Himmelsschlacht von Momotaro ================================================================================ Kapitel 1: Straßenlaternen -------------------------- Alte Straßenlaternen, sechseckige gusseiserne Lampen mit Glasscheiben, tauchten die Straßen der Altstadt in ein angenehm warmes, goldig gelbes Licht. Hana hielt die Hand vor die Lichtquelle, um über ihr den Himmel abzusuchen. Doch so weit musste sie gar nicht blicken. Der große Adlerkopf schwebte direkt über dem Dach des nächsten Hauses... „Meine Güte.“, murmelte Hana, als ob ihr eben die Milch am Herd übergegangen wäre. Dabei wollte ein gigantischer Adlerkopf sie verschlucken. Er stieß auf sie herab. Diesmal erzitterten Häuser, doch zum Glück zerbrach nichts, nicht einmal eine Straßenlaterne, als sich der breite Kopf im schmalen Spalt verkantete. Der gelbe, gefährlich gebogene Schnabel stieß auf das alte Kopfsteinpflaster. Hana hatte sich im letzten Moment zur Seite fallen lassen. Nun rappelte sie sich hastig wieder auf, nur rund zwei Schritte vom mörderischen Schnabel entfernt. Hätte sie einen Schritt auf ihn zugemacht, sie hätte ihn berühren können. Aber nach Tierestreicheln war ihr eigentlich nie. Hana klopfte sich den schlimmsten Dreck von der weiten Clownshose. Eigentlich war sie eben auf dem Weg von der Arbeit nach Haus gewesen, als die Federn sie ihr Ziel vergessen hatten lassen. Erneut rannte sie los. Hinter ihr splitterte nun jede Menge, als der Adlerkopf versuchte, sich loszuschütteln. Er krächzte, der große Schnabel schliff quietschend und krachend über das Pflaster. War das eine Bescherung, alles kaputt... Hana bog in eine weitere Seitengasse ein. Sie war dankbar dafür, sich in der Altstadt aufzuhalten, wo alles eng und für riesige Monsterwesen sehr unpraktisch gebaut war. Außerhalb, in der richtigen Stadt, wären die Straßen weiträumig, die Plätze einladend gewesen. Doch hier war alles ungeplant verbaut, kantig, ineinander verkeilt, um bloß noch innerhalb eine längst verschwundene Stadtmauer zu passen. Hana bog wieder ab und wieder ab, sie bewegte sich in einem wilden Zickzack auf den Ort zu, an dem sie sich zu verschanzen plante. Doch immer wieder kehrte das Gefühl zurück, beobachtet zu werden. Der Vogellöwe war gar nicht so leicht abzuschütteln. Dabei hielt sie sich eng an den Häuserwänden, nutzte jeden Vorsprung, jeden hervorragenden Balkon als Deckung gegen oben. Mal versteckte sie sich mehr, mal rannte sie einfach so schnell sie konnte. Nichts klappte. Bis ihr Zufluchtsort in Sicht kam. Die riesige Kathedrale war wie eine Festung gebaut, mit dicken Steinwänden und dem absurden Versprechen, dort auch mit überirdischer Hilfe rechnen zu können. Obwohl Hana ihr Leben lang noch nie an eine höhere Macht geglaubt hatte, selbst als Kind nicht, als noch alle stur versuchten, es ihr einzureden wie den Osterhasen, dachte sie, gegen Monster, die es auch nicht geben sollte, könnte der Glaube tatsächlich ein mächtiger Verbündeter sein. Der Weg zur Kathedrale war weitgehend ungeschützt. Die ganze Altstadt war einen Hügel aufwärts errichtet worden, das gotische Kunstwerk befand sich am höchsten Punkt der Steigung. Ein ausladender Platz mit hübsch verzierten Steinplatten befand sich vor dem Haupteingang, doch Hana beabsichtigte nicht, den zu benutzen. In ihrer Jugend hatte sie Führungen durch die Kathedrale geleitet, dementsprechend gut kannte sie das alte Gemäuer. Das an der Rückseite einen weiteren, schmalen, absichtlich unscheinbaren Eingang hatte, versteckt in dem kleinen Wäldchen, das dort begann. Eine alte, aber noch makellos erhaltene Eisentür, so winzig, dass sich nur ein Kind nicht hätte ducken müssen, um einzutreten. Hana hatte den Schlüssel dazu natürlich abgeben müssen, doch das Schloss war alt und leicht zu knacken. Hana zögerte kurz, bevor sie sich aus dem Schutz der Gasse begab und begann, bergauf auf die ersten Bäume zuzurennen. Es war nicht weit. Ihr Schatten zog sich vor ihr in die Länge, als sie sich von der letzten Straßenlaterne vor dem unverbauten Bereich entfernte, und Hana dachte zu ihm, absurd amüsiert: Tu nicht so, weit ists ja wirklich nicht. Ein weiterer Schatten zog an dem ihren vorbei. Ein riesiges Ungetüm von Schatten. Hana sprang zur Seite und kugelte wieder ein wenig bergab. Hinter sich hörte sie die Pflastersteine splittern. Hana rollte, bis sie wieder auf den Beinen war, und sah bergauf. Schräg zu ihr zog die gewaltige Bestie ihren dolchförmig gebogenen Schnabel aus den Überresten des Bodenbelags und starrte mit seitlich gelegtem Vogelkopf zurück. Herausfordernd, als ob sie fragen wollte: Und, endlich bereit, die Ausweglosigkeit deiner Situation anzuerkennen? Die Jagd schien ihr Spaß zu machen. Hana fühlte altbekannten Trotz in sich hochsteigen. Nein, sie war noch lang nicht soweit, ihr Unterfangen aufzugeben. Solang sie atmete, würde sie an ihrem Plan festhalten, da konnte der Vogelkopf noch so viele Pflastersteine zerbröckeln. Der Trampel. Sie musste erneut zurück ins Gassengeflecht. Darin herumirren und ein weiteres Mal versuchen, das Biest abzuhängen. Danach konnte sie einen zweiten Vorstoß auf die Kathedrale wagen. Hoppauf, hoppauf, feuerte sie sich selber an, wirbelte herum und hielt auf den nächsten Gasseneingang zu. Links und rechts von Hana landeten die Tatzen am Boden. Der Schädel stürzte direkt auf sie herab. Hana begriff, nun würde sie nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Eine hundertstel Sekunde, die sich weitete, in der Hana verstand, nun war es also vorbei. Trotzdem setzte sie noch zum Sprung an, als sich der lastwagenlange Schnabel bereits über sie stülpte und sie mitten in die dunkelrote Kehle des Ungeheuers blickte. 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