Revealing von blockhead ================================================================================ Kapitel 1: Tag X ---------------- Kapitel 1: Tag X 28. April 2010 Das erste Mal, dass er sie bemerkt hatte, war bei der Einschulung zur Oberstufe. Es waren nicht direkt ihre rosafarbenen Haare, die seine Aufmerksamkeit erregt hatten, sondern die Tatsache, dass sie wie selbstverständlich einen Arm um seinen besten Freund gelegt hatte, was ja nicht gerad eine Geste war, die man bei Fremden an den Tag legte. Die Tatsache, dass er – Sasuke Uchiha – dieses Mädchen nicht kannte, war überaus seltsam. Schließlich kannte der schwarzhaarige Schüler sogar (unfreiwillig) Narutos Essgewohnheiten und Putzroutinen. Etwas später hatte Sasuke Naruto schließlich nach ihr gefragt und es stellte sich heraus, dass sie seine beste Freundin seit Kindertagen war. "Wieso hast du sie dann nie erwähnt?", hatte Sasuke gefragt und sich insgeheim gewundert, ob da nicht mehr dahintersteckte. Eine beste Freundin erwähnte man doch ab und zu mal, oder? Nicht, dass er ein Experte in Sachen Freundschaft gewesen wäre, denn Sasuke Uchiha behielt das Meiste, was ihn direkt betraf sowieso für sich. Aber trotzdem... Gerade weil Naruto einer der wenigen Menschen war, von denen Sasuke behaupten konnte, sie wären gut befreundet, war ihm die Sache suspekt vorgekommen. Weil Naruto Sakura sozusagen verschwiegen hatte, hatte der Uchiha auch länger gebraucht, um ihr gegenüber so etwas wie Freundlichkeit zu zeigen. Beziehungsweise überhaupt mit ihr zu sprechen, denn das war das Beste, was Sasuke Fremden an Freundlichkeit entgegenbringen konnte. Im Laufe des Schuljahres hatte sich das anfängliche Misstrauen des Uchihas jedoch gelegt und Sakura und er waren zu einer friedlichen Co-Existenz innerhalb „der Clique“ gekommen. Was so viel hieß wie: leben und leben lassen. Meistens bestand „die Clique“ aus einer bunten Ansammlung von Leuten aus ihrer Stufe. An guten Tagen waren das 20 Leute, an schlechten Tagen Sasuke, Naruto und Sakura. Okay, an wirklich schlechten Tagen bekam Sasuke 20 Anrufe von Naruto, der nicht mitbekommen hatte, dass das Treffen abgesagt wurde und jetzt „unbedingt, ey!!“ was machen wollte. Obwohl Sasuke, wie bereits erwähnt, nicht wirklich extrovertiert war und ständig Aufmerksamkeit oder ein Gespräch suchte, fühlte er sich ungewöhnlich wohl zwischen den ganzen Leuten. Unter den Jungs gab es noch einige andere, die eher ruhig waren, wie zum Beispiel Neji Hyuuga, und mit denen Sasuke einfach nur schweigen konnte. Bei den Mädchen war sich der Schwarzhaarige nie ganz sicher, wie nun die Charaktere einzuschätzen waren, denn hauptsächlich – und das fiel ihm immer wieder auf – waren sie alle eines: launisch. In dem einen Moment erzählte ihm Ino kumpelhaft etwas über die letzten Baseball Ergebnisse und welche strategischen Vorteile die Yomiuru Giants als älteste und erfolgreichste Mannschaft Tokios hatten… Und im nächsten Moment hing sie bei seiner Antwort an seinen Lippen, als würde ihr Leben davon abhängen. Sicher hatte es schon das ein oder andere Mädchen gegeben, dass ihm klischeefangirlartig hinterher gestalkt war, aber Ino kannte er schon ewig. Eigentlich war er der Meinung gewesen, dass diese Teenager-Unart bei ihr mit dem Beginn der Oberstufe verschwunden war. Doch selbst, wenn der Schüler Inos fliegende „Gemütswechsel" betrachtete und analysierte, so ließen sich diese noch lange nicht auf die anderen Mädchen übertragen. Hinata zum Beispiel brauchte er gar nicht erst anzusprechen, da von ihr entweder Schweigen, eine einsilbige Antwort oder ein knallrotes Gesicht als Antwort kam. Temari und Tenten wirkten am unkompliziertesten auf ihn, doch jedes Mal fragte Sasuke sich, ob hinter dem „Yo, was geht, Keule“ nicht doch eine zickige Antwort steckte, wenn er sie nicht wie Mädchen behandelte. (Also nicht mit „Alles klar, Alter“ antwortete.) Es war also sehr verwirrend für Sasuke und den Rest der Jungs, denn die blickten ebenfalls kein Stück durch. Natürlich gab es noch mehr Mädchen als diese fünf, aber mit denen hatte Sasuke vielleicht zwei Worte gewechselt wenn’s hochkam. Im Moment saß Sasuke auf einer Bank, die unter einem hohen Baum stand. Die grünen Blätter milderten das helle Sonnenlicht ein wenig, sodass seine Sonnenbrille fast sinnlos wurde. Er behielt sie trotzdem auf, denn wenn Naruto gleich hier antanzen würde, dann konnte der Blondschopf zumindest nicht gleich sehen, dass der Uchiha seine Augen verdrehte. In letzter Zeit war es – dank Narutos ewigem Nerven – mehrmals vorgekommen, dass sich Sasuke (unfreiwillig) mit seinem Freund und Sakura allein getroffen hatte. Vor dem ersten Treffen hatte Sasuke nicht gewusst, wie er reagieren sollte, denn mit seiner rosahaarigen Mitschülerin hatte sich der Austausch immer auf Höflichkeitsfloskeln beschränkt. Also Dinge wie: „Hi, wie geht’s? Gut? Mir auch. Ich geh dann mal zu…“. Also über was sollte er mit ihr reden? Sollte er überhaupt mit ihr reden? Am Ende hatten sich Sasukes Zweifel als unbegründet herausgestellt, denn Sakura war Naruto weitaus ähnlicher, als der Uchiha hätte ahnen können. Genau wie Naruto schaffte es die Rosahaarige, immer ein Gesprächsthema zu finden, zu dem ihr Gegenüber etwas sagen konnte. Wenn Sasuke auch nie von sich aus das Gespräch mit ihr gesucht hatte, so konnte er ihre Gegenwart doch tolerieren, wenn Naruto darauf bestand. Seit diesem ersten Dreiertreffen hatte der Uchiha sich gefragt, ob Naruto nicht vielleicht einen höheren Zweck mit diesen Treffen erzielen wollte, denn es gab eigentlich keinen Grund Sakura und ihn in einem Treffen zusammen zu führen. Genau wie er selbst hatte die Rosahaarige nie Interesse an einem Gespräch oder sonst irgendetwas mit ihm gezeigt und es kam Sasuke doch verdächtig vor, dass der Blondschopf scheinbar versessen darauf war, seine zwei Freunde einander näher zu bringen. Wie so vieles andere jedoch, was sich Sasuke fragte oder erdacht hatte, behielt er diese Frage in seinem Kopf und würde seinen Freund auch von sich aus nie darauf ansprechen. Er wollte ihm einfach keine „üblen“ Machenschaften unterstellen. Apropos Naruto. Sasuke streckte die Arme über seinen Kopf und drehte seinen Oberkörper zur Seite, damit seine Wirbelsäule knackte. Die Banke war wirklich nicht bequem und der Ramenfreak war bestimmt schon 15 Minuten zu spät. Naruto kam zwar immer zu spät, aber nie mehr als zehn Minuten. Sakura eigentlich auch nicht. Der Oberstufenschüler drehte seinen Oberkörper zur anderen Seite, während er nachdachte und ließ seine Wirbel durch eine weitere, winzige Bewegung knacken. „Ihh, Sasuke. Das ist echt eklig.“ Seine schwarzen Augen blickten hoch und sahen Sakura in all ihrer Pracht vor ihm stehen. Sie trug eine kurze Hotpants und zwei Tops übereinander, das obere war weiß und halbdurchsichtig, das darunter pink. „Der Sinn von halbdurchsichtigen Tops wird sich mir nie erschließen“, sagte Sasuke statt einer Antwort und stand von der Bank auf, wobei er seine Schultern kreisen ließ. „Hast du schlecht geschlafen oder was soll das Muskel-Workout?“ Neckisch grinsend verschränkte Sakura die Arme vor ihrer Brust. Ihr Grinsen spiegelte sich nicht auf Sasukes Gesicht wieder. Irgendwie war er nicht so richtig gut drauf. „Ja, hab ich.“ Gerade wollte die Haruno etwas erwidern, (vermutlich eine sarkastische Mitleidsbekundung), als sein Handy klingelte. Das Klingeln seines Handys war so laut, dass sie beide zusammenzuckten und der Uchiha zog das Teil aus seiner Hosentasche. Naruto. Nachdem Sasuke auf den grünen Hörer gedrückt hatte, stellte er den Lautsprecher an und hielt das Handy zwischen sich und Sakura. Im nächsten Moment ertönte aus dem Lautsprecher ein Geräusch, als würde sich jemand übergeben. „Naruto?“, fragte die Rosahaarige halb besorgt, halb angewidert und beugte sich ein wenig nach vorne. „H-Hey, Leute“, tönte es schwach aus dem Handy, „Wie ihr hört, fühle ich mich nicht so gut…“ Das Geräusch der Toilettenspülung ließ Sasuke die Augen verdrehen. Er fasste sich an den Kopf und nahm dann die Sonnebrille ab. „Gott, Dobe, wieso schreibst du dann nicht einfach eine Sms?“ Sakura nahm ebenfalls ihre weiße Sonnebrille ab und starrte das Handy vorwurfsvoll an. „Echt mal, Naruto! Das Letzte, was ich heute hören wollte, war, wie du in deine Toilette kotzt.“ Am anderen Ende war ein kurzes Röcheln zu hören, bevor der Uzumaki sich wieder meldete, diesmal etwas heiser. „Sorry, Leute, tut mir echt Leid. Ich denke, ihr werdet ohne mich Ramen essen gehen müssen.“ Sasuke schüttelte leicht den Kopf. „Wir können das auch einfach verschieben.“ Alleine mit Sakura Ramen essen gehen. Sicher. Nicht. Selbige Sakura machte ihm jedoch einen Strich durch diese Rechnung. Ihr klaren, grünen Augen richteten sich strafend auf ihn. „Man, Sasuke, ich hab mich schon so gefreut. Und ich hab Hunger. Und zuhause ist keiner und ich weiß nicht wie-“ „Ja, schon gut, dann gehen wir halt.“ Vielleicht sollte er mal an seinen Nerven arbeiten; Sasuke hatte das Gefühl, er war ziemlich leicht zu überzeugen, wenn jemand anfing, auf seinen strapazierten Nervensträngen herumzuspringen. Er schaltete den Lautsprecher aus und drückte sich das Mobiltelefon ans Ohr. „Wir sprechen uns dann später“, verabschiedete er sich und hätte schwören können, dass er vor dem Auflegen noch ein vollkommen gesund klingendes Lachen gehört hatte. In Narutos favorisiertem Ramenladen (wenn man es denn Laden nennen konnte) gab es genau drei Tische und fünf Sitzplätze an der Theke. So oft wie sie hier waren kannte der Besitzer sie schon. Ichiraku-san war ein begnadeter Koch, das gab Sasuke gerne zu, doch er sah darin gleichzeitig keinen Grund, für den Rest seines Lebens nur hierhin zu gehen, wenn er essen gehen wollte. Naruto dagegen schwörte auf diesen Laden und wann immer ihm seine Lebensmittel ausgingen, er etwas zu feiern hatte oder sonst wie gut drauf war, war er hier zu finden. „Sasuke-kun! Sakura-kun!“ Der alte Mann kam hinter dem Tresen hervor und führte sie zu ihrem Standard-Tisch, obwohl es nur ein paar Schritte waren. „Kommt Naruto noch?“ Das Ichiraku-san Narutos schlechte Angewohnheiten kannte sprach wohl dafür, wie oft sie hier waren. „Nein, er hat sich den Magen verdorben“, erklärte sie etwas zu fröhlich, sodass es schadenfroh klang. „Heute sind nur Sasuke und ich da.“ Ichiraku-san schien daraus seine eigenen Schlüsse zu ziehen, denn er bedachte den Jungen vor sich mit einem wohlwollenden Lächeln. Wie aus dem Nichts zog er einen kleinen Notizblock hervor und deutete auf die Sitzplätze vor sich, da sich seine beiden jungen Gäste noch nicht gesetzt hatten. „Setzt euch! Ich nehme an, ihr wollte das Gleiche wie sonst?“ Die beiden Jugendlich nickten und nahmen Platz. Als Ichiraku-san weg war, streifte Sasuke seine dunkle Kapuzenjacke ab und sah Sakura an. Er hatte dabei dieses schiefe Grinsen auf den Lippen, was sehr oft spöttisch wirkte, aber meistens seine Belustigung ausdrückte. „Das klang eben sehr schadenfroh“, meinte er und nahm aus Langeweile die Karte des Restaurants in die Hand, die er peinlicherweise schon auswendig kannte. Sakura lachte nur und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. „War es auch“, gab sie zu und legte den Kopf schief, „Ich meine, wenn Naruto heute Morgen schon abgesagt hätte, hätte ich fürs Mittagessen einkaufen können und wäre dann nicht an diese Ramen gebunden.“ Das klang sehr nach „und wäre dann nicht an diese Verabredung mit dir gebunden“. Obwohl der Uchiha von sich aus nicht sagen könnte, dass er besonders scharf auf dieses Essen war, sagte er es ihr wenigstens nicht unterschwellig. Sein Stolz fühlte sich angekratzt und es gab nur eine logische Reaktion seines (männlichen) Stolzes auf ihre Worte: sie vom Gegenteil zu überzeugen. „Ich finds eigentlich nett, dass wir hier sind“, teilte er ihr auch gleich auf seine nichtssagende Sasuke-Art mit, bei der sein Ton emotional entleert war. Anscheinend zeigte sein bisheriges abweisendes Verhalten nun seine Wirkung, denn sein Gegenüber zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Ach ja?“ Der Zweifel triefte praktisch aus jeder Silbe. Sie hätte genau genommen auch fragen können: „Willst du mich verarschen, Sasuke?“. Doch es war jetzt zu spät, um von seinem Plan wieder abzuspringen. „Ja“, antwortete er knapp und machte Ichiraku-san Platz, der ihre Ramenschüsseln brachte. „Guten Appetit“, wünschte der alte Mann und verschwand dann wieder in seine Küche. Die beiden Jugendlichen wünschten sich ebenfalls „Guten Appetit“ und begannen zu essen. Sasukes dunkle Augen betrachteten Sakura nun zum ersten Mal seit der Einschulung bewusst und er bemerkte, dass sie als Erstes jede Menge scharfes Öl und Chili in ihre Ramen schüttete, als würde sie drauf stehen, dass ihr Magen in Flammen aufging, wie es jedem normalen Menschen bei der Menge ergehen würde. „Wieso findest du es nett?“, fragte sie, während sie ihre Suppe durchrührte. Der Uchiha musste erst abwarten, bis sie einen Löffel von ihrer Suppe heruntergeschluckt hatte, bevor er antworten konnte. Er hatte ja fast Angst, dass sie in Flammen aufging. „Ich finde es nett, weil ich nichts über dich weiß.“ Gut, dass war gelogen, denn Naruto bequatschte wie ein zwölfjähriges Mädchen alles, was Sakura zu ihm sagte, mit Sasuke. Aber das musste Sakura ja nicht wissen. „Zum Beispiel wusste ich nicht, dass du gerne gefährlich lebst.“ Verwirrt sah sie ihn an. Auf ihrer Stirn bildete sich eine Falte. „Was meinst du?“ Mit seinen Essstäbchen deutete er dezent auf ihre Ramen. „Bei der Menge an scharfem Zeug würde selbst ein Sumo-Ringer umfallen.“ Plötzlich lachte Sakura auf und aß ein paar Nudeln. „Ich glaube, dass war das erste Mal, dass du versucht hast einen Witz zu machen.“ Gut, Sasuke war vielleicht nicht der Anwärter für den Stand-Up-Comedian des Jahres, aber er machte schon manchmal Witze. Oder lachte (naja, grinste) über sie. Anscheinend wurde der rosahaarigen Schülerin bewusst, dass sie sich nicht sehr nett angehört hatte, denn sie ruderte gleich zurück: „Ich meine mit mir.“ Das machte schon mehr Sinn. Sasuke aß selbst einige seiner Nudeln und überlegte, was er sagen sollte, bevor Sakura ihm zuvor kam und sich zu Wort meldete. „Ich dachte ehrlich gesagt, du kannst mich nicht leiden.“ Er wich dem Blick ihrer prüfenden Augen aus und sah stattdessen auf den Tisch neben ihnen, wo eine Familie mit zwei kleinen Kindern saß. „Ich brauche halt immer etwas“, gab er ausdruckslos zu und sah sie an, nachdem er von ihr keine Reaktion gehört hatte. Es kam ihm schon bescheuert vor, das zuzugeben. Beziehungsweise… Es klang selbst in seinen Ohren nicht mehr nach dem Versuch, sie von einem Gegenteil zu überzeugen, um seinen Stolz zu kitten. Es klang viel mehr nach einem Versuch, sich mit ihr anzufreunden. Die Frage war nur: wo kam dieses Vorhaben her? Sobald seine Augen auf ihrem Gesicht lagen, musste Sasuke schlucken. Sakura lächelte ihn an. „Da fällt mir ja schon ein Stein vom Herzen, irgendwie“, nuschelte sie und wurde sogar ein bisschen rosa auf den Wangen. Was lief den jetzt ab? Innerlich klatschte der Uchiha seine Hand auf seine Stirn. Sakura war für ihn bei allen anderen Treffen eher forsch und geradlinig, als sensibel rüber gekommen und jetzt ließ sie ihre mädchenhafte Seite raus? Gott. Er wusste gar nicht, was er darauf antworten sollte; Sasuke war nicht gerade begabt in emotionalen Situationen. Doch wieder schien Sakura zu spüren, dass er ein Problem hatte, denn wie aus dem Nicht wechselte sie das Thema. Sie fing an über das Konzert zu sprechen, auf das sie alle als Clique gehen wollten und nach einer halben Stunde wechselte sie zu Musik. Sie hatten ihre Ramen aufgegessen, bezahlt und das Restaurant verlassen, als sie auf das Thema Schule umschwenkte und von da auf Lehrer, dann auf die Clique, auf Naruto, auf Eltern, auf Geschwister… Und bevor Sasuke sich versehen hatte, war es sechs Uhr und sie standen an der Kreuzung, an der Sasuke nach links musste und Sakura geradeaus. „Wir sehen uns morgen in der Schule“, brachte der Schwarzhaarige als Abschied heraus und Sakura lächelte, bevor sie ihn kurz an sich drückte. Nur mit einem Arm und ganz leicht, aber es war trotzdem eine Umarmung. Und dann ging sie und drehte sich nicht um. Hätte Sasuke sie nicht versucht vom Gegenteil zu überzeugen, hätten sie nie angefangen zu reden. Sie hätten sich nie besser kennengelernt. Sie hätten nie Sachen zusammen erlebt. Alles, was noch kommt, wäre nie passiert. Kapitel 2: (Geschundene) Nerven ------------------------------- Kapitel 2: (Geschundene) Nerven 10. Juli 2010 Bevor er sich versehen hatte, waren ein paar Monate vergangen. Es war jetzt Anfang Juli und nur noch knapp eine Woche Zeit blieb, bis die Sommerferien beginnen würden. Für Juli war es ziemlich heiß, um nicht zu sagen, mörderisch. Die Sommerschuluniform bestand aus einem kurzärmligen Hemd, oder einer kurzärmligen Bluse, und wurde von einer dunkelgrauen Hose oder einem dunkelgrauen Rock begleitet. Die Sonne schien ohne Rücksicht durch das Fenster in Hatake-senseis Klassenzimmer zu scheinen und erwärmte Sasukes Gesicht auf unangenehm hohe Temperaturen. Der Uchiha hatte das Gefühl, die zur Uniform gehörende Krawatte würde ihm jeden Moment die Luftzufuhr abschnüren, doch er hielt sich davon ab das graue Stück Stoff einfach abzureißen. Mit halb zusammengekniffenen Augen versuchte Sasuke sich auf das aktuelle Thema zu konzentrieren, welches das Lösen von Gleichungssystemen behandelte. „Nun haben wir also zwei Variable, die wir mit einer Gleichung nicht lösen können. Hat jemand eine Idee?“ Hatake-sensei rückte seinen Mundschutz zurecht und sah seine Schüler an. Er war wirklich ein guter Lehrer, wie Sasuke fand; trotz der Angewohnheit, immer zu spät zu kommen und dann Unmengen an Hausaufgaben aufzugeben. Vielleicht war er sogar sein Lieblingslehrer. Die Aufmerksamkeit des Schwarzhaarigen wurde jäh gestört, als ein kleiner, rosafarbener Zettel direkt vor ihm auf seinem Pult landete. Gleichungen und Variablen waren sofort aus seinem Kopf verschwunden. Seine dunklen Augen huschten zuerst zu Hatake-sensei, doch dieser las munter aus dem Mathebuch vor und wirkte nicht, als ob er in nächster Zeit damit aufhören würde. Dann sah er zu der Absenderin des Zettels. Die Klasse (1-B) hatte 30 Schüler und jeder Schüler saß an einem Einzelpult. Diese Pulte standen alle mit Blickrichtung zur Tafel und es befand sich immer ungefähr ein Meter Abstand zwischen den Tischen. In jeder Reihe standen sechs Tische, also gab es insgesamt fünf Reihen. Sasuke saß in der vorletzten Reihe links direkt am Fenster. Die Absenderin hatte ihren Platz in der zweiten Reihe, am zweiten Tisch von links. Da sie nicht direkt am Fenster saß, so wie er selbst, konnten sie perfekten Blickkontakt aufnehmen (was oft vorkam in letzter Zeit). Im Moment sagten ihre grünen Augen: „Mach den verdammten Zettel endlich auf, du Penner“, weswegen Sasuke den Blick nur allzu gerne senkte und das kleine Stück Papier auseinander faltete. Mit einem nicht einzuordnenden Gefühl im Bauch hatte der junge Mann festgestellt, dass Sakura über die letzten paar Monate hinweg zunehmend Hemmungen verlor. Nach ihrem Ramen-Essen hatten die beiden Jugendlichen mehr und mehr Zeit miteinander verbracht. Mittlerweile gab es nur noch einen Tag in der Woche an dem sich Sakura und er nicht sahen. Und das war Sonntag. (Gleichzeitig auch der langweiligste Tag seiner Woche, aber das musste er ja nicht unbedingt zugeben.) Sie war sogar schon bei ihm Zuhause gewesen! Das dritte Mädchen, was jemals die Tür zu seinem Zimmer durchschritten hatte und irgendwie schien die Rosahaarige das zu wissen. Sie wurde immer frecher. Sasuke hatte den starken Verdacht, dass er all die Zeit bis zu dem verhängnisvollen Essen nur eine Light-Version von Sakura gekannt hatte, denn je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, desto ungezwungener wurde sie. Es kam öfter vor, dass sie ihn „Penner“, „Idiot“, „Dummkopf“ oder „Trottel“ nannte – Wörter, die er gewöhnlicher Weise für Naruto reserviert hatte. Es war seltsam nun selbst damit bezeichnet zu werden und dass auch noch unter Lachen und einem gelegentlichen Schlag gegen den Hinterkopf. Die Haruno war außerdem auch stets erpicht darauf, ihm Dinge und Geschichten zu entlocken. Oftmals bestanden ihre Gespräche aus Sakuras Fragefluten, die Sasuke (möglichst kurz) beantwortete, bevor die nächste Flut folgte. Dabei ließ sie sich nicht einmal von seinem Ärger oder seinen frostigen Blicken stören, wenn ihm ein Thema nicht passte. Und das seltsamste war, dass ihm ihre Fragerei trotz alledem nichts ausmachte. (Na ja. Fast nichts.) Etwas Hartes traf ihn am Kopf. Verärgert sah er hoch und suchte nach dem Übeltäter, doch es war offensichtlich, dass es der Gegenstand seiner Überlegungen war – Sakura zeigte stumm, aber energisch, auf ihre Handfläche. Er sollte endlich den Zettel lesen. Der Schüler verdrehte die Augen und warf einen prüfenden Blick auf das Geschriebene, was ihm Sakuras hingeschlampte Schrift nicht einfach machte. Bei ihr sahen die eigentlich filigranen Schriftzeichen aus wie kleine Knäule, die teilweise durch ein paar Schnörkel miteinander verbunden waren. An diese Schrift würde er sich vermutlich nie gewöhnen. „Hi, Sasuke, Heute nach der Schule Eis? Es ist SO HEIß! Heute Abend wird gegrillt mit den anderen, näheres nach den Clubs!“ Sasuke zog, mit einem halben Grinsen auf den Lippen, seinen Druckbleistift aus seinem Mäppchen und schrieb seine Antwort auf die Rückseite des Zettels. Hi. Ja. Treffen an den Tennisplätzen. Hatake-sensei räusperte sich lautstark und tippte mit seinem Stück Kreide an die Tafel. „Wie ihr hier sehen könnt, hab ich euch jetzt einige Aufgaben notiert. Löst die zusammen mit eurem Sitznachbar.“ Der grauhaarige Mann setzte sich hinter sein Lehrerpult, öffnete das Klassenbuch und vertiefte sich darin. Zumindest hatte es den Anschein, denn – wie alle Schüler wussten – las ihr Lehrer eigentlich einen ziemlich anzüglichen Groschenroman, der „Icha Icha Paradise“ hieß. Ohne zu zögern schnippste der schwarzhaarige Schüler den Zettel zu Sakura, deren Pult er zielgenau traf, und wandte sich dann seinem Sitznachbar zu. Ino. „Reger Briefkontakt heute“, neckte die Blondine ihn auch sogleich und lächelt schelmisch, während sie ihr Mathebuch aufschlug. Ihre langen Wimpern brachten ihre Augen heute besonders gut zur Geltung, wie Sasuke feststellte und brachte sich sogar dazu Ino anzulächeln. (Zumindest mit einem einseitigen Heben seines Mundwinkels, was seine Form des Anstrahlens war.) „Es geht nur ums Grillen“, wiegelte Sasuke ab, bevor Ino anfangen konnte, zu spekulieren. Am besten man nahm ihr gleich den Wind aus den Segeln, denn Ino machte wortwörtlich aus einer Mücke einen Elefanten. Oder in diesem Fall – aus der Ecke eines Notizbuches einen ellenlangen Liebesbrief. „Du brauchst deinen Kopf also gar nicht anzustrengen – das hier wird keine Real Live Version deines Lieblingsromans.“ Ertappt verzog die Blondine ihre Lippen zu einem Schmollmund und zog das Mathebuch näher zu sich heran – man musste ja vorgeben, die Aufgaben auch zu erledigen. Was Sakura für Naruto war, war Ino für Sasuke. Die beiden kannten sich schon seit dem Sandkastenalter und waren zwar nicht direkt unzertrennlich gewesen, aber verbrachten viele Nachmittage damit über den Spielplatz zu streifen und langweilige Geschäftsessen zu einer Kinderparty zu machen. In der Grundschule gesellten sich Neji und Hinata dazu und das Quartett galt auf geschäftlichen Veranstaltungen als ein sicheres Versprechen für Unruhe und Kinderlärm. (Und den ein oder anderen ruinierten Anzug.) Obwohl Ino zwischenzeitlich (hauptsächlich in der Grund- und Mittelschule) ein Verhalten an den Tag gelegt hatte, bei dem Sasuke ab und an gedacht hatte, seine Kindheitsfreundin könnte mehr für ihn empfinden, hatte sich diese Befürchtung als unwahr erwiesen. Nicht, dass es nicht schmeichelhaft für den Uchiha gewesen wäre, denn Ino war ein sehr hübsches Mädchen. Mit ihren langen, hellblonden Haaren, den himmelblauen Augen und ihrer wohlgeformten Figur zog sie Jungs in Scharen an. Doch zu Inos Persönlichkeit gehörte das starke und immerzu präsente Bedürfnis sich mitteilen zu müssen. Und das sprach Sasuke so gar nicht an. Als Freund konnte man den Großteil des Mädchen-Blablas ignorieren, aber als fester Freund sollte man die Sachen schon behalten, die einem erzählt wurden. „Ja, gut, dann hab ich eben gedacht, da könnte was laufen.“ Sasuke sah, aus seinen Gedanken gerissen und dementsprechend verwirrt, die Blondine an, die ihn ihrerseits mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. Der männliche Part des Duos war dezent aus dem Konzept gebracht. Er wusste doch schon, dass sie das gedacht hatte, also wieso wiederholte sie das für ihn? Als auch nach einer Minute von Sasuke keine hörbare Antwort kam, holte Ino erklärend aus. „Na ja, du musst schon zugeben, dass das verdächtig ist!“, verteidigte sie ihre Mutmaßung, obwohl sie keiner deswegen zurecht wies, „Immerhin hattet ihr gar nichts mit einander zu tun. Und dann – BOOM – wie aus dem Nichts hockt ihr 24/7 aufeinander und schreibt euch kleine, rosafarbene Zettel im Unterricht.“ Als ob der harmlose Zettel ein toter Käfer wäre, schnippte Ino das Stückchen Papier von ihrem Pult, auf das es unbeabsichtigt gerutscht war. Der Uchiha starrte Ino immer noch an und blinzelte einmal, bevor er – zugegebenermaßen nicht besonders taktvoll – fragte: „ Bist du eifersüchtig?“ Weil Ino nichts anderes von ihrem Freund kannte, nickte sie einfach nur. „Ja! Weil sie dich ständig beansprucht und du gar keine Zeit mehr für uns hast.“ Mit uns war die eingeschworene Clique aus Neji, Hinata und ihr selbst gemeint. „Und das nervt“, informierte sie ihn schnippisch, bevor sie ihr Heft heranzog und begann eine Formel aufzuschreiben. Man sah es ihr nicht an, aber Mathe war Inos stärkstes Fach. Sasuke blieb ruhig. Ino war eifersüchtig, ja. Aber das war sie oft und schnell und das verging wieder. Vor allem weil die Blondine auch eigentlich ganz gut mit Sakura befreundet war. Also wieso sollte sie etwas dagegen haben, dass sich Sasuke ebenfalls (gut) mit ihr anfreundete? Nachdem der dunkelhaarige Schüler eine Weile gewartet und selbst einige Formeln und Lösungsschritte aufgeschrieben hatte, stieß er Ino mit seinem Ellbogen an. Er hatte einen ungewöhnlich milden Gesichtsausdruck aufgelegt, der Ino weich machen sollte. Was sie wurde, denn Sasuke zeigte so etwas nicht oft. Er lächelte für seine Verhältnisse fast schon liebenswürdig, als er auf ihre erste Formel zeigte. „Erklär mir nochmal die Ausgangsformel“, bat er und ließ seiner Freundin so die Chance, ihm zu helfen. Ein wahres Privileg, denn wie es sich für einen Uchiha gehörte nahm Sasuke so gut wie nie und wenn, dann äußerst ungern Hilfe an. Den Rest der Mathestunde und auch den restlichen Unterricht lang schnitt Ino das Thema „romantisches Interesse an rosahaarigen Mädchen“ nicht mehr an und mied sogar sämtliche andere Themen, über die sie sich normalerweise mit Sasuke stritt. (Wie zum Beispiel seine mangelnde Begeisterung, seine mangelnden Zukunftspläne, seine Wochenendpläne und so weiter.) Selbst ihre Verabschiedung nach Unterrichtsende war ungewöhnlich freundlich und süß. „Wir sehen uns dann beim Grillen, Sasuke! Ich freu mich!“ Der Uchiha hatte die Befürchtung, sie plante nur ihre nächste Aktion, um mehr Informationen aus ihm herauszubekommen. Er sah ihr nachdenklich hinterher, als sie zu ihrem Naturwissenschaftsclub ging und ihr ihr blonder Pferdeschwanz hinterhertanzte. „Sasuke! Seit wann starrst du Ino hinterher?“, blökte eine laute Stimme durch die Gegend und der Besitzer eben jener ließ seine Hand auf Sasukes Schulter niederfallen wie einen Backstein. Wütend schwenkte das Opfer seinen Blick rüber zu Naruto, welcher grinsend auf eine Antwort wartete, seine Hand immer noch auf der Schulter. „Ich starre niemandem hinterher“, erklärte der Uchiha mürrisch und schüttelte die Hand des Uzumakis ab. Er griff sich seine Sporttasche, die er für ein Gespräch mit Ino auf den Boden gestellt hatte und begann Richtung Sporthalle zu gehen. Naruto schloss gleich zu seinem Freund auf. Die beiden waren nicht in einer Klasse, deswegen konnte der Blondschopf nichts von dem kleinen „Streit“ zwischen zwei seiner Freunde wissen. Dieses Unwissen konnte Naruto natürlich nicht lange auf sich sitzen lassen, denn er spürte sofort, dass irgendetwas los war. „Was hast du denn?“, fragte er auch gleich ohne viel Federlesen und Sasuke hörte gleich an seinem Ton, dass sein Kumpel nicht locker lassen würde, bis er wusste, was Sache war. „Nichts“, murrte er als Antwort und setzte bei Narutos ungläubigem Blick gleich wieder an, „Außer, dass Ino meint, mir irgendein Verhältnis mit Sakura andichten zu müssen.“ Der blonde Teil des Duos war offensichtlich schockiert, dass das der Grund für schlechte Laune war. „Das lässt dich aussehen wie nach dem heftigsten Streit des Jahrhunderts?“ Der Größere verdrehte seine dunklen Augen und beschleunigte sein Gehtempo. „Es stört mich jedenfalls, dass sie sowas andeutet. Sie soll nichts erfinden, wo nichts ist und außerdem ist das meine Sache.“ Als Naruto gackerte, wusste der Uchiha, dass er die falsche Wortahl getroffen hatte. „Deine Sache? Also hast du mit Sakura-chan doch was am-“ Doch bevor Naruto die Beziehung seiner beiden Freunde weiter definieren konnte, schlug Sasuke dem Blondschopf seine Sporttasche gegen die Brust und verschwand in der Umkleide, ohne auf seinen Freund zu warten. Eineinhalb Stunden später war der Basketballclub vorbei. Sasuke war wie immer nass geschwitzt und beeilte sich ungewöhnlich sehr mit dem Duschen, um Naruto zu entwischen, auf dessen dumme Kommentare er wenig Lust hatte. Man konnte immer schnell erkennen, wann Naruto ein Thema gefiel, denn dann ließ er nur schwerlich wieder davon ab. So hatte er in jeder Spielpause (und auch sonst, wenn sich die Gelegenheit bot) eine interessante Bemerkung einfließen lassen, wie sein ganz persönliches Romeo-und-Julia-Pärchen zueinander finden könnte. Der Uchiha wollte sich nicht anhören, wie er sich Sakura am besten klar machen konnte, denn erstens wollte er das gar nicht und zweitens waren Narutos Ideen so sinnlos und bescheuert, dass Sasuke seinen Kopf am liebsten gegen die Wand gerammt hätte. Tatsächlich schaffte es der dunkelhaarige Schüler seinem Freund zu entwischen und joggte zu den Tennisplätzen, wo Sakura bereits wartete. Und scheinbar wartete sie schon länger, denn die Spitze ihres Fußes wippte ungeduldig auf und ab. Die Mädchen des Tennis-Teams bekamen oft eher aus und ganz besonders, wenn es so heiß war wie jetzt. Gai-sensei, der Trainer des Basketballteams, hatte da wenig Gnade. Er nahm die Hitze sogar als „Inspiration“, um „das Feuer der Jugend“ in seinen Spielern zu wecken. Feuer war die treffende Beschreibung – nach dem Training fühlte man sich so, als würde man verbrennen. Die Rosahaarige schenkte ihrem Freund zur Begrüßung gnädiger Weise ein Lächeln, bevor sie anklagend sagte: „Ich warte schon 20 Minuten.“ Der Uchiha wich ihrem Blick aus und zog lieber seine Wasserflasche aus der Tasche. „Ich kann nichts dafür, wenn Kurenai euch immer eher gehen lässt.“ Inos Worte spukten in seinem Kopf herum und verleiteten ihn zu dem schroffen Zusatz: „Dann geh das nächste Mal halt schon nach Hause.“ Falls diese Bemerkung Sakura in irgendeiner Art und Weise getroffen hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen nahm sie ihm seine Wasserflasche weg und ging gar nicht auf seine Worte ein. „Was willst du denn zum Grillen mitbringen?“, fragte sie fröhlich zwischen zwei Schlucken seines Wassers und begann Richtung Supermarkt loszugehen. „Ich wäre für Würstchen! Und Kroketten. Und Schnitzel! Und nicht vergessen dürfen wir Cola, Melon Soda und Süßkram!“ Dem verwirrten jungen Mann blieb nichts anderes übrig, als es der Rosahaarigen gleichzutun und sich ebenfalls nichts anmerken zu lassen. Er schloss zügig auf und nahm ihr die Wasserflasche wieder ab, um selbst daraus zu trinken. Vor einigen Monaten hätte sie die Flasche noch behalten können und er hätte sie wortlos stehen lassen. Hm. „Wir kaufen nicht alleine für 20 Leute ein“, erinnerte er sie und stoppte an einer roten Ampel. Die leere Wasserflasche steckte er ein. „Die anderen werden wohl auch was mitbringen.“ Sakura kaute auf ihrer Unterlippe – ein sicheres Zeichen dafür, dass sie etwas auf dem Herzen hatte – und lehnte sich an die Ampel. „Ja“, sagte sie gedehnt, „Aber nicht das Wichtigste! Wir können ja gleich spontan gucken. Hör mal…“ Offenbar hatte die Haruno nun vor, das Thema anzuschneiden, dass ihr etwas Kopfzerbrechen bereitete, denn sie stieß sich von der Ampel weg, stemmte die Hände in die Hüften und sah ihrem Begleiter direkt ins Gesicht. Direkt und forsch, wie Sasuke es von ihr kannte, doch ihre Augenbrauen waren dezent in die Höhe gezogen, was ihre Sorge erkennbar machte. Ein paar Momente Stille vergingen und die Ampel sprang auf grün, doch keiner von beiden bewegte sich. Sie sahen sich an – sie suchte offensichtlich nach Worten und er wartete, dass sie mal in die Gänge kam, denn er wollte nicht ewig an dieser Ampel stehen bleiben. Er überlegte schon ihr auf die Sprünge zu helfen, doch das, was dann aus ihrem Mund kam, hätte genauso gut drin bleiben können. „Ich, äh, wollte eigentlich nur fragen, ob…“ Pause. „Ob da.. uh, zwischen dir und Ino…“ Pause. „Na ja. Ob.“ Wie vom Blitz getroffen starrte Sasuke sie an. „Zwischen mir und Ino“, wiederholte er und klang dabei sicher so intelligent wie eine Scheibe Toastbrot. Sakura nickte. Ihre Bewegung schien Sasuke aus seinem passiv-aggressiven Starren herauszuholen und er gewann seine Contenance zurück. Und dann kühlte er ab. Richtig frostig sah er Sakura an. „Wie kommst du darauf? Da geht gar nichts, Ino ist meine beste Freundin seit Kindertagen und Ende.“ Was war bloß los mit diesen Mädchen? Zuerst Ino, die ihm ein Verhältnis mit Sakura andichten wollte und dann Sakura, die andersherum wissen wollte, ob da „was war“. Allein schon diese Formulierung ging ihm auf die Nerven. Die Rosahaarige war nicht dumm und merkte gleich, dass ihr Gegenüber in die eisigen Tiefen der Antarktis geglitten war. „Tut mir Leid“, ruderte sie zurück und hatte sogar den Anstand, verlegen den Blick zu senken, „Ich dachte nur, weil ihr im Matheunterricht so getuschelt habt und so nah beieinander saßt und dann wart ihr den ganzen Tag so nett zu einander und habt gar nicht gestritten und dann nach Unterrichtsschluss hast du ihr so nachgeguckt und da dachte ich-“ Es war das zweite Mal heute, dass Sasuke jemanden unterbrechen musste, aber im Gegensatz zu Naruto bekam Sakura keine Tasche gegen die Brust geknallt, sondern eine erhobene Hand vor ihrem Gesicht. „Ruhe jetzt. Ist okay“, meinte er grummelnd und begann, die Straße zu überqueren, „Sprich das Thema nicht mehr an, Ino ist mir damit schon genug auf die Nerven gegangen.“ Den letzten Satz hätte er sich auch sparen können, denn er sah die Neugier in ihren grünen Augen aufleuchten. Sie sagte zwar nichts, aber der dunkelhaarige Schüler hatte das Gefühl, sie würde auf das Thema zurückkommen. Und zwar bald. „Na ja, auf jeden Fall hättest du für mich spionieren können. Ich glaube nämlich, die anderen haben irgendetwas geplant zu meinem Geburtstag am Wochenende.“ Sie hakte sich entschlossen bei ihm ein, ohne seinen immer noch frostigen Gesichtsausdruck zu beachten. „Und das passt mir gar nicht, weil du weißt ja, dass ich Überraschungen hasse.“ Pause. „Oder?“ Sasuke nickte und wünschte sich irgendwo anders hin. Natürlich wusste er, was für das Wochenende geplant war, aber das würde er ihr nicht auf die Nase binden. Er musste stehen bleiben, weil von rechts ein kleines Kind angerannt kam. Vorwurfsvoll trafen ihn grüne Augen. „Sasuke, du Trottel, pass auf wo du hingehst!“ Kapitel 3: Rückansicht ---------------------- Kapitel 3: Rückansicht 11. Juli 2010 Auf Grund eines heftigen Sommergewitters hatte die Clique das Grillen um einen Tag verschieben müssen, was Sasuke gut gepasst hatte, denn so hatte er dem langweiligen Geschäftsessen mit seiner Familie entgehen können. Und der Uchiha war dankbar für jedes dieser Essen, die er nicht erdulden musste, denn im Vergleich zu Kindheitstagen, an denen sie zu viert hatten herumalbern können, konnte sich keiner von den vieren mehr erlauben ein Essen zu ruinieren. Von den Kindheitstagen hatte es Hinata und ihn selbst am schlimmsten erwischt, wie Sasuke fand, während er unter einem Schwall Rauch die Würstchen umdrehte. Die Clique saß großzügig verteilt auf einer Wiese nahe einem Fluss, der durch die Nachbarschaft floss, in der auch ihre Schule lag und ließ sich von der Sonne bestrahlen. Die blauhaarige Hyuuga und er hatten eines gemeinsam – sie sollten beide Erben eines Imperiums sein. Die Hyuugas hatten Hotels auf der ganzen Welt und waren, ganz nebenbei, in diversen anderen Branchen dabei Fuß zu fassen. Die Uchihas hingegen waren Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer und verfügten über eine Ansammlung hervorragender Rechtsanwälte. Als zukünftige Führer dieser Imperien sollten Hinata und er dafür sorgen, dass der Erfolg bestehen blieb und eine Menge an Leuten ihre Arbeitsplätze behielten. Vielleicht war es deshalb verständlich, dass die Zukunft etwas war, an die weder Hinata noch er gerne oder leichtfertig dachten. Gerade deshalb hatte Sasuke auch oft das Gefühl mit Hinata besonders verbunden zu sein. Obwohl sie so gut wie nie miteinander redeten (hauptsächlich auf Grund ihrer extremen Schüchternheit), konnten sie doch sehr gut neben einander sitzen und lernen oder lesen. Seitdem der dunkelhaarige junge Mann sich näher mit seinem Smartphone beschäftigt hatte, hatte er auch herausgefunden, dass er mit dem zierlichen Mädchen wenigstens E-Mails oder SMS schreiben konnte. Nejis Situation in dem ganzen Mist war fast noch schlimmer. Er war Hinatas Cousin (ihre Väter waren Brüder) und von ihm wurde erwartet, dass er alles tat, um Hinata unter die Arme zu greifen. Dafür musste er selbst einiges zurückstecken, denn er wurde von Kindheitsbeinen gezwungen, immer das zu tun, was Hinata auch machte. Sie wollte Ballettuntericht? Er musste sie abholen. Sie wollte ein Instrument lernen? Er musste es ihr gleich tun. Sie wollte nicht mehr aufs Internat, sondern auf eine normale Mittelschule? Er musste mitwechseln. Manchmal, unter der eisigen und ruhigen Façade, konnte Sasuke etwas von Nejis Bitternis erkennen, wenn es mal wieder darum ging, dass er Hinatas Plänen Folge leisten musste anstatt seine Zeit selber zu verplanen. Immer wenn es darum ging, ihre Situationen innerhalb der Gruppe zu vergleichen, kam für den Uchiha Ino am besten weg. Sie war die Tochter des Gründers einer Firma für Deko, der seine Läden erst vor einigen Jahren international verbreitet hatte und hauptsächlich mit Blumen handelte und die Dekorationen großer Veranstaltung plante. Im Gegensatz zu allen anderen liebte die Yamanaka die Arbeit ihres Vaters und freute sich sehr darauf, eines Tages in seine Fußstapfen zu treten. Für sie gab es keine größere Ehre. „Mach mal Platz, Uchiha.“ Neji schob sich neben seinen Freund an den Grill und nahm diesem die Grillzange weg. Die langen, braunen Haare des Oberschülers waren zu einem lockeren Zopf gebunden und wie alles, was Neji tat, sah auch das Umdrehen der Steaks sehr elegant aus. „Du machst das super“, brachte Sasuke seine Gedanken auch gleich zum Ausdruck und Nejis helle Augen ruhten auf ihm. Er antwortete nicht direkt, sondern wendete weiter Fleisch. „Heute wäre wieder ein Geschäftsessen gewesen“, begann er in einem scheinbar beiläufigen Ton, doch Sasuke wusste, dass kein Hyuuga etwas beiläufig erwähnte. Sie verfolgten immer einen höheren Zweck. Mit einem unbestimmten Brummlaut bedeutete ihm der Dunkelhaarige, fortzufahren. „Es geht heute um eine eventuelle Verbindung der Firmen, oder?“ Als Hinatas Bodyguard hatte Neji es nicht immer leicht an Informationen zu kommen, die die Vorgänge innerhalb der Firma betrafen. Sasuke war bestimmt einen Kopf kleiner als Neji und sah mit einem neutralen Gesichtsausdruck zu ihm hoch. „Ja. Sie werden zweifellos versuchen, Hinata und mich zusammenzubringen.“ Eine Vorstellung, die Sasuke ganz und gar nicht gefiel. „Könnt ihr nicht einmal über was anderes reden, als über diese dummen Geschäftsessen?“ Ino tauchte zwischen den beiden Jungs auf und legte jedem eine Hand auf die Schulter – was sich bei Neji als schwieriger erwies, da er sicher zwei Köpfe größer war. Der Hyuuga schaffte es, zu lächeln und lud eine Ladung Hühnerbrust, die knusprig braun gebraten war, auf einen Teller. „Du hast Recht, Ino. Es ist ungesund, sich immer zu sorgen.“ Und mit diesen Worten zog Neji ab, um das Fleisch unter die Leute zu bringen. Ino hatte nicht mitbekommen, dass der Hyuuga Sasuke über ihren Kopf hinweg einen bedeutungsschweren Blick gesandt hatte; für ihn war das Thema noch nicht beendet. Die Blondine übernahm Nejis Tätigkeit des Fleisch Umdrehens und musterte den jungen Mann vor sich argwöhnisch. „Was?“, fragte er ein wenig abweisend, denn Sasuke hatte im Gefühl, dass Ino gleich mit dem Thema um die Ecke kommen würde, weswegen sie sich gestern in den Haaren gehabt hatten: Sakura. Die Oberschülerin überraschte ihren Freund doch ziemlich, als sie nur den Kopf schüttelte. „Ich mache mir ein wenig Sorgen. Das Klima zwischen den Firmen unserer Eltern ist zwar gut, aber dennoch wirkt es seltsam auf mich.“ Der Uchiha senkte den Blick und setzte sich auf einen Plastikstuhl, den irgendjemand mitgebracht hatte. „Das sollte es auch“, antwortete Sasuke dunkel und nahm mit seiner Plastikgabel ein Würstchen vom Grill, um die Spitze abzubeißen. Die Hitze war ihm egal. (Na ja, fast, aber er musste ja nur schnell kauen, dann war es nicht so schlimm.) Er beschloss, Ino nicht daran zu erinnern, dass sie von Neji und ihm gewollte hatte, sich mal mit etwas anderem als den Firmen zu beschäftigen. Wenn sie schon selber so ernst davon anfing, musste die Sorge, die das Thema auslöste noch größer sein als sie erkennen ließ. „Wie auch immer“, murrte Ino und packte das restliche Fleisch von dem Grill auf zwei Teller, „Viel ändern können wir auch nicht.“ Sie lächelte ihn an und reichte ihm einen sauberen Pappteller, auf dem er sein Würstchen ablegen konnte. Zustimmend nickend aß Sasuke sein Würstchen, während die Yamanaka den Grill erneut bestückte. Sie schwiegen sich an und der Uchiha überlegte ernsthaft, wann sie mit dem Mädchen-Thema wieder anfangen würde. Aus einer spontanen Eingebung heraus, schnitt er es dann selber an, weil er dieses Warten nicht ertragen konnte. „Ich hätte wirklich gedacht, du schneidest das Thema wieder an.“ Die hellblauen Augen der jungen Frau bohrten sich abschätzend in seine eigenen. Offensichtlich wunderte es sie sehr, dass ihr Freund von selbst seine Gedanken dazu aussprach. „Ich weiß nicht, warum du damit jetzt anfängst“, meinte Ino als Antwort und ließ ihren Blick von Sasuke über ihre gemeinsamen Freunde schweifen. „Du selbst hast mir doch mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass dieses Thema für dich tabu ist. Oder beziehungsweise.. du nichts davon hören willst.“ Ihr Ton war so neutral, dass sie ein Uchiha hätte sein können. „Ja, schon“, gab Sasuke murrend zu, „Aber du bist Ino. Ich dachte, du kommst früher oder später sowieso damit an, um irgendein Zugeständnis aus mir herauszuholen.“ Die Blondine lehnte sich plötzlich zu ihm herunter, grinste frech und kniff ihm in die Wange. „Sasuke, du bist ein großer Junge und kannst sicher selber entscheiden, für welches Mädchen du Gefühle hegen möchtest.“ Immer noch grinsend richtete sie sich wieder auf und setzte sich auf einen flachen Stein, der aus dem Boden herausragte. „Mich brauchst du dafür nicht.“ Für einen kurzen Moment lang glaubte der Uchiha ihr fast. Dann allerdings sah er die Situation realistisch. Er konnte „selber entscheiden“? Ino war die Erste, die ständig versuchte, ihn zu Entscheidungen zu bringen, die ihrer Meinung nach richtig waren. Und Sasuke hatte nichts dagegen, denn oftmals waren ihre „Tipps“ (Vorschriften) gar nicht mal so unwahr, wie er zuerst dachte. (Wenn sie allerdings wollte, dass er mal ein rotes Hemd trug, um „seinem Kleiderschrank ein bisschen Farbe zu verleihen“, dann konnte sie sich ihre Tipps sonst wohin stecken.) Angesichts ihres sonstigen Drangs, ihm – lieb gemeinte – Vorschriften zu machen, fand der dunkelhaarige Schüler es doch unwahrscheinlich, dass sie in diesem Bereich beschlossen hatte, er sei ein großer Junge. Ihr letzter Satz ließ ihn eher denken, sie war etwas gekränkt, dass er ihre Meinung zu dem Thema nicht brauchte und lieber allein beschloss, was er vorhatte. Um diese These zu überprüfen, sagte er vorsichtig: „Ich hoffe, ich muss dir nicht sagen, dass ich dir sagen würde, wenn ich… Gefühle hätte.“ Es war so seltsam und ungewohnt für Sasuke so einen Mädchen-Schwachsinn von sich zu geben, dass Ino ihn anstarrte, als ob ihm ein drittes Auge gewachsen wäre. Normalerweise sagte Sasuke niemals, was er fühlte, sondern setzte voraus, dass seine Freunde wussten, wie es ihm ging und was er meinte. Ino wurde bewusst, für wie gekränkt er sie halten musste, dass sich Sasuke genötigt fühlte, so etwas zuzugeben. Vor Freude fiel Ino ihm um den Hals und es hätte wohl nicht viel gefehlt und sie hätte ihm einen Kuss gegeben. „Natürlich weiß ich das“, murmelte sie und ließ ihn los, wobei er den Rotstich auf ihren Wangen bemerkte. „Ich meinte ja nur… Also… Du solltest nicht denken, ich hätte gar keinen Respekt vor manchen Dingen. Und ich wusste nicht, ob du meine Meinung dazu willst.“ Der Uchiha schüttelte den Kopf und zog einen Mundwinkel in die Höhe, sagte aber nichts. Ihm war ihre Umarmung nicht direkt angenehm, aber er wusste ihre Freude doch zu schätzen. Ino schätzte seine positive Reaktion so groß ein, dass sie gleich einen Vorstoß für das Wochenende machte. „Samstag Filmeabend bei Hinata?“ Sasuke nickte. Ungefähr eine Stunde später saß Sasuke alleine am Grill, döste in der Sonne und verteilte und wendete ab und an das Fleisch, das sich – langsam, aber sicher – dem Ende neigte. Wie von ihm vorhergesagt gab es viel zu viel Essen, denn neben dem Fleisch waren noch zahllose Salate, Reisbällchen, Sushiarten und Süßigkeiten angeschleppt worden. Etwas mehr und alle würden als riesige Bälle über die Wiese rollen. Alles in allem könnte man sagen, Sasuke genoss seine ruhige Zeit am Grill. Diese ruhige Zeit war jedoch kurz davor, ein drastisches Ende zu finden. Sakura ließ sich mit einem Lächeln auf den Lippen neben ihn ins Gras fallen. Sie hatte die Beine nach vorne ausgestreckt und saß nach hinten gelehnt da, sodass die Sonne ihr Gesicht aufleuchten ließ. „Na, wie läuft’s, Chefkoch?“, fragte sie neckisch grinsend und legte den Kopf schief. Sasuke warf ihr ein halbherziges Grinsen zu. „Bis jetzt war es ruhig.“ Das rosahaarige Mädchen verzog das Gesicht, indem sie ihre Nase krauste und streckte als Antwort die Zunge heraus. „Okay, ich versteh schon“, antwortete sie gespielt verletzt, doch Sasuke murrte nur: „Gehen tust du trotzdem nicht, oder?“ Lächelnd schüttelte sein Gegenüber den Kopf und zog eine Tüte mit Zitronenbonbons hervor, die sie ihm hinhielt. „Nein, danke“, antwortete er und fragte dann, ohne groß darüber nachzudenken, „Wieso lässt du dich erst jetzt hier blicken?“ Sakuras schmale Augenbrauen zogen sich merklich nach oben. „Was, hast du mich etwa vermisst?“ Offensichtlich genoss sie es heute besonders ihn zu ärgern. „Na klar. Wie könnte ich es nicht vermissen ständig genervt und mit Fragen gelöchert zu werden?“ Er runzelte die Stirn und holte dann sein vibrierendes Handy hervor. Neugierig wie Sakura war, sah sie auf das Display und gerade, als Sasuke sie dafür tadeln wollte, sah er wie sie einfror. Ihre grünen Augen waren wie hypnotisiert auf den Namen des Anrufers gerichtet—Itachi Uchiha. „Was guckst du so komisch?“, schnauzte der Uchiha seine Freundin an, die zusammenfuhr und ihn erschrocken ansah, als hätte er sie geschubst. Genervt von ihrer seltsamen Reaktion ging Sasuke ans Telefon. Dass sein Bruder anrief verbesserte seine Laune nicht gerade. „Was willst du?“, fragte er unhöflich und hörte seinen Bruder am anderen Ende der Leitung prompt leise lachen. „Höflich wie immer, Sasuke“, antwortete Itachi, für seine Verhältnisse schon fast gut gelaunt, „Mir geht’s gut, danke der Nachfrage. Wie geht’s dir?“ Sasukes schwarze Augen verdrehten sich. Reichte es seinem Bruder nicht, dass er durch seine Sturheit die Zukunft seines kleinen Bruders ruiniert hatte? Musste er ihm jetzt auch noch in seiner Freizeit durch alberne Floskeln auf die Nerven gehen? „Spuck endlich aus, warum du anrufst, Itachi“, schnauzte Sasuke und war auf einem guten Weg um ernsthaft wütend zu werden. „Ich wollte dich gerne abholen und etwas mit dir essen.“ Auf einmal klang der ältere Uchiha so ernst, dass Sasukes Ärger (fast) wie weggeblasen war. „Ich habe gerade gegessen.“ Wie um seine Aussage zu unterstreichen schob sich Sasuke ein Stück Brot in den Mund, dass noch auf seinem Teller gelegen hatte. „Zu schade. Morgen? Ich hol dich von der Schule ab?“ Anscheinend war es Itachi wirklich ernst. Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Von mir aus“, stimmte Sasuke widerwillig zu und legte dann einfach auf. Als er sich umdrehte, sah er Sakura, die ihn nachdenklich ansah. „Was ist denn los mit dir?“, wollte Sasuke ungehalten wissen. Er wusste einfach, dass es etwas mit seinem Bruder zu tun hatte. „Redest du immer so mit deinem Bruder?“, fragte sie leise und der schwarzhaarige junge Mann hätte fast den Fehler begangen ihren Ton für Zurückhaltung zu halten. Stattdessen war sie einfach nur nachdenklich; er konnte das an der Art erkennen, wie sie seine Füße anstarrte, anstatt ihm in die Augen zu sehen. „Ja.“ Sie sah hoch und wollte etwas erwidern. Etwas für seinen Bruder und gegen ihn. Sasuke starrte sie wütend an—seine Augen forderten sie heraus, diese Grenze zu überschreiten. Sein ganzer Körper spannte sich an. Er wusste, er war viel zu empfindlich in diesem Bereich, aber gerade sie sollte verdammt nochmal nichts für seinen Bruder sagen. „Ich bin sicher, dass er das nicht verdient hat“, sagte sie auch sogleich und Sasuke biss die Zähne zusammen, bevor er sich von ihr abwandte. „Weil du ihn so gut kennst, ja?“, fragte er verärgert nach und sammelte seine Sachen vom Boden auf. Er stopfte seine Jacke in den Rucksack, mit dem er die Lebensmittel hertransportiert hatte und schwang ihn auf seinen Rücken. Alarmiert stand Sakura auf. „Was machst du?“, fragte sie und klang beinahe schockiert. Langsam drehte sich Sasuke und sah sie finster an. „Ich gehe.“ „Was ist denn hier los?“ Ino tauchte wie aus dem Nichts auf und hielt einen leeren Teller in den Händen. „Ich gehe jetzt.“ Verwirrt sah die Blondine zwischen ihren beiden Freunden hin und her. „Okay.. Uh, soll ich-“ Ohne ihren Satz zu Ende zu hören, drehte Sasuke sich um und ging los. Sakura griff nach seiner Schulter, doch er schüttelte ihre Hand ab. „Fass mich nicht an.“ Sie sah verletzt aus, doch das war ihm egal. „Sag noch mal was für meinen Bruder und du brauchst dir nie wieder die Mühe machen überhaupt etwas zu sagen.“ Kalt sah er sie an, bevor er endgültig ging und ihr nicht nur körperlich den Rücken zuwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)