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Metro 2033 - Love

von

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Prolog

Im Jahr 2033 liegen die Städte der Welt in Schutt und Asche. Der atomare Weltkrieg zwanzig Jahre zuvor hatte die großen Städte wie London, Berlin, New York City, Moskau, St. Petersburg, Tokio und Peking zur Gänze zerstört. In diesem Krieg ging es um Macht, es ging um Ressourcen und es ging um Prestige.

Die Menschen die sich an der Erdoberfläche befanden, als die ersten nuklearen Sprengköpfe die Städte erreichten, waren sofort tot.

Doch diejenigen, die sich in der Moskauer Metro zu diesem Zeitpunkt aufhielten überlebten. Sie bildeten Städte an den einzelnen Stationen, gingen Bündnisse ein, betrieben Handel oder führten kleinere Gefechte über strategisch wichtige Stationen.

Im Jahr 2033 lebte der Mensch unter der Erde. Zumindest in Moskau, ob es in anderen Städten auch der Fall ist, kann niemand sagen. Kaum jemand wagt es an die Oberfläche. Alles ist verstrahlt und dort oben gibt es Geschöpfe die man sich nicht mal in seinen schlimmsten Albträumen vorstellen konnte.

Was bewegt die Menschen in der Moskauer Metro, was bringt sie zum lachen, was zum weinen? Gibt es noch Gefühle? Gibt es Kinder? Gibt es noch so etwas wie … Liebe?

Die Metro

Peter saß traurig auf einem der wenigen Stühle der Bar an der Arbatskaja. Es war ca. 11 Uhr morgens und er hatte einen neuen Höhepunkt in seinem Leben erreicht. Leider war es keiner der Höhepunkte in seinen Leben auf die er Stolz war, denn es war erst Elf Uhr und Peter war bereits betrunken. Sein Kopf lag auf dem Tisch und er lallte leise ein altes Lied vor sich hin. Dabei dachte er an die Gesichter seiner Liebsten. Aber diese Gesichter schienen immer undeutlicher zu werden, je öfter er sie aus seinem Gedächtnis abrief. Selbst die Umrisse seiner Frau Hellen und seiner kleinen Tochter Tracy sah er schon lange nicht mehr. Das machte ihn umso trauriger.

Seit ca. vier Jahren konnte er sich die Gesichter seiner Frau und seiner kleinen Tochter nicht mehr ins Gedächtnis rufen. Er konnte sich auch nicht mehr an die Stimmen erinnern. Sie waren lieblich, dessen war sich Peter noch bewusst, bzw. glaubte er es.

Und seitdem er sie nicht mehr deutlich sah, hatte sich sein Alkoholkonsum verdreifacht. Meistens ließ er bei dem hiesigen Barkeeper anschreiben. Aber einmal im Monat musste er seine Zeche bezahlen. Nur einmal hatte Peter, vor etlichen Jahren, versucht die Zeche zu prellen. Durch die anschließende Inhaftierung, die 30 Tage dauerte, in denen er nichts zu essen bekam, und nur einmal pro Tag ein Glas Wasser, hatte er relativ schnell gelernt, dass man in der Metro nicht die Zeche prellen konnte. Man konnte auch nirgendwohin laufen um sich zu verstecken. Die Metro war kein guter Platz zum Versteckspielen. Der eine kannte den anderen und der kannte den Grenzposten und sofort war das Gesicht in der ganzen Metro bekannt, bevor man auch nur zwei Stationen weiter kam.  

Als er wieder frei kam suchte er sich sofort eine Arbeit, und seither verdiente er sein Geld damit, zwei mal wöchentlich am südlichen Grenzposten der Polis Wache zu halten. Die Arbeit bereitete ihm keinen Spaß und sie war unterbezahlt, nur drei Patronen pro Stunde, und das obwohl der Grenzposten direkt an die rote Linie grenzte.

Ein lautes Seufzen durchfuhr die ansonsten noch leere Bar. Eine Träne lief Peter über die Wange. Er sollte nicht hier sein, dass alles war ein großes Missverständnis. Seine Familie wollte doch bloß für ein paar Tage Moskau besichtigen. Sie waren aus Amerika angereist und hatten sich den ganzen Urlaub dafür freigehalten, der ihnen zur Verfügung stand, um Tracy Europa zu zeigen. Wien, Amsterdam und Moskau. Die drei Städte hatte sich Tracy gewünscht. Schon beim Abflug damals war klar, die allgemeine Stimmung war am Umschlagen und man konnte den Krieg förmlich riechen. Doch Hellen hatte ihn beschwichtigt und ihm immer wieder gesagt, er solle nicht so schwarz sehen.

20 Jahre nachdem sie von New York aus gestartet waren, war er immer noch hier. Doch Hellen und Tracy, die waren weg… tot. Sie würden nie wieder kommen. Und auch Peter, davon war er überzeugt, würde hier einsam sterben und nie wieder das Tageslicht sehen. Oh wie sehr er das Tageslicht vermisste! Das elektrische Licht in der Polis war zwar überall und allgegenwärtig, aber es konnte nicht dieses wunderbare Tageslicht ersetzen, das die Sonne auf die Erde warf.

Seit jenem Tag, als Peter in der Arbatskaja eingeschlossen wurde, hatte er nie wieder die Welt dort oben gesehen. Von den wenigen Wahnsinnigen die sich auf die Oberfläche trauten, kamen nicht immer alle zurück, doch die wenigen die zurück kamen wollten nicht über das Gesehene sprechen. Das Leid zeichnete sich in ihren Gesichtern ab, jedes Mal wenn man die Stalker fragte, wie es oben aussah. Also hatte Peter nicht viel in Erfahrung bringen können, über die Welt oberhalb der Moskauer Metro. Ein weiterer Grund warum er mit kaum jemand hier unten sprechen konnte war, dass fast alle russisch sprachen, Peter aber davon kein Wort verstand. Die wenigen die Englisch sprachen, hatten einen derart starken Akzent, dass es Peter irgendwann zu anstrengend war herauszufinden was sein gegenüber nun gesagt hatte. Also hatte er damit auch die Möglichkeit aufgegeben mit den noch verbliebenen Personen hier unten zu sprechen. Seither, dass muss nun etwa zehn Jahre her sein, war Peter alleine, ganz alleine. Und bis auf den Barkeeper redete niemand mit ihm und jeder mied ihn.

Dabei hatte er das Privileg an einer der schönsten Stationen der Metro zu sein. Doch das half Peter nicht über seinen Kummer hinweg, kannte er doch seit 20 Jahren nur die Arbatskaja und die anderen Stationen die den Bund zur Polis ausmachten. Von dem Leben an anderen Stationen, abgesehen der Hanse, hatte Peter keine Vorstellung.

Als Peter sich bemühte den Kopf vom Tisch hochzuheben sah er schemenhaft eine Person vor ihm stehen. Er konnte die Person nicht sofort erkennen da sich in seinem Kopf alles drehte. Langsam drangen ein paar Worte zu ihm durch: „…hier Junge…“, es schien eine Frage zu sein. Was er hier machte? Warum wollte der Fremde das Wissen? Schlagartig wurde sein Kopf klar und er erkannte Alex Mirkotisch vors sich. Sofort stand er auf, dabei warf er den schäbigen Holztisch um, auf dem er seinen Kopf gelegt hatte, und salutierte vor dem Oberst.

„Herr Alex…“, er tat sich schwer den russischen Namen auszusprechen daher beließ er es dabei und fügte schnell: „Herr Oberst Mirkotisch was… was machen Sie denn hier?“ Nun war Peter total perplex, was machte der Oberst hier? Heute war Peters freier Tag, er konnte sich nicht geirrt haben, nach all den vielen Jahren hatte er doch einen Rhythmus für die Wochentage bekommen. Auch wenn er nicht immer das Datum wusste.

„Ich bin hier um Sie zu Ihrer Schicht abzuholen, Herr Lebowski“, der Oberst betonte das „i“ etwas zu lange für Peters Geschmack.

„Meine… meine Schicht, aber warum… wieso?“, Peter machte eine Pause ehe er weiter stammelte: „Heute ist doch… Mittwoch… nicht Donnerstag. Dienstags und Donnerstags habe ich Dienst.“, sagte er nun mit etwas kräftigerer Stimme.

„Heute ist Dienstag“, sagte der Oberst knapp. Sein Englisch war eines der wenigen hier gesprochenen, dass Akzentfrei und keine Satzfehlstellungen aufwies. Manchmal war die Grammatik vollkommen falsch, aber über diesen Makel konnte Peter hinwegsehen.

„Ähm…“, sagte Peter und dachte sich das Scheiße nur, welches er beinahe laut ausgesprochen hatte. Wie konnte er nur die Wochentage durcheinander bringen? Wurde er jetzt schon senil? Das Gebräu, das hier unten verkauft wird soll ja angeblich selbst gebraut sein, vielleicht hatte es seine Gehirnzellen schon beschädigt. Peter wurde Angst und Bang.

Und noch mehr Angst bekam er als er feststellte, dass sich alles um ihn herum drehte. Ganz schwach vernahm er noch die Stimme des Obersts die ihn fragte ob es ihm gut ginge. Doch Peter wusste er würde nicht mehr antworten können. Und mit einem Mal wurde es schwarz um ihn herum und Peter fühlte eine Eiseskälte um seinen Verstand sich ausbreiten.
 

Es war ein beschissener Tag gewesen, schon heute Morgen als Alex aufgestanden war. Er war unabsichtlich in die Packung Pilze getreten, die er gestern direkt neben sein Bett gestellt hatte, damit er nicht vergaß sie heute zu kochen. Doch die Idee entpuppte sich als schlecht durchdacht als er mit seinen großen Füßen darauf trat und dann spüren konnte wie sie zu Matsch wurden.

Die Pilze sind auch nicht mehr das was sie einmal waren, dachte Alex bei sich und wischte sich mit dem schmutzigen Wasser aus seinem Kübel den Matsch von seinem Fuß.

Dieses unterirdische Zeug taugt doch überhaupt nichts. Früher waren sie gut, aber irgendwann hatten die Bewohner der Metro solange herumexperimentiert an den Pilzen, bis diese nur mehr eine wabbelige Ansammlung von Wasser war, führte Alex seine Gedanken weiter.

Er ging zu seinem Kleiderschrank, der eigentlich nur aus zwei Koffern bestand die er aufeinander gestapelt hatte, und suchte sich was zum anziehen heraus.

Alex war seit ca. 15 Jahren dafür zuständig die Grenzposten zu Bewachen und Mitglieder für die Polizei auf der Polis zu rekrutieren. Viel war nicht los an der Polis, im Süden grenzte sie an die rote Linie, die zwar immer wieder versuchten einzufallen und zumindest die Borowizkaja zu besetzen, aber sie schafften es nie weiter als bis zu ersten Falle im Tunnel, die die Grenzposten aufhorchen ließen. Sobald der Feind auf die Scherben getreten war, die überall verstreut lagen, sprangen die Grenzposten sofort auf und sahen nach. Aber meist waren die Eindringlinge dann schon fort.

Im Westen grenzte die Polis an die Arbatskaja, die Tunnel davor gehörten der Arbat-Föderation, die allgemein als friedlich galt und mit denen auch Handel getrieben wurde. Die Station Arbatskaja wurde früher als eine der „unterirdischen Paläste“ der Moskauer Metro bezeichnet. Doch 30 Jahre später war nicht mehr viel von dem Glanz übrig. Nicht jede Lampe war wieder in Betrieb genommen worden, und obwohl die Decke und die Wände eben erst geweißelt worden sind, setzt sich der Dreck sofort wieder an.

Im Norden grenzte sie an die Alexandrowski sad, die Tunnel davor gehörten dem „Vierten Reich“ wie sie sich nannten und stellten als einzige eine richtige Bedrohung dar, da dieses Banditengesindel immer wieder in die Station einfiel.

Und im Osten lag die Grenze bei der Biblioteka imeni Lenia. Ein ruhiger Grenzposten. Die der Station namens gebende Bibliothek darüber stand noch, aber man wusste nicht wie weit sie noch in Takt war.

Die Polis war ein Verbund von vier Stationen die miteinander verbunden waren. Als die Metro noch ihren eigentlichen Zweck erfüllte, stiegen hier am Tag mehrere Millionen Menschen um. Doch diese Zeiten waren schon lange vorbei.

In einem dreckigen, schmierigen, kleinen Spiegel betrachte Alex sein Gesicht und es entsetzte ihn jedes Mal wenn er seine vielen Falten auf der Stirn entdeckte. Er verstaute den Spiegel wieder unter seinem Bett und ging aus seiner kleinen Wohnung mit der Nummer „1“. Ein Spiegel war in der Metro gefragter als Munition, daher musste man es sich für sich behalten, wenn man einen besaß. Viele Menschen die hier wohnten hatten keinen Spiegel und sie würden für einen Morden. Auch einen Polizisten. Manchmal wünschte sich der Oberst er hätte ihn nie gefunden. Dennoch würde er ihn nie wieder hergeben.

 

Auf seinem Weg zu den Kontrollen an den vier Grenzposten begrüßte er die zwei wachhabenden Soldaten herzlich und sie führten Smalltalk. Die Polis war einer der am hellsten erleuchteten Stationen und Alex wusste, dass es Stationen gab die nicht annähernd so hell waren. Er selber kam von der WDNCh und wusste was Armut bedeutete. Doch hier gab es soviel Luxus, dass die Leute hohl geworden sind. Sie besaßen kein Glitzern mehr in den Augen wie er es von den Menschen der WDNCh kannte. Nichts war mehr von Bedeutung, man sprach über Kultur, Literatur und Musik. Aber nicht über den Krieg, nicht über den Grund warum sie hier alle in der Metro gefangen waren.

An der Borowizkaja angekommen sah er, dass keiner der beiden Stühle besetzt war. Sofort zückte er seine Waffe und lief in den Tunnel vor ihm. Doch die Dosen hingen noch an ihren Schnüren und die Glasscherben waren nicht zerbrochen worden.

Warum war hier niemand, fragte er sich wütend. Er stapfte zurück und suchte den amerikanischen Trunkenbold Peter. Er hatte ja schon immer gewusst, dass man sich auf die Amerikaner nicht verlassen durfte.

An der Bar fand Alex den besagten Mann und wollte ihn zur Rede stellen. Doch er war total betrunken, lallte vor sich hin und kippte dann um. Dabei brach er den Tisch in zwei, den er vorhin beim Aufstehen umgeworfen hatte. Genervt verdrehte der Oberst seine Augen und hob Peter vom Boden auf. Er trug ihn ins Lazarett.

Es war noch nicht mal mittags und schon war der Typ besoffen, ein neuer Rekord glaube ich, dachte sich der Oberst.

Im Lazarett war nur eine Schwester und sie feilte sich gerade gelangweilt die Fingernägel. Als der Oberst hereinkam stand sie sofort auf, dabei lies sie die Nagelfeile fallen.

„Schwester, der Mann hat zuviel getrunken“, gab er als Info weiter und legte ihn aufs erst beste Bett.

Die Schwester kam sofort herbeigeeilt und fühlte den Puls.

„Stabil“, sagte sie mehr zu sich selbst als zum Oberst. Dieser sah sie an und sagte ein paar Momente lang nichts.

„Wenn er wieder wach wird, rufen Sie mich im Polizeibüro an, ich werde dann wieder herkommen“, sagte er zu der Schwester, steckte ihr acht Patronen zu und verlies das Lazarett.

In der Metro gab es nichts umsonst. Schon gar nicht die eigene Gesundheit.

Der Oberst stapfte wütend zur Borowizkaja zurück und fragte nach zwei Männern die spontan Lust hatten sich etwas Geld dazuzuverdienen. Es meldeten sich ein hagerer, großer Mann und ein kleiner, untersetzter Pubertierender.

Wir können es uns nicht Leisten wählerisch zu sein, dachte er beim Anblick an den Pubertierenden und führte beide zum Grenzposten und erklärte ihnen was sie zu tun hatten.
 

Vier Tage später…

 

Peter erwachte. Um ihn herum war alles weiß. Wo war er? War er nun endlich tot und im Himmel angekommen?

Doch als er begann klarer zu sehen bemerkte er, dass es sich nur um die weißen Vorhänge des Bettes handelte in dem er sich befand. Und so richtig weiß waren die auch das letzte Mal vor 30 Jahren gewesen. Das verkrustete Blut vieler Menschen die vor ihm hier drinnen gelegen haben, haftete an ihnen. Unwillkürlich musste sich Peter übergeben. Die Schwester hörte es und kam mit einem Eimer zu ihm ans Bett, doch da war Peter bereits fertig. Entnervt verdrehte die Schwester die Augen und holte einen Mop und etwas Wasser um die Sauerei aufzuwischen.

Peter sah an sich herab, er war ausgezogen und in einen Krankenhauskittel gesteckt worden. Zu seiner Linken lag so etwas wie eine Decke und sein Kopf ruhte auf etwas was ein Kissen sein sollte. Doch dafür war es etwas zu hart. An seinem rechten Arm hatte er einen Butterfly in seine Vene bekommen. Dadurch bekam er eine Infusion in seinen Körper. Bei all dem Mist der hier verkauft wurde, wollte er sich nicht vorstellen was er da eigentlich bekam.

Erneut verspürte er einen Drang sich zu Übergeben, konnte ihn allerdings beherrschen, er wollte sich nicht erneut Übergeben, das erste Mal war ekelhaft genug gewesen.

Als die Schwester wieder kam fragte er wie er sie wie er hier herkam. Doch sie sagte ihm sie wisse es nicht, sie war nicht die Dienst habende Schwester gewesen als er eingeliefert wurde. Sie hatte jedoch den Hinweis erhalten einen gewissen Oberst Alex Mirkotisch zu informieren, sobald Peter wieder wach wäre.

Der Oberst hatte ihn hierher gebracht? Interessante Information, aber was war genau passiert, fragte sich Peter und versuchte sich daran zu erinnern was passiert war bevor es schwarz um ihn herum geworden war.

Genau! Er war etwas trinken gewesen… dabei hatte er den traurigen Rekord aufgestellt vor 12:00 Uhr mittags besoffen gewesen zu sein.

Bei dieser Erinnerung wurde er augenblicklich traurig und wünschte sich er wäre doch gestorben. Aber warum und wieso ihn der Oberst aufgesucht und gefunden hatte blieb ihm weiterhin ein Rätsel.

 

Das Telefon in der Polizeistation der Polis läutete und Kommandant Sergej antwortete. Er sagte nicht viel und als er erfuhr um was es ging legte er seine Hand auf die Muschel des Telefonhörers und rief den Oberst zu sich. Kommandant Sergej erklärte ihm worum es ging und der Oberst nahm den Telefonhörer in die Hand. Er nickte zweimal und legte dann auf.

„Ich bin kurz weg“, sagte er zu niemand bestimmten im Raum, schnappte sich seine lederne Jacke und verschwand. Die restlichen sechs Kommandanten sahen nicht mal auf als der Oberst das Zimmer verließ.

 

Im Lazarett angekommen sah der Oberst Peter auf seinem Bett liegen. Dieser war zuerst verwirrt, wollte dann vor ihm salutieren, zuckte aber vor Schmerz zusammen.

„Verzeihung Herr Oberst…“, sagte Peter und deutete auf seinen rechten Arm. Die Nadel die in seiner Vene steckte war bestimmt stumpf gewesen und voll mit Bakterien, das würde auch den blauen Fleck rund um den Butterfly erklären, dachte sich Peter.

Der Oberst trat an sein Bett, und sah ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Resignation an. Peter wusste nicht ganz ob er ihn fragen durfte wie er hierher kam. Er machte ein paar Mal den Mund auf und dann wieder zu ohne etwas gesagt zu haben. Leise krächzte er dann doch:

„Wie bin ich hierher gekommen?“

„Nun ja Genosse Peter“, sonst sagte der Oberst doch nie Genosse zu ihm, „ich habe Sie in der Bar aufgesucht weil sie eigentlich für den Dienst eingeteilt waren, doch Sie waren so stockbesoffen, dass sie Ohnmächtig geworden sind. Ich habe Sie aufgehoben und hierher gebracht“, fasste der Oberst kurz und prägnant die Vorkommnisse zusammen und deutete mit weit ausgebreiteten Armen auf das Lazarett.

Peter sah betreten auf sich herab und wünschte sich nichts sehnlicher als vor lauter Scham im Erdboden zu versinken. Ausgerechnet vor dem Oberst war er k.o. gegangen. Und er hatte ihn auch noch hierher getragen. Er stand sehr tief in der Schuld des Obersts, dessen war sich Peter bewusst.

„Es… es tut mir so leid… Herr Oberst… das war… das wollte ich nicht. U… und sie sagten ich wäre für den Dienst eingeteilt gewesen?“, fragte Peter stotternd vor sich hin. Dieser nickte bloß.

Die Schwester kam und fragte ihn nach seinem Zustand.

„Besch…eiden“, antwortete er.

„Sie können sich bei uns Duschen und die Zähne putzen. Aber nur zehn Minuten, maximal“, erklärte die Schwester ohne auf seine Antwort eingegangen zu sein und zeigte auf eine graue Eisentür mit einer russischen Aufschrift.

Soll wohl Dusche bedeuten, dachte sich Peter und bedankte sich für die Info bei der Schwester.

Der Oberst war immer noch an seinem Bett. Wollte er ihm noch etwas sagen?

„Wollen Sie nicht duschen gehen? Es wird Ihnen gut tun!“ Peter war verwirrt. Er hatte eher damit gerechnet, dass der Oberst ihn aus seinem Job beim Grenzposten entlassen würde.

„Ja… schon, aber ich bin viel zu schwach“, sagte er leise. Der Oberst rief die Schwester, damit sie die Infusion abklemmen und den Butterfly verließen konnte.

Nachdem die Schwester damit fertig war, stützte ihn der Oberst bis zum Eingang zu den Duschen.

„Halten Sie sich kurz an mir fest, damit ich die Türe öffnen kann!“, befahl der Oberst und Peter tat wie ihm geheißen.

Als Alex endlich die schwere Eisentüre offen hatte, stieg Peter der Geruch von feuchter, abgestandener Luft in die Nase.

„Stützen Sie sich wieder auf mich!“, sagte Alex und Peter gehorchte. Gemeinsam betraten sie die Nasszelle. Zu ihrer linken und rechten erhoben sich je sechs Duschköpfe an der Wand. In der Mitte war eine Wand aufgestellt. Sie war sehr niedrig und sollte wohl verhindern, dass man dem anderen in die Quere kam, immerhin war der Raum zwar sehr lang, aber nicht sehr breit.

Gelbe Fliesen zierten den Raum vom Boden bis zur Decke.

„Es… es geht schon…“, sagte Peter etwas hoffnungslos, da er sich immer noch auf den Oberst stützte und sich nicht wirklich sicher war ob er schon alleine stehen konnte. Der Oberst hörte gar nicht erst hin. Er lehnte Peter an die Wand und spielte mit den Knöpfen an der Wand. Zuerst kam gar nichts, und dann schoss plötzlich ein bräunlicher Strahl aus dem Duschkopf.

Die Leitungen sind mindestens 120 Jahre alt, schoss es Peter durch den Kopf. Der Strahl Wasser traf Alex direkt auf seinen Oberkörper. Sein Hemd wurde sofort nass und er zog es aus. Darunter kamen ein ansehnliches Sixpack sowie eine Menge an Harren zum Vorschein. Um in Form zu bleiben musste der Oberst täglich trainieren. Peter sah an sich selbst herunter. Er hatte jetzt keinen dicken Bauch, aber seine Muskeln waren schon vor Jahren verschwunden.

„Ziehen Sie sich aus Lebowski! Keine falsche Scheu, wir sind hier ja unter Männern!“, sagte der Oberst zu ihm und war wieder neben ihn getreten. Peter war sich nicht ganz sicher was er hier tat, aber der Oberst hatte recht, sie waren hier ja unter Männern.

Seinen Kittel hatte er schnell abgelegt und der Oberst stützte ihn bis er unter dem Duschstrahl trat. Das warme Wasser hatte sofort eine berauschende Wirkung auf ihn. Nicht wie der Alkohol, nein, viel besser! Das Wasser reinigte ihn, es vergab ihn und nach so vielen Jahren der Entbehrungen konnte Peter endlich aufhören nachzudenken und sich einfach nur der reinigenden Wirkung des Wassers hingeben. Dass der Oberst immer noch hinter ihm stand und ihn beobachtete registrierte Peter in diesem Augenblick des Glücks nicht.  

 

Der Oberst hatte Peter in die Dusche gebracht und das Wasser angestellt. Dann hatte er Peter unter das heiße Wasser gestellt und sich selbst zurück gezogen. Nun konnte er den Amerikaner beobachten wie er sich langsam einseifte und das Wasser ihn abwusch. Zugegeben, Alex hatte sich nie zu Männern hingezogen gefühlt, aber Peter war etwas Besonderes…

 

Peter kam sich beobachtet vor. Stand der Oberst immer noch hinter ihm? Das Gefühl beobachtet zu werden gefiel ihm zu Angang gar nicht. Wenn gleich er wusste, dass er seinen Lebensretter nicht einfach rausschmeißen konnte. Was sah der Oberst? Sah er ihn frivol an, wollte er ihn berühren?

Warum denke ich so was? Er steht sicher nur noch da, damit er mir helfen kann falls ich wieder in Ohnmacht falle, dachte sich Peter. Sogleich merkte er aber, dass es ihm doch gefiel beobachtet zu werden. Seit Monaten, nein es muss länger her sein, seit Jahren hatte er sich nicht mehr begehrt gefühlt.

Langsam drehte Peter sich um. Der Oberst stand noch da. Und ihre Blicke hielten einander stand.

 

Tbc…

Körperliche Zuneigung

Olga war die Babooshka der Borowizkaja. Jeder kannte sie und jeder schätzte sie. Olga war eine Babooshka wie sie im Buche stand. Jeden Morgen um sieben fegte sie den schmalen Eingang vor ihrer Wohnung mit der Nummer „14“. Alle Wohnungen an der Polis waren instabil zusammen gewürfelte 2x2m große Räume die den Leuten zum Leben, Schlafen und allgemein zum Wohnen dienten. Nicht jede Wohnung war so klein wie  die von Olga. Familien mit Kindern bekamen die dreifache Größe. Aber alten Leuten, die allein stehend waren, gab man diese kleinen „Verschläge“ wie Olga sie manchmal in Gedanken nannte.

Sie war schon sehr lange allein. Ihr Mann war noch vor dem Krieg gestorben. Lungenkrebs. In ihrem kleinen Reich hatte sie, soweit der Platz es zu lies, einige alte Fotos von ihrem Ehemann aufgestellt. Nun gut es waren nicht wirklich Fotos von ihrem Ehemann, woher hätte Olga diese auch haben sollen, schließlich wusste ja auch sie nicht wann der Krieg losbrechen würde. Sie hatte sich bei ein paar Trödelhändlern Postkarten gekauft, alles weg geschnitten was nicht zu einem Foto gehörte und sich dann die Bilder auf die Wellblechwand oder auf den Tisch geklebt. Alle diese Männer sahen sich nicht im Geringsten ähnlich, aber es störte die Babooshka nicht. Die falschen Fotos erinnerten sie dennoch daran, dass sie einmal einen Mann hatte.

Kurz nachdem Olga mit dem Fegen fertig war kam Nikita Orlosky vorbei. Der alte Charmeur war immer für einen Spruch gut und auch heute sagte er zu Olga was für eine schöne junge Frau sie nicht sei, sie würde jeden Tag schöner werden. Sie hielt nichts von diesen abgedroschenen Sprüchen die er aus irgendwelchen alten Playboy-Zeitschriften hatte, aber es schmeichelte sie dennoch. Der alte verwickelte sie in ein kurzes Gespräch. Er war auf dem Weg zur Arbatskaja, er wollte dort einen alten Freund treffen und dann über Literatur quatschen. Es war eigentlich ein tägliches Ritual, dass Nikita mit seinem Freund abhielt, doch er erzählte es jedes Mal so, als ob es das erste Mal seit Jahren wäre, dass sie sich wieder treffen würden. Jedes Mal lud Nikita Olga ein mitzukommen, aber sie machte sich nichts aus Literatur. Früher hatte sie Koch-Zeitschriften oder Bastel-Zeitschriften gelesen, doch den Schund den man hier in der Metro bekam wollte sie nicht lesen. Es machte sie nur krank im Kopf.

Eines Vormittags, es muss ca. 11 Jahre her sein, war ein fahrender Händler von der Hanse zur Polis gekommen, erinnerte sich Olga. An sich nicht sehr spektakulär, da die Polis fast alle Waren von der Hanse bezog, aber dieser Händler hatte Zeitschriften dabei. Olga hatte davon gehört und war sofort aufgebrochen. Die etlichen Stufen von ihrer Wohnung bis zum Platz des Händlers hatte sie in Kauf genommen. Die Wohnungen lagen sehr weit unterirdisch, in einem Atombunker, der etliche Meter unter der Station angelegt worden war.

Oben angekommen Durchschritt sie die schönen Hallen und ergötzte sich an dem hellen Licht. In ihrer Wohnung hing nur eine Lampe, und die hatte nur 20 Watt. Das Licht an der Borowizkaja blendete sie zunächst, doch ihre Augen gewöhnten sich sehr schnell daran. Ein paar Minuten später fand sie den Händler und sah sich das Sortiment an. Sie hatte noch nie von diesen Zeitschriften gehört, die der namenlose mit sich herumtrug, kaufte dennoch eine Zeitschrift mit der Aufschrift „Kochen heute – Metro Ausgabe“.

Sie wollte sie nicht dort lesen wo all die anderen ihr zusehen konnten, immerhin hatte sie sechs Patronen bezahlt, und da sie kein Geld verdiente, war das ein hoher Preis. Auf dem Weg zurück in ihre Wohnung versteckte sie die Zeitschrift unter ihrem Mantel.

Dort angekommen legte sie sich auf ihr Bett und schlug die Zeitschrift auf. Sie hatte ganze zehn Seiten und behandelte verschiedenste Eintöpfe die mit Zutaten gemacht wurden, von denen Olga noch nie gehört hatte. Enttäuscht warf sie die Zeitung zu Boden und legte sich schlafen.

Sie sagte entschlossen ab, wie die letzten Jahre zuvor auch und Nikita zog seines Weges.

 

Mikhail Roshkowski war in der Wohnung seiner Eltern und spielte mit seiner kleinen Schwester Annika. Sie war erst acht Jahre alt, Mikhail war schon 17 und es machte keinen Spaß mit seiner Schwester zu spielen. Er hatte ganz andere Interessen. Er wollte zum Großen Platz der Polis, heute war ein fahrender Händler der Hanse da und verkaufte alte Bücher. Mikhail las unendlich gerne Bücher die mit längst vergangenen Wesen zu tun hatten, Bienen, Eidechsen, Schmetterlinge, Vögel. Doch diese Bücher waren selten und er war nicht der einzige der sie heiß begehrte.

Geboren in der Metro kannte er nicht das Tageslicht, wusste er nicht wie die Oberfläche aussah, wusste nicht wie sich die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut anfühlten. Seine Eltern erzählten ihm ab und an etwas von der Welt dort oben bevor dieser Krieg ausgebrochen war und die Menschen dazu verdammt hatte in der Metro zu wohnen. Doch sie blieben meist sehr Wortkarg und schienen nicht gerne darüber sprechen zu wollen.

Er seufzte laut und stand auf. Er musste seinen Vater um Geld anhauen, er durfte nicht arbeiten gehen, seine Eltern waren der Auffassung er sei zu jung. Aber er verdiente dadurch kein eigenes Geld.

„Mama, kann ich etwas Geld bekommen?“, fragte er leise. Dabei zupfte Annika die ganze Zeit an seinem T-Shirt-Ärmel und zeigte auf die Puppe die er auf den Boden geworfen hatte.  

„Lass das!“, sagte er barsch zu Annika. Doch sie hörte ihn gar nicht und machte einfach weiter.

„Sei nett zu deiner Schwester, dann bekommst du vielleicht etwas.“, sagte seine Mutter und wandte sich wieder ihrer Stickerei zu.

„Aber Mama, heute ist doch der fahrende Händler mit seinen Büchern am Großen Platz!“, sagte er trotzig. Er hasste diese Diskussionen mehr als den Eintopf den seine Mutter einmal in der Woche kochte. Sie sagte ihnen nie die Zutaten und Mikhail wurde immer schlecht davon.

Sein Vater stand kommentarlos auf, ging zu der kleinen Kommode im Eck der Wohnung und holte vier Patronen raus.

„Keine mehr!“, sagte er scharf und sah Mikhail dabei nicht einmal an. Aber das sollte ihm vorerst reichen. Er hatte sowieso nicht vor alles Geld heute auszugeben, er wollte etwas sparen, damit er sich eines Tages diese drei Biologie-Bücher kaufen konnte, deren Preis mit 23 Patronen, für alle drei Bände, ausgeschildert war.

Mikhail bedankte sich bei seinem Vater und verließ die Wohnung. Annika wusste, dass sie nicht mit durfte und blieb daher an der Wohnungstüre stehen. Beim Gang zum Großen Platz kam er an der Babooshka vorbei. Er begrüßte sie höflich, doch sie schien ihn nicht gehört zu haben.

Voller Vorfreude betrat Mikhail den Platz.

 
 

Peter wusste nicht recht was hier los war, warum starrte er den Oberst so an? Er bemerkte, dass er rot wurde und drehte sch sogleich weg. Als er die gelben Kacheln vor sich betrachtete gingen ihm eintausend Gedanken durch den Kopf. Würde der Oberst zu ihm kommen, ihn berühren, ihn vielleicht sogar an einer intimen Stelle berühren? Würde er den schweren Atem des Mannes in seinem Nacken spüren und würde er sich dadurch erregt fühlen?

Plötzlich bemerkte er eine starke, große Hand auf seiner Brust. Sie glitt darüber, fuhr langsam hinunter und stoppte bei seinen Lenden.

Seine Erektion konnte Peter nicht verbergen. Sich begehrt zu fühlen war eine neue Erfahrung für ihn. So lange schon hatte er nicht mehr daran gedacht, dass er früher mal Sex gehabt hatte. Seit er in der Metro war hatte er nie wieder darüber nachgedacht. Und das obwohl es an der Tagesordnung war, junge Frauen und Mädchen den Männern an den wohlhabenden Stationen anzubieten. Doch Peter hielt nichts davon.

Die Hand des Obersts forschte weiter. Dann umschloss sie kräftig Peters Erektion und begann sich hin und her zu bewegen. Peter stöhnte hörbar auf und stützte sich sogleich gegen die Wand. Er spürte den warmen Atem in seinem Nacken, konnte das Stöhnen des anderen hören und fühlte dessen Erektion an seinem Gesäß pochen.

Peter stöhnte immer lauter, er konnte es nicht zurück halten, wollte es nicht zurück halten und kam mit einem lauten Stöhnen, dass in dem ganzen Raum widerhallte.

Er sah an sich herab, sah wie sein Glied immer noch zuckte und sah seine Hand, die mit Sperma befleckt war. Ruckartig drehte sich Peter um und sah niemanden hinter sich stehen. Hatte er das alles geträumt? Wo war der Oberst hin? Hatte dieser nicht die ganze Zeit hinter ihm gestanden?

Verwirrt duschte er sich ab und zog sich ein Handtuch um seine Hüften. Als er aus der Dusche trat war der Oberst auch sonst nirgends auf zu finden. Während er sich seine Kleidung anzog fragte er sich selber laut was das eben geschehene zu bedeuten hatte.

 

Mikhail sah sich um, das Angebot war wie immer überwältigend. Er sah so viele Bücher und wollte sie am liebsten alle auf einmal kaufen. Doch er wusste, dass er das nicht konnte. Bei einem Stand blieb er stehen, denn er sah ein Buch mit der Aufschrift „Tiere aus vergessenen Welten“. Während Mikhail das Buch durchblätterte erkannte er im Augenwinkel einen Jungen auf ihn zu kommen. Mikhail hatte keine Freunde auf der Station und dachte sich daher nichts weiter, während der Junge sich neben ihn stellte.

Dann ging alles ganz schnell. Der fremde Junge steckte ein Buch ein, der Verkäufer, ein alter bärtiger Mann mit Krückstock, sah dies und fluchte, schrie ihm ein paar böse Schimpfwörter nach und forderte die Passanten auf ihn auf zu halten. Da sich keiner der Passanten angesprochen fühlte sprang Mikhail einen Satz zurück und versuchte den Fremden auszumachen. Als dieser gerade um eine Ecke bog und die Treppen hinunter hetzte nahm Mikhail die Verfolgung auf. Schnell war er dem anderen Jungen hinterher gekommen und hatte ihn schon zum Greifen nahe. Da blieb dieser plötzlich stehen und Mikhail krachte in ihn hinein. Beide Jungs fielen zu Boden und stießen mit ihren Köpfen auf die harten Granitplatten, die an den Stationen der Polis verbaut waren.

Während Mikhail einige Zeit lang mit starken Kopfschmerzen im halbdunkeln da lag, schien der Dieb sich aus dem Staub gemacht zu haben.

Unvermittelt und wie ein erneuter Schlag auf seinem Kopf traf ihn direkt ein Lichtstrahl. Um Mikhail wurde es allmählich ganz dunkel und die Ohnmacht forderte ihren Tribut.

 

Peter legte sich wieder auf sein Bett im Lazarett und starrte die schwarze Decke an. Die Schwester schien ihn gar nicht zu beachten. Diese Erfahrung war so überwältigend für ihn, dass Peter lange nicht verstand, wie wichtig körperliche Nähe und Zärtlichkeit notwendig waren. Auch hier in der Metro. Auch wenn er Untertage war und es hier relativ trist und trostlos zuging, jeder Mensch der hier wohnte, wollte auch geliebt werden, er wollte Zärtlichkeit spüren und Liebe bekommen. Gab es noch andere Menschen die so dachten wie er, oder war er der einzige in der ganzen Moskauer Metro? War die Vorstellung des Obersts nur dazu dienlich gewesen ihm zu zeigen, dass er noch zärtlich sein konnte, dass er noch lieben konnte?

Während er darüber nachdachte begann er müde zu werden und schlief kurz darauf ein.

 

Es war dunkel um ihn herum, als er erwachte. Was war geschehen, wo war er hingekommen? Ja richtig, er hatte diesen Dieb verfolgt, aber wo war dieser nun? Ein furchtbarer Geruch ging ihm durch die Nase. Je länger er ihn einatmete, desto mehr wurde ihm übel.

Was ist das nur für ein Geruch, fragte sich Mikhail und versuchte aufzustehen. Da wurde ihm bewusst, dass er an Händen und Füßen gefesselt war.

Na toll! Jetzt bin ich auch noch den Banditen in die Falle gelaufen, dachte sich Mikhail und überprüfte wie fest die Fesseln waren. Doch je mehr er daran zog, desto enger wurden sie. Mikhail gab auf und versuchte sich zu orientieren. Mit seinen Augen konnte er rein gar nichts ausrichten. Es gab nicht was er erkennen konnte. Er lag in einer totalen Dunkelheit.

Was stellen die nun mit mir an, fragte er sich weiter. Würden sie ihn umbringen? Warum war er dem Dieb bloß hinterher gelaufen? Im Nachhinein verfluchte Mikhail sich dafür dem armen alten Buchhändler versucht zu haben helfen zu wollen.  

Das bringt mich auch nicht weiter, denk nach Mikhail, denk nach, sagte er laut zu sich selbst. Ein erneutes Zerren an den Fesseln ließ diese nur noch enger werden und mittlerweile begannen sie seine Blutbahnen abzuschnüren.

Wenn ich hier nicht bald raus komme, werde ich sterben. Jetzt begann der Junge panisch zu werden. Er rollte sich von einer Seite zur anderen, um die Größe des Raumes abzuschätzen. Vielleicht konnte er sich ja an der Wand entlang aufsetzen.

Er musste relativ lange hin und her rollen, offensichtlich war der Raum sehr groß. Da Mikhail es nicht riskieren wollte mit seinem Kopf gegen die Fliesen zu donnern, rollte er sehr langsam hin und her. Doch auch das half ihm nicht viel, als er plötzlich und unvermittelt gegen einen Betonpfeiler stieß. Sein Stöhnen, als er gegen das Hindernis stieß, schien den ganzen Raum zu erfüllen.

Nach kurzer Zeit aber versuchte sich der Junge daran hochzuziehen. Er wollte zumindest sitzen, denn der Boden stank so furchtbar, dass er glaubte sich jeden Moment übergeben zu müssen. Und dieser Drang sich übergeben zu müssen war schlimmer, als das Abschnüren seiner Blutbahnen.

Eine gefühlte halbe Ewigkeit später saß er endlich, seinen Rücken gegen den Pfeiler gewandt und holte ein paar Mal tief Luft. Jetzt erst bemerkte er die unheimliche Stille in dem Raum. War er nicht auf einer Station? War er in irgendeinem Hinterzimmer einer verlassenen Station eingesperrt worden? Hatten sie den Schlüssel weggeworfen und würden nie wieder kommen? Würden sie ihn hier sterben lassen?

Mikhail begann schwer zu atmen. So wollte er nicht sterben und schon gar nicht jetzt, er war doch erst 17!

Ein lauter Schrei durchfuhr den Raum. Doch dieser Schrei hatte nicht sehr menschlich geklungen. Man erzählte sich einige gruselige Geschichten in der Metro. Unter anderem von den Mutanten, die sich perfekt an ein Leben an der Oberfläche angepasst hatten und nur dann in die Metro kamen um sich etwas Frischfleisch zu holen.

Mikhail wurde nun Angst und Bang. Er saß hier, gefesselt, ohne Gewehr und war diesen Gestalten schutzlos ausgeliefert. Selbst wenn er ein Gewehr gehabt hätte, wie hätte er es mit gefesselten Händen bedienen sollen?

Der zweite Schrei schien näher gewesen zu sein als der erste. Waren es mehrere Tiere? Hatten sie ihn schon ausgemacht? Man sagt sich, dass diese Mutanten nicht sehen konnten, stattdessen würden sie sich verständigen wie diese Fledermäuse von denen Mikhail öfters gelesen hatte.

Wenn ich hier bleibe, werde ich sterben, sagte er leise zu sich und versuchte sich einen Fluchtplan auszumalen. Doch er konnte nichts sehen, und obwohl die Mutanten taub waren, konnte sie ihn dank der Ultraschallwellen besser sehen, als Mikhail sie. Es war zum Verzweifeln.

Noch ehe sich der Junge bewegt hatte, spürte er einen kalten Atem in seinen Nacken. Reflexartig begann er schneller zu atmen.

Sie werden mich bei lebendigem Leibe auffressen!

Ein lauter Knall ertönte und Mikhail schien als ob ihm sein Trommelfell platzen würde. Ein gellender Schrei war der nächste Laut und dann hörte man etwas Schweres zu Boden fallen.

Plötzlich wurde eine Lampe angemacht und Mikhail wurde erneut von einem Strahl geblendet. Als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, sah er den Räuber vor sich stehen.

„Warum… warum hast du mir das Leben gerettet?“, fragte Mikhail ihn. Alles andere schien ihn im Moment nicht sehr zu interessieren.

„Weil wir dich noch lebendig brauchen“, war die kurze Antwort des Fremden. Er hatte tiefschwarze Augen und trug eine Mütze am Kopf. Sein Haar war lang und reichte ihm bis zu den Schultern, in dem schummrigen Licht der Stirnlampe schien es auch schwarz zu sein. Die beiden Jungs waren gleich groß.

„Noch lebendig brauchen?“, wiederholte Mikhail die letzten Worte des Fremden. Das konnte wohl kaum etwas Gutes bedeuten.

„Komm mit, ich erkläre dir alles unterwegs!“, sagte der Fremde und reichte ihm seine Hand. Sollte Mikhail mit ihm gehen und in sein Verderben laufen? Oder sollte hier bleiben und sterben? Er sah ein, dass der Dieb ihn vielleicht nicht sofort umbringen würde, die Mutanten aber schon, und nahm die Hand des Fremden.

Hitze

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Liebe

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