Neu von Maliondarin (Januarüberraschung der Schreibzieher) ================================================================================ Kapitel 1: Neu -------------- Sie war neu. Neu in der Stadt, neu in der Schule, neu in ihrem Haus. Sogar in ihrer Familie war sie neu. Wünsche gab es genug, doch Hoffnung gab es keine. Die Welt lag dunkel vor ihrem Fenster. Selbst das Fenster vor dem sie stand war neu. Ungewohnt neu. Nie hatte sie etwas Neues besessen. Nun besaß sie sogar ein ganzes neues Leben. Ein Leben, dass sie erschütterte. Ihr neuer Bruder war garstig und kalt. Ihre neue Schwester war eingebildet. Ihre neue Mutter war ihr zugeteilt wurden. Ihren neuen Vater kannte sie nocht nicht einmal. Das Bett war neu. Die Kissen waren weich und aufgeschüttelt. Alles neu. Auch die Träume die darin geboren wurden waren neu. Schrecklich finster und grau. Die Gefühle waren neu, bitter und schmerzhaft. Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, war neu. Clara war neu in ihrer Adoptivfamilie. Es war Weihnachten gewesen, es erschien ihr wie ein Traum, mit zwölf noch adoptiert zu werden. Sie war in einem Heim aufgewachsen, hatte viele Kinder um sich herum gehabt und sich gefühlt, als gehöre sie hier hin. Dennoch, eine eigene Mutter, einen eigenen Vater ... das zu haben war etwas, was sie selbst kaum fassen konnte. Freudig strahlend hatte sie am 28ten Dezember im grauen Morgen in der Kälte gewartet. Ihr Atem bildete kleine, weiße Wölkchen und ihre Zähne begannen zu geräuschvoll aufeinander zu schlagen. Sie zitterte und dennoch, die Hoffnung, nun endlich in ein besseres Leben zu starten, war fast schon erdrückend. Eine blonde Frau stieg aus dem Auto, schubste sie regelrecht auf die Rückbank und knallte die Fahrertür hinter sich zu. "Clara, das sind Marry und Chris – deine neuen Geschwister.", die Kinder nickten ihr verhalten zu. Der Junge drehte sich ignorant um und das Mädchen musterte sie, gerade so, als sei sie ein zerbeultes Stofftier, mit dem sie sich aber nun doch abgeben musste. Clara sah stumm auf ihre Füße. "Ich bringe die Zwei in die Schule und dich dann schnell heim. Ich muss auf Arbeit.", diese Familie war hektisch, ein wenig zu hektisch für das kleine Mädchen, die sich nach nichts sehnte außer ein klein wenig Liebe. Diese Mutter tat es genau so, wie sie es gesagt hatte. Die neuen Geschwister wurden vor der Schule abgesetzt und Clara selbst stand vor einer verschlossenen Tür. Der Schlüssel lag schwer in ihrer Hand und fühlte sich ungewohnt und fremd an. Die trüben Kinderaugen versuchten unsicher das Metall in das Schloss zu stecken und die Pforte in ihr neues Leben zu öffnen. Warum zitterte sie nun noch mehr als noch zuvor? Warum konnte sie nicht einfach eintreten? Warum musste sie es nun allein tun? Würde sie immer so allein sein, während ihre Familie unterwegs war? Clara hatte Angst vor der Zukunft, Angst vor ihrer Familie und vor allem: Angst vor dem Alleinsein. Hoffnung bestand keine, dass sich hier etwas verändern könnte. Leise öffnete sie doch noch die Tür und verbrachte den Tag in völliger Abgeschiedenheit. Das Haus war leer und leise, es war leblos und fremd. Clara saß die ganze Zeit auf ihrem neuen Bett in einem weißen Zimmer. Das Abendessen wurde von einer stummen Frau in Schwarz-Weiß gereicht. Irgendwie war alles hier Schwarz-Weiß. Hier war man perfekt, man war grazil, man war beliebt. Clara fühlte sich jedoch plump, ungebildet, fehl am Platz und ungeliebt. Sie war das schwarze Schaf unter diesen Wölfen in weißen Schafspelzen. Sie war das Kind, welches man nur adoptiert hatte, um etwas gemeinnütziges und soziales in den Lebenslauf schreiben zu können. Sie war ein Fleck Tinte auf einem Blatt, aber kein Kind mit Gefühlen oder ein Lebewesen mit Ansprüchen. Man sorgte nur soweit für sie, dass sie leben konnte. Lieben war in diesem Leben nicht einberechnet. Am Abend stand sie lang am Fenster. Tränen flossen die Kinderwangen hinab. Hier gab es keine Hoffnung. Die neuen Träume waren erloschen. Das neue Leben erwies sich als wertlos. Ihr Leben kannte keine Liebe mehr. Hoffnungen wurden getötet. Eine Rückkehr war unmöglich. Umkehren konnte sie nur, wenn das Blut in ihren Adern gefrohr. Sie würde nie perfekt sein. Eine neue – perfekte – Clara gab es nicht. Sie hätte alles Neue gegeben, um das Alte zurück zu bekommen. Neu gab es nicht. Nur das Gefühl der Leere. Nur das Gefühl von Schmerz. Nur das Gefühl allein zu sein. Neu war ein schwarzer Schleier vor einem Abgrund. Erwartungen wurden nicht erfüllt. Wünsche im Keim erstickt. Hoffnung gab es keine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)