Die Chroniken von Khad-Arza - Die andere Seite des Himmels von Linchan (Drittes Buch) ================================================================================ Kapitel 2: Die rote Welt ------------------------ Als sie den Karanyi-Nebel erreichten, waren genau wie Thira vorausgesagt hatte zwei Tage vergangen. Es war der Tag, an dem das erste von elf Lichtern im Zeitanzeiger erlosch, den Karana für gewöhnlich wie seinen Augapfel hütete. Chenoa hatte recht behalten... im All vergaß man die Zeit. Die Instinkte arbeiteten nicht so, wie sie sollten, der Sohn des Herrn der Geister hatte das auch schon gemerkt... und er war froh, den Zeitanzeiger zu haben, ein kleines, zylinderförmiges Glas, in dessen Inneren jetzt noch zehn Lichter glimmten; immer nach fünf Tagen würde wieder eines erlöschen... und sobald das letzte gestorben war, mussten sie umkehren und zurück zur Zuyya, um ihre Familien vor dem sicheren Hungertod zu bewahren. Wenn es nicht die Kälte oder die Gletscher wären, die sie töteten, dann wäre es die nicht vorhandene Nahrung. Oder das feindliche Lager der letzten Imperialisten, die Anhänger des alten zuyyanischen Kaisers, der inzwischen verstorben war. Karana hatte noch nie so richtig begriffen, wie die Struktur der Zuyyaner aufgebaut war; so, wie er es sah, gab es zwei Gruppen, zum einen die Imperialisten, dem Kaiser treu ergeben, und zum anderen die... ja, wie nannte man sie? Die Opposition? Die Gegner des Imperiums? Wie da wären Chenoa, die Thira unterwiesen und ausgebildet hatte, und alle, die der Kaiser wüst als Verräter beschimpft hatte... wie er es mit Thiras Eltern und Simus Vater getan hatte zu deren Lebzeiten. Karana wusste nicht, ob es noch eine dritte Gruppierung gab, zumindest wüsste er nicht, wem die dann dienen sollte, wenn nicht dem Imperium oder dessen Gegnern. So etwas wie Enthaltungen waren auf Zuyya nicht möglich gewesen... nicht bei der Diktatur des Imperiums, die dort geherrscht hatte. Wer nicht mit dem Imperium kooperierte, wurde verbannt, verfolgt und brutal hingerichtet, für das Reinrassige zuyyanische Volk, das keine Verschmutzungen duldete, ebenso wie der Gott Katari, an den alle Zuyyaner glaubten. Das Ironische an ihrem Monotheismus war, dass sowohl Imperialisten als auch die Gegner von sich behaupteten, in besonderer Gunst Kataris zu stehen und seinen wahren Willen zu verkörpern. Dummerweise schien Katari bisher nie geneigt gewesen zu sein, mal seine Meinung eindeutig kund zu tun... „Da ist es!“, verkündete Thira, nachdem sie alle Kameraden im Steuerraum versammelt hatte, und zeigte hinaus. Die Schwärze des Himmels hatte sich verflüchtigt in ein kupfernes Rot, das sie umgab; und vor ihnen waren jetzt Dutzende kleiner, roter Planeten aufgetaucht, zwischen denen sie hindurch manövrierten. „Das ist das Karanyi-System?“, fragte Neisa, „Das sind aber viele Planeten...“ „Und auf welchem davon müssen wir landen?“, fragte Yarek und stieß dabei die Seherin neben sich an, „Sag was, Seherin, du weißt es sicher am besten.“ „Ich mag Totenköpfe, sie sind hübsch und ansehnlich!“, erklärte sie gut gelaunt und hängte sich dabei an Yareks Arm, „Ich will einen für mich ganz alleine, ja!“ „Na toll, die hilft uns nicht weiter.“, stöhnte der Rothaarige und die anderen seufzten. „Was hast du denn erwartet?“, entgegnete Karana ihm mit einem resignierten Lachen, „Vielleicht weiß Thira es ja selbst?“ Alle Blicke richteten sich auf die Zuyyanerin, die kein Wort sagte und stur geradeaus starrte, während sie steuerte. Sie tat das jetzt seit fünf Tagen ohne Pause... Zuyyaner waren wahrlich verwunderlich. Der Gedanke, dass diese Person tagelang ohne Schlaf, Essen und Trinken auskam, beunruhigte Karana... es machte sie weit weniger schwach als Normalsterbliche es sein sollten. „Wo sind Totenköpfe bitte hübsch...?“, stöhnte Eneela irgendwo im Hintergrund in Ryannes Richtung, wurde aber ignoriert. Die scheue Lianerin, die Simu einst auf Tharr auf der Straße eingesammelt hatte, sprach selten viel... eigentlich sollten sie es mehr würdigen, wenn sie einmal etwas sagte, befand Karana nachdenklich und schenkte dem Mädchen mit den fast weißen Haaren, der genauso weißen Haut und den blassblauen Augen einen kurzen Blick. Es war Thiras kalte, monotone Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Der da vorne ist es. Die Seherin hat keinen Blödsinn erzählt, er sieht wirklich etwas aus wie ein Schädel.“ „W-was?!“, rief Neisa und alle starrten hinaus, als die Zuyyanerin das riesige Raumschiff auf einen Planeten zu steuerte, dessen Krater und Erhebungen von weitem tatsächlich das Bild eines menschlichen Schädels erweckten. Karana sah Ryanne verdutzt an und fragte sich, ob sie das gewusst hatte oder ob es Zufall gewesen war... bei der Seherin konnte man sich eigentlich nie sicher sein. Jetzt grinste sie ihn diabolisch aus ihren violetten Augen an und kicherte. „Aber auf mich hört ja nie jemand. Wir werden den Tod treffen, wenn wir dort sind. Ich habe es gesehen, er wird kommen. Und zwar schon bald.“ „Wir haben jetzt keine Zeit für dein esoterisches Gefasel.“, tat Yarek das ab, „Festhalten, wir durchbrechen gleich die Atmosphäre.“ Wie auf Kommando ergriffen alle Kameraden die an den Seitenwänden des Steuerraums angebrachten Metallgeländer, um sich daran vehement festzuhalten. Karana ließ sich Ryannes Worte über den Tod durch den Kopf gehen und spürte, wie die nervöse Unruhe in seinem Inneren aufbrodelte wie kochendes Wasser; eine Nervosität, die er seit fünf Tagen zu unterdrücken übte, um nicht den Verstand zu verlieren, weil es durchaus genug gab, das ihn sorgen musste... Ob sie Ulan Manha meint...? Ob er uns längst verfolgt und uns... auf diesem Schädelplaneten abfangen will? Unruhig fasste er mit einer Hand nach seinem verbundenen Unterarm, an dem das Schmerzmal dumpf pochte, aber keine nennenswerten Qualen verursachte. Dann gab es plötzlich unvorhergesehen einen so mächtigen Ruck, einhergehend mit einem dröhnenden Donnern, das das ganze Schiff erfüllte, dass er fast den Halt verloren hätte und die anderen auch teilweise aufschrien, als sie sich an das Geländer klammerten und teilweise von den Beinen gerissen wurden. Die Tari Randora wackelte und bebte, als sie in die Atmosphäre des Planeten eindrangen und es sich anfühlte, als würden sie immer schneller auf die Oberfläche dieser Welt zu rasen, unaufhaltsam, bis sie daran zerschellen würden. „Thira!“, schrie Karana panisch, „L-lenk doch, Himmel!“ „Halt die Backen, tu ich doch!“, brummte sie verboten gelassen für ihre Situation, und irgendwo schrie Asta vor Angst gellend auf. „Wir werden alle sterben!“ „Das ist mal gewiss.“, stöhnte Yarek, während sie durch eine rötlich schimmernde Wolkendecke rauschten und in rasender Geschwindigkeit auf den kupferfarbenen Grund zurasten, der darunter lag. Erst kurz vor dem Aufprallen auf der roten Erde bekam Thira das bebende und donnernde Schiff zu fassen und zerrte es mit aller Gewalt, die sie aufbringen konnte, ein Stück nach oben, ehe sie eine Schleife flog und dann – immer noch etwas unsanft – auf dem felsigen Grund aufsetzte. Ein Beben ging durch die Tari Randora und riss einige Kameraden aus der Sicherheit des Geländers. Karana japste, als er die vor Angst weinende Asta durch den Steuerraum kugeln sah, während seine Schwester Neisa sich gerade noch an Zoras' Bein festhalten konnte. Dann ließ das Zittern nach und nach einer kurzen Weile seufzte Thira am Steuer und schaltete die Energiezufuhr ab. Sie waren heil gelandet... es war das erste Mal, seit sie aufgebrochen waren, dass sie gelandet waren. „Ich hoffe, das machen wir so schnell nicht wieder!“, grollte Iana, als sich alle wieder aufgerappelt hatten; offenbar war niemand verletzt, bloß Asta war etwas verstört. Iana fragte sich sowieso, wieso die mitgekommen war. Sie gehörte weder zu den auserwählten Sieben, noch war sie in der Lage, irgendetwas Sinnvolles für die Gruppe zu tun. Iana würde sich nicht beschweren, es war nicht ihr Problem, dass Asta hier war. Solange sie auf sich selbst aufpasste... „Aussteigen.“, ordnete Thira an, die das Steuer losgelassen hatte und bereits zielstrebig den Steuerraum verließ, „Die Atmosphäre ähnelt der unseren; allerdings ist sie so weit anders, dass wir nicht ewig schutzlos diese Luft atmen können, Höchstens einen halben Tag, dann müssen wir zurück ins Schiff. Das heißt, wir haben einen halben Tag Zeit, um die Auronen zu finden... wer oder was immer sie sein mögen. - Yarek?“ Alle Blicke richteten sich auf den Söldner, der sich eine Kippe ansteckte und aus dem Fenster sah. „Wir sind hier mitten in einer Felswüste. Bist du sicher, dass die Auronen überhaupt auf dieser Seite des Planeten wohnen?“ „Chenoa hat gesagt, sie kommen, wenn sie sich gerufen fühlen. Mein Großvater hat sie ja bereits getroffen.“ Das ergab Sinn, wenn Iana das auch eher skeptisch betrachtete. Sie sah auch aus dem Fenster in die rötlich-braune Landschaft aus kargen Felsen. Überall waren Felsen... es sah wirklich nicht so aus, als wäre irgendwo auch nur der Hauch eines Lebens. „Ich würde sagen, wir teilen uns auf.“, schlug Karana achselzuckend vor, der neben Iana trat, „Ein paar sollten bei der Tari Randora bleiben, um Wache zu halten, und ein paar brechen mit Thira auf, um diese Auronen zu suchen.“ „Vielleicht sollten alle sieben zusammen aufbrechen...?“, überlegte Tayson, „Vielleicht wissen die Auronen dann, dass ihr die Richtigen seid, ich meine, sie werden ja nicht jedem, der hier vorbei kommt, erzählen, wo die Trias ist – oder wie immer sie uns sonst weiterhelfen wollen.“ „Und sowas Kluges aus Tay-Tays Mund, hört, hört.“, spottete Zoras, und Simu stöhnte. „Ja, das brauchen wir jetzt, euer albernes Gefrotzel hier! Wenn alle sieben und Yarek weggehen, bleibt kaum wer hier, das ist zu wenig Schutz für die Tari Randora. Ich bleibe auch hier... falls uns irgendwas angreift, sind Tayson, Ryanne und ich immerhin da.“ „U-und ich!“, meldete sich Asta, und Zoras schnaubte. „Klar, weil du eine richtige Kämpfernatur bist.“ „Ich... bleibe dann auch lieber hier, je mehr, desto besser...“, warf Eneela leise ein, „Ich... kann immerhin Lians beschwören.“ Iana musterte die Lianerin argwöhnisch. Ja, das konnte sie immerhin besser als sie selbst. Obwohl Iana Halblianerin war, hatte sie noch nie im Leben eine der elementaren Bestien beschwören können... eigentlich konnte sie auch sonst nichts Nennenswertes. Da war sie Mischling zweier Magierrassen und konnte nicht mal ein bisschen zaubern. Sie war schon armselig... „Einverstanden.“, meldete Yarek, „Simu, Eneela, Tayson, Ryanne und Asta bleiben hier. Alle anderen kommen mit Thira mit. - Behältst du die Zeit im Auge, Thira?“ Sie nickte und ging schon voraus. „Wir sind allerspätestens in einem halben Tag wieder da – egal, ob wir erfolgreich waren oder nicht.“ So sprach sie und die fünf anderen folgten ihr eilig aus dem Steuerraum und hinaus aus dem Schiff. Als sie schon fast draußen war, hörte Iana noch Ryanne drinnen meckern. „Na toll, und uns überlassen sie dem Himmelsdonner, während sie weg sind! Ich schaufel mir dann mal mein Grab.“ Es war ein ungutes Gefühl, das die Schwarzhaarige überkam, als sie Karana aus dem Schiff folgte... ob ihnen irgendeine Gefahr drohte, während sie fort waren? Sie konnte es nicht sagen... sie konnte nur sehen, dass es Karana genauso ging wie ihr, als er nervös den Kopf in Richtung einer gigantisch großen Felswand drehte, in deren Nähe sie gelandet waren. Irgendetwas... ist hier und beobachtet uns. Und es ist nichts, das uns helfen will. „Meint ihr, Ryanne hat das ernst gemeint?“, fragte Iana dumpf, als die kleine Gruppe das Schiff verlassen hatte und Thira durch die rötliche Felswüste folgte. Die Zuyyanerin schien genau zu wissen, wo sie hinging, was sich Karana nicht erklären konnte; hier sah doch alles gleich aus und nirgendwo war ein Zeichen von Bewohnung dieses Planeten. Er verdrängte die seltsamen Fragen über Thiras Orientierungssinn, um sich seiner Gattin zuzuwenden, die neben ihm ging und im Gehen ihr Kurzschwert polierte – ihre allgemeine Lieblingsbeschäftigung, das tat sie immer, wenn es nichts Besseres zu tun gab. Die Waffe war ihr heiliger als ihr eigener Körper, weil sie ein Erbstück ihres verstorbenen Vaters war... und genau wie seine eigene Waffe war sie ein Magiemedium, eine Zauberwaffe. „Was? Was soll sie ernst gemeint haben?“ „Dass wir sie und die anderen dem Himmelsdonner überlassen. Glaubst du, ihnen passiert was, während wir weg sind?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe nicht.“ Iana schnaubte. „Schön, dass du Nerven zum Hoffen hast, Karana. Das ist reichlich optimistisch. Wir sitzen auf einem verdammten fremden Planeten, der scheinbar unbewohnt ist, über dessen Tücken wir nicht das Geringste wissen, irgendwo müssen diese Auronen sein, von denen wir auch nicht im Ansatz wissen, was sie eigentlich sind, und du hoffst, dass niemandem etwas passiert!“ Er lächelte entschuldigend über ihre grantige Miene. „Das wird irgendwie schon. Vertrau mir. Meine Instinkte beunruhigen mich auch... aber es ist nicht dieser Planet, der mir Sorgen macht.“ Was ihn mehr besorgte, war Ulan Manha. Der Mann, der Wiedergeburt und Nachfahre des Tyrannen Kelar Lyra war, eines Monsters, das nie wieder in die Welt der Lebenden hätte zurückkehren dürfen. Karana hatte seinen Urgroßvater Kelar natürlich nie gekannt, er war lange vor seiner Geburt gestorben. Aber allein die Schauermärchen seines Vaters über diesen Mann, der seinerzeit einen ganzen Landstrich tyrannisiert und versklavt hatte, um sich zum alleinigen König des Landes zu machen, reichten, um dem jungen Mann einen Schauer über den Rücken zu jagen. Genau wie die Gewissheit, dass es Teil seiner Aufgabe wäre, diesen Mann für immer zu vernichten. Weil er der Erbe des Lyra-Clans war, der dafür verantwortlich war... und weil in seinen Händen das Erbstück der Familie lag, das Schwert von Mihn, allein zu dem Zweck geschaffen, die Bedrohung aus den Schatten zu zerschmettern. „Fürchtest du dich?“, neckten ihn die Geister und Karana zischte unwillkürlich, als er den Schmerz in seinem Unterarm dumpf zunehmen spürte; auf eine so geringe Weise, dass es fast nicht aufgefallen wäre, aber er merkte das Ziepen deutlich genug. Iana bemerkte wohl die Veränderung in seinem Gesicht, sie warf ihm einen lauernden Blick zu. „Karana?“ Es war nicht ihre Stimme, die er hörte, es waren die wispernden, energischen Stimmen der Himmelsgeister. Er fuhr unwillkürlich zusammen und griff nach seinem Arm, als der Schmerz darin aufflammte wie das züngelnde Feuer einer Kochstelle. „Lauf, Karana... lauf davon und verstecke dich vor den Schatten, bevor sie kommen und dich fressen...“ Und in dem Moment, in dem die Stimmen verstummten, brach unter seinen Füßen die Erde auf, um ihn hinab in die ewige Finsternis zu zerren... „Karana!“ Er hörte seinen Namen erneut – diesmal war es Iana, die rief, und als er keuchte und die Schatten der Visionen hinter sich ließ, merkte er, dass er wirklich vom Erdboden verschluckt wurde. Genau wie die anderen, weil die felsige Erde sich unter ihnen auftat und mit dröhnendem Krachen auseinander brach. Karana fuhr herum und packte Ianas Hand, die nach seiner angelte, und irgendwo hörte er Neisa schreien und Yarek wutentbrannt fluchen – dann war das Erdbeben genauso plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte. Die Kameraden hockten teils halb in Sand und Schutt eingegraben in einem Graben, der entstanden war, aber nur wenige Fuß von der Erdoberfläche entfernt, sodass es nicht schwer würde, wieder heraus zu klettern. „Was ist passiert?!“, rief Neisa aus dem Schutt heraus, „W-wieso ist die Erde plötzlich aufgebrochen?!“ „Vielleicht können die es uns sagen...“, murrte Zoras, und als Karana seine Schwester darauf erschrocken keuchen hörte, riss er den Kopf alarmiert herum in die Richtung, in die auch Zoras, Yarek, Thira und Iana starrten. Am Rand des Grabens stand eine lange Reihe von sicher fünfzig Lebewesen, die prüfend zu ihnen herab starrten und nicht so aussahen, als wären sie hier, um ihnen zu helfen. Karana fiel in dem Moment des Schocks nur eine Frage ein: „Wer, zum Geier, ist das?!“ Die augenscheinlichen Bewohner des Karanyi-Nebels sahen aus wie eine mannsgroße Mischung aus Fledermäusen und Geiern. Yarek beobachtete die Viecher, die aufrecht und regungslos wie Statuen zu beiden Seiten des Grabens standen, mit wachsamem Argwohn. Sie machten einerseits nicht den Eindruck, als hätten sie vor, die Kameraden, die im Schutt steckten, gleich zu zerreißen und als Abendbrot zu nehmen – war es überhaupt Abend? Das seltsame Licht in dieser roten Welt ließ das nicht erkennen – andererseits wirkten sie auch nicht wie freundliche Nachbarn, die auf einen Tee vorbei gekommen waren. „Warte.“, hielt Thira ihn auf, als der Rothaarige schon nach seiner Masamune griff, um seines Amtes als Beschützer der Sieben zu walten, „Nicht. Ich glaube, das sind die Auronen... die Wesen, die wir hier treffen sollen.“ Darauf folgte Schweigen und Yarek gehorchte und ließ die Waffe stecken. Einer der Geier am Rand des Grabens bewegte seine Arme und mit einem Beben aus der Erde lösten sich die Schutthaufen um die Kameraden, um sie wieder frei zu lassen, sodass sie sich wieder aufrappeln konnten. Was immer es für eine Art von Zauber war, den die Auronen beherrschten, er manipulierte offenbar die felsige Erde; etwas anderes gab es hier auch irgendwie nicht zu manipulieren, schloss Yarek seine Gedanken, als er wieder auf den Füßen stand und die anderen sich bei ihm und Thira versammelten. Der Geier direkt vor ihnen sprach – oder tat etwas ähnliches, er bewegte seinen Schnabel und stieß Laute aus, die in Yareks Ohren nicht ernsthaft als Sprache durchgingen. Er hatte Zuyyanisch gelernt, die Sprache des blauen Mondes war schon scharf und furchtbar genug gewesen für tharranische Ohren, aber das hier ließ sich Thiras Muttersprache wie ein sanftes Wiegenlied anhören. Er rümpfte die Nase und tauschte einen Blick mit seinen tharranischen Kollegen, die ähnlich verblüfft dreinschauten. „Redet der oder zischt er uns an?!“, fragte Zoras Derran ergrimmt, „Sag ihnen, wer wir sind, Thira, ich denke, sie sollen uns helfen!“ „Legt eure Waffen weg.“, befahl die Zuyyanerin, die offenbar allen Ernstes verstand, was das Schnarren vor ihnen bedeuten sollte, „Dann werden sie sprechen.“ Um als gutes Beispiel voranzugehen zog sie ihre Kouriha, die kurze, bläulich schimmernde zuyyanische Klinge, und warf sie demonstrativ auf den Felsboden. Die anderen zögerten. „Meinst du das ernst? Ich fühle mich umzingelt, und dann noch ohne Waffe...“, murrte Iana, und Yarek seufzte. „Tut, was sie sagt. Sie ist schließlich diejenige hier, auf die es ankommt.“ Mit diesen Worten legte er seine Masamune ebenfalls weg, worauf die Übrigen es ihm mehr oder minder freiwillig gleich taten. Neisa hatte keine Waffe bei sich, aber Karana musste sein Schwert von Mihn ebenfalls zu Boden werfen, genau wie Iana ihr Kurzschwert und die Vielzahl kleiner Knochenmesser, die sie noch als Reserve bei sich trug, und Zoras seine monströse Hellebarde. Sobald alle Waffen auf der Erde lagen, außer Reichweite ihrer Besitzer, schnarrte der Obergeier weiter. Yarek verstand kein Wort und den meisten anderen schien es auch so zu gehen; die Ausnahmen schienen Thira und Karana zu sein, was den Söldner leicht verblüffte. „Sie sagen irgendetwas von einer Prophezeiung, sie sagen, es hätten sieben kommen sollen, und wir sind nur sechs.“, dolmetschte Puran Lyras Sohn gerade und schien selbst überrascht darüber, dass er durchschaute, was die Geier von sich gaben. „Wieso kannst du diese Sprache?“, wollte Zoras auch gleich wissen, „Und toll, hätten wir Simu und Eneela etwa doch mitnehmen sollen?!“ Thira brachte ihn mit einer Handbewegung ungeduldig zum Schweigen und sprach zu den Auronen. „Ich bin Thira Jamali, Erbin von Okothahp, Erbin des Nordreiches! Tochter von Akando Jamali, Enkelin von Honuk, der einst bei euch war und eure Hilfe erkauft hat. Ich bin gekommen, um euer Versprechen einzufordern, uns zu helfen bei der Suche nach der Trias!“ Sie erntete Stille. „Glaubst du, die verstehen zuyyanisch? Oder was war das, was sie gesagt hat?“, hörte Yarek Zoras beleidigt grummeln, und ihm fiel überrascht auf, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass die grünhaarige Frau jetzt in ihrer Muttersprache gesprochen hatte, statt, wie sonst, wenn sie mit ihren tharranischen Kameraden sprach, die tharranische Einheitssprache zu benutzen. Yarek bezweifelte, dass die Auronen tharranisch oder zuyyanisch beherrschten... Honuk Jamali hatte sicherlich kaum die Zeit gehabt damals, ihnen seine Sprache beizubringen, oder? Einer der Geier zischte wieder irgendetwas, das definitiv nicht davon zeugte, dass sie Thira ordnungsgemäß verstanden hatten. Verdammt, wie hatte der alte Honuk sich denn mit denen verständigt? Dass Thira das Schnarren mit Hilfe ihrer Reikyu verstand, war schön und gut, nützte aber wenig, wenn die Viecher sie nicht verstanden. „Kannst du das irgendwie beweisen, dass du die Erbin des Jamali-Clans bist?“, fragte Karana Thira unruhig, „Die Worte scheinen sie nicht zu überzeugen... und das Versprechen, das sie deinem Großvater gaben, gilt eben nur für Angehörige seines Blutes.“ „Was nicht erklärt, wieso du das verstehst, Karana!“, empörte Zoras sich, und der andere Schamane verdrehte die Augen. „Hör halt genau zu, sieh sie dir an, wenn sie sprechen! Die Geister sagen mir dann, was es heißt.“ „Er hat die Sprachbegabung von Vatis Mutter geerbt.“, erklärte Neisa ihrem Gemahl achselzuckend, „Das war schon immer so, Vati war in Sprachen auch immer unsagbar untalentiert, du kennst ja seinen Dialekt, er kann nicht mal ordentliche Hochsprache.“ Sie unterbrachen ihre Diskussion über Sprachbegabung, als Thira wortlos ihren rechten Arm hob und den Ärmel ihres schwarzen Kleides so weit wie möglich hinauf schob, um ihre nackte Haut zu entblößen. Den Auronen ihren bloßen Arm entgegen haltend sprach sie, auch, wenn es wenig bringen durfte: „Dies ist das Emblem der Kaiserfamilie von Okothahp, das Emblem des Nordreiches. Ein Brandmal, das nur die Blutserben der Jamalis tragen, das dürfte genug Beweis für meine Abstammung sein.“ Yarek musterte aus der Ferne das Brandzeichen auf Thiras nacktem Oberarm, ein kleines Symbol aus zwei einander umschlingenden Linien, die in ihrer Mitte einen Kreis einfassten. Die alten, mächtigen Familien der Zuyyaner hatten alle ihr eigenes Clansymbol, hatte er bei Chenoa gelernt. Er hatte das von Chenoa auch einst gesehen, das Symbol des Jchrrah-Clans, des Herrscherclans des Südreiches. Sowohl sie als auch Thira gehörten beide zu den ältesten, machtvollsten Familien Zuyyas, sie waren beide die letzten Nachkommen der ehemaligen Kaiserfamilien längst verflossener Zeiten vor dem Imperium. Und der Grund dafür, dass das Imperium gefallen war. Die Auronen betrachteten Thiras Clansymbol, ohne ein Geräusch zu machen. Als Yarek schon glaubte, sie wären während ihrer Observation eingeschlafen, bewegte sich der Obergeier und hob einen Arm, worauf irgendwo weiter hinten in der Reihe ein anderer Vogel in Bewegung kam. Die Kameraden beobachteten, wie einer der Geier zum Obervogel kam und ihm eine Pergamentrolle überreichte. Dieser rollte sie mit einem feierlichen Zischen und Schnarren auseinander, um sie dann Thira zu präsentieren, nicht ohne eine anständige Verneigung. „W-was ist das?“, wollte Neisa wissen, und Yarek streckte sich, um besser auf das Pergament sehen zu können, das Thira überreicht wurde. „Es sieht aus wie... ein Plan von irgendetwas.“ „Ist ja riesig. Vielleicht eine Wegbeschreibung?“, hoffte Karana mit und streckte sich ebenfalls, „Ich sehe nur Kreise und Punkte.“ Die Kameraden kamen näher und lugten der Zuyyanerin über die Schulter, die mit einem Dank das Pergament entgegen nahm und es ausgiebig betrachtete. „Was zum Geier ist das?“, fragte Zoras mit gerunzelter Stirn. Thira schwieg einen Moment vehement, dann schien sie es zu erfassen. „Das ist eine Karte.“, behauptete sie, „Eine Karte mit dem Weg zur Trias, die mein Großvater hier hinterlegt hat.“ „Im Ernst? Kreise und Punkte?“ „Ja, die Punkte geben die Stationen an, die wir passieren müssen auf dem Weg. Hier ist der Karanyi-Nebel. Er hat die Stationen mit altzuyyanischen Runen beschriftet, ich habe die Schrift bei Chenoa gelernt. Die nächste Station ist der Mond Yasar, das ist der Punkt hier unten... es ist ganz einfach zu lesen, wenn man weiß, wie.“ „Der letzte Zusatz dämpft meine Euphorie etwas, in der Tat.“, behauptete Zoras Derran grollend, „Ich verstehe absolut nichts außer Kreise und Punkte.“ „Du musst die Karte ja auch nicht lesen können.“, behauptete die Zuyyanerin und schenkte ihm einen monotonen Blick, ehe sie die Karte zusammenrollte und sich an die Auronen wandte. „Habt Dank.“, fuhr sie auf zuyyanisch fort, „Damit ist euer Versprechen gehalten und eure Schuld beglichen.“ Die Geier schienen sie doch zu verstehen – oder sie fassten ihre anschließende Verneigung als Dank auf, jedenfalls erhoben sie sich mit einem Schnarren des Anführers in Scharen in den Himmel und flogen dann davon, die Kameraden im Graben zurück lassend. Yarek sah ihnen im rötlichen Himmel nach und runzelte die Stirn, ehe er sich bückte und seine Masamune wieder aufhob. „Ich schätze, dann können wir umkehren. Es wird langsam anstrengend, hier zu atmen.“ Da stimmten die anderen ihm geschlossen zu, und Thira steckte sich die erworbene Karte in den Ausschnitt, ohne den blöden Blick Karanas bei dieser Aktion irgendwie zu quittieren, ehe sie ihre Kouriha ebenfalls wieder aufhob und sich anschickte, zurück zur Tari Randora zu gehen. Sie hatten gerade alle den Graben verlassen, als ein markerschütterndes Beben die Erde durchfuhr und sie beinahe von den Beinen geworfen hätte. In Erwartung von etwas Schlimmem griff Zoras sofort wütend seine Hellebarde, aber Yarek hielt ihn am Arm fest, als das Beben verklang und ein grollendes Dröhnen aus der Ferne nach sich zog. „Das war nicht hier, das war weiter weg.“, meldete er unruhig und Zoras zischte, ehe es verblüffenderweise Neisa war, die Yareks Befürchtungen aussprach, das Gesicht erbleicht und der Blick so entrückt und apathisch, als wäre die Seele der bekloppten Seherin in sie gefahren. „Das kam von der Tari Randora... den anderen ist irgendwas passiert.“ Als sie den Platz erreichten, an dem sie gelandet waren, erwartete sie das pure Chaos. Von der flachen Fläche aus Fels war nichts mehr übrig, stattdessen eröffnete sich vor ihnen ein verwüsteter Krater, als wäre die Erde unter der Tari Randora aufgebrochen und gerade dabei, das Schiff in ihrem Rachen zu verschlingen. Die Tari Randora ragte halb aus dem Schutthaufen und in der Ferne sahen die entgeisterten Kameraden die, die sie hier zurückgelassen hatten, die gegen irgendwelche Eindringlinge zu kämpfen schienen... und zu Karanas Entsetzen waren die Gegner keine Raubtiere oder irgendwelche anderen ominösen Bewohner dieses Planeten, sondern Menschen wie sie selbst. „Manhas Schakale.“, bestätigte Yarek neben ihm seine Befürchtung, und Karana keuchte und griff unruhig nach dem Schmerzmal an seinem Unterarm, als er nur an den Kerl dachte, der ihnen früher oder später hatte in die Quere kommen müssen... dieser Hurensohn, der sich eine zweite Tari Randora gebaut hatte, eigens zu dem Zweck, sie zu jagen und ihnen den Garaus zu machen, wenn er sie jemals erwischte. „Fürchtest du dich... vor den Schatten, die dein Schicksal sind, Karana?“ Er ignorierte die Stimmen der Geister zornig und packte das Schwert an seinem Gürtel, während auch die anderen ihre Waffen zogen. „Bringt sie um.“, ordnete der Sohn des Herrn der Geister grantig an, „Ich sage, keiner von denen kommt lebend hier weg.“ Und ausnahmsweise Mal, so war er sicher, war vermutlich selbst Zoras Derran seiner Meinung, denn sein Schwager hob bereits entrüstet seine Hellebarde und machte keinen Hehl aus der Mordlust, die in ihm hoch kochte. „Tod und Schatten... für diese Hurensöhne.“ __________________________ Döööhh Milch Gänse. ich arbeite an den Covern, übrigens, böh... also, in dreitausend Jahrne gibt es vielleicht mal Cover auf denen ein Chara drauf ist! :'D *headshot* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)