In meinen Träumen von Medihra ================================================================================ Prolog: -------- Aufgeregt stand ich neben meiner Freundin Sarah vor den Absperrungen zur Schauspielergasse. Hinter uns bildete sich bereits eine große Menschenmasse aus Fans. Sie und ich hatten beschlossen, der Premiere seines neuen Films „In meinen Träumen“ am Leicester Square beizuwohnen. Matthew Cooper, das Objekt meiner Begierde, spielte die Hauptrolle in seinem neuen Liebesdrama, in dem eine Komapatientin sich in einen Mann verliebte, den sie nur von Bildern und aus dem Fernsehen kannte. In ihren Träumen verbrachte sie viel Zeit mit ihm: romantische, schwere, traurige und fröhliche. »Ich kann gar nicht glauben, dass wir hier tatsächlich stehen, Kathrin. Das war eine geniale Idee von dir!« Sarah umarmte mich, soweit es ihr möglich war. »Hey, die Idee ist schließlich von mir. Die muss genial sein, Liebes«, zwinkerte ich ihr zu. Die Fans, die weiter vorne in der Schlange standen, fingen an zu kreischen. »Oh mein Gott! Er ist gleich bei uns, Sarah. Halte dein Autogrammbuch bereit!« »Kathrin, wir werden ihn gleich leibhaftig sehen, das steh ich nicht durch. Meine Beine sind wie Pudding. Ich glaube ich kippe gleich weg.« Man könnte meinen, wir wären zwei verrückt gewordene Teenager, bei denen die Hormone durchgingen. Fast! Wir waren zwei Mittzwanziger, bei denen die Hormone durchgingen. »Das lasse ich nicht zu, ich werde auf dich aufpassen.« »Ich sehe ihn! Ich kann ihn sehen!«, kreischte das Mädchen direkt hinter mir in mein Ohr. Adrenalin schoss durch meine Adern, während gleichzeitig mein Ohr schmerzte. Gleich würde ich in seine braun-grünen Augen sehen und er würde mir sein verschmitztes Lächeln schenken, wenn ich ihn um ein Autogramm bat. Der Druck hinter mir nahm zu und ich wurde gegen die Absperrung gepresst. Mir blieb die Luft kurz weg. »Sarah!«, rief ich panisch. Ich suchte sie, doch ich konnte sie nicht mehr sehen, neben mir standen andere Mädchen. Irgendwo hinter mir hörte ich sie meinen Namen rufen. Ich versuchte mich, umzudrehen, doch wurde ich wieder gegen die Barriere vor mir gedrückt. Mir wurde langsam schwarz vor Augen. Ich spürte, wie das Autogrammbuch aus meinen Händen glitt. Die Luft blieb mir komplett weg. Bevor ich ohnmächtig zu Boden sank, sah ich in braun-grüne Augen. Kapitel 1: Aufgewacht --------------------- »Wow, ich weiß zwar, dass ich ein cooler Typ bin, wenn ich der Boulevard-Presse Glauben schenken darf, aber dass ich so umwerfend bin, nein, das wusste ich bisher nicht«, scherzte Matthew, als er erkannte, dass ich kurz davor war, mein Bewusstsein zu verlieren. Sein Lächeln war umwerfend und selbst seine Augen lachten mit. »Oh mein Gott, er steht wahrhaftig vor mir!«, kreischte ein junges Mädchen, vermutlich gerade erst im Teenager-Alter angekommen, in mein Ohr und versuchte sich vor mich zu drängen. Mit meinem linken Ellenbogen versuchte ich, es mir vom Leib zu halten und giftete es an: »Wir sind hier auf seiner Filmpremiere, wen hast du denn sonst erwartet? Den Osterhasen?« Das junge Ding mit den rot gefärbten Haaren sah mich empört an, wusste aber nicht, wie es kontern konnte. Triumphierend hielt ich Matthew mein Buch unter die Nase. »Dein Name?«, fragte er kurz und bündig. »Kathrin Wirth.« Nervös strich ich eine dicke Strähne meines dunkelblonden Haares hinter mein rechtes Ohr. Matthew öffnete das Buch und sah das Bleistiftporträt, das ich mal aus purer Langeweile von ihm gezeichnet hatte, auf dem vordersten Blatt eingeklebt. »Ich bin kein Holbein«, sprudelte es aus mir heraus, während ich wieder gegen die Absperrung vor mir gedrückt wurde. In den Augenwinkeln tauchten immer mehr Arme und Hände auf. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Zombiefilm. Und ich machte nur mit, um nicht aufzufallen. Der Schauspieler vor mir setzte seine Signatur in mein Buch. »Man kann mich aber schon erkennen.« Er unterschrieb die nächsten Zettel, die ihm hingehalten wurden. Zusätzlich wurde er von seinen Bodyguards weitergeschoben. Neugierig schlug ich das Buch auf. Neben seiner Zeichnung fand sich seine geschwungene Unterschrift wieder und direkt darunter stand „Für K(C)at“ mit einer kleinen Katzenkarikatur daneben gezeichnet. Ich musste glucksen. »Danke.« Seine Antwort hörte ich gar nicht mehr, da die Masse mich wieder gegen das Gitter schob und mich eine Faust unbeabsichtigt an der Schläfe traf, sodass ich gegen den Kopf des Mädchens neben mir stieß. Mein Kopf schmerzte als ich aufwachte. Benommen versuchte ich mich aufzusetzen, doch mein Kreislauf brach ein, ehe ich meinen Oberkörper komplett aufgerichtet hatte. »Immer langsam mit den jungen Pferden,«, sprach irgendjemand und drückte mich zurück ins Kissen. »Du warst fast eine halbe Stunde weggetreten, da brauchst du nicht von dir erwarten, dass du dich sofort wieder ins Getümmel dieser Wildgewordenen wirfst.« Mein Blick wurde klarer. Langsam formte sich aus dem verschwommenen Bild ein junger Mann mit blondem, mittellangen Haar. Er trug eine neongelbe Jacke und eine dunkelgrüne Hose. Langsam realisierte ich, dass ein Paramedic neben mir saß, der meinen Blutdruck überprüfte. »Danke«, wisperte ich. Er schaute mich überrascht an: »Wofür? Ich mache hier nur meinen Job. Du warst zwar die Erste, die wir zwischen dem Beingewirr herausgezogen haben, wirst aber nicht die Letzte heute sein.« Er lächelte und flache Falten bildeten sich um seine blauen Augen. »Wie die Hyänen und dann noch bei den Temperaturen.« »Wo ist Sarah?«, fragte ich völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Meine Erinnerungen wurden schlagartig klar. »Wer?« »Meine Freundin. Ich war mit meiner Freundin Sarah Dreyer hier, ehe ich sie aus den Augen verloren hatte und ich gegen die Absperrung gedrückt wurde.« Ich setzte mich ruckartig auf. Vor meinen Augen flimmerte es und eine Vielzahl an Sternen explodierte. Der Paramedic hielt mich fest, bevor ich von der Liege kippte. »Ich sagte doch: nicht überstürzen. Und was deine Freundin angeht, ihr werdet euch mit Sicherheit wiederfinden.« Der Eingang vom Erste-Hilfe-Zelt wurde zurückgeschlagen. „Matt hat wieder zugeschlagen«, rief der vorderste Paramedic in einem ironischen Ton. »Kyle, deine Lieblingspatientin ist jetzt wach, hilf lieber dem jungen Ding hier. Wir kommen gleich wieder, die kippen gerade reihenweise um.« »Und halte bitte Wasser bereit. Viele der Damen sind durch die Warterei in der Hitze stark dehydriert«, bat ein anderer Kollege von Kyle. »In Ordnung, Steve.« Er wandte sich mir wieder zu. »Kann ich dich jetzt alleine lassen?« »Klar. Sobald ich merke, dass mein Kreislauf wieder stabil ist, werde ich Sarah suchen gehen«, antwortete ich mit einem Lächeln. »Keine Dummheiten, versprochen? Ich bin immer noch für dich verantwortlich. Du darfst erst das Zelt verlassen, wenn ich dir grünes Licht gebe.« Ich nickte zögerlich. Kyle zog seine rechte Augenbraue zweifelnd hoch, wandte sich aber gezwungenermaßen dem bewusstlosen Mädchen zu. Mein Puls raste vor Aufregung und Tatendrang: raus aus dem Zelt. Ein paar Sekunden starrte ich den neongelben Rücken von Kyle an, der, zugegeben, auch nicht verachtenswert war, ehe ich ein Bein versehentlich aus der Liege baumeln ließ. Das zweite Bein folgte und ich setzte mich leise und vorsichtig auf. Die Liege quietschte, als ich mein Gewicht nach vorne verlagerte, um aufzustehen. Ich warf einen Blick über meine Schulter, stellte aber erleichtert fest, dass Kyle den Blutdruck des Mädchens überprüfte und ganz in seiner Arbeit versunken war. Meine Schritte waren noch wackelig, die Finger fühlten sich taub an – bitte jetzt keinen Kreislaufzusammenbruch. Der Ehrgeiz packte mich und fast hatte ich den Ausgang erreicht, da wurde die Plane zur Seite gerissen. Eine mir sehr bekannte Person mit schwarzen, verwuschelten Haaren und grauen Augen, die mich überrascht anblickten, tauchte vor mir auf. »Kitty!«, quiekte Sarah. »Da bist du ja. Endlich habe ich dich gefunden. Ich habe jedes verdammte Paramedic-Zelt nach dir abgesucht und im letzten finde ich dich.« Sie drückte mich an sich, sodass mir kurz die Luft wegblieb. »Ist das deine Freundin?« Kyle stand mit verschränkten Armen hinter mir. »Wolltest du dich also französisch verabschieden?« »Nein, das stimmt nicht. Ich wollte nur meinen Kreislauf in Schwung bringen.« Wieso verteidigte ich mich überhaupt? Aber er hatte Recht damit, dass es nicht die feine Art war, zu gehen ohne sich zu verabschieden. Er legte den Kopf schief und blickte mich ungläubig an. »Na, auch egal. Deine Sarah ist jetzt aufgetaucht und dir scheint es besser zu gehen. Wenn du dich möchtest, kannst du die Meute da draußen wieder stürmen. Hier festhalten kann ich dich nicht.« Sarah zog, verwundert über die Vertrautheit zwischen uns, ihre Augenbrauen hoch. »Vielen Dank für die Behandlung. Ich werde auf sie aufpassen. Und falls ihr was zustößt, weiß ich ja, wohin ich sie bringen kann.« »Bye Kyle.« Er winkte zum Abschied, als Sarah und ich das Zelt verließen und zur Leicester Square-Station gingen. »Kyle? Du bist grad mal eine halbe Stunde mit einem Kerl allein in einem Zelt und schon wollt ihr heiraten?« Ich boxte gegen ihre Schulter. »Jetzt übertreib bitte nicht. Seinen Namen habe von seinen Kollegen aufgeschnappt. Mehr war auch wirklich nicht.« »Aber er scheint dir zu gefallen, du nervöses Kätzchen«, merkte sie an. »Was wird wohl dein Matt dazu sagen, dass du ihm fremdgehst?« »Ach, jetzt hör auf«, schmollte ich. »Woher wusstest du, dass du die Paramedics absuchen musst?« Sarah grinste. »Ich wurde, wie du hoffentlich festgestellt hattest, von diesen hysterischen Weibern von dir weggedrängt. Weiter zum Kino hin konnte ich mich wieder in die vorderste Reihe quetschen und mein Autogrammbuch bereithalten. Während er wie am Fließband seine Unterschrift auf den dargebotenen Postern, Karten und so weiter setzte, sprach er mit seinem Manager über eine ohnmächtige junge Frau, die von einem rothaarigen Mädchen festgehalten wurde.« Ein rothaariges Mädchen? »Irgendwie bist du mir da in den Sinn gekommen. Das Mädchen, das sich zwischen uns gedrängt hatte, hatte ein schrilles Rot als Haarfarbe.« Er hat über mich geredet? »Das kann doch jede gewesen sein«, winkte ich ab. »Aber nett, dass du dabei an mich gedacht hast.« »Ehrensache.« Sie öffnete ihre Handtasche. »Schau mal, er hat tatsächlich mein Buch erwischt.« Ich blieb stehen und riss die Augen auf. »Mein Autogrammbuch!« Nervös suchte ich in meiner Umhängetasche nach dem Buch, nahm alles zweimal in die Hand. »Ich glaub's ja nicht. Typisch Kitty«, lachte Sarah. »Hör auf zu lachen«, fuhr ich sie wütend an. »Ich kann mich nicht mal dran erinnern, ob er es in der Hand hatte. Geschweige denn von den anderen Autogrammen für die ich mir wunde Füße geholt habe. Und ich glaube kaum, dass du, wenn du ohnmächtig wirst, noch alles so unter Kontrolle hast.« Sarah sah mich sprachlos an. »Und ja, ich verhalte mich gerade kindisch. Ich weiß, was du denkst.« Wir schwiegen uns an. Sie sah beschämt an mir vorbei, während ich versuchte mein mir angeborenes, italienisches Temperament zu unterdrücken. »Kathrin«, setzte Sarah an, »uns ist ein Laubfrosch gefolgt.« »Jetzt lenk nicht vom Thema ab.« Ich warf einen Blick über meine Schulter. Zwischen den Fußgängern sah ich etwas Neongelbes, das direkt auf uns zuhielt und winkte. Zögernd hob ich meinen Arm. »Kyle?« »Hey«, keuchte Kyle. »Wusst ich's doch, dass ihr noch in der Nähe seid. Kathrin, ich hatte vergessen, dir was zurückzugeben. So wie du es festgehalten hast, muss es dir unheimlich wichtig sein.« Mir fiel ein riesiger Brocken Stein, nein das gesamte Himalaya-Massiv, vom Herzen. »Oh mein Gott, vielen Dank!« Ich konnte in diesem Moment nicht anders und drückte Kyle fest an mich. »Oh, wow«, entfuhr es ihm. Sarah kicherte in ihre vorgehaltene Faust. »Kannst du den Armen auch wieder loslassen? Ich glaube, er bekommt keine Luft mehr.« Schnell ließ ich den Paramedic los. »Sorry. Ich war nicht Herr, ähm, Frau meiner Emotionen.« Kyle grinste. »Ist schon okay, das kam nur sehr überraschend. Ich muss jetzt leider zurück. Hoffentlich sieht man sich wieder?« »Bestimmt«, antwortete ich. »Los, du hast Leben zu retten.« Kyle wandte sich winkend von uns ab und joggte zurück zum Ort des Geschehens. Sarah stellte sich nah an mich. »Also, wenn du dir den Kerl nicht angelst, dann mach ich das.« »Finger weg, das ist meiner«, erwiderte ich. »So, jetzt wird das Buch inspiziert.« War das alles nur ein Traum oder hat er wirklich unterschrieben? Erwartungsvoll schlug ich das Buch auf und suchte die Seite mit der Zeichnung. Nur die Zeichnung. Keine Unterschrift mit einer persönlichen Widmung. War meine Fantasie mit mir durchgegangen? »Das tut mir leid für dich, Kitty.« Sarah legte tröstend ihre Hand auf meine Schulter. »Es geht schon, ich bin okay. Es sollte wohl nicht gewesen sein«, flüsterte ich. »Komm, wir gehen.« »Ich denke, nein, ich hoffe doch, dass Matt mehr Filme drehen wird. Kopf hoch, Kitty, beim nächsten Mal hast du mehr Glück.« »Dein Wort in Gottes Ohr.« In der Tube sitzend blätterte ich mein Buch durch. Leise seufzte ich, als ich die Seite erreichte, die ich für Matthew reserviert hatte. Als ich die letzte Seite erreicht hatte, sprang mir etwas ins Auge, was nicht von mir war. »Ich bin zwar kein Matthew Cooper, aber ich konnte es nicht lassen. Ich würde mich über einen Anruf freuen. xoxo Kyle.« Darunter stand seine Mobilnummer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)