Kampf um die Existenz von Tomoffel-chan ================================================================================ Kapitel 3: ----------- „Natürlich werden wir den Dorfbewohnern helfen“, stimmte Privem ihnen zu. Alle sich im Schloss befundenen Mitglieder hatten sich in das große Zweibettzimmer auf der Krankenstation versammelt, um den Bericht von Corvus, Anvar und Recovor zu lauschen. Außer Recovor, der im Kampf gegen Oxandros nur eine kleine Narbe auf der Wange davon trug, hatte es die anderen Beiden schlimmer erwischt. Corvus’ Fuß und sein Bein waren verletzt. Anvar hatte eine tiefe Wunde unterhalb des Schulterplattes, sowie ein Explosionstrauma aufgrund der Bomben des Sturmreiters. „Dabei dürfen wir aber nicht die Bewohner der anderen Welten vergessen. Wenn wir alle das Dorf aufbauen, wer soll sie dann beschützen?“, gab Pulvis zu Bedenken. Victory hatte eine Idee: „Wieso teilen wir uns nicht einfach in zwei Gruppen auf? Die eine hilft beim Wiederaufbau und die Andere kümmert sich um die anderen Welten.“ „Kein so schlechter Vorschlag, Vic“, meinte Silver. „Stimmen wir ab“, sagte Privem. „Wer dafür ist, Hand hoch.“ Alle Strahlenden hoben ihre Hand. „Gut. Vorschlag angenommen“, stellte der Anführer fest. „Wer den Dörflern helfen will, geht zu Anvars Bett und wer die anderen Bewohner beschützen will, zu Corvus’ Bett hinüber.“ Nach wenigen Minuten waren an beiden Betten fast gleich viele Mitglieder verteilt. „Eine Frage noch. Wo sollen die Dörfler während des Wiederaufbaus unterkommen? In der Höhle wohl kaum“, warf Evarion ein. „Könnten wir sie nicht hier im Schloss unterbringen?“, fragte Anvar. „Leider nicht. Würde die Organisation der Dunkelheit hierher finden und die Dörfler wären hier, wäre der Wiederaufbau völlig umsonst. Außerdem haben wir nicht genügend Platz“, entgegnete Privem kopfschüttelnd, „Doch werde ich mit dem Kaiser reden. Vielleicht kann er sie unterbringen. Am besten sofort.“ Silver fragte ihn: „Sollen wir anfangen, nachdem du wieder da bist?“ Privem nickte. „Ja.“ Dann sah er Anvar und Corvus an. „Und ihr zwei lasst euch bitte Zeit mit euer Genesung.“ Ihr Anführer verschwand. Sanavi klatschte in die Hände. „Bitte geht jetzt auch. Corvus und Anvar brauchen Ruhe.“ Sein Freund Silver schaute Anvar an und sprach: „Ich werde dir jeden Tag berichten.“ „Einverstanden“, lächelte Anvar. Anvar spürte die Wärme, welche von Sanavis Hand ausging. Jeden Tag kam der Heilkundige, um Anvar und Corvus mit dem Zauber ‚Vitra‘ schrittweise zu heilen. Zwar sah die Wunde von ihm besser aus als eine Woche zuvor, doch ging es Anvar immer noch zu langsam. Er wollte auch helfen und nicht nur nutzlos herumliegen. „War Silver schon da?“, wollte Sanavi wissen. „Ja“, bestätigte Anvar. „Der Wiederaufbau kommt voran. Silver meinte, laut Privem wird das Dorf schätzungsweise wieder in vier bis fünf Monaten in seinem alten Zustand sein.“ „Hoffen wir, dass nichts dazwischen kommt.“ Sanavi zog die Hand weg und nahm vom Nachttisch einen frischen Verband. Das eine Ende legte er auf Anvars Brust. „Wie lange noch, bis meine Wunde ganz geheilt ist, Sanavi?“, fragte Anvar. „Bitte festhalten“, befahl Sanavi freundlich. Während er den Verband um Anvar wickelte, sprach er: „Schwer zu sagen. Vielleicht noch einen Monat. Aber was ich dir sagen kann ist: Nur noch drei Tage dann bist du die Infusion los.“ Anvar erhielt eine Infusion mit durchblutungsfördernden Mitteln und Cortison gegen das Explosionstrauma. Wenigstens etwas Gutes… Der Arzt tauschte die leere Infusionsflasche gegen eine Neue. „So, das war’s dann für heute. Wenn ihr irgendetwas braucht, ruft mich“, schloss Sanavi den Krankenbesuch ab. Nachdem der Niemand verschwunden war, fragte Anvar Corvus: „Sag mal, Corvus, erinnerst du dich noch wie du zur Organisation gekommen bist?“ Der Gefragte musste nicht lange überlegen. „Es ist schon eine Weile her. Ich kann mich nicht erinnern. Weißt du es noch?“ „Ja, ich weiß es noch“, antwortete Anvar. Als wäre es gestern gewesen… Es war zwar ein kalter doch schöner Herbsttag gewesen, wo Anvar in einem verlassenen Hinterhof aufwachte, ohne Ahnung wo er sich befand. Die Erinnerungen des Gestankes, von dem dort abgeladenen Müll, kamen ihm wieder in den Sinn. Damals dachte er, es gäbe bestimmt Hinweise, wie er dort hingekommen war. Jedoch gab es nichts, was ihn hätte helfen können. Bald war er irgendwann ziellos und ohne Orientierung durch die Stadt umhergeirrt. Zuerst gegangen, dann gerannt. So lange, bis er hinter sich ein „Warte!“ gehört hatte. Anvar war stehengeblieben und hatte sich umgedreht. Mit der Hoffnung, dass vielleicht diese Person ihm hätte helfen können. Ein junger Mann in einer weißen Kutte stand vor ihm. Seine hellgrünen Augen hatten einen freundlichen Ausdruck und sein Mund zeigte ein ebenso freundliches Lächeln. „Du suchst Antworten? Auf die Frage, was du bist“, vermutete der Mann. „Woher wissen Sie das?“, fragte Anvar ungläubig, „Können Sie mir helfen?“ „Weil du und ich so genannte Niemande sind. Ja, ich kann und werde dir helfen. Übrigens, ich bin Nova.“ Während beide durch die Stadt schlenderten, hörte Anvar dem Fremden aufmerksam zu. Nova hatte ihm erklärt, dass Niemande keine Gefühle haben. Auch hatte Anvar von den zwei Organisationen, die des Lichts und die der Dunkelheit, und ihren unterschiedlichen Arten ihr Ziel, ein Herz zu besitzen, erfahren. Durch seinen späteren Freund war in ihm der Wunsch entfacht worden, ein Herz zu besitzen. Daraufhin hatte Nova ihm mit zum Schloss, dass in der Welt, die niemals war, mitgenommen. So kam Anvar zur Organisation des Lichts. Hätte sich Anvar in den sechs Wochen, die er noch ans Bett gefesselt war, nicht durch Bücher lesen und durch die Berichterstattung Silvers abgelenkt, wäre er bestimmt vor Langeweile gestorben. Anvar griff neben sich in die Tüte, die zwischen ihm und Silver lag. Eine schwarze Lakritzschnecke kam zum Vorschein. Das eine Ende der Schnecke nahm Anvar zwischen die Zähne und rollte die Nascherei auseinander. Von oben ließ er sie dann genüsslich in seinen Mund gleiten. „Wie kannst du bloß Lakritz mögen?“, fragte Silver mit verzogenem Gesicht. „Ist doch lecker“, antwortete Anvar kauend und wedelte mit dem letzten Rest Lakritze vor Silvers Gesicht herum, was bei Silver nur noch mehr Ekel erregte. „Lass das!“, meinte Silver. Ohne Kommentar verschwand die Süßigkeit in Anvars Mund. „Mit Lakritz kannst du mich nicht ködern. Dann eher schon mit sauren Sachen.“ „Oh ja. Das stimmt“, grinste Anvar Silver entgegen. Anvar nahm ein paar saure Bohnen aus der Tüte, meinte: „Mund auf!“ und versuchte die Bohnen in den Mund seines Freundes zu werfen. Fünf Versuche – drei Treffer. Beide lachten. Die beiden Freunde saßen auf der niedrigen Anhöhe beim Abendrothügel und genossen die letzten Sonnenstrahlen. Sie saßen immer, wenn es möglich war, hier und unterhielten sich. Leider war es in dem letzten Monat nicht möglich gewesen, weil Anvar sich erholen musste. „Schade, dass wir solche Momente in den nächsten Monaten nicht mehr so oft machen können“, fand Silver. Der weißhaarige Niemand stimmte zu: „Ja, schade. Wie läuft es denn mit dem Dorf?“ Anvar hatte sich der Gruppe angeschlossen, die die anderen Welten beschützten. „Klappt gut. Die Steinmauer ist fast wieder komplett. Alle packen mit an. Sogar kaiserliche Wachen beteiligen sich“, informierte ihn Silver. „Das ist schön zu hören“, meinte Anvar zustimmend. Eine kurze Weile trat Schweigen zwischen die Freunde, in der sie der Sonne zusahen, wie sie am Horizont versank und die Wolken in ein wunderschönes Rot tauchte. „Sag mal, Anvar“, durchbrach Silver die Mauer des Schweigens, „Was ist das Erste, was du tust, wenn du ein Herz hast?“ Anvar fiel die Antwort sofort ein. „Mit dir so richtig aus tiefstem Herzen lachen. Und Du?“ „Ich glaube, dass erste was ich tue, ist mir an die Brust zu fassen und den Herzschlag zu spüren“, meinte der blondhaarige Niemand und sprach weiter: „Dann wird es vorbei sein mit den Illusionen, die uns wie Gefühle vorkommen.“ Mit einem Nicken stimmte Anvar zu: „Stimmt. Wir werden die ganzen Gefühle echt erleben. Freude, Glück, Heiterkeit, Liebe.“ „Aber auch Traurigkeit, Mutlosigkeit und Trauer“, ergänzte Silver. „Leider.“ „Trotzdem gehören die negativen Gefühle genauso zum Leben dazu wie die Positiven“, meinte Anvar. Er ließ sich nach hinten fallen und schloss die Augen. „Da hast du recht“, antwortete Silver und tat es Anvar gleich. Beide genossen die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Eine sanfte Brise trieb in den Geruch von Bachwaren in Anvars Nase. Er konnte das heitere, ausgelassene Lachen von Kindern hören. Geräuschvoll fuhr ein Zug in den Bahnhof des Abendrot-Viertels ein. Kann dieser Augenblick nicht für immer sein… Wieder legte sich ein Mantel des Schweigens über sie. Da war etwas Warmes auf seiner Brust. Anvar blinzelte. Die Sonne war längst untergegangen. Er dachte, er hätte es sich eingebildet, als ihm bewusst wurde, was es war. Anvar schreckte hoch. „Silver! Mein Anhänger.“ Jedes Mitglied der Strahlenden besaß so einen silbernen Anhänger in Form einer Sonne. Mit diesen Anhängern ist es ihnen möglich, mit Hilfe des Lichts, Verstärkung oder Hilfesignale an andere Mitglieder zu senden. Nun war auch Silver hellwach. „Komm!“, sprach dieser nur. Wie von der Tarantel gestochen, sprangen die Beiden auf und rannten durch das Portal aus Licht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)