Cosmo Aftmermath von SleeplessAgain (Vermissen bis in alle Zeit) ================================================================================ Kapitel 3: Zwangsurlaub ----------------------- - 3. Zwangsurlaub – „It starts to fall apart, Let me take Control, Reminisce! The Days and nothing more, Something I will find again, Deliver us!“ In Flames, “Deliver Us” “Kannst du mir erzählen, was los ist? Jetzt mal von Mensch zu Fuchs. Du wirst keine Probleme für deine berufliche Zukunft bekommen.” Dr. Breuer sah ihn so an, wie er von noch niemandem betrachtet wurde. Fast schon ...väterlich. Miles war irritiert. Diese Formulierung, dieses “kann” statt “will” er ihm erzählen was ihn belastete? Es ersetzte die Drohung von Konsequenzen durch ehrliches Interesse. Dass jemand von außen Interesse an seinem Zustand haben könnte, damit hatte sich Tails schon lange nicht mehr beschäftigt. Er wusste nicht wie er sich verhalten sollte. Trotzdem der Raum richtig klimatisiert war, fuhr jetzt ein Frösteln in seinem Brustkorb Achterbahn. “Komm her, mein Junge.” Sein Chef senkte den Kopf so, dass er ihn über den Rand seiner Brillengläser hinweg musterte. Ernst, kühl, analysierend. Die offenherzige Geste, indem er den Arm zur Tür zu seiner Rechten streckte, stand im krassen Gegensatz dazu. Der Junge ergab sich dem Schicksal. Er folgte seinem Vorgesetzten zu der Tür. Der Raum dahinter entpuppte sich als spartanischer Toilettenraum. “Hier hat noch keiner meiner Mitarbeiter Einblick gehabt,” sagte Breuer, der jetzt hinter ihm stand. Er legte dem Fuchsjungen beide Hände auf die Schultern. “Sieh in diesen Spiegel.” Sein Anblick schockierte ihn. Er sah noch elender aus als zu dem Zeitunkt, da er sich um halb vier im Spiegel gemustert hatte. Seine Schultern hingen schlaff herab, die Ohren standen nicht aufrecht. Selbst das Hemd war zerknittert. Alles in allem, gestand er sich ein, erweckte er nicht mehr den Anschein eines leicht überarbeiteten Angestellten, sondern dem eines verwahrlosten Kindes. Er war willenlos. Sein Chef führte ihn langsam, um hundertachtzig grad, in eine Drehung. Er sah ihm in die Augen. “Du hast da ein ernstes Problem. Bitte versteh mich, wenn ich sage, dass ich dich in diesem Zustand wohl kaum an dem Meeting teilnehmen lasse.” Er machte eine bedeutungsschwere Pause. ”Mein Gott, du bist elf. Und ich habe schon meine Schwierigkeiten zu wissen, wie ich mit dir reden soll, denn du wirkst wie fünfundzwanzig. Doch jetzt machst du es mir sehr leicht. Du bist ein Junge, der nicht genug Schlaf hat, dem irgendein oder irgendwelche schwerwiegenden Ereignisse überwältigen. Du bist ab jetzt beurlaubt, da hilft kein Meckern. Du hast 132 Überstunden, die nimmst du jetzt.” Er reichte Tails eine Karte. “Falls du doch noch reden willst. Bring dein Leben wieder in Ordnung, allein schon für dich selbst.” Tails wusste nicht mehr, wie alles danach ablief. Er fand sich um zwölf in einem ChaosBurger an der A2 kurz außerhalb der Stadt wieder, in der Hand einen Riesenburger. Offenbar hatte er da auch schon reingebissen. Er schmeckte nichts Wie durch Watte tauchten langsam auch Geräusche auf, von den vielen Leuten, die hier ihren Lunch abhielten. Sie wurden mit der Zeit klarer. Einige Studenten sahen immer wieder zu ihm herüber. Einer von ihnen runzelte ständig die Stirn, als versuche er, Miles Gesicht einzuordnen. Er legte den halb gegessenen Burger weg und verließ den Laden. Miles trug seinen Regenmantel, sein Telefon steckte in der Innentasche. Also war er offenbar noch kurz im Büro gewesen... Das Display verriet ihm, dass Mark vor knapp 10 Minuten versucht hatte, ihn zu erreichen. Das Smartphone musste also geklingelt haben. Hatten ihn die Studenten deswegen so oft angesehen? Er beschloss, nicht zurückzurufen. Er wusste nicht, was er ihnen sagen sollte. Er fühlte sich leer, und doch war da die altbekannte Ahnung, versagt zu haben. Er fand sich auf dem Asphalt des riesigen Parkplatzes wieder. Es waren erstaunlich wenig Autos unterwegs, trotzdem konnte der Lärmpegel Nerven aufreiben. Er stieg in seine Limousine und blickte stumpf durch die Frontscheibe. Dann, ganz unvermittelt, schlug er auf die Ränder des Lenkrades ein, schrie “Verdammt, verdammt, verdammt!”, immer wieder, bis ein Hustenanfall ihn unterbrach. Mit Tränen in den Augen versuchte er, den Krampf in der Kehle zu lösen. Zehn Meter weiter lehnte ein Hund an einem schwarzen Wagen, ein MobiusCar SmallSpeed. Der Name sagte alles, es war ein kleiner, schnittiger Wagen mit viel Leistung. Er beobachtete erst den jungen Fuchs zwei Autos weiter, dann eine Gruppe Studenten und sogar einen Rentner, deren Reaktionen von Gleichgültigkeit bis Hohn und Spott alles bereithielten. Nur der Hund verhielt sich anders. Das lag zum Teil an seiner Vergangenheit, zum Teil an seiner Einstellung gegenüber anderen Individuen. Er fühlte eine seltsame Verbundenheit zu diesem jungen Wesen, dessen Zustand er mit den Worten “einfach Scheiße” umschreiben würde. Er konnte, wie vielleicht ganz wenige in dieser Millionenmetropole von Chaos City, mitfühlen, sich noch für die Wesen interessieren, die seine Hilfe gebrauchen wollten. Er war solidarisch. Aus Überzeugung. Das Husten wurde schwächer, ganz verschwinden wollte es jedoch nicht. Durch den Tränenschleier nahm er seine Umgebung nur verschwommen wahr. Plötzlich fuhr er zusammen. Jemand klopfte an die Scheibe der Fahrertür. ,Was habe ich getan, dass sich plötzlich alle für mich Interessieren?,' fragte sich der Junge. Er wollte demjenigen sagen, dass er seine Ruhe wollte, darum betätigte er, immer noch hustend, den elektrischen Fensterheber mit der einen Hand und wischte sich mit der anderen über die Augen. Das erste was er klar sah, war eine Hand mit einer Flasche stillem Wasser. “Hier. Das Hilft gegen den Reiz.” ,Ist das jetzt ein dummer Scherz?,' fragte sich Miles. Doch er griff trotzdem danach und trank. Als er die Flasche absetzte, war der Reiz abgeklungen. Er sah nach draußen. Dort stand ein schwarzer Hund, den einen Arm verschränkt vor der Brust, mit dem anderen Rauchend. Seine Haltung hatte weder etwas ablehnendes, noch etwas befürwortendes. Schon gar nicht war sie abwartend. Der Hund stand einfach nur rauchend da. Tails wollte ihm die Flasche zurückgeben, doch war er von der Erscheinung vollkommen irritiert. Eine solche Art von Persönlichkeit hatte er noch nie erlebt. Mit der Zigarette in der Hand winkte der Fremde ab und zeigte ein zahnweißes Lächeln. “Behalten Sie sie ruhig. Ich habe noch genug davon.” Miles schielte auf die Flasche. War da etwa... “Nein, da war keine Extrazutat drin.” Der Junge fuhr zusammen. Es war fast, als hätte der Fremde seine Gedanken gelesen. Beschämt wandte er den Kopf ab und sagte leise: ”Danke.” Was hatte der Mann für einen Akzent? Er hatte diesen noch nie gehört. Er sprach die Sprache scheinbar perfekt, konnte persönliche Akzente setzen, dennoch musste er von sehr weit her kommen. “Gern geschehen. Weshalb, wenn ich fragen darf, haben Sie sich denn so aufgeregt?” Mit einem Schlag war Tails nicht mehr irritiert, sondern sauer. Die Leute schienen sich nur noch für seine Probleme zu interessieren. An seiner Ansicht, mit einer konstanten Arbeit und einem selbstbestimmten Leben würde sich alles wieder einrenken, schien keiner Teil zu haben. Und so langsam begann sich der Junge zu fragen, ob er selbst noch daran glaubte. Das war genug für ihn. Ziemlich barsch fauchte er den Fremden an: “Dürfen Sie nicht!”, startete den Wagen und fuhr mit kreischenden Reifen in Richtung Autobahnauffahrt davon. Fassungslos sah der Hund hinter dem Sand Splatter her, er zuckte zusammen als der Wagen beinahe die Leitplanke am Verzögerungsstreifen rammte, und noch einmal, als der Junge einem 7,5-Tonner die Vorfahrt nahm und einfach auf die linke Spur wechselte. Dem Jungen waren klare Gedanken abhanden gekommen. Zu viele von ihnen fegten durch seinen Verstand, in dem sich mittlerweile unterbewusst, Argumente und deren Gegenstücke einen heftigen Kampf lieferten. Es war ein Schlachtfeld, das kaum mehr Raum für natürliche Gefühle und Gemütszustände übrig ließ. Der Kleine fühlte sich, als würde er verrückt werden. Er hatte keine Ahnung, wohin er überhaupt fuhr. Er nahm noch nicht einmal wahr, dass er auf dem linken Fahrstreifen war und mit knapp 200 Sachen jegliche Geschwindigkeitsrichtlinie in den Wind schlug. Er bewegte sich immer weiter stadtauswärts. Der Hund fand sich in einem Zustand heftiger Erregung wieder. Er saß mittlerweile in seinem SmallSpeed und versuchte, die nachtblaue Limousine des jungen Fuchses nicht aus den Augen zu verlieren. Seine Erregung speiste sich aus dem ausgeschütteten Adrenalin und der Angst. Einer Angst, die er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Die Angst, dass Wesen, denen er helfen wollte, etwas zustoßen könnte. Er, Morris Henderson Junior, war sehr empathisch, jedoch zeigte er das nach außen hin nicht jedem. Damit lag er im durchschnitt der Bewohner dieses Planeten. Jedoch nicht mit seinem messerscharfen Verstand und seiner verqueren, aber logischen Art zu denken. Er hielt sich bescheiden. In diesem Moment hielt er sich nicht einmal für jemanden, der sich mit Psychologie auskannte, aber sein Instinkt sagte ihm, dass die heftige Reaktion des Fremden ein böses Ohmen war. Morris trat das Gaspedal weiter durch. 220 Km/h. Aus dem Gewehrfeuer an Gedanken fasste Tails einen Querschläger auf und sprach ihn aus: “Noch zu wenig.” Morris war nun 2 Wagen hinter dem Sand Splatter, als er sah, dass der Wagen noch schneller wurde. Ein weiterer Querschläger nahm in seinem Kopf Form an: Du hast dir damals nicht umsonst den 6-Zylinder zugelegt. Die Sechs Gänge werden dir nun nützlich sein. Du wusstest es! Großartig! Ein freudloses Grinsen trat auf das Gesicht von Miles. Gleich würde er zum letzten Mal herunterschalten. Der SmallSpeed fuhr 250, genau wie der Junge vor ihm. Er hatte sich direkt hinter ihn gekämpft. Gefahrlust war etwas fremdes für Morris, er sicherte sich gern ab. Nur wusste er auch, dass der Wagen kaum mehr schaffen würde. Es war ein 4-Zylinder-Dieselmotor, und wenn der Sand Splatter noch mehr drauf hatte, würde er ihn verlieren. Nein, flehte der Hund innerlich. Schweiß brach ihm aus. Mach dich nicht unglücklich. Tu dir das nicht an! Im selben Atemzug mit dem Gedanken seines Verfolgers traf Tails Fuß die Kupplung, mit einer Härte, die er sich selbst nicht zugetraut hätte. Milisekunden später schaltete sein rechter Arm automatisch vom Sechsten in den Fünften Gang. Die Drehzahl sprang in den roten Bereich. Morris war verzweifelt. Mittlerweile hatten bei ihm die Gedanken ausgesetzt. Sein Instinkt leitete ihn nun. Panisch ließ er die Lichthupe aufblitzen. Keine Reaktion. Als er sah, dass der Luftwiderstand den Wagen vor ihm kaum merklich bremste, wusste er, was der Junge vorhatte. Er konnte nicht genau sagen, wie es geschah. Er verzichtete auf den Schulterblick, zog nur auf die Rechte Spur, holte noch einmal alles aus seinem Wagen heraus und versuchte es noch einmal mit der Lichthupe. Die Lichtreflexion des gelben Scheinwerfers am Heck des silbernen Tanklasters rechts vor dem Sand Splatter sorgte dafür, dass Tails geblendet wurde. Reflexartig zog er die Beine an und kniff die Augenlider aufeinander. Der LKW antwortete mit einem Hupen seinerseits. Henderson sprang auf die Bremse und schaffte es mit Mühe und Not, seinen Wagen auf die 80 Km/h des Lasters zu bremsen – eine halbe Handbreit vor der hinteren Stoßstange. “ChaosDiesel – damit auch Sie rasen können.” Stand auf dem Heck. Morris schnaubte verächtlich, schaltete wieder herunter und zog – diesmal mit Sicherheitsblicken – auf die linke Bahn zurück. Seine Soßdämpfer blockierten. Der Wagen ruckelte. Ein hässliches, knirschendes Geräusch drang durch das Plastik. Die Armaturenbrettbeleuchtung flackerte noch einmal kurz, dann gab sie den Geist auf. Nur die Batterieanzeige leuchtete dauerhaft. Die Irritation verdrängte das Gedankengefecht aus seinem Kopf. Tails geriet leicht ins Schlingern, er schaffte es nur schwer, gegenzulenken. Morris nahm unterdessen beruhigt zur Kenntnis, dass die Rücklichter des Sand Splatters erloschen waren. Er kämpfte sich zwischen dessen Heck und der Schnauze des Diesellieferanten durch, wodurch er nochmal wütendes Gehupe erntete. Der Hund hupte neben dem Fuchs. Dieser sah ihn und konnte ihn nicht einordnen. Kannte er ihn? Mit einer Handgeste bedeutete er dem Jungen, ihm zu folgen. Er wusste nicht, warum, aber er tat es – während sein Wagen immer langsamer wurde. Der Verkehr hinter ihnen geriet ins Stocken. Miles lenkte den Wagen hinter dem Fremden her, auf den Standstreifen. Mit den ramponierten Stoßdämpfern spürte er, wie jeder Reifen einzeln über die äußerste Markierung rumpelte. Er rollte immer weiter aus. Etwas weiter kam ein Verzögerungsstreifen eines Rastplatzes in Sicht. Der Hund führte ihn darauf. Sekunden später bremste Tails komplett und hielt hinter dem SmallSpeed am Rand des Platzes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)