Geminis Kampf von Schabi ================================================================================ Kapitel 4: Eine alte Geschichte ------------------------------- Kapitel IV - Eine alte Geschichte >... In jedem Herzen gibt es einen dunklen Ort, an dem die tiefsten und bittersten Geheimnisse bewahrt werden. Manche Menschen wissen nichts von der Existenz dieses Ortes und ohne dieses Wissen sind sie glücklich. Und wer davon weiß, der wird Qualen leiden, bis er es schafft, sein Herz zu öffnen. ...< "Du?" Bunny starrte Mitsumi, die sich vor ihren Augen in Sailor Gemini verwandelt hatte, fassungslos an. Und nun, da sie beide Personen, die eigentlich nur eine waren, vor sich gehabt hatte, konnte sie auch endlich die Ähnlichkeit der beiden erkennen und verstand, warum sie bei ihrer ersten Begegnung geglaubt hatte, Mitsumi zu kennen. "Ich glaube das einfach nicht! Ich hätte nie gedacht, daß -" Sailor Gemini sah Bunny mit einem Blick an, der sie verstummen ließ. Er war so unendlich traurig, daß Bunnys Herz weh tat. "Bunny, ich kann nicht behaupten, daß ich glücklich über diese Entwicklung bin. Ich habe dir schon gesagt, daß dieser Kampf dich nichts angeht. Immer noch nicht." "Aber der Diener hat mich doch angegriffen! Du hast selbst gesagt, daß er das nicht hätte tun dürfen. Auch wenn ich nicht kämpfen wollte, ist es dafür nun anscheinend zu spät." Vom Fahrstuhl her erklang ein Schrei. Einen Augenblick später flog etwas in hohem Bogen durch die Luft und landete ein paar Schritte von Bunny entfernt auf dem Boden. "Etherion!" Gemini lief auf ihren Gefährten zu und bückte sich, um ihm aufzuhelfen. Er sah nicht besonders munter aus. Sein Cape war zerrissen, sein linker Ärmel von Blut getränkt. "Anstatt hier herumzustehen und euch zu streiten, könntet ihr uns ruhig mal helfen", meckerte er und ächzte, als er nach seinem Stab griff, der wenige Zentimeter entfernt liegen geblieben war. "Tuxedo Mask und ich schaffen das nicht mehr sehr lange alleine." "Er hat recht. Bunny, du mußt dich jetzt verwandeln." Sailor Gemini sah, daß Bunny zögerte und fügte etwas freundlicher hinzu: "Vertrau mir." "Na gut. Aber nur unter einer Bedingung." Gemini zog erstaunt die Brauen hoch und sah Etherion an, dessen Gesicht einer Maske glich. "Welche?" "Wenn dieser Kampf vorbei ist, dann erzählt ihr uns, was ihr hier wollt und wer die Feinde sind. Und... wer ihr überhaupt seid." Gemini kniff die Lippen zu einem dünnen Strick zusammen, aber sie nickte. "Gut, dann los." Bunny kam sich etwas komisch dabei vor, die Brosche, die augenscheinlich so viel Macht besaß, in ihrer Hand zu halten. Der Gedanke, daß es überhaupt nicht funktionieren könne, schoß ihr durch den Kopf, doch sie schob ihn beiseite. "Macht der Mondkriegerin... mach auf!" Eine ungeheure Energie explodierte in Bunnys Brust. Sie fühlte sich von einer starken Macht durchströmt - eine Macht, die stärker war als alles, was sie bisher gekannt hatte. Das Zeichen des Mondes auf ihrer Stirn brannte regelrecht und der Kristall in ihrem Herzen leuchtete heller als je zuvor. Als Bunnys Verwandlung abgeschlossen war, fühlte sie sich gleichzeitig stark und auch erschöpft. Aber es war ein angenehmes Gefühl, das ihr auf eine eigenartige Art und Weise Sicherheit gab. Und außerdem hatte sich ihre Uniform verändert. Das erstaunte sie so sehr, daß sie einen Kommentar nicht unterdrücken konnte. "Oh! Und ich dachte, das wäre meine endgültige Uniform." Sailor Gemini schüttelte den Kopf. "Nein. Die Metamorphose ist noch lange nicht abgeschlossen. So lange du in deinem Herzen noch mehr Kraft findest, wirst du mehr Macht erhalten - und neue Uniformen." "Können wir jetzt gehen?" Sailor Etherion packte seinen Stab fester und rannte entschlossen los. "Warte!" Sailor Moon senkte verlegen den Blick, als Sailor Gemini sie strafend ansah. "Ich ... äh... Ich weiß nur nicht, welche Kräfte ich nun einsetzen kann", gab sie kleinlaut zu. "Du wirst es wissen. Komm jetzt." Der Kampf war in vollem Gange. Sailor Etherion und Tuxedo Mask hatten den Diener schon übel zugerichtet, aber er schien überhaupt nicht müde zu werden und so war er immer noch stark, während die beiden Männer bereits einen Großteil ihrer Kräfte eingesetzt hatten und nun ziemlich erschöpft waren. Als Sailor Moon dem Diener gegenübertrat, blitzte etwas in seinen Augen auf und er griff die Mondkriegerin blitzschnell an. Nur mit Glück schaffte Sailor Moon es, dem Feind auszuweichen. "Du bist sein Ziel", rief Gemini Sailor Moon zu und versuchte, die Aufmerksamkeit des Dieners auf sich zu lenken. "Er will dich unbedingt erwischen und er wird nicht aufgeben, bis wir ihn besiegt haben!" Sailor Moon wich erschrocken zurück, als der Diener mit einer seiner riesigen Hände nach ihr schlug. "Aber warum will er denn ausgerechnet mich?" "Ich wünschte, das wüßte ich!" rief Gemini zurück und beschwor ihre Kraft. "Castor und Pollux... fliegt!" Der Diener sah die beiden Plasmabälle kommen und wollte ausweichen, doch er war nicht schnell genug. Die beiden Geschosse erwischten ihn - jedoch nicht mit voller Wucht. Benommen blieb der Diener liegen, rappelte sich jedoch nach kurzer Zeit wieder auf und griff Sailor Moon erneut an. Wie besessen gebärdete sich der Feind und ließ tatsächlich nicht ab von seinem Ziel - genau wie Sailor Gemini gesagt hatte. Vermutlich hätten die Krieger noch weiter erfolglos kämpfen können, wenn der Diener nicht einen entscheidenden Fehler gemacht hätte: Er achtete nicht darauf, daß er von allen gleichzeitig angegriffen wurde und rannte so jedem der Beteiligten voll in die Schußlinie. Tuxedo Mask brachte den Angreifer durch einen Schlag mit seinem Stab ins Taumeln, während Sailor Gemini schon ihre Plasmabälle beschworen hatte. Von diesen getroffen sank der Diener zu Boden und wollte sich gerade wieder aufrichten, da setzte Sailor Etherion schon seinen Sternenglanz ein. Der Diener keuchte und war merklich geschwächt. Sailor Moon starrte den Feind eine Sekunde lang unschlüssig an. Sie war sich nicht sicher, was sie nun tun sollte. Die neuen Kräfte, die sie erhalten hatte, waren für sie noch absolutes Neuland - wie konnte sie da wissen, wodurch sie den Feind endgültig ausschalten konnte? Doch ihre Angst, die Chance auf den Sieg zu verpassen, verflog schlagartig, als das Brennen der Mondsichel auf Sailor Moons Stirn wieder stärker wurde. Etwas in der Kriegerin begann zu pulsieren und sich einen Weg zu bahnen. Etwas Mächtiges, das nicht einfach zu kontrollieren war. In Sailor Moons Händen erschien ein zierlicher, etwa ein Meter langer Stab, der strahlend weiß leuchtete. Auf seiner Spitze saß eine blaßrosa Perle, von winzigen Goldkugeln eingefaßt. Und in der Perle konzentrierte sich nun eine ungeheure Macht. Sie war so stark, daß Sailor Moons Hände zu kribbeln begannen. "Silberfeuer des Mondes... flieg!" Die Perle löste sich aus ihrer Fassung und wuchs innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einem gewaltigen Ball aus Licht an, der schließlich schnell auf den Diener zuflog und ihn förmlich in der Luft zerriß. Während Sailor Moon noch völlig fassungslos auf die Stelle starrte, wo vor wenigen Augenblicken noch der Feind gestanden hatte, löste sich der Stab in ihrer Hand wieder in Luft auf - so als hätte es ihn nie gegeben. "Bunny! Geht es dir gut?" Tuxedo Mask nahm Sailor Moon in die Arme und preßte sie fest an sich. "Ja, es ist alles in Ordnung." "Du hast dich gut geschlagen, Sailor Moon", bemerkte Sailor Etherion, der es gerade geduldig über sich ergehen ließ, von Sailor Gemini bezüglich seiner Wunden begutachtet zu werden. "Du scheinst gut mit deiner neuen Kraft zurechtzukommen." "Sie muß noch viel lernen, ehe sie wirklich die Kontrolle über diese Macht erlangen kann." Sailor Gemini nahm ihre irdische Identität wieder an. "Was nicht heißt, daß du in Kämpfen üben sollst", fügte sie scharf hinzu. "Etherion, ich muß deine Wunden versorgen." Sailor Moon machte ein paar schnelle Schritte nach vorne, als Mitsumi ihren angeschlagenen Gefährten fortbringen wollte, und packte sie am Arm. "Warte! Mitsumi, du hattest mir versprochen, daß du uns über alles aufklären willst. Hast du vor, dein Versprechen zu brechen?" Mitsumi sah Etherion an, doch der reagierte überhaupt nicht. Für einige Zeit schwieg sie einfach nur, dann seufzte sie und nickte. "Bringen wir es hinter uns. Wo ist es dir am liebsten?" Etherion mußte ein Lächeln unterdrücken und er war auch der letzte, der das Gebäude auf dem Weg zum Hikawa-Tempel verließ. Die erste Reaktion der Mädchen, die sich alle bei Rei im Hikawa-Tempel eingefunden hatten, war pures Staunen. Nachdem Bunny ihnen eröffnet hatte, wer Mitsumi und Sukuite waren, herrschte erst einmal tiefes Schweigen. "Na, das sind ja gute Neuigkeiten", murmelte Rei nach einer Weile und warf Bunny einen vielsagenden Blick zu. "Also brauchen wir doch nicht unseren guten Ruf aufs Spiel zu setzen." "Vergiß das doch jetzt mal, Rei", gab Bunny zurück und zog ihre neue Brosche aus der Tasche. "Wir haben jetzt auf jeden Fall die Möglichkeit, die Feinde zu besiegen. Diese neue Kraft ist unglaublich!" Makoto nickte nachdenklich. "Mag sein, Bunny, aber nur du besitzt sie." "Ich würde bestimmt nicht nur Sailor Moon diese neuen Kräfte überlassen. Ihr seid für ihre Sicherheit verantwortlich und ihr seid Kriegerinnen, also gebe ich euch dies." Mitsumi holte das kleine Kästchen hervor, das sie vorsorglich eingesteckt hatte, bevor sie aufgebrochen waren und verteilte an jedes der Mädchen die passende Brosche mit dem jeweiligen Planetenzeichen. Ami betrachtete das Schmuckstück eingehend. "Es wundert mich, wie viel ihr über uns wißt, Mitsumi. Sicher, ihr seid Sailorkrieger, aber meines Erachtens sind eure Kenntnisse über uns ziemlich ausgeprägt. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, daß wir jemals etwas miteinander zu tun hatten oder daß ich auch nur eure Namen schon einmal gehört hätte." Mitsumi seufzte, schwieg aber. Sie war sehr blaß geworden und ballte die Hände so stark zu Fäusten, daß ihre Knöchel weiß hervortraten. Sukuite legte ihr eine Hand auf den rechten Arm und sah seine Gefährtin ruhig an. "Ich denke, wir sollten ganz vorne beginnen. Und noch bevor Mitsumi ins Spiel kommt, geht es um mich." "Ein männlicher Sailorkrieger... Das ist schon sehr ungewöhnlich." Minako legte den Kopf schief und grinste. "Aber keineswegs eine schlechte Sache." Sukuite zog erstaunt die Brauen hoch, ließ sich aber nicht beirren. "Einst gab es noch einen weiteren Planeten in diesem Sonnensystem. Es war ein wundervoller Ort, an dem Frieden herrschte. Dieser Planet hieß Etherion. Und ich... Ich war ein Prinz auf Etherion. Ein Nachkomme der Königsfamilie. Der letzte. Eines Tages wurden wir von einem mächtigen Gegner angegriffen und während dieses Kampfes wurde ganz Etherion vernichtet und bildete den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Mein Volk konnte gerettet werden und fand auf der Erde ein neues Zuhause. Und da ich nun ein Prinz ohne Königreich war, schloß ich mich fortan dem Königreich des Silberjahrtausends an. Ich kämpfte mit den Kriegern dieses Sonnensystems gegen alle Feinde und wir waren stark genug, um den Frieden zu erhalten." "Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern", warf Mamoru ein und musterte Sukuite mißtrauisch. "Weder an Etherion, noch an dein Volk, das bei uns aufgenommen wurde - geschweige denn an dich." Sukuite nickte. "Das ist kein Wunder. Es war lange vor deiner Zeit, Mamoru. Lange bevor Endymion und Serenity sich kennenlernten und lange bevor Königin Metallia auftauchte. Sailorkrieger altern nicht so, wie die Menschen es tun. Und so haben wir schon ein langes Leben gelebt, ehe all diese Dinge geschahen." Unvermittelt stand Mitsumi auf und ging zum Fenster. Ihr ganzer Körper war angespannt, als sie auf den Hof blickte und mit ihren Augen etwas suchte, woran sie sich festhalten konnte. "Laß mich bitte weitererzählen, Sukuite." Als Mitsumi sich umdrehte und Bunny anblickte, war in ihrem Blick so viel Schmerz, daß Bunny die ihr noch so fremde Frau gerne in den Arm genommen hätte. Doch es war nun so viel wichtiger, endlich alles zu erfahren. "Es wird euch allen nicht gefallen, was ich zu erzählen habe. Und vermutlich werden die Erinnerungen mit meiner Geschichte zurückkehren. Aber Sukuite sagte, es wäre vielleicht endlich an der Zeit, nachdem so viel geschehen ist und es anscheinend unser Schicksal ist, alles noch einmal aufzuarbeiten. Also werde ich... die ganze Geschichte erzählen." Sukuite seufzte leise und Bunny warf ihm einen kurzen Blick zu. Dann sah sie Mamoru an und entdeckte etwas in seinen Augen, das sie erschreckte. Es war ein ähnlicher Ausdruck wie der in Mitsumis Blick. Ob er sich etwa schon erinnerte? Was war nur geschehen? "Ich bin eine der zwölf Wächterinnen über die Planetenkräfte", begann Mitsumi leise. "Wir wachen über die größte Macht aller Sailorkrieger. Unsere Schutzzeichen sind die der Sternzeichen und in diesen befinden sich auch unsere Paläste. Dort leben wir in einer Art Schlaf, bis wir irgendwo in diesem Universum gebraucht werden. Untereinander stehen wir ständig in Verbindung. Nennt es Telepathie, das kommt der Sache wohl am nächsten. Damals, als der Planet Etherion vernichtet wurde, war das Böse eine Zeitlang ausgemerzt. Die wenigen Feinde, die sich den Kriegern dieses Universums entgegenstellten, konnten von ihnen besiegt werden und so hatten wir eine lange Zeit des Schlafes vor uns. Doch eines Tages kam eine neue Gefahr und sie bedrohte das Königreich des Mondes. Wir zwölf erwachten aus unserem Schlaf und reisten zum Mond, um den Kriegern in diesem Kampf beizustehen. Als wir das Schlachtfeld erreichten und unsere Kräfte mit denen der hiesigen Krieger vereinten, konnten wir die Feinde schlagen und den Frieden erhalten. Zum Dank dafür bot uns Königin Serenity ihre Gastfreundschaft an und wir blieben einige Zeit auf dem Mond. Damals lernte ich auch Sailor Etherion kennen. Es war zu Anfang nicht gerade leicht zwischen uns, denn unsere Ansichten und Eigenschaften konnten unterschiedlicher nicht sein. Dennoch freundeten wir uns an - wir alle zwölf fanden neue Freunde auf dem Mond. Etherion fragte mich eines Tages, ob ich mit ihm zur Erde kommen wolle, wo sein Volk lebte. Ich freute mich darauf, denn noch nie war ich auf der Erde gewesen und schon immer hatte mich das blaue Strahlen dieses Planeten fasziniert und angezogen. An diesem Tag lernte ich die Erde kennen. Und ich traf Prinz Endymion..." Mitsumi schwieg und schloß die Augen, um die Bilder von damals noch einmal klar vor sich zu sehen. "Im ersten Moment, in dem ich ihn sah, wußte ich, daß ich niemals einen anderen Menschen würde lieben können. Er sah mich nicht, doch ich spürte, daß wir füreinander bestimmt waren. Von da an besuchte ich die Erde täglich, nur um ihn zu sehen. Das erste Gespräch mit ihm war für mich nur eine Bestätigung meiner Gefühle. Alles, was ich wollte, war mit diesem Menschen zusammen zu sein. Es wurde mir egal, welche Pflichten ich besaß und woher ich kam. Ich war mir so sicher, daß sich von nun an mein ganzes Leben ändern würde." Mitsumi öffnete die Augen und sah Mamoru an. Plötzlich war da kein Schmerz mehr, keine Angst in ihrem Blick. Nur noch Kälte. "Und es änderte sich wirklich. An dem Tag, als ich Endymion und Serenity zusammen sah. Sie waren so glücklich. Und in beider Augen war Liebe zu sehen. Ich kehrte zum Mond zurück, doch in dem Palast, in dem die Prinzessin lebte, konnte ich nicht bleiben. Es war beinahe ein körperlicher Schmerz, der mich dort plagte. Ich wußte nicht, wem ich mich anvertrauen sollte, also ging ich zu Etherion und erzählte ihm alles, was passiert war. Er war sehr verständnisvoll, doch er machte mir klar, daß die Liebe zwischen Serenity und Endymion für die Ewigkeit war. Sie waren einfach füreinander bestimmt. Ich fühlte mich betrogen und verletzt. Ich war immerhin auch eine Prinzessin. Vielleicht lebte ich nicht an einem so schönen Ort wie dem Mondreich, doch auch ich hatte einen Palast, auch ich war schön, auch ich konnte mich genauso gut mit ihm unterhalten. Ich wollte nicht sehen, daß es das Herz war, welches Serenity und mich unterschied. Als die anderen elf Wächter entschieden, in ihre Paläste zurückzukehren, war ich darüber zuerst unglaublich froh. Doch da gab es immer noch diese Stimme in meinem Herzen, die mir zurief, ich dürfe nicht aufgeben. Ich wollte Endymion für mich gewinnen. Um jeden Preis. In der Nacht, bevor wir aufbrechen wollten, schlich ich mich zur Erde. Ich hatte vor, mit dem Mann, den ich liebte, zu reden. Doch als ich ihm schließlich gegenüber stand, konnte ich es nicht. Und so gab es für mich nur noch die Möglichkeit, Serenitys Liebe zu zerstören." Mitsumi hörte, daß Bunny scharf einatmete, aber sie hörte nicht auf zu sprechen. Hätte sie das getan, wäre sie später nicht mehr in der Lage gewesen, auch nur ein Wort herauszubekommen. "Ich schlich mich in ihre Gemächer. Ich wußte selbst nicht, was ich tun wollte, vertraute aber darauf, daß mir schon etwas einfallen würde. Als ich an ihr Bett trat und sie so schlafend daliegen sah, wurde mir klar, daß meine Liebe mein Herz vergiftet hatte. Ich war besessen und das erschreckte mich so sehr, daß ich am liebsten gestorben wäre. Ich war keine Kriegerin mehr. Es gab nicht mehr das uneingeschränkte Gute in meinem Herzen. So konnte ich meine Aufgabe nicht mehr erfüllen. Aber trotz dieser Einsicht war es zu spät. Damals war ich noch eine andere. Ich bin die Kriegerin der Zwillingssterne und zwei Seelen lebten von Anbeginn der Zeit in meiner Brust. Eine dieser Seelen war nun dunkel geworden und haßte alles, was ihrem Ziel im Weg stand. Die andere war verschont geblieben von dieser Besessenheit, hatte aber nicht die Kraft des Hasses. Ich versuchte, meinen Plan wider besseren Wissens durchzuführen. Ich wollte... Prinzessin Serenity töten." Im Raum herrschte absolute Stille. Mitsumi fühlte, daß sich die Kriegerinnen nun auch an den Rest der Geschichte erinnerten, aber sie wollte sie trotzdem bis zum Schluß erzählen. Aus ihrer Sicht. Diese Gelegenheit hatte sie noch nie gehabt. "Ehe es dazu kam, kamen Sailor Jupiter und Sailor Mars in das Zimmer gestürmt. Sie sahen, daß ich meine Macht dazu einsetzen wollte, Serenity auszulöschen und griffen mich an. Ich wurde überwältigt und zu Königin Serenity gebracht. Ich hatte alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Die Königin klagte mich des Verrates an und verbannte mich aus ihrem Königreich. Wieder in meinem Palast, wurde ich die Dunkelheit in meinem Herzen nicht los. Also setzte ich mich mit den übrigen Wächtern in Verbindung und bat sie darum, mich meiner Aufgabe als Kriegerin zu entheben. Aber sie weigerten sich und schlugen mir vor, mit ihrer Macht etwas zu versuchen, was mich für immer verändern würde: Sie wollten mir eine meiner Seelen, die besessene, nehmen. Ich stimmte zu und so wurde ich von einer Sekunde auf die andere zu einer völlig anderen Person. Meine zweite Hälfte, die nicht körperlos war, sondern sich in Form meines Zwillings materialisierte, floh in die Dunkelheit des Universums und ich weiß bis heute nicht, was aus ihr geworden ist. Lange Zeit verkroch ich mich in meinem Palast, während die anderen Wächter wieder in ihren Schlaf fielen. Doch ich konnte nicht vergessen, was geschehen war, und mein Herz liebte Endymion immer noch bedingungslos. Dann erreichte uns die Nachricht, daß es auf der Erde eine fremde Macht gab, welche die Kontrolle über den Planeten zu übernehmen drohte. Die anderen eilten zu Königin Serenity, um sie zu warnen und mit ihr zu kämpfen, doch ich begleitete sie nicht, da ich verbannt worden war. Aber schließlich wurde mir klar, daß sie ohne mich nicht ihre vollen Kräfte würden einsetzen können und so machte ich mich auf den Weg, um ihnen zu helfen. Königin Serenity war so erbost, mich zu sehen, daß sie die Hilfe der Wächter ablehnte. Sie wußte, daß sie damit wichtige Verbündete verlor, aber ihre Wut auf mich und die Angst um das Leben ihrer Tochter waren stärker. Alle Erklärungen waren umsonst, selbst die Tatsache, daß ich nicht mehr die Kriegerin von einst war, konnte sie nicht umstimmen. Schließlich mischte sich auch Etherion ein, womit er nur Königin Serenitys Mißgunst erwarb. Letztendlich kehrten wir Wächter wieder in unsere Paläste zurück und beobachteten von dort aus das Geschehen. Auch Sailor Etherion verließ das Königreich des Mondes und zog sich an den Ort zurück, von dem seine Macht entspringt: Den Palast der Iris. Und so verfolgten wir den Untergang des Silberreiches. Ich sah, wie die Königsfamilie starb, sah Endymions Lebenslicht erlöschen und verfolgte, wie Königin Serenity die Seelen ihres Volkes auf die Erde sandte, um dort wiedergeboren zu werden." Mitsumi hatte ihre Geschichte beendet. Sie fühlte sich unglaublich leicht, aber auch bedrückt, weil sie den Mädchen, die versammelt vor ihr saßen, die Erinnerungen zurückgegeben hatte. Sie alle sahen ganz furchtbar unglücklich aus, aber auch wütend, wie Mitsumi ohne große Überraschung feststellte. Als sie Bunny ansah, brannte es in ihrem Herzen. Dieses Mädchen, das die Wiedergeburt der Prinzessin des Mondes war, weinte. Mitsumi konnte nicht genau sagen, warum, aber es traf sie so tief in ihrem Herzen, daß sie nichts anderes tun konnte, als zur Tür zu gehen und den Tempel zu verlassen. Mamoru saß wie versteinert auf seinem Platz und starrte die Tür an, durch die Mitsumi gerade den Raum verlassen hatte. Er konnte nicht glauben, daß er das alles vergessen hatte. Wie tief hatte es ihn damals getroffen, daß alles nur wegen ihm so gekommen war. Er spürte eine Hand auf seiner. Verwirrt sah er auf und bemerkte, daß Bunny ihn schon seit einer Weile schweigend beobachtet hatte. Sie weinte und ihre Hand war kalt. "Oh, Bunny." Mamoru nahm seine Freundin in den Arm und seufzte. "Versteht ihr jetzt, warum sie nicht wollte, daß ihr das alles erfahrt? Sie leidet schon genug darunter, aber nun alles noch einmal aufzuwühlen und euch wieder alles wissen zu lassen, das macht es noch schwerer für sie." Sukuite rieb sich mit der rechten Hand über sein Gesicht. "Vielleicht war es doch nicht der richtige Zeitpunkt", sagte er mehr zu sich selbst als zu den anderen. Bunny sah auf. Ihre Tränen waren getrocknet, aber sie war immer noch unendlich traurig. "Ich bin froh, daß sie es getan hat", sagte sie mit sicherer Stimme. "Niemand kann so eine Last ewig für sich alleine tragen. Es sind sicher keine guten Erinnerungen, aber sie gehören dazu und... sie hat sich ja geändert. Sonst könnte sie nicht so leiden." Rei runzelte mißtrauisch die Stirn. "Also, ich weiß nicht, Bunny. Nach dem, was damals passiert ist, weiß ich nicht, ob ich ihr noch vertrauen kann." Makoto und Minako sahen sich kurz an. "Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll", gab Makoto schließlich zu. "Ich auch nicht." Minako sah nachdenklich zum Fenster hinaus. "Schließlich hat sie uns neue Kräfte gegeben und uns unsere Erinnerungen zurückgegeben. Wenn sie böse Absichten hätte, hätte sie das doch nicht getan, oder?" "Aber warum ist sie eigentlich hier?" Ami hatte den Kopf auf beide Hände gestützt und sah Sukuite offen an. Dieser atmete tief ein und seufzte. "Alles, was sie seit damals hatte, war die Gemeinschaft mit den anderen Wächtern. Zwar waren sie räumlich getrennt und schliefen allein in ihren Palästen, aber sie hielten immer Verbindung über ihre Gedanken. Doch eines Tages brach diese Verbindung ab. Sailor Gemini suchte die anderen, doch konnte sie nicht finden, bis sie Kontakt zu einer der anderen Kriegerinnen bekam. Es war nur eine kurze Botschaft - ein Hilferuf von der Erde. Gemini bat mich, mit ihr zusammen zu kämpfen, und gemeinsam kamen wir hierher um ihre Gefährtinnen zu retten." "Von der Erde?" Bunny riß erschrocken die Augen auf. "Aber das heißt ja..." Sukuite nickte. "Sie wurden entführt und hierher gebracht. Wir wissen nicht, warum genau auf diesen Planeten. Außerdem scheinen die Feinde, die ihr ja auch schon kennengelernt habt, hinter Sailor Gemini her zu sein. Auch dafür kennen wir keinen Grund. Doch wenn die anderen bereits gefangen wurden, müssen die Gegner sehr mächtig sein. Es ist etwas im Gange - wir wissen nur nicht, was." "Wir könnten ebensogut in Gefahr sein", gab Ami zu bedenken. "Ich frage mich nur, warum ausgerechnet die Erde?" Rei runzelte nachdenklich die Stirn. "Mir scheint, es gibt da einen Zusammenhang, aber ich kann ihn nicht richtig erkennen." Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den Anwesenden. Schließlich stand Sukuite auf und verbeugte sich leicht. "Ich denke, ich werde gehen und nach Mitsumi sehen. Das alles hat sie vermutlich ziemlich mitgenommen. Ich erwarte nicht, daß ihr Mitsumi volles Vertrauen entgegenbringt, vermutlich könnt ihr das auch nicht. Aber denkt bitte über ihre Geschichte nach und hört auf das, was euer Herz euch sagt. Diesen Kampf... können wir nicht allein gewinnen." Mit diesen Worten verließ Sukuite den Tempel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)