleiner Bruder doch immer so gesund! Er war nur einmal krank gewesen, eine normale Erkältung bei Kindern, selbst Itachi war als kleines Kind öfter krank gewesen- und er war ja noch immer ein Kind, auch wenn er schon von allen anderen Uchiha respektiert wurde, weil er ein paar Feuerjutsu beherrschte. Aber Sasukes Erkrankung, das war diesmal etwas anderes, das spürte er. Das wusste er einfach. Deswegen brauchte Itachi auch so lange, dass er grade seinen Stift weglegte, als seine Mutter die Konditorei ihrer Schwiegermutter betrat. „Da bist du ja“, meinte Mikoto müde lächelnd. Itachi fiel sofort auf, dass Sasuke nicht bei ihr war. „Wo ist Sasuke?“, fragte er deshalb leise und ängstlich. Die junge Mutter setzte sich zu ihrem Sohn auf die Bank, hob die Schultasche auf den Tisch. „Dein kleiner Bruder ist noch zur Untersuchung im Krankenhaus.“ „Wieso bist du dann hier?“, hakte er nach, unruhiger werdend. Mikoto grinste ein wenig schief und zerzauste das halblange Haar ihres Kindes. „Damit du was anständiges isst und nicht nur das süße Zeug, dass dir deine Oma gibt.“ „Sie hat mir ein Brötchen gegeben, keine Kekse“, schmollte Itachi und sprang dann auf. „Bittebitte lass uns schnell essen und dann zu ihm gehen, ja? Er hat bestimmt Angst alleine…“ Die schwarzhaarige Frau lächelte und erhob sich. „Na gut. Ich muss ihn ja sowieso abholen, da kannst du ruhig mitkommen. Es geht ihm gut, Itachi.“ „Wirklich?“, flüsterte der achtjährige, aber auf eine Antwort wartete er vergebens. Seine Mutter verabschiedete sich von seiner Oma, ohne auf seine letzte Frage einzugehen. Vielleicht war die Frage ja nur so dumm, dachte Itachi, Natürlich wird Sasuke gesund und natürlich geht es ihm gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)