Die Legende von Blut und Asche von FalonDin (Castiel x Lysander [Sweet Amoris]) ================================================================================ Kapitel 6: perlmutt-rosa Wolken ------------------------------- Lysander war am nächsten Morgen vor mir wach. Da er sich nicht traute, das Zimmer zu verlassen, saß er vor dem Bett. Er hatte sich sein Notizblock aus den Taschen gezogen und schrieb etwas. Vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken, richtete ich mich auf und streckte mich leicht. Dann beugte ich mich leicht nach vorne und beobachtete ihn. Ich hatte mich geirrt. Er schrieb nichts, sondern er malte. Kleine Symbole. Spiralen, Quadrate, Würfel. Dabei schien er total in Gedanken versunken zu sein. Vorsichtig pustete ich ihn gegen die rote Feder im Haar. Leicht zuckte er zusammen und wand seine Augen zu mir. „Oh, habe ich dich geweckt?“ Fragte er. Wobei ich leicht lachte. Immerhin war er leise wie eine Katze gewesen. „Nein, hast du nicht. Warum zeichnest du?“ „Warum nicht?“ kam die Antwort prompt und ich musste leicht grinsen. „Warum frage ich auch?“, fügte ich hinzu und stieg dann aus dem Bett. Mein Gegenüber hatte mich mit dem Blick leicht fixiert, beobachtete jeden meiner Bewegungen. „Frühstück?“ Mein Blick ging zu ihm, worauf er seinen sofort zu seinem Block zurück wand und sich dann erhob. „Gerne.“ „Erwarte aber nichts Tolles. Es gibt nur Dosenfutter und Pulver.“ Der Weißhaarige sah mich fragend an und nickte dann. „Ihr habt ja ein Verbot. Ihr dürft ja kein Fleisch oder Produkte von Tieren zu euch nehmen. Warum eigentlich?“ „Keine Ahnung. Frag die Typen, die im Regierungsgebäude sitzen. Wahrscheinlich denken sie, dass wir uns durch die Aufnahme von Tieren Krankheiten oder andere Sachen einfangen. Obwohl Pute und Geflügel sind, wie Schokolade, in bestimmten Mengen erlaubt.“ „Das ist doch total lächerlich und absurd“, fügte Lysander hinzu. Da sollte er mich mal fragen. Ich hatte schon Probleme mit dem Milchpulver. Es war widerlich. In der Küche sah ich die Schränke durch und packte eine Packung Toast, Marmelade und etwas Tomaten auf den Tisch. Seufzend beobachtete mich mein Freund und schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich verzichtete er nun aufs Essen. Er ging an mir vorbei und öffnete den Kühlschrank. „Ich brauch Backpulver, Mehl und Salz“, meinte er nur und kramte dann den Kühlschrank durch. „Ach ja, und das Milchpulver. Rühre es mal für mich an.“ Dazu kramte er eine Flasche Apfelsaft und Ahornsirup aus dem Kühlschrank. In einer Rührschüssel mischte er die Sachen zusammen. Als ich ihn das angerührte Milchpulver gab, schnupperte er kurz daran, schüttelte den Kopf und kippte es dazu. Mit einem Schneebesen rührte er alles zusammen. Dabei beobachtete ich ihn von meinem Stuhl aus. Ich hatte mich hingesetzt, da ich ihm nicht im Wege stehen wollte. Lysander sah wirklich wahnsinnig gut aus. Er war schlank und groß gewachsen. Seine weißen Nackenhärchen hatten sich leicht aufgerichtet. Mit einem Bein wippte er ein wenig nervös hin und her. Durch seine seltsame Standposition kam sein Hintern gut zur Geltung. Ich musste zugeben, dass er wirklich einen schönen Körper hatte. Er wirkte weder zu dünn noch zu dick. Er war einfach perfekt gewesen. Als er den Kopf zu mir drehte, holte er mich aus den Gedanken. Gedankenverloren hatte er die Löffelspitze an seine Lippen gelegt. „Hast du eine kleine Kelle?“ Eine Kelle? In einem der Schubfächer garantiert. Ich musste zugeben, dass ich nicht kochen konnte und es somit lieber sein ließ und mir Essen aus der Pappschachtel holte. Nachdem wir die Kelle gefunden hatte, ließ er den Teig in die vorgewärmte Pfanne gleiten. Kurze Zeit später war der Teig goldgelb geworden. Lysander drehte geschickt den Pfannkuchen um und ich schaute erstaunt. Es roch herrlich nach Apfel. Ich wollte ihn unbedingt probieren. „Du bist wirklich ein Genie. Gibt es etwas, was du nicht kannst?“ fragte ich ihn, als wir Minuten später mit einem Berg Pfannkuchen am Tisch saßen und sie zusammen genossen. „Zeichnen und mit Technik kenne ich mich auch nicht so aus. Mein Orientierungssinn ist auch recht schlecht. Obwohl ich es nicht auf die Orientierung schieben würde. Ich bin oft durcheinander, weil ich an so viel denken muss. Da vergesse ich öfters mal etwas.“ Ah ha. Ein Typ, der oft durcheinander war. Verlegen hatte er seinen Blick gesenkt. Dann nahm er einen Bissen von den Pfannkuchen und kaute. „Dafür kannst du so viele andere Dinge, um die dich andere bestimmt beneiden.“ Fragend hatte er seine Braue hochgezogen. Dann schluckte er den Bissen hinunter. „Ich denke man kann es sehen, wie man will. Viele möchten bestimmte Sachen können, die ich kann. Viele sehen es aber auch als Torheit. Wenn ich in dieser Politik leben würde, hätte ich nichts Handfestes, was ich könnte. Musik ist verboten, schreiben ist verboten oder eher verlernt worden.“ Mir fing wieder diese Situation mit den Aufziehpuppen ein. Nachdenklich sah ich Lysander an. „Ich hätte eine Theorie, warum es so ist, wie es ist.“ Wieder sah er mich fragend an. Ob er es vielleicht verstand? Nana hatte es nicht. „Warum wir uns kreativ nicht entfalten können.“ „Und warum?“ „Es ist mir bei Nana aufgefallen. Sie fragte mich, ob wir frei sind. Ich habe daraufhin gemeint, dass wir in vielen Sachen eingeschränkt sind. Wir können uns nicht entfalten. Haben in vielen Sachen keine eigene Meinung, weil wir an einen Rahmen gebunden sind. Klar, wir haben Gedanken, die in unserem Kopf sind, aber wir können sie nicht hinausbringen. Unsere Fantasien in Wort und Schrift präsentieren oder in Bildern. Wir sind eingeschränkt, weil wir es nicht können. Die Gesellschaft hat uns etwas genommen, womit wir Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen.“ Mein Blick war auf das letzte Stück Pfannkuchen auf meinen Teller gerichtet. „Ich habe es bei dir gemerkt. Wenn du schreibst. Man kann mit der Schrift so vieles ausdrücken: Wut, Trauer, Liebe. Klar kann ich diese Worte auch auf dem PDA schreiben, aber es wirkt anders. Es wirkt steril und gefühllos.“ Aschenvogel lächelte mich sanft an. „Du bemerkst es also. Damit hast du den anderen Gestochenen etwas voraus. Du hast dich von diesem Raster gelöst.“ „Ja, aber warum so plötzlich?“ Das war die Frage und ich hoffte, dass mir Lysander eine Antwort darauf geben konnte. „Ich habe keine Ahnung.“ Leicht verächtlich musste ich schnauben. Und so was schimpft sich 'Orakel'. „Meinst du, ich werde es jemals erfahren?“ Unsere Blicke trafen sich. Ich spürte die Verunsicherung in den Augen des Orakels. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich .. weiß es nicht. Tut mir leid.“ Anscheinend war ein Orakel auch nicht unfehlbar. Lysander war halt auch nur ein Mensch gewesen. Es beruhigte mich aber auch. In meinem Kopf spukten die ganze Zeit Gedanken darüber rum, ob er vielleicht die Wiedergeburt eines Gottes war. Nur halt in anderer Form. Orakel waren doch meistens so was gewesen. Wiedergeburten Gottes oder Leute, die mit Gott eng in Verbindung standen und dessen Worte an den Menschen weitergaben. Da er mir diese Fragen nicht beantworten konnten, wurde er in meinen Augen gleich noch viel menschlicher. „Schon gut, ich hätte Angst bekommen, wenn du sie mir hättest beantworten können.“ Wieder ein fragender Blick. „Du scheinst auf alle Fragen eine Antwort zu haben, du kannst kochen, schreiben, singen. Wobei ich Letzteres noch nicht gehört habe und du kannst sogar gegen meinen besten Ober-Spießer-Freund argumentieren, dass ihm die Sprache wegbleibt. Ich dachte echt erst, du bist kein Mensch“, lachte ich nun und erntete einen sanften Blick meines Gegenüber. Seine Wangen hatten einen zarten Rosaton angenommen. „Da- danke“ Man sah ihn an, dass er nicht genau wusste, ob er sich freuen oder darüber ärgern sollte. Schien es am Ende aber als Kompliment abzutun. Was mich natürlich freute. Immerhin war es auch als dieses gemeint. Nachdem Frühstück wollte ich duschen gehen. Da Lysander aber auch wollte (es war immerhin Sommer und man hatte die halbe Nacht geschwitzt. Vor allem, da wir zusammen das Bett eng geteilt hatten), hatten wir ein Problem. Der Duschzähler würde genau zählen, wie lange und wie oft ich unter die Dusche ging und jede Unregelmäßigkeit aufzählen. Deswegen hatte ich gestern Abend nicht mehr geduscht. Ich blickte ihn an. „Würdest du mit mir zusammen duschen?“ Er wurde puterrot, nickte dann aber. „Unter einer Bedingung: Du schaust nicht meinen Rücken an, versprochen?“ Seinen Rücken? Was gab es denn an seinem Rücken zu sehen? Natürlich hatte er mich nun ein wenig neugierig gemacht, aber ich willigte ein. Wenige Sekunden später standen wir uns in der Dusche gegenüber. Lysander fror. Ich regelte leicht die Temperatur und hing den Duschkopf oben wieder ein. Das lauwarme Wasser lief unseren Körper hinunter. Es war ein angenehmes Gefühl gewesen, den Schweiß von seinem Körper runter laufen zu fühlen. Ich blickte in die Augen meines Gegenüber. Er war noch immer verlegen gewesen. Vorsichtig griff ich nach der eingeflochtenen Feder in seinem Haar. „Sie ist nun nass. Machst du sie nie raus?“, hauchte ich ihn entgegen. „Sie wird nur alle paar Monate ersetzt. Je nachdem, wie selten der Vogel ist.“ „Es ist also eine echte Vogelfeder?“ „Nein, meine leider nicht. Da ich nicht den Namen eines wirklich existierenden Vogels habe. Okay ein Reiher ...“ „Warum ein Reiher? Was hat ein Reiher mit einem Phönix zu tun?“ „In Ägypten gab es einst die Legende von Benu. Er hatte das Aussehen eines Reihers gehabt. Er soll angeblich alle hundert Jahre erscheinen, in der Glut der Morgenröte verbrennen und wenig später aus seiner Asche verjüngt auferstehen. Aber man wollte mir keine Reiherfeder geben. Sie meinten die Farbe rot und weiß würden in der Legende eine große Rolle spielen. Da ich ein ausgewählter war, wollte man mir eine rote Feder geben.“ Es war mir eindeutig zu kompliziert. „Woher weißt du bzw. die anderen, dass du ein Ausgewählter bist und vor allem für was?“ Diese ganze Legendensache war mir irgendwie immer noch viel zu hoch gewesen. Seufzend sah Lysander mich an. „Ich weiß es auch nicht. Lulu, unsere Dorfälteste, meinte es hätte mit meinen weißen Haaren zu tun. Eine Legende besagt nämlich, dass eines Tages ein Junge mit weißem Haar geboren wird. Dieser wird mit Hilfe des Propheten die Welt zum neuen Glanz verhelfen und die Menschen von Unrecht befreien.“ Während Lysander erzählte seifte ich mich ein. Lauschte dabei aber nachdenklich seinen Worten. „Wer ist der Prophet?“ „Ich weiß es nicht. Man hat mir nur gesagt, ich werde diesen Propheten eines Tages finden und ich würde es spüren, wenn er es ist. Doch bisher ist alles vergeblich. Dazu kommt noch, dass ich keinen Anhaltspunkt habe. Ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, eine ältere Frau oder ein jüngerer Mann. Kommt er von der Stadt oder von außerhalb? Ist er eine Abnormalität oder ein Gestochener? Arm oder reich? Weiß oder farbig? Ich weiß gar nichts und deswegen zweifel ich so an allem. Je mehr Zeit vergeht, desto öfters habe ich Angst zu versagen. Ich kann nicht gut Kontakte knüpfen oder sonst etwas. Noch dazu kann ich Menschen schlecht einschätzen. Ich habe große Angst Fehler zu machen.“ Er hatte den Blick gesenkte. Vorsichtig strich ich über seine Wange. Hatte ich doch das Gefühl, das er anfangen würde zu weinen. Leicht schmiegte er sich gegen meine Hand. „Es gibt keinen Anhaltspunkt?“ „Nur die Farben. Rot und Weiß. Es könnte alles sein“, seufzte er erneut. Dann wurde unser Gespräch abrupt beendet, da der Duschzähler warnend piepte. Es kam das erste Mal vor, dass ich ihn hörte. Grummelnd schreckte ich auf und drückte auf den Bestätigungsknopf des Zählers. In roten Zahlen stand eine 20 auf dem kleinen Display. Brummend stieg ich aus der Duschkabine und schlang ein Handtuch um meine Hüften. Ein kurzer Blick zur Uhr. Halb 7. Normalerweise war dies nicht meine Zeit gewesen. Und nun bin ich schon fast 2 Stunden wach. Mittag würde ich einen absoluten Durchhänger haben, soviel war sicher. Schweigend gab ich Lysander eines der Badehandtücher. Es ärgerte mich, dass dieses Gespräch nun im Raum hing. Aber die Situation war vorbei. Mehr würde ich heute nicht erfahren. „Du wirst deinen Propheten finden, da bin ich mir sicher“, fügte ich hinzu dann verließ ich ohne Weiteres das Badezimmer. Spürte den Blick meines Vögelchens im Nacken. Die Stimmung war frostig, als wir kurz vor 7 Uhr das Haus verließen. Wir haben uns ausgemacht, uns an einen bestimmten Punkt zu trennen. Mein Weg führte über die Hauptverkehrsader der Stadt. Dort konnte ich den Weißhaarigen alleine lassen. Er kannte den Weg gut und hatte sich vorgenommen von dort aus, direkt zur Westschleuse zu gehen. Dort würde gegen 8 Uhr ein Freund auftauchen. Er hatte gestern Abend wahrscheinlich mit diesem telefoniert. Auf dem gesamten Weg zur Hauptverkehrsader redeten wir nicht. Die einzige Berührung bestand darin, dass er meine Hand griff, als wir die Sicherheitsschleuse passierten. An dem alten Bürogebäude, wo wir uns zuerst begegneten, blieben wir stehen. Sein Blick ging kurz zu mir. Dann zog er sich die Kapuze tiefer in die Augen und senkte den Blick. „Danke für alles. Du hast mir sehr geholfen.“ Ich wich kurz zurück, da ich Angst hatte, er würde erneut versuchen mich zum vergessen zu bringen. Doch es geschah nichts. Stattdessen sah er mich noch einmal an, lächelte, drehte sich um und verschwand im Strom der Menschenmenge. Es war so schnell gewesen, dass ich anfing zu zweifeln, ob es wirklich geschehen war. Nachdem ich noch weitere Minuten in die Richtung sah, in der Hoffnung er kam doch noch mal zurück, drehte ich mich um und ging zur Schule. „Hast du dein Vögelchen in die Freiheit entlassen?“ Nathaniel saß bereits auf seinen Platz. Ich musste grinsen, dass er tatsächlich an so einem Ort über so ein Thema reden konnte. Er wusste genau, wie man Gespräche unwichtig verpackte. Dafür mochte ich diesen Kerl wirklich. „Ja, ich hoffe, er findet zurück in die Freiheit. Die Stadt ist nicht seine Welt. Ich beneide ihn um seine Freiheit.“ Nathaniel wollte gerade etwas sagen, als unser Lehrer hereinkam und uns ohne Weiteres bat, die PDAs rauszuholen, da er einen Multiple Choice Test mit uns machen wollte. Als ich an meine Tasche griff, spürte ich die Feder. Ich merkte, dass Lysander wirklich frei war und ich keine Möglichkeit hatte, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Nach Espérance konnte ich immerhin auch nicht ständig. Es würde auffallen, wenn mein PDA ständig offline wäre. „Wahrscheinlich werde ich das Vögelchen nie wieder sehen“, hauchte ich leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)