Kampf um die Existenz von Tomoffel-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Krachend schlug die blaue Energiekugel des Rüstorpanzers dort ein, wo Anvar vor ein paar Sekunden noch gestanden hatte. Das war knapp. Er schaute gleich zu Silver, der schwankend wieder auf die Beine kam. Der Rumpf sammelte unterdessen Energie für einen zweiten Schlag. „Hinter dir!“, schrie sein Freund. Anvar drehte sich schnell um und ließ den Fuß des Herzlosen in sein Katana laufen. Die Wucht der Attacke ließ beide auf den Boden aufschlagen. Erfolglos versuchte Anvar das Gewicht von seinem Körper zu schieben. Verkehrt herum sah er, wie Silver auf Anvar zugerannt kam, die letzte Gliedmaße als Absprunghilfe benutzte und seinen Speer in den Körper des Gegners schleuderte. Die Waffe traf und verfehlte ihre Wirkung nicht. Gleißendes Licht strömte aus der Stelle, wo der Speer steckte, dann erhob sich das leuchtende Herz in die Lüfte. Silver streckte die Hand aus und das Herz flog in den kleinen, zylinderförmigen Behälter, den er in der Hand hielt. Endlich löste sich der Rüstorpanzer auf. Anvar, befreit von dem Gewicht, richtete sich langsam auf und sah sich nach Silver um. „Alles ok?“, fragte er seinen Partner besorgt. „Ja“, antwortete Silver. „Mir tut bloß mein Kopf etwas weh, doch die Schmerzen haben sich gelohnt. Wir haben ein weiteres Herz.“ „Somit sind wir wieder einen Schritt vorangekommen. Dann lass uns schnell zum Hauptquartier zurückkehren und es Kingdom Hearts geben.“ Silver nickte und Anvar erschuf ein Portal aus Licht, durch das sie beide verschwanden. Anvar und Silver gehörten der Organisation des Lichts an. Ihre selbst ernannte Aufgabe war es, die Bewohner der Welten mit Hilfe des Lichts vor der Organisation der Dunkelheit zu beschützen. Die andere Organisation schickte Herzlose los, um die Herzen der Bevölkerung zu sammeln und dadurch ihr Kingdom Hearts zu vervollständigen. Die Strahlenden, wie man die Organisation des Lichts außerdem noch nannte, brachten ihrem Kingdom Hearts den Herzen der Herzlosen. Auch wenn beide Organisationen sich gegensätzlichen Mächten verschrieben haben, verfolgten sie beide dasselbe Ziel: Vollkommenheit. Privem, der Anführer der Strahlenden, begrüßte Anvar und Silver, als beide im Versammlungsraum auf ihren Stühlen auftauchten. „Ich sehe, dass ihr beide wohlbehalten zurückgekehrt seid. Wie verlief die Mission?“ „Uns begegneten nur ein paar Klappersoldaten und ein schwacher Rüstorpanzer. Die Bewohner hatten sich zum Glück rechtzeitig zurückgezogen.“, antwortete Silver müde. Basav, der rechts von Anvar saß, fragte ihn: War euch ein Dunkler begegnet?“ Mit Dunkler bezeichneten sie die Mitglieder der feindlichen Organisation. Anvar schüttelte den Kopf. „Seitdem wir Xaver vernichtet haben, zeigen sie sich nicht mehr so oft“, stellte Victory selbstsicher fest. „Das heißt nicht, dass sie ihren Plan aufgegeben haben.“, entgegnete Pulvis tadelnd. „Und wir werden auch nicht aufgeben!“ Privem sah Anvar und Silver an. „Ihr seht erschöpft aus. Ruht euch aus.“ Das Zeugnis der Existenz war der Ort, wo die Steine der Mitglieder, egal ob lebend oder verstorben, standen. Vor jedem Stein war eine Platte mit Namen und Bild des Mitglieds im Boden eingelassen. Die Steine waren etwa ein Meter groß und hatten ein großes Schlüsselloch in der Mitte, worin ein helles Licht erstrahlte. Wenn dieses Licht jedoch erloschen war, bedeutete das, dass das Mitglied verstorben war. Anvar kniete vor dem Stein seines verstorbenen Freundes Nova. Vor seinem geistigen Auge tauchten die Bilder der Erinnerung auf, wie Nova damals gestorben war. Wie Brave mit halb zerrissener, weißer Kutte im Versammlungsraum gestanden und vom Kampf mit Xiwo berichtet hatte. Als Brave erzählte, dass Nova sich geopfert hatte, war Anvar von seinem Stuhl gesprungen, und zu Brave hingelaufen. Anvars hellgraue Augen hatten in Braves meerblaue Augen gestarrt. „Nein! Du lügst! Nova lebt noch! Er kann …“, hatte er Brave in seiner Verzweiflung und Trauer angeschrieen. Daraufhin hatte ihm Brave das Katana, was eigentlich Nova immer führte, übergeben. Mit Nova hatte Anvar einen Kameraden und wertvollen Freund verloren. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du uns verlassen hast. Ob die Gefühle, die er damals empfand, echt waren oder bloß Illusionen und Einbildung? Verhielt es sich nicht mit allen Gefühlen so? Auch wenn sie nicht echt waren, so würde er sie richtig fühlen, wenn Kingdom Hearts vollständig ist. Der Junge kehrte langsam in sein Zimmer zurück. Nachdem er sich geduscht hatte, pflegte er seine Waffe, wie gewohnt nach jedem Auftrag. Das Katana pflegte er, weil er es Nova versprochen hatte – so wie er sich immer um Anvar gekümmert hatte, so kümmerte er sich nun um sein Schwert. Man sah der Waffe an, dass sie schon recht häufiger zum Einsatz kam. Mit dem Finger fuhr der weißhaarige Niemand die silberne Klinge entlang, die schon einige Kratzer aufwies. Wo Nova noch das Katana geführt hatte, war seine Waffe einmal zerbrochen, doch die schmiedebegabten Mogrys in Traverse hatten die zwei Teile wieder zusammengesetzt. Der Griff war mit einem weißen Band umwickelte, welches nur durch die silbernen Rauten unterbrochen wurde. Die Parierscheibe hatte das Aussehen eines weißen, achteckigen Sterns, der für Nova und Anvar ein Symbol für das Licht darstellte. Aus seinem Nachttisch holte er ein kleines Kästchen hervor. Zuerst entfernte er das alte Öl und den Schmutz mit einem Tuch, dann verteilte er gleichmäßig Puder auf der Klinge. Wieder polierte er solange, bis keine Flecken mehr zu sehen waren und das Schwert glänzte. Zum Schluss trug er einige Tropfen Öl auf und verteilte es. Fertig! Zufrieden mit seinem Ergebnis, ließ er das Schwert verschwinden. Er räumte gerade das Reinigungsset in die Schublade zurück, als Victory bei ihm im Zimmer auftauchte. „Oh. Störe ich gerade?“, fragte das Mädchen überrascht und betrachtete Anvar. „Nein, nein!“, sagte Anvar schnell „Was gibt es denn?“ „Sanavi hat mich gebeten, noch Potions für ihn zu besorgen. Ich dachte ich frage dich, aber wenn du dich lieber noch ausruhen willst …“ Sanavi war der Arzt der Organisation, der seinen Job immer sehr ernst nahm. „Ist schon in Ordnung. So anstrengend war der Kampf nicht.“, lächelte der Junge. „Wie friedlich es hier ist.“, meinte Anvar. „Ja.“, entgegnete Victory, die gedankenverloren ein Liebespärchen in einem Café beobachtete. Der junge Mann hielt die Hand des jungen Mädchens, das ihm lächelnd in die Augen schaute. Anvars Griff um den Beutel mit den Potions wurde etwas fester. Der Anblick von den beiden Liebenden löste in Anvar eine Sehnsucht aus, eine Sehnsucht nach Gefühlen … „Obwohl ich weiß, dass das Gefühl nicht echt ist, beneide ich die Menschen manchmal. Sie müssen nicht kämpfen, um irgendwann richtig zu fühlen. Sie müssen nicht miterleben, wie Freunde aus dem Leben scheiden. Wenn man das überhaupt Leben nennen kann. Ich denke, wenn man lebt, dann empfindet man Gefühle.“, sagte Victory ernst. In ihren hellvioletten Augen lag eine gewisse Traurigkeit und Anvar versuchte ihr Mut zu machen. „Keine Sorge! Bald werden wir ein Leben haben, mit echten Gefühlen. Sag mal, welches Gefühl magst du am liebsten?“ „Ich mag am liebsten das Gefühl Liebe. Die Menschen sagen, wenn man verliebt ist, spürt man ein Kribbeln im Bauch. Man fühlt sich glücklich, schwebt auf Wolke 7.“ Sie lächelte. Ihre Traurigkeit war verflogen. „Es muss wunderbar sein, verliebt zu sein. Wir werden es, wenn wir ein Herz haben, am eigenem Leib erfahren.“ Die Glocke von Traverse läutete. „Beeilen wir uns lieber, unserem Arzt aus Leidenschaft, seine Bestellung zu überbringen.“, wechselte das Mädchen schnell das Thema. Mit besorgter Miene kam er auf ihn zu. Er machte einen erschöpften Eindruck. „Anvar! Ist etwas passiert? Wo wart ihr so lange?“ Anvar schmunzelte. Victory hatte recht - ein Arzt aus Leidenschaft. Sanavi war der Heilkundige der Organisation, der Weißmagie zur Heilung seiner Kameraden benutzte. Nichts ließ er unversucht, um den anderen Mitgliedern zu helfen. „Nein, es ist nichts vorgefallen. Wir haben die Potions besorgt und sind bloß noch ein bisschen durch die Stadt gegangen.“, konnte Anvar ihn schnell beruhigen. Sanavi nahm den Beutel dankend entgegen. „Da bin ich ja beruhigt.“, sagte Sanavi erleichtert. Seine Gesichtszüge entspannten sich wieder und Anvar krampfte sich zusammen und sagte mit gespielter Übertreibung: „Obwohl, mir tut doch was weh … Mein Magen! Autsch …“ Leider fand der andere Niemand das nicht lustig. „Man macht über Schmerzen und Verletzungen keine Witze.“ „Tut mir leid. Entschuldige.“ Die Erinnerungen an Novas Tod kamen wieder. Schnell wechselte er das Thema. „Sag mal, wie geht es eigentlich Pulvis?“ „Seine Wunden heilen langsam. Es wird noch eine Weile dauern, bis er wieder Kämpfen kann. Wenn du mich bitte entschuldigst, ich möchte mich nun auch ausruhen.“ Anvar entschied sich, dass er sich auch etwas Ruhe in der Bibliothek des Schlosses gönnte. Genau wie der Rest des Schlosses, war die Bibliothek in hellgrauen Farben gehalten. Sogar die Bücher hatten den gleichen Farbton, bloß die schwarze Schrift auf den Bücherrücken verriet den Inhalt. Der junge Niemand ging an Regalen mit Astronomiebüchern vorbei, auch den historischen Romanen zeigte er keine Beachtung. Mit zwei Fingern glitt er die Bücherrücken entlang. Sein Ziel war ein dickes Buch. Nachdem er fündig wurde nahm er es aus dem Regal und machte es sich in dem Sessel, der an der Wand zwischen den Regalen stand, bequem. Wenn Anvar laß, vergaß er schnell, was um ihn herum geschah. So bemerkte er nicht, dass sich ihm leise Schritte näherten. „War ja klar, dass du dich hier aufhältst.“ Erschrocken blickte Anvar auf. Silver stand vor ihm. „Ja, ich wollte mich ein wenig entspannen.“, antwortete Anvar seinem Freund. Dieser schnappte sich das Buch und blätterte darin herum. „Warum liest du ausgerechnet Märchen?“, fragte Silver, während er auf den Buchtitel blickte. „Na ja, Märchen gehen immer gut aus und …“ Doch Silver unterbrach ihn. „Gehen immer gut aus … Wenn du dich weiterhin in eine Traumwelt denkst, wirst du bald nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden können.“ Seine Stimme war leicht wütend und traurig. Anvars blondhaariger Freund stützte beide Hände auf den Sessellehnen ab und schaute Anvar in die Augen. In Silvers honigfarbenen Augen lag etwas Ernstes. „Denkst du, dass wir uns in einem Märchen befinden?! Mensch, Anvar! Es sterben Menschen! Es sterben welche von uns! Nova ist tot! Das ist die Realität!“ Anvar schwieg dazu. Plötzlich meinte Silver: „Tut mir leid …“ Er drehte sich um und ging. Ich kann dich verstehen, Silver. Du willst mich bloß beschützen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)