Delilah – Die Liebe einer Wölfin von Darklover ================================================================================ Kapitel 41: 41. Kapitel ----------------------- Delilah öffnete schwungvoll die Tür des Kühlschranks und steckte ihren glühenden Kopf hinein, um ihn wieder etwas abzukühlen und nebenbei auch nachzusehen, was sie James zum Frühstück machen könnte. Doch mehr, als dass die Kälte auf ihrem Gesicht prickelte, bewirkte es nicht. Weder machte es die vergangenen Minuten ungeschehen, noch milderte es das Chaos in ihrem Inneren. Scheiße noch mal, James hatte sie dabei erwischt, wie sie Dean- Sie versuchte diesen Gedanken dadurch aus ihrem Kopf zu vertreiben, in dem sie ihre Stirn nicht unbedingt sanft gegen das Fach mit den Eiern hämmerte. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ „Soll ich einen Exorzisten anheuern?“ Was der teure Kühlschrank nicht schaffte, vollbrachte die kühle und zugleich so völlig emotionslose Stimme des alten Werwolfs in Sekundenschnelle. Sogar in Nanosekunden, wenn man es genau nahm. Erschrocken zog Delilah ihren Kopf wieder hervor und starrte völlig überfordert Elija an, der seelenruhig die Küche betrat und sich gerade in aller Ruhe sein Flanellhemd zuknöpfte. Kurz konnte sie noch seine gebräunte Brust erkennen, die nur so von groben, zerrissen wirkenden Narben überzogen war, bevor er ihr die Sicht darauf versperrte. „Eh, wie bitte?“ Sie kam gerade überhaupt nicht mehr mit. Exorzist? „Wegen des Kühlschranks.“ Er nickte in Richtung des metallenen Ungetüms, ehe er an ihr vorbei zur Kaffeemaschine ging, um eine Kanne voll zuzubereiten. Noch verwirrter starrte sie den Inhalt des Kühlschranks an, bis ihr endlich ein Licht aufging. „Achso, das war ein Scherz!“ Delilah begann beinahe hysterisch zu kichern, bevor sie übertrieben sanft die Tür wieder schloss. Das war heute definitiv nicht ihr Tag. „Welchen Witz hab ich verpasst?“ Jetzt erschien auch noch Dean auf der Bildfläche, allerdings hatte sich nicht wirklich viel in der letzten halben Stunde an seinem Äußeren verändert, außer dass er eine Jeans trug. Aber seine Haare waren immer noch feucht und da war auch immer noch viel zu viel nackte Haut. Delilah schüttelte geschlagen den Kopf. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr werden. „Ach, nicht so wichtig.“ „Morgen, Dad.“ Dean trat neben sie an den Kühlschrank und holte sich den Kanister mit der Milch heraus, um ein paar Schlucke davon zu trinken. Auch so eine Angewohnheit die er hatte, aber zum Glück niemandem im Haus wirklich störte. „Morgen.“ Elija hatte inzwischen die Kaffeemaschine zum Laufen gebracht und schnappte sich nun die Morgenzeitung, um sich damit an den Tisch zu setzen. „Wie geht’s James?“ Verblüfft starrte Delilah den alten Werwolf an. Woher wusste er, dass Dean seinem Bruder heute schon einmal über den Weg gelaufen war, wo dieser doch für gewöhnlich länger schlief? Dean gab ihr die Antwort auf diese Frage, ohne es wirklich zu wissen, als er die Milch wieder zurück in den Kühlschrank stellte, seinen Arm um sie legte und sie wie selbstverständlich an seine Seite zog. Er roch sehr deutlich nach James, was ihr allerdings erst jetzt auffiel, als er so nahe bei ihr stand und ihr mit einem warmen Lächeln einen Kuss auf die Schläfe hauchte. Der Geruchssinn des alten Werwolfs war wirklich beachtlich. „Der Schlaumeier ist heute alleine aufgestanden, um Pinkeln zu gehen und hat sich eindeutig überschätzt. Dabei ist er mit seiner verletzten Schulter gegen einen Türstock getaumelt und schließlich auf halber Strecke hängen geblieben. Aber inzwischen dürften die Schmerztabletten wirken. Ich hab‘ ihn wieder ins Bett gebracht.“ Dean streichelte ihr beruhigend über die Wange, was jedoch nicht den entsetzten Ausdruck in ihren Augen mildern konnte. „Er ist okay. Das wird schon wieder.“, teilte er ihr in gedämpftem Tonfall mit. Scheiße, gar nichts war okay! Wie lange hatte James denn da auf dem Bett liegen müssen, mit Schmerzen in der Schulter und als unfreiwilliger Zuhörer? Jetzt wusste sie auch, warum er so erschreckend blass gewesen war! Delilah wurde bei dem Gedanken daran beinahe schlecht, weshalb sie ihn schnell wieder zur Seite schob und ihre Aufmerksamkeit in eine andere Richtung zu lenken versuchte. Frühstück. Das hatte sie eigentlich machen wollen, als sie in den Kühlschrank gesehen und doch nichts wahrgenommen hatte. Aber die Eier brachten sie zumindest auf eine Idee, was sie heute für James zubereiten könnte. Immerhin liebte er Pfannkuchen. Am allerliebsten die mit den Blaubeeren. Im Tiefkühlfach mussten bestimmt noch welche sein, also machte sie sich langsam von ihm los. Sie fühlte sich immer noch nicht wohl dabei, ihre Zuneigung für Dean so offen vor seinem Vater zu zeigen, obwohl absolut nichts falsch daran war. Während Delilah den Teig zubereitete, warf sie immer wieder einen Blick an den Tisch zu den beiden McKenzies hinüber, die in aller Ruhe ihren Kaffee tranken und jeder für sich in einem Teil der Morgenzeitung versunken war. Ganz so, als wäre heute ein ganz normaler Tag, ohne irgendwelche besonderen Vorkommnisse. Dass Elija sich so ruhig verhielt, war für ihn normal und nicht weiter verwunderlich, aber von Dean hätte sie schon irgendwie … mehr erwartet? Ach ja und was genau? Ihre Hand mit dem Schneebesen hielt mitten in der Rührbewegung inne, während sie ins Leere starrte. Eigentlich wusste Delilah ja nicht, was die beiden Brüder miteinander gesprochen hatten, während Dean James bei seiner Morgentoilette geholfen und ihn dann wieder ins Bett gebracht hatte. Vielleicht hatte sich Deans Erzählung für sie schlimmer angehört, als es eigentlich war und sie machte hier schon wieder aus einer Mücke einen Elefanten. Aber selbst wenn, war da immer noch dieses tief sitzende Schamgefühl, welches sie wegen dieser Szene fest im Klammergriff hatte. Nicht nur, dass es ihr irgendwie peinlich war. Viel schlimmer war da auch noch dieses Gefühl von Schuld. Natürlich war es keine Absicht gewesen, dass James das alles mitbekommen hatte, aber trotzdem hätte es gar nicht erst soweit kommen dürfen. Sie hätte einfach besser aufpassen müssen und nichts riskieren sollen! Dabei war sie für einen Moment wirklich glücklich gewesen, als sie da unter der Dusche so offen mit Dean hatte sprechen können. Aber natürlich hatte bei ihrem Glück das Chaos ein paar Minuten später wieder mit voller Wucht zuschlagen müssen. Eigentlich hätte sie gar nichts anderes erwarten dürfen. Hörte das denn nie auf? „Verdammt…“ Sie ließ den Schneebesen in die Schüssel fallen und fuhr sich schwer seufzend durch das immer noch leicht feuchte Haar. „Deli?“ „Hm?“ Erst jetzt nahm sie wieder die beiden Männer am Tisch wahr, wobei nur Dean sie fragend ansah. Elija war ihre Wortwahl an diesem Morgen wohl schon gewöhnt oder er überschlug noch einmal die Idee mit dem Exorzisten. „Alles in Ordnung?“ Der zärtlich besorgte Ausdruck in Deans Augen stimmte sie sofort wieder milde. Sie durfte einfach nicht vergessen, dass er verdammt gut darin war, seine Gefühle zu verbergen. Bis zu der kühlen Gelassenheit seines Vaters fehlte ihm zwar noch ein gutes Stück, aber hoffentlich würde er es auch nie so weit bringen. Dass James da so ganz anders war als die beiden… „Ja, ich hab‘ nur die Blaubeeren vergessen.“ Vorsichtig balancierte sie das Tablett auf einer Hand, während sie mit der anderen leise an James‘ Zimmertür klopfte und auf ein Lebenszeichen von ihm wartete. Allerdings kam keine Reaktion. Für einen Moment unentschlossen, starrte Delilah die immer noch dampfenden Blaubeerpfannkuchen an, ehe sie all ihren Mut zusammen nahm und einfach den Türknauf herumdrehte und einen Blick ins Zimmer riskierte. Mehr als ihr verbal den Kopf abreißen, konnte James in seinem Zustand ohnehin nicht tun. Überrascht stellte Delilah jedoch fest, dass er doch tatsächlich tief und fest schlief, denn nicht einmal der Duft der heißen Pfannkuchen konnte ihn wecken, als sie das Tablett so leise wie möglich auf seinem Nachttisch abstellte. James war immer noch etwas blass im Gesicht, aber der Ausdruck darauf war ungewohnt friedlich. So vollkommen entspannt sah man ihn selten und das nach diesem katastrophalen Morgen. Eigentlich hatte Delilah vorgehabt, das Essen stehen zu lassen und zu gehen, doch im Haushalt gab es momentan ohnehin nichts zu erledigen und sie hatte keine Lust, sich allein in ihr Zimmer zu setzen und die Wand anzustarren. Sie konnte auch genauso gut hier bleiben und sich schon mal auf eine sehr unangenehme Unterredung gefasst machen. Sie schämte sich immer noch in Grund und Boden, trotzdem schloss sie leise James‘ Zimmertür und ging zu den beiden Fenstern hinüber, um sie weit zu öffnen, denn die Luft im Raum war schon jetzt schwül und stickig. Auch wenn sich an der Temperatur nicht viel ändern würde, so konnten sie immer noch auf einen kühlenden Lufthauch hoffen. Delilah setzte sich auf die Fensterbank und zog einen Fuß an, während sie den anderen in der Luft baumeln ließ. Als tatsächlich eine angenehme Brise sie streifte, legte sie ihren Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Jedoch nicht für lange, denn es zog ihren Blick nur allzu schnell wieder zu James‘ schlafenden Körper hinüber. Sein verletzlicher Anblick rührte etwas tief in ihr, gerade jetzt, wo er es nicht mit hohlen Phrasen und einem aufgesetzten Grinsen verstecken konnte, sondern ihr unbewusst sein wahres Ich offenbarte. Oder zumindest eine Facette davon. Auch ihre Wölfin gab ein mitfühlendes Fiepen von sich und hätte ihn am liebsten berührt und seine Wunden geleckt. Alles, nur damit es ihm wieder besser ging. James‘ muskulöse Beine schauten bis zu den Knien unter dem dünnen Laken hervor. Der weiße Verband um seine Wade hob sich deutlich von seiner gebräunten Haut ab und konnte fast von dem blauen Fleck an seinem rechten Knie ablenken, der gestern definitiv noch nicht dort gewesen war. Er war noch ganz frisch. Ach, James… Sie sah ihn traurig und schuldbewusst an. Hätte sie seinen kleinen Unfall denn verhindern können, wenn sie nicht mit Dean unter der Dusche gestanden hätte? Vermutlich schon, da sie in dieser Nacht ja in ihrem eigenen Zimmer geschlafen hatte. Was auch nur Zufall gewesen war, denn sonst schlief sie immer bei Dean. Aber ob so oder so, offenbar war James entschlossen gewesen, es auf eigene Faust zu versuchen und so stur wie er bisweilen sein konnte, wunderte sie das gar nicht. Delilah konnte sich nicht einmal wirklich vorstellen, wie es für ihn sein musste, so lädiert ans Bett gefesselt zu sein; nicht einmal dazu in der Lage, alleine aufs Klo zu gehen und dabei auf die Hilfe seines Bruders angewiesen zu sein. Sie selbst würde das ziemlich frustrieren und reizbar machen. Gerade weil sie sich so schwer tat, sich auf andere zu verlassen. Aber sie war nun einmal nicht James. Zumindest hatte er eine Familie, die ihn niemals hängen lassen würde und jetzt war sie auch noch da. Trotzdem musste er ziemlich viel ertragen, seit sie hier war… Delilah ließ geschlagen ihren Kopf hängen und starrte auf die Hand, die inzwischen wie selbstverständlich immer wieder ihr Schwangerschaftsbäuchlein fand, um sich beschützend darauf zu legen oder ab und an darüber zu streicheln. Ich hoffe, dass wenigstens du deinen Vater ab und an glücklich machen kannst. Wie als Antwort begann das Baby genau in diesem Moment wieder ein Kribbeln in ihrem Bauch auszulösen, was Delilah nun doch zum Lächeln brachte. „Kannst du es gerade spüren?“ Ihr Kopf schoss erschrocken in die Höhe und in James‘ Richtung. „Du bist ja wach!“ „Sieht ganz so aus.“ Er schenkte ihr nur einen kurzen Blick, ehe sich seine Augen wieder auf ihren Bauch richteten, während er sich ein Stück weiter zu ihr herumdrehte und ihm der Schlaf noch deutlich ins Gesicht stand. „Und? Wie fühlt es sich an?“ „So als hätte ich Brausepulver verschluckt.“ Sie glitt langsam von der Fensterbank und kam mit wild pochendem Herzen näher. Wieder stieg Hitze in ihr hoch und brachte sie spürbar zum Schwitzen. Delilah wusste nicht, wie sie sich bei James entschuldigen sollte. „Aber von außen spürt man noch nichts, oder?“, fragte er einfach weiter und blickte ihr dabei offen ins Gesicht. Sie konnte seinem Blick nicht standhalten und senkte das Haupt. Ihre nackten Zehen waren auch so viel interessanter, als der Ausdruck seiner immer noch matt glänzenden Augen. Etwas Nagellack würde ihnen nicht schaden. „Nein, dafür ist es noch zu klein. Ein paar Wochen sollten wir ihm noch geben.“ „Hm. Okay.“ Es raschelte, als James sich mühsam weiter aufsetzte, bis er sich mit dem Rücken gegen das Kopfteil des Bettes lehnen und einmal ausgiebig gähnen konnte, ehe er seinen Blick zur Seite schweifen ließ. „Blaubeerpfannkuchen?“ Seine Augenbraue hob sich auf ziemlich eindeutige Art und Weise, als er sie wieder direkt anschaute. Er wusste, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte. „Na ja. Ich hielt es für eine gute Idee. Aber falls dir etwas Pikantes lieber ist…“ Delilah versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, während sie um das Bett herumging und sich den Schreibtischstuhl schnappte, um sich neben James setzen zu können. Der gemütliche Couchsessel hatte inzwischen wieder seinen angestammten Platz im Wohnzimmer eingenommen. „Nein, die Pfannkuchen sind schon okay. Ich dachte nur nicht, dass du wegen der Sache von vorhin gleich die schweren Geschütze auffährst.“ James angelte inzwischen ziemlich geschickt mit der linken Hand und einem kleinen Löffel etwas Nutella aus dem Glas und bestrich damit den obersten Pfannkuchen, ehe er ihn zusammenrollte und einmal davon abbiss. Währenddessen starrte ihn Delilah mit großen Augen an. Er legte die Diskretion einer Abrissbirne an den Tag. „Wirklich. Mach dir deshalb keinen Kopf. Ich hab‘ früher schon wesentlich schlimmere Geräusche aus Deans Zimmer hören müssen.“, erklärte er leichthin, nachdem er hinunter geschluckt hatte. „Ist eben unvermeidlich, wenn man Tür an Tür wohnt.“ Delilahs Zähne knirschten aufeinander und in ihrem Kopf konnte sie das gereizte Knurren ihrer Wölfin hören. Nicht schon wieder… „Wie geht’s deiner Schulter?“, fragte sie betont ruhig, um das Thema zu wechseln. Sofort beruhigte sich ihre Wölfin wieder und beobachtete stattdessen wachsam jede von James‘ Bewegungen, während er das Essen aß, das Delilah ihm mit großer Sorgfalt zubereitet hatte. Kurz hielt James inne und versuchte scheinbar in sich hinein zu hören, doch dann zuckte er bloß mit seiner gesunden Schulter. „Halb so wild. Fühlt sich irgendwie taub an.“ „Die Schmerztabletten nehme ich an. Wie viele hast du eigentlich noch?“ „Das waren die letzten. Aber Young müsste sowieso bald wieder aufkreuzen und ansonsten schicke ich Dean los, damit er mir noch mehr besorgt. Aber eigentlich war es heute auszuhalten, bevor ich gegen diesen blöden Türstock gelaufen bin.“ Er schnaubte, offensichtlich über sich selbst verärgert. Es war zwar dumm, aber genau dieses Verhalten gab ihr die nötige Gelassenheit, nachdem die Geschehnisse von heute Morgen sie so aufgewühlt hatten „Weißt du eigentlich, dass wir heute schon die Fäden ziehen können? Dann bräuchtest du nur noch heute und morgen die Verbände zu tragen. Danach sollst du Luft an die Wunden lassen und die Narben regelmäßig einschmieren, damit sie besser verheilen. Hat zumindest Young gesagt.“ „Echt jetzt?“ James sah sie beinahe hoffnungsvoll an, was sie dann doch zu einem kleinen Lächeln animierte. Irgendwie war die Begegnung nach diesem Vorfall ganz und gar nicht so schlimm, wie Delilah sich das vorgestellt hatte. Vor allem da James sich ihr gegenüber so absolut normal verhielt. Merkwürdigerweise sogar normaler als in den letzten Tagen… „Ja. Wenn du willst, können wir es gleich hinter uns bringen, nachdem du zu Ende gefrühstückt hast.“ Oh Gott, allein bei dem Gedanken wurde ihr wieder ganz anders. Denn es bedeutete, dass sie James schon bald mit Pinzette und Nagelschere zu Leibe rücken würde und irgendwie traute sie sich das immer noch nicht ganz zu. Schon wieder begann ihr Herz wie wild zu rasen, nur dieses Mal aus ganz anderen Gründen. „Das wäre … besser.“, bestätigte ihr James nachdenklich, während er den nächsten Blaubeerpfannkuchen in seinen Händen betrachtete. „Dann müsstest du mir ab morgen auch nicht mehr ständig die Verbände wechseln…“ Bildete sie sich das nur ein, oder- „…und ich kann endlich wieder anständig duschen.“ Er seufzte sichtlich erfreut über den Gedanken. Nein, sie musste sich den gewissen Ton in seiner Stimme nur eingebildet haben. Es hatte fast so geklungen, als wäre er ganz froh darüber, wenn sie ihm nicht täglich so sehr auf die Pelle rückte. Aber selbst wenn es wirklich so gewesen wäre, hätte sie es ihm nicht verdenken können. Auch für sie war das Ganze ganz und gar nicht so leicht, wie es den Anschein hatte. Wenigstens würden sie es bald hinter sich haben. „Na gut, dann suche ich schon einmal alles Nötige dafür zusammen.“ Delilah erhob sich von dem Stuhl und ging zur Tür. „Deli?“ „Hm?“ Sie drehte sich noch einmal um und bekam die volle Breitseite von James‘ charmantem Lächeln ab. „Danke für die Blaubeerpfannkuchen.“ „Gern … geschehen.“ Mit stark zusammen gezogenen Augenbrauen verließ sie das Zimmer. Nein, sie bildete sich das auf keinen Fall ein. James‘ Verhalten war definitiv schon zu normal. „Bloß nicht atmen! Nicht, dass du aus Versehen noch mein Bein amputierst!“ Die Spitze der kleinen Nagelschere zuckte erschrocken von dem dunklen Faden zurück, den sie fest mit der Pinzette umklammert hielt, als James‘ Warnung überraschend die spannungsgeladene Stille zerriss. Delilah stieß daraufhin ein leises Knurren aus und richtete sich wieder auf, während sie James mit einem vernichtenden Blick strafte. „Wenn du mich hier zu verarschen versuchst, werde ich dir vielleicht nicht das Bein abschnippeln, aber etwas das ziemlich nahe dran liegt. Also stör‘ hier nicht meine Konzentration, oder deine Kronjuwelen könnten Schaden nehmen.“ Sie meinte das wirklich ernst, denn schon jetzt zitterten ihre Hände so stark, dass sie garantiert keine Wetten darauf abgeben würde, mit der Schere auch nur in die Nähe des Fadens zu kommen. James‘ Verhalten machte es dahingehend auch nicht wirklich besser, denn damit irritierte er sie auch noch zusätzlich. Es musste an den Schmerztabletten liegen. Vielleicht hatte er zu viel eingeworfen und war jetzt irgendwie high davon. Anders konnte sie sich sein lockeres Verhalten nicht erklären. Nicht nach allem, was heute schon passiert war. „Komm schon, Deli. Ich versuche nur, dich zu beruhigen. Du tust ja gerade so, als ob du mit ´ner Pinzette und einer Schere eine OP am offenen Herzen durchführen müsstest.“ Delilah grummelte in sich hinein. „Ich hab dir doch schon einmal erklärt, dass ich dir nicht wehtun will.“ „Und ich habe dir gesagt, dass das nicht passieren wird. In deiner Funktion als meine supersüße Krankenschwester hast du mir noch kein einziges Mal wehgetan. Ich bezweifle, dass du jetzt damit anfangen wirst.“ James blieb standhaft. Supersüße…? Okay, jetzt war es amtlich. James war auf Schmerztabletten. Eine andere Erklärung gab es nicht. Dann dürfte er wirklich nichts spüren, wenn Delilah aus Versehen ein bisschen seine Haut anritzen sollte. Na immerhin ein beruhigender Gedanke, wenn auch der Rest seines Gehabes nicht wirklich zur Beruhigung beitrug. Eher ließ es in ihr alle Alarmglocken bzw. ihre Wölfin aufheulen. „Okay, ich mach’s. Aber keine überraschenden Kommentare mehr. Ich muss mich konzentrieren.“ Und damit beugte Delilah sich erneut über James‘ Unterschenkel, hob mit der Pinzette noch einmal den von ihr auserkorenen Faden an und schnitt ihn wagemutig mit der kleinen Nagelschere durch. Erst dann wagte sie zu atmen. „Na siehst du. Geht doch. Sogar mit geschlossenen Augen!“ Scheiße. James hatte Recht. Sie hatte die Augen zugekniffen! Und so ganz nebenbei nun auch noch den Faden herausgezogen. Erschrocken schoss Delilahs Blick in die Höhe, um seinen Gesichtsausdruck gründlich zu prüfen, aber alles was James tat, war sie schelmisch anzugrinsen. „Keine Angst. Hat nur ein bisschen gekitzelt.“ Sie legte den abgeschnittenen Faden sorgfältig auf das Taschentuch, das sie dafür extra neben sich ausgebreitet hatte. „James?“ „Ja?“ „Geht’s dir gut?“ Delilah sah ihn ernsthaft besorgt an. „Habe ich das nicht gerade durchblicken lassen?“ Er machte ein verwirrtes Gesicht, aber sein Mundwinkel zuckte immer noch leicht. Delilah schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich meinte… Ach, nicht so wichtig.“ Sie beugte sich wieder über sein Bein und machte sich an den nächsten Faden. Vielleicht hatte seine Gelassenheit auch gar nichts zu bedeuten und sie bildete sich nur etwas ein, da sie sich heute Morgen noch alle möglichen Horrorszenarien vorgestellt hatte und diese dann doch nicht erfüllt worden waren. Eigentlich sollte sie froh darüber sein. Aber es ließ ihr trotzdem keine Ruhe. Wenigstens verkniff James sich weitere Kommentare, bis sie mit seinem Unterschenkel fertig war und ihn sogar wieder ordentlich mit einem Verband umwickelt hatte. Die erste Hürde war also geschafft, aber dafür war die nächste auch ungleich größer. James‘ Oberschenkel hätte Delilah liebend gerne noch für eine Weile ausgelassen, aber was für ein Bild hätte das dann abgegeben? Sie sollte sich einfach systematisch von unten nach oben vorarbeiten, egal wie schräg das in ihrem eigenen Kopf klang. Verdammt, gerade während sie den Verband abwickelte und immer mehr nackte Haut freilegte, wünschte sie sich einen dämlichen Kommentar herbei, aber ausgerechnet jetzt zog James es lieber vor, zu schweigen. Delilah wagte auch nicht hochzusehen, da vielleicht etwas in ihrem Gesicht zu lesen gewesen wäre, das dort nicht hingehörte. Aber dieser kräftige Oberschenkel erinnerte sie trotz der Narbe und den dunklen Fäden an einen anderen Oberschenkel, den sie gerade erst heute Morgen mit ihren Fingern gestreichelt, mit ihren Lippen benetzt und mit ihrer Zunge gekostet hatte... Noch dazu glich der Farbton der weichen Haare genau dem von- Stopp! Hör auf! Denk jetzt bloß nicht daran, wie du- STOPP! Verdammt! Leichter gesagt, als getan! Wie könnte sie auch nicht daran denken? Die Ähnlichkeiten waren nun einmal da und ließen sich auch nicht durch ein paar Narben ändern. „Langsam kriege ich wirklich Angst um meine Kronjuwelen.“ James schnappte sich seine Decke und zog sie über seinen Schoß, wo er zur Sicherheit auch noch seine Hand liegen ließ. „Was?“ Ertappt schoss Delilahs Blick in die Höhe, während ihre Wangen spürbar erröteten und die zusätzliche Hitze sie noch mehr schwitzen ließ als ohnehin schon. Aber zumindest war sie nicht die Einzige. Auch auf James‘ Gesicht glänzte inzwischen ein feiner Schweißfilm. Leider nicht nur dort. Ihr Blick fiel auf seine Brust. Den muskulösen Bauch… Sie kniff fest die Augen zusammen und ließ den Kopf hängen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! „Ich … mach dann mal weiter…“, krächzte sie leise mit rauer Stimme, ehe Delilah sich vernehmlich räusperte, sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte und sich wieder zu konzentrieren versuchte. Noch einmal strich sie sich die Haare hinters Ohr, damit sie freie Sicht hatte. „Tu das.“ James‘ Stimme klang nicht unbedingt besser, während er still liegen zu bleiben versuchte, obwohl ihm das offensichtlich schwer fiel. „Solange du mit dieser Schere nicht noch länger so unheilverkündend über meinem Bein kreist. Kurz hatte ich wirklich Angst.“ Na ja, nicht wirklich, wenn man seinem Tonfall glauben konnte, aber Delilah entschuldigte sich trotzdem mit einem kleinen ‚Sorry‘, ehe sie sich so weit zu der Narbe hinabbeugte, dass ihr Atem ein paar der umstehenden Härchen zum Zittern brachte, während sie sich auf ihr Vorhaben zu konzentrieren versuchte. So schwierig war das schließlich gar nicht. Einfach den ersten Faden mit der Pinzette anheben und sich dabei nicht von der Gänsehaut irritieren lassen, die James plötzlich überfiel, trotz der enormen Hitze im Raum. Danach die kleine Schere in Position bringen, dabei gleichmäßig und ruhig den immer stärker werdenden Duft von frisch getrocknetem Heu, Wolf und Mann einatmen und schnipp. Ausatmen. Den Faden herausziehen und zu den anderen auf das Taschentuch legen. Den nächsten Faden ergreifen. Das wage Zittern des Oberschenkels ignorieren. Durchschneiden. Weiter zum Nächsten. Als Delilah den letzten Faden gezogen hatte und einen frischen Verband anlegte, lief ihr der Schweiß bereits in kleinen Bächen zwischen den Brüsten hindurch. Vereinzelte Haarsträhnen klebten ihr an den Schläfen und sie fühlte sich, als hätte sie gerade unter der prallen Sonne irgendeine Schwerstarbeit verrichtet. Lediglich ihr betont ruhiger Atem wollte nicht ganz zu dem Bild passen, aber dafür raste ihr Puls umso mehr. Abermals wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn und atmete einmal tief durch, ehe sie einen Blick in James‘ Gesicht riskierte, der in den letzten Minuten beunruhigend still geworden war. Sein Blick war aus dem Fenster gerichtet, als würde er den vereinzelt vorbeiziehenden Wölkchen bei ihrer Wanderung über den strahlend blauen Himmel zusehen. Er wirkte fast schon irgendwie gelangweilt, würde der Rest von ihm das Bild nicht so stark zerstören. Auch James schwitzte ganz schön. Ihm lief sogar ein einzelner Tropfen die Schläfe herab, verfing sich einen Moment an den kurzen Stoppeln seines Bartschattens, ehe er die Rundung seines kräftigen Kiefers erreichte und seinen Hals hinabstürzte, wo er dann von dem weißen Leinen des Verbands aufgesogen wurde. Die Ader an James‘ Hals pochte schnell und deutlich erkennbar, während sein ganzer Körper irgendwie angespannt wirkte, was sich vor allem durch seinen stark hervortretenden Bizeps äußerte und in einer Faust gipfelte, die das Laken auf seinem Schoß fest umklammert hielt. Delilah musste bei dem Anblick schwer schlucken und ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie sich mit den Füßen vom Boden abstieß, um mit dem Bürosessel weiter das Bett entlang zu rollen, damit sie leichter an James‘ nächste Verletzung herankam. Das Ächzen unter ihrem Hintern, das der Stuhl von sich gab, als sie ihr Gewicht weiter nach vorne verlagerte, war in der angespannten Stille so laut, dass sie beide zusammen zuckten. „Wie willst du es heute haben? Schnell oder langsam?“ Delilah biss sie auf die Unterlippe und unterdrückte den Drang, die Frage noch einmal neu zu formulieren. Weniger zweideutig, aber es war schon zu spät. James wandte ihr wieder sein Gesicht zu und unwillkürlich fiel ihr Blick auf seine Unterlippe. Sie war leicht rau und an manchen Stellen sogar ein bisschen verschorft, aber das war ja auch kein Wunder, so wie er sie heute Morgen bearbeitet haben musste. „Mach’s mir langsam. Das brennt nicht so.“ Die Unterlippe verzog sich zu einem kleinen Lächeln, während sein rauer Tonfall ihr wie herbsüßer Honig runter ging. Die Wölfin dicht hinter ihren Augenhöhlen gab einen tiefen Knurrlaut von sich, wobei sie mit ihren Pfoten verzweifelt einen Weg durch die Mauern von Delilahs Verstand zu graben versuchte und doch keinen Millimeter vorankam. „Andererseits, wenn’s dir anders lieber ist…“ Die Bewegung von James‘ Hand riss ihre Aufmerksamkeit auf sich, dabei hob er sie nur von dem total zerknautschten Laken und ließ sie dann für einen Moment unschlüssig in der Luft hängen, als wüsste er nicht, wohin damit. James legte sie schließlich mit dem Handrücken nach unten auf seine Stirn ab, um ihr Platz zu machen und sah sie abwartend an. Delilah musste kurz die Augen schließen, als ihr eine weitere Woge seines Dufts intensiv in die Nase strömte und jede ihrer empfindlichen Nerven befeuerte. Sie konnte auch sein Deo riechen, aber es war absolut nichts im Vergleich zu seinem körpereigenen Geruch, den er aus jeder seiner Poren herausschwitzte. Ihre Wölfin war kurz davor, durchzudrehen und bei Gott, Delilah ging es nicht besser. Mühsam riss sie sich wieder zusammen, versuchte sich nur auf das Gefühl ihrer Hände zu konzentrieren und weder auf ihren rasenden Puls noch auf das immer heftiger werden Kribbeln in ihrem Bauch zu hören, das ausnahmsweise einmal nichts mit ihrem Baby zu tun hatte. Viel mehr damit, wie es entstanden war… „Ich bin auch für langsam.“ War das wirklich ihre Stimme? Delilah Bennet. Reiß dich endlich am Riemen! Sie räusperte sich vernehmlich und legte dann ihre Hand auf James‘ Bauch, um die Haut zurückzuhalten, während sie mit der anderen das Wundpflaster zu lösen begann. Ganz langsam und vorsichtig, so wie James es sich heute gewünscht hatte. An anderen Tagen hatte er es einfach mit einem Ruck herunter haben wollen. Allerdings waren beide Methoden nicht sehr angenehm. Zumindest nicht für ihn. Nur zu deutlich konnte sie das Spiel seiner Muskeln unter ihrer Handfläche fühlen und der Temperaturunterschied war verblüffend. Zunächst war seine Haut richtiggehend kühl vom Schweiß der an der Luft verdunstete, doch schon nach wenigen Sekunden wurde es richtig heiß unter ihrer Hand. Sie zog das Pflaster ganz herunter und ließ ihn wieder los. Sorgfältig faltete sie es zusammen und legte es zur Seite, ehe sie die Naht mit dem Desinfektionsmittel säuberte und mögliche kleine Krusten löste, damit sie ihn dann, wenn sie die Fäden herauszog, nicht verletzte. Dabei zuckte sein Bauch mehrmals zusammen und brachte sie am Ende doch zum Lächeln. „Ich hoffe, du benutzt dieses Wissen, niemals gegen mich.“ Auch er lächelte. „Das kann ich leider nicht versprechen. Vielleicht wird einmal der Zeitpunkt kommen, an dem ich mich während einer Kitzel-Attacke zur Wehr setzen muss.“ „Dann heißt das also, du bist kitzlig?“ James strich mit seiner Hand durch sein Haar und ließ sie dann über seinem Kopf im Kissen liegen. Seine Stirn war leicht gerötet. Was sich aber schon bald wieder legte, als ein sanfter Lufthauch ihnen beiden kurzfristig Erleichterung verschaffte. Delilah griff nach Pinzette und Schere und beugte sich weiter vor. „Nur wenn ich es zulasse.“ Inzwischen fiel es ihr etwas leichter, die Prozedur zu vollziehen, da sie nach der heiklen Stelle an James‘ Oberschenkel schon mehr Sicherheit besaß, aber auch jetzt gab es Dinge, die sie während ihrer Tätigkeit beeinträchtigten. Nur zu leicht wollte ihr Blick sich von der Naht entfernen und lieber dem dunklen Haarbändchen folgen, dass sich von James‘ Bauchnabel ausgehend über straffe, braungebrannte Haut zog und schließlich unter einer Falte des weißen Lakens verschwand, bevor es überhaupt den Bund seiner Shorts erreichen konnte. „Das kann man kontrollieren?“ Ihr Blick schoss wie ein Gummiband zu seinem Ausgangspunkt zurück und sie zückte die Schere, um den ersten Faden zu durchtrennen. „Nicht immer. Aber ich denke ohnehin, dass es mehr ein Geduldsspiel ist, zwischen dem der kitzelt und dem der gekitzelt wird. Folgt lange genug keine Reaktion, gibt man meistens auf, obwohl man nur ein bisschen länger hätte durchhalten müssen, um ans Ziel zu kommen.“ Auch der zweite Faden war ruckzuck draußen. „So habe ich das noch gar nicht gesehen.“ James starrte nachdenklich an die Zimmerdecke und bemerkte dadurch zum Glück nicht, wie ihr eigener Blick von seinen Augen abrutschte, über seine Lippen stolperte und schließlich an seinem Kehlkopf eine Bruchlandung hinlegte. Völlig ohne ihr Zutun rieben ihre harten Knospen über die zarte Spitze ihres BHs, während ihre Oberschenkel von der ungewohnten Anspannung zu zittern begannen, so fest presste sie diese gegeneinander. Bilder von heute Morgen flammten unwillkürlich in ihrem Kopf auf und verschmolzen mit denen im Hier und Jetzt. Dean, wie er nackt und erregt gegen die Wand lehnte; sein Körper ganz nass vom Wasser und sich immer wieder unter den Gefühlen die sie ihm entlockte aufbäumend. James wie er völlig gelöst auf dem Rücken lag, die Hand lässig über seinem Kopf, das rechte Bein leicht angezogen, während auf der vielen nackten und erhitzten Haut Schweißperlen glänzten und zum Ablecken verführten… Sie musste mehrmals schlucken und sich die Lippen benetzen, ehe sie auch nur ansatzweise in der Lage war, sich auf den nächsten Faden zu konzentrieren. Es gelang ihr erst, als sie in ihrem Kopf ihr Mantra herunter zu beten begann. Ich bin mit Dean zusammen. Ich bin mit Dean zusammen! Ich bin verdammt noch mal mit Dean zusammen!!! Sofort schaltete sich ihr schlechtes Gewissen ein und blies ihr für eine Weile den Kopf von unangebrachten Gedanken frei, bis sie alle Fäden gezogen und die Wunde an James‘ Bauch wieder mit einem frischen Wundpflaster versorgt hatte. Danach lehnte Delilah sich völlig erledigt zurück und strich sich die Haare aus der Stirn. Sie brauchte dringend eine Pause. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich könnte jetzt eine Abkühlung vertragen. Lust auf eine kalte Limo, ehe wir weiter machen?“ „Da fragst du noch?“ James sah ungefähr genauso fertig aus, wie sie sich fühlte. Allerdings fand sie das an ihm ziemlich sexy. „Okay, dann hol ich uns mal welche!“ Abrupt sprang sie vom Sessel auf und verließ fluchtartig das Zimmer, bevor ihr Hirn noch mehr unangebrachte Kommentare ausspuckte. Beim Kühlschrank angekommen, musste sie sich stark zusammenreißen, um ihren Kopf dieses Mal nicht auch noch ins Gefrierfach zu stecken und gegen die Packung mit den Tiefkühlerbsen – igitt - zu hämmern. Nicht, dass noch die ganzen Lebensmittel auftauten! Die zwei Dosen Sprite an ihren Schläfen waren aber auch nicht zu verachten und entlockten ihr ein langgezogenes Stöhnen, während sie sich halb gegen die Theke sinken ließ und regelrecht zerfloss. Wieso musste es ausgerechnet heute so Gott verdammt heiß sein? Sie sollten James einen Ventilator besorgen. Nicht dass er noch einen Hitzschlag bekam. Ach was machte sie sich vor. So heiß war es gar nicht. Zumindest was die Außentemperatur anging. Was hier wirklich die Temperatur in die Höhen trieb, waren ihre völlig deplatzierten Gedanken und diese verdammten Hormone, die sie nur noch an das Eine denken ließen, das sie momentan nicht haben konnte. Gerade deshalb reizte es sie umso mehr. Sie war wie die Zündschnur und James‘ Nähe das Dynamit. Fehlte nur noch ein einziger kleiner Funke und ihr flog das ganze Gebilde ihrer selbst auferlegten Enthaltsamkeit um die Ohren. James durfte auf keinen Fall in der Nähe sein, wenn das passierte. Es würde alles zerstören, was sich seither zwischen ihnen zum Positiven entwickelt hatte und das wollte sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Dafür bedeutete er ihr zu viel. Entschlossen es nicht so weit kommen zu lassen, stieß sich Delilah von der Theke ab, nahm noch eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank mit und ging zurück zu James. Er wartete bereits auf sie; hatte sich sogar schon so hingesetzt, dass sie ungestört würde arbeiten können, auch wenn sie dabei zu ihm aufs Bett kommen musste. Aber anders wäre es wirklich nicht gegangen. Er saß direkt an der Bettkante und schob mit seinen Füßen den Schreibtischstuhl ein paar Zentimeter vor sich hin und her, während sein Arm mit der verletzten Schulter in einem weichen Kissen gebettet auf seinem Schoß lag. Auch die Schlinge hatte er bereits abgenommen. „Na endlich! Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.“ James blickte ihr lächelnd entgegen und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf die beiden Dosen Sprite und das Mineralwasser in ihren Händen. Er sah ziemlich durstig aus. „Als könnte ich dich vergessen.“ Delilah schob mit ihrer Hüfte die Tür hinter sich zu, klemmte sich die Mineralwasserflasche unter den Arm und öffnete für James die Dose, bevor sie sie ihm in die Hand drückte. „Danke.“ Er trank in großen Schlucken und erinnerte sie dabei irgendwie an den scharfen Kerl aus der Cola-Werbung, der den Frauen im Büro eine frische Lieferung des Getränks brachte. Es war zwar schon ewig her, dass sie die Werbung gesehen hatte, aber ihre Erinnerung wurde von James gerade gründlich aufgefrischt. Hastig öffnete Delilah ihre eigene Dose und trank ein paar vorsichtige Schlucke, da die Kohlensäure bei ihr ziemlich schnell zu Schluckauf führte, wenn sie nicht aufpasste und stellte sie dann zusammen mit dem Mineralwasser auf dem Nachttisch ab. Noch einmal atmete sie tief durch, fuhr sich durch die Haare, zog ihr langes Top wieder ganz nach unten und überprüfte den Sitz ihrer kurzgeschnittenen Leggins, ehe sie neben James auf das Bett kletterte und es einfach hinter sich brachte. Weitere Verzögerungen würden es ohnehin nicht leichter machen. Während James die Dose ganz leerte, wickelte sie nach und nach den Verband um seinen Hals ab und konnte dabei nicht die Schramme an seiner Schulter übersehen. „Wie heftig bist du denn wirklich gegen diesen Türstock gelaufen?“ Eigentlich sah es eher so aus, als wäre er daran entlang geschrammt und wenn sie nach dem blauen Fleck an seinem rechten Knie ging, musste er direkt danach zu Boden gegangen sein. „Frag lieber nicht.“ Er zerdrückte die Dose in seiner Hand, zielte und warf sie in den Mülleimer neben seinem Schreibtisch. Erstaunlich, dass er auch mit Links so gut traf. „Na gut.“ Dann würde sie eben nicht fragen, stattdessen betupfte sie die vielen kleinen Nähte mit dem Desinfektionsmittel und wie jedes Mal, wenn sie genau diese Wunden versorgte, kamen wieder die Bilder in ihr hoch, die sie eigentlich am liebsten für immer verdrängt hätte. Vor Delilahs Augen spielte sich wie in einem Stummfilm die Szene ab, wie Nadines Kiefer sich um James‘ Nacken schlossen und sie jeden Moment das Knacken seines brechenden Genicks erwartete. Aber es kam nie. Zumindest war es in der Realität nie so weit gekommen. In ihren Träumen sah die Sache bisweilen anders aus. Nicht immer wurde sie darin erwürgt. Manchmal sah sie James auch vor ihren Augen sterben. „Mir ist kurz schwarz vor Augen geworden und dann bin ich auch schon am Boden gelegen. Ich hab‘ meine Schwäche einfach unterschätzt.“, gestand James nun doch leise und vertrieb damit die grausamen Bilder aus ihrem Kopf. „Ich wollte doch nur… Ich wollte einfach nicht noch länger so hilflos im Bett herumliegen.“ Er ballte die Hand zur Faust und stieß ein frustriertes Knurren aus. Delilah berührte ihn an der unverletzten Schulter und strich ihm beruhigend darüber. „Ich kann mir vorstellen, dass das schwer für dich sein muss. Aber bald hast du es überstanden und dann kannst du dich wieder richtig austoben.“ James‘ Anspannung ließ spürbar unter ihren Händen nach, während er tief durchatmete und schließlich den Kopf in den Nacken legte, um sie anzusehen. „Nur wenn du mitmachst. Denn irgendwie hab‘ ich dich noch nie einfach so zum Spaß in deinem Pelz gesehen.“ Er … hatte vollkommen Recht. An dem Tag, an dem sie so mit Dean herumgetollt hatte, war James nicht dabei gewesen und sonst hatte sie sich nicht unbedingt aus Spaß vor seinen Augen verwandelt. Diese Erkenntnis war genauso verblüffend, wie verstörend. Wie lange lebte sie denn schon hier und dabei war sie noch nie einfach so aus Spaß mit James als Wolf gelaufen? Wann hätte sie das auch tun sollen? Nach dem sie beinahe das Baby verloren hätte, hatte sie sich nicht verwandeln dürfen. Danach war sie mit James zu sehr zerstritten gewesen und jetzt lag er hier an sein Bett gefesselt und würde sich noch Tage, wenn nicht sogar Wochen lang nicht verwandeln dürfen, obwohl er es offensichtlich so viel lieber tat als sie selbst. Delilah legte gequält ihre Stirn auf James‘ gesunde Schulter und stöhnte: „Oh Gott, ich bin eine abscheuliche Wölfin!“ „Das denke ich nicht.“ „Wenn du das nach allem, was inzwischen passiert ist, immer noch sagen kannst, dann bist du ein Heiliger.“ Die Vibration seines leisen Lachens übertrug sich auf sie. „Ich bin kein Heiliger.“ Es war nur ein leises Murmeln. James drehte den Kopf, während Delilah es ihm gleich tat. Ihre Blicke trafen sich, waren nur wenige Zentimeter voneinander getrennt. „Ganz und gar nicht.“ Er senkte den Blick, genau auf ihre Lippen. Delilah bräuchte nicht einmal seine Gedanken zu lesen, um zu wissen, was er in diesem Augenblick dachte. Ihr Herz begann wie wild zu rasen und das Prickeln in ihrem Bauch nahm mit einem Schlag völlig neue Dimensionen an. Sie wagte kaum zu atmen. Und so verweilten sie für ein paar Herzschläge lang, vielleicht verging auch eine Ewigkeit, während Delilah seinen Mund ebenfalls fixierte, bis James sich aus seiner Starre löste und sich nur wenige Millimeter auf sie zu bewegte. Das genügte, um Delilah panisch werden zu lassen, so dass sie für einen Moment nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Denn einerseits wollte ein Teil von ihr, James entgegen kommen und die letzten, fehlenden Zentimeter überbrücken, doch andererseits gab es da immer noch Dean und sie könnte es nicht ertragen, ihn zu verletzen und das zarte Vertrauen zwischen ihnen zu zerstören. Letztendlich folgte Delilah ihrem Bauchgefühl in dem sie ihre Hand in James Haar vergrub und ihm einen zarten Kuss auf die Stirn hauchte, ehe sie sich von ihm löste. „Du bist vielleicht kein Heiliger, aber dafür mein ganz persönlicher Held.“ James wandte sein Gesicht von ihr ab und blickte gerade aus. Was ihre Worte anging, schwieg er dazu und das änderte sich auch nach einer ganzen Weile nicht, also machte Delilah sich wieder an die Arbeit. Immerhin würde sie ohnehin eine Zeit lang damit beschäftigt sein, die vielen Fäden zu ziehen und sie hätte auch gar nicht gewusst, was sie zu ihm sagen sollte, nachdem sie ihn so offen abgewiesen hatte. Ungefähr bei der Hälfte bemerkte Delilah zum ersten Mal das leichte Beben seines Körpers. Bisher hatte James immer noch verbissen geschwiegen und hin und wieder an dem Mineralwasser genippt. Die zusätzliche Flüssigkeit schien dafür zu sorgen, dass er noch mehr schwitzte als ohnehin schon. Wenn das so weiter ging, würde sie auch wieder das Bett frisch beziehen müssen, damit er sich nicht unwohl fühlte. Zugegeben auch Delilah war so verflucht warm, dass sie sich immer wieder ihre feuchten Hände an ihrer Leggins abwischen musste, aber bei James lief der Schweiß am Ende nur so in Strömen über seinen Rücken und sein ganzer Körper schien in einen Hochofen verwandelt worden zu sein. Seine Haut glühte regelrecht, so dass es sogar ihr unangenehm heiß wurde, wenn sie ihn nur berührte. „James, alles okay bei dir?“ Er zuckte bei ihrer unvermittelten Frage heftig zusammen und sog daraufhin scharf die Luft zwischen seine Zähne ein. „Ja, es geht schon. Brauchst du noch lange?“ „Nein. Nur noch ein paar Fäden, dann hast du es überstanden.“ „Das ist … gut.“ Er verlagerte seine Haltung etwas und legte wieder den Kopf zur Seite, damit sie besser arbeiten konnte. Dabei bemerkte sie sehr deutlich seinen angespannten Kiefer und dass er nur noch flach atmete, während er die Augen geschlossen hielt. Selbst die Sehnen seines Halses traten deutlich hervor. War ihm ihre kleine Abweisung von vorhin denn so dermaßen unangenehm, dass er ihre Nähe nicht länger ertrug und er sich vollkommen verkrampfte? Irgendwie konnte sie sich das nur schwer vorstellen, aber sie wollte ihn auch nicht darauf ansprechen, also entfernte sie auch noch die restlichen Fäden und wickelte anschließend einen frischen Verband um seinen Hals. Dabei streifte sie seine verletzte Schulter nur ganz flüchtig mit dem Handrücken, woraufhin James schmerzvoll aufstöhnte und sich heftig zusammenkrümmte. „Tut mir leid! Habe ich dir wehgetan?“ Was für eine absolut dämliche Frage. Klar hatte sie das, dabei hatte sie ihn doch nur ganz leicht- „Es ist nicht deine Schuld.“, presste James mühsam hervor. Sein Atem ging schwer und angestrengt. „Die Wirkung der Schmerztabletten … lässt nach und … ich dachte nicht … dass es noch so schlimm ist.“ Schlimm? Das war noch die Untertreibung des Jahrhunderts. Wenn sein Körper vorher schon gebebt hatte, dann schüttelte es ihn jetzt nur so vor Schmerzen durch. „Ich brauche…“ Im letzten Moment konnte Delilah ihren Arm um James‘ Bauch schlingen, ehe er vom Bett rutschte. Dass er ganz schön schwer war, wurde ihr dadurch erst richtig bewusst, da er sie beinahe mit sich riss. Vorsichtig und unter Aufbringung all ihrer Kraft zog sie ihn von der Bettkante zurück, bis er mit dem Rücken gegen sie sank und sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Sein Körper hatte jegliche Spannkraft verloren, aber seine Augen waren immer noch offen, wenn auch von einem beunruhigenden Glänzen erfüllt. „James?!“ „Mir ist … nur schwindlig…“ Er versuchte sich wieder aufzusetzen, doch am Ende sackte er noch schwerer gegen sie und blieb reglos liegen. Panik wollte sie wie ein tollwütiges Tier überfallen und infizieren, doch Delilah drängte das Gefühl mit aller Macht zur Seite. Sie musste Hilfe holen! „Entschuldige. Du bist zu schwer für mich. Ich kann dich nicht richtig ins Bett legen, aber du brauchst Hilfe.“ Mit aller Kraft zog Delilah ihn so weit über die Matratze, wie sie konnte und legte seinen Oberkörper mit größter Behutsamkeit ab. Trotzdem stöhnte James schmerzvoll auf und blieb dann schwer atmend liegen. „Ich bin so schnell wie möglich wieder da!“, versprach sie schnell, während sie die panische Angst in ihrer Stimme zu unterdrücken versuchte. „Ich lauf … nicht weg…“ Sollte sie es als gutes Zeichen werten, dass er selbst jetzt noch zum Scherzen aufgelegt war? Delilah beschloss, es nicht zu tun und lief los, so schnell ihre Füße sie tragen konnten. Hoffentlich wusste einer der beiden anderen McKenzies, was sie jetzt tun sollten. Denn mit Schmerztabletten allein war es hier offensichtlich nicht mehr getan. 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