Love me,… Lord? von Satnel ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 1 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Hellblaue Augen musterten die Menge, die sich bereits geschäftig auf dem Turniergelände tummelte. Auch der danebengelegene Markt war nicht schwach besucht und aus dem Tor des Schlosses strömten ebenfalls in einem stätigen Strom Leute. Ja, er hatte den Zeitpunkt für seine Rückkehr wirklich gut gewählt. Nach zehn Jahren kehrte er endlich wieder heim, durfte er endlich wieder heimkehren und er hatte jeden Tag gezählt. Nicht, dass er die Reisen, die er unternommen hatte bereute, doch viel lieber wäre es ihm gewesen, wenn er sie freiwillig hätte antreten dürfen. Wenn man dazu gezwungen wurde, dann hatte es einen schalen Beigeschmack. Und das alles nur wegen einer Frau, aber war nicht an jedem Übel in dieser Welt eine Frau Schuld? Seine Kutsche hielt in einem überfüllten Schlosshof. Überall waren Kutschen, Koffer, Adelige und Diener die versuchten in dieses Chaos Ordnung hineinzubekommen. Derzeit noch mit sehr wenig sichtbaren Erfolg. Jinan seufzte und beugte sich aus dem Fenster, es hatte wenig Sinn, hier zu warten. In der nächsten Zeit würde sich seine Kutsche sowieso nicht vom Fleck bewegen. „Ich werde hier aussteigen. Sorge dafür, dass du für die Kutsche einen Platz findest.“ Der Kutscher nickte nur stumm, sein Blick wandte sich aber nicht von dem Geschehen vor ihnen ab. Jinan musterte noch einmal seinen Aufzug. Konnte er so dem Prinzen gegenübertreten, oder was ihm mehr Gedanken machte, seinen einstigen Widersachern? Nun es musste reichen, mehr gab sein Budget derzeit nicht her. Vor allem da seine Familie die Zahlungen eingestellt hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass er zurückkommen würde. Viel hatten sie ihm sowieso nie zukommen lassen, immer nur so viel wie er benötigte, um einen gewissen Lebensstandard zu wahren und seine Reisen zu finanzieren. Ihnen war egal, wie viel er dafür benötigte, solange ihn diese Reisen nur weit weg von ihnen führten. Von seiner Stiefmutter und Geschwistern hatte er ja nichts anderes erwartet, aber er hatte immer darauf gehofft, dass sein Vater ihn irgendwann doch vermisste. Leider hatten zehn Jahre ihn nicht dazu gebracht. Er fuhr sich durch das Haar, als er die trügerische Sicherheit der Kutsche verließ. Wie viele der hier Anwesenden sich wohl noch an ihn erinnern konnten? Hoffentlich nicht allzu viele. Wobei einige ja reichten, um die Gerüchte wieder aufzuwirbeln. Jinan wusste, dass er sich verändert hatte, nur befürchtete, dass es nicht ausreichte. Seine letzte Reise hatte ihn monatelang in die Wüste geführt und die Sonne hatte genug Zeit gehabt sein sowieso schon hellblondes Haar noch mehr auszubleichen, wobei er es geschafft hatte, das seine Haut trotzdem keine Farbe bekommen hatte. In den zehn Jahren war er gewachsen und, was verständlich war, älter geworden. Das sah man auch seinen Gesichtszügen an, die nun nicht mehr jungenhaft, sondern durchaus erwachsen waren. Jinan war kein Kämpfer, das war er nie gewesen und das sah man auch seinem schmalen Körper an, wenn er auch mit einem Schwert umgehen konnte, weil sein Vater die ersten sechzehn Jahre seines Lebens darauf bestanden hatte. Aber er betrieb es nicht mit einer Hingabe, wie manche dieser Muskelberge, die hier seinen Weg kreuzten. Er stand vor der Treppe, die in das Schloss führte und sah hinauf. Irgendwie konnte er noch immer nicht glauben, dass er wieder das Recht hatte das Schloss zu betreten. Einer der Diener, der ihn anrempelte riss ihn aus diesen Gedanken und er setzte seinen Fuß auf die erste Stufe. Nun war es soweit. Der Verbannte kehrte endlich heim. Die Eingangshalle war noch genauso wie Jinan sie in Erinnerung hatte, Nur hatte im Moment das Chaos, das auf dem Hof herrschte auch hier überhand genommen. Er suchte sich einen Weg durch Koffer, Kisten und Taschen bis zu einem der Gänge, die aus der Halle führten. Auch hier liefen noch genug Diener herum, aber es war nicht mehr so überfüllt. Jinan wusste nicht genau, wo er sich hinwenden sollte, aber er wusste, wen er aufsuchen musste. Er wollte dem Prinzen seine Aufwartung machen, immerhin musste er sich zurückmelden. Als ein Mitglied der königlichen Familie verlangte das die Höflichkeit. Im Ausland hatte er die Nachricht erhalten, dass Casey statt einer Prinzessin ein Prinz war. Aber ehrlich gesagt, hatte ihn das nicht überrascht. In seinen Augen war Casey immer ein sehr seltsames Mädchen gewesen, aber dachte das nicht jeder Junge über ein Mädchen? Mit einem leichten Lächeln, beschloss er dem Gang zu folgen, er würde ihn schon irgendwohin führen. Je mehr Adeligen er begegnete, umso mehr schwand sein Lächeln allerdings wieder. Natürlich fühlte er die neugierigen Blicke, die versuchten ihn zuzuordnen, es aber hoffentlich nicht schafften. Er hielt den Blick gesenkt, damit man es bei seiner Identifizierung noch etwas schwerer hatte. Es war ein Spießrutenlauf, aber das hatte er gewusst. Vor sich hörte er ein amüsiertes Lachen, das ihm bekannt vorkam. Jinan hoffte nur, dass er sich geirrt hatte, er benötigte niemanden, der ihn kannte. Zwar war das Urteil gegen ihn schon wieder öffentlich aufgehoben worden, doch das rehabilitierte ihn nicht in den Augen der Gesellschaft. Auch wenn Jinan nicht vorhatte nun im Schatten zu vegetieren, diesen Gefallen würde er seiner Familie nicht machen. „Ist das nicht,…?“ Die vage bekannte Stimme war nun näher und klang leicht verwirrt. Bei dem Klang dieser Stimme hob Jinan den Kopf und atmete erleichtert aus. Natürlich kannte er den Besitzer, schließlich hatte er seine Kindheit mit ihm verbracht und dieser jemand hatte sich auch immer für ihn eingesetzt. „Jinan!“ Der Mann klang erfreut und zog den Anderen in eine Umarmung. Im ersten Moment war Jinan wie erstarrt, doch dann erwiderte er die Umarmung. Und schloss kurz die Augen. „Raoul. Es tut gut dich zu sehen.“ Raoul löste die Umarmung und schob ihn etwas von sich, um ihn mustern zu können. „Du hast dich verändert, aber du siehst gut aus. Gott, es tut so gut dich zu sehen.“ Um einer weiteren Umarmung entgehen zu können, trat Jinan lächelnd einen Schritt zurück. Erst jetzt fiel ihm der braunhaarige Mann auf, der Raoul begleitete. Raoul folgte seinem Blick und lächelte. Er hob die Hand und winkte den jungen Mann zu sich. "Jinan, darf ich dir Shay Feran vorstellen, er ist einer der Ritter in meinen Diensten. Shay, das ist mein Cousin Jinan Ke…“ Hastig legte ihm Jinan eine Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf. „Jinan Edion.“ Raoul musterte ihn eingehend. „Du weißt, dass du deinen Namen nicht verbergen musst. Er ist reingewaschen. Du hast jedes Recht ihn zu tragen.“ Das war er nicht und das wusste Raul auch sehr gut. Aber das war gar nicht der Grund, warum er seinen Geburtsnamen nicht benutzte. „Das mag sein. Aber ich will es nicht. Der Junge, der vor zehn Jahren dieses Land verlassen hat, ist verschwunden. Jetzt bin ich nur mehr Jinan Edion. Und ehrlich gesagt bin ich froh, nicht mehr zu dieser Familie zu zählen.“ „Wenn du meinst.“ Man merkte, dass Raoul über diesen Entschluss nicht erfreut war, aber da konnte er ihm nicht helfen. „Raoul, wenn es dir nichts ausmacht, werde ich schon einmal vorgehen.“ Raoul machte nur eine wedelnde Handbewegung. „Schon gut, Shay. Geh ruhig vor, ich habe kein Problem damit.“ Jinan nutzte den Moment um den Jungen kurz zu mustern. Er konnte sich nicht an ihn erinnern, was wahrscheinlich mit dessen Alter zusammenhing, das um einiges jünger war als sein eigenes. „Eigentlich wollte ich den Kronprinzen aufsuchen, glaubst du, es ist eine gute Zeit dafür?“ Er benutzte absichtlich Caseys Namen nicht, weil er diesen in seinen Gedanken noch immer mit einem Mädchen in Verbindung brachte. Und er wollte sich nicht schon am ersten Tag einen Schnitzer erlauben, nur weil er ihn unabsichtlich mit sie anstatt er ansprach. „Nein, ich denke nicht, dass es ein guter Zeitpunkt ist. Heute Abend ist der Ball und die letzten Vorbereitungen müssen noch dafür getroffen werden.“ Raoul verzog das Gesicht. Dann jedoch schien ihm etwas einzufallen und er musterte ihn fragend. „Wo wohnst du eigentlich?“ „Oh, ich wohne in einem kleinen Gasthof nicht weit von hier. Natürlich ist das keine Dauerlösung, deswegen wollte ich fragen ob ich ein Zelt aufstellen kann? Während des Turniers fällt eines mehr oder weniger ja nicht auf.“ Danach schon, aber bis dahin hoffte Jinan eine dauerhaftere Unterkunft gefunden zu haben und vielleicht auch eine Stellung. Denn im Gegensatz zum Rest seiner Familie war er sich nicht zu schade, einer ehrlichen Arbeit nachzugehen. Bei dem was seine Familie so reich gemacht hatte, wäre das sogar einmal eine erfrischende Abwechslung. Aber waren nicht alle Adeligen irgendwann Räuber und Mörder gewesen? „In einem Gasthof? Und du willst hier ein Zelt aufstellen?“ Der Schwarzhaarige sah ihn zweifelnd an, so als müsste er sich über dessen Geisteszustand Sorgen machen. Das war wohl keine so gute Idee, Jinan hatte das bereits geahnt. „Das kommt ja gar nicht in Frage. Du bekommst auf jeden Fall ein Zimmer hier im Palast, es gibt da sowieso einige Leute, die ich zu gerne ausquartieren würde. Ich werde das regeln.“ Mit einem zufriedenen Lächeln legte ihm Raoul eine Hand auf die Schulter. „Was im Palast? Aber nein, ich bin kein Adeliger mehr.“ Er sah sich nicht mehr als solcher und hatte auch schon lange nicht mehr als ein solcher gelebt. Das Leben der einfachen Leute war um einiges härter, aber deutlich unkomplizierter. Obwohl er das auch nicht beurteilen konnte, da er nie deren Geldsorgen gehabt hatte. Doch der Andere schüttelte nur entschieden den Kopf. „Doch das bist du und wenn nicht, wird es Zeit, dass du wieder einer wirst. Es wurde dir alles vergeben. Jeder der dir etwas vorwirft, begeht Rufschädigung und du kannst ihn fordern. Da du damals schon ein guter Kämpfer warst, wird sich niemand, der dich kennt, mit dir messen wollen. Und um dir etwas vorwerfen zu können, muss man dich kennen.“ Raoul sah die Sache ziemlich optimistisch, dafür dass er hier am Hofe lebte. Er wusste selbst genau, wie gefährlich das Parkett hier am Hofe war. Ein falscher Schritt, ja sogar nur ein falsches Wort und man fiel ins Bodenlose. All die Jahre hatte er gerade das nicht vermisst. Aber sein Freund schien die Sache anders zu sehen und Tatsachen zu verdrängen, nur damit er hier blieb. Warum also sollte er ihm diesen Gefallen nicht machen? Immerhin musste er mit den Konsequenzen leben. „Einverstanden. Ich nehme dein Angebot dankend an.“ „Du musst dich nicht für etwas bedanken, das dir von Geburt an zusteht.“ Kurz sah sich Raoul suchend um. Doch anscheinend wurde er nicht fündig, weswegen er leise seufzte. „Geh einfach in einen der Salons, ich werde das mit deinem Zimmer regeln.“ Damit lächelte er ihm noch einmal aufmunternd zu und eilte davon. Jinan sah ihm nur kurz nach und wandte sich dann ab. Sollte er wirklich warten? Nun wenn er sich hier ein neues Leben aufbauen wollte, hatte er wohl keine andere Chance, oder? So suchte er einen der Salons, die Raoul angesprochen hatte. Es war nicht schwer, da während des Turniers wohl jeder Raum mit Sitzgelegenheiten als ein solcher diente. Jinan wählte einen in dem sich nicht viele Leute befanden und setzte sich in eine Ecke. Es war nicht eine Frau in diesem Raum, was ihm den Aufenthalt erleichterte. Frauen hatten die Angewohnheit zu tratschen, Männer registrierten ihn nur und vergaßen ihn gleich darauf wieder. Auch wenn er ziemlich auffällig war, was sein Aussehen betraf. Also hatte Raoul es doch geschafft, er war der Berater des Prinzen. Nun, er hatte nichts anderes von ihm erwartet, es lag in seinen Genen einen hohen Posten zu erlangen. Auch seine Familie hätte nichts anderes zugelassen, vor allem da ihm der Weg zum Thron schon immer von einem anderen verschlossen worden war. Auch nach vielen Jahren bedauerte es Jinan noch immer, dass er bei Valerians Beerdigung nicht anwesend hatte sein können. Er war ihm immer ein sehr guter Freund und auch Verwandter gewesen, ebenso wie Raoul. Als Mitglieder der königlichen Familie, manche von ihnen dreien mehr und manche weniger, hatte er in seiner Kindheit nicht sehr viele ebenbürtige Spielgefährten gehabt. Und auch wenn ihre Familien um die Zuneigung und Gunst des Königs stritten, so hatten sie sich immer gut verstanden und um ihren Stand gewusst. Valerian, der Verlobte der Prinzessin, stark und zuverlässig und auf der anderen Seite Raoul, der einzig männliche Spross einer der mächtigsten Familien in diesem Reich. In der Mitte stand immer er, ältester Sohn einer der ältesten Familien in diesem Land, schon immer Liebling der Frauen, aller Frauen und das war ihm am Ende auch zum Verhängnis geworden. Besser gesagt, man hatte es ihm zum Verhängnis gemacht, denn er war unschuldig. Sein Blick glitt aus dem Fenster, wo man eine gute Sicht auf das Zeltlager hatte. Es wuchs noch immer und ständig sah man neue Banner und Zeltplanen sich gegen den Himmel recken. Auch wenn Turniere langsam aus der Mode kamen, so zog dieses noch immer Kämpfer aus allen Ländern an. Wobei es kein richtiges Turnier war, da es keine Disziplin gab die man auf dem Rücken eines Pferdes ausübte. Es wurde nur gekämpft und der Stärkste ermittelt. Jinan hatte zweimal daran teilgenommen, wenn auch nur mit mäßigen Erfolg, doch er hatte in dieser Hinsicht auch keinen wirklichen Ehrgeiz gezeigt. Ein paar Runden durchhalten und sich dann von den Damen verarzten lassen, das war sein Plan gewesen und er hatte auch geklappt. Nur hatte er dabei nie solchen Enthusiasmus gezeigt wie viele seiner Altersgenossen. Damals hatte ihn das etwas gewundert, heute kannte er den Grund dafür. Er war in so mancher Hinsicht jemand, der nicht unbedingt als Erster merkte, was sich hinter den Dingen verbarg. Nach einiger Zeit kam ein Diener in das Zimmer und direkt auf Jinan zu. Leicht verbeugte er sich vor ihm und erklärte, dass er ihn zu seinem Raum führen würde. Mit einem Lächeln erhob sich Jinan und folgte ihm. Die Räume, denn Raoul hatte sich nicht mit einem begnügt, bestanden aus einem Schlafzimmer mit Ankleidezimmer und einem kleinen Salon. Soweit sich Jinan erinnern konnte, war das aber Standard hier in diesem Schloss. Auf Nachfrage des Dieners, nannte er ihm den Namen seines Kutschers, so dass dieser sein Gepäck holen konnte. Er ließ nur ungern Fremde an seine Sachen, auch etwas das er sich hier abgewöhnen musste. Hier griffen oft fünf Leute Dinge an, die eigentlich für jemand anderen bestimmt waren. Nun, das war schon damals sein Leben gewesen und nun musste er sich wohl auch wieder daran gewöhnen müssen, wenn auch nur widerwillig. Aber Jian hatte in seinem Leben schon so einiges gemeistert und dies hier war etwas, das er schon beherrschte, er war nur etwas eingerostet. Jedoch wenn man von ihm hier wieder verlangte ein Adeliger zu werden, dann sollten die Leute auch bekommen was sie wollten. Kapitel 2: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 2 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Sich die Hand gegen die Stirn schlagend, betrachtete Deacon das Chaos vor sich. Warum noch einmal hatte er diese Männer in seinen Diensten? Es mochte unbestritten sein, dass sie exzellente Krieger waren, doch es konnte doch nicht sein, dass es über ihren Verstand ging ein einfaches Zelt aufzustellen. Leider hatte sich sein Knappe ein Bein gebrochen, sodass er ihn einfach in seiner Burg zurückgelassen hatte. Und die Kutsche mit seinen Bediensteten, die wussten wie man ein Zelt schnell und ohne größere Opfer aufstellte, war liegengeblieben. Es würde noch dauern, bis sie hier eintrafen. Nun hatte er hier nur Männer, die zwar ihre eigenen Zelte aufstellen konnten, sich bei seinem aber absolut talentfrei zeigten. Es war auch ein gewisser Unterschied zwischen den Zelten, aber man konnte von ihm nicht verlangen, sich hier unter Wert zu verkaufen. Immerhin ging es darum seinen Reichtum zu zeigen und auch wenn er davon nicht begeistert war, so beugte er sich doch der Mehrheit. Ansonsten litt noch der Ruf seiner Familie, etwas das er als Oberhaupt nicht zulassen konnte. Deacon streckte eine Hand aus und öffnete den Mund, um seinen Männern eine Warnung zuzurufen, doch da war es schon passiert. Die letzte noch stehende Zeltstange fiel um und traf einen Mann an der Schulter, der sich nun das schmerzende Körperteil hielt. Dabei fluchte er, sodass Deacons Wortschatz wieder um einiges an Vokabular bereichert wurde. Als nun auch noch Streit unter seinen Männern ausbrach, sah er sich leider genötigt einzugreifen um Schlimmeres zu verhindern. „Ruhe! Hört auf wie aufgeschreckte Hühner herumzurennen und euch gegenseitig anzuschreien. Baut das Zelt auf und zwar schnell. Ich werde mich umsehen und wenn ich wiederkomme, will ich das Zelt stehen sehen, sonst setzt es was.“ Damit drehte er sich um und ließ seinen Worten auch Taten folgen. Es hatte keinen Sinn wenn er sich das Drama weiter ansah, am Ende müsste er sich nur in Grund und Boden schämen. Warum hatte er Stellan, seinen Hauptmann nur bei seinen Bediensteten gelassen? Als ob sie Schutz benötigten, wer würde eine Gruppe jammernder Leute, die zu Fuß unterwegs waren schon aufhalten. Stellan, der das einzige Pferd von ihnen hatte, besaß sein ganzes Mitleid. Deacon ging durch das Lager, das sich vor dem Schloss langsam ausbreitete. Er hatte einen guten Platz erwischt, ziemlich nahe beim Turnierplatz, aber auch nicht zu weit vom Schloss entfernt. Jeder der am Turnier teilnahm und etwas auf sich hielt, stellte sich hier ein Zelt auf. Im Schloss gastierten nur Adelige und Gäste, die als Zuseher gekommen waren, oder das ganze Jahr hier lebten. Kein Wunder, dass der Platz hier langsam eng wurde, es war jedes Jahr das Gleiche und nur aus diesem Grund hatte er nicht auf die Kutsche warten können. Allerdings war das hinfällig, wenn seine Männer die Sache mit dem Zelt nicht auf die Reihe kriegten. Obwohl sie wenigstens in der Lage wären, den Platz zu verteidigen. Wo blieb nur Stellan? Die Wappen um ihn herum zeigten ihm, das schon alle einheimischen Kämpfer sich die Ehre gaben, aber auch einige ausländische Gäste angekommen waren. Auch wenn es langsam nicht mehr in Mode war, sich in Turnieren zu messen, so kamen viele hierher um Geld, Ruhm oder Ehepartner zu finden. Das Turnier war schon lange nur mehr Beiwerk, in Wirklichkeit kamen die meisten hierher, um an den Bällen teilzunehmen. Geld bekam man nicht nur, wenn man beim Turnier kämpfte. Er war wohl einer der wenigen, die an dieser Art von Annehmlichkeit kein Vergnügen fanden. Eine Ehefrau war das Letzte, das ihn interessierte, auch wenn er langsam in ein Alter kam, in dem er an einen Nachfolger denken sollte. Eigentlich hatte er ja einen Sohn, doch das konnte er seiner Mutter niemals sagen, immerhin war es ein Bastard. Bei seinem Lebenswandel hatte es einmal passieren müssen. Vielleicht war es auch schon öfters passiert, doch hatte sich nur diese Frau bei ihm gemeldet, oder besser er hatte sie wiedergetroffen. So musste er es weiterhin ertragen, dass seine Mutter eine Ehekandidatin nach der Anderen in sein Heim einlud, auch wenn sie damit zum Glück schon etwas nachlässiger geworden war. Entweder gab sie die Hoffnung auf, oder ihr gingen die Frauen aus. Das eine wie das andere war ihm nur Recht. Frauen waren nett für einige Zeit, aber es war befreiend, wenn man sie wieder loswurde. Er war kein Mistkerl, jedenfalls nicht absichtlich. Keine der Frauen konnte ihm vorwerfen, dass er sie nicht geliebt hätte. Nur hatte er danach eben eine gesehen, die er mehr liebte, so war es im Leben. Liebe kam und ging wieder, man durfte dem nicht allzuviel Bedeutung beimessen. Wenn sich die Frauen von den Barden und Geschichtenerzählern solche Märchen von unsterblicher Liebe erzählen ließen, waren sie selbst daran schuld, wenn ihre Hoffnungen bald darauf von Männern zerstört wurden. In dem Wald aus Wappen, Dienern und Rittern, erkannte Deacon ein sehr bekanntes Wappen und dieses hatte ein aufgestelltes und sicher schon bezogenes Zelt. Sicher fand er dort Zuflucht. In einem Zelt daneben wurde gerade ein Mann sehr unsanft des Zelts verwiesen. Er kannte den jungen Mann, der seinen Gast so unsanft aus seinem Zelt schob. Und er wusste, wer der aufdringlichen Gast war, aber auch wenn er beide kannte und ihr Gespräch hörte, so wartete er geduldig ab, bis einer von ihnen auf ihn aufmerksam wurde. Am besten Shay, da dieser ihm dann gleich sagen konnte, ob Raoul da war. „Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht sehen will, wenn du dich nicht benehmen kannst.“ „Das nennst du nicht benehmen? Shay, du solltest mich besser kennen.“ Auch wenn die Stimme seines Gesprächspartners spöttisch klang, so schwang ein Unterton darin mit, denn Deacon nicht genau einordnen konnte. Wäre Shay eine Frau gewesen, so hätte er es liebevoll genannt. „Jetzt geh, Christian.“ Shay wies mit dem Finger Richtung Schloss, ein eindeutiger Rauswurf. Christian lächelte nur und beugte sich zu Shays Ohr, um ihm etwas zuzuflüstern, das Deacon nicht verstand. Dafür verstand es Shay umso besser, da sich seine Augen entsetzt weiteten, dann jedoch wütend verengten. „Verschwinde, bevor ich nachhelfe.“ Mit einem Lachen und einen kurzen Gruß zu Shay schlug Christian wirklich den Weg Richtung Schloss ein. Shay sah ihm nach und Deacon beschloss sich zu melden, bevor er hier als Lauscher ertappt wurde. Immerhin war er nicht unhöflich. „Probleme?“ Shay fuhr erschrocken herum und man sah deutlich, dass er ihn erkannte. „Ähm, nein.“ Dann schien er sich zu fangen. „Nichts, das ich nicht selber lösen kann.“ Ja, das hatte man gesehen. Deacon bemerkte das Shay ihn angestrengt musterte. Natürlich kannte er ihn, aber Raoul und er sprachen sich nur mit Vornamen an, weswegen ihm sein Familienname wohl nicht so geläufig war. So lächelte er nur freundlich. „Ich denke, wir haben uns letztes Jahr schon auf die Vornamen geeinigt, oder? Denn ich fürchte mir ist Euer Familienname gänzlich entfallen.“ Natürlich nicht, aber er wollte den Jüngeren keine Unannehmlichkeiten bereiten. Diese schien er heute schon hinter sich zu haben. Auch Shay lächelte nun, doch wirkte er sichtlich erleichtert. „Ja, das haben wir.“ Zwar konnte sich Deacon nicht an eine solche Abmachung erinnern und wahrscheinlich auch Shay nicht, aber wenigstens erkannte er eine Rettungsleine, wenn man ihm eine zuwarf. Und war auch nicht zu stolz, um sie zu ergreifen, was eher sehr selten war. „Ist Raoul da?“ Damit deutete er auf das Zelt seines Freundes. Shay sah kurz in die angegebene Richtung. „Nein, ich glaube nicht. Als ich hierherkam, war er gerade damit beschäftigt einen Bekannten zu begrüßen. Aber ich bin sicher, dass er nichts dagegen hat, wenn Ihr in seinem Zelt auf ihn wartet.“ Das war ungefähr die Antwort, die er sich erhofft hatte. Bis auf den Teil, das Raoul nicht da war. Nun hoffentlich war sein Knappe da, denn er würde sicher kein fremdes Zelt ohne Erlaubnis betreten. Jetzt erst nahm er Shays Aussehen, bewusst zur Kenntnis. „Auf dem Weg zum Training? Ich will hier niemanden aufhalten.“ Shay trug sein Schwert und eine Lederweste, was nur bedeutete, dass er etwas in diese Richtung vorhatte. Wenn er nicht von der Reise erschöpft wäre, würde er das vielleicht auch machen, aber sicher nicht, bevor er kein Zelt hatte, wo er danach seine Kleidung wechseln konnte. „Ja. Das wollte ich jedenfalls.“ „Dann wünsche ich viel Glück, wie gesagt, ich will niemanden aufhalten.“ Deacon lächelte und nickte ihm kurz zu. Immerhin wollte er zu Raoul und nicht zu seinem Mann. Shay erwiderte das Lächeln schüchtern und eilte davon. Deacon sah ihm kurz nach. Der Junge war ja wirklich niedlich, zu schade, dass er keine Frau war. Er mochte es wenn Mädchen schüchtern waren, wobei die feurigen da um einiges interessanter waren, vor allem war es aufregender sie zu erobern. Doch dann richtete er den Blick wieder auf sein eigentliches Ziel. Über Frauen konnte er später auch noch philosophieren. Dann, wenn er die passende Gesellschaft und einiges an Alkohol in sich hatte. Fragend schob er die Zeltplane vor Raouls Zelteingang zur Seite. „Hallo?“ In einer Ecke des Raumes saß ein Diener und war damit beschäftigt, die Stiefel seines Herrn zu polieren. Entweder das, oder er war ein sehr seltsamer Dieb. Misstrauisch sah er Deacon an. „Mein Herr ist nicht hier.“ „Ja, das sehe ich. Kann ich hier auf ihn warten?“ Der Junge war sicher neu, denn Deacon hatte ihn noch nie gesehen. Raoul hatte nie denselben Diener mit wie im vorangegangenen Jahr. Warum das so war, wusste er aber nicht, doch es war auch nicht so wichtig, dass er nachfragte. Deswegen war es auch kein Wunder, dass er ihn nicht erkannte und so wie er aussah konnte er ihm auch keine Schuld daran geben, das er ihn nicht als Edelmann identifizierte. Nach zwei Tagen auf der Straße sah er nicht besser oder sauberer aus, als irgendein anderer Ritter. Und jeder zweitklassige Ritter hier trug einen Wappenrock, dieser wies ihn auch nicht als solchen aus. Der Junge schien kurz nachzudenken, dann nickte er zustimmend. Als sich Deacon gesetzt hatte, brachte er ihm sogar einen Becher mit Wein, bevor er sich wieder den Stiefeln widmete. Deacon nahm einen Schluck von dem Wein, was ihn zu der Überzeugung brachte, damit sparsam zu sein. Das war ein minderwertiger Tropfen und er sollte mit Raoul über die Oberflächlichkeit seiner Diener reden. Diesen würde er nächstes Jahr sicher nicht mehr sehen. Es dauerte einige Zeit, bis Raoul endlich kam. Als er seinen Freund erkannte lächelte Deacon und prostete seinem Freund zu. „Da bist du ja.“ Als er ihn erkannte, hob er eine Augenbraue. Auch wenn er einen amüsierten Ausdruck in den Augen hatte, so blieb sein Gesicht desinteressiert. „Ich wusste nicht, das jetzt schon jeder heruntergekommene Ritter mein Zelt betreten darf.“ Er ging zu seiner Kiste und legte sein Schwert ab. Auch Deacon stand nun auf. „Mach deinen Diener keinen Vorwurf daraus. Er weiß nicht das sein Herr keine ernsthafte Konkurrenz in seiner Gegenwart erträgt.“ Raoul trat drohend näher. „Genau. Was wieder ein Grund ist warum du hier sein darfst, du bist keine ernsthafte Konkurrenz.“ „Ach ja?“ Auch Deacon trat einen Schritt näher zu Raoul. Man konnte als Außenstehender eigentlich annehmen, das sie sich gleich schlagen würden. Doch dann begann Raoul zu lachen und reichte dem Schwarzhaarigen die Hand, die dieser ergriff. „Schön, dass du wieder da bist.“ „Schön wieder hierzu sein.“ Er ließ Raouls Hand los und setzte sich wieder. Sein Gastgeber griff nach seinem Becher und roch daran. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck stellte er ihn wieder hin. „Ich besorge uns ordentlichen Wein.“ Damit gab er dem Diener einen Wink, der daraufhin aus dem Zelt verschwand. Deacon musterte seinen Freund, der sich ihm gegenüber setzte. „Wie mir ein Vögelchen gezwitschert hat, darf man zur Verlobung gratulieren.“ „Ich frage mich immer, wie es die Vögelchen so schnell über das Meer schaffen.“ Raoul sah ihn erheitert an. Im nächsten Moment machte er aber eine wegwerfende Handbewegung. „Aber gratulieren musst du mir nicht dazu, eher meiner Mutter, die solange auf meinen Vater eingeredet hat, bis dieser auf mich eingeredet hat. Es ist ja nur eine Verlobung und nicht die Erste.“ Deacons Grinsen wurde breiter, als ihn sein Freund daran erinnerte. „Ach ja. Hast du deine erste Verlobung nicht gelöst, weil du die Prinzessin heiraten wolltest? Diesmal wäre ich nicht so vorschnell wenn die nächste Prinzessin des Weges kommt. Sie könnte sich wieder als Prinz erweisen.“ „Keine Sorge, was das angeht, bin ich geheilt. Mir reicht der Prinz hier vollkommen, ich habe gar nicht mehr die Zeit anderen Prinzessinnen nachzusehen.“ Raoul lächelte und sah Deacon fragend an. „Und wann ist es bei dir soweit?“ „Nie? Aber ich habe dir schon oft gesagt, dass du was dieses Thema angeht, gerne mit meiner Mutter diskutieren kannst.“ Langsam langweilte ihn dieses Thema wirklich, vor allem, weil anscheinend jeder seinen Kuppler spielen wollte. Dabei wollte er gar nicht verkuppelt werden. Er war glücklich, auch ohne eine Frau. Die Hände hebend grinste Raoul. „Schon gut, schon gut, ich lasse es ja.“ In diesem Moment betrat der Diener wieder den Raum und stellte zwei Becher auf den Tisch, die er gleich darauf mit Wein füllte. Den Weinkrug stellte er ebenfalls auf den Tisch. Mit einem zufriedenen Ausdruck beobachtete Deacon den Anderen. „Weißt du, diese Handhaltung kannst du dir gleich für unseren Kampf merken. So wirst du nämlich in der Arena vor mir stehen.“ „Komisch…“ Der Tonfall des Jüngeren klang nachdenklich, ebenso wie der Blick, mit dem er ihn maß. „…dabei erinnere ich mich diese Geste immer bei dir zu sehen. Wie lange versuchst du nun schon mich zu besiegen?“ „Gute zehn Jahre ungefähr, aber irgendwann werde ich gewinnen, das weiß ich.“ Er trainierte jedes Jahr und immer wenn er glaubte, seine eigenen Grenzen erreicht zu haben, schaffte er es mit viel Willensstärke darüber hinauszugehen. Eine lobenswerte Eigenschaft für einen Ritter, nur leider brachte es ihm nicht viel. Im Schaukampf war er Raoul immer unterlegen und auf dem Schlachtfeld wollte er ihm nie gegenüberstehen. Bedeutungsvoll hob der Anderen einen Zeigefinger. „Ah, das ist das Zauberwort. Irgendwann.“ Wenn er solche Bemerkungen schmiss, allerdings…. Nein, er wollte nie gegen einen Freund kämpfen. „Kommst du heute zum Ball?“ Das Thema geschickt wechselnd, hob Raoul den Becher und betrachtete die Verzierungen, bevor er einen Schluck nahm. „Ja, natürlich.“ Auch Deacon probierte den Wein. Dieser war um Klassen besser, als der zuvor, es ging ja doch. „Gut, ich will dir nämlich jemanden vorstellen und dieser jemand ist ausnahmsweise nicht weiblich. Er ist ein guter Freund.“ „Wieder einmal? Du stellst mir jedes Jahr jemanden vor, den du als Freund bezeichnest und nur eine Handvoll davon kennst du im darauffolgenden Jahr noch.“ Klar, Gunst errang und verlor man schnell und jemanden, der in Ungnade gefallen war, konnte man nur schlecht beistehen. Nicht, wenn man selbst unbeschadet bleiben wollte. „Diesmal ist es anders. Er ist mein Cousin und von einer langen Reise zurückgekehrt. Ich finde, er braucht ein paar gute Freunde.“ Nachdenklich nippte der Jüngere an seinem Wein. Deacon hob erstaunt eine Augenbraue. Ob sein Cousin auch davon wusste, oder wurde auch er zwangsbeglückt? Nun, er konnte seinem Freund ja den Gefallen machen, seine engen Freunde hatten ihn noch nie gelangweilt. So konnte man nur hoffen, dass sich diese Tradition auch dieses Jahr fortsetzte. Kapitel 3: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 3 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Überall waren Frauen in die edelsten Stoffe gekleidet, begleitet von Männern, die versuchten, neben ihnen nicht unterzugehen. Aber jeder von ihnen versagte in seinem Bestreben. Jinan kannte die weibliche Psyche gut genug, um zu wissen, dass der Mann an der Seite einer Frau von ihr so ausgewählt wurde, dass er ihr perfektes Aussehen komplettierte. Männer dachten vielleicht, dass sie sich mit schönen Frauen an ihrer Seite schmücken konnten, aber das war nur der Fall, wenn der Mann genug Geld und Macht hatte. Da trat man als Frau auch gerne in den Hintergrund. Allerdings fiel Jinan auf seinem kurzem Weg Richtung Ballsaal auch etwas anderes auf. Es mochte ja sein, dass Männer gerne in Gruppen beisammen standen, doch einige der Zweiergruppen hier, schienen ihm doch etwas zu engen Körperkontakt zu pflegen. Natürlich konnte das auch auf Einbildung seinerseits basieren, oder Wunschdenken, wie man es sehen wollte. In seiner Erinnerung war das aber nicht so gewesen, oder hatte er da die Zeichen nur nicht wahrgenommen? Auf seinen Reisen hatte gelernt, auf die Menschen um ihn herum zu achten, ihre Körpersprache wahrzunehmen. All das was er hier sträflich unterlassen hatte, jedenfalls in Hinsicht auf seine engste Familie. Er hatte ja gemerkt, wohin es geführt hatte und das würde ihm nie wieder passieren. Jedoch hatte Raoul Recht gehabt, es wäre nicht klug gewesen, diesem Ball fernzubleiben. Kaum einer der Gäste nahm Notiz von ihm, dafür waren hier viel zu viele Fremde. Niemand konnte jeden der hier Anwesenden kennen, da dieser Ball für alle Teilnehmer des Turniers und Adelige offen war. Natürlich verfolgten ihn einige Blicke, doch diese galten wohl eher seinem Aussehen. Auch wenn seine Kleidung nicht so farbenprächtig, aufwändig, oder teuer war wie die der meisten Gäste, so reichte sein derzeit noch etwas exotisches Aussehen dafür, ihm mehr als nur einen Blick einzubringen. Jinan legte keinen Wert darauf, aber es war ja keine Sünde, wenn man sich seiner natürlichen Attribute bewusst war. Der Diener, an der Saaltür, öffnete diese für ihn und vor Jinan erstreckte sich ein großer Raum, in dem sich noch mehr Leute befanden als in den angrenzenden Zimmern und Gängen, die er eben passiert hatte. Das war nur natürlich, aber es erstaunte ihn schon, in welchem Ausmaß die Größe des königlichen Hofes angewachsen war. Viele waren jünger als er, viele in seinem Alter und ein deutlich kleinerer Teil älter als er. Anscheinend hatte in seiner Abwesenheit ein Generationenwechsel stattgefunden, oder war er einfach nur so alt geworden? Nach einem kurzen Überlegen entschied er sich für ersteres, denn die sechsundzwanzig Jahre, die er zählte, nannte er noch lange nicht alt. Mit dreißig konnte er langsam damit anfangen sich darüber Gedanken zu machen. Gleich nachdem er eingetreten war, glitt sein Blick zur Freitreppe, die sich in einigem Abstand zu dieser Tür befand. Wenn Casey noch nicht hier war, würde er dort erscheinen. Es war das Vorrecht, der königlichen Familie angekündigt zu werden, damit sie jeder wahrnahm. Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, dann wäre auch er einmal dort gestanden. Nur leider war die Wahl des königlichen Verlobten damals auf Valerian gefallen - aus verständlichen Gründen. Das war wohl nur der erste Grund für seinen Vater gewesen, um von ihm mehr zu fordern, als er leisten konnte. In seinen Augen war es die Aufgabe seines Sohnes alle anderen zu überflügeln. Was musste es für eine Enttäuschung für ihn gewesen sein, dass er seine Ziele nicht erreichen konnte. Jinan wandte seinen Blick von der Freitreppe ab. Das waren die Träume seines Vaters gewesen und nicht seine. Und seit zehn Jahren war er von ihnen endgültig befreit. Er glaubte nicht, dass sein Vater noch irgendwelche Forderungen an ihn stellte. Außer die, wieder zu verschwinden, doch dazu war Jinan nicht bereit. Er nahm sich ein Weinglas vom Tablett eines vorbeieilenden Dieners. Die einzige Zuflucht, wenn man niemanden kannte und nicht so wirken wollte, als gehörte man nicht dazu. Und auch wenn er mit vielen hier seine Kindheit verbracht hatte, so kannte er den Großteil der Leute nicht mehr. Nicht einmal seine Kindheitsfreunde würde er gegenwärtig wohl erkennen und sie ihn auch nicht, was wohl auch gut war. Seine Rückkehr würde sich noch früh genug herumsprechen. Wenn es ging, dann wollte Jinan erst so spät wie möglich gemieden werden. Ein junges Paar schob sich aufgeregt an ihm vorbei und Jinan folgte ihnen mit einem uninteressierten Blick. Was er dann jedoch sah, ließ ihn erstarren. Sie sah noch genau so aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Ebenholzschwarzes Haar fiel der Frau - inzwischen war sie zu einer solchen geworden, bis zu den Hüften. Sie trug ein Kleid, das nach der neuesten Mode geschnitten war und dem man ansah, dass es teuer war. Es schmiegte sich an ihren Körper und betonte ihre körperlichen Vorzüge, die Jinan schon einmal unbekleidet hatte sehen dürfen. Auch wenn er es damals nicht hatte schätzen können, da er zu peinlich berührt von ihren Handlungen gewesen war. Aber ja, man konnte sie ohne weiteres schön nennen, wenn man nicht wusste, dass ihre Seele ebenso schwarz war wie ihr Haar. An ihrer Seite stand ihr böser Zwilling, man traf sie scheinbar nur im Doppelpack an. Mutter und Tochter unterschieden sich eigentlich nur im Alter voneinander. Silvia hatte ein paar Falten mehr als ihre Tochter, was sie aber nicht älter aussehen ließ, sondern nur reifer. Jinan empfand es als ungerecht, dass ihnen die vielen Jahre kaum zugesetzt hatten und wenn dann nur in einer Weise, die ihnen schmeichelte. Es war wohl so wie mit der verbotenen Frucht. Egal wie verdorben das Innere auch sein mochte, von außen sah es so verlockend aus, dass man einfach nicht widerstehen konnte. Zwar war es ihm gelungen, doch das hatte einen anderen Grund gehabt, einen Grund von dem sie nichts wussten. Der für seinen Vater aber zweifellos eine weitere Enttäuschung darstellten würde. Plötzlich wurde sein Blick von zwei blauen Augen erwidert. Sie hatte ihn gesehen und natürlich gab sie Silvia sofort ein Zeichen. Diese sah auf und ihre Augen weiteten sich entsetzt, als sie ihn bemerkte. Jinan zwang sich zu einem Lächeln und hob ihnen das Glas prostend entgegen. Zufrieden sah er, wie Silvia empört nach Luft schnappte. Sie fasste ihre Tochter am Unterarm und zog sie mit sich. Wahrscheinlich war sie auf direktem Weg zu seinem Vater. Sollte sie nur, er hatte keine Macht mehr über ihn. Aber nun wo sie ihm nicht mehr die Sicht verstellten, konnte er endlich Casey sehen. Ohne zu zögern ging er zu ihm, schließlich war er nur wegen ihm hierhergekommen. Nur einmal hielt er noch an, um sein Weinglas abzustellen. Man begrüßte keinen Prinzen mit dem Glas in der Hand, das verlangte die Höflichkeit und Casey hatte eine Menge für ihn getan. Casey bemerkte ihn schon, als er sich ihm näherte. Sanft berührte er den Arm, der neben ihm stehenden Frau, die Jinan nun auch ihre Aufmerksamkeit schenkte. Vor ihnen blieb er stehen und verbeugte sich höflich. „Königliche Hoheiten, es freut mich euch wiederzusehen.“ Auch wenn ihn Casey einen Moment lang so ansah, als könnte er ihn nicht zuordnen, nickte er leicht. Dann jedoch trat Erkennen in seinen Blick. „Jinan, oder?“ „Ja, mein Kronprinz.“ Jinan hielt es für angemessen die Etikette einzuhalten. Schließlich wusste er nur, dass er begnadigt worden war, nicht, was die Gründe dafür waren. „Ihr kennt sicher noch Kiana, meine Frau?“ Dabei wies Casey mit einer Hand auf die Frau neben sich. „Natürlich. Wie könnte ich sie vergessen.“ Immerhin war sie damals mit seiner Stiefschwester befreundet gewesen. Und natürlich hatte sie alles geglaubt, was über ihn verbreitet worden war. Trotzdem ergriff er ihre Hand, die sie ihm pflichtbewusst hinhielt und führte sie an seinen Mund. „Ich freue mich, dass ihr wieder hier seid.“ Jinan versuchte ihre wahren Gefühle in ihrem Gesicht zu lesen, doch sie schien ihre Worte ernst zu meinen. Er wusste nicht genau, was er davon halten sollte und ließ ihre Hand wieder los. Lächelnd wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Casey zu. „Ich gratuliere euch auch zur Geburt eurer Tochter.“ „Danke. Aber sie ist nicht nur unsere Tochter, sie ist Kronprinzessin.“ Dabei lächelte er und sah kurz zu Kiana. Interessant und sehr überraschend. Eine Frau, die einmal den Thron erben konnte, selbst wenn ein Prinz nachkam, war unüblich. Das gefiel Jinan, es hatte sicher für Aufregung gesorgt, als das entschieden worden war. „Dann ist eine Gratulation ja erst Recht angebracht.“ „Casey.“ Kiana wartete kurz, bis sie die Aufmerksamkeit ihres Mannes hatte, dann machte sie eine Kopfbewegung in eine Richtung. Bestimmt einer der Gäste, die sie noch begrüßen mussten. „Ja, geh doch schon einmal vor.“ Damit löste er ihre Hand von seiner und gab sie so frei. Auch wenn sich Jinan nicht als Experten in zwischenmenschlichen Beziehungen sehen würde, so merkte er, dass dies auch keine normale Beziehung war. Es war sicher keine arrangierte Heirat gewesen, aber auch keine Liebesheirat, trotzdem herrschte zwischen diesem Paar etwas, das man nur bei sehr wenigen königlichen Paaren bemerkte. Sie mochten sich und jeder wirkte zufrieden. In einer Welt, in der man hörte, wie Königinnen ihre Männer bekriegten oder umgekehrt, war das eine Aussicht, die durchaus beruhigte. Vor allem das Volk, denn so konnten ihre Herrscher sich voll und ganz auf ihre Regierungsgeschäfte kümmern und wurden nicht von privaten Problemen beeinflusst. Jedenfalls war das der Eindruck, den Jinan gewonnen hatte. Casey beugte sich etwas näher zu ihm. „Ich würde dich gerne unter etwas privateren Bedingungen sprechen. Komm morgen Nachmittag zu mir, dann können wir reden.“ Damit richtete er sich wieder auf und lächelte. „Ich wünsche Euch noch einen schönen Abend.“ „Ich ebenso.“ Lächelnd ließ er zu, dass Casey ihn stehen ließ und vermied es ihm nachzusehen. Nun, es schien als hätte der kleine Wildfang von Prinzessin gelernt sich in diplomatischen Kreisen zu bewegen. Das war ebenfalls eine gute Zukunftsaussicht, vor allem, da er vorhatte, hier in diesem Reich zu bleiben. Und was konnte sich ein Volk oder Reich mehr wünschen, als einen Herrscher, der wusste wie man sich verhielt? „Es ist nicht sehr vorteilhaft, bei einem gesellschaftlichen Ereignis in den Tag hineinzuträumen.“ Auch wenn ihn die Stimme hinter ihm überraschte, so zuckte er nicht zusammen, sondern drehte nur langsam den Kopf zu dem Sprecher. „Ich träume nicht, ich denke mir nur gerade, dass es doch die richtige Entscheidung war zurückzukehren.“ „Na das will ich doch hoffen.“ Raoul nahm ein Weinglas vom Tablett eines vorbeigehenden Dieners und reichte es Jinan. Da er das begonnene Glas in Raouls anderer Hand sah, nahm er es dankend an. „Auch wenn ich bereits einige Leute gesehen habe, die mich an meinem Entschluss haben zweifeln lassen. Zwei um genau zu sein.“ Raoul seufzte leise. „Darum wirst du leider nicht herumkommen. Wie du weißt, ist dein Vater ein bedeutender Mann.“ „Ich weiß. Darüber bin ich auch gar nicht unglücklich, da ich so euch, Valerian und dich kennengelernt habe.“ Auch wenn sich das möglicherweise schmalzig anhörte, so war es Jinans voller Ernst. Die Freundschaft zu den beiden hatte ihm in seiner Kindheit viel bedeutet, wenn sie anfangs nur aufgrund einer Anweisung seines Vaters entstanden war. Doch wie er wusste, war er nicht der Einzige gewesen, bei dem der Vater die Freunde seines Sohnes ausgewählt hatte. Raoul aber machte keine abfällige Bemerkung darüber, sondern legte Jinan nur eine Hand auf die Schulter. „Gut, eine andere Antwort hätte ich auch nicht hören wollen. Aber nun komm, ich will dich ein paar Freunden vorstellen.“ Auch wenn Jinan nicht so erpicht auf neue Bekanntschaften war, folgte er Raoul. Immerhin konnte er hier nicht der Außenseiter sein, das käme seinen Bestrebungen nicht entgegen. Von nun an wollte er hier Fuß fassen und das konnte er nicht, wenn er zu allen anderen Abstand einhielt. Raoul führte ihn zu zwei Männern. Einen davon kannte er schon, der Andere kam ihm vage bekannt vor. Sein Freund wies auf einen der Männer. „Shay hast du heute ja schon kennengelernt. Und dieser hier ist mein bester Freund, Lord Christian Alrin.“ Jinan nickte Shay grüßend zu und dieser erwiderte den Gruß leicht. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Christian, der ihn ebenso interessiert musterte. „Das ist interessant.“ „Wirklich.“ Es war eine Feststellung keine Frage. Jinan wusste genau was Christian meinte, ihm ging momentan wahrscheinlich genau das Gleiche durch den Kopf. Dann jedoch grinste Christian und reichte ihm die Hand. „Es kommt nur selten vor, dass ich jemanden treffe, der mir so ähnlich sieht. Aber es freut mich.“ Jinan ergriff die Hand. Was Christian meinte, war nicht die gleiche Augenfarbe, sondern eher die gleiche Haarfarbe, die doch etwas ungewöhnlich war. Blond waren hier viele, doch nur wenige deren Haar so hell war wie ihres. „Mich ebenso. Mein Name ist Jinan Edion.“ Als sie ihre Hände wieder voneinander lösten schien Christian darüber nachzudenken, ob er diesen Namen zuordnen konnte. Jinan wusste, dass er dabei keinen Erfolg haben würde, da er sich den Namen selbst gegeben hatte. Auch war er unter diesen Namen gereist, doch hatte er sich dabei keinen Ruhm erworben oder war auffällig geworden. „Tja, nun kennst du auch den Club der ewigen Junggesellen in diesem Palast.“ Raoul lächelte, schien aber etwas abgelenkt. „Ewige Junggesellen? Was machst du dann hier in unserer erlauchten Gesellschaft? Du bist doch schon so gut wie vergeben.“ Christian grinste und er musterte Raoul amüsiert. Dann machte er auch noch eine wedelnde Handbewegung. „Kusch, weg von uns, sonst verspüren wir vielleicht auch noch den Wunsch, uns dauerhaft zu binden. Das scheint ja ansteckend zu sein.“ „Deine Mutter würde es mir sicher danken.“ Christian verzog bei dieser Aussage des Schwarzhaarigen leidend das Gesicht. „Ja, ebenso wie mein Bruder, meine Schwägerin. Und Rida würde dich wahrscheinlich vergöttern, wenn ich endlich auf der Burg meines Vaters sesshaft werden würde.“ „Alles durchaus gute Gründe um dich anzustecken, wenn du mich fragst.“ „Danke.“ Christian hob abwehrend eine Hand. „Ich ziehe meine Ungebundenheit dem Ehejoch vor.“ „Wenn wir gerade von Ungebundenheit reden. Du wirst gebraucht.“ Shay hob die Hand und deutete dabei in den Saal hinein. Christian sah in die angegebene Richtung und seufzte leise. „Karen. Außerdem brauche ich gar nicht zu heiraten, um mich den Wünschen einer Frau beugen zu müssen, wie man sieht.“ Damit ließ er sie stehen und ging in die Richtung, wo ihn wohl seine Begleiterin erwartete. Jinan war dem Ganzen zwar aufmerksam gefolgt, wirklich viel erfahren hatte er allerdings nicht. Aber das war so auf diesen Festen. Man sprach viel, aber nichts von Wichtigkeit. Wichtige Dinge klärte man dann am nächsten Tag bei konspirativen Treffen, die man sich am Vorabend ausgemacht hatte. Raoul schien endlich gefunden zu haben, wen er suchte. „Ah, da bist du ja.“ „Nun ja, die Anwesenden lassen ja zu wünschen übrig. So gesehen bist du das kleinere Übel.“ Als Jinan die dunkle Stimme hinter sich hörte, spürte er wie sich seine Nackenhaare leicht aufstellten. Schon alleine wenn man so eine Stimme hörte, konnte man sich den Mann vorstellen, dem sie gehörte. Raoul schien dem Mann diese Worte aber nicht übelzunehmen und auch Shay wirkte davon nicht wirklich beeindruckt, auch wenn es gegen seinen Dienstherrn gegangen war. „Wie freundlich. Jinan, darf ich dir einen meiner Freunde vorstellen? Zum Glück beehrt er uns immer nur während des Turniers mit seiner Anwesenheit. Duke Deacon Gainsbourgh.“ Jinan drehte sich um, um den Mann pflichtbewusst zu grüßen. Jedoch kam er nicht dazu, da er für einen Moment wie erstarrt war. Er war so wie er ihn sich vorgestellt hatte, hochgewachsen und kräftig, doch das war es nicht, was ihm im ersten Moment den Atem raubte. Ihm sahen blaue Augen entgegen, die von nachtschwarzen Haaren umrahmt wurden. Dieser Mann hatte eine enorme Ähnlichkeit mit seiner Stiefschwester, der Frau, die ihn ins Exil geschickt hatte. Kapitel 4: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 4 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Deacon runzelte die Stirn, als der Mann, der ihm gerade vorgestellt wurde, ihn so ansah, als würde er einen Geist erblicken. Raoul hingegen schien das gar nicht zu bemerken, da er unbekümmert weitersprach. „Und das ist mein Freund Jinan Edion. Ein entfernter Verwandter.“ Das war also der Cousin, der laut Raouls Worten ein paar Freunde benötigte. Nun, wenn er Fremde immer so ansah, würde ihm das sicher schwer fallen. Deacon beschloss den ersten Schritt zu machen und hielt ihm die Hand hin. „Es freut mich immer, Freunde von Raoul kennenzulernen.“ Der Andere, Jinan, verbesserte sich Deacon in Gedanken, ergriff seine Hand. Von einem Moment auf den Anderen verschwand der erschrockene Ausdruck aus seinem Gesicht. Nun sah er ihn eher kühl an. „Sehr erfreut.“ Wenn Deacon etwas zarter besaitet gewesen wäre, hätte ihn dieser Tonfall frösteln lassen. So wunderte er sich nur über diesen eisigen Ton. Der Blonde wollte seine Abneigung ihm gegenüber ja nicht einmal verbergen. Dabei hatte Deacon keine Ahnung woher das kam, immerhin hatten sie sich noch nie zuvor gesehen. Oder? Diesmal betrachtete Deacon sein Gegenüber noch einmal genauer. Er wirkte sehr jung, was jedoch nicht ganz zu dem Ausdruck in seinen sehr hellblauen Augen passte. Deacon kannte diesen Ausdruck, der dem aufmerksamen Beobachter offenbarte, dass er schon eine Menge gesehen hatte. Seine Gestalt war eher dünn und ohne ausgeprägte Muskeln, also war er entweder kein Kämpfer, oder er hatte sein Training lange vernachlässigt. Doch das waren alles Dinge, mit denen Deacon nichts anfangen konnte, denn Männer wie ihn gab es auf jeden Hof und bei jedem Turnier, das er besuchte zuhauf. Auch sein Gesicht half ihm nicht viel, wenn es auch so aussah, als hätte er viele Stunden in der Sonne verbracht, obwohl die Bräune auch schon wieder am Verblassen war. Sonst wirkte es eher zierlich und würde man nicht an Kleidung und Haarschnitt sehen, dass er ein Mann war, so könnte er auch als Frau durchgehen. Für einen Moment fragte sich Deacon, ob es wohl in der königlichen Familie lag, dass alle Männer so androgyn aussahen. Kein Wunder, dass ihr Prinz diese Maskerade solange aufrechterhalten hatte können. Sogar er selbst,… gut daran wollte er nun gar nicht mehr denken. Jedoch würde er sich sicher an eine solche Haarfarbe erinnern. Nicht viele hatten derartig blonde Haare, die schon fast ins Weiße übergingen. Es ließ ihn auf eine seltsame Art überirdisch wirken. Auch Raouls Freund Christian teilte dieses Aussehen mit ihm, doch bei ihm war die Haarfarbe nicht ganz so hell. Aber auch das half ihm nicht. Er ähnelte keiner Frau, mit der er sich einmal vergnügt hatte, konnte also nicht irgendein Bruder oder Verwandter sein, der auf Rache sann. Auch wenn er sich nicht mehr an alle Frauen erinnern konnte, die er in den Jahren beglückt hatte. Wenn er ehrlich war, dann erinnerte er sich sogar nur an die aktuellsten. Doch irgendwann musste das doch auch verjähren, sowas konnte man jemandem doch nicht sein Leben lang nachtragen. Und auch wenn Raoul ihn vorgestellt hatte, so half ihm der Name nicht weiter. Wahrscheinlich musste er ihn nur ganz direkt fragen, um eine Antwort zu erhalten, doch dies war nun wirklich nicht der richtige Rahmen für so etwas. Jinan hatte seine Hand inzwischen wieder zurückgezogen und umfasste das Glas damit. Es sah irgendwie hilflos aus, wie er mit beiden Händen sein Weinglas umklammerte, doch seine Augen richteten sich auf Raoul, sodass Deacon nicht mehr seine Aufmerksamkeit besaß. Raoul hatte nun wohl die unangenehme Atmosphäre bemerkt und versuchte die Situation zu retten. „Deacon ist auch einer der Teilnehmer bei diesem Turnier, schon seit einigen Jahren. Wenn auch eher mittelmäßig.“ Deacon wollte schon empört etwas einwerfen, doch Raoul schien sich nun als Gesprächsführer zu sehen und sprach einfach weiter. „Willst du nicht doch mitmachen? Du warst doch auch einmal gut.“ Das musste vor Jahren gewesen sein, wenn sich Deacon den Blonden so ansah. Gut, aus Erzählungen hatte er erfahren, dass Christian ein sehr guter Schwertkämpfer sein sollte, auch wenn man bei ihm keine Muskeln sah und auch Shay wirkte nicht gerade sehr kräftig, war aber auch kein schlechter Kämpfer, doch das waren Ausnahmen. Jinan schüttelte den Kopf und lächelte nun zum ersten Mal. „Du weißt, dass ich seit Jahren nicht mehr gekämpft habe, jedenfalls nicht in einem solchen Turnier. Noch dazu habe ich weder die Ausrüstung, noch die Mittel mir diese zu besorgen. Aber ehrlich gesagt, liegt mir auch gar nichts daran. Die Zeiten, in denen ich mir zum Vergnügen der Anderen Blessuren geholt oder zugefügt habe, sind vorbei.“ Also war Jinan ein verarmter Adeliger. Davon gab es ja genug auf der Welt, wie Deacon wusste. Selbst zählte er nicht dazu und würde es Zeit seines Lebens auch nicht, dafür hatte er zuviel Reichtum aus vergangenen Epochen geerbt, aber er kannte einige Fälle. Familien, oder Erben, die über ihrem Standard gelebt hatten und ihr Erbe ohne Sinn und Verstand nutzten. Deacon hatte selbst einigen dieser Adelssöhne das letzte Geld aus der Tasche gezogen, es war nicht seine Schuld, wenn sie spielten und verloren. Doch er konnte den Mann ihm gegenüber nicht in diese Sparte stecken. Diese Adelssöhne, die oft nichts mehr außer ihrem Titel hatten, waren arrogant und benahmen sich, als würde ihnen die Welt gehören. Wobei es meistens nur mehr ihr Stolz war, der sie auf den Beinen hielt und gerade dieser Stolz hielt sie auch davon ab, ihre Lage zu erkennen, oder sie sich einzugestehen. Jinan hingegen wirkte ruhig und keineswegs arrogant. Dass er ihn augenscheinlich nicht mochte, war nicht unbedingt etwas, das Deacon als Maßstab nehmen konnte. Noch dazu hatte er mit seiner letzten Bemerkung auch gleich verhindert, dass Raoul ihm das Geld für die fehlende Ausrüstung auslegte. Eindeutig nicht das Verhalten von jemand, der Geld brauchte. „Außerdem was bringt es mir, mitzumachen? Man zollt nur den Siegern Ehre, niemand erinnert sich an jemanden, der mittelmäßig oder gar schlecht war.“ Damit sprach Jinan einen wunden Punkt bei Deacon an. Es stimmte, man erinnerte sich nur an die Sieger und oft nicht einmal das. Aber er als mittelmäßiger Teilnehmer wusste noch genau jeden seiner Plätze, doch da war er der Einzige. Auch wenn er letztes Jahr im Halbfinale ausgeschieden war, so war er doch wieder an Raoul gescheitert. Bei dieser Auslosung musste etwas schiefgehen, wenn er immer wieder auf Raoul traf, gegen den er jedes Mal aufs Neue unterlag. Jedenfalls gefiel ihm diese Unterhaltung gar nicht mehr. Auch wenn er sich nicht bewegte, so widmete er seine Aufmerksamkeit nun eher den Damen im Raum. Es waren ja genug anwesend, sodass ihm die Auswahl nicht schwer fiel. Ein paar warfen auch interessierte Blicke in seine Richtung, immerhin war er unter den Damen schon bekannt. Dem Gespräch seiner beiden Begleiter schenkte er keine Aufmerksamkeit mehr. Erst als ihn Raoul am Oberarm berührte und ihn lächelnd ansah, widmete er ihm wieder sein Interesse. „Langweilen wir dich?“ Deacon erwiderte dieses Grinsen. Natürlich wusste Raoul genau, wonach ihm nun der Sinn stand. Immerhin war das die letzte Nacht vor dem Turnier, in der er sich vergnügen konnte. Übermorgen begann das Ganze und diese letzte Nacht heute wollte er sicher nicht alleine verbringen. „Ehrlich gesagt, fühle ich mich nicht mehr in der Lage euch aufmerksam zuzuhören. Es gibt hier viel zuviel, das mich ablenkt.“ „Viel zu viel das Röcke trägt, vermute ich.“ Raoul seufzte leise. „Du kennst mich eben zu gut.“ Deacon hatte kein Problem damit, zuzugeben, was die Wahrheit war. Er mochte nun einmal Frauen, das mochten alle Männer. Mit einer Handbewegung entließ Raoul ihn. „Wir werden uns auch ohne dich vergnügen.“ „Daran hege ich keinen Zweifel.“ Dabei zwinkerte er Raoul noch einmal zu und verließ die Gruppe. Eigentlich war es eine Flucht, doch das gab er vor sich selbst nicht zu. Das Interesse an einem weiteren Gespräch war nur abgeflaut, als Jinan ihm die Wahrheit so ungeschminkt vor Augen geführt hatte. Er musterte nacheinander eine blonde, ältere Dame und eine rothaarige junge Frau, die ihm beide auffordern zulächelten. Deacon entschied sich für die Rothaarige, von Blonden hatte er für heute eindeutig genug. Als diese sich bei ihm einhängte, um ihn für sich zu beanspruchen, ließ Deacon es zu. Seine Gedanken allerdings waren noch immer bei einem anderen Thema. Nämlich dabei, dass auch Raoul Recht gehabt hatte. Sie waren nicht mehr die Jüngsten, wie lange würden sie bei so etwas wie diesem Turnier noch mitmachen können? Wann sagte ihnen ihr Körper, dass Schluss war? Deacon fühlte sich beileibe nicht alt, doch er wusste, dass irgendwann der Punkt kam, ab dem sein Körper nicht mehr das leisten konnte, was er nun leistete. Und dieser Zeitpunkt kam schneller, als man dachte. Jinan hatte Recht, niemand erinnerte sich an die Verlierer und deswegen musste er dieses Turnier gewinnen. Er würde dieses Turnier gewinnen, das war er sich selbst schuldig. Von den Strahlen der Sonne geweckt, öffnete Jinan die Augen. In den letzten Jahren hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht aufzuwachen, wenn ihn die Sonne weckte. Heute jedoch blieb er noch etwas liegen und starrte an die Decke. Was für ein ereignisreicher Tag es gestern gewesen war, wobei sich das eher auf den Abend bezog. Er wusste, dass er heute eine Verabredung mit Casey hatte, auch war ihm bewusst, dass das Treffen mit seinen Verwandten gestern noch Folgen haben würde. Am meisten hatte ihn aber das Treffen mit Raouls Freund aus der Bahn geworfen. Natürlich hatte er schnell gemerkt, dass er seiner Schwester nur sehr wenig ähnelte, doch im ersten Moment war er einfach von ihm überwältigt worden. Deacon teilte zwar mit seiner Stiefschwester die Haar und Augenfarbe, doch sonst nichts. Er war großgewachsen und kräftig. Man merkte ihm an, dass er ein Kämpfer oder Krieger war; vielleicht auch beides. Jedenfalls konnte er sich den Mann auch gut auf einem Schlachtfeld vorstellen, nicht nur auf Turnieren, wo es darum ging, Andere zu beeindrucken. Jinan hätte auch ohne Raouls Worte erkannt, dass der Schwarzhaarige einen hohen Adelsrang besaß, er strahlte das einfach aus. Keiner seiner Bewegungen fehlte es an Selbstsicherheit und er sagte es, wenn ihm etwas nicht passte, egal wen er damit brüskierte. Denn es war schon ein ziemlich rasches Abkanzeln gewesen, was da gestern Abend passiert war. Nur imponierten diese Sachen Jinan. Dieser Mann entsprach im Ganzen dem, was Jinan an einem Mann anzog und auch sein Äußeres entsprach seinem Geschmack. Nur in dem Moment in dem er das gemerkt hatte, war er auf Abstand gegangen. Momentan benötigte er keinen Mann, der sein Leben durcheinander brachte. Außerdem hatte sich gestern gezeigt, dass er sich eindeutig für Frauen interessierte. Und trotzdem, konnte er ihn nicht ganz aus seinen Gedanken vertreiben. Mit einem Stöhnen legte er beide Hände auf sein Gesicht und fuhr sich darüber. „Jinan, was machst du nur? Langsam solltest du deine Lektion doch gelernt haben.“ „Wenn Ihr mich einweihen würdet, dann könnte ich Euch vielleicht eine Antwort geben.“ Bei der fremden Stimme fuhr Jinan in eine sitzende Position hoch und sah sich einem nur allzu bekannten Mann gegenüber. „Anas, was machst du hier?“ Eigentlich hatte er geglaubt, den Farbigen im letzten Hafen losgeworden zu sein. Immerhin hatte er ihn hierhergebracht und damit alles für seine Sicherheit gemacht, was in seiner Macht steht. „Ich bin euch gefolgt.“ Der Andere schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Das sehe ich. Ich frage mich aber warum?“ Hätte er gewusst, als was für eine Klette sich Anas herausstellen würde, hätte er ihn nicht befreit. Hätte Jinan auch gewusst, was er sich deswegen für Probleme mit den dortigen Wachen einhandeln würde, hätte er es auch nicht gemacht. Aber er fand Steinigung für einen Diebstahl aus Hunger doch etwas zu hart. Nur leider hielt sich Anas seitdem für seinen Diener oder Sklaven, das hatte Jinan noch nicht richtig herausgefunden. Etwas von dem er fest überzeugt war, egal wie oft er versuchte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. „Weil du mich gerettet hast. Ich muss meine Schuld zurückzahlen.“ Bei seinen Worten nickte Anas, wie um sie zu bekräftigen. Jinan überlegte einen Moment, entschied sich dann aber dafür nicht zu widersprechen. Es würde ja doch nichts nützen, vielleicht kam man mit Logik weiter als mit Argumenten? „Aber du kannst nicht hierbleiben. Du fällst hier auf wie ein bunter Hund.“ Der Andere schüttelte nur den Kopf. „Nein, ich falle nicht. Aber eine Frau ist gefallen, als sie mich gesehen hat.“ Dabei wirkte Anas etwas verwirrt, so als könnte er es sich nicht erklären. „Ja, das kann ich mir vorstellen.“ Er presste die Lippen zusammen, als er sich Anas Aussehen genauer vor Augen führte. Auch wenn er wusste, dass er den Afrikaner gut gekleidet zurückgelassen hatte, so war davon nicht mehr viel zu sehen. Irgendwo auf seiner Reise hatte er wohl sein Hemd verloren und nicht daran gedacht, es zu ersetzen. Ein Mann ohne Oberbekleidung fiel hier sowieso auf und ein schwarzhäutiger Mann ohne Oberbekleidung konnte schon so mancher Frau die Besinnung rauben. Vor allem wenn es ein so gut gebauter Oberkörper war. „Wie bist du eigentlich hier hereingekommen? Haben dich die Wachen nicht aufgehalten?“ Anas schien kurz nachzudenken. „Doch. Aber ich habe gesagt, ich bin der Diener eines Gastes, da haben sie mich durchgelassen.“ Er musste mit Casey wirklich über sein Personal reden. Obwohl er sicher auch Schuld daran trug. Hätte er Anas auf der Schifffahrt nicht seine Sprache gelernt, dann hätte er sich nie erklären können. Doch woher hätte er wissen sollen, das der Mann, den er gerettet hatte, sich als gelehriger Schüler erwies? Anscheinend musste er ihn an seiner Seite behalten, bis er eine Möglichkeit hatte, um seine Schuld zurückzuzahlen. Jedenfalls hatte Jinan das so verstanden. In Zukunft würde er allerdings seine guten Taten doppelt überdenken. „Gut, du kannst hierbleiben. Aber nur wenn du dich an meine Regeln hältst. Du tust was ich sage und du trägst ein Hemd.“ Als er die Reaktion des Afrikaners sah, hob er warnend einen Finger. „Und wage es nicht, nun das Gesicht zu verziehen. Wir sind nicht mehr in der Wüste, wo das zweckmäßig war.“ Da es nun wohl an der Zeit war, schlug Jinan die Decke zurück und stand auf. Am Abend war er zu müde gewesen, um seine Sachen zu suchen, deswegen hatte er nackt geschlafen. Jedoch störte es ihn nicht, sich so vor Anas zu zeigen, dieser kannte diesen Anblick schon. Die Truhe mit seinen Sachen stand am Fußende des Bettes und Jinan kniete sich daneben als er sie öffnete. Wirklich viel an Garderobe hatte Jinan nicht, jedenfalls nichts, das wirklich gesellschaftsfähig war. In den letzten Jahren hatte er eher darauf Wert gelegt, dass seine Kleidung zweckmäßig war und nicht schick. Aber es reichte zumindest um Anas einzukleiden. Er warf Anas eines der Hemden zu, das ihm selbst zu groß war und von dem er hoffte, dass es dem anderen passte. Als er die Truhe wieder schloss, fiel sein Blick auf ein Säckchen am Grund der Truhe. Wenn er Anas mit irgendeiner Aufgabe losgeworden war, musste er einen sicheren Ort dafür finden, immerhin war das die Sicherung seiner Zukunft. Wenigstens passte das Hemd, wenn auch nur gerade. Nun von der letzten Zuwendung seines Vaters war noch genug da, um sie beide richtig einzukleiden. Man musste ihnen ja nicht ansehen, dass sie lange nicht, oder in Anas Fall noch nie, an einem Hof gelebt hatten. Irgendwie konnte er die Äußerung vieler Männer nicht nachvollziehen: Frauen machten das Leben nicht kompliziert. In seinem Fall waren es die Männer, die ihm Probleme machten. Dabei wollte er einfach nur Gerechtigkeit, die ihm auch zustand. Nur was machte er nun mit Anas? Jinan stieg in seine Hose, mit der er hier angekommen war und schlüpfte in das Hemd vom Vorabend. Dann öffnete er die Tür zu dem kleinen Salon, der zu seinen Zimmern gehörte. Er wusste, dass Raoul ihm einen Diener zugeteilt hatte, nun galt es nur noch diesen zu finden. Als er aus der Tür sah, die aus seinen Räumen führte, sah er gerade einen jungen Mann in der Kleidung der Diener dieses Palastes. In seinen Händen hielt er einen Stapel frischer Bettwäsche. So wie er aussah, war er auf dem Weg zu ihm. Als er ihn bemerkte, stoppte der Diener. „Oh, ihr seid wach. Ich bringe euch gleich das Frühstück.“ „Das ist nicht nötig.“ Er machte eine Bewegung mit dem Zeigefinger eine Aufforderung näherzutreten. „Aber ich habe eine andere Bitte.“ Er sah über die Schulter und rief nach dem Afrikaner. Als dieser kam, bemerkte Jinan wie sich die Augen des Dieners erschrocken weiteten. „Das ist mein Diener.“ Dabei deutete er auf Anas. „Er ist noch nicht lange mein Diener und deswegen etwas unerfahren. Aber es wäre mir eine Hilfe, wenn du ihm zeigen könntest, wo er alles findet, um seinen Aufgaben nachkommen zu können. Aber vorher soll er mir mein Frühstück bringen.“ Der Diener riss sich vom Anblick des Farbigen los und nickte etwas unsicher. „Sicher. Wenn er mir folgen würde.“ Jinan machte eine auffordernde Kopfbewegung und Anas folgte dem Jungen. Als er die Tür hinter ihm schloss, lehnte er sich mit dem Rücken dagegen. Abermals schlug er die Hände vor das Gesicht. „Was habe ich nur verbrochen?“ Diesmal verhallte die Frage aber unbeantwortet im Raum. Kapitel 5: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 5 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Gelangweilt sah Jinan zu der Tür, die sich abermals vor ihm schloss. In den letzten Stunden hatte sie das oft gemacht, so war es eben wenn man zu dem höchsten Mann des Landes wollte, oder in seinem Fall dessen Stellvertreter. Es gab immer andere, die genau dasselbe wollten. Nur war er in seinem Fall selbst schuld. Es hatte zu lange gedauert Anas in seine Pflichten einzuweihen und ihm elementare Grundlagen in Sachen Manieren beizubringen. Der Mann war eine wandelnde Katastrophe, aber das war zu erwarten, wenn er einen Bauern zum hoftauglichen Diener erhob. Wenigstens hatte er in dem von Raoul zugewiesenen Diener einen Lehrer gefunden. Wenn dieser wohl auch nur so geduldig gewesen war, weil Jinan selbst dabei war. Wenn er allerdings dachte, dass er an Anas, nun wo ihr Herr weg war, seinen Frust auslassen könnte, so kannte er den Afrikaner schlecht. Wenn er auch ein Bauer gewesen war, so hatte er seinen Stolz und konnte sich zur Wehr setzen, alleine durch seine Körperkraft. Jinan warf einen Blick rechts neben sich, wo eine rothaarige Frau saß, die ihn schüchtern anlächelte. Aus Höflichkeit erwiderte er dieses Lächeln halbherzig. Wenigstens war er nicht der Einzige, der hier wartete, dieses Schicksal teilte er mit einigen anderen Unglücklichen. Und im Gegensatz zu vielen von ihnen hatte er einen Sitzplatz ergattert, hier im Vorraum. Manche vertrieben sich mit Gesprächen die Zeit, doch Jinan kannte niemanden gut genug und war zu gut erzogen, um sich einfach einzumischen. So konzentrierte er sich darauf, die Tür zu fixieren, die sich nun seit einiger Zeit schon nicht mehr geöffnet hatte. Was gab es da zu besprechen? Der letzte Bittsteller hatte den Raum nun schon vor einigen Minuten verlassen, da konnte man doch den nächsten einlassen. So als wären seine Gedanken der Auslöser, öffnete sich die Tür und der Diener kam heraus. Jinan stand auf und nannte ihm seinen Namen, woraufhin er eingelassen wurde. Das war kein Wunder, immerhin war er der Nächste in der Reihenfolge. Der Diener ließ ihn eintreten, blieb aber vor der Tür stehen. Jinan hatte das nun schon öfter gesehen. Der Diener würde erst wieder eintreten, wenn er den Raum verließ. Das Arbeitszimmer unterschied sich nicht sonderlich von den anderen Zimmern in diesem Palast. Alles war prunkvoll und zeigte deutlich den Reichtum des Besitzers. Das begann von den Wänden aus teurem Stein, bis zu den großen Fenstern hin zu den eindrucksvollen Porträts an den Wänden und endete bei den schweren Wandbehängen aus wertvollen Stoffen. Aber das war nicht Caseys Geschmack, das fand man in vielen Zimmern dieses Palastes. Er sah den Prinzen, gegenüber der Tür an einem Schreibtisch sitzen. Vor diesem stand ein Sessel alleine auf weiter Flur. So kam man sich wirklich wie ein Bittsteller vor. Am Boden lag ein Teppich, in den Ecken standen hohe Kerzenhalter und an der rechten Wand war ein Sofa mit einem Tisch davor, mehr gab es an Einrichtung nicht. Hinter Casey stand Raoul, der ihm über die Schulter sah und das Dokument in den Händen des Blondhaarigen studierte. Es war eine sehr intime Szene, wie Jinan fand. Jedenfalls waren sich ihre Gesichter viel näher, als es nötig war. Deswegen beschloss er sich zu räuspern, obwohl sie wissen mussten, dass er bereits eingetreten war. „Ah, Jinan.“ Casey sah auf und deutete auf den Sessel vor sich. „Nimm doch bitte Platz.“ Er durchmaß den Raum mit einigen Schritten, bis er vor dem Sessel stand und sich hinsetzte. Seine Hände legte er auf die Armlehnen, für die er dankbar war. Noch beklemmender wäre es gewesen, wenn die Sessel ohne diese Stützen ausgekommen wären. Nichts war unangenehmer, als nicht zu wissen, was man mit seinen Händen machen sollte. Irgendwie ahnte er wohin dieses Gespräch führen sollte, doch er wusste ebenso, dass es geführt werden musste. Casey konnte sich nicht einfach so mit seiner Anwesenheit hier abfinden, das durfte er auch gar nicht. Dieser legte das Dokument zu Seite und sein Blick richtete sich auf Jinan. Auch Raouls Aufmerksamkeit lag nun auf ihm, doch lächelte er leicht, dies war wohl schon Routine. „Ich denke, du weißt, worum sich dieses Gespräch drehen wird, oder?“ Jinan nickte bei Caseys Worten zustimmend. „Ja. Ich schätze es wird sich um meine Zukunftspläne drehen. Immerhin bin ich ein Verbannter.“ „Du warst ein Verbannter. Mein Vater und ich haben dich offiziell begnadigt.“ „Das mag sein.“ Jinan lächelte schwach. Wenn es nur so einfach wäre, doch das war es nicht. Das war es nie. „Doch in den Augen der Gesellschaft rehabilitiert mich das noch lange nicht. Ich war, bin und werde immer der Verbannte sein, das sorgt für mehr Wirbel als eine offizielle Begnadigung. Die Menschen lieben Skandale.“ Casey seufzte tief. „Wem sagst du das? Nun, was hast du vor?“ Raoul einen kurzen Blick zuwerfend, schwieg er kurz. Eigentlich hatte er das seinem Freund schon gesagt. „Ich will am Hofe bleiben und mir eine Anstellung suchen.“ „Eine Anstellung?“ Caseys Augenbraue wanderte zweifelnd in die Höhe. „Ja, ich muss immerhin Geld verdienen.“ Unbekümmert zuckte Jinan mit den Schultern. Natürlich konnte er die Überraschung gut verstehen. Die meisten Adeligen empfanden es als empörend, wenn ein Mitglied ihrer Schicht arbeitete, dafür gab es schließlich andere Leute. Leute, die tiefer als sie standen. In den Papieren kramend, hob Casey ein Blatt leicht an. „Das überrascht mich nun wirklich. Soweit ich nämlich sehe ist der Titel deines Vater schuldenfrei, mehr noch er ist ziemlich vermögend. Und du bist sein Erbe, selbst wenn er dich enterbt hätte, so müsste er dich nun wieder einsetzen. Jetzt wo deine Schuld widerlegt ist.“ „Das mag sein.“ Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Aber auch wenn ich nicht enterbt wurde, so lege ich keinen Wert auf das Land, oder den Titel meines Vaters. Ich habe mit meiner Familie gebrochen und will nichts mehr von ihnen. Meine Mutter ist die einzige Verwandte, die ich noch anerkenne und diese ist verstorben.“ Sie war auch die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte, zumindest auf die Art, wie man eine weibliche Verwandte lieben konnte. „Du willst dein Erbe ablehnen?“ Casey warf einen fragenden Blick zu Raoul, der nur die Schultern zuckte. „Nun, das müssen wir ja nicht heute übers Knie brechen.“ Es war keineswegs übers Knie gebrochen. Die letzten Jahre hatte er sich damit abgefunden, dass er ohne das Erbe seines Vaters auskommen musste. Nur nun wo er kein Verbrecher mehr war, konnte er verlangen, was sein war. „Auch wenn ich das Erbe meines Vaters nicht antreten will, so habe ich doch eine Bitte.“ Casey forderte ihn mit einer Handbewegung auf weiterzusprechen. „Wenn mein Vater verstorben ist, erhebe ich Anspruch auf die Ländereien meiner Mutter.“ Es war nicht viel, aber seine Mutter hatte es in die Ehe mitgebracht und das wollte er seinen Halbgeschwistern nicht überlassen. Das war sein Erbe, das einzige, das er akzeptieren würde. Den Zettel abermals aufhebend, musterte Casey ihn. „Das wären dann drei Dörfer, mit einigen Hektar Land, eine Salz und eine Eisenmine.“ Gerade bei dem Letzten weiteten sich Caseys Augen. „Genau.“ Und er wusste auch welcher Einnahmequelle seine Familie ihr Vermögen verdankte. Eisen war noch immer sehr begehrt, ebenso wie Salz als das weiße Gold bekannt war. Seine Mutter hatte vielleicht wenig, aber dafür sehr lukrative Ländereien mitgebracht. Eine Mitgift, die einer Prinzessin königlichen Geblüts zustand. Es war seine Mutter, die ihre Familie reicht gemacht hatte und ihr Mann dankte es ihr so, dass er ihren einzigen Sohn verstieß. Nein, mit seiner Familie war er durch. „Gewährt.“ Casey tat das leichtfertig ab und Raoul machte sich eine Notiz auf einem Blatt. „Für das was dir angetan wurde, ist das wohl Vergeltung genug.“ Bei weitem nicht, aber es war ein guter Anfang. Dann jedoch wurde Casey ernst und er beugte sich etwas vor. Er legte die Fingerspitzen zusammen und musterte Jinan eindringlich. „Allerdings habe ich auch eine Bitte an dich. Ich habe nichts dagegen, dass du hier bleibst, nein, ich begrüße es sogar. Du magst rehabilitiert sein, doch würde ich dich darum bitten jeglichen Kontakt mit dem Stein des Anstoßes zu vermeiden. Es könnte falsch aufgefasst werden.“ „Ich dachte ich wäre nun unschuldig?“ Aber er verstand Caseys Bitte natürlich auch. Diesmal war es Raoul, der sich einmischte und beruhigend die Hände hob. „Ja, das bist du und wir glauben auch daran. Wir wissen, dass du deine Schwester nicht geschändet hast, egal was sie oder deine Stiefmutter behaupten. Aber man muss der Gerüchteküche nicht unnötige Nahrung geben. Vor allem, da dieser Skandal damals ziemlich große Wellen geschlagen hat.“ Als ob er das nicht wüsste. Jinan schüttelte nur den Kopf und sah die beiden ernst an. „Ich kann euch beiden versichern, dass ich keinerlei Bedürfnis habe meine Stiefschwester zu sehen. Auch wenn ich ihr gerne Gewalt antun würde, nur nicht in der Art, die sie mir vorwirft. Jedoch werde ich mich zurückhalten, denn im Gegensatz zu ihr, habe ich eine Erziehung genossen.“ Sogar die Beste, die man sich nur wünschen, oder mit Geld kaufen konnte. Schließlich hatte sein Vater hochtrabende Pläne mit ihm gehabt. „Das ist gut.“ Jetzt wirkte der Prinz deutlich erleichtert. „Zusammenfassend kann man also sagen, dass du keinen Anspruch auf Titel oder Erbe deines Vaters erhebst, ausgenommen die Ländereien deiner Mutter. Du willst keine Rache und eine Anstellung am Hof. Ist das so richtig?“ So hatte er das nicht gesagt, denn Jinan war sich nicht sicher, ob er den Groll gegen seine Mutter und Schwester wirklich so leicht begraben konnte. Versprechen, dass es keine Rache gab, konnte er also nicht. Aber im Großen und Ganzen stimmte es. „Ja, das ist richtig.“ „Wegen der Stelle wird Raoul sicher etwas Passendes finden.“ Dieser nickte nur zustimmend bei den Worten des Blondhaarigen. „Danke.“ Damit sah sich Jinan als entlassen und da keine weiteren Worte fielen, stand er auch auf und ging zur Tür. „Jinan, eines noch.“ Der Angesprochene drehte sich um, die Klinke schon in der Hand. „Ja.“ „Bitte trage dafür Sorge, dass ich meine Entscheidung nicht bereuen muss.“ „Das werde ich.“ Damit verließ er den Raum endgültig. Das war ja eigentlich gar nicht so schlecht gelaufen. Jetzt konnte er sich um andere Dinge kümmern, wie seinen unerwünschten, neuen Diener. Deacon fluchte ungehalten, als sein Schwert an dem seines Trainingspartners entlangschrammte, diesen aber nicht entwaffnete. Er trat einige Schritte zurück und senkte das Schwert. „Das reicht mir für heute.“ Sein Trainingspartner, ein erfahrener Ritter, mit dem er schon oft bei einem Turnier die Schwerter gekreuzt hatte, nickte. Auch sein Schwert senkte sich. „Es war ein gutes Training. Wir sehen uns auf dem Platz.“ Deacon nickte zustimmend, wenn er auch nicht darauf hoffte. Lieber hätte er unerfahrene junge Adelige, aber dieser Wunsch würde sich wohl nur in der ersten Runde erfüllen. Dann war die Spreu vom Weizen getrennt. Er ging zu seinem Zelt zurück. Schon von weitem sah er, dass davor ziemliche Aufregung herrschte. Auch bemerkte er, dass sein Zelt, das sowieso etwas windschief stand sich bewegte. Versuchten diese Idioten etwa, etwas daran zu ändern? Bloß nicht. Nicht nachdem sie es gestern nur mit sehr viel Glück geschafft hatten, es aufzubauen. Doch kurz bevor er sein Zelt erreichte, hörte er eine autoritäre Stimme die Befehle brüllte. Sofort machte sich Erleichterung in ihm breit und er beschleunigte seine Schritte. Bei seinem Zelt sah Deacon die erhoffte Person. Stellan war da und mit ihm auch seine Diener. Zweiteres war ihm ja eigentlich egal, aber ersteres war Gold wert. Deacon ging geradewegs auf seinen Freund zu und legte seine Stirn auf seine Schulter. „Du bist da. Gott sei Dank.“ Stellan, der solcherlei Reaktionen schon von ihm gewohnt war, klopfte ihm nur auf den Rücken. „Schon gut. Ich weiß ja, dass du ohne mich aufgeschmissen bist, deswegen habe ich mich beeilt.“ „Danke.“ Deacon richtete sich wieder auf und musterte seinen Freund. Stellan war nur um zwei Jahre älter als er, jedoch noch immer ein sehr guter Kämpfer. Von seiner Mutter mit dem Auftrag betraut auf ihn aufzupassen, begleitete er ihn nun schon seit zehn Jahren durch Krieg und Frieden. Mit seinen roten Haaren stach er sofort aus der Menge hervor, wobei seine Körpergröße da sicher auch eine große Rolle spielte, da er die meisten Männer um mindestens eine Haupteslänge überragte. Auch wenn sein Auftreten eher wild wirkte, so war er im Grunde seines Wesens ein eher sanfter Mann, der, das wusste Deacon, es bedauerte nicht mehr Zeit bei seiner Frau und seinen zwei Söhnen verbringen zu können. Allerdings wollte er seine Seite auch nicht verlassen. Deacon hatte es ihm schon oft freigestellt ihn zu verlassen und sogar eine Summe geboten, die ihm ein sorgenfreies Leben garantieren würde. Einen Moment lang erwiderte er seinen Blick, dann richteten sich Stellans braune Augen wieder auf das Zelt. „Es ist schief.“ „Ehrlich gesagt bin ich froh, dass es überhaupt steht. Und sich niemand dabei verletzt hat.“ Deacon malte sich schon das Schlimmste aus, als er sah wie seine Ritter mit den Dienern versuchten das zu korrigieren. Aber unter Stellans Führung würde es sicher funktionieren. „So schlimm?“ Der Ältere runzelte die Stirn. „Schlimmer.“ Deacon sah sich auf dem Zeltplatz um, natürlich waren sie wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Jeder schien auf eine weitere Katastrophe aus zu sein, immerhin hatten sie die Ungeschicklichkeit seiner Leute gestern mitbekommen. Zum Glück waren sie bessere Kämpfer als Handwerker, deswegen beschäftigte er sie ja auch. „Das nächste Mal werde ich die gestrandeten Diener begleiten und du reitest voraus um uns einen Platz zu sichern.“ Stellan gab ein undeutliches Geräusch von sich. „Na dann viel Spaß.“ Deacon konnte das gut verstehen, sicher war es mit den Dienern auch nicht leicht gewesen. Einige waren neu und noch nicht an die Reisen und damit verbundenen Strapazen gewöhnt, anderen waren daran gewöhnt, nörgelten aber noch immer. Natürlich passierte das alles hinter seinem Rücken, er sollte davon ja nichts mitbekommen. Nur war es schwer, so etwas in einer kleinen Gruppe geheim zu halten. Er verzog das Gesicht als Stellan neben ihm einige Befehle brüllte. Es war ja nett, dass er alles zusammenhielt, doch musste er dafür sein Gehör in Mitleidenschaft ziehen? „Und? Hat sich etwas getan, von dem ich wissen sollte?“ Fragend sah der Rothaarige Deacon an. „Ja.“ Deacon hatte über diese Sache seit gestern nachgedacht, jedenfalls in den Momenten, in denen er nicht mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war und war zu einem Entschluss gekommen. „In ein oder zwei Jahren wirst du mehr Zeit mit deiner Familie verbringen können. Denn ich glaube meine Zeit bei den Turnieren geht langsam ihrem Ende zu.“ Wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, sesshaft zu werden und Dinge des täglichen Lebens zu delegieren. Das war so… langweilig, ein anderes Wort fiel ihm dafür nicht ein. Noch dazu würde die ständige Anwesenheit seiner Mutter an seiner Seite ihn irgendwann einmal verrückt machen und damit hätte sie ihren Sieg. Oh, er liebte seine Mutter, aber sie machte ihn auch wahnsinnig. Und er würde eine Frau, die er den Rest seines Lebens an seiner Seite haben musste, sicher nicht auswählen wie eine Zuchtstute. Nach Status, Schönheit und vor allem Mitgift. Was er von seiner Zukünftigen erwartete wusste er nicht genau, aber er musste sich auf jeden Fall mit ihr unterhalten können, sie musste ein gewisses Maß an Intelligenz besitzen, ansonsten könnte er sich auch eine Puppe an seine Seite nehmen. Stellan hob eine Augenbraue. „Diesmal wirklich?“ Deacon nickte langsam. Ja, er hatte das schon einmal gesagt, aber diesmal meinte er es ernst. Im Grund war er sowieso schon ein Relikt auf Turnieren, im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern war er schon ein Greis. Er sollte aufhören, solange sein Körper noch unversehrt war. Jedenfalls an Stellen, die man sah. „Es wird deine Mutter freuen, das zu hören.“ Bei dieser Bemerkung verzog Deacon nur angewidert das Gesicht. „Ich mache das nicht ihr zuliebe. Und sie muss auch eigentlich gar nichts davon wissen.“ „Nein, natürlich nicht. Du bist ein kluger Junge, warst es schon immer.“ Stellan warf ihm einen Seitenblick zu und grinste. „Jedenfalls meistens. Wenn du nun aufhören willst, dann sicher nicht einfach nur aus einer Laune heraus. Aber es freut mich, dass du dich dafür entschieden hast.“ Tief seufzend erwiderte Deacon das Grinsen seines Freundes. „Jetzt ist es bewiesen, ich werde alt.“ Bei dieser Bemerkung klopfte ihm Stellan auf den Rücken, sodass er einen Schritt nach vorne stolperte. „Willkommen in meiner Welt. Aber keine Sorge das passiert jedem.“ „Das will ich auch hoffen. Ansonsten würde ich das sehr unfair finden.“ Deacon sah auf sein Zelt, das nun endlich gerade stand und sich mit denen der anderen Teilnehmer messen konnte. „Was hältst du davon, wenn wir uns nach dieser anstrengenden Arbeit einen Becher Wein gönnen? Dann kannst du mir auch von deinem Leid die Reise über erzählen.“ Stellan hob bei der Bemerkung über die anstrengende Arbeit eine Augenbraue. Dann fiel sein Blick auf die Ritter und Diener, die sich gemüht hatten, das Zelt aufzustellen und nickte. „Ja, warum nicht?“ Deacon machte eine einladende Bewegung zu seinem Zelt. Mitleid für seine Ritter hatte er nicht. Immerhin hätten diese die Arbeit ja beim ersten Mal richtig machen können, das wäre einfacher gewesen. Für das nächste Mal würden sie es wissen. Er würde sich auf jeden Fall nun einmal anhören, was sein Freund ihm zu erzählen hatte. Kapitel 6: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 6 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Jinan war auf dem Weg zu seinem eigenen Zimmer. Eigentlich war die Unterhaltung ja sehr gut gelaufen und er hatte bekommen, was er wollte. Oder besser, die Zustimmung, dass es ihm einmal gehören würde. Aber bestimmt würde er damit nicht hausieren gehen, dass könnte gefährlich werden. Vor allem für ihn, wenn die falschen Leute davon erfuhren. Dann könnte es sein, dass er die Auszahlung seines Erbes gar nicht erlebte. Obwohl es schon eine Genugtuung wäre, es ihnen zu erzählen. Nun, er würde das noch entscheiden. Jetzt freute er sich eigentlich nur mehr auf einen Becher Wein und etwas Entspannung. Etwas, das er hoffentlich in seinen Räumen finden würde. Gleich nachdem er sich von Anas Fortschritten überzeugt hatte, von denen es hoffentlich welche gab. Er öffnete die Tür zu seinen Räumen und sofort kam der von Raoul bereitgestellte Diener auf ihn zu. „Ihr habt Besuch.“ Ja, das sah er. Aber er konnte nicht sagen, dass er sich darüber freute. Da saß sie. An seinem Tisch und trank seinen Tee, den der Diener hoffentlich vergiftet hatte. Jinan wandte sich an diesen. „Danke. Du kannst vorerst gehen.“ Anas war noch immer im Raum, ganz bestimmt würde er nicht alleine mit ihr bleiben. Ein Skandal, den sie angezettelt hatte, reichte ihm. Inzwischen war er bereits alt genug, dass man ihm sogar eine Affäre mit ihr zutrauen würde. „Silvia, was willst du hier?“ Die Atmosphäre im Raum war in den letzten Sekunden so sehr abgekühlt, das sie leicht mit dem Klang seiner Stimme mithalten konnte. Wie konnte sie nur die Frechheit besitzen einfach bei ihm aufzutauchen? Zwar hatte es diesen Frauen nie an eben dieser gefehlt, doch das war nun wirklich die Krönung. „Jinan.“ Auch ihre Stimme war nicht wärmer, als sie die Teetasse übertrieben geziert auf die Untertasse zurückstellte. Sie musterten sich durch den Raum wie zwei zornige Raubtiere, die nur überlegten, wo sie ihre Krallen und Zähne gewinnbringend hineinschlagen konnten. So, dass es den Gegner besonders schmerzte. Allerdings war es Silvia, die als erstes wieder ihr falsches Lächeln aufsetzte und die Stille brach. „Aber, aber, ist das eine Art seine Stiefmutter zu begrüßen?“ Jinan ging zu einem Tablett, das auf einer der Kommoden stand und füllte sich ein Glas mit Wein. „Du bist nicht meine Stiefmutter, du bist ein Parasit, der in meine Familie eingeheiratet hat.“ Sie lachte gekünstelt amüsiert auf. „Wie ich sehe, hast du deinen Sinn für Humor nicht verloren.“ Ihr Blick legte sich kurz auf Anas. „Und auch deine Vorliebe für ungewöhnliche Menschen. Denkst du nicht, dass dieser Diener etwas zu auffällig ist?“ „Bist du hier, um mit mir über meinen Geschmack zu sprechen? Immerhin gebe ich dir auch keine Ratschläge diesbezüglich, obwohl du diese sicherlich gebrauchen könntest.“ Jinan setzte sich in einen Sessel ihr gegenüber. „Und im Gegensatz zu anderen Leuten ist er mir gegenüber loyal.“ Silvias Mine wandelte sich innerhalb eines Augenblicks. Nichts blieb mehr von ihrer bis eben gezeigten Freundlichkeit, die sowieso nur gespielt war. Nun sah sie ihn zornig an und machte gar keine Anstalten mehr, ihren Hass zu verbergen. „Gut, dann spielen wir doch mit offenen Karten. Ich will, das du von hier verschwindest.“ Nun war es an Jinan laut aufzulachen. „Du willst? Liebste Silvia, wann habe ich mich schon einmal darum gekümmert, was du willst? Niemals und das werde ich mich auch nie. Du hast nichts um mich zu zwingen wieder zu gehen.“ Es war eine Genugtuung, das so offen aussprechen zu können. Und es entsprach der Wahrheit. Er war rehabilitiert, niemand würde ihnen glauben, wenn sie wieder die gleichen falschen Vorwürfe gegen ihn vorbringen würden. Allenfalls würde es wieder Gerede geben, aber kein Urteil, denn das fällte allein der König. „Wie steht es mit dem Leben deines Vaters?“ Das zuckersüße Lächeln mit dem sie diese Drohung vorbrachte, würde jeden Dämon vor Neid erblassen lassen. „Das kannst du nicht.“ Jinans Stimme klang sachlich bei diesem Einwurf. Er war selbst erstaunt, wie emotionslos er diese Drohung hinnehmen konnte. Natürlich wünschte er seinem Vater nicht den Tod, doch hatte dieser auch nicht viel getan, um seine Liebe zu erringen. Trotzdem war dieser alte Mann noch immer sein Vater, den er respektierte und Zuneigung entgegenbrachte. Doch Jinan wusste, dass das, was er eben gesagt hatte, eine Tatsache war. Silvia konnte ihn gar nicht umbringen. „Was macht dich so sicher?“ Sie beobachtete ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg, die sie gerade zum Mund führte. „Oh, ich zweifle sicher nicht an deinen Künsten und deiner Kaltblütigkeit in dieser Hinsicht, Silvia. Zweifellos bist du dazu in der Lage, aber du kannst es nicht. Gerne erläutere ich dir auch die Gründe, ich will deinen Kopf ja nicht überanstrengen.“ „Oh ja, bitte erhelle mich.“ Ihre Worte waren ebenso spöttisch wie seine eben. Jinan seufzte nur leise und nahm einen Schluck von seinem Wein. Erst dann begann er mit seiner Aufzählung, dabei aber wieder ernst und jedes Wort auskostend. „Da wäre einmal die Tatsache, dass ich wieder da bin. Soweit ich weiß, bin ich noch nicht enterbt, deswegen würde mir alles zufallen und es ist klar, wen ich als erstes verjagen würde. Der Einzige, der dich davor bewahrt, ist mein Vater. Doch selbst wenn es nicht so wäre, kannst du es nicht. Wie alt ist Juan? Sieben, maximal acht Jahre? Er ist noch nicht in dem Alter, um meinen Vater zu beerben. Sonst hättest du das schon längst getan und mich als verschollen angegeben. Jedoch wenn er nun erbt, dann wird man einen Verwalter einsetzen, den du nicht manipulieren kannst und der bis zu Juans Volljährigkeit das alles verwaltet. Du brauchst meinen Vater, denn alleine bist du nur eine schwache, dumme Frau.“ Silvias Finger hatten sich bei diesen Worten fester um den Griff der Tasse verkrampft. Sonst ließ sie sich jedoch nichts anmerken. „Du fantasierst und nimmst meine Worte durchaus zu ernst. Immerhin liebe ich deinen Vater.“ „Nicht meinen Vater, sondern sein Geld.“ Lächelnd holte Jinan zum entscheidenden Schlag aus. „Aber es gibt noch einen, einen sehr gewichtigen Grund, warum du meinen Vater lebend brauchst. Ohne ihn bist du deinen Reichtum mit nur einem Schlag los.“ Nun schien sie hellhörig zu werden und sah ihn misstrauisch an. „Wie meinst du das?“ „Du magst es vielleicht nicht wissen, aber mein Vater verdankt seinen Reichtum der Mitgift meiner Mutter. Bevor er sie heiratete, war er nur ein Adeliger, der einen guten Namen vorweisen konnte. Er war nicht besonders reich, aber auch nicht arm. Meine Mutter brachte einige sehr lukrative Unternehmen mit in die Ehe. Unternehmen, die meinem Vater so viel einbrachten, dass er seine eigenen Unternehmen aufgeben konnte. Ihr alle lebt von der Mitgift meiner Mutter. Ich war gerade beim Prinzen und habe mit ihm ausgehandelt, dass diese Mitgift im Falle von Vaters Tod in jedem Fall mir zufällt. Oh, ihr könnt den Titel haben und das Schloss, aber die Salzmiene, die Eisenmiene, sowie das Kohlevorkommen auf dem sich ihre Dörfer befinden, fallen mir zu. Vaters Tod würde euch mit einem Schlag verarmen lassen.“ Dabei schnipste er mit seinen Fingern vor Silvias Gesicht um seine Worte zu verdeutlichen. Gut, er hatte es nicht sagen wollen und es war sicher nicht das klügste, es gerade ihr zu erzählen. Aber alleine ihr Gesichtsausdruck, als ihr langsam klar wurde was das bedeutete, war Gold wert. „Du lügst. Das kann er dir gar nicht versprochen haben.“ Jinan sah mit Genugtuung, wie Silvias einstudierte Fassade langsam Sprünge bekam. Sogar ihre Stimme zitterte mühsam beherrscht. „Warum? Weil du ihn so gut kennst? Der Kronprinz meinte für das, was mir angetan wurde, wäre das nur angemessen. Und ich stimme in dieser Hinsicht mit ihm überein. Aber mach dir keine Sorgen, Silvia, als verarmter Adelige stehst du nicht alleine da in diesem Land.“ Erbost sprang sie auf, die Tasse noch immer in ihrer Hand, doch den Inhalt hatte sie Jinan ins Gesicht geschüttet hatte. „Nichts wirst du bekommen, nichts!“ Gelangweilt gähnte Jinan und hielt sich dann das durchnässte Hemd etwas vom Körper. Bekümmert seufzte er tief. „Sieh nur was du getan hast, jetzt muss ich mich umziehen. Allerdings ist das nichts, das ich deinen Augen zumuten will. Anas, die Dame will gehen und nie wieder kommen.“ Bei den letzten Worten war sein Blick wieder so hart geworden wie am Anfang ihres Gesprächs. Anas trat zu der sowieso schon stehenden Dame und ergriff sie am Arm. Etwas das kein Diener jemals wagen würde. Glücklicherweise war Anas kein gewöhnlicher Diener. Silvia jedoch riss ihren Arm los. „Fass mich nicht an, du unzivilisierter Wilder.“ Mit hocherhobenem Kopf ging sie zur Tür. Bevor sie das Zimmer aber verließ, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Verlass diesen Ort, oder es wird dir Leid tun.“ Die Tür knallte hinter ihr ins Schloss. Anas sah ihr nach. „Das ist eine böse Frau.“ „Böse ist da deutlich untertrieben und viel zu vereinfacht.“ Wenn man sich jedoch Anas Wortschatz ansah, war böse wohl das schlimmste, das er kannte. Jinan stand auf und zog sich das Hemd aus. „Ich brauche ein Handtuch. Diese Frau neigt wirklich zu übertriebenen Gesten.“ Anas brachte ihm ein Handtuch und sah dann noch einmal zur Tür. „Sie ist deine Mutter?“ „Was?“ Der Blonde hielt in seinem Tun inne und folgte Anas Blick. „Sie? Nein, Gott behüte. Sie ist nur meine Stiefmutter.“ Anas Blick machte klar, dass er mit diesem Wort nichts anfangen konnte. Natürlich, er hatte es ihm nie beigebracht. „Sie hat meinen Vater geheiratet, nachdem meine Mutter verstorben ist.“ Was ein Fehler gewesen war, das hatte Jinan schon damals gesagt. Und da war er kaum mehr als ein Junge gewesen. Auch wenn es damals eher aus Loyalität zu seiner Mutter geschah, doch wie sich inzwischen gezeigt hatte, hatte er sich nicht geirrt, was diese Frau anging. Sie war, wie Anas so schön vereinfacht sagte, böse. „Sie teilt nicht dein Blut?“ Jinan schüttelte den Kopf. „Nicht einen Tropfen.“ Und darüber war er mehr als froh. Zwar kannte er seine Halbbrüder nicht, doch er wusste, was ihre Erziehung aus Alexa gemacht hatte. Aber vielleicht trugen das alle Frauen schon von Geburt an in sich? Die Priester verdammten sie doch und auch wenn er mit der Kirche nicht in vielen Punkten übereinstimmte, dafür hatte er zuviel gesehen und gehört, so könnte er ihnen in diesem Punkt zustimmen. Bis jetzt hatte keine Frau, die er kennengelernt hatte, ihn von ihren Vorzügen überzeugen können. „Was wird sie jetzt machen?“ Anas besorgter Blick lag noch immer auf der geschlossenen Tür, so als übe sie eine gewisse Faszination auf ihn aus. Jinan legte das Handtuch zu Seite und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wahrscheinlich wird sie versuchen mich zu töten.“ Diesmal konnte Anas seinen Blick von der Tür lösen und sah Jinan erschrocken an. „Wahrscheinlich?“ „Ich würde es.“ Es war erstaunlich, wie leicht ihm das über die Lippen kam. Er war kein grausamer Mensch und für ihn zählte ein Menschenleben eine Menge. Aber natürlich hatte auch er schon getötet, wenn auch nur in Notwehr. Obwohl wenn man es recht bedachte, war es hier auch Notwehr. Fressen oder gefressen werden und Jinan war lange genug Opfer gewesen, jetzt musste er Jäger werden. Oder untergehen und das stand für ihn nicht einmal zur Debatte. „Würdest du nicht.“ „Unterschätze mich nicht, Anas. Und unterschätze nicht meinen Hass auf diese Frau.“ Seine Stimme klang bei diesen Worten gefährlich ruhig. Innerlich schüttelte er jedoch den Kopf. Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Er würde es nicht, egal wie sehr er sie hasste. Sie zu ruinieren, indem er ihr die Grundlage ihres Reichtums entzog, war eine Sache, eine andere war sie zu ermorden. Außerdem würde ein schneller Tod ihn nicht befriedigen. Zehn Jahre hatte sie ihm gestohlen und nun bedrohte sie ihn auch noch. Nein, er wollte nicht ihren Tod, im Gegenteil er wünschte ihr ein langes Leben, damit sie auch begreifen konnte, was er ihr antun würde. Noch hatte sie alles, aber das würde sich ändern, irgendwann. Bis dahin musste er nur überleben und das würde er. „Trotzdem würdest du es nicht.“ Anas schüttelte entschlossen den Kopf, so als gäbe es darüber nichts zu diskutieren. Jinan seufzte besiegt und ließ die Schultern hängen. Soviel zu seiner Entschlossenheit und seinem gefährlichen Auftritt. Anas schaffte es jede Atmosphäre zu zerstören. „Nein, würde ich nicht.“ Bei dieser Antwort wirkte der Afrikaner zufrieden und nickte. „Der andere Mann… Piere.“ Als er diesen Namen aussprach, hatte seine Stimme einen fragenden Ton angenommen, so als sei er sich nicht sicher. „Hat einen Schneider bestellt?“ Auch hier wirkte er wieder unsicher. Jinan hörte ihm zu und versuchte sich daraus einen Reim zu machen. Piere war wohl der andere Diener und dieser hatte einen Schneider bestellt, wohl weil er seine unzureichende Garderobe bemerkt hatte. Vielleicht auch, weil Anas so nicht wirklich repräsentabel wirkte. „Das ist gut. Ich denke, wir brauchen beide etwas Neues anzuziehen.“ „Mehr Kleider?“ Noch immer wirkte Anas unsicher und diese Aussicht schien ihn auch nicht wirklich zu erfreuen. Wenn eine Frau das gehört hätte, würde sie vor Freude im Raum herumspringen. So gesehen waren Männer wirklich die besser Wahl, was die Gesellschaft anging. Jinan war das schon immer klar gewesen. Er klopfte seinem Freund und neuem Diener auf die Schulter. „Ja, Anas. Mehr Kleider und vor allem mehr Hemden.“ Das leise Stöhnen, das daraufhin von dem Dunkelhäutigen zu hören war, ließ ihn lächeln. Anas und ein Schneider, nun vielleicht nahm der Tag doch noch einen amüsanten Ausgang. Kapitel 7: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 7 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Gähnend nahm Deacon einen Schluck von seinem Wasser. Es war nicht gerade hilfreich um aufzuwachen, doch etwas Alkoholisches wollte er nicht zu sich nehmen. Am Ende musste er heute noch kämpfen. Wobei er das bezweifelte, bis jetzt hatte er am ersten Tag noch nie kämpfen müssen. Jedoch wollte er sein Glück für diesen Fall auch nicht überstrapazieren. Sein Diener kam in das Zelt und legte die Kleider bereit. Deacon glaubte nicht, dass er das ebenso gut konnte wie sein Knappe, denn es war nicht seine Aufgabe, doch er hoffte einmal auf das Beste. Deacon stellte den Becher ab und schlüpfte in Hemd und Hose. Danach ließ er sich in die gepolsterte Weste helfen. Er fand es unnötig, sich schon am ersten Tag so zu präsentieren, aber er wollte den anderen Rittern ja auch in nichts nachstehen. Selbst wenn er es nicht nötig hatte, so musste er sich und seine Familie würdig vertreten. Schließlich waren sie kein heruntergekommener Adel, sie konnten es sich leisten, angemessen aufzutreten. Sie mussten es sogar. Immerhin gab es den Spruch ‚Adel verpflichtet‘ nicht umsonst. Auch wenn das wohl eher für andere Dinge galt. Sein Diener hob das Kettenhemd und Deacon sah, dass ihm das schon einige Mühe bereitete. Wie würde er das dann erst bei den Rüstungsteilen anstellen? Leider konnte Deacon die Rüstung nicht alleine anlegen, dafür brauchte er eine helfende Hand. Sein Knappe könnte das blind, nur war dieser leider nicht hier. „Stellan?“ Er vermutete seinen Hauptmann vor seinem Zelt und wirklich steckte dieser nur wenige Augenblicke nach seinem Ruf den Kopf durch den Zelteingang. „Ja?“ Doch dann sah er den Diener und nickte nur verstehend. Diesem das Kettenhemd aus der Hand nehmend schickte er ihn aus dem Zelt. „Ich denke, dass wohl eher ich die Vertretung deines Knappen übernehmen werde. Jedenfalls was diesen Teil angeht.“ „Das wäre zumindest eine Erleichterung.“ Vor allem beruhigte es Deacon, wenn sich jemand um seine Rüstung kümmerte, der etwas davon verstand. Eine solche war immerhin nicht billig und es kostete genug, sie nach jedem Turnier ausbessern zu lassen. Mit Stellans Hilfe war die Rüstung schnell angelegt, zumindest so schnell wie das möglich war. Auch wenn Stellan jede Schnalle und jeden Gürtel kannte, und wusste wo die einzelnen Rüstungsteile hingehörten, war es doch eine Arbeit von einer halben Stunde, bis er fertig war. Danach fühlte sich Deacon einfach nur eingeschränkt und was seine Bewegungsfreiheit anging, war er das auch etwas. In eine Schlacht würde er nie derart ausgerüstet ziehen, einfach weil er so zwar bestens geschützt war, aber nur solange er keinem Feind ausweichen musste. Auch in der Arena würde er nicht so auftreten, aber heute ging es darum, eine gute Figur zu machen. Glücklicherweise ging es den anderen Kämpfern nicht anders. Stellan befestigte den Mantel an seiner Rüstung. „Fertig, so kannst du dich der Menge präsentieren.“ „Danke.“ Deacon ging los und verließ das Zelt. Um ihn herum war das Lager schon zum Leben erwacht. Knappen, ebenso wie Diener liefen herum, um den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Herren nachzukommen, Söldner saßen zusammen und unterhielten sich oder wagten ein Spiel, und Ritter, sowie Adelige waren dabei sich für das Turnier herzurichten. Manche vor dem Zelt, oder wie er bis eben noch im Zelt. Kurz nickte er seinem Nachbarn zu, der sich eben von seinem Knappen seinen Helm reichen ließ und seinen Gruß nur knapp erwiderte. Deacon kannte ihn, er kannte alle seine Nachbarn. Es war ihm schon öfters aufgefallen das es auch bei Turnieren eine Art Rudelbildung gab. Man lagerte immer bei seinen Landsleuten, diese kannte und verstand man. Deacon hatte nichts dagegen, aber es wirkte auch irgendwie, als wolle man unter sich bleiben, was man auch mit Arroganz gleichsetzen konnte. Nur war das eigentlich nur die Wahrheit, wie Deacon offen zugab. Sein Volk war arrogant, wenn er das auch nie laut aussprechen würde, soviel Patriotismus besaß er schon noch. Er machte sich auf den Weg zum Turnierplatz, wenn er auch wusste, dass er etwas früh war. Es war nicht so, dass er es an der Zeit sah, sondern an den Vorbereitungen seiner zukünftigen Konkurrenten. Viele von ihnen waren noch nicht einmal halb fertig, aber Deacon war es sowieso lieber, immer etwas früher fertig zu sein. Lieber zu früh, als zu spät, das entsprach am ehesten seiner Einstellung. Er kam zu Raouls Zelt, vor dem Shay stand, dieser war ebenfalls schon fertig eingekleidet. Auch wenn es bei ihm sicher nicht so viel Zeit gebraucht hatte die Rüstung anzulegen, da diese deutlich einfacher aussah. Einen Moment beneidete ihn Deacon darum, sie war sicher auch um einiges bequemer. Nun, so bequem Metall eben sein konnte. „Und? Wie weit ist er?“ Dabei bewegte er den Kopf Richtung Zelt. Shay zuckte mit den Schultern, zumindest nahm Deacon das an, da es unter dem Metall nicht so deutlich ersichtlich war. „Bevor ich des Zeltes verwiesen wurde, war er gerade beim Anlegen der Beinschienen.“ Dann konnte es ja nicht mehr so lange dauern. Zwar interessierte es Deacon auch, warum Shay des Zeltes verwiesen worden war, aber es ging ihn eigentlich nichts an, weswegen er sich die Frage verkniff. Geduldig stellte er sich zu Shay und ließ seinen Blick über die hier lagernden Teilnehmer gleiten. Das hier war eine deutlich andere Schicht, das sah man deutlich. Auch wenn er reich war, hier lagerten noch reichere Adelige als er, oder besser gesagt, wäre er in seinem Heimatland, würde er hier lagern. Dies hier war der Bereich für die königliche Familie und deren Günstlinge. Endlich hob sich die Zeltplane und Raoul kam heraus. Jedoch war er nicht allein und Deacon sowie Shay neben ihm verbeugten sich pflichtbewusst vor dem Kronprinzen. Dieser sah die beiden einen Moment verwundert an. „Anscheinend warten deine Bewunderer schon auf dich. Gewinnen werde trotzdem ich.“ Kurz nickte Casey Shay und Deacon zu, dann ging er Richtung Turnierplatz. „Das muss noch bewiesen werden und das weißt du.“ Raoul schüttelte nur den Kopf, während er seine Aufmerksamkeit wieder den beiden Wartenden zuwandte. „Shay, du kannst gerne schon vorgehen.“ Dieser nickte und verließ sie eben in Richtung Turnierplatz. War das nun ein Wink für den Jüngeren gewesen? Allerdings wüsste er nicht, was er mit Raoul zu besprechen hätte, das nicht auch Shay hören könnte. „Probleme?“ Erst jetzt fiel ihm auch der unzufriedene Gesichtsausdruck seines Freundes auf. Dieser schüttelte den Kopf. „Nicht mehr als sonst auch. Obwohl es diesmal eher Familienprobleme sind, wenn auch im sehr entfernten Sinn.“ „Ach? Will dich deine Verlobte nicht mehr?“ Grinsend stieß er seinen Freund an, was dieser aufgrund der Panzerung wohl kaum spürte. „Nein, das nicht. Es betrifft nicht meine Familie, oder Caseys. Eher meinen anderen Cousin, du erinnerst dich?“ Da gab es einige. Die königliche Familie hier war fast so verzweigt wie die Herrscherfamilie in seinem Land. Allerdings hatte er erst vor kurzem einen Cousin von Raoul kennengelernt. „Der vom Fest?“ Denn diesen würde er so schnell wohl nicht vergessen. Nicht bei der auffälligen Reaktion des Anderen auf ihn. „Ja. Aber das ist nichts was Außenstehende etwas angeht. Tut mir leid.“ Deacon winkte nur lässig ab. „Keine Sorge, in Familienangelegenheit will ich mich gar nicht einmischen. Allerdings kommt es mir nur Recht, wenn du abgelenkt bist, so kann ich dich leicht besiegen.“ Raoul grinste nun ebenfalls amüsiert. „Träum weiter.“ Inzwischen hatten sie sich in den Strom der Adeligen und Ritter eingereiht, die auf den Kampfplatz strömten. Eine bestimmte Ordnung gab es eigentlich nicht, denn diese nahm man sowieso von selbst ein. Wer nach Geld aussah, bekam einen Platz weiter vorne und wer nicht, musste eben hinten stehen. Deacon und Raoul blieben in der ersten Reihe stehen, was wohl nur daran lag, dass er neben Raoul ging. Diesen kannte hier schließlich jeder im Gegensatz zu ihm, der immer noch ein Fremder war. Nach einiger Zeit verebbten alle Gespräche und der König betrat das Podest auf dem er und seine Familie sowie engste Vertraute saßen. Deacon lauschte der Ansprache nur mit halbem Ohr. Eigentlich waren sie alle nur wegen der Auslosung hier, doch es war die Aufgabe eines jeden Herrschers oder Gastgebers ein paar Worte an die Teilnehmer zu richten. Doch im Gegensatz zu den Jahren zuvor war die Rede sehr kurz, dann begann die Auslosung. Sein Name kam ziemlich spät und sein Gegner war ein ihm unbekannter Lord. Jedoch war ihm sein Gegner eher egal. Diese Auslosung war sowieso manipuliert, da es nicht sehr gut wäre, wenn die favorisierten Gegner schon im ersten Kampf aufeinandertreffen würden. Die ersten Runden dienten dazu die Spreu vom Weizen zu trennen, oder besser die Anfänger von den richtigen Kriegern. Viel eher versuchte Deacon seine nächsten Gegner abzuwägen, wobei ihm etwas auffiel. Raoul war nicht dabei. Sein Blick glitt über die Tafel, bis er sein Wappen fand und folgte dem Weg seines Aufstieges. Sie kreuzten sich nicht! Casey und Raoul trafen zwar aufeinander, aber wenn er sich nicht gänzlich unfähig anstellte, dann hatte er gute Chancen ins Finale zu kommen. Deacons Herzschlag beschleunigte sich einen Moment. Dieses Jahr hatte er wirklich Chancen zu gewinnen, oder zumindest Zweiter zu werden, was aber keineswegs sein oberstes Ziel war. Deacon wusste nicht, ob er im Moment besonders dumm aussah, aber das war egal. Er musste einfach grinsen. Dieses Jahr konnte er wirklich gewinnen. Langsam lichteten sich die Reihen auf den Tribünen und ermöglichten es so auch Jinan wieder aufzustehen. Eigentlich hatte er von Anfang an gewusst. dass es keine gute Idee gewesen war Anas mitzunehmen. Seine dunkle Hautfarbe und seine Statur machten jedem klar, dass er nicht von hier war, weswegen man ihm manche Kommentare und Fragen gestattet wurden. Oder besser man traute sich nicht, ihn zu ermahnen. Nur für Jinan war es eben sehr anstrengend, das zu beantworten. Vor allem weil er viele Antworten selbst nicht wusste. Früher hätte er die Antworten sofort gewusst, doch heute erschienen ihm viele dieser ihn gelehrten Erklärungen nicht mehr richtig. Allen voran die Frage, warum man das machte, wenn man keinen Streit mit dem Anderen hatte? Früher wäre seine Erwiderung gewesen, wegen der Ehre und des Ansehens. Jetzt aber erschien ihm diese Antwort so hohl. Man sollte nur kämpfen um sich zu verteidigen, aber das hier geschah ja nur weil den Adeligen langweilig war. Natürlich verurteilte er sie nicht deswegen, die meisten von ihnen wussten nicht, wie hart es in der Welt war. Nur die wenigsten waren wahrscheinlich an einem Krieg beteiligt gewesen oder hatten schon einmal einen Toten gesehen. Für viele hier war das nur ein spielerisches Kräftemessen, für die Zuseher eine willkommene Abwechslung. Mit Anas hinter sich verließ er die Tribüne. Er war im Bereich der Bürger gewesen, sodass es etwas eng gewesen war. Die Adeligen saßen natürlich bequemer, aber zu diesen gehörte er nicht mehr. Eigentlich war er halb/halb. Er war kein Bürger da ihn seine Geburt schon zu etwas höherem bestimmt hatte und er war kein Adeliger, da er sich selbst nicht mehr als solchen sah. Daraus entstand ein Problem, denn es gab nichts dazwischen. Entweder man herrschte, oder man wurde beherrscht. Eine Zwischenstufe gab es nicht. Es war nicht so, dass Jinan den Stand der Dinge ändern wollte, es war immerhin kein schlechtes System, solange es funktionierte. Er wollte nur eine Sparte finden in der er so leben konnte wie er wollte, ohne von früheren Freunden, oder wichtigen Verbündeten schief angesehen zu werden. „Wohin gehen wir?“ Anas schien das alles nicht so Recht zu behagen, da er sich unruhig umsah. „Ich schätze einmal, wir gehen zurück zu unserem Zimmer.“ Da er keine Aufgabe hatte, war das wohl die einzige Möglichkeit. Solange er hier noch keine Arbeit hatte, gab es für ihn nicht viel zu tun. Natürlich konnte er sich mit anderen Dingen die Zeit vertreiben, aber erst wenn sich Anas an diesen Trubel gewöhnt hatte. Dann würde er mit ihm den Jahrmarkt besuchen, denn Anas bot alleine schon durch seine Anwesenheit einen guten Schutz. Auch wenn es einige Komplikationen gab, wie der Besuch des Schneiders gestern bewiesen hatte. Zuerst hatte Anas den Mann misstrauisch beäugt, als dieser mit Maßband und Messstock seine Größen bestimmt hatte und dann hatte ihn Jinan rasch davon abhalten müssen, den Mann zu schlagen, weil dieser ihn mit einigen Nadeln gepikst hatte. Natürlich unabsichtlich, wenn Anas still gestanden hätte, wäre das nie passiert. Aber es war schwer gewesen seinen Begleiter von einem Versehen zu überzeugen. So konnte Jinan es dem Schneider nicht einmal verdenken, dass er sich danach ziemlich rasch verabschiedet hatte. Jinan sah einen Mann auf sich zukommen, den er bereits kannte, an seiner Hand eine Frau führend. Auch diese kam ihm vage bekannt vor. Erst kurz bevor sie aufeinander trafen, fiel Jinan der Name des Mannes wieder ein. Er hatte ihn auf dem Fest getroffen, es war einer von Raouls Freunden. „Ich wünsche Euch einen guten Tag. Ich wusste gar nicht, dass Ihr der Eröffnung auch zuseht.“ Dabei warf Christian einen Blick auf die Tribüne. „Es freut mich auch Euch wiederzusehen, Lord Alrin. Ja, ich wollte meinem Diener mit den Bräuchen dieses Landes etwas vertrauter machen.“ Es war eine gute Ausrede, aber sie stimmte auch zum Teil. Zumindest hoffte er, dass es eine gute Ausrede war, auch wenn ihn der Blick von Christians Begleiterin etwas verunsicherte. Anders könnte er seine Anwesenheit auf dieser Seite der Tribüne kaum erklären, nicht ohne wieder als seltsam zu erscheinen. Auch Christian schien den Blickwechsel zu bemerken, da er sich räusperte. „Wo habe ich nur meine Manieren. Wenn ich vorstellen darf, das ist Lady Karen. Karen, das ist Jinan Edion.“ „Ja.“ Sie reichte Jinan ihre Hand, die dieser pflichtschuldig nahm und an seine Lippen führte. „Wir kennen uns bereits.“ „Ach?“ Christian sah seine Begleiterin überrascht an. „Ja.“ Sie lächelte freundlich, wobei ihre Augen Jinan wissend anblickten. „Es ist schon länger her und der Nachname war etwas anders, aber wir sind uns schon begegnet.“ Ihre Worte ließen Jinan erst einmal schlucken, sonst ließ er sich aber nichts anmerken. Er hatte ja gewusst, dass es irgendwann einmal passieren würde, natürlich würde man ihn erkennen. Das war ihm von Anfang an klar gewesen. Bis jetzt hatte er einfach nur Glück gehabt. Und er hatte ja nicht einmal sein Aussehen oder seinen Vornamen geändert, also was hatte er erwartet? „Auch wenn ich mich nicht an Euch erinnere, so ist das gut möglich.“ „Oh, ich war noch fast ein Kind, ebenso wie Ihr. Aber ich muss sagen, Ihr habt euch wirklich zu einem gutaussehenden Mann entwickelt.“ Jinan zwang sich zu einem Lächeln. „Vielen Dank, soviel Lob, noch dazu von einer so schönen Dame, bedeutet einem Mann sehr viel.“ „Ihr schmeichelt mir.“ Karen lächelte und tätschelte Christian den Arm. Dieser sah dem Ganzen nur verwundert, aber schweigend zu. Anscheinend befand er sich nicht das erste Mal in einer derartigen Situation. Anas tippte Jinan auf die Schulter. Als dieser sich umdrehte, deutete er mit einer Handbewegung auf einen Jungen, der etwas abseits stand. Da sein Blick auf ihn gerichtet war, gab es wohl keinen Zweifel, zu wem er wollte. „Ja?“ Fragend sah er den Jungen an. Dieser straffte sich bevor er einen Schritt näher trat. „Lord Trelain wünscht Euch zu sehen, Herr.“ „Ich komme gleich.“ Er hatte zwar keine Ahnung, warum Raoul ihn sehen wollte, aber es gab ihm eine gute Entschuldigung, dieser Situation und vor allem dieser Frau zu entfliehen. Dieser und Christian wandte er sich nun auch wieder zu. „Anscheinend werde ich woanders benötigt. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet?“ Es war eigentlich keine Frage, sondern eine Feststellung. „Natürlich.“ Christian wedelte nur mit einer Hand, ein Zeichen das es ihm einerlei war. „Sehr schade. Aber ich bin sicher, dass wir uns bald wiedersehen werden.“ Karen öffnete ihren Fächer geübt mit einer Hand und fächelte sich Luft zu. Nicht wenn er es verhindern konnte. Doch er nickte nur zustimmend und ging dann in Richtung Raouls Zelt. Erst in einiger Entfernung wurde er langsamer, um es dem Jungen zu ermöglichen ihn zu führen, da ihm er ja gar nicht wusste, wo sein Freund lagerte. Nur kurz drehte er sich um, aber von Christian und seiner Begleiterin war nichts mehr zu sehen. Wer war diese Frau? Nun Jinan nahm sich vor, das herauszufinden. Kapitel 8: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 8 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Dank des Dieners war es einfach Raouls Zelt zu finden. Alleine hätte er sich sicherlich rettungslos verlaufen. Anscheinend folgte die Anordnung der Zelte einem bestimmten Muster, das es zu seiner Zeit noch nicht gegeben hatte. Allerdings hatte sein Vater auch nie erlaubt, dass er in einem Zelt nächtigte. Das gehörte sich für jemanden seines Standes nicht, war sein Argument gewesen. Nach all der Zeit fiel Jinan auf, dass dieses Argument für viele der Verbote seines Vaters die Begründung gewesen war. Jedoch hatte er sich auch früher schon die Frage gestellt, wer diese Regeln eigentlich aufstellte. Wer bestimmte, was sich für Angehörige der verschiedenen Stände geziemte? Wahrscheinlich war das nur eine ein andere Art für: Ich weiß es nicht, aber mach es auch nicht, gewesen. Hier jedoch schien alles einem gewissen Muster zu folgen, es wirkte für Jinan wie eine kleine Stadt. Nicht besonders wehrhaft, aber einer gewissen Anordnung folgend. Zumindest sah er viele Wappen von bedeutenden Familien dicht nebeneinander, jedes jedoch eingerahmt von weiteren Zelten seiner Gefolgsleute. Aber man blieb auch hier unter sich. Nur weil man nicht im Schloss war, hieß das nicht, dass man sich mit niederem Adel oder gar Bürgerlichen abgeben musste. Auch das zeigte Jinan wieder, wie wenig er in ein derart traditionelles System passte. Gab es hier für ihn überhaupt einen Platz? Vor Raouls Zelt blieb der Diener stehen und deutete ihm zu warten. Jinan hatte es nicht eilig, da er ahnte worum es ging. Es wäre seltsam, wenn Raoul nichts davon mitbekommen hätte, der Hof war voller Spione. Sein Blick fiel auf Anas, der sich fasziniert umblickte. Jinan fand das nicht verwunderlich, immerhin war das eine völlig fremde Welt für ihn. Gerade deswegen war wohl auch eine Warnung angebracht. „Fang hier bloß mit niemand Streit an.“ Anas sah ihn fragend und auch etwas unschuldig an. Jinan wertete das als eine Zustimmung. Nicht dass er Angst um Anas hatte, aber man musste sich nicht gleich Feinde machen. Jedenfalls nicht, wenn diese zu den einflussreichsten Männern des Landes zählten und genug Männer in ihrem Dienst hatten, die wussten wie man ein Schwert führte. Denn nur weil man einflussreich war und ab und zu eine Rüstung trug, hieß das nicht, dass man automatisch wusste, wie man ein Schwert anfassen sollte ohne ein Körperteil zu verlieren. Die Zeltplane öffnete sich und der Diener deutete Jinan einzutreten. Als er der Aufforderung folgte, deutete er Anas gleichzeitig vor dem Zelt zu warten. So stellte er auch gleich sicher, dass niemand von außen lauschte. Wobei dieses Gespräch sicher kein Geheimnis war. Wenn es sich wirklich um das handelte, was er glaubte, dann war darüber sicher schon der halbe Hof informiert. Raoul erwartete ihn zwar, wie man an dem bereitstehenden Weinbecher sah, aber wirkliche Aufmerksamkeit schenkte er ihm nicht. Jinan erwartete das auch nicht, sondern setzte sich, während er Raouls Knappen zusah, wie er seinen Herrn aus der Rüstung schälte. Was für ein Aufwand für eine Viertelstunde Ruhm. Und was für eine Quälerei wenn einige Teile der Rüstung nach dem Kampf verzogen waren, denn dann fing der Spaß erst richtig an. Jinan konnte bei dem Gedanken ein wenig Schadenfreude nicht vermeiden, weil er aus Erfahrung wusste wie das war. Auch wenn man zu einem guten Kämpfer ausgebildet hatte, so bekam man ab und an einen Schlag ab. Vor allem wenn man nach Regeln und in festgelegter Kleidung kämpfen musste. Bei einem Straßenkampf gab es beides nicht, da durfte man sich aber auch nicht treffen lassen. Aus alter Gewohnheit roch Jinan an dem Wein, bevor er einen Schluck davon nahm. Er war vorsichtig bei allem das bereitstand, wenn er von seinem alten Freund auch keinen Giftanschlag vermutete. Noch dazu wo er so viele Mühen auf sich genommen hatte, um ihn wieder in dieses Land zu bringen und in die Gesellschaft zu integrieren. Erst als Raoul auch das letzte Rüstungsteil abgelegt und seine Diener hinausgeschickt hatte, sah er zu Jinan. Seufzend ließ er sich ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken, den einzigen, den es in diesem Zelt noch gab. „Was soll ich nur mit dir machen?“ „Wenn du mir den Grund meines Hierseins nennst, kann ich dir darauf vielleicht antworten.“ Schon in frühester Kindheit hatte Jinan gemerkt, dass es immer besser war zuerst zu fragen weswegen man gerügt wurde, anstatt alle möglichen Taten zuzugeben, die noch gar nicht aufgeflogen waren. Und wenn etwas in der Kindheit funktioniert hatte, dann würde das im Erwachsenenalter sicher auch nicht schaden. „Weißt du das nicht schon längst?“ Der Schwarzhaarige lächelte schwach, während er nach dem Weinkrug griff und sich einen Becher einschenkte. „Ich rede von Silvia.“ „Oh, mein Lieblingsthema. Darüber lässt es sich so gut das Maul zerreißen.“ Jinan lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Also hatte er mit seinen Vermutungen Recht gehabt. Wie gut, dass sein Instinkt in dieser Hinsicht nicht eingerostet war und wie gut, dass das Gefüge des Hofes noch immer so gut arbeitete, wie er es in Erinnerung hatte. „Das ist nicht lustig. Ich habe dich doch erst gestern darum gebeten, ihr aus dem Weg zu gehen.“ Hier konnte Jinan nur mit den Schultern zucken. Es war doch nicht seine Schuld, dass sie ihm in seinen Gemächern aufgelauert hatte. Immerhin hatte er sie weder dazu aufgefordert noch eingeladen, ja er hatte nicht einmal ein Wort mit ihr gewechselt. Jedoch war deutliche Abneigung noch nie ein Hinderungsgrund für diese Frau gewesen. Er wusste nicht, woher sie diese Selbstsicherheit nahm, aber Silvia schien der Meinung zu sein, dass die ganze Welt sich nur um ihrem Willen drehte. Unverständlich, aber eine derartige Anmaßung überraschte Jinan bei ihr nicht. „Ja, das hast du. Leider hat wohl jemand vergessen Silvia davon in Kenntnis zu setzen, denn nach meiner Rückkehr von euch wartete sie schon auf mich. Wobei ich darüber ganz und gar nicht erfreut war.“ „Das weiß ich doch.“ Raoul machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber worüber habt ihr geredet?“ „Fragst du das aus Neugier, oder steckt ein tieferer Grund dahinter?“ Denn Jinan sah keinen Grund seinem Freund die doch sehr privaten Dinge zu verraten, die er mit Silvia besprochen hatte. Der Andere wirkte mit einem Mal sehr ernst. Er beugte sich etwas über den Tisch, so als würde er ihm nun ein Geheimnis verraten wollen. „Ich frage das, weil ich wissen muss, worauf ich mich vorbereiten muss. Welche Schritte ich einleiten muss, um deine Sicherheit zu garantieren.“ „Oh, wir haben uns nur gegenseitig klar gemacht, wie sehr wir uns hassen.“ Das entsprach sogar der Wahrheit. Auch wenn das niemand glauben würde, so freimütig wie er das zugab. Nur war Raoul nicht so wie die anderen Menschen und anders als diese kannte er auch die Hintergründe. „Und? Wie weit reicht euer Hass?“ Jinan lächelte nur amüsiert. „Sie will mich umbringen.“ Raoul hob zweifelnd eine Augenbraue, allerdings wirkte es eher so, als zweifle er an Jinans Verstand. „Und das findest du amüsant? Kein bisschen beunruhigend?“ „Ja. Ich finde es amüsant, dass sie glaubt, etwas vollbringen zu können, an dem viele andere Männer gescheitert sind.“ Natürlich war er nicht halb so unbekümmert wie er sich gab. Er wusste wie groß die Bedrohung war, die von Silvia ausging, aber auch, dass sie vieles versprach, aber nie Taten folgen ließ. Eine Schwäche, die sie mit vielen Frauen teilte. „Also ich finde das keineswegs amüsant. Ich finde es sogar sehr beunruhigend. Immerhin hat sie es schon einmal geschafft, dich aus diesem Land zu verbannen. Aber damit scheint sie sich diesmal nicht zufriedenzugeben.“ „Ein zweites Mal würde sie es auch nicht schaffen. Man hat sie schon einmal der Lüge überführt und man glaubt keinem Lügner ein zweites Mal.“ Der Schwarzhaarige seufzte tief. „Doch hier schon. Dieser Hof lebt von Lügen, sie halten ihn am Leben. Man würde jede Lüge glauben, wenn sie nur ein wenig Abwechslung bietet. Das solltest du aber wissen.“ „Ja, aber es ist nicht der Hof, der Urteile fällt, sondern der König. Und es sieht nicht gut aus, wenn man jemanden verbannt, den man zuvor erst wieder rehabilitiert hat.“ Das sah stark nach Unsicherheit aus, oder nach einem Fehler. Und was ein Volk gar nicht mochte, war ein schwacher Monarch. Das sah auch nicht gut in der Außenpolitik aus. Jinan wusste das, denn er war durch viele Länder gereist, in denen das Volk unsicher war, was die Stärke ihrer Herrscher anging und das schürte die Unruhen. „Ich würde ihm auch nicht dazu raten.“ Raoul machte nur eine unwillige Handbewegung. Diese Bemerkung rang Jinan nur ein kurzes Lächeln ab. Natürlich würde er das nicht. Es wäre auch kein sehr kluger Rat. Wenn Casey es schon nicht wusste, dann wusste zumindest Raoul wie Diplomatie funktionierte, seine Familie hatte das einfach im Blut. Das hatte zumindest immer sein Vater behauptet und er konnte Raoul bis jetzt nichts Gegenteiliges nachweisen. „Und? Du bist nun im Bilde, kannst du die Gegenmaßnahmen treffen, die dich zufriedenstellen?“ „Nein, das nicht, aber vielleicht welche, die dir das Leben retten.“ Jinan lächelte und leerte seinen Becher. Er war vorsichtig, aber wenn Raoul zusätzlich noch jemanden zu seiner Bewachung abstellte, konnte es sicher nicht schaden. Es wäre zumindest eine gewisse Abschreckung. Nur unter dem Schutz des Königs zu stehen hatte noch nie einen Mann vor dem Tod bewahrt, wenn der Mörder zu allem entschlossen war. Die Frage war nur, ob Silvia so viel Mut besaß? „Dann danke ich dir bereits im Voraus für deine Hilfe.“ Damit stand Jinan auf und verließ das Zelt. Vor dem Zelt hatte sich nicht viel geändert, es waren nicht weniger Leute unterwegs, sondern eher mehr. Er fand Anas neben Raouls Zelteingang, sein Blick richtete sich allerdings zu Shays Zelt. Es dauerte einen Moment bevor Jinan begriff, was Anas so faszinierte. Vor Shays Zelt stand ein Mann, der eine ebenso dunkle Hautfarbe hatte wie Anas. Wobei das nicht stimmte. Man sah ihm seine Abstammung nicht so stark an wie Anas. Für Jinan wirkte das eher nur wie eine etwas zu stark gebräunte Haut, aber er war an den Anblick von Menschen wie Anas gewöhnt. Er legte seinen Freund eine Hand auf die Schulter. „Was? Dachtest du, du bist der Einzige hier?“ „Ich…“ Anas schien nach den richtigen Worten zu suchen. Nach einigen Augenblicken schüttelte er jedoch den Kopf und gab auf. „Das habe ich nicht erwartet.“ Jinan eigentlich auch nicht, jedenfalls nicht hier, aber es gab eben immer wieder Überraschungen. Und vielleicht war man hier doch weltoffener als er angenommen hatte. „Komm gehen wir zurück. Wir haben hier nichts mehr zu suchen.“ Anas nickte und folgte Jinan. Wie der Blondhaarige jedoch merkte, nicht ohne dem Anderen noch einige Seitenblicke zuzuwerfen. Den gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen, war doch etwas schwieriger, als er das in Erinnerung hatte. Jedenfalls war ihm in seiner Jugend das alles nicht so ermüdend vorgekommen. War es wirklich schon immer so langweilig gewesen? Jinan nippte an seinem Weinglas. Wahrscheinlich lag es an dem übermäßigen Alkoholgenuss, dem er früher immer gefrönt hatte. Er gab zu, dass er oft mehr getrunken hatte, als gut gewesen war, doch sein Vater hatte immer darauf geachtet, dass er nicht zu sehr über die Strenge schlug. Wenn man selbst auf sein Benehmen achten musste, verdarb es einem den ganzen Spaß. Noch dazu kamen ihm die Gespräche, die er bis jetzt geführt hatte so hohl vor. Nicht dass ihn übermäßig viele Leute ansprachen und er ging von sich aus nicht auf fremde Leute zu, aber es waren meistens nur Frauen, die sich ihm näherten. Und dann versuchten sie meistens ohne großes Geschick herauszufinden, wer er war. Eigentlich müssten sie dazu nur zu Silvia gehen, die ihm schon den ganzen Abend lang über den Saal hinweg finstere Blicke zuwarf. Nun schien ihre Aufmerksamkeit jedoch auf etwas anderes gerichtet zu sein. Jinan folgte ihrem Blick mit mäßigem Interesse. Doch was er sah, ließ ihn doch belustigt lächeln. Alexa hatte es scheinbar geschafft, ihren Zwilling ausfindig zu machen und versuchte nun ihre Reize gewinnbringend auszuspielen. Damit hätte sie wahrscheinlich auch Erfolg, wenn er die Blicke ihres Gegenübers deutete. Und so gerne er auch einen weiteren Mann in ihre Falle tappen sähe, so wollte er ihr nicht unbedingt einen Triumph gönnen. Wenn sie es nun schaffte einen reichen Ehemann zu finden, dann war sein Racheplan wertlos. Mit einem freundlichen Lächeln ging er in die Richtung der beiden. Da er sich von hinten näherte, war es Alexa, die ihn zuerst sah. Man sah wie sich ihre Augen erschrocken weiteten. Ja, sie sollte ruhig Angst vor ihm haben, das befriedigte zumindest seine Schadenfreude ein wenig. Und wenn er sie alleine in die Finger bekam, würde er ihr ein paar Takte erzählen. Gerade als er bei ihnen ankam, hauchte sie ein gekünsteltes: „Es war mir ein Vergnügen“ und eilte wieder an die Seite ihrer Mutter. Für eine Frau, die fast in seinem Alter war, war das ein sehr kindliches Benehmen und zeigte nur, wie sehr sie unter dem Einfluss ihrer Mutter stand. Als er aufsah, bemerkte er den missbilligenden Blick von Deacon. „Ihr habt sie verscheucht.“ Jinan behielt sein Lächeln bei. „Wie ich sehe, habt Ihr meine Stiefschwester bereits kennengelernt.“ „Eure Stiefschwester?“ Er wusste nicht, was Raoul dem Schwarzhaarigen über sich erzählt hatte, aber es war wohl nicht die Wahrheit gewesen. Oder nicht die ganze, ansonsten würde er ihn nun nicht so verwirrt mustern. Doch dann schienen antrainierte Reflexe wieder zum Einsatz zu kommen. „Wir haben nur geredet.“ Jinan wirkte nur beiläufig ab. „Keine Sorge. Wenn ich wüsste, dass sie ihre Unschuld noch besäße, würde ich sie Euch sogar auf dem Silbertablett anbieten. Das Letzte was ich will, ist sie in Schutz nehmen oder mich um ihre Ehre kümmern.“ Deacon sah Alexa verwundert nach. „Ihr redet nicht sehr schmeichelhaft über Eure Schwester.“ „Weil sie keine Schmeicheleien nötig hat. Außerdem kommt sie von einem Zweig der Familie, auf den ich nicht sonderlich stolz bin.“ Ein Zweig von dem er hoffte, dass er bald zu faulen begann, aber das lag noch nicht in seiner Hand. „Dann habt Ihr uns unterbrochen, weil…?“ So ganz schien der Schwarzhaarige das nicht zu verstehen. „Weil ich nicht will, dass sie Erfolg hat.“ Mit einem Lächeln sah er wie Silvia ihn todbringend ansah. Interessant und er hatte nicht gedacht, dass sich der Hass in ihrem Blick noch steigern konnte. Doch dann bemerkte er den fragenden Blick mit dem ihn Deacon maß. So ließ er sich zu einer Erklärung herab, die ja eigentlich offensichtlich war. „Ich will nicht, dass sie einen reichen Ehemann findet. Nur weil man einmal das Bett mit ihr teilt, sollte man nicht gezwungen sein, den Rest seines Lebens an sie gekettet zu sein. Ich kenne sie, das wird mit der Zeit sehr langweilig und vor allem kostspielig.“ „Dann bin ich Euch wohl zu Dank verpflichtet.“ Ein letztes Mal sah er zu Alexa, bevor er sich endlich von ihr losreißen konnte. Jinan verdrehte die Augen. War er auch einmal so gewesen? Das war ja schlimm. Kein Wunder, dass man dann die Anschuldigungen gegen ihn geglaubt hatte, wenn er ihr zuvor wirklich wie ein liebestoller Hund nachgelaufen war. „Nicht der Rede wert, wie gesagt, es diente meinen eigenen egoistischen Zielen.“ Ansonsten hätte er sich von diesem Mann sicherlich fern gehalten. Immerhin entsprach er noch immer seinen eigenen Idealen und bis jetzt hatte er keinen Fehler entdecken können. Dass er ein Auge auf seine Schwester geworfen hatte, zählte in diesem Fall nicht, schließlich hatte er das selbst auch getan. Wenn es auch schon einige Jahre her war. Aber Jinan war niemand, der eine Möglichkeit ungenutzt verstreichen ließ. „Jedoch könntet Ihr mir auch in einer Sache behilflich sein.“ „Ach und die wäre?“ Deacon nahm sich ein Glas vom Tablett eines vorbeieilenden Dieners. „Dies ist seit langen das erste Turnier, das ich besuche. Dementsprechend bin ich was die Favoriten angeht nicht auf dem Laufenden. Ich habe Raoul gefragt, aber bei ihm scheint da der Patriotismus zuzuschlagen, da seine Favoriten nur aus seinen Landsmännern bestehen.“ Die auch seine waren, aber das war dann keine sehr aussagekräftige Aufzählung. „Ah, es war ja klar, dass er mit so einem Irrtum kommt.“ Deacon grinste frech. „Die besten Kämpfer sind natürlich Engländer. Und ich kann Euch auch genug erzählen, um Euch davon zu überzeugen.“ „Aha.“ Jinan wirkte nicht sehr überzeugt davon, aber es war auf jeden Fall besser, als gelangweilt herumzustehen. Im Grunde bekam er nun wohl das Gleiche zu hören wie von Raoul, nur in einer anderen Version. Kapitel 9: ----------- Titel: Love me,… Lord? Teil: 9 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Zufrieden steckte Jinan die eben gewonnen Münzen ein. Nicht, dass er die Kämpfer gekannt hatte, doch Dank Deacons Worten hatte er zumindest erahnt, wer gewinnen würde. Alles in allem war das Gespräch mit dem Engländer nicht unangenehm gewesen. Und auch seine ersten Befürchtungen hatte sich nicht bestätigt. Auch wenn Deacon vom Aussehen her seinen Vorlieben entsprach, so gab es keine Probleme. Deacons ganze Aufmerksamkeit galt dem weiblichen Geschlecht und Jinan wusste wann eine Schlacht aussichtlos war und ließ sich erst gar nicht darauf ein. Noch dazu hatte er nicht vor, sich hier in amouröse Abenteuer verstricken zu lassen, das brachte nur Probleme mit sich und diese wollte er vermeiden. Er hatte sowieso schon genug davon, da er sich seit seiner Ankunft hier nicht sonderlich viele Freunde gemacht hatte. Auch wenn Raoul versucht hatte ihm diese zu verschaffen, so hatte Jinan nicht sonderlich viel Wert darauf gelegt. Aber so alleine stand er ja nicht da, er hatte immerhin Raoul und Anas. Nein, er hatte Raoul, das reichte. Wo er schon an Anas dachte, wo war dieser schon wieder? Vor wenigen Momenten war er noch an seiner Seite gewesen und nun war er wie vom Erdboden verschluckt. Dabei musste er in einer solchen Menge doch auffallen. Seinen Blick über die Menschenmassen streifen lassend, fand er seinen Freund auch. Er war einfach stehengeblieben, aber glücklicherweise konnte man ihn dank seiner Größe nur schwer übersehen. Jedenfalls normalerweise, hier aber tummelten sich eine Menge Ritter aus verschiedenen Ländern und darunter gab es natürlich auch einige Hünen. Und all diese Riesen waren vor einem Zigeuner stehengeblieben, der die Saiten eines seltsamen Instruments zupfte. Aber die Aufmerksamkeit der Männer galt natürlich nicht ihm, sondern der Zigeunerin, die zu der Musik tanzte. Jinan verdrehte die Augen und ging den Weg wieder zurück, bis er neben Anas stand und diesen am Arm packte. Warum nur vergaßen die meisten Männer ihren Verstand, wenn sie eine schöne Frau sahen? Das brachte einem nur Probleme, er wusste das. Anas folgte ihm stolpernd. „Sie hat schön getanzt.“ War das nun seine Rechtfertigung? Es klang nicht wie eine, aber Anas war darin noch nie gut gewesen. „Ja, das muss sie auch. Damit man auf sie sieht, während ihre Freunde die Taschen der Idiotien leeren, die ihr zusehen.“ Anas griff sich an die Hüfte. „Ich habe keine Taschen, auch keine Beutel.“ „Ja, wobei du einer der wenigen bist. Ich habe dir doch gesagt, du sollst bei mir bleiben. Jedenfalls hier.“ Er ließ die Hand des Anderen wieder los. Anas nickte und wirkte betreten. „Ja.“ Jinan seufzte leise. „Hör zu Anas. Du musst mir nicht gehorchen, aber hier wäre es einfach besser, wenn du an meiner Seite bleiben würdest. Oder dich an das hältst, was ich dir sage.“ Er kannte diese Welt einfach besser als sein Freund. Wobei er das auch nicht unbedingt als Vorteil bezeichnen würde, immerhin hatte er dieser Welt seine Kindheit geopfert. „Das mache ich ja. Es gibt nur so viel Neues hier. Aber jetzt werde ich nicht mehr von deiner Seite weichen.“ Dabei machte der Andere ein erstes Gesicht. Das war nicht unbedingt das, was er wollte. Schließlich hatte Jinan hier Pläne, in die er den Schwarzhaarigen nicht hineinziehen wollte. Das war ganz alleine seine Privatangelegenheit. Wenn er unterging, wollte er Anas nicht mitziehen und wenn er siegte, nun dann war es auch für Anas nicht von Nachteil für die Zeit, die er an seiner Seite bleiben wollte. Aber er hatte sicher nicht vor, sich einfach so töten zu lassen. „Gehen wir zurück. Heute wird hier nichts mehr passieren.“ Die Kämpfe, die nun kamen, waren nur von unbedeutenden Adeligen, oder Schwertkämpfern, die ihr Geschick mit Anderen messen wollten. Oder die von ihren Eltern dazu gezwungen wurden. Er kannte das nur zu gut. Und auch wenn er Mitleid mit ihnen empfand, so hatte jeder dieser Jungen die Möglichkeit sich gegen seinen Vater zu stellen. Wenn auch nur theoretisch. Denn wenn man die Realität betrachtete, dann war jeder von ihnen von seinem Vater abhängig. Finanziell und auch was ihren Rang anging. Alle hier waren Erben, nur so mächtig wie ihre Väter es ihnen erlaubten zu sein. Töchter schlugen sich um diese Männer und hofften nach der Hochzeit auf den schnellen Tod der Schwiegerväter. Wenn der Ehegatte nicht schon selbst Pläne für das Ableben seines Vaters schmiedete. Das Leben als Adeliger, oder dessen Sohn war nicht leicht. Und es änderte sich nie etwas, da jeder bei seinen Nachkommen demselben Ablauf folgte. Jinan selbst war froh, dass er niemals einen Sohn haben würde, bei dem er die gleichen Fehler machen konnte. Ein Vorteil, wenn man keine Kinder zeugen wollte. Das Gedränge von Menschen lichtete sich, je näher sie dem Schloss kamen. Es hielten sich nur wenige Leute hier auf. Diener, die ihren Pflichten nachkamen, Wächter, die ihren Wachdienst absolvierten, wenn auch nur mit halber Aufmerksamkeit und einige Adelige, die für sich einen Zeitvertreib suchten, das Turnier derzeit aber ermüdend fanden. Jedenfalls schätzte er die paar Damen die seinen Weg kreuzten, so ein. Er selbst schlug, immer noch gefolgt von Anas, den Weg zu seinem Zimmer ein. Es war nicht weit, denn auch wenn er ein Quartier bekommen hatte, so war es nicht in der besten Position, doch Jinan war froh über jedes Bett, das er sein Eigen nennen konnte. Kurz bevor er die Tür öffnen konnte, wurde die Klinke jedoch von innen betätigt und der für ihn bereitgestellte Diener tauchte im Türrahmen auf. Schon der überraschte, etwas verängstigte Blick des Jungen ließ Jinan nichts Gutes ahnen. „Es tut mir leid, aber er ließ sich nicht aufhalten. Ich werde Wein holen.“ Damit drängte er sich an Jinan vorbei, aus dem Zimmer. Mit einem verwunderten Blick sah er dem Jungen nach. Es gab nur wenige, die einen Diener so verstören konnten und keinen davon wollte er in seinen Räumen haben. Aber Dank des Dieners wusste sein Gast ja nun, dass er da war, also musste er ihn wenigstens begrüßen, bevor er ihn wieder zum Gehen drängte. Jinan öffnete die Tür etwas weiter und erstarrte im Schritt. Sein eben noch etwas verwunderter Gesichtsausdruck wich innerhalb einer Sekunde einer kalten Maske. Der Mann, der im Raum stand und offensichtlich auf ihn wartete, hatte ihn natürlich bemerkt und sah ihm entgegen. So gab er dem Blondhaarigen die Gelegenheit sein Gesicht genau zu mustern. Es war kein Wunder, das der Diener geflüchtet war, denn diesem Adeligen sah man die Arroganz und Härte an, die nur mehrere Generationen Aristokratie schaffen konnten. Die braunen Augen standen im starken Kontrast zu den blonden Haaren, die schon von weißen Strähnen durchzogen wurden. Aber auch wenn sein Gegenüber schon alt war, so sah man ihm noch die Kraft an, die dieser Mann in seiner Jugend besessen haben musste. Selbstsicher stand er ihm Raum, so als würde er ihm gehören und musterte Jinan abschätzend. Erst nach einigen Momenten eindringlicher Musterung erhob er die Stimme. „Du siehst gut aus.“ Jinan überwand seine Überraschung und trat nun vollends in den Raum ein. Kurz und knapp verbeugte er sich vor dem Mann. „Euer Besuch ehrt mich, Lord Hals. Es freut mich Euch bei bester Gesundheit vorzufinden, Vater.“ Sein Vater nickte, zufrieden mit dieser Begrüßung. „Dir scheint es auch gut ergangen zu sein.“ Jinan nickte zustimmend und setzte sich in einen Sessel. Mit einer Handbewegung deutete er seinem Vater auch Platz zu nehmen. Es war nicht so, dass er seine Gesellschaft schätzte, aber er hegte auch keinen Hass gegen ihn. Es war nicht so wie bei Silvia, die er hasste. Sein Vater hatte nur den Fehler gemacht, die falsche Frau zu heiraten, daraus konnte ihm niemand einen Vorwurf machen. Bei vielen Männern setzte der Verstand aus, wenn eine Frau ihre Reize richtig einzusetzen wusste. Sein Vater kam der Aufforderung nach, doch sein Blick lag auf einem Punkt hinter Jinan. Dieser drehte sich um und folgte der Richtung in die sein Vater blickte. Dort sah er Anas, der neben der Tür stand, die er hinter ihnen geschlossen hatte. Jinan lächelte und nickte dem Anderen zu. „Mir droht keine Gefahr, du kannst dich um deine Pflichten kümmern.“ Anas zögerte kurz, ging dann aber ohne ein weiteres Wort oder Reaktion in Jinans Schlafzimmer, wo er die Tür hinter sich schloss. Der Blondhaarige wandte sich wieder seinem Vater zu. „Ja, es ist mir gut ergangen, Dank deiner großzügigen Unterstützung.“ Auch wenn er es versuchte, so war der Sarkasmus in seinen letzten Worten kaum zu verbergen. Es war eine großzügige Unterstützung, doch wenn sein Vater anders gehandelt hätte, wäre er niemals darauf angewiesen gewesen. „Es freut mich zu hören, dass du sie immer erhalten hast.“ Und er meinte das wirklich ernst. Jinan konnte es kaum glauben. Erst ließ er zu, dass sein Sohn verbannt wurde und wenn er dann wieder zurückkam, drückte er nur seine Freude darüber aus, dass sein Geld immer ans Ziel gelangt war. „Vater, du bist doch nicht hier, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen? Ich bin seit einigen Tagen hier, sicher weißt du schon von acht anderen Stellen, wie es mir geht. Vor allem da mich Silvia bereits aufgesucht hat.“ „Ja, sie sagte auch, dass es dir gut geht. Wenn auch mit seltsamem Unterton, weswegen ich mich selbst davon überzeugen wollte.“ Dann suchte er Augenkontakt mit Jinan. „Aber in erster Linie bin ich hier, um mit dir über deine Nachfolge zu reden.“ Das Einzige, das Jinan nun von einer emotionalen und negativen Antwort abhielt, war die Rückkehr des Dieners. Die Zeit, die der Junge damit brauchte ihm und seinem Vater ein Glas Wein zu servieren, nutzte Jinan um sich seine Worte zurechtzulegen. Erst als der Diener wieder gegangen war, antwortete er seinem Vater. „Dann tut es mir leid, dass du den Weg umsonst angetreten hast. Aber die Sache ist bereits von oberster Stelle geregelt.“ Sein Vater nahm einen Schluck von dem Wein. „In dieser Sache ist tatsächlich alles geregelt. Du bist mein Nachkomme und als solcher wirst du mein Erbe antreten.“ Das schien in den Augen seines Vaters alles schon so klar zu sein. Er war der Erbe, also bekam er alles. Dass er es womöglich gar nicht wollte, das kam ihm nicht in den Sinn. „Was ist mit Juan?“ Immerhin war das der Sohn, der ihn noch nicht enttäuscht hatte, wenn auch nur, weil er noch keine Gelegenheit dazu gehabt hatte. Sein Halbbruder würde es aber auch noch lernen, daran hegte Jinan keine Zweifel. Sein Vater war leicht zu enttäuschen. Unwillig schüttelte dieser nur eine Hand, so als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen. „Rede keinen Unsinn. Du bist mein Erstgeborener und Juan nur mein zweiter Sohn. Außerdem bist du der Sohn meiner geliebten Frau und von königlichem Geblüt.“ Bei der letzten Bemerkung sah Jinan überrascht auf. Daher wehte also der Wind. Beinahe hätte er seinem Vater abgekauft, dass er seine Mutter geliebt hatte, aber das Einzige, das er an ihr geliebt hatte, war das Geld und ihre Abstammung. Mit ihrer Abstammung gehörte er zur oberen Elite dieses Landes. Seine Kinder würden vielleicht einmal in schweren Zeiten in den Kampf um die Thronfolge einsteigen können, nur wegen des Blutes, das seine Mutter in diese Familie gebracht hatte. Und auch wenn sein Vater diesen Tag nicht mehr erlebte, so konnte er wenigstens in dem Wissen sterben, dass er seine Pflicht gegenüber seiner Familie erfüllt hatte. Er hatte ihre Macht vermehrt. Juan konnte das nicht, er war nur der Sohn einer einfachen Adeligen, seine Nachkommen würden niemals auch nur in Reichweite des Throns kommen. „Ich habe Casey, dem Prinzen, schon gesagt, dass ich nur Anspruch auf die Ländereien meiner Mutter erhebe, nach deinem Tod. Mehr will ich nicht, ich will nichts von deinen Ländereinen oder Vermögen. Sogar deinen Titel kannst du meinetwegen Juan in den Rachen werfen, oder gegen Geld veräußern. Ich bin kein Adeliger mehr und will es auch nie wieder sein. Und Nachkommen werde ich auch keine zeugen.“ „Du bist dumm. Und ich werde das nicht akzeptieren, du wirst mein Erbe, ob du willst oder nicht. Entweder alles oder nichts. Du kannst nicht nur die Ländereien deiner Mutter fordern und den Rest beiseitelassen. Getrennte Ländereien sind nichts wert.“ Bei der aufgebrachten Stimme seines Vaters wollte etwas in Jinan sofort damit anfangen, sich zu rechtfertigen, um das Schlimmste abzuwenden. Aber er war nicht mehr der Junge, der sich vor seinem Vater ducken musste. Er hatte keine Fehler gemacht, weswegen es ihm auch leicht fiel ruhig zu bleiben. Gegenüber seinem Vater konnte er sogar Klartext sprechen. „Es ist mir egal, was die Ländereien wert sind. Fakt ist, das sie von meiner Mutter sind, der einzigen Person in dieser Familie die mir noch etwas bedeutet hatte. Denn sie hätte mir nie die Schuld an einer solchen Tat gegeben.“ Wenn sie nicht gestorben wäre, dann wären sie nie in so eine Situation geraten. Jedoch war das nur Nebensache. „Aber du warst es, der Silvia und Alexa geglaubt hat, als sie mir vorwarfen, Alexa bedrängt und zum Beischlaf gezwungen zu haben. Mich hast du nie gehört, als ich dir beteuerte, dass ich sie nie angefasst habe und sie sich in mein Bett geschlichen hat, als ich schlief. Du warst es, der es akzeptiert hat, dass ich verbannt wurde, weil ich ihr angeblich trotz Verbotes nachgestellt habe. Und du warst es, der sich von mir abwandte, als alle mit dem Finger auf mich zeigten und mit Schimpfwörtern belegten, die man nie wiederholen oder gar aussprechen sollte. Und jetzt appellierst du an meinen Familiensinn und willst, dass ich alles vergesse und wieder in deine Arme zurückkehre. Genau die Arme, die mich damals weggestoßen haben? Nein, wenn hier einer dumm ist, dann bist es du und nicht ich.“ Jinan schüttelte enttäuscht den Kopf. „Geh, Vater. Geh bitte, bevor ich dich rauswerfen lassen muss.“ Sein Vater stand auf. „Ich verstehe, dass du verwirrt bist, aufgrund meiner Ankündigung. Ich werde dir Zeit lassen, alles zu überdenken. Aber du wirst mein Erbe, finde dich mit diesem Gedanken ab.“ Damit ging sein Vater und schloss die Tür hinter sich. Jinan sah ihm nur nach und begann dann zu lachen. Es war kein erheitertes Lachen, sondern ein enttäuschtes beinahe verzweifeltes. Brauchte man bei einer solchen Familie eigentlich noch Feinde? Seine Stiefmutter trachtete ihm nach dem Leben, seine Stiefschwester hatte zu Recht Angst vor ihm und sein Vater wollte ihm alles, was er besaß schenken, ohne auf seine Wünsche Rücksicht zu nehmen. Diese Familie war verrückt, wenn Juan jetzt auch noch mit dem Schwert auf ihn losging, würde ihn das nicht einmal wundern. Er nahm das Weinglas in die Hand und leerte in einem Zug die Hälfte des Inhalts. Nein, um selbst verrückt zu werden, war nun keine Zeit. Es gab genug Dinge, um die er sich kümmern musste. Zuallererst musste er sich darum sorgen am Leben zu bleiben, solange Silvia noch genug Vermögen und Einfluss hatte, um ihm zu schaden. Das hieß als allererstes Kontakte aufbauen. Zu wem, das wusste er noch nicht, aber es gab ja Leute, die Leute kannten, die dies wussten. Und diese musste er finden. Raoul und Casey waren ein guter Anfang, doch sie konnten ihn nicht auf Dauer schützen, auch wegen ihrer Pflichten. Der Besuch seines Vaters änderte nichts daran. Im Gegenteil das Spiel fing nun erst richtig an. Kapitel 10: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 10 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Er brauchte also Verbündete. Nun, das hörte sich so leicht an, aber viel schwerer war es, hier jemanden zu finden, dem er vertrauen konnte. In den letzten Jahren hatte er gelernt nur sich selbst zu vertrauen und hatte damit immer richtig gelegen. Oft war er vollkommen alleine gewesen, dadurch fürchtete Jinan, dass er gar verlernt haben könnte, wie man sich in Gesellschaft verhielt, ohne zuviel von sich selbst preiszugeben. Und wie ihm die Vergangenheit bewiesen hatte, so war seine Menschenkenntnis nie die beste gewesen. Der Hof war ein giftiger Ort. Jeder hier sagte was der Andere hören wollte, ohne dass er seine Worte so meinte. Nur wenige waren mächtig genug, um es sich leisten zu können, ihre wahre Meinung offen auszusprechen und er gehörte nicht zu dieser Sparte. Wobei es ihm nach all der Zeit mehr als nur schwer fiel sich zu verstellen. In all den Jahren hatte Jinan immer sagen können, was er wollte und es hatte sich meist als die richtige Entscheidung erwiesen. Das stellte sich nun als Nachteil heraus. Was für eine Ironie, schließlich war er für seine Erfahrungen der letzten Jahre mehr als nur dankbar. Wenn da nicht der bittere Beigeschmack wäre, dass er diese Erfahrungen nicht aus freiem Willen gesammelt hatte. Er war dazu gezwungen gewesen. Jinan, hatte bis jetzt seinen Blick starr auf die Fließen vor sich gerichtet. Um diese Tageszeit würde er hier im Palast kaum jemanden begegnen, die meisten schliefen noch. Deswegen sah er irritiert auf als er leise Musik aus einem der Räume hörte. Die Tür zu diesem war geöffnet und er riskierte einen Blick hinein. Es war eine Versammlung, wie Jinan sie eigentlich immer mied. Es befanden sich überwiegend Frauen in dem Raum, von denen viele noch jung genug waren, um unverheiratet zu sein. Sie alle lauschten hingerissen den Melodien eines blondhaarigen Barden, der auf der Fensterbank saß und sein Instrument zupfte. Dabei erzählte er die Geschichte eines Ritters und seiner Liebsten, wie konnte es auch anders sein? Doch ihn irritierte etwas an diesem Barden, wenn Jinan auch nicht benennen konnte woran das lag. Vielleicht war es der aufmerksame Blick aus den grauen Augen, der immer wieder über die Anwesenden glitt. Doch er verharrte deutlich länger an den hier anwesenden Männern, als an den Damen. Doch das Interesse an den männlichen Zuhörern war nicht körperlicher Art, sondern hatte etwas Gefährliches, ja, Musterndes. Allerdings war das nicht sein Problem, da sich dessen Interesse nicht auf ihn bezog, weswegen Jinan beschloss seinen Weg fortzusetzen. Außerdem hatte er nicht vor der Geschichte länger zu lauschen. Er konzentrierte sich wieder auf den Flur vor ihm, sodass er die Person die ihm folgte erst bemerkte, als sich deren Hand einfach so bei ihm einhängte. Jinan zuckte erschrocken zusammen und wollte sich im ersten Moment losreißen, doch die zierliche Gestalt neben ihm ließ dies nicht zu. „Geht einfach weiter. Ich will nichts anderes, als ein Gespräch mit Euch.“ Auch wenn er ihren Anweisungen folgte, so dauerte es einige Momente, bis er der Frau neben ihm einen Namen zuordnen konnte. Von allen schwarzhaarigen Frauen hier am Hofe musste es gerade diese sein. Doch Jinan zwang sich zu einer belanglosen Antwort. „Und um ein Gespräch mit mir zu führen lauert Ihr mir auf, Lady Karen?“ „Warum nicht?“ Sie lächelte und legte den Kopf leicht schief. „Es ist immer interessant, wenn sich ein Adeliger nicht als der zu erkennen gibt, der er ist. Interessant und sehr, sehr ungewöhnlich an einem Ort, wo Macht und Titel mehr zählen als Charakter und Moral.“ Die Frage in ihren Worten war deutlich zu hören, auch wenn sie unausgesprochen blieb. Schließlich wäre das unhöflich gewesen. Jinan war sich auch nicht sicher, ob ein Gespräch mit ihr so ratsam wäre. Allerdings kannte er hier sonst niemanden und sie kannte sicher einige Männer, deren Bekanntschaft sich als hilfreich erweisen könnte. Frauen suchten doch immer die Nähe, der Mächtigen und sie war schön genug, um von diesen wahrgenommen zu werden. Aber auch mächtig genug? Das konnte Jinan noch nicht genau einschätzen, immerhin kannte er sie nur als kleines Mädchen, das mit anderen Mädchen herumlief und Seidenbänder mit ihnen verglich. Wenn Christian sie nicht vor einigen Tagen bekannt gemacht hätte, hätte er sie nur schwer erkannt. „Ihr beschreibt da einen sehr trostlosen Ort, Lady Karen. Keinen Ort, an dem man leben möchte.“ „Warum seid Ihr dann wieder hier? Denn was ich beschrieben habe, ist die Realität, so trostlos sie auch erscheinen mag.“ Innerlich schalt Jinan sich einen Idioten. Mit seinen Worten hatten er ihr die Möglichkeit gegeben, die Frage zu stellen, wegen der sie sich ihm sicherlich genähert hatte. Und das ohne als unhöflich zu gelten. Bei dieser Frau musste er wirklich aufpassen, sie war nicht so plump wie seine Stiefmutter und Stiefschwester, sie war geschickt. „Wollt Ihr etwas Bestimmtes von mir, oder habt Ihr nur einen Begleiter gesucht?“ Er war ja nicht verpflichtet, ihr zu antworten, wenn es auf Dauer auch sehr unhöflich war, ihr immer wieder auszuweichen. Jedoch schien sie ihm das nicht übel zu nehmen, denn sie löste sich nicht von ihm. „Sagen wir so, ich habe ein besonderes Auge für Leute, die Hilfe brauchen und Ihr braucht Hilfe. Oder sagen wir, Ihr braucht Verbündete. Denn bei Eurer Geschichte und den Problemen mit dem zu geheirateten Teil Eurer Familie…“ Sie hielt kurz inne und nickte dann entschlossen mit dem Kopf. „Ja, Ihr braucht einige gute Freunde. Oder zumindest so viel Einfluss, das Euer Tod hier irgendjemanden interessieren würde.“ „Ach und Ihr könnt mir diesen verschaffen?“ Es war erstaunlich, dass jemand den er nicht kannte, zu denselben Schlüssen wie er gekommen war und das scheinbar noch bevor er auch noch etwas davon gewusst hatte. Man konnte das Lächeln in ihrer Stimme deutlich hören. „Ich bin dieser Einfluss.“ Da war keine Überheblichkeit in ihrer Stimme, nur Gewissheit. Diese Frau musste von ihrem Status überzeugt sein. Jinan beschloss Raoul bei nächster Gelegenheit nach ihr zu fragen. „Was mich aber zu der Frage bringt, warum Ihr mir helfen solltet und was noch wichtiger ist, warum sollte ich Euch vertrauen?“ Jetzt blieb Karen doch stehen und löste sich von ihm. Allerdings ging sie nicht, sondern sah zu ihm auf. Ihre grünen Augen sahen ihn klar an, da war keine Spur von Hinterlistigkeit. „Habt Ihr eine andere Wahl? Ihr seid in einer Position, in der Ihr es euch nicht leisten könnt, allzu wählerisch zu sein. Was meine Gründe angeht…“ Sie zuckte sehr undamenhaft mit den Schultern. „Die sind sehr simpel. Es scheint sehr interessant zu werden und ich mag Eure weiblichen Verwandten nicht. Des Weiteren steht Ihr in der Gunst des Königs und seines Beraters, was auch nicht zu verachten ist. Aber was wohl der wichtigste Punkt ist, Euch ist schon genug Ungerechtigkeit für ein Leben widerfahren. Ich habe nie an Eurer Unschuld gezweifelt, wenn auch aus sehr mädchenhaften Gründen, die nicht auf Logik basierten. Aber wie sich zeigte, hatte ich Recht.“ „Es ist leicht, nun zu behaupten an meine Unschuld geglaubt zu haben, nachdem sie bewiesen wurde.“ Worte waren so leicht ausgesprochen und selten auch so gemeint. „Ja, nicht?“ Ihr schien sein Misstrauen nicht viel auszumachen. „Ich will ja auch keine sofortige Antwort von Euch. Wenn Ihr glaubt mir vertrauen zu können, meldet Euch bei mir. Bestimmt werdet Ihr euch nun über mich erkundigen, nur ein Dummkopf würde es nicht machen. Und das seid Ihr nicht.“ Sie lächelte wissend und knickste leicht vor ihm. „Lord, oder was auch immer Ihr sein wollt, ich empfehle mich nun.“ Damit bog sie in den Gang ein, neben dem sie stehen geblieben waren. Jinan sah ihr einen Moment lang verwundert nach, folgte dann aber dem Gang vor ihm. Er wusste, wo er ihn hinführte, aus dem Palast und wahrscheinlich war es genau das, was ihm helfen würde. Etwas Abstand von diesem Ort. Seine Schritte führten ihn zu einem Waldstück hinter dem Schloss. Es war sicher nicht die intelligenteste Idee sich ganz alleine in den Wald zu wagen, doch er glaubte nicht, dass man ihm dort auflauern würde. Es kam kaum jemand dorthin, schließlich gab es keinerlei Veranlassung für Damen oder Lords sich durch das Dicklicht zu schlagen. Aus diesen Gründen war dies früher der perfekte Ort gewesen, um sich zu verstecken, wenn er wieder eine Auseinandersetzung mit seinem Vater gehabt hatte. Etwas das viel zu oft passiert war. Und nun wollte dieser Mann, der ihn früher oft genug eine Enttäuschung genannt hatte, dass er sein Nachfolger wurde. Es war verrückt. Einen Sohn mit deutlich geringerer Abstammung hätte er sofort verstoßen. Juan hätte er sofort verstoßen, aber ihm wurde wegen seines königlichen Blutes alles vergeben. Wie oberflächlich all das war. Und da fragte man sich, warum er bei diesem Spiel nicht mehr mitspielen wollte? Eigentlich wollte er nur mehr seine Ruhe und ein sicheres Einkommen, mehr brauchte er nicht mehr. Er hatte auf seinen Reisen gelernt genügsam zu sein. Wenn man das einmal von außen betrachtete, dann hatte sein Vater sich mit seiner Verbannung alles zunichte gemacht, was er jemals für ihn geplant hatte. Wäre er an seiner Seite geblieben, dann würde ihm wohl heute noch das Selbstbewusstsein fehlen, sich gegen ihn aufzulehnen. Doch jetzt hatte er keine Angst mehr vor ihm und die Gewissheit, dass er es auch ohne ihn schaffte zu überleben. Auch wenn es hart war, er benötigte nichts mehr von ihm. Jinan hatte unwillkürlich seinen Schritt beschleunigt, doch nun wurde er wieder langsamer. Er wusste, dass er in unmittelbarer Nähe eines Sees war und vorsichtig sein sollte, wenn er kein unfreiwilliges Bad nehmen wollte. Denn dieser See fing schon dort an wo man es gar nicht erwartete oder erkannte. Oft genug hatte er sich hier nasse Füße geholt. Er ging wieder etwas auf Abstand und beschloss den See einfach zu umrunden, bevor er wieder zurückging. Etwas körperliche Betätigung tat ihm sicher gut, außerdem war er gerne zu Fuß unterwegs, das half ihm immer seine Gedanken zu ordnen. Allerdings was gab es da schon groß zu ordnen? Seine Stiefmutter machte denen in Märchen alle Ehre indem sie versuchte ihn umzubringen, sein Vater versuchte mit ihm seine Machtgier zu befriedigen und er stand ganz alleine da mit dem zweifelhaften Schutz von früheren Freunden. Das war keine sehr wünschenswerte Ausgangssituation und er hatte keine Ahnung wie er dagegen vorgehen sollte. Gegen Silvia konnte er momentan nichts ausrichten, das war eine Sache mit der man sich beschäftigen konnte, wenn es soweit war. Also nach dem ersten Anschlag, wenn es überhaupt einen gab. Silvia sagte viel, doch oft fehlte ihr dann der Mut ihren Worten Taten folgen zu lassen. So konnte man sie erst später ernst nehmen, wenn überhaupt, das hatte sich in all den Jahren sicherlich nicht geändert. Aber gegen seinen Vater musste er etwas übernehmen. Er war anders als Silvia, was er sagte, hielt er für Gesetz und darum setzte alles daran seine Worte in die Tat umzusetzen. Das hatte Jinan sein Treffen mit ihm ja bewiesen. Selbst wenn Jinan sich weigerte, irgendwann würde er seinen Willen bekommen, egal mit welchen Mitteln. Er musste ihn brüskieren, einen Skandal schaffen, den er nicht ignorieren konnte. Wobei das schwer wäre, immerhin hatte er ihn nicht einmal nach dem Zwischenfall mit Alexa enterbt. Ein leises Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken und er sah auf. Hatte er Silvia doch falsch eingeschätzt? Seine Hand legte sich auf den Knauf des Dolches, den er immer bei sich trug und er sah sich aufmerksam um. Dann hörte er es wieder, doch es war kein brechender Ast, oder Laub das in Bewegung geriet, sondern Plätschern im Wasser. Langsam entspannte er sich wieder, ein Attentäter würde sich wohl kaum im Wasser nähern, das wäre dumm. Trotzdem beschloss er dem Geräusch nachzugehen und bewegte sich nun wieder Richtung des Sees. Schon nach kurzem sah er eine unbewachsene Stelle und einen Stapel Kleider. Anscheinend nutzte jemand diese Stelle um zu baden. Natürlich sie war perfekt, um den See zu betreten. Jinan trat nicht aus dem Schutz der Büsche hervor, sondern sah von dort aus über den See. Viel konnte er nicht erkennen, nur eine Person, die wieder aufs Ufer zusteuerte. Jinan merkte nicht, wie er in die Hocke ging, um unbemerkt zu bleiben. Noch war der Unbekannte zu weit entfernt, um sie zu erkennen, doch es war sicher keine Frau. Dafür wirkte der Körper zu durchtrainiert, oder besser die Schwimmbewegungen, die dieser ausführte. Erst als er näher kam, merkte Jinan das er diese Person kannte. Fasziniert beobachtete er, wie zuerst Deacons Gesicht zu erkennen war und dann immer mehr seines Körpers aus dem Wasser auftauchte. Er wusste ja, dass seine Vorliebe eher auf Männern lag - Frauen hatten in seiner Welt keine Bedeutung mehr - doch auf derartige Art hatte er auch noch nie einen Mann beobachtet. Im Gebüsch verborgen wie irgendein unanständiger Bauer, der Mädchen nachspionierte. Deacons trainierter Oberkörper erweckte aber leider genau die gleiche Reaktion bei ihm, wie sie wohl so ein Bauer empfinden würde. Und als noch mehr sichtbar wurde, wandte Jinan den Blick vollends ab. Im Grunde hatte er sich gut unter Kontrolle, doch Deacon entsprach genau seinen Vorlieben, was ein Problem darstellen konnte. Er war schließlich nicht hier um einen Partner zu finden, sondern um sich ein Leben aufzubauen. Wenn er das geschafft hatte und noch immer körperliche Nähe suchte, konnte er sich darum kümmern. Im Schutz der Büsche wich Jinan zurück, um sich unbemerkt zu entfernen. Deacon war gerade vollständig aus dem See gekommen und bückte sich nach seinen Kleidern. In dem Moment passierte es. Jinan schloss die Augen, als er das Knacksen von Holz unter seiner Sohle hörte. Anfängerfehler und das passierte ihm. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung richtete Deacon sich auf, sein Schwert aus der Scheide ziehend. „Wer ist da?“ Auch wenn der Tonfall drohend war, so hatte Jinan für einen Moment nur Augen für diesen Anblick. Erst als Deacon einen Schritt in seine Richtung machte, setzte sein Verstand wieder ein. Wenn auch nicht sehr effektiv. Er konnte nicht erklären, was er hier machte, denn dass er ihn nun schon länger beobachtete als gut war, war sogar ihm klar. So wandte er sich einfach um und lief gebückt davon. Nicht sehr ehrenhaft, aber der Fehler lag ganz klar auf seiner Seite. Erst als er schwerer atmete und der Rand des Waldes schon in Sichtweite war, wurde er langsamer. Mit einer Hand zupfte er lose Blätter aus seinen Haaren und entfernte Staub von seiner Kleidung. Hoffentlich hatte er ihn nicht erkannt, das wäre mehr als nur peinlich. Außerdem würde es ihn in schwere Erklärungsnot bringen. Aber das würde er wohl erst beim nächsten Treffen erfahren, das wohl nicht lange auf sich warten lassen würde. Nicht hier auf so engem Raum. Doch er hatte ja dringlichere Probleme als den anderen Ritter. Vor diesen konnte er leider nicht so weglaufen und diese würde die Zeit auch nicht heilen. Da musste er handeln und genau das hatte er auch vor. Kapitel 11: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 11 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Es war ein seltsamer Abschluss, eines doch sehr entspannten Vormittags gewesen. Als Deacon durch den Wald zurückging, war er jedoch deutlich vorsichtiger, als auf dem Hinweg. Eigentlich hatte er nur ein kurzes Bad nehmen wollen, der See, den er vor Kurzem entdeckt hatte, erschien ihm dafür perfekt. Da dieser Wald auch ziemlich dicht war, hatte er nicht angenommen, dass ihm jemand begegnen würde. Allerdings hatte er sich da scheinbar getäuscht. Ihm ging dieser Mann nicht aus dem Kopf. Denn dass es ein Mann gewesen war, das wusste er. Welche Frau würde schon in Männerkleidern durch die Gegend laufen? Allerdings schien man hier auch keinen Anstoß daran zu nehmen, dass ein Mann in Frauenkleidern auftrat. Wenn er sich da an eine gewisse Prinzessin erinnerte, die sich im Endeffekt als Mann heraus gestellt hatte… Deacon schüttelte entschlossen den Kopf. Das war eindeutig ein Mann gewesen, eine Frau hätte anders reagiert und auch der Körperbau hatte eindeutig auf einen Mann gedeutet. Aufgrund der doch sehr seltenen Haarfarbe hatte er auch eine ziemlich genaue Vorstellung, wer sein Beobachter gewesen war. Was aber die Frage nach dem ‚Warum‘ nicht beantwortete. Warum sollte man ihn beobachten und dann einfach weglaufen, das passte doch eher wieder zu einer Frau. Diese Überlegungen verwirrten Deacon schön langsam. Er würde den Betreffenden bei ihrem nächsten Zusammentreffen einfach damit konfrontieren und wenn seine Vermutung zutraf eine Erklärung fordern. Denn wenn er nichts zu verbergen hatte, dann war es doch nicht verwerflich, dass er ihn nackt gesehen hatte. Sie waren doch beide Männer, da gab es doch kein Problem. Mit einem weiteren Seufzen schob Deacon diese Gedanken aber einmal zur Seite. Sicher würde er durch sein Grübeln dabei kaum weiterkommen, ohne mit dem Betroffen gesprochen zu haben. Auch wenn dieser Tag jetzt schon seltsam genug war, so überkam ihn ein ungutes Gefühl als er das Turniergelände betrat. Jedoch konnte Deacon nichts erkennen, das ihm diese Vorahnung bestätigte. Aber er hatte gelernt seinem Gefühl in dieser Hinsicht zu vertrauen. Und es wurde schlimmer je näher er seinem eigenen Zelt kam. Von seinen Leuten war kaum einer zu sehen, nur einer der Ritter saß vor seinem Zelt und war dabei sein Schwert zu schleifen. Als er ihn sah, stand er jedoch hastig auf und ging mit einem knappen Gruß in seine Richtung zu den Trainingsplätzen. Das war nun doch sehr verdächtig. Vor seinem Zelt blieb er stehen, denn er hörte darin die Stimme von Stellan, der mit jemanden redete. Und da Stellan nicht unbedingt Selbstgespräche führte, musste er einen Gesprächspartner haben. Dennoch zögerte er noch immer die Plane vor dem Zelteingang zur Seite zu schieben. Vor allem, weil er nun die Worte seines Vertrauten verstehen konnte, wenn auch nur bruchstückhaft und sie gefielen ihm nicht. „… bin sicher… Notwendigkeit verstehen… Verbindung bringt.“ Wenn Deacon nicht genau wüsste, dass Stellan dieses Thema sicher nie anschneiden würde, dann würde er annehmen, er redete über eine Vermählung. Aber das konnte nicht sein und so war es besser, wenn er mögliche Verbindungen, egal in welcher Art, selbst besiegelte. Seine Verbündeten suchte er sich noch immer selbst aus und nicht Stellan. So schob er die Plane vor seinem Zelteingang zur Seite. „Worüber wird hier geredet?“ Seine Stimme war amüsiert, doch das Lächeln verging ihm, als sich eine weitere Gestalt aus einem Sessel erhob. Auch wenn die Frau ihm den Rücken zugedreht hatte, so wusste er ohne ihr Gesicht zu sehen, wer Stellans Gesprächspartner war. Dieser Verräter. Sie drehte sich um, jeder Zoll an ihr eine Dame. Keine Bewegung war überflüssig, eine wahre Darstellung von Anmut und Stolz, etwas unter dem jeder litt, den Deacon kannte. Besonders in seiner Familie trat es stark und gehäuft hervor. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie ihn sah. Jedoch war es nicht freundlich, es war nachsichtig, wie das Lächeln, das man kleinen Kindern zeigte, wenn sie gerade einen Fehler begangen hatten. Deacon sah zu seinem Hauptmann. „Stellan, ich glaube, es ist besser wenn du gehst.“ „Deacon, ich…“ Doch der Schwarzhaarige schüttelte nur den Kopf. Wenn Stellan nun weiter sprach, würde er selbst sicher etwas sagen, das ihm danach sehr, sehr leid tun würde. „Stellan. Raus.“ Der Ältere verbeugte sich noch einmal vor der Frau und eilte dann an Deacon vorbei zum Ausgang. Deacon entging keineswegs der Blick, den er ihm dabei zuwarf. Als ob er ihr etwas antun würde. Er ging zum Tisch und sah, dass sie bereits einen Becher hatte, also nahm er sich ebenfalls einen und füllte ihn mit Wein. Alkohol konnte nie schaden. Er deutete ihr, sich wieder zu setzen, eine Aufforderung, der sie nachkam. „Du tust Stellan Unrecht. Er wusste nichts von meinen Plänen.“ Und hätte er es gewusst, dann hätte er ihm nichts davon gesagt. Jede Fluchtmöglichkeit verhindernd. Er nahm ihr gegenüber Platz und legte sein Schwert zur Seite. Äußerlich war er ruhig, so wie es ihm beigebracht worden war, aber innerlich war er über ihre eigenständig getroffene Entscheidung wütend. „Ich hoffe, du hattest eine gute Reise.“ „Ich kann nicht klagen. Aber du hast keinen Grund, wütend auf mich zu sein.“ Deacon schüttelte langsam den Kopf und ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Gekünstelt, natürlich. „Welchen Grund hätte ich denn wütend auf dich zu sein, Mutter?“ „Ich weiß nicht. Warum bist du wütend?“ Deacon begegnete dem Blick aus kühlen, blauen Augen. Dieser Blick machte ihm klar, das leugnen keinen Sinn hatte, als ob er das nicht wüsste. Leugnen hatte bei ihr nie einen Sinn, dafür kannte sie ihn nach siebenundzwanzig Jahren einfach zu gut. Ergeben seufzte er tief und schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht wütend, Mutter. Wirklich nicht. Ich wäre nur erfreut, wenn du mir demnächst solche Entscheidungen mitteilen würdest. Dann könnte ich Vorkehrungen treffen.“ „Wie weiterreisen?“ Sie sah ihn wissend an. „Wie dir eine angemessene Unterkunft besorgen.“ Natürlich nur, wenn ihre Möglichkeit nicht funktioniert hätte. Was hier der Fall gewesen wäre. Warum war sie eigentlich hier? Welchem Dämon verdankte er ihren Besuch? Seine Mutter winkte nur leichtfertig ab. „Ach mach dir darum keine Sorgen, Deacon. Ich habe selbst dafür gesorgt. Für mich steht ein Zimmer im Palast bereit.“ „Im Palast?“ Deacon hob zweifelnd eine Augenbraue. Er wusste ja, dass seine Mutter viele Fähigkeiten besaß, wie zum Beispiel die, immer zu bekommen was sie wollte. Jedoch war der Palast bis zum letzten Zimmer besetzt. Es gab keinen freien Raum mehr und wo es nichts gab, konnte sie auch nichts bekommen. Obwohl er ihr zutrauen würde, es fertig zu bringen, dass jemand freiwillig auf sein Zimmer verzichtete. Manchmal war sie einfach wie eine Naturgewalt. „Ja, du wirkst überrascht.“ Sie musterte ihn erstaunt. „Auch wenn du es nicht glauben willst, der Titel deines Vaters hat doch noch immer Gewicht. Ich habe mein Kommen natürlich angekündigt.“ „Ach und deinen Sohn hast du dabei vergessen? Außerdem ist es nicht mehr Vaters Titel, es ist mein Titel.“ Deacon wusste genau, wie unklug es war dieses Thema anzuschneiden, aber er konnte es auch nicht auf sich beruhen lassen. So gerne er seinen Vater auch gehabt hatte, auf diesen Titel hatte er wirklich lange genug gewartet. Immer war er nur der Sohn des Dukes gewesen, nun beschrieb dieser Titel ihn. Wenn es wenigstens die Trauer wäre, die seine Mutter immer von ihm reden ließ, aber das war es ja nicht, es war nur damit sie das Gespräch auf eine Sache bringen konnte. „Nein. Natürlich nicht, wie gesagt das war Absicht.“ Sie stand auf und ging zu seinem Waschtisch. Dort hob sie einen Spiegel auf und prüfte den Sitz ihrer Frisur. „Oh und natürlich ist es dein Titel. Doch was hast du bis jetzt getan, um dem gerecht zu werden? Treibst dich auf Turnieren herum und schlägst dich mit niederem Adel. Des Nachts besuchst du die Betten unzähliger Dirnen und verprasst das Geld, das dein Vater dir hinterlassen hat. Nichts davon ziemt sich für einen Duke, es ziemt sich nicht einmal für einen Bauern. Sorgst du dich darum deinen Pflichten nachzukommen? Natürlich bei deinen seltenen Besuchen kümmerst du dich um die Ländereien, aber nur damit du nicht zuviel Zeit im Schloss mit mir verbringen musst. Und was das Schlimmste ist: du machst nicht einmal Anstalten, dir eine Frau zu suchen und einen Erben zu produzieren. So sehr dein Vater und ich auch voneinander entfernt waren, wir haben zumindest das geschafft.“ Deacon rieb sich die Schläfen mit Daumen und Zeigefinger. Mit jedem Jahr verstand er besser, warum sein Vater so selten auf dem Gut gewesen war. Natürlich hatte er am Königshof seine Mätresse gehabt, aber das war sicher nicht der Hauptgrund gewesen. Eigentlich hatte er gehofft der Maßregelung zu entgehen, aber ohne es bemerkt zu haben, befand er sich schon mittendrin. Konnte sie diesen verdammten Spiegel nicht endlich ablegen? Sie wussten beide, dass seine Mutter ihn nicht für ihre Frisur benutzte. Auch wenn sie schon im Alter dafür war, zeigte ihr braunes Haar keine einzige graue Strähne und ihre Frisur hatte ihre Zofe sicher dreimal überprüft, bevor sie ihr Zimmer verlassen hatte. Sie nutzte ihn nur um seine Reaktion zu sehen, während sie ihn mit Missachtung strafte. Deacon mühte sich nun endlich zum wesentlichen Teil zu kommen. „Mutter? Warum bist du hier? Doch sicher nicht um dir das Turnier anzusehen, oder gar mir zuzujubeln.“ „Dir zuzujubeln? Wie eines dieser jungen, naiven Dinger aus dem einfachen Volk? Ich denke ja nicht daran.“ Sie legte den Spiegel ab und schnaubte verächtlich. Als sie sich zu ihm umdrehte wandelte sich ihr Gesichtsausdruck gerade von einer angewiderten Mimik zu einem ernsten Ausdruck. „Ich bin hier um einige Dinge endlich zum Abschluss zu bringen. Dinge, die die Familie betreffen und damit auch dich. Immerhin haben sich einige Dinge ja geändert.“ Unwillkürlich sah Deacon zum Zeltausgang. Würde er es schaffen, ihn zu erreichen, bevor sie ihre Absichten formulieren konnte? Er schätzte seine Chancen eher gering ein, außerdem würde er das Unausweichliche damit nur vor sich her schieben. „Ja, haben sie? Ich weiß nicht von welchen Dingen du sprichst.“ Um das zu wissen, müsste Stellan mit ihr korrespondiert haben und er hatte seinem Freund gesagt, dass sie gar nichts davon wissen musste. Das war wie ein unausgesprochenes Versprechen ihr nichts zu sagen. Wenn sie jetzt schon davon wusste, dann musste Stellan diese Zusicherung schon am ersten Tag gebrochen haben. „Ich habe eine Nachricht von Stellan bekommen.“ Gelassen nahm seine Mutter wieder auf ihrem Stuhl Platz und zog ihren Becher zu sich. „Er teilte mir mit, dass du beschlossen hast sesshaft zu werden.“ Also doch, dieser kleine Verräter. War er sein Hauptmann, oder der Spion seiner Mutter? Seine Hand ballte sich unwillkürlich zur Faust. Seine Mutter sah das und hob nur tadelnd eine Augenbraue. „Contenance, Deacon. Ich dachte ich hätte dir beigebracht wie man die Haltung bewahrt.“ Nur mühsam zwang er sich dazu seine Faust wieder zu entspannen. „Ja, Mutter, das hast du.“ Deacon nahm seinen Becher in die Hand und nahm einen Schluck davon. „Aber wenn Stellan dir alles geschrieben hat, dann müsstest du auch wissen, dass ich das erst in zwei bis drei Jahren vorhabe.“ „Was kein Hindernis ist, dir jetzt schon eine Frau zu suchen. Und wo könnte das besser gehen als hier, auf einem Turnier. Hier befindet sich der gesamte Adel des Landes und der Nachbarländer. Ich frage mich warum ich nicht schon früher auf diese Idee gekommen bin.“ Weil er dann keines seiner Turniere mehr hätte genießen können. Es war schlimm genug, dass sie nun auf diese Idee gekommen war. „Mutter…“ „Sei still, Deacon.“ Sie sah ihn entschlossen und unnachgiebig an. „Ich habe dir lange genug deinen Willen gelassen und was ist dabei herausgekommen?“ Bevor er antworten konnte, nahm sie ihm das ab. „Nichts. Gar nichts. Du hast keine Frau, keinen Nachkommen und nennenswerte Siege bringen dir deine Turnieren auch nicht ein. Du warst lange genug ein Junge, nun musst du endlich ein Mann werden. Und als solcher hast du auch Pflichten, nämlich die einen Sohn zu zeugen.“ Kurz, wirklich nur kurz überlegte er ob er seiner Mutter von dem kleinen Jungen erzählen sollte, der mit seiner Mutter in einem ihrer abgelegenen Herrenhäuser aufwuchs. Aber er entschied sich dagegen. Trotz allem liebte er seine Mutter, wenn sie genügend Abstand zu ihm einhielt, er wollte nicht, dass sie der Schock umbrachte. Wobei sie ihm die Freude wohl nicht machen würde. Hastig schüttelte er den Kopf um diesen gehässigen Gedanken zu vertreiben. Es war nicht richtig so über seine Eltern zu denken. „Schüttle nicht so den Kopf. Ich habe Recht, du weißt, dass ich Recht habe. Also habe ich beschlossen, dass wir solange hierzubleiben, bis wir eine passende Kandidatin gefunden haben. Vielleicht feiern wir sogar die Hochzeit hier.“ Bevor seine Mutter zu schwärmen begann, wollte er dem einen Riegel vorschieben. „Ich habe nicht vor zu heiraten, Mutter. Nicht in nächster Zeit.“ „Nun, das ist besser als so manche andere Antwort von dir. Nicht in nächster Zeit also? Gut, dann werde ich mit der Auswahl erst in einer Woche beginnen. Bis dahin solltest du dich genug ausgetobt haben.“ Mit diesen Worten stand sie auf und strich ihr Kleid glatt. „Ich danke dir für die Erfrischung nach meiner Reise. Nun musst du mich aber entschuldigen, ich will mich etwas ausruhen.“ Perplex sah Deacon seiner Mutter nach. Er würde diese Frau nie verstehen, aber eigentlich wollte er das auch nicht. Wofür brauchte er eigentlich eine Ehefrau? Er hatte seine Mutter, die ihm das Leben zur Hölle machte und die er liebte, gleichzeitig aber auch umbringen wollte. Eine andere Frau würde neben ihr ja gar nicht bestehen. Wenn sie ihm Kinder schenken könnte, würde sie das wohl auch machen. Aber noch schlimmer als ihre Anwesenheit war der Grund ihrer Anwesenheit. Wie hatte Stellan ihn nur so hintergehen können? Er stand auf und ging zum Zelteingang. „Stellan!“ Man konnte ihn wohl auch noch auf dem Turnierplatz hören, aber momentan war ihm seine Beherrschung ziemlich egal. Seine Mutter war ja nicht hier und er war wütend. Doch niemand reagierte auf seinen Ruf. Deacon verließ das Zelt und sah sich suchend um. Wo war er? Allerdings fand er ihn nicht, nur seinen Diener, der versuchte beim Polieren seiner Rüstung unsichtbar zu sein. „Wo ist Stellan?“ Der Diener sah ihn eingeschüchtert an. „Er ist zuvor mit seinem Schwert zum Übungsplatz gegangen.“ Deacon sah in die Richtung und ein gefährliches Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Perfekt.“ Damit ging er wieder in sein Zelt und nahm das Schwert auf, das er zuvor weggelegt hatte. Es war nie gut, mit seiner Mutter zu diskutieren, wenn er eine Waffe in der Hand hatte. So oder so waren sie beide nie unbewaffnet, denn ihre Gefechte trugen sie mit Worten aus. Wenn Stellan üben wollte, dann konnte er das auch. Deacon leistete ihm dabei gerne Gesellschaft. Momentan war er wütend genug, um es auf ein Kräftemessen ankommen zu lassen und ein geeignetes Opfer hatte er auch schon. Kapitel 12: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 12 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Er war nicht sonderlich weit gekommen. Das musste er leider zugeben und dieses Eingeständnis war bitter, noch mehr, weil sein Leben davon abhing. Jinan ließ seinen Blick über den Ballsaal gleiten. Überall standen Gruppen von Leuten und unterhielten sich miteinander. Möglicherweise schmiedeten sie auch Pläne um ihre und die Zukunft ihrer Kinder zu sichern. Denn nichts anderes waren diese Bälle: die perfekten Heiratsmärkte. Die Sieger des heutigen Tages zwar nur ein Anlass um zu feiern, rückten dann aber rasch in den Hintergrund. Allerdings zeigte ihm diese Verteilung nur eines, er war alleine auf weiter Flur. Und er wusste auch, dass man nicht einfach mit jemandem ein Gespräch anfangen konnte, man musste erst vorgestellt werden. Jinan erkannte Raoul und Casey unter den Leuten, doch waren sie zu beschäftigt, um sich um ihn zu kümmern und Jinan wollte ihre Unterstützung auch nicht. Das würde nur noch mehr Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Auch Lady Karen konnte er unter den Gästen erkennen. Sie wechselte von Gruppe zu Gruppe, Lord Alrin am Arm, den sie oft bei einigen Leuten stehen ließ, nur um ihn dann wieder an ihre Seite zu holen. Jinan wusste noch nicht, ob er ihr trauen konnte. Etwas, dass er noch herausfinden musste. Vielleicht sollte er deswegen noch mit Christian reden, er schien sie ja sehr gut zu kennen. Was aber auch ein Fehler sein konnte. Es war stickig im Ballsaal, was wohl an den vielen Menschen lag. Und auch manche der Damen machten einem das Atmen schwer. Nicht nur einmal war er zurückgewichen, weil eine der vorbeigehenden Damen es mit ihrem Duftwasser zu gut gemeint hatte. Oftmals war weniger mehr, das galt wohl nicht nur für die wichtigen Dinge im Leben. Allerdings schien es nicht nur ihm so zu gehen. Gerade als er auf dem Weg Richtung Balkon war, sah er, wie sich auch Lord Alrin von seiner Begleiterin löste und den Ausgang ansteuerte. Nur leider in die falsche Richtung, entgegengesetzt zu seiner eigenen. Doch Jinan sah das als eine gute Gelegenheit und änderte auch die Richtung seiner Schritte. Nicht nur einmal stieß er mit jemanden zusammen, der ihm empört nachsah und das nur, weil er den direkten Weg nutzte. Er wollte den Mann nun einfach nicht aus den Augen verlieren, ein von Anfang an zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Nicht nur wegen des großen Abstands zwischen ihnen, sondern auch weil sich dieser immer mehr vergrößerte. Als er endlich den Gang erreichte, sah er sich in seinen Befürchtungen bestätigt. Es gab keine Spur von dem Anderen. Unschlüssig blieb Jinan vor der Tür zum Ballsaal stehen und sah sich um. So wichtig war die Sache wirklich nicht. Andererseits war sie schon wichtig genug, um sie nicht aufzuschieben. Laut Karens Worten stand sein Leben auf dem Spiel - als ob er das nicht wüsste. Dieses Zaudern brachte ihn aber auch nicht weiter, er wollte Informationen und dafür musste er auch etwas machen. Das war schon immer so gewesen. Jinan ging zur ersten Tür und öffnete sie. Er würde einfach in einige Räume blicken, vielleicht hatte er ja Glück, wenn er auch nicht darauf spekulierte. Einige der Räume waren leer, in manchen hielten sich Leute auf. Gäste, die wie er nur einen kurzen Moment brauchten um zu verschnaufen. Aber der Gesuchte war nicht darunter. Nach einigen Räumen blieb Jinan stehen und überlegte. So sinnlos herumzulaufen, nur um jemanden zu suchen, konnte kaum ans Ziel führen. Trotzdem beschloss er noch einen Raum aufzusuchen, danach würde er seine Suche aufgeben. Doch gerade als er seine Hand nach der Klinke ausstreckte, wurde diese von innen betätigt. Noch bevor jemand herauskam, hörte man eine Stimme. „Nicht heute, Christian. Ich habe morgen einen Kampf." Jinan konnte gerade noch hastig einen Schritt zurückweichen, damit Shay nicht in ihn hineinlief. Erstaunt sah dieser ihn an. „Verzeiht.“ Kurz neigte er den Kopf und ging den Gang entlang, in entgegengesetzter Richtung zu dem Ball. Der Blonde sah ihm verwundert nach. Es war selten, dass Ritter auf den Bällen waren, vor allem wenn sie von hier waren. Natürlich nur, wenn man nicht von seiner Familie dazu gezwungen wurde, teilzunehmen. Aber er konnte sich auch nicht daran erinnern, Shay auf dem Ball gesehen zu haben. Jedoch hatte er so eine wichtige Informationen erhalten. Er betrat den Raum und sah sich um. Es war wohl nicht gerade ein Raum, den man sich für eine kurze Pause wählte. Die Wände waren mit hohen Bücherregalen verstellt, die gut gefüllt waren. Einige im Raum verteilte Kerzenleuchter, tauchten den Raum in ein dämmriges Licht. Doch er konnte die gesuchte Person auch so leicht entdecken. Christian war der einzige Mensch in der kleinen Bibliothek. Er neigte leicht den Kopf. „Guten Abend, Lord Alrin.“ Christian musterte ihn einen Moment verwundert, bevor er leicht lächelte. „Und ich dachte, hier sei man ungestört.“ „Ehrlich gesagt, habe ich Euch nur aufgrund eures Begleiters gefunden. Aber ich muss zugeben, dass ich Euch gesucht habe.“ Das schien den Blonden nun wirklich zu erstaunen. „Nun, dann habt Ihr mich jetzt gefunden. Und ich habe Zeit, weswegen Ihr mir den Grund Eures Anliegens vortragen könnt.“ Er setzte sich auf ein Sofa in der Mitte des Raumes. Jinan nahm ihm gegenüber auf einem gepolsterten Sessel Platz. Zwischen ihnen stand ein hölzerner Tisch, auf dem eine Weinflasche und ein halbvolles Glas standen. Scheinbar hatte Christian hier doch etwas mehr mit Shay vorgehabt, als nur ein Gespräch. Kurz überlegte Jinan, bevor er beschloss die Sache direkt anzugehen. „Eigentlich geht es bei meiner Frage um Eure heutige Begleitung.“ „Shay.“ Es war keine Frage, sondern Christian sprach das wie eine Selbstverständlichkeit aus. Sein Blick wurde lauernder, als er sich zurücklehnte. Auch wenn der Tonfall ihn etwas verwirrte, stockte Jinan nur kurz, bevor er weitersprach. „Nein, eigentlich meinte ich damit Lady Karen.“ „Ach so.“ Jetzt sah man Verstehen in seinem Blick und er lächelte, als er Jinan ansah. „Ich muss sagen, Ihr habt einen guten Blick. Doch Karen ist niemand, der sich auf ein Abenteuer einlässt. Nicht in dieser Hinsicht.“ Es dauerte einige Augenblicke bis Jinan registrierte, was diese Worte bedeuteten. Dachte Christian etwa wirklich, dass er ein Auge auf Karen geworfen hatte? Nun, warum eigentlich nicht? Immerhin war sie eine schöne Frau und man sah es ihm nicht wirklich an, dass er mit Frauen nichts anfangen konnte. Glücklicherweise. „Da müsst ihr Euch keine Sorgen machen. Ich habe kein Interesse an ihr, nicht in dieser Hinsicht. Um ehrlich zu sein, ist sie zu mir gekommen und bot mir ihre Hilfe an.“ „Ihre Hilfe?“ Man sah Christian deutlich an, dass ihn das ehrlich überraschte. „Seid Ihr denn in Not?“ Das war das Unerfreuliche an dieser Sache. Und die Frage war auch nicht unklug. Nur war er in Not? Selbst sah sich Jinan nicht in dieser Lage, aber er wusste auch, dass sich das nur allzu schnell ändern konnte. Aber er wollte Christian auch nicht zuviel verraten, weswegen er sich entschied bei der Wahrheit zu bleiben, wenn auch nur zum Teil. „Das nicht, aber ich könnte Freunde vertragen.“ Der Blonde nickte verstehend. „Ah. Das was jeder braucht, aber Ihr braucht die Richtigen. Ich verstehe, warum Ihr bei Karen gelandet seid. Und was wollt Ihr nun von mir wissen?“ „Sie gab mir das Einverständnis, das ich einige Erkundungen über sie einholen darf. Und Ihr scheint ihre ständige Begleitung zu sein.“ Wenn auch nicht ihr Ehemann, aber das spielte hier ja keine Rolle. Meistens kannte der Geliebte eine Frau besser als deren Ehemann. Viele Ehen wurden nur aus strategischen Gründen geschlossen, ohne dass Liebe dabei eine Rolle spielte. Es gab über diese Vorgehensweise die verschiedensten Ansichten, er selbst aber enthielt sich jeder Meinung darüber. Er würde ohnedies nie heiraten, weshalb sich also Gedanken darüber machen? „Hat sie? Nun und was genau wollt Ihr nun wissen?“ Sein Gegenüber schien über diese Erlaubnis nicht verwundert zu sein. Also entweder hatten sie sich abgesprochen, oder er kannte seine Begleiterin sehr gut und man trat nicht zum ersten Mal mit so einer Frage an ihn heran. Aber wenn man ihm schon so bereitwillig Auskunft geben wollte, so nahm sie Jinan gerne an. „Kann sie mir geben, was ich benötige?“ Christian lächelte bei dieser Frage amüsiert. „Ihr verliert keine Zeit und kommt gleich zum Wichtigen. Ihr wollt wissen, ob sie die nötigen Beziehungen hat? Nun, sie ist kein Mauerblümchen und sie kennt eine Menge Leute. Ob es die Richtigen sind, das weiß ich nicht, aber wenn sie diese noch nicht kennt, wird sie sie kennenlernen, dessen könnt Ihr euch sicher sein.“ Konnte er sich dessen sicher sein? Momentan wusste er ja nicht einmal selbst, wer die Leute waren die er benötigte. Möglicherweise sollte er doch ein wenig mehr Zeit in der Gesellschaft von Damen verbringen. So kam er sicher wieder auf den neuesten Stand was Klatsch und Tratsch betraf. In der Hinsicht war auf das ‚schwache Geschlecht‘ immer Verlass. Und sie vergaßen nur selten etwas. Karen war das beste Beispiel dafür, immerhin hatte sie ihn ohne Probleme erkannt. „Kann man ihr vertrauen?“ „Ich vertraue ihr. Jedoch würde ich nicht meine Hand für sie ins Feuer legen, da ich mich ungern verbrenne.“ Als Christian Jinans verwirrten Blick bemerkte, fuhr er fort. „Damit meine ich, dass sie Euch sicher keinen Schaden zufügen wird, von dem sie nicht überzeugt ist, das ihr ihn meistern könnt. Es sei denn, ihr seid ihr Feind. Doch da sie Euch ihre Hilfe angeboten hat, wird das wohl nicht der Fall sein. Sie wird euch helfen, aber ebenso leichtfertig wird sie Euch benutzen, wenn es ihr einen Vorteil einbringt. Nichts passiert ohne Gegenleistung und sie holt sich die ihre selbst.“ Jinan war sich nicht sicher, ob ihn das nun beruhigen sollte. Nein, das tat es nicht. Das Einzige, das ihn einigermaßen beruhigte, war, dass Christian ihr vertraute, wenn auch nicht vorbehaltlos. Wenn eine Frau das Vertrauen einen Mannes erringen konnte, dann sollte man ihr schon einen zweiten Blick gönnen. Und hatte er andere Möglichkeiten? Im Grunde nicht und deswegen musste er nicht einmal darüber nachdenken. „Vielen Dank für Eure Ehrlichkeit.“ Da er nun alles hatte, was er wollte, könnte er eigentlich gehen. Nein, er sollte gehen, immerhin hatte Christian alleine sein wollen und er störte ihn. Andererseits wollte er auch nicht auf den Ball zurück, noch nicht. Wahrscheinlich war es das Beste, wenn er sich zurückzog. Christian nahm das Weinglas und leerte es. Mit einem Lächeln stand er auf. „Nun ich werde mich dann wieder einmal um meine Begleiterin kümmern. Sicher ist sie schon gelangweilt. Ich hoffe doch, dass Ihr noch ein Glas von diesem Wein genießt. Einen guten Tropfen sollte man nicht verkommen lassen.“ Erst jetzt bemerkte Jinan das zweite Glas und sah zu Christian auf. „Danke.“ Der Blonde nickte nur und verließ den Raum. Kurz sah ihm Jinan nach, bevor er sich wirklich ein Glas einschenkte. Ihm war klar, dass es gar nicht um den Wein ging. Weder Christian noch ihm, doch so hatte ihm der Andere einen Grund gegeben hierzubleiben. Anscheinend hatte ihn sein Zögern dazu gebracht. Etwas das ausgesprochen nett war und sicher auch bei den Damen sehr gut ankam. Allgemein hatte Jinan heute bemerkt, das Lord Alrin bei den Damen sehr gut ankam, aber auch bei den Männern sehr beliebt war. Ebenso waren ihm seit er hier war, Gerüchte zu Ohren gekommen, was verschiedene Leute anging und so auch ihn. Soweit er gehört hatte war er kein Kostverächter, wobei ihm das Geschlecht egal zu sein schien. Diesen Eindruck hatte er jedoch nicht gemacht, zumindest nicht heute Abend. Es war nicht so, dass er interessiert war, aber er wusste schon gerne, an was er war. Für sich sah er da aber keine Gefahr, da jemand wie Christian nicht seine Vorlieben abdeckte. Noch dazu sahen sie sich so ähnlich, dass sie Zwillinge sein könnten, deswegen käme es ihm nur falsch vor. Da hatte ihm schon eher gefallen, was er am See gesehen hatte, jedoch war das auch etwas, das er sich aus dem Kopf schlagen musste. Dieser Mann war nur an Frauen interessiert. Jinan nippte nachdenklich an seinem Glas Wein, als die Tür abermals aufging. Er drehte den Kopf in dem festen Glauben, das Christian etwas vergessen hatte. Deswegen überraschte es ihn umso mehr, den Gegenstand seiner Gedanken in der Tür zu sehen. Auch Deacon wirkte überrascht. „Entschuldigt, ich wusste nicht, dass hier schon jemand ist.“ Der Blondhaarige zwang sich den Kopf leicht zur Seite zu neigen. „Das stimmt, aber es heißt nicht, dass ich alleine sein will. Alles was ich brauche ist eine kurze Pause. Diese Veranstaltungen können beizeiten sehr anstrengend sein.“ Zufrieden sah er wie Deacon ihm gegenüber Platz nahm. „Da sagt Ihr etwas Wahres.“ Scheinbar auf den Inhalt seinen Glases konzentriert merkte Jinan, wie ihn Deacon musterte. Etwas lag dem Anderen auf der Zunge und er ahnte, um was es sich handelte. Als er wieder aufsah, begegnete er Deacons Blick. „Entschuldigt meine Frage, aber jetzt, wo ich Euch genauer sehe: könnte es sein, das Ihr mich am See beobachtet habt?“ Da war die Frage, die er erwartet hatte, nur um einiges höflicher gestellt, als er gedacht hatte. Doch so, wie er sie stellte, schien er sich nicht sicher zu sein, dass es sich um ihn handelte. Nun, dann sollte er ihn in dieser Ahnung nicht auch noch bestärken. Noch konnte er es ja mit einer Ausrede versuchen. Mit einem amüsierten Lächeln sah er ihn an. Dann würde er ihn einmal von diesem Gedanken abbringen, wenn er auch der Wahrheit entsprach. Kapitel 13: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 13 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Gott, was für eine langweilige Veranstaltung. Fast so langweilig, wie die Dame vor ihm, die ständig den Mund öffnete und mit ihm sprach, nur, dass Deacon ihr schon seit einiger Zeit nicht mehr zuhörte. War es eigentlich erlaubt, auf einem Ball ein so hochgeschlossenes Kleid zu tragen? Noch dazu eines, das schon seit drei Jahren aus der Mode war? Er warf einen Blick zu seiner Mutter, die ihm diese Gesprächspartnerin zugeführt hatte. War das ihr Ernst? Gut, sie suchte eine passende Ehefrau für ihn, aber selbst sie sollte darauf achten, dass ihre zukünftige Tochter einen Sinn für Mode hatte. Wofür war eine Frau gut, wenn sie sich nicht einmal richtig präsentieren konnte? Denn Kinder mit ihr zu zeugen würde sicher auch kein Vergnügen sein, dafür war sie viel zu dünn. Dass er solche Schlüsse zog, lag nur an seiner Mutter, ansonsten würde er nicht einmal an eine Zukunft mit dieser Dame denken. Wenn seine Mutter nicht da wäre, würde er aber nicht einmal mit ihr reden. So aber fand er nur immer mehr Punkte, die sie als geeignete Kandidatin ausschlossen. Im Grunde redete er nur weiter mit ihr, um der Höflichkeit Genüge zu tun und weil seine Mutter immer wieder einen Blick in ihre Richtung warf. Selbst redete sie mit einem anderen Herrn. Konnte sie nicht einfach wieder heiraten und ihn dann in Ruhe lassen? Dann war sie auch nicht mehr sein Problem. Deacon war sich sicher, das alles, was ihr fehlte, nur ein Mann war, oder eine Beschäftigung, die sie ganz ausfüllte. Am besten eine, die ihn nicht mit einbezog oder anderweitig mit ihm zu tun hatte. Als Deacon aufsah, um einen möglichen Fluchtweg zu entdecken, bemerkte er einen Mann, mit dem er sowieso noch sprechen musste. Lord Alrin. Kurzentschlossen entschuldigte er sich bei der Dame, ignorierte den bösen Blick seiner Mutter und ging in dessen Richtung. Doch dieser schien fest entschlossen, den Saal zu verlassen. Was vielleicht keine schlechte Idee war, Deacon beschloss ihm zu folgen. Die Sache die er mit ihm zu besprechen hatte, war nicht unbedingt wichtig, aber sie beschäftigte ihn doch. Er war sich sicher, dass Christian, Raouls Freund, derjenige war, der ihn beim Baden beobachtet hatte. Es gab sonst niemanden auf dem Hof mit so hellen, blonden Haaren. Nur dass er von ihm nicht gerade erwartet hatte, dass ihn der Anblick eines nackten Mannes schockierte. Schließlich waren sie alle vom gleichen Geschlecht und niemand hatte etwas, wofür er sich vor dem Anderen schämen müsste. Auch wenn es da Gerüchte gab, doch Deacon schenkte ihnen keinen Glauben. Immerhin kannte er den Lord und er war sicher niemand, der zu einer schönen Frau nein sagte. Schließlich gab es auch genug Gerüchte über ihn und diverse Damen und es ging ja nicht beides. Als er am Ausgang war, sah er sich am Gang kurz um und beschloss ihn zu suchen, da sich derjenige, den er verfolgte, anscheinend in Luft aufgelöst hatte. Nun, als jemand, der sich hier auskannte, war das für Christian sicher keine Zauberei. Er selbst hatte einige Jahre gebraucht, um die Geheimgänge in seinem eigenen Schloss zu finden, doch er hatte sie gefunden. Sogar alle, das hoffte er zumindest, ebenso wie er hoffte, dass sie nur ihm und seinen toten Vorfahren bekannt waren. Aber das bedeutete, dass man auch in einem fremden Schloss solche fand, wenn man danach suchte. Deacon beschloss, einfach einige Räume in der Nähe anzusehen. So öffnete er einige Türen und betrat auch ein paar Räume um sich umzusehen. Viele der Räume waren nämlich aus gutem Grund so eingerichtet, dass man sie von der Tür aus nicht ganz einsehen konnte. Nicht dass Deacon jemanden bei einem amourösen Abenteuer stören wollte, nein, nichts lag ihm ferner, schließlich wusste er selbst wie lästig das war, aber er wollte die Sache auch klären. Am besten noch bevor es ihn von etwas wichtigem ablenken konnte. Wie seinem nächsten Kampf. Als er aber in dieser Richtung kein Glück hatte, machte er sich in die andere Richtung auf. Dabei passierte er den Ballsaal, mit einem kurzen Blick vergewisserte er sich, dass der Gesuchte noch nicht zurückgekehrt war und seine Mutter noch immer anwesend war. Beide Dinge ließen sich mit einem ‚ja‘ beantworten. Leider. So setzte er seine Suche fort. Kurz bevor er daran dachte seine Suche für heute doch aufzugeben, öffnete sich eine Tür etwas weiter entfernt im Gang. Daraus trat Christian und kam gelassen auf ihn zu. „Ich wünsche Euch einen schönen Abend, Lord. Sucht Ihr etwas Entspannung?“ Lächelnd blieb Christian etwas von ihm entfernt stehen. Jetzt, wo er es könnte, hatte Deacon Hemmungen das Thema anzusprechen. Ihm fehlten einfach die Worte. Das hier war ein angesehener Mann, jemand den Raoul wirklich schätzte. „Ja, es kann mit einer Mutter an der Seite bisweilen sehr anstrengend sein.“ „Ja, das ist wahr. Ich bin froh, dass meine Mutter den Familiensitz auf dem Land vorzieht.“ Nun grinste Christian und warf einen Blick zur Tür zurück aus der er gerade kam. „Aber in diesem Falle kann ich Euch die Bibliothek empfehlen. Natürlich nur, wenn es Euch nicht stört, dass Ihr sie mit Edion teilen müsst.“ Deacon brauchte einen Moment um sich daran zu erinnern, ob er den Namen kannte, er kam ihm vage bekannt vor. Genau, das war doch Raouls Cousin, den er ab und an getroffen hatte. Ein Mann, der fast genauso aussah wie Christian. Jedenfalls von hinten und mehr hatte er ja nicht gesehen. Er wusste nicht viel von Jinan, nur das er scheinbar keinen Adelstitel besaß. Das hieß der Ärger, wenn er ihn vor den Kopf stieß, würde sich in Grenzen halten. Bei einer Zusage müsste er Christian nicht einmal damit belästigen. „Vielen Dank. Ich denke, das werde ich machen und gegen männliche Gesellschaft habe ich im Moment auch nichts. Männer neigen nicht dazu so viel zu reden.“ „Das ist wahr. Nun, dann wünsche ich Euch ein wenig Erholung.“ Damit nickte Christian ihm zu und ging an ihm vorbei, wieder in Richtung des Saals. Deacon hingegen ging zur Tür und hob die Hand um anzuklopfen. Doch dann stoppte er ab. Es war besser, wenn es zufällig aussah, dann kam auch nicht der Gedanke auf, dass er ihn vielleicht gesucht hatte. Was ja auch die Wahrheit war, es war sein Begleiter gewesen, den er gesucht hatte. So öffnete er die Tür, wo ihm sogleich Jinan entgegensah. Er wirkte überrascht und auch Deacon hoffte, dass er ebenso überzeugend seine Überraschung zur Schau trug. „Entschuldigt, ich wusste nicht, dass hier schon jemand ist.“ Sein Erstaunen war scheinbar rasch überwunden, da die Antwort des Blonden nicht lange auf sich warten ließ. „Das stimmt, aber das heißt nicht, dass ich alleine sein will. Alles was ich brauche, ist eine kurze Pause. Diese Veranstaltungen können beizeiten sehr anstrengend sein.“ Deacon sah das als eine Einladung an, oder zumindest als ein Zugeständnis, dass er seine Anwesenheit duldete. So setzte er sich ihm gegenüber auf einen Sessel. „Da sagt Ihr etwas Wahres.“ Er nutzte die Gelegenheit, um Jinan zu mustern, noch dazu wo dieser Gedanken verloren seinen Wein zu studieren schien. Von der Farbe her könnte es passen. Die Beleuchtung in diesem Raum war nicht gerade vorteilhaft, doch er hatte es ja schon bei anderen Anlässen und besserer Beleuchtung gesehen. Wie hatte er das vergessen können? Nun, bei einer Frau hätte er eine derartige Haarfarbe sicher nicht vergessen. Auch wenn er es bis jetzt nicht gewusst hatte, es entsprach genau seinen Vorlieben. Dass er blondhaarige Frauen mochte, das wusste er natürlich, aber nicht, dass ihr Haar auch so hell sein durfte. Jinan sah auf und als sich ihre Blicke begegneten, beschloss Deacon die Gelegenheit einfach zu nutzen. „Entschuldigt meine Frage, aber jetzt, wo ich Euch genauer sehe, könnte es sein, das Ihr mich am See beobachtet habt?“ Der Blondhaarige schien von dieser Frage nicht sonderlich überrascht zu sein, es wirkte eher als ob sie ihn amüsierte. Auch wenn seine Antwort einige Augenblicke brauchte. „Darf ich Euch fragen, warum Ihr eine solche Frage stellt? Wurdet Ihr etwa beim Baden beobachtet?“ Das war nicht unbedingt die Antwort, die er sich gewünscht hatte. Und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie peinlich das alles eigentlich war. Normalerweise sprach man nicht darüber, deswegen wandte er auch verlegen den Blick ab. „Ja, es hat mich jemand beim Baden beobachtet. Nur ist derjenige weggelaufen, als ich aus dem Wasser kam.“ „Und nun versucht Ihr die Dame zu finden.“ Jinan nickte verständnisvoll. „Natürlich, das ist verständlich. Ebenso wie ich die Dame verstehe, immerhin seid Ihr ein gutgebauter Mann. Nehme ich an. Kein Wunder, dass dies eine wohlerzogene Dame erschrecken kann.“ „Es war keine Dame.“ Überrascht stellte Deacon fest, das er für einen Moment lauter geworden war und senkte seine Stimme wieder. „Es war ein Mann.“ „Warum dann die Aufregung, oder gar das Interesse? Wenn es ein Mann war, dann lasst es doch einfach auf sich beruhen. Wenn er weggelaufen ist, hatte er sicher seine Gründe. Vielleicht hat ihn Euer Auftauchen überrascht?“ Das war eine Möglichkeit. Keine Möglichkeit die ihn vollständig überzeugte, aber eine die annehmbar war. Eigentlich wusste er selbst nicht, warum er dem so viel Bedeutung zumaß. „Wahrscheinlich habt Ihr Recht. Momentan bin ich wohl über jede Ablenkung dankbar.“ Mit einem Seufzen ließ er sich zurücksinken. Schon oft hatte er gegen entschlossene Gegner gekämpft, doch keiner war so hartnäckig wie seine eigene Mutter. Jinan nickte nur, so als würde er seine Probleme verstehen. „So ein Turnier kann schon sehr kräfteraubend sein.“ Wenn Jinan das wusste, dann mussten seine Erfahrungen aber schon weit zurückliegen. Er wirkte nicht so, als wäre er sehr trainiert. Allerdings sprach Deacon seine Vermutungen nicht laut aus. „Wenn es das Turnier wäre, dann könnte ich es lösen. Aber mir macht meine Mutter Probleme.“ Jinan kicherte leise, als ihn Deacon verärgert anblickte, hob er nur beschwichtigend eine Hand. „Tut mir leid. Aber es erleichtert mich doch etwas, dass nicht nur ich familiäre Probleme habe. Nur dass es bei mir mein Vater ist.“ Deacon schnaubte nur leise. „Er kann kaum schlimmer sein als meine Mutter.“ Jinan war da scheinbar anderer Meinung, da er die Augen verdrehte. „Ich liebe sie, aber manchmal will ich sie einfach nur erwürgen.“ Deacon wusste nicht, warum er dem Blonden, einem für ihn eigentlich Fremden, davon erzählte. Aber es ging ihm besser, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte. „Ich hasse ihn, aber ich wünsche ihm nicht den Tod.“ Jinan nippte an seinem Weinglas. „Nur wäre es wesentlich einfacher, wenn er sich nicht in mein Leben einmischen würde.“ Deacon lächelte schwach. Anscheinend hatte nicht nur er das Bedürfnis, sich den Frust von der Seele zu reden. „Wem sagt Ihr das. Meine Mutter wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ich endlich sesshaft werde und heirate.“ „Eine Ehefrau ist ein geringes Übel. Wenn man Glück hat muss man sie nicht zu oft sehen. Doch wenn man Euch genau sagt, wie Ihre Eure Zukunft gestalten sollt, das nenne ich anmaßend.“ Den Anderen musternd schwieg Deacon. Das war natürlich wesentlich schwerwiegender als seine Mutter. Wobei es dabei immer darauf ankam, was sein Vater in der Hinsicht von seinem Sohn verlangte. „Euer Vater ist nicht zufälligerweise alleinstehend?“ Jinan schüttelte den Kopf bedauernd wie es schein. „Nein. Er ist mit der schlimmsten Hexe verheiratet, die dieses Land zu bieten hat. Wobei das wohl jedes Kind über seine Stiefmutter behauptet. Warum fragt Ihr?“ Deacon schüttelte nur den Kopf. „Ich hatte heute die Idee, dass meine Mutter wohl nicht mehr so an meinem Liebesleben interessiert wäre, wenn sie selbst ein solches hätte. Aber es hätte sowieso nicht funktioniert, da sie sich nur für Adelige interessiert und ihre Stammbäume.“ Da Jinan keinen Titel sein Eigen nannte, musste er wohl aus der Mittelschicht kommen. Oder er gehörte zum verarmten Adel, der einfach nichts mehr zu vererben hatte. Da spielte es auch keine Rolle, ob man der Cousin von Raoul war oder nicht. „Oh, mein Vater ist Adeliger und der Stammbaum kann sich durchaus sehen lassen. Auch sein Vermögen ist beachtlich, wenn irgendeines dieser Dinge fehlen würde, hätte meine Stiefmutter sicher schon das Weite gesucht. Was keine so schlechte Lösung gewesen wäre, wenn man mich fragt. Aber nun ja, er ist leider verheiratet.“ „Es war nur eine dumme Idee.“ Aber so hatte er unbeabsichtigt etwas über den Anderen und dessen Lebensumstände erfahren. Wenn sein Vater Adeliger und sehr vermögend war, warum unterstützte er seinen Sohn dann nicht? Denn Deacon merkte durchaus, dass Jinan auch diesmal die gleichen Sachen trug, wie beim letzten Ball. Auch am Tag schien er öfters Sachen anzuhaben, die er am Vortag schon getragen hatte. Und Kleidung war etwas Selbstverständliches wie Deacon fand. Aber vielleicht hatte das ja mit den Problemen zu tun, die dieser ansprach. Nun er hatte nicht vor, das weiter zu vertiefen und wenn er noch länger dem Ball fernblieb, würde ihn seine Mutter wohl vierteilen oder ihm noch schlimmere Dinge antun. Auch wenn ihm dafür die Lust fehlte, da er nun schon wusste, wie langweilig es werden würde. Er erhob sich und lächelte Jinan freundlich zu. Immerhin hatte er die Information, die er wollte. Jinan war es nicht gewesen, der ihn beobachtet hatte und im Grunde war es auch egal. „Vielen Dank für das Gespräch. Leider muss ich nun wieder zurück, meine Pflichten rufen.“ Man konnte richtig sehen, dass Jinan nun ein Kommentar auf der Zunge lag, doch er schien es zurückhalten zu können. Das war auch ein bedeutender Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Männer trugen das Herz nicht auf der Zunge. „Ich habe gelernt, dass man Reisende nicht aufhalten soll. Dann wünsche ich Euch noch viel Vergnügen.“ Dass er das haben würde, bezweifelte Deacon stark, aber es war schon spät. Wenn er Glück hatte, dauerte dieser Abend nicht mehr lange. So verließ er die Bibliothek und ging wieder zurück in den Ballsaal. Dort schien seine Mutter ihn schon sehnsüchtig erwartet zu haben. Kaum hatte sie ihn erblickt, hakte sie sich bei ihm unter. Zwar sagte sie kein Wort, aber ihr vorwurfsvoller Blick sprach Bände. Deacon nahm es hin, was für eine Wahl hatte er schon? Geschlagen ließ er sich zur nächsten Dame führen, die seine Mutter gerne an seiner Seite sehen würde. Hoffentlich gingen ihr diese irgendwann einmal aus, dass war wohl die einzige Möglichkeit, das zu einem Ende zu bringen. Kapitel 14: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 14 Also nach einer langen Zeit melde ich mich wieder mit einem neuen Kapitel. Ich weiß das es lange gedauert hat. Und entschuldige mich dafür. Dieses Kapitel ist noch nicht gebetat. Wie immer werde ich den Inhalt austauchen sobald ich die korrigierte Version habe. Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Als Jinan am nächsten Tag aufwachte, war der Vormittag schon weit fortgeschritten. Er machte sich keine Sorgen, dass er etwas verpasst hatte, da der restliche Hof wohl auch gerade die Augen aufschlug. Hier schlief man gerne lang. Und da das Turnier zu ihrer Belustigung diente, fingen die meisten auch erst am Nachmittag an. Nun, die wirklich interessanten. Jinan fuhr sich über die Augen und setzte sich auf. Er wusste, dass er nicht alleine im Raum war und drehte den Kopf zur Tür. Diese war zwar geschlossen, aber Anas stand davor. Hatte ihn doch dessen Eintreten geweckt? Anas sah etwas irritiert aus. „Du hast Besuch. Eine Frau, eine sehr schöne Frau.“ „Wer?“ Jinan erwartete keinen Damenbesuch und er glaubte nicht, das Karen ihre Antwort persönlich abholte. Er schätzte sie nicht als eine Frau ein, die einem Mann nachlief, die Männer hatten zu ihr zu kommen. Manche Frauen konnten sich so eine Auffassung leisten und lagen damit richtig, andere nahmen sich auch diese Freiheit heraus und wurden enttäuscht. Karen gehört zu der ersten Sorte Frauen. Doch Anas musste ihn enttäuschen und zuckte nur ratlos mit den Schultern. Mit einem leisen Seufzen stand Jinan auf. Wahrscheinlich hatte Anas auch gar nicht gefragt. Er war mit den Gepflogenheiten noch immer nicht vertraut, aber es hatten auch viele Angst vor ihm. Vor allem die Damen. Ein Umstand der auch Anas auffiel, den er aber nicht verstehen konnte, egal wie oft Jinan versuchte es ihm zu erklären. Mit einer Geste deutete er dem Afrikaner ihm seine Sachen zu bringen. Auch wenn sich Jinan durchaus selbst anziehen und zurechtmachen konnte, so sollten sie es doch üben, falls sie einmal männlichen Besuch hatten. Dieser durfte ja in ihr Schlafzimmer stürzen wenn er es eilig hatte. Und eine Dame, die ihn um diese Tageszeit besuchte, hatte sicher etwas Dringliches zu besprechen. Als er Anas die Hose aus der Hand nahm, kam ihm eine schreckliche Befürchtung. „Es ist aber nicht meine Stiefmutter, oder?“ „Schreckliche Person? Nein, sie ist es nicht.“ Anas schüttelte entschlossen den Kopf, hielt dann aber inne. „Nein, Alter stimmt nicht.“ Alter stimmte nicht? Noch während der Blondhaarige versuchte diesen Worten einen Sinn abzugewinnen zog er sich fertig an. Er warf noch einen fragenden Blick zu Anas zurück, während er die Tür seines Schlafzimmers öffnete und im Schritt stehen blieb. Besaß diese Familie denn gar keine Scham? Sie saß da in einem Sessel und wirkte so als hätte sie das Recht hier zu sein. Nur in ihren blauen Augen sah man die Furcht und Unsicherheit, die sie durchaus haben sollte. Ein rotes Kleid, das für den Tag viel zu auffällig war, betonte jede Rundung ihres Körpers. Wenigstens war es nicht so offenherzig geschnitten, dass man gleich den Zweck eines solchen Kleides erkennen ließ. Ihr schwarzes Haar trug sie offen, ein totaler Verstoß gegen die Hofetikette. Jinan war sich sicher, das sie so nicht hergekommen war, sondern das sich das erst hier geändert hatte. Er zwang sich weiter in den Raum zu gehen und setzte sich ihr gegenüber auf einen Sessel. „Alexa, was verschafft mir die Ehre deines frühen Besuches? Hat die Hölle heute Freigang?“ Bei Jinans letzten Worten blitzte etwas in ihren Augen auf, aber nur ganz schwach. „Ich bin hier um mich zu entschuldigen und damit diese leidige Sache aus der Welt zu schaffen.“ „Ach und du glaubst, dass ist mit einer Entschuldigung getan?“ Jinan hob gespielt überrascht eine Augenbraue. „Vor allem hast du sehr lange gebraucht um dich dazu durchzuringen. Ich meine zehn Jahre, du erinnerst dich? Meine Erinnerungen mögen ja sehr verschwommen sein, aber ich bin sicher deine sind es nicht.“ „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass es für eine Entschuldigung wohl viel zu spät ist.“ „Aber du wolltest es versuchen, was? Nun, leider kann ich dir nicht helfen dein Gewissen zu erleichtern. Auch wenn du mich auf Knien anflehst, ich kann dir nicht vergeben.“ Er wollte es auch gar nicht. Allerdings musste er sagen, dass die Vorstellung, wie sie ihn auf Knien um Vergebung anflehte doch etwas für sich hatte. Nur das es nie passieren würde, dafür war sie zu gut erzogen. Er merkte wie schwer ihr dieses Gespräch fiel. Gut, Jinan wollte es ihr auch gar nicht leicht machen. Sein Leben nach diesem Verrat war auch nicht immer leicht gewesen, wenn es wohl auch eines der besten Dinge war die ihm hatten passieren können. Denn erst nun sah er ein wie naiv er damals gewesen war, auch wenn er geglaubt hatte schon erwachsen zu sein. Jinan lächelte verschlagen, da er ihre wahre Motivation kannte. „Aber es geht dir auch gar nicht um Vergebung nicht? Du bist nur hier weil deine Mutter dich schickt. Du bist nur ihre Marionette, Alexa. Was will sie nun das du für sie machst?“ Alexa straffte sich, gleichzeitig strich sie sich fast verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr. Es waren ziemlich widersprüchliche Gesten, aber es machte Jinan auch schwer zu erkennen welche davon gespielt war. Doch er bemerkte ihren Blick, der kaum merklich zu Anas glitt, bevor er sich wieder auf ihn richtete. „Ich bin nicht die Marionette meiner Mutter. Heute bin ich aus eigenem Antrieb hier.“ „Im Gegensatz zu früher? Leugne es gar nicht, ich weiß sehr gut wer dich in mein Bett getrieben hat. Oder dafür gesorgt hat, das ich dort mit dir landete.“ Wenn er ehrlich war, so fehlte ihm auch heute noch ein Teil dieses Abends. Jinan wusste noch wie er in sein Bett gekommen war und zwar alleine, und wie sie dort zusammen entdeckt wurden. Alexa strich imaginäre Falten im Rock ihres Kleides glatt. „Ich gebe zu, dass es die Idee meiner Mutter war, die mich in dein Bett trieb. Allerdings…“ Sie hob den Blick und sah ihm fest in die Augen. Jedoch sagte sie nichts mehr. „Allerdings?“ Jinan machte eine ungeduldige Geste mit der Hand, die ihr deutete weiterzusprechen. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Schwester.“ Das letzte Wort troff nur so vor Verachtung. Wobei das ja nicht stimmte, sie waren ja nur Stiefgeschwister und darauf legte er normalerweise sehr viel Wert. Nur schien Alexa heute ja den Schein einer normalen Familie wahren zu wollen. Ein leicht roter Schimmer breitete sich auf ihren Wangen aus. Alexa erhob sich und kam auf ihn zu. Ohne sich von Anas Anwesenheit abhalten zu lassen, setzte sie sich auf seinen Schoß. Jinan widerstand dem ersten Drang sie einfach von sich zu stoßen. Vor zehn Jahren hätte sein Köper nun ziemlich eindeutig reagiert, doch nun blieb er ruhig. Er hatte kein Verlangen mehr nach Alexa oder einer anderen Frau. Zu tief saß der Schmerz und die Demütigung, die sie ihm damals zugefügt hatte. Aber er war daran interessiert welches Spiel sie nun trieb, weswegen er beschloss darauf einzugehen. Sie legte ihre Hand sanft auf seine Brust. „Allerdings muss ich sagen, dass mir der Gedanke gar nicht so unangenehm war. Ich bedauere nur den Ausgang dieser Situation.“ „Du meinst, dass ihr mich verraten habt?“ Auch wenn er mitspielen wollte, so konnte er den spöttischen Ton nicht aus seiner Stimme verbannen. Alexa ging nicht darauf ein, sondern lächelte scheu und ihre Finger strichen leicht über den Stoff seines Oberteils. „Du warst so ein süßer Junge und ich genoss es wenn du mich mit so verliebtem Blick angesehen hast. Ich muss sagen, das du in den Jahren deiner Abwesenheit ein durchaus ansehnlicher Mann geworden bist und ich bedauere wirklich was ich damals getan habe.“ Sie schwieg einen Moment und ihre Stimme nahm einen einschmeichelnden Ton an. „Wenn man von all den Dingen einmal absieht die passiert sind. Denkst du nicht, das es für uns nicht doch noch eine kleine Chance gibt?“ Jinan stöhnte bei ihren Worten gequält. Aber nicht weil ihre Worte etwas bei ihm ausgelöst hatten, sondern nur weil sie ihm seine eigene Dummheit abermals vor Augen geführt hatte. Natürlich hatte sie von seinen Gefühlen für sie gewusst. Wahrscheinlich hätte es sogar ein Blinder bemerkt. Aber ihm war es nicht bewusst gewesen, das es so offensichtlich gewesen war. Auch Alexa hörte das Stöhnen und schien es als Reaktion auf ihre Bemühungen zu werten. Sie näherte ihr Gesicht Jinans wohl um ihm einen Kuss zu rauben. Kurz vor ihrem Ziel spürte sie aber zwei Finger auf ihren Lippen. „Ich muss zugeben, dass deine Worte mir schmeicheln. Doch ich will nichts überstürzen.“ Er sah wie es in ihren Augen aufblitzte. Natürlich sie sah das als Zusage. „Weißt du unter bestimmten Voraussetzungen könnte ich dir sogar die Vergebung erteilen um die du mich gebeten hast.“ „Ach ja? Und welche währen das?“ Sie legte ihren Kopf vertrauensvoll an seine Schulter. Jinan hingegen legte zwei Finger unter ihr Kinn und führte es so, dass sie ihn ansehen musste. „Ja, ich denke, dass ich dir vergeben kann.“ Er lächelte und strich mit einem Finger sanft über ihre Wange. „Ich werde dir vergeben wenn mein Vater tot ist und ich all das habe, was mir zusteht. Wenn ihr nichts mehr habt von dem ihr leben könnt und du oder deine Mutter gezwungen seid einen anderen Adeligen zu ehelichen um euren Lebensstandart aufrecht zu erhalten. Dann, erst dann werde ich euch vergeben.“ Damit zog er seine Hand zurück, so als hätte er sich verbrannt und schob sie von seinem Schoß. Alexa war so perplex, das sie einfach widerstandslos aufstand und ihn verwirrt ansah. Jedoch nur einen Moment, dann wandelte sich ihr Gesichtsausdruck in Wut. „Du bist ein Teufel!“ „Und du eine Hexe, weswegen wir wirklich gut zusammenpassen würden. Nur leider habe ich kein Verlangen mehr nach dir.“ Nach keiner Frau, doch das musste sie nicht wissen und schon gar nicht seine Stiefmutter. Sollten sie ruhig noch länger glauben, dass sie ihn mit weiblichen Reizen einfangen oder umstimmen konnten. Immerhin war dieser Versuch sehr informativ für ihn gewesen. Und es hatte auch einen gewissen Unterhaltungswert gehabt, das konnte er nicht abstreiten. Ihre Lippen bebten vor Wut und bevor Jinan etwas dagegen machen konnte, hatte sie ihre Hand erhoben und ihm eine Ohrfeige verpasst. Erstaunt hob Jinan die Hand und legte sie auf seine Wange. Es schmerzte nicht sonderlich, allerdings erstaunte ihn doch, dass sie tatsächlich die Courage dafür gehabt hatte. Und auch sie schien von ihrem eigenen Mut überrascht, da sie die Hand hastig an ihren Körper zog und zurückwich. Ihre Blick lag ängstlich auf ihm. Er stand auf und ließ seine Hand sinken. „Ich lasse dir das das durchgehen, weil ich deine Wut verstehe. Jedoch wirst du nun gehen. Du wirst mich jetzt verlassen und deiner Mutter von deinem Versagen berichten. Ebenso wirst du mir in Zukunft aus dem Weg gehen.“ Sie schrie erschrocken auf, als er sie unvermittelt an dem Handgelenk der Hand packte, mit der sie ihn geschlagen hatte. Doch Jinan ließ sie nicht los. „Ansonsten wird vielleicht auch mir die Hand einmal ausrutschen nur wird sie dabei zur Faust geballt sein. Hast du mich verstanden?“ Alexa nickte verängstigt. „Ja, ich habe verstanden.“ „Gut.“ Damit ließ er sie los. „Du weißt wo die Tür ist.“ Nun wieder etwas sicherer sah sie ihn hasserfüllt an, eilte aber aus dem Zimmer. Erst als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel atmete Jinan erleichtert durch. Natürlich war es eine leere Drohung gewesen, er hätte sie nie geschlagen. Er schlug keine Frauen. Nur das wusste sie ja nicht und es war ein gutes Mittel sie einzuschüchtern. Anas trat zu ihm und sah ebenfalls zur Tür. „Eine komische Frau.“ „Eine gefährliche Frau. Wenn auch nur ein Strohmann.“ Als er den verwirrten Blick seines Freundes sah, setzte er zu einer Erklärung an. „Sie ist ein Strohmann. Hinter ihr ist noch jemand der die Fäden zieht, der ihr sagt was sie machen und sagen soll. Und dieser jemand ist noch gefährlicher.“ Und nun würde seine Stiefmutter wohl zu härteren Mitteln greifen. Auch wenn er ihr alles zutraute, so wusste er nicht wie weit sie wirklich gehen würde. Sie besaß keine Moral, aber das war hier nichts verwerfliches, nur hatte sie auch wirklich kein Gewissen? Obwohl unter den Adeligen galt es als erlaubt einen lästigen Gegenspieler durch Mord aus der Welt zu schaffen, dass durfte er nie vergessen. Vielleicht sah sie es als notwendiges Übel, das sie eingehen musste. Über dieses unbehagliche Gefühl konnte ihm nicht einmal die Vorstellung auf die Strafpredigt die Alexa nun erwartete, hinweghelfen. „Aber sie ist aus Fleisch und Blut ein normaler Mensch.“ Jinan sah bei Anas Worten verwirrt auf. Er brauchte einen Moment um zu verstehen, dass sich der Andere auf seine Worte von eben bezog. Momentan wollte er das aber nicht noch weiter erklären. Deswegen schüttelte er nur den Kopf. „Ach, vergiss es. Vielleicht wirst du es irgendwann einmal verstehen.“ Anas runzelte bei diesen Worten zweifelnd die Stirn. „Ich will noch lernen.“ Jinan nickte nur bei diesen Worten. „Das ist gut und das wirst du sicher.“ Auch wenn er nicht wusste, ob er das wirklich gut finden sollte. Immerhin deutete das daraufhin das sich Anas auf einen längeren Aufenthalt hier einrichtete. Wobei er ihn eigentlich wieder in seine Heimat zurückschicken wollte und das so rasch wie möglich. Nur, dass er eben immer wieder kommen würde, das hatte man ja gesehen. Jinan seufzte und sah aus dem Fenster. Es war eigentlich zu früh um sein Zimmer zu verlassen. Doch nun wo er schon einmal angezogen war und der Tag sowieso schon eine unangenehme Überraschung für ihn bereit gehalten hatte, konnte er sich ebenso gut auch dem Rest der Gesellschaft stellen. Denn so gesehen konnte er nur noch besser werden. Als Jinan aufstand und zur Tür ging, hoffte er nur, dass er sich mit dieser Annahme nicht irrte. Kapitel 15: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 15 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. Deacon hielt sich den Kopf und stöhnte leise als er hörte, wie jemand in seinem Zelt herumhantierte. An den Geräuschen konnte er ausmachen, dass es sein Diener war, oder zumindest jemand, der dessen Aufgaben übernahm. Normalerweise war übermäßiger Alkoholgenuss nichts, zu dem er sich während eines Turniers hinreißen ließ, aber der Abend gestern hatte keine anderen Maßnahmen zugelassen. Nach der gefühlt dreißigsten, jungen Dame, die ihm seine Mutter vorgestellt hatte, war ihm gar keine andere Wahl geblieben als zum Alkohol zu greifen. Nun zahlte er eben den Preis dafür. Mit einem leidenden Laut setzte er sich auf und erblickte wirklich seinen Diener, der ihm sofort einen Becher Wein reichte. Deacon maß die Flüssigkeit nur mit einem Blick und lehnte dann ab. Das Letzte was er nun brauchte war noch mehr Alkohol. „Wasser.“ Das war zwar etwas schwach, aber heute war für ihn Training angesagt und dafür sollte man nüchtern sein, wenn schon nicht körperlich fit. Er nahm sein Frühstück und auch einige Becher Wasser zu sich und beschloss, dass er nun in der Verfassung war einige Übungen durchzuführen. Auf dem Weg zum Übungsplatz merkte er, dass er für diesen Tag viel zu früh aufgewacht war. Die Hälfte der Ritter war noch nicht wach und die andere hatte heute Kämpfe, für die sie sich vorbereiteten. Aus diesem Grund war es auch kein Wunder, das er die Übungsplätze nur sehr spärlich, bis gar nicht besetzt vorfand. Diejenigen die hier waren, schwangen ihr Schwert mehr aus Pflichtgefühl, als aus richtiger Kampfeslust. Deacon merkte schon, das er hier heute keinen Gegner finden würde. Aus diesem Grund begab er sich in die Mitte eines der kleineren Übungsplätze und übte einige Finten und Angriffe. Nichts, dass er als eine seiner Spezialitäten sah, denn niemand hier zeigte mehr als er musste um sich nicht selbst eines Vorteils zu berauben. Doch gab es für ihn wirklich einen Zuseher, wie er nach einiger Zeit merkte. Nicht das er ihn sah, da er mit dem Rücken zu ihm stand, aber Deacon merkte es wenn er beobachtet wurde. Wenn das auch sonst eher in den Ballsälen passierte und die Augen die auf ihm ruhten zu Frauen gehörten. Als er sich in einer Drehung umdrehte, bemerkte er das dieses hellblaue Augenpaar keiner Frau gehörte, ihm aber bekannt war. Er ließ das Schwert sinken und lächelte seinem Beobachter freundlich zu. „Spioniert ihr für euren Cousin die Gegner aus?“ Jinan schüttelte belustigt den Kopf. „Ich denke nicht das Raoul oder Casey solche Tricks nötig haben.“ Stimmt, Deacon vergaß immer, dass der Andere nicht nur mit Raoul sondern auch mit Casey verwandt war. Etwas das man ihm nicht wirklich ansah, wobei vielleicht doch entfernt mit Casey. „Was treibt euch dann zu dieser Stunde aus dem Bett?“ „Die Aussicht, die mangelnde Gesellschaft, es gibt einige Dinge die einen Mann um diese Zeit aus dem Bett reiben, oder?“ Jinan zuckte mit den Schultern, aber man merkte seinem Tonfall an, das er dies durchaus scherzhaft meinte. Das war etwas das Deacon auflachen ließ. Seltsam diese Art an Humor hatte er an dem Anderen noch nicht bemerkt. „Ja, das stimmt.“ Kurz maß er ihn mit einem musternden Blick. Ob er ihn fragen sollte? Laut Raoul konnte er ja kämpfen und, wie ihm ein weiterer Blick in seine Umgebung zeigte, die Auswahl hier war nicht sonderlich prickelnd. „Aber wenn ihr nun einmal schon hier seid, was haltet ihr davon mein Traingspartner zu sein?“ Jinan hob überrascht eine Augenbraue, schüttelte dann aber lächelnd den Kopf. „Ihr wart dabei als mich Raoul gefragt hat, oder? Ich habe schon seit Jahren nicht mehr in einem Turnier gekämpft. Leider befürchte ich, dass ich etwas aus der Übung bin.“ „Ich denke nicht, das man kämpfen verlernen kann.“ Man konnte schwächer werden, das stimmte schon, doch es gab Bewegungsabläufe die man einfach verinnerlichte. Man konnte einrosten, doch im Kopf kannte man die Bewegungen noch, an die man sich erinnerte. „Oh, wenn ihr euch da nicht irrt.“ Jinan löste sich von dem Zaun der den Übungsplatz umgab und an dem er bis jetzt gelehnt hatte. „Außerdem habe ich kein Schwert.“ So wie er das sagte, war das eine abschließende Bemerkung, Deacon ließ sich davon jedoch nicht beirren. Mit dem Kopf deutete er auf einige Übungsschwerter aus Holz, die an dem Zaun lehnten. „Wir haben welche.“ Bei einem Gegner den er nicht kannte und während des Turniers war das sowieso sicherer. Auch wenn er nicht glaubte, dass von Jinan eine große Überraschung kommen würde. Jinan folgte seinen Blick und sah auf die Schwerter. „Ihr lasst nicht locker, oder?“ Deacon grinste amüsiert bei dieser Antwort, schüttelte aber den Kopf. „Doch, es steht euch noch immer immer frei euch umzudrehen und einfach zu gehen. Ansonsten, nein.“ Zufrieden hörte er das resignierende Seufzen des Anderen und sah wie er über den Zaun stieg. „Sagt aber nicht, ich hätte euch nicht gewarnt. Ich bin nicht mehr so geübt mit dem Schwert.“ Da stellte sich doch glatt die Frage mit welcher Art von Waffe er nun geübt war. Er trug einen Dolch mit sich, aber wer am Hofe tat das nicht? Die wenigsten konnten jedoch damit umgehen. Aufmerksam beobachtete er Jinan, wie dieser das Holzschwert in die Hand nahm und damit einige Schwünge machte, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Fasziniert folgte er dessen Bewegungen als er das Schwert einmal in der Hand kreisen ließ. Wenn das eingerostet war, wie sah das dann aus, wenn er gut im Training war? Wobei ein Holzschwert hatte kaum Gewicht, bei einem richten Schwert sah das anders aus. Jinan nahm ein zweites und kam zu ihm. Deacon steckte sein eigenes Schwert ein und nahm das Übungsschwert. „Vielen Dank.“ „Normale Turnierregeln?“ Damit trat Jinan bereits zurück und begab sich in Anfangsposition. Deacon nickte zustimmend. „Ja, normale Turnierregeln.“ Man merkte die Veränderung in der Atmosphäre und auch in Jinans Augen trat ein konzentrierter Ausdruck. Deacon kannte das aus dem Ring, das passierte immer wenn der Kampf anfing, oder sollte passieren. Das unterschied den Profi vom Anfänger, der sich nicht nur auf seinen Gegner fokussieren konnte. Deacon konnte das, ebenso wie Jinan weswegen es ein interessantes Training werden würde. Er verhielt sich so wie bei jedem Turnier auch und griff sofort an, nur so konnte man seine Kräfte sparen und das war sinnvoll, wenn man noch mehr Kämpfe vor sich hatte. Dieses vorsichtige herantasten konnte man sich sparen, wenn man den Gegner zuvor studiert hatte. Und dies hier war nur ein Übungskampf, da war es auch vergeudete Zeit. Wie erwartet konnte Jinan diesem Schlag ausweichen und führte selbst einen Schlag aus, den Deacon aber abwehren konnte. Dieser Schlagabtausch dauerte eine Weile an und so unmotiviert Jinan auch am Anfang gewesen war, so konzentriert war er nun. Er war viel geschickter als Deacon angenommen hatte, ähnlich wie Casey oder Raoul. Hier hatte jemand eine wirklich gute Ausbildung genossen. Eingerostet war hier wirklich nichts, da hatte der Blonde deutlich untertrieben. Oder besser dann wollte er ihn nicht in Höchstform erleben. Hier und da gab es einen Schnitzer, aber nichts das man für sich ausnutzen könnte. Mit einem Mal entdeckte Deacon eine Lücke und drehte sich, so das nun Jinans ungeschützte Seite vor sich hatte. Mit einem Schlag holte er aus um diesen Kampf zu beenden, was aber von Jinan verhindert wurde. Verwirrt sah Deacon auf das Schwert das seinen Schlag geblockt hatte. Wie..? Verwundert trat er einige Schritte zurück und senkte das Schwert, ein Zeichen das er dieses Duell beendete. Aber wirklich, Jinan hielt das Schwert in der anderen Hand. Bis jetzt hatte er gedacht er sei Rechtshänder, aber nun lag das Schwert in der linken Hand. „Wie hast du das gemacht?“ Fragend sah ihn Jinan an und ließ das Schwert ebenfalls sinken. „Was?“ Er schien wirklich nicht zu wissen was er gemacht hatte. Für Deacon war das eine große Überraschung, es gab nur sehr wenige Kämpfer, die mit beiden Händen kämpfen konnten. Zu seinem Leidwesen gehörte er selbst nicht dazu. Sein Blick fiel auf das Holzschwert in Jinans Hand und er ließ sein eigenes fallen, nur um sein richtiges Schwert zu ziehen. Es konnte natürlich sein, das dies nur aufgrund des Gewichtes ging, das war immerhin ein nicht zu unterschätzender Unterschied. Mit dem Griff voran bot er es Jinan an. „Bitte wiederhole deinen letzten Schlag.“ Noch immer verwundert warf Jinan auch sein Schwert auf den Boden und trat näher. Vorsichtig als würde er etwas giftiges berühren nahm er Deacons Schwert in die Hand und trat wieder etwas zurück. „Das ist schon lange her.“ Jinans Stimme war nicht mehr als ein murmeln als er das Schwert schwang. Er atmete einmal durch und wiederholte worum ihn der Ältere gebeten hatte. Jetzt konnte es Deacon ungehindert sehen, wirklich kurz bevor er den Schlag ausführte wechselte er die Hand und hob diese mit dem Schwert. Auch wenn sie zitterte, so wurde der Schlag zu Ende geführt und gehalten, wenn auch nur für einen Moment. Der Wechsel und auch die Bewegung danach waren aber so flüssig gewesen, dass es kaum einen Zweifel daran gab. Jinan war einer der zweihändigen Kämpfer, ihm fehlte nur die Kraft was allerdings durch mangelndes Training ausgeglichen werden konnte. Er trat wieder an Jinan heran und nahm ihm sein Schwert ab, bevor er es wieder in der Scheide verstaute. „Du kämpfst zweihändig.“ „Ja, das wurde mir so beigebracht.“ Jinan nickte, noch immer schien er nicht zu wissen worauf der Andere hinauswollte. Deacon ergriff Jinans Hand und sah ihn bittend an. Seine Absicht war wohl für jeden deutlich ersichtlich. „Bring es mir bei.“ Kapitel 16: ------------ Titel: Love me,… Lord? Teil: 16 Disclaimer: Die Personen gehören alle mir. Sollte es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen geben, so ist das reiner Zufall. „Was?“ Von diesem Vorschlag war Jinan vor allem eines, überrascht. „Warum?“ Sonderlich intelligent waren seine Fragen nicht, dass stimmte, aber das waren einmal die Punkte die man klären sollte. Deacon war ein Ritter dessen selbsternannte Aufgabe der Kampf war, er nur ein Amateur mit rudimentären Kenntnissen. Wie sollte er ihm etwas beibringen können? Es war ein interessanter Kampf gewesen das stimmte, aber mit Holzschwertern ging alles etwas leichter. „Weil ich finde das ihr gut kämpft, vor allem den Wechseln finde ich interessant. Nicht viele Männer beherrschen das Schwert mit beiden Händen.“ Die Anerkennung in Deacons Blick machte Jinan verlegen. Wenn er ehrlich war, dann hatte ihn noch nie jemand für seine Kampfkunst gelobt. Sein Vater hatte ihn ständig kritisiert weil er in seinen Augen nie gut genug war, wie in so vielen anderen Dingen auch, weswegen er ständig trainiert hatte. Anfangs hatte es ja sogar noch Spaß gemacht, aber wenn man sich immer anhören durfte, dass seine Cousins Raoul und Valerian besser waren, da verlor man rasch den Enthusiasmus. Später hatte er sich auf dem Turnier schlagen müssen, in dem es immer einen stärkeren Gegner gab wenn man ein Jugendlicher war. Und in den letzten Jahren war er oft verflucht worden, da er um sein Leben kämpfte und wie man sah, immer besser gewesen war. Zu seinem Glück. Aber Lob, nein das hatte es nie gegeben. „Nein.“ Für Jinan war das eine einfache Entscheidung, aber die einzig logische. Um das zu lernen gab es nur einen Weg. „Ich bringe euch gerne den Wechsel bei und stehe euch gerne als Trainingspartner dafür zur Seite, aber lehren kann ich es euch nicht. Den Grund dafür kennt ihr sicher.“ Deacon nickte zustimmend. „Ich weiß, dass erst der Arm dafür stärker werden muss. Dafür kann nur ich selbst sorgen, aber ihr könnt mir die Tricks lernen mit denen ich ihn dann auch einsetzen kann.“ Was für eine Ironie. Jinan hatte sich das damals gelehrt, weil er das Turnier hatte gewinnen wollen und nun gewann vielleicht jemand anderes damit. Weil er es ihm beibrachte. Nun, eigentlich war der Gedanke ja gar nicht so schlecht. Wenigstens konnte dann irgendjemand etwas damit anfangen. „Ja, aber nicht mehr heute.“ Der Kampf hatte ihn doch etwas erschöpft und er griff nach dem Holzschwert auf dem Boden. Abwägend hielt er es in der Hand und sah es nachdenklich an. Trotz der überraschenden Wendung war es doch ein gutes Gefühl gewesen wieder ein Schwert in der Hand zu halten, selbst wenn es aus Holz war. Er brachte es wieder dorthin zurück wo er es her hatte und sah zum Schloss zurück. Es war eine gute Idee gewesen hierherzukommen. Warum er hier war wusste er sowieso nicht. Er war nach dem Gespräch mit seiner Schwester einfach nur losgegangen ohne Ziel und mit dem Wunsch möglichst viel Entfernung zwischen sie und ihn zu bringen. Womit er hier gelandet war, vielleicht hatte er auch einfach nur ein paar Körper sehen wollen die ihm mehr zusagten als die von Frauen. Vor allem nachdem seine Schwester so erfolglos versucht hatte ihn zu verführen. Diese Dreistigkeit ließ Jinan die Faust ballen. Wie konnte sie nur? Glaubte sie wirklich das er zweimal auf den gleichen Trick hereinfiel? Wobei... Seine Faust löste sich und er entspannte sich wieder etwas. Das sah Silvia gar nicht ähnlich. Könnte es sein, dass dies alles alleine Alexas Idee war? Glaubte sie sich so vor seiner Rache schützen zu können. Nun diese Möglichkeit schien von allen die logischste zu sein. Einfallslos und dumm, aber etwas das durchaus zu seiner Stiefschwester passte. Ein Wunder, wenn man bedachte aus wessen Schoß sie gekommen war. „In Ordnung.“ Deacon trat neben ihn und legte sein Holzschwert ebenfalls zurück. Sein Blick glitt zum Himmel. „Ich denke auch das es Zeit für ein Mittagessen ist und die ersten Kämpfe haben sicher auch schon angefangen. Wollt ihr mit mir essen?“ „Vielleicht ein andermal. Ich muss heute noch etwas erledigen.“ Entschuldigend lächelte er Deacon an. Es war sicher auch nicht so ratsam zu viel Zeit in seiner Nähe zu verbringen. Dafür entsprach er zu sehr seinen Vorstellungen eines Partners, wenn auch nur äußerlich. Um seinen Charakter zu beurteilen waren sie sich noch nicht so nahe gekommen, wenn Jinan auch nicht vorhatte etwas daran zu ändern. Eine Liebesliaison mit einem fremden Ritter während des Turniers war gerade das, was ihm in seinem wenig ruhmreichen Lebenslauf noch fehlte. Das wäre das richtige Futter für die Klatschmäuler hier am Hofe. Aus diesem Grund verabschiedete er sich mit einem Kopfnicken von dem Ritter und verließ die Übungsplätze. Nun war er auch wieder ruhig genug, um ins Schloss zurückzukehren. Sein Weg führte ihn jedoch zu den Turnierplätzen, da sich zur Zeit jeder den er kannte dort aufhielt und sicher auch die Gesuchte. Er mischte sich unter die Turnierteilnehmer der mittleren Schicht auf seiner Suche. Nicht das er sie hier finden würde, aber hier konnte er die Tribünen des Adels gut sehen. Denn auch wenn dieses Turnier für alle war, die Stände mussten doch gewahrt werden. Schließlich waren nicht alle Menschen gleich und das musste man ihnen immer ins Gedächtnis rufen. Wie Jinan diese Gedankengänge abstießen, wenn auch erst seit einigen Jahren, in seiner Jugend war das für ihn die Normalität gewesen. Diese war jedoch schon lange vorbei. Zwar sah er einen Menge bekannter Gesichter auf der Tribüne, aber nicht das der Gesuchten. Was auch nicht möglich war, da er gerade noch sah, wie sie die Tribüne auf einer der Seitenstiegen verließ. So drängte auch er sich wieder aus der Menge, an einer Stelle, die der von ihr ziemlich nahe kam. Jinan sah sie gerade noch, wie sie zum Schloss ging und folgte ihr. Es war sicher gut und auch in ihrem Interesse, wenn man sie nicht zusammen sah. Auch wenn er keine Ahnung hatte wie ihr Ruf war, seiner war sicher alles andere als gut. Wenn dann einmal herauskam, wer er wirklich war erst Recht nicht. Zwar beschleunigte er seine Schritte aber nicht so das er sie einholen konnte. Im Schloss bog sie nach einiger Zeit in einen Seitengang ein und Jinan folgte ihr. Nur um fast mit ihr zusammenzustoßen, denn sie war knapp hinter der Abbiegung stehen geblieben. Abschätzend sah Karen ihn an. Ihr Blick hatte etwas vorwurfsvolles, als hätte er gerade etwas sehr dummes getan und wäre dabei gescheitert. „So und wenn ihr es nun leid seid mich zu verfolgen, können wir den Weg wie zivilisierte Leute fortsetzen.“ Nach seiner ersten Überraschung lächelte er verlegen. „Es tut mir leid, das war wohl nicht sehr subtil.“ „Nur wie ein Pferd in einer Töpferei. Aber es sei euch verziehen, der Umgang am Hof ist euch immerhin nicht geläufig.“ Ihr sicherlich schon, denn sie hakte sich bei seinem Arm unter und dirigierte ihn so sacht in die von ihr gewünschte Richtung. Ohne das jemand anderes davon merkte, darauf würde Jinan wetten. Ihr Ziel war einer der Nebenräume in den sie ihn führte. Mit einem raschen Blick sah sich um, doch bis auf die Möblierung war der Raum leer. „Gut.“ Sie schloss die Tür hinter sich und sperrte ab. Jinan hob skeptisch eine Augenbraue. Das war ein sehr gewagtes Manöver, immerhin konnten so noch leichter Gerüchte aufkommen. Wenn Jinan auch nicht glaubte, dass sich Karen darum sorgte. Aber er eröffnete dieses Gespräch nicht, dass würde er ihr erlauben. Karen ging zu einem der Sofas, von denen es hier einige gab und setzte sich darauf. Sie richtete ihren Rock so als wäre es eine Kunstform, dann erst wandte sie ihren Blick zu ihm. „So und was kann ich für den Erben Lord Hales machen? Sicher seid ihr mir nicht nur wegen meines einnehmenden Äußeren gefolgt, wenn ich das auch sehr schmeichelhaft finden würde.“ „Als erstes wäre es mir sehr angenehm, wenn ihr mich nicht mit diesem Namen ansprecht. Dieser Teil meines Lebens liegt hinter mir.“ Das hatte Jinan für sich selbst entschieden und auch wenn sein Vater es nicht akzeptieren wollte, für ihn war es so. „Interessant.“ Karen musterte ihn als wäre er eine sehr seltene Spezies. Dann aber zuckte sie mit den Schultern, so als hätte sie eine Entscheidung getroffen. „In Ordnung. Aber euch ist sicher bewusst, das es einmal ans Licht kommen muss, das muss nicht zwangsläufig ich sein.“ Jinan nickte verstehenden. „Ich weiß.“ Das konnte jeder der er es wusste öffentlich machen, allen voran sein Vater dem es so wichtig war, dass sein Sohn wieder hier war. Allerdings hoffte Jinan das er sich damit noch Zeit ließ. Er war mit seiner derzeitigen Rolle sehr zufrieden und man musste nicht schlafende Hunde wecken. Vor allem zehn Jahre hier reichten nicht, um all das zu vergessen was passiert war. „Nun, womit kann ich euch nun helfen?“ Fragend sah ihn Karen an. Sie wirkte dabei so unschuldig wie nur möglich. Jinan musterte sie vorsichtig und auch ein wenig misstrauisch. Wenn ihn Frauen so ansahen, weckte das allgemein sein Misstrauen. Eigentlich war sie ja ziemlich schön, von ihrer Augenfarbe abgesehen, entsprach sie sogar seinen Vorlieben, wenn man einmal davon absah das er mit Frauen fertig war. „Ich habe mich bei Lord Alrin über euch erkundigt.“ „Oh wie nett, ihr habt mit Christian über mich gesprochen.“ Aus ihrem Tonfall konnte man nicht erkennen, ob das nun gute oder schlechte Folgen für Christian hatte. Ebenso wenig konnte man aus ihrem Lächeln Schlüsse darauf ziehen. „Er meinte ihr seid einige gute Freundin, aber auch das er euch zutrauen würde, dass ihr ihn jederzeit fallen lassen würdet.“ Das war nicht gerade das, was er unter einem Freund verstand. Wobei hier am Hofe hatten schon immer andere Regeln gegolten. Lächle den Leuten ins Gesicht, während sich von hinten der von dir angeheuerte Attentäter mit dem Messer nähert. Aber sorge immer dafür, dass man dich mit nichts in Verbindung bringen kann. Karen lachte kurz auf. „Das stimmt und dabei ist er noch mein bester Freund.“ Doch ihre Belustigung hielt nicht lange, dann sah sie ihn lauernd an. „Und wie habt ihr euch nun entschieden?“ Jinan zuckte mit den Schultern. „Nun, ich kann bei der Wahl meiner Freunde nicht sehr anspruchsvoll sein, wenn ich keine Wahl habe. Deswegen werde ich euer freundliches Angebot annehmen und hoffen das ihr genug Nutzen daraus zieht, um mich nicht fallen zu lassen.“ „Da bin ich mir sicher.“ Karen erhob sich und ging zu ihm. Sie streckte ihm ihre Hand hin und sah ihn abwartend an. „Auf eine gute Freundschaft.“ „Ja.“ Man hörte Jinan seine Skepsis deutlich an, als er ihre Hand ergriff. Sie drückte sie kurz und ließ ihn dann los. Lächelnd sah sie ihn an, auch wenn es in ihren Augen unternehmungslustig funkelte. „So und dann kümmern wir uns um euer Problem Nummer eins, zwei und drei.“ Ich wünsche allen hiermit frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr. Man liest, hört sich hoffentlich auch noch im nächsten Jahr. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)