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Die zweite Welt

von

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Erwachen

Ein unglaublich widerwärtiger Gestank hatte den Weg in ihre Nase gefunden und brachte sie allmählich wieder zurück ins hier und jetzt. Während sie sich auf die Beine kämpfte und versuchte, sich nicht zu übergeben, versuchte sie gleichzeitig, durch die halb geschlossenen Augen, zu erkennen wo und was das „Hier und Jetzt“ eigentlich war. Sie tastete sich auf den Knien mit ihren Händen voran, auf dass sie ihr mehr verraten mochten als ihre Augen. Ihre Kleidung fühlte sich schwer und klebrig an, was daran liegen konnte, dass sie die ganze Zeit in einer Pfütze gelegen war, wie ihre Ersatzaugen ihr verrieten. Nass bis auf die Haut und zitternd krabbelte sie auf allen Vieren weiter, bis ihre Hände an eine kalte Steinwand stießen. Von einem Haus? Oder war sie in einem Raum? Sie wusste es nicht. Woher denn auch?
 

Sie kroch noch ein Stück weiter, stützte sich dann auf ihre Handflächen und dann zog ihre schweren, schmerzenden Beine nach und lehnte sich mit einem tiefen Seufzer gegen die Wand. Der Gestank war immer noch da. Sie leckte sich mit der Zunge vorsichtig über ihre Lippen, die sofort anfingen zu brennen wie Feuer. Sie spürte Wundgrind, offene Stellen und bekam einen metallischen Geschmack im Mund . Aber dieser abscheuliche Gestank, wo zum Teufel kam der nur her? Erneut meldete sich ihr Brechreiz zu Wort, doch er endete in einem heftigen Hustenanfall, bei dem ihr alle Rippen schmerzten. Das Blut pochte in ihrem Kopf und ihr Gesicht wurde heiß. Wie automatisch öffnete sie ihre Augen nachdem sie wieder einigermaßen ruhig atmen konnte. Selbst überrascht von diesem Reflex blinzelte sie ein paar mal schnell hintereinander. Was sie in diesem kurzen Augenblick sah war nicht sehr viel, aber genug um zu wissen dass sie die Augen wieder schließen wollte.
 

Sie hatte Menschen gesehen. Um sie herum war eine riesige Menschenmenge. Doch diese Menschenmenge war nicht laut, nein, das war sie schon lange nicht mehr. Still lagen die reglosen Körper um sie herum. Einer, bereits halb verwest, hatte sie vorwurfsvoll angeblickt und eine fingerlose Hand in ihre Richtung gestreckt. Wo war sie hier nur gelandet? Der Boden unter ihr war zwar gepflastert, das hatte sie schon bemerkt, als sie versucht hatte sich auf die Beine zu stemmen aber er war teilweise bedeckt mit matschiger Erde, jedenfalls hoffte sie, dass es Erde war. Ihr Hals und ihre Schultern fühlten sich steinhart an und teilten ihr jedes mal, wenn sie versuchte ihren Kopf zu drehen, mit einem lauten knacken mir, dass sie sich definitiv nicht bewegen wollten.Und ihre Lider waren so unglaublich schwer... am liebsten wäre sie auf der Stelle eingeschlafen aber sie hatte Angst nicht wieder aufzuwachen.
 

Sie seufzte tief und öffnete ihre Augen langsam wieder. Sie war tatsächlich eingeschlafen. Kaum waren ihre Augen einen kleinen Spalt geöffnet, riss sie sie erschrocken auf, und zuckte sogar ein Stück von der Mauer weg, jedoch nicht ohne, dass ihr Körper ihr mitteilte, was er von dieser ruckartigen Bewegung hielt.

Wo war sie denn jetzt auf einmal?

Zu ihrer linken befand sich plötzlich ein Drahtzaun an dem einige Blechtonnen standen. Wenn sie ihren Blick geradeaus richtete, sah sie eine dreckige Wand. Und rechts, tja, rechts war keine Wand. Sie hockte im hinteren Teil einer vielleicht zwei Meter breiten Gasse, vermutlich zwischen zwei Gebäuden. Der Boden unter ihr schien sich jedoch nicht verändert zu haben, genauso wenig wie der Zustand ihres Körpers.
 

Wie zum Henker konnte das sein? Sie war doch gerade noch... irgendwo anders gewesen. Zumindest waren die Lichtverhältnisse hier besser, sie konnte sogar sehen was sie an Kleidung am Leib trug. Es war bei weitem nichts besonderes, aber aus irgendeinem Grund war sie verdammt erleichtert, dass sie etwas an hatte. Ihren Oberkörper bedeckte ein ziemlich mitgenommenes Trägertop und schwarze Hotpants gaben den Blick auf ihre langen Beine frei. Vermutlich wären sie schneeweiß gewesen, wenn sie nicht fast vollkommen mit getrocknetem Blut und unzähligen Schnitten und Schürfwunden bedeckt wären. Ihre Arme sahen nicht weniger schlecht aus. Sie kniff die Augen zu, das seichte Licht stach ihr in den Augen. Vorsichtig drehte sie den Kopf nach rechts und versuchte ihre Umgebung zu erkennen. Eine rote Sonne ging gerade hinter einem grünen Hügel unter und tauchte alles in ein unheimliches Dämmerlicht. Auf dem Hügel stand ein Leuchtturm, rot weiß gestreift. Am unteren Rand des Hügels glaubte sie ein Gewässer zu erkennen, doch sie musste erneut die Augen schließen, so sehr tat ihr das Licht weh.
 

Ein kalter Wind kroch zu ihr in die Gasse und berührte sie mit seinen eisigen Händen. Sie schlang fröstelnd die Arme um sich, die Schmerzen ignorierend und die Wunden erneut aufreißend.

Oh, sie war ja klatschnass! Warum war sie klatschnass?

Was war eigentlich mit ihr los? Ihre Gedanken begannen seltsame Gestalten anzunehmen und sie öffnete ihre Augen um sich endlich ein Bild zu schaffen. Sie hiefte ihren schmerzenden Körper an der Wand hoch. Und kämpfend mit den immer noch pochenden Schmerzen und dem erneut aufkommenden Brechreiz stand sie schließlich mehr oder weniger, eher weniger, sich auf ihren Füßen. Die Stiefel rieben auf ihrer geschundenen Haut und sie spürte wie Blut ihren Knöchel hinabrann. „Dann mal los.“

Erste Schritte

Straßenlaternen, Lichter aus den Häusern Ringsum und der Leuchtturm, hoch auf der Klippe am anderen Ufer, durchleuchteten die windige Nacht. Erneut ergriff sie ein eisiger Windstoß und schaudernd und verschränkte sie die Arme vor der Brust. Der Wind wirbelte die Haare des Mädchens umher und schlug ihr die nassen, schweren Strähnen ein ums andere mal ins Gesicht und gegen die nackten Oberarme. Der Wind wurde stärker, zwar nicht sehr viel kälter, aber doch so stark, dass sie langsam wieder Probleme mit ihrem Gleichgewicht bekam und sich mit der rechten Schulter an der Wand des Hauses neben ihr anlehnen musste. Sie hätte abgewartet, ob der Wind nachlassen würde wenn nicht irgendetwas sie auf die Menschenleere Straße gezogen hätte.
 

Gerade als sie loslaufen wollte stockte sie und sah sich um. Wo … wo war sie denn nun eigentlich? Vor lauter Verwirrtheit hatte sie nicht einmal darüber nachgedacht, wo sie sich gerade befand. Naja eigentlich doch... aber sie hatte den Gedanken nicht zu Ende geführt. Dann schoss es auf einmal wie ein Blitz durch ihren Kopf und er begann wieder höllisch zu schmerzen, denn ihr war gerade bewusst geworden, dass ihr nicht nur unbekannt war wo sie war.
 

Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie presste sich die Hände vor den Mund.Ihre Sicht wurde verschwommen und sie spürte wie die Angst in heißer, flüssiger Form ihre Wangen hinabfloss. Ihr war gerade eben klar geworden, dass das einzige was sie genau wusste war, dass sie nichts mehr wusste. Gar nichts. Sie wusste weder wo sie war, noch was gewesen war. Aber das schlimmste von allem war, sie wusste nicht einmal mehr wer sie war.Hatte sie überhaupt einen Namen? Wie alt war sie? Wie sah eigentlich ihr Gesicht aus? Gerne hätte sie sich hingesetzt aber sie war steif wie altes Schuhleder und die Angst lähmte ihre Glieder, also blieb sie einfach wo sie war und versuchte ihre Gedanken zu Ordnern.
 

Dass sie Nichts wusste war nicht so ganz richtig. Sie wusste, dass sie ,als sie ihre Augen das erste mal geöffnet hatte, sicherlich nicht in der dreckigen Gasse gelegen war. Sie war in einer Art Kellergewölbe gelegen und hatte freundliche Gesellschaft von vielen, sehr alten, stillen Zeitgenossen.

Dann war sie eingeschlafen und in der Gasse aufgewacht. Und durchnässt war sie nun auch noch, aber vielleicht war sie das in dem Keller auch schon gewesen.

Sie atmete tief ein und schluckte den Kloß in ihrem Hals runter. Dann wischte sie sich die Tränen aus den Augen um wieder sehen zu können und lief vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend auf die andere Seite der Straße, wo in regelmäßigen Abständen Laternen an einer Absperrung, aus schweren Ketten und Betonpfeilern, standen. Erneut begann sie sich genauestens zu betrachten:
 

Langes Haar bedeckte ungefähr ein dreiviertel ihres Rückens. Ob es hellbraun, dunkelblond oder eine ganz andere Farbe hatte konnte sie nicht genau erkennen, das würde sie vermutlich erst wissen wenn es trocken und gebürstet war. Im Moment kräuselte es sich nämlich leicht, was sicherlich auch am Wasser lag und eben daran, dass es lange keine Bürste gesehen hatte.

Im Licht der Laterne sahen ihre Wunden noch grauenvoller aus als in der Gasse. Überall hatte sie blaue Flecken, Prellungen und Schürfwunden, um nur die harmlosesten von allen Verletzungen zu nennen. Ihr linker Oberschenkel wies eine klaffende Wunde auf die aussah als hätte man ihr Stacheldraht um das Bein gewickelt, einmal kräftig an ihm gezogen und dann nicht abgewickelt, sondern durch Ziehen abgerissen. Auch an ihrem rechten Unterschenkel hatte sie einige solcher Wunden, jedoch etwas schmaler, doch sicherlich nicht weniger schmerzhaft.
 

Und ihr Gesicht? Wie sah sie eigentlich aus? Sie drehte sich einige male nach links und rechts ,wovon ihr wieder schwindelig wurde, und suchte etwas in dem sie sich Spiegeln konnte. Dann schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und begann einen Weg zu suchen, der hinunter zum Wasser führte.



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