For one last Waltz von Shizana (Rocketshippy-Songfic) ================================================================================ Prolog: -------- „Schaut, nya! Da ist eine Stadt, no nya.“ „Echt? Welche?” Kojiro stellte sich neben den Kater an den Ballonrand, das Fernsichtgerät wieder an seine Augen hebend. Seit Stunden waren sie nun schon unterwegs, doch bis auf Wald und Wolken hatten sie bisher nichts zu sehen bekommen. Umso schöner war es, als nun unter ihnen die ersten Häuser ins Sichtfeld rückten, die sich zu einer kleinen Wohnschaft zusammenschlossen. „Ich weiß nicht, nya. Aber wir sollten dort haltmachen, um unsere Reserven aufzufüllen, nya. Uns geht der Stoff aus, no nya“, erklärte Nyasu. Nur kurz blickte er über seine Schulter zu dem Brenner und tat einen schweren Seufzer, als er sich ausrechnete, für wie lange ihr letztes Brennmaterial noch genügen würde, um sie weiterhin zu transportieren. „Hoffentlich ist Mondo in der Nähe, falls wir mit dieser Stadt Pech haben sollten, no nya.“ „Ob die Knirpse auch dort sind?“ Der Agent drehte an dem Einstellungsrad seines Sichtgerätes herum, um besser auf Distanz schauen zu können. „Wir haben sie noch gar nicht gesehen.“ „Vielleicht hätten wir doch nicht so früh aufbrechen sollen, no nya.“ Daraufhin blickten sich die beiden Freunde zeitgleich vorsichtig nach der Freundin um, welche stillschweigend gegen den Korbrand ihnen gegenüber gelehnt stand, den Rücken ihnen zugewandt. Ihre gebeugte Haltung verriet, dass sie die Arme über dem Rand verschränkt hatte, und ihr Kopf war zwischen ihren Schultern gesenkt, um nach unten zu schauen. Es war genau dieselbe Haltung, die sie seit ihrem frühen Aufbruch eingenommen hatte; und genauso schweigsam war sie seitdem geblieben. „Arme Musashi, nya“, flüsterte Nyasu in Richtung des Freundes, wohl darauf bedacht, dass die Frau es nicht hörte. „Sie hat noch kein Wort gesagt, no nya.“ „Nicht seit ihrem ‚Wir brechen auf‘. Das mit Pudox muss sie echt mitgenommen haben“, bestätigte Kojiro und klang bedrückt. Seine beste Freundin und Partnerin so zu sehen, brach ihm das Herz. „Hey, Musashi“, sprach er sie nach einem kurzen Zögern an und versuchte es optimistisch klingen zu lassen. „Dort unten ist eine Stadt. Nyasu und ich würden gern runtergehen, damit wir unsere Reserven auffüllen können. Was meinst du?“ „Mhm“ war alles, was sie darauf von sich gab. Doch es blieb ungewiss, ob es sich wirklich auf seine Frage bezog, oder ob sie es nur aufgrund seiner Stimme verlauten ließ. Es wäre nicht das erste Mal an diesem frühen Vormittag, dass sie dies tat. Sie fühlte sich zwar sicherlich angesprochen, doch das hieß nicht, dass sie auch zugehört hatte. Nicht zwangsweise. Der Agent und der Kater tauschten einen ratlosen Blick untereinander aus. Dann seufzten sie einstimmig; die Entscheidung lag in ihren Händen.   Nur wenig später hatten sie etwas abseits der Stadt einen geeigneten Landeplatz ausfindig gemacht. Nach mehr als vier Stunden hatten sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen, was eine gewisse Erleichterung in ihnen hervorrief. Kurz noch überprüften Kojiro und Nyasu ihren Gebrauch, planten die Aufstockungen durch – nur das Nötigste müsste genügen, denn wie immer gab ihr restliches Budget einfach nicht mehr her – und packten schließlich noch gemeinsam an, um den Ballon abzubauen und schlussendlich unter einer alten, grünen Filzdecke mühselig im Unterholz zu tarnen. Musashi unternahm nichts, sie sagte auch nichts. Man könnte meinen, es sei wie immer, wenn sie sich vor diesen Notwendigkeiten drückte, doch das war es nicht. Das wussten auch Kojiro und Nyasu, weswegen sie ausnahmsweise davon absahen, die Freundin zum Mitanpacken aufzufordern. Zum Glück war das Duo von Agent und Kater mittlerweile ein fest eingespieltes Team, so dauerte es gerade einmal zwanzig Minuten, bis alle notwendigen Vorkehrungen erledigt waren und sie sich endlich unters Volk mischen konnten. Zwar mit einer missmutigen Musashi im Gepäck, doch sie waren voller Hoffnung, ihr Gemüt in dem bunten Treiben wieder aufhellen zu können. Als sie die ersten belebten Straßen betreten hatten, stellte sich schnell heraus, dass sich die Stadt eher als ein kleines Städtchen entpuppte. Voller Menschen zwar, vereinzelt in Begleitung ihrer Pokémon, die in den bunt lockenden Geschäften ein und aus gingen, aber es war nicht zu vergleichen mit den letzten Großstädten, die sie gesehen hatten. Sicherlich würde es für das Nötigste reichen, was sie für die Weiterreise benötigten, doch es blieb zweifelhaft, ob sie auch all das bekommen könnten, was sie brauchten. „Oh, schaut! Da gibt es einen Stand mit Fleischbällchen“, rief Kojiro in heller Begeisterung aus, als sie die Einkaufspassage der Stadt entlangliefen, und zeigte aufgeregt zu einem kleinen Imbisswagen am Straßenrand. Von jenem zog ein köstlich würziger Geruch an sie heran, der nicht nur dem Agenten sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. „Nya, Fleischbällchen, no nya. Sie riechen so lecker, nya.“ „Mhm, und wir hatten lange keine mehr”, bestätigte Kojiro und kramte in seiner Hosentasche nach ein paar Münzen. Strahlend wandte er sich nach Musashi um, die etwas abseits hinter den beiden Freunden hergelaufen war. „Na? Sollen wir ein paar holen?“ Flüchtig blinzelte sie in Richtung des Wagens. Dann stieß sie ein schweres Stöhnen aus, ehe sie sich zum Weitergehen abwandte. „Hab‘ keinen Hunger“, erklärte sie, ohne die geringste Regung in der Stimme. Abermals sahen Agent und Kater einander an. Ratlos, was sie tun sollten. „Egal, ich nehm‘ welche, nya“, griente dann Nyasu übers ganze Gesicht und stapfte auch schon los in Richtung Imbisswagen. Kojiro hielt ihn am Schweif zurück. „Nein.“ „Aua!“ Der Kater hielt sofort inne und drehte sich nach dem Freund um, kaum dass dieser ihn wieder losgelassen hatte. „Sag mal, spinnst du, nya?! Das tut weh, no nya! Und was heißt hier ‚Nein’, nya?” Doch der Agent schüttelte nur mit dem Kopf. „Es ist nur fair, wenn wir auch verzichten”, erklärte er. Er blickte sich daraufhin nach der gemeinsamen Freundin um, welche nur wenige Schritte weiter schon wieder über einem Geländer lehnte und den Blick nachdenklich gen Boden gesenkt hatte. Genau wie die ganze Zeit schon im Ballon. Er seufzte. „So macht es weniger Spaß, findest du nicht?” „Hm …“ Nyasu überdachte kurz diese Worte. Sein Blick glitt noch einmal sehnsüchtig in Richtung der lecker duftenden Bällchen, keine drei Meter von ihnen entfernt. „Ich will trotzdem eins haben, nya“, quengelte er. „Nun komm schon“, versuchte Kojiro ihn zum Weitergehen zu ermuntern, wobei er sich selbst in Bewegung setzte. „Vielleicht holen wir nachher noch welche. Erledigen wir erst einmal den Rest, vielleicht ist dann auch Musashi wieder –“ In dem Moment geriet er ins Straucheln, als er nicht bemerkte, dass er in jemanden hineingelaufen war. Er hatte sich so sehr auf den Kater konzentriert, dass er nicht auf das vor ihm geachtet hatte. Das Ergebnis war ein kurzes Blätterrascheln gefolgt von einem leisen Poltern, als sein plötzlicher Gegenüber weniger glücklich zu Boden ging. „Autsch.“ „Ah, es tut mir leid!“, entschuldigte er sich sofort für seine Unachtsamkeit und beugte sich zu der jungen Frau herunter, die er versehentlich zu Boden gestoßen hatte. Hilfsbereit streckte er die Hand nach ihr aus, um ihr aufzuhelfen. „Das war keine Absicht. Haben Sie sich wehgetan?“ Die Frau, vermutlich nur wenig älter als er selbst, blickte aus himmelblauen Augen zu ihm auf. Sie hatte das blonde Haar zu zwei Kränzen an den Seiten geflochten und trug ein sommerliches Kleid mit einem bunten Blumenmuster darauf. Unter ihrem Arm klemmte ein geflochtener Holzkorb, der mit roten Blumen und Flyern gefüllt war. „Nein, ist schon okay“, antwortete sie mit einem verlegenen Lächeln auf dem Gesicht. Während sie nach seiner Hand griff und sich dankbar aufhelfen ließ, fügte sie noch hinzu: „Ich hätte besser aufpassen sollen, Verzeihung.“ „Was ist das, nya?“, mischte sich Nyasu dazwischen, der sich sogleich zu ihnen gesellt und um das Chaos gekümmert hatte, welches sein tollpatschiger Menschenfreund angerichtet hatte. In seinen Pfoten hielt er bereits einige der Flyer, die bei dem Zusammenprall aus dem Korb gefallen waren und sich auf dem Fußweg verteilt hatten. Er betrachtete sie sich neugierig. „Oh, das? Das sind Einladungskarten“, erklärte die junge Frau und strahlte über das ganze Gesicht. „Einladungskarten, nya?“, hakte er nach, wobei er ihr die eingesammelten Blätter hochreichte. Sie nahm sie ihm dankbar ab und legte sie zurück in den Korb. „Ja, für das Blubella-Festival.“ „Blubella-Festival?“, wurde nun auch Kojiro hellhörig, der es dem Kater gleichgetan und hastig die letzten Flyer aufgesammelt hatte. Er reichte der Frau ebenfalls seinen Stapel, den sie zwar annahm, ihm aber dafür eines der Werbeblätter zurückreichte. „Ja, das ist eine alte Tradition unserer Stadt seit vielen Jahren“, erklärte sie und kicherte kurz hinter vorgehaltener Hand. „Unser erster Bürgermeister pflegte stets zu sagen: ‚Eine heitere Stadt ist eine schöne Stadt.‘ Unter diesem Motto hat er immer kleine Veranstaltungen für die Bewohner organisiert und meist wurde zum Abend getanzt. Er besaß ein Blubella, das immer mit dabei war und eine Art Maskottchen für uns wurde. Wenn es zu tanzen begonnen hat, haben alle mitgemacht und hatten Spaß.“ Kurz pausierte sie, nur um eine Pirouette zu drehen, dann fuhr sie in ihren Erzählungen fort: „Irgendwann wollten die meisten Bewohner ein Blubella haben, naja, und dann gab es immer mehr von ihnen in der Stadt. Mittlerweile leben auch viele wilde Blubella hier, weil sie sich in unserer Stadt wohlfühlen. Und zum Blubella-Festival tanzen sie mit uns. Wir sagen auf diese Weise Danke, und zwar all jenen, die uns das Leben schön machen.“ Während sie all das erzählte, betrachtete Kojiro neugierig den Flyer in seiner Hand. Was er hörte, passte genau auf das, was auch der Werbezettel wiedergab. Mit Blümchenstempeln verziert, stand bunt „Blubella-Festival“ groß im Kopfbereich geschrieben. Darunter waren drei Blubella gezeichnet, so lebensecht, wie sie um einen eingerahmten Text herumtänzelten. Wie er erkannte, handelte es sich um die wichtigsten Punkte des Festivalprogramms, welches über zwei Tage laufen würde – angefangen mit dem heutigen Abend. „Kommt doch auch“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als die Frau ihn direkt ansprach. Auf seinen fragenden Blick hin, deutete sie mit dem Finger auf die Fußzeile des Flyers, wo die Schrift größer war. „Zum Eröffnungsball heute Abend, meine ich. Jeder ist herzlich dazu eingeladen, mit uns zu feiern.“ „Ein Ball?“ Kojiro spürte, wie sich allein bei dem Wort eine Gänsehaut von seinem Nacken abwärts über seinen Rücken schlich. Die Vorstellung von edlen Herrschaften in vornehmer Abendkleidung, die sich eintönig zum Tanz im Kreise drehten, weckte unangenehme Erinnerungen in ihm. Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da zog ihm Nyasu an seinem Hosenbein. Mit einem leisen „Was gibt’s?“ ging er neben dem Kater in die Hocke. „Meinst du nicht, das wäre ideal, um Musashi auf andere Gedanken zu bringen, nya?“ „Was? Das?“ Kojiro starrte schockiert auf den Flyer in seiner Hand. „Überleg doch mal, nya“, hielt Nyasu ihn zum Nachdenken an, da er sein Unbehagen intuitiv spürte. „Viele Leute, sie kann sich amüsieren, und vielleicht können wir auch noch ein paar Pokémon für den Boss einkassieren, no nya!“ „Hm …“ Der Agent überdachte den Einwand für einen Moment. Sein Blick schweifte kurz hinüber zu seiner Partnerin, die zwar noch immer an ihrer Stelle am Geländer lehnte, sich derweil aber nach ihnen umgewandt hatte. Er konnte in ihren, heute etwas trüb wirkenden Augen jene gewisse Ungeduld erkennen, die ihn drängte, nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln. Mit einem Seufzen gab er sich letztendlich geschlagen. „Na schön … Musashi zuliebe.”   Damit war es also beschlossen. Kojiro sagte der jungen Frau, welche sich ihnen als Ayana vorgestellt hatte, der Einladung zu. Ein kleiner Lichtschimmer tat sich für ihn auf, als sie ihm versicherte, dass es ein Buffet inklusive geben würde. Irgendetwas Gutes musste dieser Horror ja haben. Also versprachen die beiden Rockets, am frühen Abend da zu sein, und Ayana hieß sie im Namen ihrer Familie, die den Ball in ihrem Haus organisierte, aufs Herzlichste willkommen.     Nun mussten sie nur noch Musashi von dieser Sache überzeugen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)