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Narren

Loki x OC
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Danke für die Kommentare. Es freut mich, wenn die Geschichte gefällt :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zum neuen Kapitel ;) Eine Info am Rande, wenn Loki schreibt, ist es ab jetzt im Text fett gedruckt. Eigentlich hatte ich eine andere Schriftart, die wird mir zwar in der Eingabemaske angezeigt, aber im hochgeladenen Text gibt es nur eine Schriftart. I-wie komme ich mit dem Upload-Formular nicht ganz klar... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Jetzt hätte ich beinahe vergessen, das neue Kapitel hochzuladen... Das kommt davon, wenn man ein Kopf wie ein Sieb hat :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Danke, danke für die Kommentare :D freu ich mich immer drüber! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So hier das nächste Kapitel :D
Ich hab vor kurzem angefangen die Agents of SHIELD zu sehen und Coulson lebt! Yay! Ich fand seinen Tod soou traurig!
Und ich habe den neuen Thor-Film gesehen, schönes Ding :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute nur ein kurzes Kapitel... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie immer an erster Stelle: Danke an die Kommi-Schreiber und natürlich auch an die "stillen" Leser :D
Ich weiß in meinen Storys geht es oft Schlag auf Schlag, aber ich bin einfach kein Freund davon, wenn etwas ewig in die Länge gezogen wird. Und ich muss gestehen, dass mir auch irgendwann die Ideen ausgegangen sind, wie sich Hannah und Loki noch mehr annähern könnten @.@
Beta-Leser haber ich übrigens keinen.

Es geht langsam auf das Ende zu, wie man unschwer merken wird. Komplett anzeigen

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Verbannung

Die Wachen eskortierten ihn in den Thronsaal. Der König hatte zusätzlich zu seinen Wachen, die ihm in den letzten Monaten rund um die Uhr Gesellschaft geleistet hatten, vier weitere Wächter abgestellt, um ihn ohne Zwischenfälle zu seiner Verurteilung zu geleiten. In voller Rüstung und bewaffnet umringten sie ihn, zwei vor ihm, zwei hinter ihm und an jeder Seite ein weiterer. Sie fürchten mich, dachte er und ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen.

Die gewaltigen goldene Flügeltüren des Thronsaales schwangen auf und er erkannte, dass der Thronsaal leer war. Keine Schaulustigen drängten sich dicht an dicht, um einen Blick auf ihn zu erhaschen, und er vernahm kein anklagendes oder angstvolles Getuschel. Nicht einmal die Berater des Königs waren anwesend. Der König hatte ihn seines Publikums beraubt.

Er versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, während er auf die Königsfamilie zu schritt, die am Ende des Saales auf dem erhöhten Podest auf ihn wartete. Odin wollte aus dem Zwischenfall auf der Erde keine öffentliche Sache machen, er war der Überzeugung, dass dies nur die königliche Familie und die engsten Berater betraf. Aber hatte Loki die Aufmerksamkeit der Asen nicht verdient? Selbst wenn er gescheitert war, er hatte bewiesen zu was er fähig ist, hatte seine Macht demonstriert.

Vor dem Thron verneigte er sich spöttisch. „Mein König.“ Seit seiner Inhaftierung hatte er zu niemanden mehr gesprochen und Odin und seine Familie waren die ersten Asen, die er seit Monaten zu Gesicht bekam, wenn man seine Wächter nicht mitzählte – und wer zählte sie jemals mit? Er hatte nichts anderes erwartet und doch verspürte er einen Stich, wenn er daran dachte, dass nicht einmal seine Mutter ihn in seiner Zelle besucht hatte. Das ist ein weiterer Beweis, dachte er. Sie sind nicht deine Familie. Sind es nie gewesen.

Odin blickte zu ihm herab und Loki verabscheute den Ausdruck in seinem Auge. Der Allvater sah ihn an, aber er sah nicht ihn, er sah eine Erinnerung an einen Jungen, den es nicht mehr gab, und er fragte sich: „Was habe ich falsch gemacht?“

Es ist nichts, was du getan hast, alter Mann, dachte Loki und presste die Lippen aufeinander. Es war meine Entscheidung, aber nicht einmal die willst du mir lassen.

Endlich sprach der König: „Loki, mein Sohn -“

„Ich bin nicht dein Sohn!“, stieß Loki hervor. Er wurde nicht müde das zu betonen, auch wenn der König es geflissentlich ignorierte.

„Es ist an der Zeit dein Urteil zu verkünden. Meine Berater und ich konnten nach langer Zeit eine Einigung erzielen.“ Odin gab einem Wächter ein Zeichen und dieser verließ den Thronsaal, um kurz darauf mit dem Tesserakt wieder zu erscheinen.

„Du willst mich verbannen?“, fragte Loki überrascht, dann lachte er auf. „Doch nicht auf die Erde?“ Das wäre der Höhepunkt seines Tages, an Ironie kaum noch zu übertreffen. Mit einem Mal versprach die Urteilsverkündung interessanter zu werden als erwartet. Würde der alte Mann ihn wirklich auf die Erde schicken? Er hatte noch Pläne mit der Erde und den Kreaturen, die auf ihr lebten.

„Die Verbannung hat deinem Bruder gut getan.“

„Oh, wir alle wissen, dass Thor jetzt ein viel besserer Mensch ist!“

Ein Plan begann in seinem Kopf Gestalt anzunehmen und er vergaß Odin zu verbessern – Thor war nicht sein Bruder – aber plötzlich und unerwartet eröffneten sich ungeahnte Möglichkeiten. Verbannung auf die Erde. Das konnte Odin unmöglich ernst meinen. Niemand bei klarem Verstand würde das als Bestrafung sehen.

„Vater!“, warf Thor ein. „Wir können Loki nicht zurück auf die Erde schicken! Nicht nach dem, was er getan hat. Ich musste versprechen, dass er nie wieder einen Fuß auf diesen Planeten setzt.“

Immerhin einer, der bei klarem Verstand ist, bemerkte Loki.

„Ich habe lange darüber nachgedacht und trotz des bestehenden Risikos eine Entscheidung gefällt und niemand wird mich von dieser Entscheidung abbringen.“ Odin richtete sich auf und wandte sich Loki zu: „Loki Odinson -“

„Ich bin nicht -“

Odin unterbrach in unwirsch mit einer Handbewegung und deklamierte: „Loki Odinson für deine Verbrechen gegen die Bewohner Midgards verbanne ich, Odin Allvater, dich als dein Vater und dein König auf unbestimmte Zeit nach Midgard. Für die Dauer deiner Verbannung nehme ich dir deine Kraft und versiegele deine Zauberkraft, du wirst denselben Beschränkungen unterliegen wie alle Sterblichen – das schließt die Sterblichkeit ein. Weiter nehme ich dir deine Stimme -“

„Das kannst du nicht - !“

Lokis Lippen bewegten sich, aber kein Laut verließ seine Kehle. Er grub seine Finger in seine Kehle und versuchte ihr Worte zu entlocken, aber er blieb stumm. Die Königin warf sich Odin zu Füßen und flehte ihn um Gnade an. Loki hörte nicht, was sie sagte. Seine Stimme … seine Stimme und seine Zauberkraft. Alles, was ihn ausmachte, alles, was er war, war er aufgrund seiner Silberzunge und seiner Magie. Wenn ihn das genommen wurde, wer war er dann? Was blieb von ihm?

Der Raum drehte sich um ihn. Jemand packte ihn an der Schulter, Loki blickte in Thors bleiches Gesicht. Thor blickte ihn aus geweiteten Augen an, er stützte ihn und bewahrte ihn davor auf die Knie zu fallen. „Ich-Ich rede mit Vater“, stammelte er heißer. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht, Bruder.“

Du Narr, wollte Loki schreien. Was könnte mir jetzt noch geschehen? Loki spürte wie seine Beine unter ihm nachzugeben drohten. Um nicht ohnmächtig zu werden, biss er sich auf die Lippe bis er Blut schmeckte und der Nebel vor seinen Augen sich lichtete.

„Vater! Mutter hat Recht, wenn du Loki all seiner Kräfte beraubt auf die Erde schickst, wird er sterben!“ Hielten sie ihn wirklich für so schwach? Glaubten sie wirklich, dass er nicht au der Erde überleben könnte? Er hatte an viel dunkleren Orten überlebt.

Odin stieß seinen Speer auf den Boden und das Flehen seiner Mutter und die Rufe Thors erstarben augenblicklich. „Meine Entscheidung ist endgültig! Loki hat sich über die Menschen der Erde gestellt, nun soll er am eigenen Leib erfahren wie es ist ein Mensch zu sein!“ Sanfter fügte er hinzu: „Die Menschen sind, verglichen mit uns, an jedem Tag ihres Lebens machtlos. Und dennoch überleben sie und schaffen es ihrem kurzen Leben einen Sinn zu geben. Mein Sohn, gib auch du deinem Leben einen Sinn, einen anderen als Zerstörung und Verderben über andere zu bringen.“

Loki straffte seine Gestalt. Er würde Asgard stolz und mit erhobenem Haupt verlassen. Er würde seinem Leben einem Sinn geben, darauf konnte Odin sich verlassen. Er würde diese verdammte Welt erobern, mit oder ohne seine Kräfte, und nicht sterben. Dann würde er zurück kehren und sich nehmen, was rechtmäßig sein war. Er würde sich rächen und seine Rache würde grausam sein. Das schwor er sich stumm.

Du wirst dir wünschen, mich niemals verbannt zu haben, Vater, dachte er. Der Tesserakt erglühte und seine Verbannung wurde vollstreckt.

Schöne neue Welt

Loki lag mit geschlossenen Augen in seinem Bett.

Er hatte geträumt. Es war ein schrecklicher Albtraum. Man hatte ihn aus Asgard verbannt. Sie hatten ihm seine Kräfte genommen und ihn, als er nichts weiter war als ein erbärmlicher Sterblicher, nach Midgard gestoßen. Doch irgendetwas stimmte nicht. Anders als bei seinen vorherigen Reisen mit dem Tesserakt oder dem Bifröst, traf er viel zu schnell auf.

Die Wucht des Aufpralls schlug ihn zu Boden und presste die Luft aus seinem Körper. Vergeblich versuchte er einzuatmen, Luft in seine Lungen strömen zu lassen, aber er konnte nicht. Erst als der Schmerz unerträglich wurde und die Welt vor seinen Augen verschwamm, konnte er den erlösenden Atemzug tun.

Benommen und nach Atem ringend lag er da. Es war kalt und dunkel. Unter sich spürte er harten Asphalt.

Eine Straße.

In seiner Erinnerung regte sich etwas, das mit Straßen zu tu hatte, aber er konnte sich nicht darauf konzentrieren.

Ein tiefes Brummen lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Es hatte entfernt Ähnlichkeit mit einem wütende Bienenschwarm.

Bienen.

Er erinnerte sich daran wie Thor und er einen Baum erklettert hatten, um an den Honig in den Waben zu kommen. Wie lange war das her? Es schien eine Ewigkeit. Wie so viele ihrer Ideen war auch diese nach hinten los gegangen. Lauf!, hatte Thor geschrien, während sie vor dem wütenden Schwarm flohen. Schneller! Gerade als Loki glaubte, seine Lunge würde platzen, hatte er den Bach gesehen. Ohne seine Geschwindigkeit zu verringern, hatte er Thor gerammt und beide Jungen waren in den Bach gefallen. Er hatte Thor unter Wasser gezogen bis der Schwarm vorüber gezogen war.

Autos.

Auf Straßen fuhren Autos.

Loki versuchte sich auf die Arme zu stemmen. Schneller!, hörte er Thor schreien. Schneller! Er biss die Zähne zusammen und kam schwankend auf die Füße, jede Faser seines Körpers schmerzte, aber es war zu spät.

Grelles Licht blendete ihn.

Er hörte das durchdringende Geräusch scharf bremsender Räder.

Dann erfasste ihn das Auto.
 

Erschrocken riss er die Augen auf.

Es war kein Traum gewesen.

Über sich sah er eine fremde Decke, die aus weißen Quadraten bestand. Das war nicht sein Zimmer. Das war nicht einmal seine Zelle. Wo war er?

Mühsam hob er den Kopf. Er lag in einem fremden Bett. Und er war nicht alleine, neben ihm lag ein alter Mann in einem anderen Bett. Der Mann schaute ihn an und sagte etwas, aber Loki verstand die Sprache nicht. Er verstand jede Sprache, das war Teil seiner göttlichen Kraft... Teil der Kraft, die er nicht mehr besaß.

Ein dünner Schlauch führte zu seinem Handrücken und verschwand in ihm. Er packte ihn und riss ihn heraus. Der Mann rief aufgeregt etwas, aber Loki ignorierte ihn. Dann zog er sich die seltsame Kappe von seinem Daumen. Sofort erklang ein schriller Laut. Alarm!, dachte er. Ich muss hier weg!

Quälend langsam rollte er sich auf die Seite, jede Bewegung schmerzte, und schwankte zur Tür. Sie war nicht abgeschlossen, aber als er aus dem Zimmer trat, kam ein Mann in einem seltsamen blauen Gewand auf ihn zu. Auch er sprach in der fremden Sprache und versuchte ihn aufzuhalten. Loki schlug dem Mann in den Magen, als dieser versuchte ihn anzufassen. Er fühlte sich schwach und wusste, dass kaum Kraft in dem Schlag steckte, aber es reichte um den Mann zu Boden zu schicken.

Links von ihm öffneten sich die schweren Metalltüren eines Aufzugs. Wenn er es dorthin schaffte, konnte er fliehen. Doch bevor er ihn erreichte, schlossen sich die Türen wieder. Er drehte sich um die eigene Achse und bereute es sofort. Vor seinen Augen drehte sich alles und er lehnte sich gegen die kalten Metalltüren.

In dem polierten Metall der Türen sah Loki sein Spiegelbild. Er trug ein kurzes Hemd, das am Rücken offen war. Wie können die es wagen, einem König ein solches Gewand anzuziehen, dachte er wutentbrannt und versuchte mit einer Hand den Kittel zusammen zu halten, um seine Blöße zu bedecken. Wer genau die waren, war ihm noch nicht ganz klar. Sein Kopf fühlte sich leicht wie Zuckerwatte an und das Denken viel ihm schwer, aber er vermutete, dass SHIELD dahinter steckte.

Mehrere Männer umstellten ihn. Sie griffen nach ihm und er schlug wild um sich. Einem von ihnen gelang es, ihm eine Nadel in den Arm zu rammen. Loki leistete noch einige Sekunden Widerstand, dann sank er bewusstlos zu Boden.
 

Als Loki das nächste mal erwachte, befand er sich in einem anderen Zimmer. Die Decke war gleich geblieben und auch das Bett hatte sich nicht verändert, aber er war alleine im Raum, der Alte war verschwunden.

Nun fast alleine.

Auf einem Stuhl vor seinem Bett saß eine Frau. Sie studierte Notizen, die sie auf ihren übereinander geschlagenen, langen Beinen balancierte, und beachtete ihn nicht. Loki versuchte sich aufzusetzen, aber die Männer hatten ihn an Armen und Beinen am Bett fixiert. Er zerrte an den Fesseln. Die Frau blickte von ihren Unterlagen auf und legte ihm in einer Geste, die sie vermutlich als beruhigend empfand, ihre Hand auf die Schulter. Sie sprach in einem ruhigen sachlichen Tonfall zu ihm. Er verstand kein Wort. Ihre Stimme hob sich und sie blickte ihn fragend an.

Loki wollte ihr antworten, aber kein Ton kam über seine Lippen. Das hatte er beinahe vergessen. Die Frau beugte sich vor und tastete seine Kehle ab, dann fragte sie etwas. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte es war eine andere Sprache, sie klang vertrauter.

Sie wechselte erneut die Sprache. „Verstehen ...“ Sie überlegte. „Verstehen Sie mich?“ Er nickte. „Mein Name ist Dr. Hannah Schwarz.“ Sie lächelte freundlich. „Wie ist Ihr Name?“ Diese Frau hatte ihn also nicht erkannt? Man hielt ihn nicht fest, weil man wusste wer er war. Aber warum dann? „Haben Sie Beschwerden beim Sprechen?“ Er hätte fast laut los gelacht.

Dr. Schwarz zog einen Notizblock und einen Kuli aus einer Tasche ihres weißen Kittels und reichte sie ihm. Es war nicht leicht mit gefesselten Händen zu schreiben und seine Schrift wirkte kindlich und unleserlich. Alexander Erikson. Das war der beste Name, der ihm auf die schnelle einfiel.

Es war noch einfacher mit einem Stift zu lügen als mit Worten. Das gefiel Loki.

„Herr Erikson, Sie sind im Krankenhaus. Vor drei Tagen wurden Sie auf der Landstraße von einem Auto angefahren. Der Fahrer verständigte Polizei und Notarzt und Sie wurden hierher gebracht. Erinnern Sie sich an etwas davon?“

Loki nickte und schrieb: Auto.

„Das ist gut, Herr Erikson. Das ist wirklich sehr gut. Wir konnten bei Ihnen keinen Ausweis oder sonstige Papiere finden. Erinnern Sie sich an etwas vor dem Unfall?“ Loki nickte. Sie stellte ihm noch einige andere Fragen, vorgeblich um sein Erinnerungsvermögen zu testen, aber er bemerkte die Doppeldeutigkeit der Fragen. War dies eine Befragungsmethode der Menschen? Und was waren das für Papiere, von denen sie sprach? Er wurde des Frage-Antwort-Spiels müde.

Die Ärztin bemerkte seine (nicht einmal vorgetäuschte) Erschöpfung. „Sie fühlen sich erschöpft, das kommt von den Medikamenten. Ich lasse Sie nun alleine. Ruhen Sie sich aus und versuchen Sie nicht aufzustehen. Ich werde später noch einmal vorbei kommen und Sie untersuchen.“

In den zehn Jahren, in denen Hannah Schwarz als Ärztin tätig war, war ihr nie ein Patient wie Alexander Erikson untergekommen. Erikson war vor drei Tagen in die Notaufnahme eingeliefert worden, nachdem ihn ein Auto erfasst hatte. Der Fahrer hatte berichtet, dass der Mann plötzlich einfach auf der Straße stand und er nicht ausweichen und auch nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.

Seine äußeren Verletzungen sahen auf den ersten Blick schwerwiegender aus, als sie letztendlich waren. Im Großen und Ganzen war er mit einigen Prellungen und einer Menge Hämatome an den unterschiedlichsten Stellen davon gekommen, am schlimmsten waren einige gebrochene Rippen, die aber glücklicherweise nicht die Lunge punktiert hatten. Kopf zerbrechen bereitete ihr seine Stummheit, nach eigenen Angaben war er vor dem Unfall in der Lage gewesen zu sprechen. Sie hatte ein MRT anfertigen lassen, konnte dort aber keine Auffälligkeiten fest stellen. Seine Stimmbänder und sein Kehlkopf waren nicht geschädigt. Erikson hatte eine leichte Gehirnerschütterung und Hannah nahm an, dass die Ursache seiner Stummheit mit dem Trauma, bedingt durch den Autounfall, zusammen hing. Sie musste abwarten, bis er sich von der Gehirnerschütterung erholt hatte, und, ob der Verlust seiner Sprachfähigkeit von vorübergehender Natur war.

Erikson war ihr ein Rätsel. Bei seiner Einlieferung hatte er nichts bei sich, außer den Kleidern, die er am Leib trug. Keinen Pass oder Ausweis, keinen Führerschein, keine Geldbörse oder ein sonstiges Dokument, dass seine Identität verriet. Die Polizei gab, nachdem keine Vermisstenanzeige aufgegeben wurde, die auf seine Beschreibung passte, eine Beschreibung von Erikson an die lokalen Zeitungen weiter, aber auch hierauf meldete sich niemand.

Hannah fragte sich, was Erikson nachts alleine auf einer Landstraße zehn Kilometer vom nächsten Ort entfernt gemacht hatte und warum er keine Papiere bei sich trug. Warum hatte er versucht zu fliehen, als er vor einigen Stunde erwacht war? Dann sein Name, sie konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber sie hatte das Gefühl, dass er sich den in dem Moment ausgedacht hatte, als sie ihn danach fragte. Und, dass er nur Norwegisch sprach. Wenn sie so darüber nachdachte, kam ihr alles an diesem Mann merkwürdig vor.

Sie war überaus froh, dass es nicht ihre Aufgabe war, Antworten auf diese Frage zu finden, darum musste sich die Polizei kümmern. Ihre Aufgabe bestand darin Alexander Erikson medizinisch zu betreuen – nicht mehr und nicht weniger.

Nun, sie musste auch als Dolmetscher einspringen, da sie die einzige Ärztin war, die Norwegisch sprach. Während ihrer Studienzeit, hatte sie einige Semester das Sprachangebot ihrer Universität genutzt und nebenher Norwegisch gelernt. Es waren nur die einfachsten Grundlagen und eine Auswahl an medizinischen Begriffen und Phrasen, aber für den Moment war es ausreichend.
 

Die Ärztin betrat sein Zimmer. Nach seinem früheren Fluchtversuch, hatte man ihn in ein Einzelzimmer verlegt. Loki war nicht länger am Bett fixiert. Die Ärztin hatte Loki gleich nach ihrem ersten Gespräch von seinen Fesseln befreit. Er musste ihr versprechen nicht mehr ohne Erlaubnis aufzustehen oder zu versuchen das Krankenhaus zu verlassen. Ein Versprechen, dass er bereitwillig einlöste. Sein Körper war nach dem Unfall in einem schlechten Zustand und jetzt, wo er wusste, dass ihm im Krankenhaus keine Gefahr drohte, wollte er die Zeit nutzen und regenerieren. Er vermisste schmerzlich - im wahrsten Sinne des Wortes - seine alten Regenerationskräfte und er vermisste ebenso sehr die Heilkammern auf Asgard. Loki musste der Natur ihren Lauf lassen und Mutter Natur hatte es nicht eilig.

Die Ärztin erkundigte sich nach seinem Befinden.

„Die Frakturen Ihres Brustkorbes wachsen gut zusammen, Herr Erikson“, sagte Dr. Schwarz. Ihre Aussprache klang angestrengt und sie musste oft nach Worten suchen, aber es reichte, um zu kommunizieren.

Loki konnte sich nicht entsinnen jemals in seinem Leben Norwegisch gesprochen zu haben, doch hier lag er und es war die einzige Sprache, die er verstand. Wenn er genauer darüber nachdachte, ergab das sogar Sinn, war der Mythos über Odin und die Asen doch ein Mythos der nordischen Völker. Widersinnig war jedoch, dass Odin ihn in ein Land schickte, in dem man kein Norwegisch sprach. Hatte der Allvater das nicht bedacht? Oder war er unterwegs verloren gegangen und an einem Ort gelandet, an dem er von vorneherein nicht landen sollte? Oder war es Berechnung seitens des Allvaters gewesen? Doch welche Lehre sollte er daraus ziehen? War es nicht Strafe genug, stumm zu sein?

Sie erklärte, dass er großes Glück gehabt hatte. Er fragte sie, inwiefern man bei einem Zusammenstoß mit einem Auto von Glück reden konnte. Sie revidierte ihre Aussage. „Sie hatten Glück, dass Sie nicht schwerer verletzt worden sind. Eigentlich hatten Sie Glück, dass Sie überlebt haben.“
 

„Sie dürfen das Bett verlassen, achten Sie dabei aber darauf, sich nicht zu überanstrengen.“ Dr. Schwarz lächelte ihn aufmunternd an, es war eine antrainierte Geste. „So wie es aussieht, können Sie das Krankenhaus am Ende der Woche verlassen.“

Loki erwiderte ihr Lächeln, das wurde offensichtlich von einem Patienten erwartet, der bald nach Hause gehen konnte, und die beiden Ärzte gingen.

Nach Hause. Er hatte kein Zuhause. Er hatte nicht einmal einen Ort, zu dem er gehen konnte. Bei seinem letzten Besuch auf der Erde hatte er die Macht besessen, sich zu nehmen, was er wollte. So einfach würde es dieses mal nicht werden, dessen war er sich sicher.

Loki stand auf. Im Krankenbett liegen und an die Decke starren langweilte ihn, es erinnerte ihn zu sehr an die Isolation in seiner Gefängniszelle. Er hatte darauf bestanden, dass er andere Kleidung erhielt, der Krankenhauskittel, den er vorher getragen hatte, war eines König unwürdig - selbst eines Königs in Verbannung. In einem zu großen Pyjama und einem Bademantel gekleidet (er empfand diesen Aufzug nur als unwesentlich besser, aber immerhin wurde ihm die Demütigung eines blanken Hinterns erspart), startete er einen Rundgang durch das Krankenhaus und dem Garten.

Seit drei Wochen lag er nun schon im Krankenhaus. Allmählich wurde er unruhig. Die Ärztin hatte ihm mitgeteilt, dass die Polizei mit ihm sprechen wollte. Angeblich, um den Unfallhergang zu Protokoll zu geben, aber Loki wusste, dass es auch um seine fehlende Papiere ging. Dr. Schwarz hatte ihn bereits auf seine Papiere angesprochen. Zuerst wusste er nicht, was die Frau von ihm wollte, bis er sich daran erinnerte, dass Thor, während seiner Verbannung, einen Nachweis seiner Identität von Dr. Selvig erhalten hatte. Er hatte keinen solchen Nachweis und offensichtlich war das ein Problem. Er hatte der Ärztin gesagt, dass er sich nicht erinnern konnte, wo seine Papiere sich befanden, was sie mit einem kritischen Blick und einem erneuten Scan in dieser schrecklich engen Röhre quittierte.
 

Auf seinem Rückweg wurde er von dem alten Mann aufgehalten, mit dem er sich anfangs das Zimmer geteilt hatte. Er war dürr und faltig und hatte kaum noch Zähne, was ihn aber nicht daran hinderte die wenigen, die er noch besaß, jedem zu zeigen, und wie alle alten Menschen redete er gerne. Er sprach Loki jedes mal an, wenn er ihn auf dem Flur traf, und plauderte munter vor sich her, auch wenn Loki kein Wort verstand. Ob der Mann das nicht kapierte oder es ihm einfach egal war, wusste Loki nicht. Der Mann war hartnäckig und es dauerte bis er sich von ihm loseisen konnte.

Als er um die Ecke zu seinem Zimmer bog, standen dort SHIELD-Agenten. Er trat zurück hinter die Kante. Gerade noch rechtzeitig, die Agenten hatten ihn nicht bemerkt. Also war seine Ankunft auf der Erde doch nicht unbemerkt geblieben. Er grübelte nicht darüber wie sie ihn gefunden haben könnten, sondern lief gleich in Richtung Aufzüge, aber als die Türen sich öffneten, spuckten sie weitere Agenten aus.

Damit war das vermeintlich sichere Krankenhaus zu einer Falle geworden.

Loki fluchte stumm und blickte sich nach einem Fluchtweg um. Der zahnlose Alte fing seinen Blick auf und winkte ihn zu sich, dann schob er ihn in sein Zimmer, zog die Tür ran und lehnte sich von außen dagegen und beobachtete interessiert die vorbei stapfenden Agenten, die alle schwarz gekleidet und bewaffnet waren. Keiner von ihnen beachtete den harmlosen alten Mann.

Die Tür stand einen Spalt weit offen und durch den Spalt konnte Loki sehen, wie die Agenten in sein Zimmer stürmten, die Waffen im Anschlag. Dr. Schwarz kam den Flur entlang gerannt, ihr weißer Kittel und die dunklen Haare wehten hinter ihr, sie wirkte wie eine Walküre auf dem Schlachtfeld, und sie schrie zornig die Männer an. Ein Agent versuchte sie an den Schultern zurück zu halten, die Ärztin wirbelte herum und stieß ihm den Zeigefinger vor die Brust bis er einen Schritt zurück trat. Dr. Schwarz war eine Frau mit Prinzipien, sie würde sich weder von einem potentiell tödlichen Einsatzkommando einschüchtern, noch sich etwas in ihrem Krankenhaus vorschreiben lassen.

Der befehlshabende Agent löste sich von den übrigen und nahm die Ärztin zur Seite, um beschwichtigend auf sie einzureden. Das machte sie nur noch zorniger. Abrupt drehte sie sich um und rauschte mit langen energischen Schritten davon.

Der Alte, der immer noch vor der Tür stand, rief die Ärztin an, sie nickte ihm flüchtig zu und wollte schon weiter gehen, als sie Loki entdeckte. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb sie stehen, dann ging sie unverwandt weiter.

Wie ein gemeiner Krimineller versteckte sich Loki im Schrank des Mannes und wartete - darauf, dass SHIELD abzog oder dass sie ihn entdeckten. Einerlei, er wartete darauf, dass etwas geschah. Das untätig sein, machte ihn unruhig und es war schon fast eine Wohltat, als sich die Schranktür endlich öffnete.

Das runzelige Gesicht des Mannes erschien in der Öffnung. Er grinste ihn breit an und winkte ihn heraus. Nach dem langen Verharren in ein und der selben Position fühlten sich seine Glieder steif an und schmerzten. Außer dem Mann war noch eine Pfleger im Raum, der einen großen Rollcontainer mit Wäsche schob.

Der Pfleger winkte ihn heran und deutete abwechselnd von Loki zum Container. Zweifelnd blieb Loki vor dem Container stehen. Sollte er etwa in den Container steigen? Der Pfleger wiederholte ungeduldig die Geste und tippte zusätzlich auf seine Armbanduhr. Was soll"s, dachte er und stieg in den Container. Alles war besser, als von SHIELD geschnappt zu werden, denn die würden nicht gut auf ihn zu sprechen sein.

Nachdem der Pfleger einige Laken sauberer (zu dessen Glück, denn auch wenn er seiner Kräfte beraubt war, verprügeln konnte er ihn immer noch) Bettwäsche über ihn drapiert hatte, bekam Loki nicht mehr viel mit von dem, was um ihn geschah.

Als der Container in der Wäscherei des Krankenhauses zum Stehen kam und der Pfleger die Laken zurückschlug, sah Loki Dr. Schwarz. Die Ärztin steckte dem Pfleger einige Geldscheine zu und dieser verschwand zufrieden summend. Geld. Das brauchte er auch dringend.

"Kommen Sie. Wir müssen hier weg, bevor die da oben auf die Idee kommen hier unten zu suchen." Selbst in einer fremden Sprach brachte sie eindeutig zum Ausdruck, was sie von den Agenten hielt.

Loki stimmte ihr zu, er musste hier weg, aber er fragte sich, warum sie ihm half. Was versprach sie sich davon? Wusste sie wer er war? Wusste sie über SHIELD Bescheid? Oder war sie nur eine unwissende Beteiligte, die das Gefühl hatte, helfen zu müssen? Aber aus welchem Grund?Er nahm sich vor später ihre Motivation weiter zu ergründen. Er vertraute ihr nicht, aber sie war zur Zeit der einzige Ausweg, der sich ihm bot.

Dr. Schwarz führte ihn in die Tiefgarage der Klinik und zu ihrem Auto. Er musste sich, während der Fahrt, flach auf die Rückbank legen.

Und wieder sah er nicht wohin es ging.

Zuflucht

Dr. Schwarz wohnte in einer ruhigen Wohnsiedlung, allzu viel hatte er von seinem Versteck auf der Rückbank nicht gesehen, aber es war definitiv anders als New York. Die Häuser waren kleiner und es fuhren wesentlich weniger Autos auf den Straßen. Einen Anhaltspunkt in welchem Land er sich befand, hatte er allerdings immer noch nicht.

Die Ärztin war in ihre Garage gefahren und im Wagen sitzen geblieben, bis das Garagentor sich geschlossen hatte. Unterwegs hatte sie keine Verfolger bemerkt und man hatte sie auch nicht angehalten, aber sie wollte scheinbar auf Nummer sicher gehen.

Durch eine Verbindungstür betraten sie direkt das Haus und die Ärztin führte ihn in das Gästezimmer im Ersten Stock.  

„Entschuldigen Sie die Unordnung. Wir benutzen das Zimmer nicht sehr oft.“  

Auf dem Boden standen unzählige Kartons, auf dem schmalen Bett an der Wand lagen aussortierte Kleider, in einer Zimmerecke stand ein seltsames Gerät, dessen Zweck ihm unbekannt war, und auf dem Schreibtisch unter dem Dachfenster standen ein alter Computer und einige Stapel Bücher und über alles hatte sich eine dünne Staubschicht gebildet - Unordnung war eine Untertreibung. Mit einem entschuldigenden Lächeln nahm sie die Kleider vom Bett und legte sie in einen Karton.

„Hier sind eine Jeans und ein Hemd von meinem Mann.“ Dr. Schwarz reichte Loki Kleidung, die sie aus einem anderen Zimmer geholt hatte. „Sie haben Glück, ich wollte sie eigentlich in die Altkleider-Sammlung geben. Ihm ist beides zu klein, aber ich glaube Ihnen könnte es passen.“ Sie ließ ihn alleine, damit er sich umziehen konnte. Die Kleidung passte Loki, das Hemd saß etwas straff, aber es war eine eindeutige Verbesserung zu dem zu großen Pyjama.  

Dr. Schwarz hatte ihm auch frische Bettwäsche da gelassen. Unschlüssig betrachtete Loki das Bettlaken in seinen Händen. Das Weib hatte ihm die Bettwäsche einfach hingelegt und war dann wieder gegangen ohne das Bett zu überziehen. Er hatte noch nie ein Bett überzogen, für Gewöhnlich gab es Bedienstete, die sich darum kümmerten. Es war unwahrscheinlich, dass die Ärztin zurück kam und ihre häusliche Pflicht erledigte, also machte Loki sich daran die Mysterien der Bettwäsche zu ergründen. Wenn diese primitiven Menschen das konnten, musste er geradezu lachhaft einfach sein.  
 

Die Nacht war bereits herein gebrochen, als er sich auf den Weg ins Erdgeschoss machte. Er hatte gehört wie die Ärztin das Badezimmer am Ende des Flurs betreten und wieder verlassen hatte, danach war er still im Haus gewesen. Es war spät und unter der Tür zu ihrem Schlafzimmer drang kein Licht, sie schlief bereits. Barfuß ging er im Dunkeln die Holztreppe herunter.

Im Wohn- und Essbereich brannte noch Licht. Loki erstarrte.  

„Herr Erikson?“ Dr. Schwarz hatte ihn bemerkt. Er wägte ab, ob er einfach umkehren und in das Gästezimmer zurück gehen sollte, dann riskierte er aber sie misstrauisch zu machen. Noch misstrauischer, als sie sowieso schon war. Sie hatte ihm zur Flucht verholfen und gewährte ihm Unterschlupf und war die ganze Zeit über ausgesprochen freundlich zu ihm, aber in ihren Augen konnte er Fragen sehen. Fragen, die er lieber nicht beantworten wollte.

"Sie sind noch wach?", fragte sie, als er um die Ecke trat. "Setzen Sie sich doch. Können Sie nicht schlafen?" Etwas an ihr war anders.  

Er zog den kleinen Block samt Stift heraus, den die Ärztin ihm gegeben hatte, und schrieb: Sie offensichtlich auch nicht? Das war etwas, das er am Schreiben hasste: es dauerte viel zu lange bis er antworten konnte und wenn er schnell schrieb, neigte seine Handschrift dazu unleserlich zu werden. In einer normalen Unterhaltung hätte er sie mit Leichtigkeit manipulieren, sie sanft mit seinen Worten einweben können und sie hätte es nicht einmal gemerkt.

Sie lachte. Im Krankenhaus war sie stets höflich gewesen, aber sie hatte dabei auch Distanz gewahrt. Jetzt klang ihre Stimme warm und voll und um ihre grauen Augen bildeten sich Lachfältchen, aber er sah auch etwas in ihren Augen blitzen, das er nicht zuordnen konnte.  

Woher kommt diese Veränderung?, fragte sich Loki. Ist es nur der Ortswechsel? Hatte sie ihre professionelle Maske abgelegt, als sie ihr Haus betreten hatte?  

Nein, es ist etwas anderes. Ihm fiel auf, dass sie nun auch flüssiger sprach.  

"Ich trinke gerne ein Glas Wein bevor ich schlafen gehe", erklärte sie und bot ihm ebenfalls ein Glas an, das er ablehnte. Sie nickte. "Das ist vermutlich auch vernünftiger, da Sie immer noch Medikamente einnehmen."  

Sie ist betrunken, stellte er fest. Die dargebotene Weinflasche war so gut wie leer und sie hatte - außer sie trank ihren Wein aus Eimern - eindeutig mehr als ein Glas Wein getrunken.

Es trat eine Pause in das Gespräch und Dr. Schwarz hing ihren eigenen Gedanken nach. Plötzlich fixierte sie ihn mit ihren grauen Augen und sagte: "Halten Sie mich nicht für naiv, Herr Erikson."  

Loki hielt sie nicht für naiv. Er glaubte, dass diese Frau ganz genau wusste, was sie tat, und welche Folgen ihr Handeln haben könnte. Er fragte sich nur, warum?

"Sie werden ins Krankenhaus eingeliefert ohne Pass oder sonstige Papiere, nachdem Sie auf einer Landstraße zehn Kilometer von der nächsten Ortschaft angefahren wurden. Da frage ich mich natürlich, wer sind Sie? Und, was hatten Sie dort draußen zu suchen? Und erzählen Sie mir nicht wieder dieses Märchen." Loki hatte erwartet, dass sie die Geschichte vom norwegischen Touristen, der von seinem Taxifahrer ausgeraubt und zurück gelassen wurde, nicht glaubte. Sie fuhr fort ohne eine Antwort abzuwarten: "Dann tauchen diese Männer auf, bis zu den Zähnen bewaffnet, und stürmen Ihr Zimmer auf der Suche nach Ihnen. Warum taten die das?" Sie nippte an ihrem Glas und Loki rätselte, ob sie eine Antwort von ihm erwartete. Sie hatte ihm in einem emotional aufwühlenden Moment geholfen, nun hatte sie Zeit gehabt wieder zur Ruhe zu kommen und darüber nachzudenken. Was, wenn diese Frau ihre Meinung änderte? Bevor er sich von einer Sterblichen an SHIELD verraten lassen würde, würde er sie töten.  

"Ich frage mich, hast du das richtige getan? Gibt es nicht einen Grund, dass dieses Einsatzkommando nach deinem Patienten sucht?"

Er schrieb auf seinen Block. Er wollte es erst mit der altbewährten Manipulation versuchen, bevor er zu drastischeren Schritten greifen musste. Im Krankenhaus würde sie vermisst werden und ihre Leiche würde Aufmerksamkeit auf sich ziehen und SHIELD wieder auf seine Fährte bringen. Es war nur ein zarter Streifen, aber es gab eine Möglichkeit aus dieser Sache unbehelligt und vor allem anonym heraus zu kommen.  

Ich versichere Ihnen, ich werde Ihnen nichts zu leide tun.

Zumindest solange sie kooperierte.  

Ich kann verstehen, dass Sie sich diese Fragen stellen und ich würde Ihnen Antworten geben, wenn ich nicht befürchtete, dass ich Sie damit in noch größere Gefahr als jetzt schon brächte.

Dr. Schwarz wirkte nicht überzeugt. Sie gehörte nicht zu der Sorte Frau, die Ruhe gab, nur weil es für sie gefährlich werden könnte. Immerhin hatte sie sich einem bewaffneten Einsatzkommando in den Weg gestellt und eine Flucht organisiert. Papier war wirklich kein gutes Medium...  

Ich brauche Papiere und Geld. Sie würde ihm helfen an beides zu gelangen, denn sie wollte, dass er so schnell wie möglich verschwand. Und sie würde ihn nicht vorher raus schmeißen, denn sie war Ärztin mit Leib und Seele und er war immer noch ihr Patient.  

"Ich muss erst Erkundigungen einholen, Ausweise kann man schließlich nicht an jeder Straßenecke kaufen. Das wird etwas dauern." Sie sagte das Letztere eher zu sich selbst.  

Loki erhob sich und bedankte sich bei ihr für ihre Hilfe und, während sie die nun mehr leere Flasche und ihr Glas in die Küche brachte, ging er in die Diele und steckte einen der Briefe, die in einer Schale auf einer Kommode lagen, unter sein Hemd.
 

Er hatte vorgehabt, die Adresse, die auf dem Brief stand in den klobigen Computer einzugeben (die Computer, die Dr. Selvig genutzt hatte, waren flacher gewesen). Doch als er die Tür zum Gästezimmer hinter sich geschlossen hatte und den Briefkopf las, blieb sein Herz für einen Moment stehen. Stuttgart, Deutschland, stand dort. Er richtete das Gesicht zur Decke und wollte schreien: Was hast du dir dabei gedacht, alter Mann, mich ausgerechnet hierher zu schicken? Machtlos und mit einem Lynchmob auf den Fersen. Du hättest mir eigenhändig den Kopf abschlagen sollen, das wäre ehrenhafter gewesen!

Stumm starrte er zur Decke, dann setzte er sich auf den unbequemen Stuhl vor dem Schreibtisch und versuchte herauszufinden, wie dieser Computer zu benutzen war. Er hatte Wissenslücken zu füllen und seine nächsten Schritte zu planen.

Er hatte nicht vor hier zu sterben.

Lügen

Eriksons Bild starrte Hannah von der Titelseite der Zeitung an. "Gesucht!", stand darüber in fetten, schwarzen Lettern. Sie nahm die Zeitung, die jemand im Ärztezimmer liegen gelassen hatte, in die Hand und überflog den Artikel.

Der Leser wurde ausdrücklich vor Erikson gewarnt, er wurde weder namentlich genannt - was ihren Verdacht bestätigte, dass Alexander Erikson nicht sein richtiger Name war -, noch wurde ausführlich erklärt weswegen er gesucht wurde. Es blieb bei einer kurzen Beschreibung seiner körperlichen Merkmale, die Hannah aufgrund des gestochen scharfen Bildes von Erikson als überflüssig erachtete, und der Warnung zur Vorsicht. Dann kam der obligatorische Abschnitt, in dem gebeten wurde sachdienliche Hinweise der Polizei zu melden.

Hannah legte die Zeitung zurück auf den Tisch.

Nicht zum ersten mal, seitdem sie Erikson zur Flucht verholfen hatte, beschlichen sie Zweifel. Hatte sie das Richtige getan? Er wurde steckbrieflich gesucht. Es musste einen Grund dafür geben. Die Polizei zog eine solche Suchaktion nicht aus Lust und Laune auf.

Er hatte versucht zu fliehen, erinnerte sie sich, und er hatte einen Pfleger niedergeschlagen. Als das Einsatzkommando das Krankenhaus stürmte, hatte er sich vor ihnen verborgen. Jedes Wort über sich selbst war eine Lüge.

Ein Mann ohne Namen und Papiere. Hannah konnte den Verdacht, dass er ein Spion war, nicht abschütteln. Sie war kein Freund von Thrillern, aber die Umstände schienen einen ebensolchen zu entspringen. Das würde auch die geheimnisvollen Männer in Schwarz erklären, die seit Tagen das Krankenhaus nach verwertbaren Spuren durchsuchten und das Personal befragten.

Selbst wenn er ein Spion wäre, das ändert nichts daran, dass du dich strafbar gemacht hast, dachte sie, du versteckst einen Gesuchten, der laut Zeitung gefährlich ist, in deinem Haus. Was hast du dir nur dabei gedacht?

Nicht sehr viel. Sie hatte einfach gehandelt. In seinem Blick hatte ein Ausdruck gelegen, den sie zu gut kannte. Versteckt hinter all den anderen Gefühlen, die er offen zu Schau trug, hatte sie einen dunklen Fleck entdeckt, an dem das versammelt war, was er keinem zeigen wollte. Angst. Verletzlichkeit. Enge.

Hannah seufzte. "Wer bist du?", fragte sie Eriksons Foto.

Sie tippte die Nummer der Hotline, an die man die Hinweise melden sollte, in ihr Handy ein, als die Tür geöffnet wurde. Ein Polizeibeamter und ein Mann in Schwarz betraten das Ärztezimmer.

Der Polizeibeamter fragte, ob der Mann, der ihn begleitete, ihr einige Fragen zu dem verschwundenen Patienten stellen dürfe, und ob sie damit einverstanden sei, wenn die Fragen auf Englisch gestellt würden. Oder ob sie einen Dolmetscher benötige. Hannah lehnte den Dolmetscher ab und der Polizeibeamte ließ sie mit dem Mann alleine.

"Agent Coulson", stellte er sich vor. "Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit nehmen und meine Fragen beantworten, Dr. Schwarz." Er sprach ihren Nachnamen beinahe akzentfrei aus, was Hannah überraschte, da die englischsprachigen Kollegen auf Ärztetagungen regelmäßig auf die einfachere Variante ohne "Sch" verfielen.

"Haben Sie Informationen zur Flucht oder zum jetzigen Aufenthaltsort des Gesuchten?"

"Nein", antwortete Hannah. Ihre Handflächen schwitzten.

"Sie haben die Nummer der Hotline aufgeschrieben", sagte Coulson beiläufig.

"Ja, ich dachte ich speichere sie ein. Nur um sie parat zu haben."

"Falls er zurück kommt?" Coulson beobachtete sie aufmerksam. Er war auf der Suche nach einem verräterischen Zucken oder einem anderen Anzeichen, dass sie log.

"Ich glaube nicht, dass Herr Erikson zurück kommt", gab Hannah freundlich zurück. "Aber falls doch, ja."

"Wieso glauben Sie, dass Erikson nicht zurück kommt?"

"Ich kann es natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen, aber auf mich machte Herr Erikson nicht den Eindruck ein Idiot zu sein."

Coulsons Miene blieb unbeteiligt, doch in seinen Augen blitzte es auf.

"Erikson war verletzt, als er in das Krankenhaus eingeliefert wurde?"

"Ja", bestätigte Hannah. War das eine Scherzfrage? Natürlich war er verletzt, als er in das Krankenhaus eingeliefert wurde.

"Können Sie mir näheres zu seinen Verletzungen sagen?"

Hannah übergab Agent Coulson die Kopie der Krankenakte, die er angefordert hatte. "Ich kann Ihnen später gerne die Röntgenbilder und die Aufnahmen des MRT zeigen, Agent Coulson."

Er nickte und blätterte durch die Akte.

"Wäre Erikson in seinem Zustand auf die Hilfe eines Arztes angewiesen?", fragte Coulson.

"Ah", machte Hannah. "Deswegen falls er zurück kommt?" Sie lächelte. "Nein, seine Verletzungen sind nicht lebensbedrohlich. Einzig seine Stummheit müsste weiter medizinisch untersucht werden, wenn sie sich nicht von alleine legt."

"Er ist stumm?", fragte Coulson erstaunt.

"Seite 5. Ich vermute, dass es nur vorübergehend ist."

Coulson blätterte, las und nickte dann.

"Mit Sicherheit kann ich das natürlich nicht sagen, und jetzt, wo Herr Erikson nicht mehr da ist, werden wir es wohl nie erfahren." Sie legte das Bedauern eines Mediziner, der auf einen interessanten Fall gestoßen war, aber ihn nicht bis zum Ende verfolgen konnte, in ihre Stimme.

Coulson öffnete seine Aktentasche und legte die Papiere hinein.

"Sie waren am Tag von Eriksons Flucht auf der Station, Dr. Schwarz?", fragte er und nahm eine andere Akte aus der Tasche.

"Das war ich", sagte Hannah.

"Hier steht, dass sie den Einsatz behindert hätten." Coulson blickte von seinen Papieren auf und blickte sie forschend an.

"Das habe ich", sagte Hannah und wurde sich des Glatteis unter ihren Füßen bewusst. "Es ging mir dabei nicht alleine um Erikson, zu diesem Zeitpunkt wusste ich ja nicht, dass er das Ziel Ihres Zugriffs war. Ich handelte, um all meine Patienten zu schützen."

"Ich verstehe", sagte Coulson und machte sich eine Notiz.

"Ich bedaure wirklich sehr, dass Sie Erikson nicht erwischt haben, aber selbst wenn ich nicht eingegriffen hätten, hätten Sie ihn nicht in seinem Zimmer vorgefunden", sagte Hannah. "Zu dieser Zeit war er auf seinem täglichen Rundgang durch den Garten - was Ihnen das Stationspersonal bestätigen wird."

"Haben Sie eine Vermutung, wie Erikson die Flucht gelungen ist?", fragte Coulson.

Ja, in meinem Auto, dachte Hannah. Sie wollte auf die Uhr sehen, doch sie befürchtete, dass das zu auffällig wäre. Wie lange sollte sich dieses Verhör noch hinziehen?

"Nun, ich kann nur spekulieren", begann sie. Coulson nickte, damit sie fortfuhr. "Angenommen er war im Garten, als Ihr Einsatzkommando das Krankenhaus stürmte und hat es beobachtet, dann wäre ich, an seiner Stelle, über die Mauer geklettert und hätte mich, so schnell mich meine Beine tragen, aus dem Staub gemacht. Und ich, an seiner Stelle, würde auch nicht zurück kommen. Wenn er medizinische Hilfe braucht, wird er sie auch an anderer Stelle finden. Vielleicht sollten Sie seinen Steckbrief an Ärzte und Krankenhäuser in der Nähe ausgeben."

"Das ist schon geschehen", erwiderte Coulson kurz angebunden. "Wo waren Sie, als Erikson floh?", fragte er weiter.

Oh, oh, dachte Hannah, jetzt hast du ihn verärgert.

"Auf dem Flur." Daraus konnte er ihr keinen Strick drehen, denn einer seiner Bluthunde hatte eine Diskussion über die Legitimität des Einsatzes mit ihr begonnen und dafür gab es sicher genug Zeugen.

"Und danach?"

"Ich bin zur Krankenhausverwaltung - auch das wird man Ihnen bezeugen können."

"Ich habe hier die Aussage der Krankenhausverwaltung, dass Sie knapp 10 Minuten nach der Stürmung des Zimmers dort erschienen sind. Wir haben das überprüft - man braucht nicht so lange bis zum Büro der Verwaltung."

"Mit dem Aufzug, ja. Aber der wurde von Ihren Männern versperrt. Ich musste die Treppe nehmen, da braucht man etwas länger. Außerdem wollte ich nicht außer Atem in das Büro platzen und habe eine Minute vor dem Büro gewartet."

Im Treppenhaus war sie zufällig einem Pfleger begegnet, der ihr einen Gefallen schuldig war. Es war ein Risiko ihn zu beteiligen, aber er hatte eingewilligt und bislang auch die Klappe gehalten. Sie hoffte, dass das so blieb. Genug gekostet hatte sie sein Schweigen.

"Und danach?"

"Die Leitung sagte, dass alles in bester Ordnung sei, ich widersprach heftig. Und man legte mir nahe, dass ich mir den Rest des Tages frei nehmen sollte", antwortete Hannah mit einem knappen Lächeln. "Also bin ich gegangen."

"Alleine?"

"Ja. Stellen Sie allen Angestellten diese Fragen?", verlangte sie zu wissen. "Oder gibt es einen speziellen Grund, weswegen sie mich verdächtigen, einem Gesuchten bei der Flucht geholfen zu haben?"

Sie haben nichts gegen dich in der Hand, versuchte sie sich zu beruhigen, sonst hätten sie dich schon lange fest genommen.

"Reine Routinefragen", sagte Coulson, Hannah bezweifelte das. "Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit, Dr. Schwarz."

"Selbstverständlich", entgegnete Hannah. Jetzt gab es keinen Weg zurück mehr, dafür war sie zu tief in diese Sache verstrickt. Sie konnte nur hoffen, dass Erikson bald verschwand und sie nie wieder von ihm hörte.

Coulson packte seine Papiere weg und stand auf.

"Agent Coulson?" Hannah musste eine letzte Frage stellen. "In der Zeitung war zu lesen, dass Erikson gefährlich sei. Was genau hat er getan?"

"Das darf ich Ihnen leider nicht mitteilen", sagte Coulson. "Einen angenehmen Tag noch."

Hannah blieb noch einen Moment sitzen, bis ihre Beine aufhörten zu zittern. Was hast du getan?, fragte sie sich.
 

Auf dem Flur vor dem Ärztezimmer fing ihr Kollege Elias Mayer sie ab. Hannah und er hatten zusammen an der Uni studiert. Elias war danach ins Ausland gegangen, um an gemeinnützigen Projekten mitzuarbeiten - er war schon immer der Typ gewesen, der sich gerne profilierte. Eine Fügung des Schicksal brachte ihn vor einigen Jahren zurück nach Deutschland und - wie könnte es anders sein? - in das Krankenhaus, in dem Hannah auch tätig war.

Hannah beschleunigte ihre Schritte und versuchte vor ihm zu fliehen, ohne es wie eine Flucht aussehen zu lassen. Elias, der zu all seinen schlechten Eigenschaften auch Eitelkeit zählen konnte, hielt mühelos Schritt. Er lief Marathon.

"Gib es zu Schwarz, du versteckst unseren flüchtigen Patienten!", rief er und lachte verschmitzt.

"Sei nicht albern, Elias", entgegnete sie ohne stehen zu bleiben. "Ich kann niemanden verstecken, der in deinem Gästezimmer nächtigt!"

Elias lachte.

"Gehst du heute Abend mit mir aus?", fragte er.

"Keine Zeit."

"Nie hast du Zeit." Er zog einen Schmollmund. "Ist dein Mann wieder da?"

"Nein", meinte sie knapp. "Er ist auf Geschäftsreise."

"Ach, stimmt", sagte er. "Thailand? Nein, das war ja Sextourismus."

"Spanien", entgegnete sie säuerlich. "Bis Oktober."

"Mit seiner Sekretärin? Vielleicht doch Sextourismus?", überlegte Elias laut. Da wusste Hannah wieder warum sie ihn nicht leiden konnte. Schon damals auf der Uni war er unausstehlich gewesen.

"Es war wie immer eine Freude dich zu sehen, werter Herr Kollege", rief Hannah und winkte ihm, während sie schnellen Schrittes davon eilte, zum Abschied.
 

Sie bewegte sachte das Glas in ihrer Hand. Der Wein darin folgte der Bewegung ihrer Hand und wirbelte im Kreis. Im Licht der Deckenlampen leuchtete das Rot des Weins satt, gelegentlich fing sich ein Lichtreflex auf der Oberfläche. Es war schön anzusehen.

"Geht es dir gut?" Ihre Schwester sah sie besorgt an. Hannah lächelte und nickte. "Sicher? Das ist dein viertes Glas Wein."

Hannah rechnete nach und kam zu dem gleichen Ergebnis: das war ihr viertes Glas Wein. Ihr Kopf war leicht, aber sie fühlte sich nicht betrunken.

"Es war ein stressiger Tag", antwortete sie ihrer Schwester.

Sie war nach der Befragung auf direkten Weg nach Hause gefahren und hatte nur einen kleinen Stopp eingelegt, um Erikson eine Pizza zu holen. Sie hatte eine Küche in ihrem Haus, die mit den neuesten technischen Schnickschnack ausgestattet war, aber sie benutzte sie nie. Wenn sie arbeiten war, aß sie in der Krankenhaus-Cafeteria, und an den anderen Tagen ging sie Essen oder bestellte beim Lieferdienst. Hannah konnte kochen, es fehlte ihr nur die Zeit.

Als sie auf die Einfahrt auffuhr, fiel ihr der dunkle Sprinter auf, der an der Straßenecke parkte. Das Haus gegenüber war kürzlich verkauft worden und die neuen Eigentümer renovierten; es war nicht ungewöhnlich, das ein Sprinter vor einem Haus stand, das renoviert wurde. Doch die Befragung durch diesen Agent hatte ihre Paranoia geweckt.

Sie legte den Pizzakarton auf den Esstisch ab. Stand sie unter Beobachtung? Aus den Augen der Polizei musste ihr Verhalten am Tag von Eriksons Flucht verdächtig wirken. Sie überlegte, ob sie die Vorhänge zu ziehen sollte, entschied sich aber dafür, dass das erst recht verdächtig wäre. Von der Straße aus konnte man ihr Erdgeschoss nicht einsehen. Es gab in der Küche ein kleines Fenster, das zur Straße ging, aber ein Plissee verhinderte neugierige Blicke.

Als sie sich zur offenen Küche wandte, zuckte sie erschrocken zusammen. Erikson stand in der Tür zum Treppenhaus. "Haben Sie mich erschreckt", sagte sie und presste sich die Hand auf die Brust. Unter ihren Fingerspitzen spürte sie ihren Herzschlag trommeln.

"Ich habe Ihnen Pizza mitgebracht", sagte sie, um ihre Beklemmung zu überspielen, und ging zur Besteckschublade. In ihrem Kopf spukte ein einzelnes Wort herum: gefährlich. Langsam zog sie die Schublade auf, während Erikson einen Blick in den Karton warf. Er entdeckte die Zeitung, die Hannah mitgenommen hatte und die unter dem Karton lag. Und er entdeckte den Steckbrief. Sein Körper spannte sich merklich an.

"Die Polizei hat mich heute befragt", sagte Hannah. Sie sah Erikson über die Arbeitsfläche hinweg an und er erwiderte ihren Blick abwartend. Ihre Finger schlossen sich um das schmale, aber scharfe Filetiermesser und das Gewicht in ihrer Hand fühlte sich beruhigend an. Es waren fünf Männer notwendig gewesen, um ihn ruhig zu stellen.

Die Luft war zum Schneiden dick.

Und?, formte er lautlos.

"Ich wäre sicher nicht zurück gekommen, wenn ich Sie verraten hätte", sagte Hannah.

Auf seinem Gesicht zeigte sich derselbe Ausdruck wie bei Coulson. Er suchte nach Anzeichen, ob sie log. Sie wagte kaum zu atmen und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Wenn er sich rührte, musste sie bereit sein. Sie durfte nicht zögern.

Schließlich nickte er und die Spannung wich aus der Luft. Hannah ließ das Filetiermesser los, nahm stattdessen den Pizzaroller, legte ihn auf die Arbeitsfläche und meinte: "Ich bin zum Abendessen bei meiner Schwester. Es wird spät werden", fügte sie noch hinzu und ging.
 

"Dieser Kriminelle, der geflohen ist?", wandte ihr Schwager ein. "Ich habe davon im Radio gehört. Kanntest du ihn?"

"Ja", sagte Hannah. "Er war mein Patient. Ich wurde heute zu seiner Flucht befragt - CIA oder FBI oder sonst was."

Auf Drängen ihres Schwagers hin, erzählte sie die gleiche Geschichte, die sie bereits Coulson erzählt hatte, und bemerkte, dass es ihr einfacher fiel. Wenn sie die Worte oft genug wiederholte, konnte sie vielleicht vergessen, dass sie Lügen waren.

Erste Schritte

"Gehen Sie mit mir Essen", las Hannah Schwarz und über ihr Gesicht huschte ein kurzer Ausdruck des Staunen.

Es war ein plötzlicher Impuls gewesen, der ihn veranlasst hatte, das zu schreiben. Aber ein sinniger Impuls. Die Sterbliche half ihm, doch sie vertraute ihm nicht, und das musste er ändern. Loki musste schon auf genügend andere Dinge ein wachsames Auge haben, er konnte seine Aufmerksamkeit nicht auch noch darauf verschwenden, ob sie ihre Einstellung änderte und ihn hinterging.

Ein guter Weg das Vertrauen einer Frau - oder eines Mannes - zu gewinnen, war ihr mit schönen Worten zu schmeicheln. Das stellte ihn vor eine Herausforderung, denn bis zum heutigen Tag war er nie dazu gezwungen gewesen, mit geschriebenen Worten zu flirten.

Immerhin ist sie attraktiv, dachte er und beschloss, es hätte ihn schlimmer treffen können. Bestenfalls ergab sich für ihn eine nette Zerstreuung, schlimmstenfalls ... er schätzte, dass schlimmstenfalls für sie unangenehmer werden würde.

"Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist", sagte sie.

Gut, sie hatte Bedenken, damit hatte er gerechnet, aber ihr Tonfall war der einer Frau, die schon lange keine Einladung zum Essen mehr erhalten hatte und die, trotz des resoluten Auftretens, sich danach sehnte verführt zu werden.

Er blätterte eine Seite weiter, dort stand: Warum nicht?

"Was ist, wenn diese Männer wieder auftauchen?", fragte sie und schob dann eine Spitze hinterher: "Ich nehme an Sie wollen mir nicht verraten, wer sie sind?"

Ich kann Ihnen sagen, dass diese Männer nicht allmächtig sind. Sie können nicht die gesamte Stadt überwachen.

Er schaute sie an und zog eine Augenbraue in die Höhe, sein Blick schien zu fragen: Weitere Einwände? Und bevor sie weitere Einwände vorbringen konnte - Loki sah in ihren Augen, dass die Einwände in ihrem Kopf lauerten und nur darauf warteten, ihrem Mund entwischen zu dürfen -, hob er den nächsten Zettel hoch.

Nein? Dann ist es beschlossen. Heute Abend um 8?

Sie lächelte, gab sich aber nicht geschlagen. "Laden Sie mich ein?", fragte sie mit einem berechnenden Blick.

Es wird allerdings nur ein kleines Essen. Er musste nicht in seinen nicht vorhandenen Geldbeutel schauen, um das zu wissen. Sie lachte und er war zufrieden mit seinem neuen Medium. Allmählich hatte er den Bogen raus.

"Ich wusste immer, dass die Emanzipation auch ihre Schattenseiten hat", erwiderte sie. "Ich lade Sie ein. Zur Feier des Tages!"
 

Die Feier des Tages bestand aus seinem neuen Pass, der ihn offiziell als norwegischen Staatsbürger mit dem Namen Alexander Erikson auswies.

Hannah Schwarz hatte sich an ihr Wort gehalten und Kontakt zu einem Passfälscher hergestellt. Sie blieb ausgesprochen vage bei ihrer Erläuterung, wie sie an die Nummer des Fälschers gekommen war. Loki schloss aus dem, was sie sagte (und, vorallem aus dem, was sie nicht sagte), dass der Kontakt durch ein Familienmitglied entstanden ist, ihrem Tonfall nach dem Schwarzen Schaf der Familie.

Nach der ersten Kontaktaufnahme dauerte es knapp eine Woche bis der Fälscher sich wieder meldete und ihnen mitteilte, dass der Pass zur Abholung bereit lag.

Loki war froh das Haus verlassen zu können. Er hatte die Woche hauptsächlich vor dem Computer verbracht in der Bestrebung so viel wie möglich über die Zwischenfälle in New York und Stuttgart und deren Nachwirkungen zu erfahren. Die Ärztin war ein Workaholic und arbeitete quasi rund um die Uhr, also hatte er genug Zeit, die er in seine Recherchen investieren konnte.

Und es gab eine Menge zu erfahren. Das Internet wimmelte von professionellen und Amateur-Videos von der Schlacht in New York. Glücklicherweise hatte niemand ein Video von seinem Auftritt in Stuttgart gemacht. Und in den Archiven der nationalen und internationalen Zeitungen entdeckte er eine ganze Reihe von Artikeln. In keinem Video und auf keinem Bild war er zu erkennen, ein-, zweimal sah man ihn von Weitem oder nur sehr unscharf, das charakteristischste dabei war der schwarz-grüne Mantel, den er jetzt nicht trug. In keinem einzigen Artikel wurde sein Name genannt, es wurde nur von einer Alien-Invasion gesprochen und nach der Abwendung der Bedrohung durch die Chitauri, rückten die Avengers, diese Gruppe sogenannter Helden, in das Licht des öffentlichen Interesses. Die Menschen hatte wirklich eine erstaunlich kurze Aufmerksamkeitsspanne. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Offenbar konnte man sagen, dass er Glück gehabt hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn jemand wieder erkannte, war gering, die höchste Gefahr ging dabei von den Menschen aus, die er auf dem Platz in Stuttgart eingekreist hatte, und dies schien eine Stadt zu sein, die groß genug war, dass er ihnen nicht erneut über den Weg lief. SHIELD wusste, nein, vermutete, dass er sich wieder auf Midgard aufhielt, nur nicht wo, und er hatte vor von hier zu verschwinden, bevor sie dahinter kamen.

Die Ärztin hatte ihm eine unförmige Schirmmütze, die sein Gesicht verbergen sollte, das Geld für den Fälscher, ein Ticket für die Straßenbahn und eine Wegbeschreibung gegeben und ihn alleine losgeschickt.

Er war mit Dr. Schwarz bereits vor einigen Tagen in die Stadt gefahren, um Passbilder machen zu lassen. Doch anstatt des Autos in der Garage, nahmen sie die Straßenbahn. Loki hatte nicht gefragt, was eine Straßenbahn war und das Mysterium Straßenbahn entpuppte sich als eine lange Schlange aus Metall. Auch von Innen glich die Bahn einer langen gefräßigen Schlange, die die Menschen verschluckte, um sie an anderen Stellen wieder auszuspucken. In der Bahn war es warm und stickig und undenkbar voll, überall waren Menschen, die ihn berührten. Eine äußerst unangenehme Art und Weise sich fortzubewegen.

Er kam pünktlich zum Treffpunkt und die Transaktion ging reibungslos über die Bühne. Der Fälscher, ein nervöser Mann, der ihn an eine Ratte erinnerte, gab Loki den Pass, Loki betrachtete den Pass - er hatte keine Ahnung wie ein norwegischer Pass aussehen musste, aber er wirkte... offiziell - und gab dem Mann das Geld, das er von Hannah erhalten hatte. Der Mann nickte ihm zu, blickte sich nervös um und verschwand dann im Gedränge der Menschen.

Loki blieb noch einen Moment stehen und betrachtete seien neuen Pass. Das war ein kleiner Schritt vorwärts, ein Schritt auf sein Ziel zu.

Sein Plan die Herrschaft über diese bedauernswerte Welt zu übernehmen, hatte er nicht aufgegeben, aber er hatte eingesehen, dass sein erster Versuch weder klug noch erfolgversprechend gewesen und von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Er war ein König und die Herrschaft stand ihm rechtmäßig zu, aber er hätte mit dem Widerstand der Menschen gegen die unbekannten Invasoren rechnen müssen. Das System von außen anzugreifen führte nicht zum Erfolg, er musste das System unterminieren.

Diese Menschen würden von seiner Führung profitieren, dessen war er sich sicher, vielleicht könnte er diese Welt sogar Asgard ebenbürtig machen. Er könnte sie Asgard übertreffen lassen! Bei seinen Recherchen im Internet hatte er jedoch festgestellt, dass weder Könige noch Diktatoren sich zu dieser Zeit besonders lange hielten. Es gab Könige, aber diese hatten eine eher repräsentative Funktion, die wahren Könige dieser Welt waren die Politiker - Menschen aus dem einfachen Volk, die stellvertretend für das Volk regierten. Unter den Politikern gab es eine Hierarchie, die er bislang noch nicht durchschaute, aber der höchste Politiker, wenn man so wollte der Hoch-König der Politiker in diesem Land, war der so genannte Bundeskanzler. Bestenfalls ein kastrierter König, dachte er, als er sich an die Machtbegrenzungen erinnerte, denen der Bundeskanzler unterlegen war. Aber er hatte historische Beispiele gefunden, wie diese Grenzen umgangen werden konnten - auch wenn die Betreffenden oft nur kurz die Früchte ihres Erfolges genießen konnten. Aber auch von negativ Beispielen konnte man lernen.

Politiker spielen ein Spiel der Täuschung und der Intrigen und wer war dafür prädestinierter als der Gott der Täuschung? Doch bevor er an die Realisierung seines Planes gehen konnte, musste er noch einige Vorbereitungen treffen. Die höchste Priorität hatte dabei, dass er seine Stimme zurück erhielt. Er wusste, dass es möglich war, denn Thor hatte, während seiner Verbannung seine Kräfte zurück erhalten, er musste nur herausfinden wie. Vielleicht war die Menschenfrau der Schlüssel.

Auf seinem Rückweg kam er an einer Buchhandlung vorbei, in deren Auslage für verschiedene Audio-Sprachkurse geworben wurde. Er betrat die Buchhandlung und schaute sich das Sortiment an, er fand tatsächlich einen Deutsch-Sprachkurs auf Norwegisch. Es war das einzige Exemplar und der Preis war herunter gesetzt. Er konnte sich problemlos vorstellen, dass die Nachfrage gering war - um nicht zu sagen nicht existent - und glaubte in diesem Zusammenhang nicht an einen Zufall. Ich hoffe du erwartest kein Danke, Odin, dachte er und nahm den Sprachkurs mit. Somit konnte Schritt 2 seines Planes beginnen: das Erlernen der Sprache.

In einem anderen Laden kaufte er sich besser passende Kleidung. Es war ungewöhnlich, da seine Kleidung auf Asgard maßgeschneidert wurde und er hier in vorgefertigte Kleidung schlüpfen musste. An der Kasse lächelte ihn die Kassiererin die ganze Zeit über an, während sie die Artikel über den Scanner zog, und plauderte im leichten Tonfall mit ihm, es schien sie dabei nicht zu stören, dass er ihr nicht antwortete und war vollkommen zufrieden mit dem charmanten Lächeln, das er ihr schenkte.

Er wollte einen weiteren Ritt im Bauch der Metallschlange vermeiden, daher stieg er in eines der beigen Taxis. Er suchte in seiner Hosentasche nach dem Zettel mit der Adresse der Ärztin, als er den Steckbrief am Armaturenbrett sah. Loki konnte nicht lesen, was dort stand, aber er erkannte sich selbst auf dem Bild und es war ein Bild guter Qualität von ihm im Anzug.

Verdammt, fluchte er und wollte wieder aussteigen, als der Fahrer sich zu ihm umdrehte. Der Fahrer erkannte ihn trotz der schäbigen Mütze, drehte sich aber dennoch um, um sich zu vergewissern. Loki packte seine Tüten, riss die Tür auf und sprang auf den Bürgersteig, dann sprintete er davon. Hinter ihm schrie jemand.

An einer oberirdischen Haltestelle fuhr eine Straßenbahn ein, Leute stiegen aus und ein und Loki schlüpfte zwischen den sich schließenden Türen hindurch, Sekunden bevor die Bahn abfuhr.

Abend unter Freunden

"Sie wissen, dass ich verheiratet bin?", fragte Hannah Schwarz. Sie fuhr mit ihren langen Fingern über den Rand ihres Glases und blickte ihn aufmerksam an.

Mir ist der Ring an ihrer Hand aufgefallen.

Er hatte ein Blick für solche Details. Sie trug den Ehering und in ihrem Haus stand eine Fotografie von ihr und ihrem Mann am Tag ihrer Hochzeit, doch sie hatte nie ihren Mann auch nur mit einem Wort erwähnt und das Bild stand versteckt hinter anderen. Diese Ehe war alles andere als glücklich.

"Gleichwohl flirten Sie mit mir?"

Er blickte sie fragend an. Wir essen miteinander, schrieb er. Sollte ich den Eindruck erweckt haben, dass ich mehr in diesem Essen sehe, so tut es mir leid.

"Ha!", sie lachte. "Sie sind ein Mistkerl! Aber Sie sind gut. Wer sind Sie? Ein Spion?"

Nein, ich bin nur ein Tourist.

"Seitdem wir an diesem Tisch Platz genommen haben, spiegeln Sie meine Körperhaltung. Ich bin Neurologin, ich kenne mich mit den Prozessen aus, die im menschlichen Gehirn statt finden, müssen Sie wissen. Und das Spiegeln der Körperhaltung des Gegenübers ist eine typische Verhaltensweise bei Verliebten. Sie suggerieren mir also seit geraumer Zeit, dass Sie Interesse an mir haben und ich muss zugeben, es fehlte nicht viel und es hätte geklappt." Ihre Lippen zierte ein listiges Lächeln.

Loki nickte anerkennend. Hannah Schwarz war scharfsinnig, das gefiel ihm. Sie sind auch nicht schlecht, Hannah, schrieb er und meinte es sogar.

"Wenn Sie sich Sorgen darüber machen, dass ich es mir anders überlege, dann lassen Sie mich Ihnen sagen, dass diese Sorgen unbegründet sind."

Er glaubte ihr und das war seltsam, denn in letzter Zeit waren sehr wenig Menschen und Asen aufrichtig zu ihm gewesen, wie er schmerzlich lernen musste.

Nach dem Dessert bestellte Hannah Schwarz noch zwei Gläser Rotwein. Sie saßen gemeinsam in dem schmucken kleinen Restaurant und unterhielten sich. Er brachte sie zum Reden und stellte nur hin und wieder eine Frage oder kritzelte eilig einen Einwurf auf seinen Block. Und Hannah schien es zu gefallen einen Zuhörer zu haben, der Interesse signalisierte, selbst wenn es nur geheuchelt war. Er erfuhr an diesem Abend mehr von ihr, als in den letzten Wochen, die er unter ihrem Dach verbracht hatte. Sie hatte Medizin an der Universität in Mannheim studiert und mit Auszeichnung bestanden. Dort hatte sie auch ihren Mann kennen gelernt. Ihr Mann war oft geschäftlich vereist – so wie im Moment auch.

Hannah Schwarz stellte Loki keine Fragen zu seiner Vergangenheit oder seinem Leben, und die Informationen, die sie ihm von sich gab, waren persönlich, aber nicht so persönlich, dass er nicht auch auf anderem Weg an sie gelangt wäre. Möglicherweise sah sie ihre Offenheit als Zeichen des Guten Willens und versuchte ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er ihr vertrauen konnte und sich keine Gedanken machen musste.

Als sie das Restaurant verließen, sagte sie: "Wir sollten ein Taxi nehmen. Ich habe zu viel getrunken und bin beschwipst."

"Nein!", rief Loki und erinnerte sich zu spät daran, dass er stumm war. Sie blickte ihn fragend an. Er hatte ihr nichts über seinen Zusammenstoß mit dem Taxifahrer erzählt und dachte gar nicht daran, es jetzt zu tun. Stattdessen schrieb er hastig auf seinen Block: Ich kann doch fahren. Ich hatte nur ein Glas Wein, und setzt sein bestes Lächeln auf, das sie sanft in Sicherheit wiegen würde.

"Haben Sie einen Führerschein, Alexander?", fragte sie. Er hatte ihren Arm genommen und führte sie zu ihrem Wagen. "Ah, dumme Frage, Sie hatten ja auch keinen Pass. Das ist der Wein", fügte sie fast schon entschuldigend hinzu. "Aber, was ich meine ist, können Sie Auto fahren? Sind Sie bereits in einem Auto gefahren?"

Er nickte. Das war nicht einmal eine direkte Lüge, er war bereits in einem Auto gefahren.

Sie bemerkte ihren Fehler. "Sie haben noch nie am Steuer gesessen, nicht wahr? Und es hat auch keinen Sinn, wenn ich Sie frage, wieso. Das dachte ich mir", sagte sie. "Steigen Sie ein ich erkläre es Ihnen."

Auf ihrem Weg zum Restaurant hatte Loki vom Beifahrersitz aus interessiert beobachtet, wie sie das Auto mit den Pedalen und den Knüppel in der Mitte der Konsole steuerte. Bei seinen bisherigen Fahrten mit einem Auto war er zu beschäftigt gewesen, um die Feinheiten der Steuerung und die dafür erforderliche Geschicklichkeit zu bemerken - er musste Angriffe abwehren, die nächsten Schritte planen oder einfach nur unauffällig sein.

Ob es wohl kompliziert ist, es zu fahren?, fragte er sich, während er sich auf den Fahrersitz setzte. Die Sterblichen können es auch, sagte er sich, und sie stehen nur eine Stufe über Affen...
 

Hannah drehte ihren Oberkörper, so dass sie Erikson zugewandt auf dem Beifahrersitz saß. "OK", sagte sie und versuchte sich an ihre erste Fahrstunde zu erinnern. Das war schon eine ganze Weile her und die Erinnerung recht trüb - und es lag nicht nur an dem Alkohol, den sie getrunken hatte; sie erinnerte sich an das Gefühl vor Nervosität beinahe in Ohnmacht gefallen zu sein. Sie warf einen Blick auf Erikson, er wirkte nicht nervös, sie schätzte das war ein gutes Zeichen. Er stellte den Sitz ein, damit seine langen Beine Platz fanden, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck freudiger Erregung.

"Wir beginnen am Besten mit den Basics", beschloss Hannah und begann ihm zu erklären wie er die Spiegel einzustellen hatte.

Dann ging sie zu den Pedalen über: "An Ihren Füßen sind drei Pedale." Hannah deutete auf den Fußraum. "Das Linke ist die... Mhm, Kupplung." Sie kannte das Norwegische Wort für Kupplung nicht, ihr Wortschatz war für den medizinischen Bereich ausgelegt, also benutzte sie das deutsche Wort.

"Treten Sie auf das linke Pedal", wies sie Erikson an. "Gut. Wenn Sie die Kupplung durchtreten, können Sie diesen Stab bewegen. Sehen Sie?" Hannah legte verschiedene Gänge ein und Erikson nickte, als er das Prinzip verstand.

Für was?, schrieb er auf seinen Block.

"Das erkläre ich Ihnen später", sagte Hannah. "Dann das Pedal in der Mitte. Das ist die Bremse." Sie imitierte mit ihrer Hand ein Auto das fuhr und machte dabei brummende Geräusche, dann zeigte sie mit der anderen Hand auf die Bremse und tat so, als würde sie sie mit dem Fuß betätigen, und das Auto kam zum Stillstand.

Erikson hatte ihre pantomimische Darstellung mit gerunzelter Stirn beobachtet, doch als sie endete, nickte er zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und lachte leise.

"Das rechte Pedal ist zur Beschleunigung", fuhr Hannah ihren Vortrag fort und stellte es wieder mit Gesten dar.

Sie sah zu wie Erikson, unter ihrer Anleitung, den Wagen startete. "Halten Sie die Kupplung, das linke Pedal, durchgetreten. Und jetzt bewegen Sie den Stab, drücken Sie ihn zu mir und dann nach hinten. Genau so. Jetzt haben Sie den Rückwärtsgang eingelegt. Wenn Sie die Kupplung loslassen - langsam!", fügte sie hinzu, als er im Begriff war, einfach den Fuß vom Pedal zu nehmen. "Und gleichzeitig drücken Sie auf das recht Pedal. Sehen Sie? Wir fahren rückwärts. Seien Sie vorsichtig und achten Sie darauf niemanden umzufahren. Oder gegen etwas zu fahren."

Erikson manövrierte den Wagen langsam aus der Parklücke.

"Drehen Sie das Steuer nach rechts", wies Hannah ihn an. "OK, bremsen. Jetzt treten Sie wieder die Kupplung." Er legte automatisch die Hand auf den Schaltknüppel und schaute sie fragend an. Hannah nickte. "Ziehen Sie ihn zu sich und nach vorne. Das ist der Erste Gang. Kupplung loslassen und Gas geben." Der Motor stotterte, als Erikson die Kupplung zu schnell los ließ, ging aber nicht aus. "Steuern nicht vergessen."

Erikson beschleunigte und der Motor jaulte auf.

"Hören Sie das?", fragte Hannah. "Spätestens wenn Sie dieses Geräusch hören, sollten sie schalten. Das bedeutet: Gas loslassen, Kupplung treten und den nächsten Gang einlegen, in unserem Fall der zweite. Einfach den Schaltknüppel nach hinten ziehen."

Diesmal achtete Erikson darauf die Kupplung nicht springen zu lassen.

Hannah ließ ihm Zeit sich mit dem Schaltvorgang und dem Verhalten des Wagens vertraut zu machen, dann sagte sie: "Kommen wir zur nächsten Lektion: Verkehrsschilder." Sie deutete auf ein Schild. "Das runde, rote Schild mit der Zahl in der Mitte sagt Ihnen wie schnell Sie fahren dürfen. 70 km/h." Sie lehnte sich zu ihm und tippte gegen den Tacho. "Hier sehen Sie wie schnell Sie fahren. Etwas zu schnell, mh?" Sie zog die Augenbrauen in die Höhe.

"Bremse", schlug sie vor und ihre Mundwinkel zuckten nach oben. Er bremste auf 70 runter. Dafür, dass er nach eigener Aussage nie selbst Auto gefahren war, stellte er sich überraschend geschickt an. "Sie sind ein Naturtalent." Er nahm das Kompliment mit einem Kopfnicken an, und lächelte und es kam ihr zum ersten Mal aufrichtig vor.

"Fahren Sie hier rechts." Hannah hielt sich nicht damit auf ihm die Funktion der Blinker zu erklären, und lotste ihn auf die Autobahn.

Es war spät und die Autobahn recht leer. Erikson hielt sich brav an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Als er ein Schild sah, das er nicht kannte, löste er die Hand vom Lenkrad, deutete darauf und formte mit dem Mund ein Wort: Was?

"Hände ans Lenkrad, Augen auf die Straße!", sagte Hannah und verspannte sich etwas. Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte spöttisch, kam ihrer Aufforderung aber nach.

"Das Schild hebt die Geschwindigkeitsbegrenzung auf."

Ganz? In seinen Augen glänzte es verräterisch.

"Ja -", sagte Hannah und bereute es sofort. Sie wurde von der plötzlichen Beschleunigung in den Sitz gepresst. Erikson schaltete in den höchsten Gang und jagte das Auto über den Asphalt. Er lachte, als er den Wagen bis zu seinen Grenzen trieb, berauscht von der Geschwindigkeit.

"Da vorne ist ein Auto!", schrie Hannah. Und es kam schnell näher. Sie riss die Arme schützend vor ihr Gesicht und kniff die Augen zu, in Erwartung des unvermeidlichen Aufpralls.

Sie wurde erst zu der einen Seite, dann zu der anderen geschleudert; doch nicht nach vorne. Da die Kollision ausblieb, öffnete Hannah langsam die Augen und fand die Fahrspur vor sich leer vor. Erikson war auf die Überholspur gewechselt und raste nun dort weiter. Hannah stieß den Atem aus, den sie angehalten hatte, und ließ die Arme sinken. "Machen Sie das nie wieder!", sagte sie nachdrücklich, was er mit einem Grinsen quittierte. Er hatte sichtliche Freude am Autofahren.

Sie beschrieb ihm den Weg zurück zu ihrem Haus und war erleichtert, als sie die Autobahn verließen und heil dort ankamen. Bevor sie ihn wieder ans Steuer lassen würde, mussten sie die Verkehrsregeln durchgehen. Und er musste ihr schwören so etwas nie wieder zu tun!

Stimme

Sie saßen gemeinsam am Frühstückstisch. Es war das erste mal, dass sie unter der Woche zusammen frühstückten - in Deutschland war ein gesetzlicher Feiertag und Dr. Schwarz hatte sich frei genommen. In letzter Zeit verhielt sie sich ihm gegenüber viel entspannter; sie schaute nicht mehr andauernd über ihre Schulter, hielt das Messer nicht mehr umklammert und sie trank weniger.

Es war höchste Zeit zu gehen, er hatte seinen Pass, er hatte das Geld. Es gab nichts mehr, dass ihn in diesem Land hielt. Doch er schob den Aufbruch vor sich her. Vornehmlich aus Bequemlichkeit. Ihm war die Gefahr, die von SHIELD ausging, bewusst. Aber er wollte sich noch ein wenig von seinen Verletzungen erholen, er musste im Vollbesitz seiner Kräfte sein – den wenigen, die er noch besaß. Außerdem konnte er die Zeit nutzen und sich weiter so viele Informationen aus dem Internet ziehen wie er konnte. Hannah war ihm dabei von großem Nutzen, sie versorgte ihn mit Unterkunft, Nahrung, Zeitungen, und half ihm die alltäglichen Strukturen dieser Welt zu verstehen. Sollten ihr seine Wissenslücken seltsam vorkommen, so behielt sie das für sich.

Wenn er die Herrschaft über diesen Planeten übernommen hatte, sollte er sie für ihre Hilfe belohnen.  

Er konzentrierte sich wieder auf Dr. Schwarz' Anekdote aus ihrer Studienzeit: "Und als der Professor das Skalpell ansetzte, um den Körper zu öffnen, setzte die Leiche sich auf und schrie." Ihre Augen glänzten verschmitzt und sie kicherte. "Der Professor wurde auf der Stelle ohnmächtig."

Er lächelte. Anscheinend mussten Lehrende auf allen Welten die Streiche ihrer Schüler ertragen. Er erinnerte sich, an den Lehrer auf Asgard, der Thor und ihn im Umgang mit den Waffen schulte, ein großer, muskelbepackter Mann, den alle nur den Stier nannten. Er war streng und unerbittlich gewesen und hatte die beiden Jungen immer bis an ihre physischen Grenzen getrieben. Einmal wollten sie sich revanchieren, sie täuschten beim Schwertkampf einen Unfall vor und Loki gaukelte dem Lehrer mit seiner Magie vor, dass sein Arm abgetrennt worden war. Der Mann war schlagartig blass geworden und hatte Loki und seinen Arm gepackt und beide zu den Heilkammern getragen, dabei hatte er immer wieder gemurmelt: "Wie soll ich das nur dem König erklären?" Thor und Loki bekamen für diesen Streich eine Menge Ärger, aber das war es wert gewesen.

"An was haben Sie gedacht?", fragte Dr. Schwarz, als sie ihm Kaffee nach schenkte. Sie war heute leger gekleidet und hatte die schwarzen Locken zu einem Zopf geflochten, der ihr verspielt über die Schulter fiel. Das gefiel ihm außerordentlich gut.

Ich habe mich an einen Streich erinnert, den mein Bruder und ich unserem Lehrer gespielt haben.

"Sie haben einen Bruder?"

Hatte. Er ist tot. Er konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen, immerhin glaubte sie, er sei ein Mensch. Aber er merkte, dass es ihm schwerer fiel, sie zu belügen.

"Das tut mir Leid."

Nein, mir tut es Leid. Ich wollte die Stimmung nicht trüben. Er lächelte entschuldigend.

"Das haben Sie nicht." Sie stand auf und räumte den Tisch ab. "Ich habe den ganzen Tag frei, lassen Sie uns etwas unternehmen. Ich könnte Sie ein wenig in der Stadt herum führen." Er ging ihr zu Hand. "In Stuttgart gibt es eine Menge Sehenswürdigkeiten. Sie als norwegischer Tourist" - sie sprach das Wort mit sanften Spott aus - "wollen doch nicht nach Hause fahren ohne etwas von der Stadt gesehen zu haben?"

Seine Mundwinkel zuckten, als er schrieb: Aber unbedingt. Ich könnte mich zuhause nicht blicken lassen, wenn ich nicht die Wahrzeichen dieser wundervollen Stadt gesehen hätte.

"Na dann, gehen Sie und holen Ihre Jacke. Ich mach das nur noch fertig, dann können wir los."
 

Loki war gerade wieder auf dem Weg nach unten, als er es im Erdgeschoss rumpeln hörte. Stimmen erhoben sich. Eine davon gehörte der Ärztin, sie klang schrill und seine Nackenhaare stellten sich auf.  

SHIELD. Wie hatte sie ihn gefunden? Hatte der Pfleger, der ihn aus dem Krankenhaus geschmuggelt hatte, geredet? Oder der zahnlose Alte?  

Dr. Schwarz hatte einen Fluchtplan geschaffen für einen solchen Fall. Er sollte durch das Fenster in ihrem Zimmer, das auf den Garten zeigte, auf die angrenzende Garage springen, vom Fenster zum Garagendach waren es ungefähr zwei Meter - das sollte er eigentlich schaffen. Aber er zögerte, die Rufe der Ärztin beunruhigten ihn. Es war nicht sein Leben, um das er sich sorgte, stellte er erstaunt fest.

Schnell rannte er die Treppe herunter und stürmte in den durchgängigen Wohn- und Essbereich, wo er sah wie ein Mann in Anzug Hannah zu setzte. Er sah nicht aus wie ein Agent von SHIELD, aber er schüttelte die Ärztin und schrie sie dabei an. Lokis Deutsch war mittlerweile recht gut, aber alles, was der Mann schrie, verstand er nicht. Doch Loki verstand, dass es um ihn ging und um eine eingebildete Beziehung, die er mit der Ärztin führte.  

"Du Schlampe! Denkst du, du kannst diesen verfluchten Hurenbock in mein Haus holen, weil ich nicht da bin?"  

Hannah versuchte ihren Mann zu beruhigen, aber er war blind und taub vor Wut.

Loki packte den Mann und stieß ihn zur Seite, fort von Hannah. Sie schrie erschrocken auf. Der Mann fing sich wieder, Loki hatte ihn überrascht, aber das würde kein zweites mal passieren.  Vor einem halben Jahr noch hätte er diesen Sterblichen einfach zerquetscht, so aber hatte er jede Mühe die Oberhand zu behalten. Hannah hatte ihm erzählt, dass ihr Mann auf der Uni geboxt hatte, er war vielleicht nicht mehr so in Form wie früher, aber die Technik beherrschte er noch.  

Schwarz traf Loki mit seiner verdeckt geführten Rechten am Kinn. Loki taumelte einige Schritte zurück und Schwarz nutzte seine Benommenheit, um noch ein Schlag gegen die Nieren und ein Tritt gegen die Knöchel, der ihn von den Füßen riss, nachzusetzen.  

Hannah flehte ihren Mann an zu stoppen, aber dieser versetzte ihr nur eine Ohrfeige, die sie zu Loki auf den Boden schickte, und stapfte wütend in die Küche. Er kam mit einem langen Küchenmesser zurück und brüllte mit hochrotem Kopf: "Jetzt wirst du sehen, was du davon hast, du Miststück. Ich werde deinen Liebhaber abstechen!"

Loki hatte keinen Zweifel daran, dass er das ernst meinte. Hannah auch nicht. Sie saß weinend auf dem Boden und flehte ihren Mann an, Vernunft anzunehmen. Und dieser Anblick machte Loki wütend. Wo war seine starke, furchtlose Hannah hin? Die Frau, die sich einem Einsatzkommando entgegen stellte? Dieser Mann betrog seine Frau mit seiner Sekretärin und misshandelte seine Frau wegen einer eingebildeten Kränkung, und Hannah unternahm nichts dagegen.

Er musste Schwarz nahe an sich heran lassen - zu nahe, denn dieser zog ihm das Messer quer über die Brust -, aber Loki schlug ihm den Orchideen-Topf über den Schädel. Schwarz' Augen weiteten sich, dann stürzte er bewusstlos zu Boden.

Loki lehnte schwer atmend am Esstisch und starrte auf den regungslosen Mann, dann ließ er seinen Blick zu Hannah schweifen, die ihn mit einer Mischung aus Schrecken und Unglauben anstarrte. Er packte den Mann, der ein leises Stöhnen von sich gab, und schleifte ihn zur Haustür.  "Wage dich nicht, noch einmal hierher zu kommen! Wenn ich dich noch einmal sehe oder wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, dann, das schwöre ich dir bei meinem Leben, werde ich dich umbringen!" Er gab dem Mann einen Stoß und dieser stolperte über die Türschwelle. "Du solltest über Scheidung nach denken!", rief er ihm hinterher und knallte die Tür zu.

Hannah saß noch an derselben Stelle im Essbereich und zitterte am ganzen Körper. Loki kniete sich vor sie und fasste sie am Kinn, sie versuchte sich abzuwenden, aber er zwang sie ihn anzusehen. Um ihr linkes Auge bildete sich ein Veilchen, ihre Nase blutete, schien aber nicht gebrochen und ihre Lippe war aufgeplatzt. Er zog die Augenbrauen zusammen und wünschte sich, den Mann getötet zu haben bevor er ihn rausgeschmissen hatte.

Loki führte Hannah in die Küche, wo er ihr ein kühles feuchtes Tuch für Lippe und Nase gab und ein Päckchen Tiefkühl-Gemüse für ihr Auge aus dem Gefrierfach holte. Sie presste beides auf ihr schmerzendes Gesicht und starrte ihn mit ihrem unverletzten Auge an.

"Du hast gesprochen. Ich... Ich habe es gehört."

"Das kann nicht -" Er presste sich die Finger auf die Lippen. Er konnte wieder sprechen! Im Eifer des Gefechts war ihm das nicht aufgefallen, aber er konnte wieder sprechen. Ein Hochgefühl machte sich in seiner Brust breit und ohne darüber nachzudenken nahm er Hannahs Gesicht in seine Hände und küsste sie auf die Stirn. Sie ließ sich von seiner Freude anstecken, aber sie vergaß die Wunderheilung nicht.

"Das muss genäht werden." Sie nickte in Richtung seiner Brust. Er blickte an sich herab und sah, dass sein T-Shirt blutgetränkt war und die Wunde nicht aufhörte zu bluten. "Setzt dich." Sie reichte ihm das Tiefkühl-Gemüse, das er sich an sein schmerzendes Kinn hielt, und holte einen kleinen Verbandskasten.

Mit einer professionellen Ruhe machte Hannah sich daran, den Schnitt auf Lokis Brust zu reinigen und zu nähen. "Danke", flüsterte sie.

"Warum hast du dich nicht gewehrt?", fragte Loki. "Hat er das schon mal gemacht?"

"Nein. Ja..." Sie senkte die Augen auf ihre Arbeit. "Er ist ein guter -"

"Er hat dich verprügelt", unterbrach er sie, bevor sie ihn in Schutz nehmen konnte.  

"Das hat er bisher nie getan. Nicht so jedenfalls."

"Sollte er zurück kommen, mach ich ihn fertig."

"Das hast du doch schon." Sie kicherte. "Sein Blick, als du ihm den Topf übergezogen hast."

"Tut mir leid wegen der Blume."

"Die Blume!" Sie lachte hysterisch, dann schluchzte sie.

Loki zog sie an sich ran und schloss sie in seine Arme. Beruhigend strich er über ihren Rücken. "Sh", flüsterte er ihr ins Ohr. Er wiegte sie sanft bis sie sich wieder beruhigte, dann trug er sie in ihr Bett, wo sie auf der Stelle einschlief. Sie würde wieder in Ordnung kommen, nur nicht heute.

Zurück in der Küche sah er sich einem ganz anderen Problem gegenüber. Die Nadel steckte noch in seinem Körper. Er biss die Zähne aufeinander und beendete Hannahs Werk. Wenn das der Preis war, den er für seine Stimme zahlen musste, dann war er dazu bereit.
 

Trotz des Vorfalls am Tag zuvor, war Hannah früh am Morgen zur Arbeit gefahren. Sie hatte den gestrigen Tag im Bett verbracht. Er hatte nichts tun können, um ihr zu helfen, also hatte er sie in Ruhe gelassen. Sie hatte ihre Verletzungen so gut wie möglich überdeckt, doch man konnte immer noch schwach das Veilchen durch das Make-Up schimmern sehen. Sollte sie jemand darauf ansprechen, so wollte sie sagen, dass sie bei der Gartenarbeit von einer Leiter gestürzt sei. Das schien glaubwürdig genug.

Loki lief auf dem Laufband in seinem Zimmer. Er tat das regelmäßig, es hielt ihn fit und es fiel ihm leichter nachzudenken, wenn er in Bewegung blieb.

Er musste dieses Land bald verlassen. SHIELDs Kreise zogen sich immer enger um Loki, er hatte sich schon zu lange an ein und demselben Ort aufgehalten. Mittlerweile besaß er einen Pass und genügend Geld, es stand ihm nichts mehr im Wege die Grenze zu passieren. Er wartete noch auf den Anruf des Fälschers, damit er seinen norwegischen Führerschein abholen konnte - es vereinfachte das Reisen ungemein, wenn er selbst fuhr und machte es bis zu einem gewissen Grad schwerer ihn zu verfolgen. Und was dann? Er konnte in ein anderes deutschsprachiges Land gehen, nach Österreich oder in die Schweiz, oder nach Norwegen. Für was für ein Land er sich auch entscheiden sollte, er musste in jeden Fall neu und von vorne beginnen. Er brauchte einen Job, eine Unterkunft und Zugang zur Politik.

Er kam nun mit seiner fremdartigen Umwelt zurecht und hatte gelernt sich anzupassen. Und doch... Er wünschte sich Hannah auch in Zukunft an seiner Seite zu haben, sie war in dieser Welt geboren worden und bewegte sich ganz natürlich in ihr, sie erkannte Strukturen, deren Sinn Loki auf dem ersten Blick verschlossen blieben und erst nach zeitaufwändiger Einarbeitung zugänglich wurden. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann gab es noch einen weiteren Grund. Er schätzte sie als Person. Er hatte es nicht gleich bemerkt, aber sie war ihm unter die Haut gegangen.  Doch sie würde niemals mit ihm gehen, ihr Platz war hier, ihre Wurzeln lagen in diesem Krankenhaus und ein Baum, dem man die Wurzeln kappte, starb. Also musste er sie zurücklassen und bei dem Gedanken daran, bildete sich eine harte, kalte Kugel in seinem Magen. Was, wenn ihr Ehemann, dieser verfluchte Bastard, zurück kehrte? Oder SHIELD ihre Verbindung zu ihm aufdeckte? Wie weit würden sie gehen, um Informationen zu seinem Aufenthaltsort von ihr zu erhalten? Er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken sie zurück zu lassen.

Du bist ein Narr, schalt er sich selbst. Sie ist nur eine unbedeutende Sterbliche. Und doch gab es einen Teil von ihm, der mehr in ihr sah.

Er stampfte härter auf das Laufband auf, um seinen verwirrenden Gefühlen Dampf zu machen. "Gefühle!", rief er aufgebracht. Sie machen dich schwach! Und Schwäche kannst du dir nicht leisten!
 

Als Hannah den Kopf zur Tür herein steckte, war Loki immer noch auf dem Laufband. Er hatte Kopfhörer auf und lernte mit seinem Audiokurs. Geduldig wiederholte er die Wörter bis er zufrieden mit der Aussprache war. Sie lehnte sich an den Rahmen und beobachtete ihn eine Weile.

"Vor wem läufst du davon?" Er bemerkte sie erst, als sie ihn ansprach. „Du solltest vorsichtiger sein, damit die Wunde nicht wieder auf geht.“ Sie tippte sich an die Brust.

Er verlangsamte sein Tempo, kam keuchend zum Stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Du bist schon zurück?"  

Sie nickte, ging aber nicht weiter darauf ein. "Ich habe Pizza bestellt."

"Ich gehe duschen und komme runter."  

"Gut." Sie lächelte, aber das Lächeln erreichte nicht ihre Augen, dann nahm sie Treppe nach unten.  
 

Nachwirkung

Hannah saß mit angewinkelten Beinen in einem Korbsessel auf der Terrasse, die nackten Füße hatte sie auf der Armlehne abgestellt. Sie wollte nicht in der Küche sein, und das Wetter war angenehm warm, geradezu ideal, um den restlichen Tag auf der Terrasse zu verbringen.

Der Garten war nicht sehr groß, aber üppig bepflanzt. Die schulterhohen Büsche und Sträucher umrahmten eine geflieste Terrasse und schufen einen behaglichen Rückzugsort, der vor neugierigen Blicken geschützt lag. Loki fiel der Ausdruck "einen Grünen Daumen haben" ein, den er in einer Gartensendung, die Hannah regelmäßig sah, aufgeschnappt hatte. Ihr Kommentar dazu war: "Das Geheimnis ist dankbare Pflanzen auszuwählen - Pflanzen, die auch mal längere Zeit ohne Wasser auskommen -, und natürlich ein fruchtbarer Boden."

Als er sich zu ihr setzte, schlug ihm ein durchdringender Fischgeruch entgegen. Hannah liebte Pizza mit Meeresfrüchten darauf. Es war ihm ein Rätsel wieso; allein der Geruch schreckte ihn schon ab, ganz zu schweigen von den unappetitlichen Muscheln. Er verzog das Gesicht.

„Keine Sorge“, meinte sie. „Ich habe nicht vergessen, dass du kein Fisch magst.“

„Wie zuvorkommend von dir“, entgegnete er und öffnete den Pizzakarton. Es war befremdlich, dass diese Sterbliche seine Vorlieben und Abneigungen kannte.

„Es ist faszinierend!“ Sie betrachtete ihn mit einer Faszination, die nur ein Mediziner an den Tag legen konnte. „Dich sprechen zu hören.“

Loki lachte. "Ich hatte bereits gefürchtet, mich für immer von meiner Stimme verabschieden zu müssen." Zwei Monate waren seit seiner Verbannung vergangen. Zwei Monate, eine lächerlich kurze Zeitspanne. Doch die zwei Monate, die er stumm verbringen musste, waren ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen.

„Dein Unfall war nicht ohne“, sagte Hannah. „Es wäre durchaus möglich gewesen, dass deine Stummheit von einer dauerhafte Schädigung herrührt. Du hast dir ganz schön den Schädel an gehauen..."

"Wer hätte gedacht, dass ein weiteres Trauma wieder alles ins Lot bringt."

Hannahs Schultern spannten sich an, als er auf die überraschende Rückkehr ihres Ehemanns anspielte, der eigentlich erst nächsten Monat von seiner Geschäftsreise wieder kommen sollte. Sie hatte den gestrigen Tag mit keinem Wort erwähnt und es war nicht schwer zu erkennen, dass sie nicht darüber reden wollte, doch die Ereignisse hingen über ihnen wie eine Gewitterwolke. Und Schweigen würde daran nichts ändern.

„Wenn ich dich frage, wie es dir geht, antwortest du mir?“

„Gut.“ Sie schaffte es sogar ein falsches Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern.

Wen glaubte sie täuschen zu können? Er war der Gott der Lügen.

Er erinnerte sich selbst daran, dass sie das nicht wusste.

Hannah trug die Haare offen, es war das erste mal, dass er sie so sah, und unter anderem Umständen hätte der Anblick ihm gefallen können, doch er wusste, dass sie es nur offen trug, damit es das Veilchen in ihrem Gesicht verdeckte. Und dieses Wissen machte ihn wütend.

Nachdem die Freude über seine wiedergewonnene Stimme abgeflaut war und das Nachgrübeln über seine Zukunft ihn langweilte, hatte er vergangene Nacht an Hannah denken müssen, an die Angst in ihren Augen und die Abwesenheit des leicht ironischen Funkelns, das sonst in ihnen lag, und die Wut auf Schwarz war in ihm hoch gekocht. Er hatte den Rest der Nacht dagelegen und Pläne geschmiedet, um Schwarz zu finden und doch noch umzubringen. Physisch war Schwarz ihm überlegen, daher musste es aus dem Hinterhalt geschehen, aber die lagen ihm eh besser.

Als hätte sie seine düsteren Gedanken erraten, sagte Hannah: "Es geht mir gut, wirklich. Es ist nur... Ich habe ihn nie aus der Wohnung geworfen."

„Das hast du auch diesmal nicht“, sagte Loki unerbittlich.

Sie verzog gequält das Gesicht.

"Das hättest du aber", fuhr er fort. „Es war höchste Zeit.“

Sie antwortete nicht. Loki beschloss das Thema auf sich beruhen zu lassen.

"Ich brauche dein Auto", sagte er nach einer Weile.

"Für was?", fragte sie misstrauisch. Er kannte den Blick, mit dem sie ihn bedachte, von seiner Mutter. Sie hatte ihn regelmäßig auf diese Weise angesehen, wenn sie das Gefühl hatte, er plane seinen nächsten Streich. Und meistens lag sie gar nicht so falsch.

"Ich mache keine Dummheit", versprach er, doch Hannah entging der spöttische Unterton nicht.

Als sie unnachgiebig auf ihre Antwort wartete, seufzte er und sagte: "Na schön, ich habe mit dem Fälscher gesprochen und einen Führerschein in Auftrag gegeben. Dafür brauche ich noch ein Bild."

"Du hast einen Führerschein in Auftrag gegeben? Und mit welchem Geld hast du vor den zu bezahlen?"

Loki lächelte charmant.

"Verstehe“, seufzte sie. "Ich komme mit."

„Ich fahre“, sagte er sofort.

„Du hast keinen Führerschein!“

„Das hat dich beim letzten mal auch nicht gestört.“

Sie schüttelte den Kopf. „Macht es einen Sinn, sich auf eine Diskussion mit dir einzulassen?“

„Nein.“ Er lächelte breit. „Bekanntlich bekomme ich, was ich will.“
 

Hannah stieg auf wackeligen Beinen aus dem Auto. Ihr Herz raste immer noch. Sie würde nie, niemals wieder mit Alexander Auto fahren, nicht wenn er am Steuer saß. Sie lehnte sich gegen die Beifahrertür und wartete bis er den Wagen abgeschlossen hatte.

„Ich fahre zurück!“, sagte sie mit Nachdruck und strich sich einige wirre Strähnen aus den Augen.

„Wir werden sehen“, entgegnete er und lief durch das Parkhaus auf den Aufzug zu.

„Ich verstehe ja, dass das schnelle Fahren einen Reiz auf dich ausübt, und ich fahre selbst gerne mal schneller, aber bitte halte dich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Wenigstens grob.“

„Es war unbegrenzt“, sagte er und sie sah seine Zähne in der Metallverkleidung des Aufzugs blitzen. Er trug einen Kapuzenpullover, der viel zu warm war, aber den Vorteil hatte, dass das meiste seines Gesichts im Schatten lag.

„Dann gibt es aber immer noch eine Geschwindigkeit, an die man sich halten sollte!“

Die Aufzugtüren öffneten sich mit einem leisen Ping.

„Der Automat ist dort hinten“, meinte Hannah und bewegte sich in eben jene Richtung. Sie stoppte, als sie bemerkte, dass Alexander nicht mitkam. Er war am Aufzug stehen geblieben.

„Was ist?“, fragte sie.

„Ich brauche Winterkleidung, bevor ich gehe“, sagte er.

Hannah runzelte die Stirn. „Ich bin kein Goldesel...“

Dennoch gingen sie gemeinsam in die Ladenstraße des Einkaufcenters.

„Was ist ein Goldesel?“, fragte er verwirrt.

Sie winkte ab – irgendwie wunderte es sie nicht, dass er nicht wusste, was ein Goldesel war – und gab sich ihrem Schicksal geschlagen.

Alexander musterte kritisch die knall-gelbe Hose, die Hannah ihm herausgesucht hatte. „Das ist Mode auf Mi- in Deutschland“, verbesserte er sich schnell. „Damit sehe ich aus wie ein Huhn.“

„Ich glaube kaum, dass Skandinavien sich vor diesem Trend retten konnte“, meinte sie spitz. „Die ganze Welt trägt das!“

Er legte die Hose weg ohne sie an zu probieren.

„Sie hätten dir sicher gestanden, du hast die Figur dafür“, meinte Hannah und suchte die Kleiderständer nach Alternativen ab. Er war eitel, das hätte ihr klar sein müssen.

„Auch mit einem Kompliment wirst du mich nicht dazu bekommen, diese Hosen anzuziehen.“ Loki steuerte zielsicher auf ein Regal mit Jeans zu.

„Nicht die“, sagte sie und nahm ihm die Hose aus der Hand, die er auseinander gefaltet hatte. „Die hängt an dir wie ein Sack. Wenn wir dir schon eine neue Garderobe kaufen, soll sie auch anständig passen. Die.“ Sie drückte ihm eine andere Hose in die Hand. „Und die auch.“

Außerdem stapelte sie noch verschiedene Hemden und Sweatshirts auf seine Arme.

„Das reicht!“, rief er, bevor sie ihn unter einem Kleiderstapel begraben konnte.

„Mhm“, machte sie und ignorierte ihn.

Als letztes gesellte sich noch eine dunkle Lederjacke mit Kapuzeneinsatz zu den restlichen Kleidern zwischen seinen Armen, und er flüchtete in die Umkleidekabine. Es würde lange genug dauern die ganzen Sachen an zu probieren.

Alexander zeigte ihr brav alles, was er anzog. Denn wie jede Shoppingbegleitung, neigte sie dazu ungefragt in die Kabine zu schauen, wenn er längere Zeit nichts mehr präsentierte. (Sie war seine Ärztin, es gab kaum etwas an ihm, was sie noch nicht gesehen hatte.) Und, wie jede Shoppingbegleitung auch, war sie immer da, wenn er aus der Kabine kam, und schaffte es dennoch noch mehr Kleider an zu schleppen.

„Das steht dir, Alexander“, sagte sie und nickte billigend. Er trug eine eng anliegende Jeans und ein grünes Hemd, beides brachte seine schmale Figur hervor, und dazu die Lederjacke.

Er betrachtete sich nachdenklich im Spiegel, dann sagte er: „Das stimmt.“

Hannah schnaubte. Wir sind ja gar nicht selbstverliebt, dachte sie. Aber sie musste sich eingestehen, dass er ein attraktiver Mann war.

„Du frisst mir die Haare vom Kopf“, murmelte sie, als sie an der Kasse waren. „Das bedeutet du machst mich arm“, erklärte sie, ohne dass er nachfragen musste. Er lachte, doch es klang nicht reumütig.

Vor dem Laden sagte er: „Ich bin hungrig.“

„Wie kannst du hungrig sein?“, wollte sie wissen. „Du hast vor nicht einmal drei Stunden eine große Pizza alleine gegessen.“

„Dieser Körper ist ineffektiv.“

„Ineffektiv?“ Hannah schob seine Wortwahl auf den Audiokurs. „Was willst du essen?“
 

Ihre Einkäufe vor sich stehend, warteten Loki und Hannah, mehrere Geschäfte und ein Fast Food-Restaurant später, vor dem Passbildautomaten. Es waren zwei Personen im Inneren des Automaten und nach der Position ihrer Füße zu schließen, sah mindestens eine Person nicht in die Kamera.

Hannah wartete zehn Minuten. Dann ging sie an den Vorhang und räusperte sich vernehmlich. Nichts geschah.

Loki beobachtete sie amüsiert.

Sie räusperte sich erneut und Bewegung war hinter dem Vorhang auszumachen. Kurz darauf kam ein junges Pärchen aus dem Inneren, mit geröteten Wangen und zerzausten Haaren. Sie schnappte sich wortlos ihre Bilder und eilten davon.

Hannah bedeutete ihm mit einer einladenden Bewegung Platz zu nehmen.

Sie stellte alles ein und zog den Vorhang von außen zu. Als nach mehreren Minuten kein Bild geschossen wurde, steckte sie den Kopf in den Passbildautomaten. Ihre Schultern streiften Lokis, als sie sich nach vorne beugte. "Seltsam", murmelte sie und klopfte mit dem Zeigefinger sachte gegen den Auswahlbildschirm. "Eigentlich müsste jetzt -"

Es blitzte hell.

"- ein Bild geschossen werden...", beendete sie ihren Satz. Sie kniff die Augen zusammen und starrte die Linse finster an, und der Automat schoss das nächste Bild.

„Der Automat scheint nicht sehr beeindruckt“, zog er sie auf.

Ihr finsterer Blick wanderte von der Linse zu ihm. „Ich glaube es gefiel mir besser als du stumm warst“, teilte sie ihm mit. Loki grinste.

Es blitzte wieder.

Einem Impuls folgend fasste Loki Hannahs Arm und zog sie auf seinen Schoss. Überrascht blickte sie ihn an. Er strich ihr eine Strähne ihrer wilden Locken aus dem Gesicht und küsste sie.

Blitz.

Sie küsste zurück, dann fuhr sie ruckartig von ihm fort.

Blitz.

"Ich bin verheiratet", sagte sie.

"Ich habe den Ring bemerkt", sagte Loki und streifte ihr besagten Ring vom Finger, bevor er sie erneut an sich zog und küsste. Sie ließ es geschehen.

Blitz.

Eine leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass er gerade doch eine Dummheit beging, doch er ignorierte sie.

"Die sind ja grauenvoll", sagte sie und betrachtete den Streifen mit Bildern, den der Automat geschossen hatte. Auf dem ersten Bild sah man nur eines ihrer Augen und einen Teil ihrer Nase. Ein weiteres war verwackelt, und das letzte zeigte sie eng umschlungen. Loki gefielen sie – besonders das zweite, auf dem sie den Automat an funkelte -, also behielt er sie und steckte sie in seine Jacke.

Sie ordnete seine Haare und er setzte sich erneut in den kleinen Kasten, um endlich die Bilder für den Fälscher zu machen.
 

Eine Spur aus Kleidungsstücken zog sich durch das Haus. Sie begann an der Haustür, schlängelte sich die Treppe nach oben und führte bis zum Schlafzimmer, wo sie vor dem Bett endete.

Sie lag schlafend in seinen Armen. Ihr warmer, weicher Körper schmiegte sich eng an seinen eigenen. Die aufgehende Sonne tauchte ihre Haut in goldenes Licht und ihre dunklen Locken, die ihre nackten Schultern umflossen, bildeten einen atemberaubenden Kontrast. Hannah war schön. Und sie war sein.

Dieser Gedanke ließ ihn Lächeln.

Er küsste sie auf die Schulter und sog ihren Duft ein, sie roch nach dem dezenten Parfüm der Orchideen, die sie in ihrem Wohnzimmer hegte und pflegte, und einem Hauch Antiseptikum.

"Das kitzelt", murmelte sie und zog sein Gesicht zu sich, um ihn auf die Lippen zu küssen. "Morgen." Hannah räkelte sich kurz und ließ dann ihren Kopf zurück auf seine Brust sinken.

Er kämmte mit seinen Finger durch das Durcheinander schwarzer Locken und entlockte ihr ein zufriedenes Seufzen. Dies war ein perfekter Moment und Loki wünschte, er würde ewig dauern, aber er wusste, dass er sie bald verlassen musste. Außer...

"Komm mit mir", flüsterte er ihr ins Ohr. Sie hob den Kopf und blickte ihn an. Sie hatte mit dieser Frage gerechnet, das konnte er in ihren Augen sehen, sie hatte darüber nachgedacht, doch zu welchem Entschluss war sie gekommen?

"Nach Norwegen?, fragte sie langsam und senkte ihren Blick auf ihre Finger, die den Schwung seines Schlüsselbeines nachzeichneten.

"Vielleicht. Ja." Er nahm ihre Hand in seine. "Wir können gehen wohin wir wollen."

"Mein Leben ist hier. Mein Zuhause, meine Arbeit, meine Familie..."

Loki hatte mit dieser Antwort gerechnet. Er hatte mit dem Feuer gespielt, obwohl er die Gefahr kannte sich zu verbrennen. Er hätte es besser wissen müssen.

Als er ihr nicht widersprach, sagte sie: "Das war kein Nein. Etwas anstrengen musst du dich schon."

"Du bist eine erstklassige Neurologin." Er küsste ihr Handgelenk und malte ihr Bilder ihrer Zukunft in die Luft. Sie schloss die Augen, um seine Berührungen zu genießen und sich von seinen schönen Worten verzaubern zu lassen. "Ich bin mir sicher, dass du überall einen neuen Job bekommst. Die norwegischen Krankenhäuser werden dich mit offenen Armen empfangen." Wenn er im vollen Besitz seiner Kräfte wäre, würden sie es mit Sicherheit tun. Er würde ihr die Welt zu Füßen legen.

"Du streichelst mein Ego", lachte sie. "Und das gleich bei deinem ersten Argument."

"Hat es dich überzeugt?"

"Ich muss zugeben, beinahe wäre ich schwach geworden."

"Dann muss ich meine Anstrengungen verdoppeln", warnte er sie.

Sie riss gespielt schockiert die Augen auf und rief: "Oh nein, bitte, wie soll ich dann noch widerstehen?"

Und als er begann von ihrem gemeinsamen Haus und den wunderbaren Landschaften Norwegens zu erzählen, blickte sie verträumt auf die Zukunft, die sich vor ihrem inneren Auge abspielte. Es schien möglich und so einfach.

Hannah bemerkte nicht gleich, dass Loki aufgehört hatte zu reden, so gefangen war sie in seiner - ihrer - Zukunftsvision. "Ich würde wirklich gerne mit dir gehen..." flüsterte sie und ein dunkler Schatten legte sich über ihre grauen Augen.

Warum tust du es dann nicht?, dachte er, unterbrach sie jedoch nicht.

"Ich wäre bereit all das hier aufzugeben." Sie beschrieb einen ausladenden Bogen mit ihrer Hand, der ihr ganzes Leben umfasste. "Aber ich weiß nicht wer du bist, Alexander. Ich weiß nur wer du nicht bist."

"Komm mit mir und ich zeige dir wer ich bin."

"Ich muss darüber nachdenken." Sie löste sich aus seinen Armen und ging ins Bad. Er blieb alleine im Bett zurück und überlegte sich, wie lange er wohl noch hier bleiben konnte, bevor SHIELD auf seine Spur kam.

An der Tür blieb Hannah stehen, blickte über ihre Schulter und warf ihm einen Blick zu, der besagte: Wo bleibst du?

Bereitwillig folgte er ihr.
 

Loki betrachtete sein Spiegelbild im großen Spiegel im Bad. Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, es war gewachsen und fiel ihm mittlerweile in leichten Wellen beinahe bis auf die Schultern. Hannah trat hinter ihm aus der Dusche und wickelte sich ein Handtuch um den Körper.

"Vielleicht sollte ich es abschneiden", sagte Loki.

Hannah legte ihm von hinten die Arme um die Hüfte und lehnte ihr Kinn auf seine Schulter. Im Spiegel blickte sie ihn an. "Warum?"

"Es ist ziemlich lang geworden. Früher... habe ich es kürzer getragen."

"Früher?", fragte sie, und er schwieg.

Ihre Mundwinkel hoben sich kaum merklich. Es war dieses grimmige Lächeln, das sie ihm schenkte, wenn sich ihr Gespräch über seine Vergangenheit drehte und er nicht antwortete.

"Stören sie dich?" Er war dankbar, dass sie das Thema Vergangenheit fallen ließ. Manchmal fragte er sich, ob sie das aus Respekt oder Resignation tat.

"Nicht besonders", antwortete Loki. Der Aufwand im Bad war ein wenig größer als vorher, aber es war nicht so, als ob es ihn stören würde.

"Hm." Sie wickelte eine Strähne seines dunklen Haars um ihren Zeigefinger. "Ich mag deine Haare", sagte sie und ihr warmer Atem kitzelte in im Nacken. "Wir könnten die Spitzen schneiden, aber ich würde sie nicht ganz abschneiden."

Er drehte sich in ihrer Umarmung um und beugte sich zu ihr herunter, um sie zu küssen. Ihre Lippen schmeckten nach Zahnpasta.

Irgendwie schafften sie es zurück ins Bett. Ihre Körper waren noch feucht und sie hatten eine Spur kleiner Pfützen vom Bad bis zum Schlafzimmer hinterlassen.

"Oh Gott!", seufzte Hannah, als sie atemlos nebeneinander lagen, und Loki konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wenn du wüsstest, dachte er.

"Du bist unersättlich", neckte er sie, als er sich neben sie sinken ließ.

"Ich muss gestehen, es ist Jahre her seit ich so guten Sex hatte."

"Mhm, jetzt streichelst du mein Ego."

"Und schnurrst du bereits wie ein Kätzchen?"

"Du wirst mich niemals schnurren hören."

"Auch nicht, wenn ich das als Bedingung stelle?"

"Bedingung wofür?"

"Damit ich mit dir gehe." In ihren Augen blitzte es amüsiert, dann wurde sie wieder ernst. "Diese Männer... Warum sind sie hinter dir her?"

Er schwieg. Er wollte sie nicht belügen, aber die Wahrheit konnte er nicht sagen. Das würde sie nicht verstehen.

"Ich verstehe. Ein weiteres Geheimnis."

"In einer dieser Talk-Shows wurde gesagt, dass geheimnisvolle Männer extrem anziehend auf Frauen wirken."

"Auf dummer Frauen vielleicht", schnaubte Hannah. "Intelligente Frauen fragen sich: werden diese vor Anabolika strotzende Schläger überall auftauchen?"

Er blickte ihr lange in die grauen Augen. "Ja", gestand er. "Das ist gut möglich."

"Sie haben versucht dich zu töten."

"Ja."

"Was ist mit mir, wenn ich bei dir bin?"

"Ich weiß es nicht. Sie könnten dich für eine Geisel, für mein menschliches Schutzschild halten und alles daran setzen, dich zu beschützen. Oder sie stufen dich als Kollateralschaden ein."

"Das sind nicht gerade überzeugende Argumente."

"Nein, aber es ist die Wahrheit."

Sie drehte sich auf den Rücken und starrte zur Decke. Schließlich fragte sie: "Bin ich das für dich? Ein menschliches Schutzschild."

"Anfangs, ja. Aber jetzt nicht mehr." Er wartete ihre Reaktion ab. Verabscheute sie ihn dafür, dass er in ihr nur eine Lebensversicherung gesehen hatte? Glaubte sie ihm, dass er nun mehr in ihr sah? Würde er sich glauben? Nein, entschied er. Ich an ihrer Stelle würde mir nicht glauben. Sie weiß, dass alles an mir eine Lüge ist, angefangen bei meinem Namen.

Sie drehte sich wieder zu ihm, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Loki dachte, sie sei eingeschlafen und döste selbst bereits, als er sie leise flüstern hörte: "Ja."

Schläfrig wiederholte er es: "Ja?"

"Ja."

Dann verstand er es. Ja. Sie würde mit ihm kommen. Ja. Sie würde ihr Leben hier aufgeben, um bei ihm zu sein. Er küsste sie auf den Mund und bevor sie beide einschliefen, versprach er: "Ich werde dich beschützen."

Kartenhaus

Irgendetwas stimmte nicht.

Er konnte nicht benennen, was es war, aber ein ungutes Gefühl legte sich auf ihn wie ein schwerer Schleier und stellte ihm die Nackenhaare auf.

Es gab kein merkliches Anzeichen - in den fein säuberlich getrimmten Büschen in Hannahs Garten lauerte keine SHIELD-Agenten, die Tür war nicht aufgetreten worden und hing nicht schief in den Angeln, und am Schloss fanden sich keine Hinweise, dass es auf subtilere Art geöffnet worden war. Und doch... Loki konnte das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war, nicht abschütteln.

Er öffnete die Haustür, darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, und erwartete fast schon, sich im nächsten Moment einem bewaffneten Einsatzkommando gegenüber zu sehen. Der Flur war leer. Der Rest des Hauses lag im Halbdunkel.

Eigentlich hatte er vorgehabt, mit Hannah einen netten Abend auf der Terrasse zu verbringen. Er war sich sicher, dass daraus nichts werden würde.

Loki fand Hannah im Wohn- und Esszimmer auf der Couch sitzend. Sie war alleine. In dem durchgängigen Erdgeschoss gab es nur wenig Versteckmöglichkeiten.

„Warum sitzt du im Dunkeln?“, fragte Loki argwöhnisch. Draußen war es noch hell, aber im Haus schwand allmählich das Licht.

„Hast du jemand anderes erwartet?“, fragte Hannah und nickte auf die Weinflasche, die er wie eine Keule hielt.

Geistesgegenwärtig drehte er die Flasche in seiner Hand und präsentierte ihr das Etikett. „Ich dachte, ich mache dir eine Freude.“

„Wie lieb von dir“, sagte sie, aber in ihrer Stimme schwang keine Freude mit. Sie stand auf, nahm ihm die Flasche aus der Hand und ging in die Küche ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.

"OK...", sagte er zu sich selbst und folgte ihr in die Küche.

Hannah wühlte in der Küchenschublade, dann knallte sie die Schublade zu und rief wütend: "Wo ist dieser verfluchte Korkenzieher?"

Loki lehnte sich neben sie an die Theke, griff an ihr vorbei und nahm den Korkenzieher vom Haken. "Was ist los?", fragte er, während sie mit dem Korkenzieher auf den Korken einstach. Sie antwortete nicht und richtete ihren Blick starr auf die Flasche. "Na schön, dann schweig dich aus." Er nahm ihr die Flasche aus den Händen, öffnete sie und füllte zwei Gläser.

Hannah packte ihr Glas und trank es in einem Zug aus. Entsetzt beobachtete Loki sie dabei. Als sie erneut nach der Flasche griff, packte er ihr Handgelenk. Sie zuckte zurück als hätte sie sich verbrannt.

"Würdest du bitte mit mir reden?" Loki tat einen Schritt auf sie zu, aber sie wich zurück

"Du willst reden, ja?", fragte sie und ihre Stimme klang seltsam hell. Sie hatte die Theke zwischen sich und Loki gebracht. Als Schutzwall, bemerkte Loki.

"Lass uns reden", sagte sie energischer. "Ich hatte heute Besuch von Director Fury, schwarzer Mann mit Augenklappe, klingelt es da bei dir?"

"Ja, ich weiß wer Director Fury ist."

"Toll, du leugnest es noch nicht einmal, dass du ihn kennst", murmelte sie bitter. "Er sagte, du könntest versuchen es zu leugnen."

Wie haben sie mich gefunden?, fragte er sich, doch die Antwort war offensichtlich. Schwarz. Er musste ihn erkannt haben.

"Director Fury hat gesagt, dass er einer Organisation namens SHIELD angehöre, eigentlich nannte er einen viel längeren Namen, aber, wie auch immer, ich hatte beides noch nie gehört. Er sagte, du seist eine Art Gott..."

"Ich... Für euch müssen wir wie Götter wirken."

Fury hatte nicht gewartet bis Hannah ihn herein bat. Er hatte auch nicht gefragt, ob er eintreten dürfe. Nachdem er seinen Namen und seine Behörde genannt hatte, war er an ihr vorbei gegangen, ein Tross Männer in schwarzen Anzügen hinter sich, unter denen Hannah auch Agent Coulson entdeckte. „Kommen Sie doch herein“, hatte sie gemurmelt und war ihm ins Wohnzimmer gefolgt. Sie hätte in Panik geraten sollen – das erschien ihr eine angemessene Verhaltensweise - oder damit drohen können die Polizei zu rufen, doch sie tat weder das eine, noch das andere. Sie hatte diesen Tag erwartet, seit dem Moment, als sie Alexander aus dem Krankenhaus geschmuggelt hatte, und dass er endlich da war, war auf eine eigentümliche Weise befreiend.

Er zeigte ihr ein Bild von Alexander und befragte sie über seinen Aufenthaltsort, und Hannah spielte weiter die Rolle der unwissenden Ärztin. Die Agenten, die nach oben gegangen waren, würden das benutzte Gästezimmer finden, für das sie keine plausible Erklärung hatte, und sie würden Alexanders Sachen finden, darunter auch der gefälschte Norwegische Pass, in dem ein Bild von ihm war. Sie konnte nur auf Zeit spielen und hoffen, dass Alexander den Agenten nicht in die Arme lief.

"Dieser Mann ist extrem gefährlich und seine Ergreifung von höchster Priorität“, sagte Fury mit Nachdruck.

"Alexander Erikson..."

"Sein richtiger Name ist Loki", warf Fury ein.

"Erikson, Loki, wie auch immer, war mein Patient nach seiner Einlieferung ins städtische Krankenhaus. Zu seiner Flucht oder seinem momentanen Aufenthaltsort kann ich Ihnen nichts sagen. Das habe ich bereits Ihrem Mitarbeiter gesagt."

Fury bedachte sie mit einem durchdringenden Blick aus seinem einen Auge. "Natürlich", sagte er. Dann holte er ein Tablett-PC aus seinem schwarzen Aktenkoffer.

"Ist es wahr?", fragte Hannah Loki.

Er atmete hörbar aus. "Mein Name ist nicht Alexander Erikson und ich bin nicht aus Norwegen", sagte er. "Ich bin Loki von Asgard."

"Und das konntest du mir nicht sagen?", fragte sie tonlos. "Wolltest du es mir jemals sagen? Nein, natürlich nicht." Sie fuhr sich mit der Hand über ihr Gesicht. "Fury hat mit Videos gezeigt." Sie erschauerte und blickte ihn an. Loki konnte in ihren Augen den Wunsch lesen, dass er widersprach, dass er ihr sagte: "Das ist nicht wahr."

Es wäre so einfach zu lügen und es kostete ihn so viel Überwindung die Wahrheit zu sagen. Er lief Gefahr sie von sich zu stoßen.

"Ich nehme an, er hat dir Aufnahmen aus New York gezeigt?"

Sie nickte.

"Es ist wahr."

Sie schloss die Augen. Er konnte ihre Hände zittern sehen.

"Loki kann sehr überzeugend sein", sagte Fury.

Hannah hatte den Angriff auf New York in den Nachrichten verfolgt – wer hatte das nicht? Aber nie, niemals im Leben, hätte sie vermutet, dass Alexander... Loki für den Angriff verantwortlich war. Woher hätte sie das denn wissen sollen?

Sie bemerkte Furys aufmerksamen Blick, der auf ihr lag, und räusperte sich. „Wie meinen Sie das?"

"Ich kann mir vorstellen, dass er sehr charmant war, außerdem, dass er die Rolle des Hilfesuchenden perfekt verkörperte."

Hannah musste sich eingestehen, dass sie Alex... Loki anfangs als alles andere als charmant empfand. Er war gutaussehend, das ja, aber charmant ihr gegenüber verhielt er sich erst an dem Abend, an dem sie gemeinsam Essen waren. Davor war es eine reine Zweckgemeinschaft gewesen, sie war ein Werkzeug, das ihn vielleicht zu seinem Ziel führte. Wenn sie nach dem ging, was ihr Fury gesagt hatte, dann war es für Loki auch danach noch eine reine Zweckgemeinschaft.

"Ich kann mir vorstellen, dass Sie ihm helfen wollten. Sie wussten nicht, wer er wirklich ist und sie hegten Sympathien für ihn."

Was glaubt dieser Mann, wer ich bin?, fragte sie sich, über seine Worte verärgert. Ein kleines Dummchen?

"Ich hatte noch am ersten Abend Zweifel, ob es das richtige war", sagte Hannah eisig. Berechtigte Zweifel, falls sich die Authentizität dieser Videos bestätigte. Das wollte für sie einfach nicht zusammen passen. Alexander und New York.... Nein, Loki und New York, verbesserte sie sich. Sie hatte geglaubt Alexander fassen zu können - nicht zu kennen, denn sie wusste quasi nichts über ihn, aber doch ihn einschätzen zu können. Loki hingegen war für sie nicht greifbar.

"Sie sind nicht zur Polizei gegangen...", sagte Fury.

Verdammt, dachte sie und verfluchte sich selbst.

"...Weil Sie den wahren Loki kennen lernten und ich kann mir vorstellen, dass der weniger charmant war."

Hannah sah, was er beabsichtigte, er bot ihr eine Chance ihr Gesicht zu wahren. Ein kluger Mensch hätte die Chance ergriffen. Hannah jedoch war wütend.

"Sie können sich sehr viel vorstellen, Director Fury", sagte Hannah, auch auf die Gefahr hin, dass diese Geheimgesellschaft sie verschwinden lassen würde.

"Ich würde dir niemals etwas tun, das weißt du." Er umrundete die Theke und und nahm ihr Gesicht in seiner Hände. "Fürchtest du mich?"

"Ja", flüsterte sie. "Nein... Ich weiß nicht. Fury hat mich gewarnt, er sagte, du seist ein Meister der Manipulation. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich glauben soll, was ich glauben kann."

Loki hatte sie von Anfang an belogen, er konnte ihre Zweifel an seinen Worten nachvollziehen.

"Hannah", begann er. "Wenn du meinen Worten keinen Glauben schenken kannst, dann vielleicht meinen Taten. Sag mir, was ich tun muss, um dein Vertrauen zurück zu gewinnen. Sag es und ich tu es."

„Hast du den Führerschein?“

„Ja.“

"Dann musst du gehen!"

Ihre Worte schnitten tief in sein Herz. All die anderen Dolchstöße verblassten dagegen - die Lügen des Vaters, die Freunde, die ihn hintergangen, die Mutter, die ihn verstieß, und der König, der ihn verbannte. Hannah durchdrang seine Abwehr als wäre sie Luft.

Ich habe dich gewarnt, sagte die leise Stimme. Narr!

"Wie du wünschst", zwang er sich zu sagen. Die Worte verwandelten sich zu Asche in seinem Mund, schmeckten bitter.

"Nein, du verstehst nicht." Hannah packte Loki am Arm und zog ihn hinter sich die Treppe hinauf. "Bevor er gegangen ist, fragte mich Fury, ob ich wüsste wohin du gegangen bist. Ich sagte ihm, dass du deine Pläne nicht mit mir geteilt hast - das passte ihm übrigens gut in sein Bild von dir. Ich sagte ihm, dass du im Internet Flüge in die USA gesucht hättest und das alarmierte ihn. Ich schätze, er hat mir nicht vollkommen geglaubt. Er hat einen Agenten zurück gelassen, für den Fall, dass du zurück kommst." Sie drückte ihm eine Reisetasche in die Arme, darin befanden sich alle Habseligkeiten, die er besaß. "Du musst jetzt gehen", wiederholte sie mit Nachdruck. "Bevor die Kavallerie anrückt."

Loki war sprachlos und das geschah äußerst selten. Er stellte die Tasche auf den Boden, zog Hannah an sich und küsste sie.

"Ich komme zurück", versprach er.

Sie lächelte schwach. "Wenn sie dich aus dem Gefängnis lassen?"

„Melde ihnen, dass ich da war“, bat Loki sie. „Rette dich selbst.“

"Geh", flüsterte sie mit dünner Stimme und wandte sich ab.
 

Das Garagentor kroch quälend langsam nach oben. Als es weit genug hochgefahren war, dass ein Auto hindurch passte, drückte Loki das Gaspedal durch und das Auto schoss aus der Garage, über die Einfahrt und auf die Straße.

Dort erwarteten ihn bereits Dutzende SHIELD-Agenten. Sie eröffneten das Feuer auf das Auto und Loki musste sich hinter das Armaturenbrett ducken.

Er riss das Lenkrad herum und die Reifen quietschten, als er um die Kurve schlitterte. Hinter ihm hörte er einige Wagen scharf anfahren.

Loki dankte Hannah in Gedanken für die Fahrstunden, die sie ihm gegeben hatte. Die Hälfte der Wagen hatte er innerhalb kürzester Zeit abgehängt, anders als seine Verfolger kannte er die Straßen zumindest bruchstückhaft.

Er wollte auf die Autobahn auffahren, aber dort hatten Polizisten eine Blockade errichtet. Diese Typen waren schnell, das musste er ihnen zugestehen.

Er fuhr weiter in Richtung Zentrum.

Kurz vor einer entgegenkommenden Straßenbahn bog er nach links. Die Bahn streifte das Heck des Wagens und der Wagen geriet ins Schlittern. Der erste Verfolger konnte nicht rechtzeitig bremsen und fuhr in voller Geschwindigkeit auf die Bahn auf, der andere Wagen konnte bremsen, musste aber die Bahn umfahren. Das verschaffte Loki einen enormen Vorsprung.

Vielleicht hätte er ihnen entkommen können, wäre er nicht in eine Sackgasse gefahren.

"Das darf doch nicht wahr sein!", fluchte er laut und schlug aufs Lenkrad. Er stieg aus, als der dunkle SHIELD-Wagen um die Ecke bog.

Er sprintete auf den Wagen zu, das Training auf dem Laufband war ihm also doch zu etwas nutze. Es gab nur einen Ausweg aus dieser Straße und der Fahrer hielt mit dem Wagen auf Loki zu. Loki sprang und stieß sich von der Motorhaube ab. Leider funktionierte das nicht so, wie er geplant hatte, er prallte hart auf dem Boden auf, konnte sich aber dennoch abrollen und kam gleich wieder auf die Beine.

Die Agenten rissen ihre Türen auf und schossen auf ihn. Eine Kugel drang in die Wand zu seiner Rechten ein. Haken schlagend setze er seinen Weg fort.

Ein Pfeil bohrte sich in seinen linken Oberschenkel. Loki stolperte in Deckung. Er zog den Pfeil aus der Wunde, dabei musste er die Zähne zusammen beißen, um nicht laut auf zu schreien. Barton war irgendwo dort oben.

Er ging seine Optionen durch. Erstens, er konnte hier bleiben, wo ihn die Agenten in Minuten finden würden. Zweitens, er konnte versuchen sich weiter durch zu schlagen und riskieren von Barton mit Pfeilen gespickt zu werden, bis er aussah wie ein verdammter Igel. Und drittens, er ging den Weg zurück und lief den Agenten direkt in die Arme. Er bevorzugte keine der Optionen.

Komm schon, dachte er. Hier muss es noch einen anderen Ausweg geben!

Er suchte seine Umgebung ab und entdeckte eine Metalltür auf der anderen Seite der Straße. Er könnte die Agenten in dem Gebäude abhängen und er wäre dort vor Barton sicher, aber er musste es erst einmal zur Tür schaffen und dann musste sie unverschlossen sein. Das waren sehr viele Unbekannte in einer Gleichung...

Er raffte sich auf, hielt seine Hand auf die Wunde gepresst und rannte los. Er schlug keine Haken. Barton war ein außergewöhnlicher Schütze, er würde sich nicht davon täuschen lassen. Als er die Tür erreichte, wurde er von einem weiteren Pfeil in die Schulter getroffen. Er warf sich gegen die Tür und war unendlich erleichtert, als sie nach Innen aufschwang.

Dahinter befand sich ein kleiner Lagerraum. Er durchquerte ihn, doch als er die Tür auf der anderen Seite zu wankte, bemerkte er, dass seine Sicht verschwamm. Barton hatte ihn vergiftet! Dieser verfluchte Mistkerl! Er zog den Pfeil aus seiner Schulter.

Hinter dem Lagerraum lag ein kleiner Verkaufsraum. Durch den Vordereingang traten gerade zwei Agenten. Loki rammte dem einen den Pfeil in die Kehle und stieß ihn gegen den anderen und verließ den Laden hinkend und wankend.

Er überquerte einen belebten Platz und hielt auf die Straßenbahn zu.

Erholung

Er hatte die Nacht auf dem Boden des schäbigen kleinen Bades verbracht. Von den harten, kalten Fließen schmerzten seine Knochen, aber dieser Schmerz war Nichts im Vergleich zu den Auswirkungen des Giftpfeils. Sein Inneres wurde nach außen gekehrt. Zusammen gekrümmt lag er da und betete, jemand möge ihn von seinen Qualen erlösen, aber niemand tat ihm diesen Gefallen.

Am vorangegangenen Tag hatte er es irgendwie geschafft, trotz des schnell wirkenden Giftes in seinem System, SHIELD zu entkommen und in dieser schäbigen Unterkunft, die sich Hotel nannte, unterzutauchen. Es war das einzige Etablissement, das ihm ein Zimmer vermittelte auch ohne Vorlage eines Ausweises.

Es kostete ihn alle Kraft, die er aufbringen konnte, sich am Waschbecken auf seine zitternde Beine zu ziehen. Er spritzte sich, schwer auf den Waschbeckenrand gestützt, kaltes Wasser ins Gesicht und spülte sich den Mund aus, um den bitteren Geschmack loszuwerden. Es gab keinen einzigen Spiegel im Zimmer und er war froh darüber, er fühlte sich elend genug, er brauchte nicht auch noch seine Schwäche vorgehalten zu bekommen.

Mit einigen Pausen, in denen er darauf wartete, dass der Schwindel sich legte und er wieder zu Atem kam, schaffte er es, sich bis zum Bett zu schleppen. Er ließ sich Gesicht voran auf die durch gelegene Matratze fallen und rührte sich nicht mehr. Wenn ihm dieses Gift den Rest geben sollte, so wollte er nicht im Badezimmer zu Füßen der Toilette sterben. So viel Würde wollte er sich bewahren.

Die Halluzination war der endgültige Beweis: es ging mit ihm zu Ende.

Die Welt hatte bereits seit Stunden ihre Klarheit verloren und war zu unscharfen Umrissen verschwommen, doch die Gestalt seines Bruders stach aus der Unschärfe hervor wie der Heilige auf einer Ikone. Nur ohne den obligatorischen Heiligenschein.

Thors blaue Augen füllten sein Blickfeld aus, das Gesicht von den langen blonden Haaren umrahmt. Sein Mund bewegte sich, aber Loki hörte nichts.

Loki streckte seine Hand nach dem Trugbild aus und flüsterte heißer: "Bruder... Verzeih mir..." Er war geblendet gewesen. All die Jahre, die sie gemeinsam verbracht hatten, all die Dinge, die sie gemeinsam erlebt hatten, all die Streiche, die sie gemeinsam ausgeheckt hatten. Er hatte all das weggeworfen. Thor hatte sich oft über Loki gestellt und ihm seine überlegene physische Kraft demonstriert, aber, wenn er ehrlich war, er hatte es ihm ebenso oft mit seiner Magie heim gezahlt. Thor, sein Bruder, vielleicht nicht im Blut, aber durch die Liebe, die sie teilten. Und er hatte diese Liebe verspielt. Er hatte alles verspielt.

Er dachte an Hannah. Hannah, die ihn fürchtete, Hannah, die vor ihm zurück wich. Und an Hannah, die ihn anlächelte, Hannah, die er küsste. Er hatte sie in Gefahr gebracht und hoffte, dass ihr nichts geschah. Er wollte, dass sie glücklich war, dass sie in ihrer Arbeit aufging, dass sie... Er wollte sie bei sich haben, wollte ihr noch so viel sagen.

Er hatte sie zurück gelassen. Er hatte ihr versprochen zurück zu kehren. Er hatte sie erneut belogen.

"Es ist... besser so..." Sollte sein Leben enden, bevor er alles noch verschlimmern konnte. Die Gegenwart seines Bruders war tröstlich, selbst wenn es nur ein Produkt seiner Fantasie war. Er war bereit diese Welt zu verlassen.

Er schloss die Augen und überließ sich der Dunkelheit.

"Bin ich tot?" Loki schlug die Augen auf. Er befand sich immer noch in dem schäbigen Hotelzimmer. War das die Hölle, vor der die Sterblichen sich fürchteten? War er dazu verdammt den Rest seines Lebens... seines Todes in dieser Absteige zu verbringen, bis zum Ende aller Tage?

"Du bist nicht tot." Thor setzte sich neben ihm auf die Matratze, die unter seinem Gewicht nachgab. "Aber es war verdammt knapp. Wie fühlst du dich, Bruder?"

"Erinnerst du dich daran, wie wir versuchten ein Bilgen-Schwein zu fangen, um es zu reiten?"

Thor verzog das Gesicht. "Nur zu gut, auch, wenn ich es gerne vergessen würde."

"Es ist schlimmer."

Mitfühlend streckte Thor die Hand nach ihm aus. Er zögerte kurz, aber als Loki keine Anstalten machte ihn aufzuhalten, legte er ihm die Hand an die Wange. "Ich bin froh, dass du noch am Leben bist, Bruder." In seinen blauen Augen schimmerten Tränen.

Es schnürte Loki die Kehle zu. Wie hatte er nur so ignorant sein können? Thor hatte immer wieder versucht, ihm die Hand zu reichen und er hatte sie weg geschlagen. Er wusste, dass dies vielleicht die letzte Gelegenheit war, seine Hand zu ergreifen, also tat er es. Er legte seine Hand auf Thors.

"Jedes mal muss ich dir zu Hilfe eilen, wenn du bis zum Hals in der Patsche steckst."

Loki lachte schwach.

"Hast du Hunger?", fragte Thor und stand auf, um etwas vom Tisch zu holen. "Ich habe dir etwas zum Essen besorgt."

Von dem Geruch wurde Loki übel. "Stell es weg", stöhnte er.

Thor musterte ihn besorgt. "Du musst etwas essen." Er setzte sich auf die Bettkante und öffnete den Deckel des Behältnisses. "Du bist ganz ausgezehrt."

Loki versuchte nicht zu würgen. "Bitte, stell es weg!", stieß er hervor.

Thor nahm einen Löffel voll Suppe und hielt sie ihm hin. "Nur einen Löffel", flehte er. "Bitte, versuch es."

"Ich kann nicht." Loki wusste, dass er nichts bei sich behalten könnte.

"Du musst! Ich bin nicht den verflucht weiten Weg von Asgard hierher gekommen und habe dich gerettet, um jetzt zu zu sehen wie du verhungerst!"

Loki biss die Zähne aufeinander. "Gib mir den Löffel. Ich kann alleine essen."

"Du kannst kaum deinen Arm heben, wie willst du einen Löffel heben? Verdammt, Loki, sei nicht immer so stur!" Er hielt ihm demonstrativ den Löffel hin. Loki stieß den Atem aus, dann öffnete er den Mund und ließ sich von seinem Bruder füttern. "Das ist wie damals, als du am Fieber erkrankt warst."

"Thor, ich bin kein kleiner Junge mehr."

"Nein, das bist du nicht", sagte er sanft. "Aber du wirst immer mein kleiner Bruder bleiben."

Um seine Verlegenheit zu überspielen, fragte Loki: "Wie kommst du überhaupt auf die Erde? Ist der neue Bifröst in meiner Abwesenheit fertig gestellt worden?"

"Nein", antwortete Thor und vermied es Loki anzusehen. "Ich – nun, offiziell bin ich nicht hier, sondern auf Vanaheim."

"Odin weiß nichts davon?"

"Nein und, wenn Heimdall Wort hält, wird Vater es vorerst auch nicht erfahren."

Thor räumte die Reste der Suppe weg, als er merkte, dass Loki an seine Grenzen stieß. Aus dem Bad rief er: "Du hast im Fieberwahn immer wieder einen Namen geflüstert." Wasser wurde aufgedreht. "Anna oder so ähnlich?" Thor war ein schlechter Lügner. Bei dieser Gabe hatte Loki den Löwenanteil bekommen, Worte schlüpften ihm schon immer leicht über die Lippen und er hatte ein natürliches Gespür dafür, was sein Gegenüber hören wollte.

"Hannah", verbesserte Loki und ließ sich auf Thors kleines Spiel ein.

Thor kam wieder aus dem Bad. "Hannah, ja das war der Name." Wie beiläufig fragte er: "Wer ist sie?"

Loki fühlte sich erschöpft, daher antwortete er: "Warum erzählst du mir nicht, was du über sie weißt und ich ergänze deine Ausführung hier und dort?" Sein Bruder lächelte ertappt.

"Ich weiß, dass du bei ihr gewohnt hast."

"Das wissen mittlerweile ziemlich viele Menschen."

Thor lachte und reichte ihm ein Glas Wasser. "Und ich weiß, dass ihr eine, mhm, romantische Beziehung hattet." Loki verschluckte sich und hustete. Thor schlug ihm kräftig auf den Rücken, bis er wieder Luft bekam.

"Woher weißt du das?!", krächzte Loki.

"Ich habe Heimdall gebeten, für mich ein Auge auf dich zu haben. Ich war ehrlich berührt von eurer Beziehung." Thor sagte das, als würde er von einer Soap erzählen, die er gesehen hatte.

"Du, Bruder, bist ein Spanner!"

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!"

"Das Privatleben anderer auszuspionieren, nennt man meines Wissens nicht sich sorgen!"

"Es tut mir Leid. Ich weiß, das war nicht richtig von mir, aber... Ich musste mich versichern, dass... Die Frau..." Er brach verlegen ab und Loki verstand.

"Du wolltest dich versichern, dass ich ihr nichts tue." Lokis Gesicht war eine starre Maske. Er hätte es wissen müssen, immerhin war er ein Monster.

"Ich... Es tut mir Leid..."

"Ich bin erschöpft." Er drehte sich auf die Seite, was ein Fehler war, weil seine Schulter ihn daran erinnerte, dass sie von einem Pfeil getroffen worden war, aber er wollte Thor nicht in die Augen blicken, und zog die Decke über sich.

"Loki." Thor zupfte die Decke zurecht, aber Loki tat so als sei er bereits eingeschlafen. Er wollte nicht mit seinem Bruder reden und er wollte nicht über Hannah reden, er wollte nicht einmal an sie denken. Alles, was er wollte, waren einige Stunden Dunkelheit und Gefühllosigkeit.

Loki sollte Recht behalten, er konnte die Suppe nicht bei sich behalten, doch Thor war unerbittlich und zwang ihn immer wieder etwas zu essen und nach einigen Tagen besserte sich Lokis Zustand. Loki schlief in dieser Zeit sehr viel und wenn er aufwachte, hörte er, dass Thor mit jemanden telefonierte. Sobald Thor jedoch bemerkte, dass Loki bei Bewusstsein war, beendete er den Anruf und kümmerte sich um ihn. Wenn Loki ihn auf die Telefonate ansprach, lächelte Thor nur und sagte: "Ich bin deinetwegen hier und ich werde solange bleiben, wie du brauchst, um zu regenerieren."

Er wusste mit wem sein Bruder telefonierte, es war nicht wirklich schwer zu erraten. Thor war auf der Erde und konnte seine Wissenschaftlerin nicht sehen und erneut war er daran Schuld. Thor hatte ihm verraten, dass seine Zeit auf der Erde begrenzt war und er am nächsten Tag wieder nach Asgard zurück kehren musste.

"Ich kann deinen liebeskranken Blick nicht ertragen!" Loki setzte sich im Bett auf. "Die heimlichen Telefonate, wenn du denkst ich schlafe, die sehnsüchtigen Blicke, wenn du denkst ich sehe nicht hin. Du sprichst sogar von ihr, wenn du schläfst." Letzteres war eine Lüge. Loki hatte Thor noch kein einziges mal schlafen gesehen, seitdem er hier war, und allmählich zeigten sich tiefe Schatten unter seinen Augen. "Geh endlich, damit ich diesen Anblick nicht länger ertragen muss!"

"Du kannst sagen, was du willst, ich bleibe."

"Sieh mich an, ich bin wieder gesund." Er zwang sich aus dem Bett aufzustehen und im Zimmer auf und ab zu laufen, um es zu beweisen.

"Du bist leichenblass und siehst aus, als würdest du jeden Moment zusammen klappen", sagte Thor trocken.

"Ich glaube das könnte passieren“, gab er zu und setzte sich. Die wenigen Schritte hatten ihn angestrengt. "Dieser sterbliche Körper ist zu nichts zu gebrauchen." Thor setzte sich neben ihn und klopfte ihn leicht auf die Schulter.

"Es wird andere Möglichkeiten geben, Jane zu sehen. Ich weiß es."

"Was ist, wenn du sie erst wieder siehst, wenn der Bifröst fertig gestellt ist? Wenn sie dann eine alte Frau ist?"

"Dann hoffe ich, dass sie ein erfülltes Leben hatte und nicht auf mich gewartet hat. Ich habe lange darüber nachgedacht und meinen Frieden mit dieser Möglichkeit geschlossen." Vielleicht verdiente er doch den Heiligenschein.

"Du magst damit Frieden geschlossen haben, ich habe es nicht. Ich will nicht der Grund sein, dass deine Wissenschaftlerin bei eurem nächsten Treffen schon so alt ist, dass sie einen Herzinfarkt bekommt, wenn sie dich sieht." Einer von ihnen sollte glücklich sein und wie es aussah würde er es nicht sein. "Geh! Oder muss ich dich erst eigenhändig raus werfen?"

"Glaubst du, du kannst das?", fragte Thor grinsend.

"Ich werde es versuchen und wenn es das letzte ist, was ich tue."

Unschlüssig lief Thor durch das Zimmer. "Und du kommst wirklich zurecht?"

"Ich werde die Ruhe und den Frieden genießen, wenn ich endlich aus deinen Glucken-Schwingen entkommen bin."

Thor hatte sich entschieden. Er zog Loki auf die Füße und in eine Umarmung. "Danke, Bruder", murmelte er. Dann hielt er ihn eine Armlänge von ihm und musterte ihn streng. "Pass auf dich auf, iss regelmäßig und halte dich von Schwierigkeiten fern!"

"Ja, Mutter."

"Ich meine es ernst!" Thor zerquetschte ihn beinahe. "Ich kann dir nicht immer zur Hilfe kommen." Loki erwiderte die Umarmung und die Brüder verabschiedeten sich voneinander.

Bevor Thor ging sagte er noch: "Ich hatte Unrecht. Dr. Schwarz war nie in besseren Händen als deinen. Verzeih mir."

Er lag in der Badewanne, die bis zum Rand mit heißem Wasser gefüllt war. Die Wärme tat seinem geschundenen Körper gut und er nutzte die Zeit zum entspannen. Seitdem er herausgefunden hatte, was er war, empfand er seine Vorliebe für heißes Wasser als paradox. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wo man in Jotunheim heißes Wasser herbekommen wollte. Es war ein so kalter und dunkler und trostloser Ort, er konnte verstehen, dass die Riesen von dort fort wollten.

Seine Welt erschien ihm momentan ebenfalls kalt und dunkel und vorallem trostlos, dabei war er eben noch dabei gewesen, sich an sie zu gewöhnen. Er musste an Thor denken und hoffte, dass er es noch rechtzeitig zu seiner Wissenschaftlerin, zu Jane, geschafft hatte.

Als seine Hände und Füße schrumpelig wurden und er das Gefühl hatte, sauber zu sein, stieg er aus der Wanne und schlang ein Handtuch um seinen Körper. An der Wand hing ein wenig Vertrauen erweckender Haartrockner, den er ignorierte, stattdessen frottierte er seine Haare mit einem Handtuch, um sie dann an der Luft trocknen zu lassen. Lange Haare waren aufwändig, er hatte bereits überlegt sie abzuschneiden, nicht zuletzt, weil sie ihn leicht verraten konnten. Die Männer Midgards trugen überwiegend kurze Haare, manche sogar gar keine. "Ich mag deine Haare", hatte Hannah geflüstert und ihre langen Finger durch seine Haare gleiten lassen. Die Erinnerung an diesen Morgen ließ einen wohligen Schauer über seinen Rücken streichen. Nein, beschloss er, sie bleiben wie sie sind.

Er schüttete seine Tasche auf dem Bett aus und machte eine Bestandsaufnahme. Er hatte: eine schwarze Stoffhose, eine Jeans (die gewaschen und am Knie geflickt werden musste) und eine kurze Hose; ein weißes legeres Hemd (mit einem getrockneten Blutfleck am Rücken, von dem er nicht wusste, ob er ihn jemals wieder raus bekommen würde), ein Polo-Shirt und einen Pullover; über dem Stuhl hing seine Lederjacke; dann noch mehrere Paare Unterwäsche und Socken und das paar Turnschuhe, das er getragen hatte. Der Herbst war angebrochen und er würde bald Winterkleidung auftreiben müssen, aber in den letzten Tagen waren die Temperaturen noch einmal gestiegen, daher entschied er sich für die kurze Hose und das Shirt. Die Haare fasste er zu einem Knoten an seinem Hinterkopf zusammen. Das sollte unauffällig genug sein, dachte er, als er seine Spiegelung in einem Topf aus der Küchenzeile begutachtete. Er zog noch die Mütze auf und war zufrieden mit seiner Tarnung.

Die Kleider und die Jacke stopfte er zurück in die Tasche. In seinem Geldbeutel befanden sich 564,30 Euro, damit sollte er noch eine Weile zurecht kommen, seine Papiere, eine Telefonkarte, die Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel und die Bilder aus dem Fotoautomaten. Er strich kurz über das Foto, dann steckte er den Geldbeutel in eine der Seitentaschen seiner Hose.

Sein Blick fiel auf den Berg an Nahrungsmittel, den Thor aufgetrieben hatte. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es in Supermärkte ganze Regale voller Suppe gab, Suppe, die man mit heißem Wasser anrühren musste und Suppe, die man in der Mikrowelle erhitzen konnten, es gab sogar Restaurants, die einem Suppe nach Hause lieferten. Suppe gab es in unzähligen Variationen, er kannte Pilzcremesuppe und Spargelcremesuppe, Broccolisuppe und Nudelsuppe, Kartoffelsuppe und Karottensuppe, man konnte aus beinahe allem eine Suppe kochen. Den Möglichkeiten waren nur durch die Fantasie des Kochs Grenzen gesetzt. Dass Thor keinerlei Fantasie besaß, sah Loki daran, dass er nur eine einzige Sorte Suppe gekauft hatte - Hühnersuppe - und die in rauen Mengen. Thor hatte behauptet, die Menschen wären der Überzeugung, dass Hühnersuppe bei Krankheit half. Loki war sich nicht sicher gewesen inwiefern das ihn betraf, da er vergiftet worden und nicht krank war, aber hatte sich nicht in der Lage gefühlt zu widersprechen.

Alles konnte er nicht mitnehme und auch wenn er keine Hühnersuppe mehr sehen konnte, er packte ein, was noch in die Tasche passte und ließ den Rest da.

Dann ging er los um sich in der Stadt etwas zu essen zu holen, das nicht einmal im entferntesten einer Suppe glich.

Rückkehr

Ein Jahre war vergangen.

Ein Jahr, in dem Loki in einem neuen Land von Vorne beginnen musste. Ein Jahr, in dem er das wenige Geld, das er bei sich getragen hatte, vermehren musste. Ein Jahr, in dem er seine politische Ambitionen auf Eis legen und in den Finanzsektor wechseln musste, denn als Politiker war er eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, was nicht vereinbar war mit dem Leben eines Flüchtigen; Börsenmakler hingegen kannte kaum jemand. Ein Jahr, in dem er sich von ganz unten nach ganz oben arbeiten musste.

Der Finanzmarkt war ein einträgliches Geschäft und ermöglichte ihm ein komfortables Leben. Er besaß eine kleine Halbinsel mit einem weitläufigen Haus, ein Penthouse in Oslo und einen schnellen Sportwagen. Es mangelte ihm an Nichts.

Nur Hannah fehlte.

Loki war sich des Risikos bewusst, das seine Rückkehr barg, aber er konnte nicht anders. Aus verlässlichen Quellen wusste er, dass SHIELD weiterhin Hannahs Haus überwachte. Es war eine List notwendig, um die Agenten, die um das Haus und in den angrenzenden Straßen postiert waren, weg zu locken. Das Internet war dabei sehr hilfreich.

Er blickte auf seine Uhr. 16:59 Uhr. Noch eine Minute.

Er schlug den Kragen seines Kaschmirmantels nach oben, zog die Mütze tiefer ins Gesicht und lief zu seiner Position an der Straßenkreuzung.

17:00 Uhr. Die Hölle brach von allen Seiten los. Hundert Menschen strömten von überall her auf die Straßen. Die SHIELD-Agenten verließen ihre Posten und versuchten die Menschenmasse in Schach zu halten, waren aber aufgrund der schieren Menge machtlos. Flashmob war das Zauberwort.

Loki konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er unbehelligt bis zur Haustür gelangte, er schlüpfte regelrecht unter den Augen SHIELDs hindurch. Ein Geniestreich. Einer seiner besten.

Hannah war noch nicht zuhause, ihr Dienst endete erst in einer Halben Stunde, solange musste er warten. Er legte den Mantel ab und betrat das Wohnzimmer. Hannah hatte die Vorhänge zugezogen, die ständige Beobachtung von SHIELD war ihr also bewusst.

Loki überprüfte sein Spiegelbild im großen Spiegel in der Diele. Der dunkle Designeranzug saß perfekt, es war ein besonderer Anlass und er war mehr als angemessen.

In der Küche arrangierte er eine Flasche von Hannahs Lieblingswein und die kleine Schachtel auf der Theke. Er benahm sich wie ein Narr und er war froh, dass ihn niemand dabei sah - nun fast niemand. Er freute sich, Hannah wiederzusehen, gleichzeitig fürchtete er sich auch davor. Was wenn sie ihn nicht sehen wollte? Er musste hier sein und sie sehen, doch wusste er auch, dass er in Norwegen hätte bleiben sollen, wo er relativ sicher war, wo seine Zukunft lag. Er legte zum tausendsten mal die Schachtel anders hin und fragte sich, ob das Armband darin Hannah gefallen würde.

Energisch trat er einen Schritt zurück und setzte sich an den Esstisch. Die Anspannung und die Gefahr zerrissen ihn innerlich und er sprang von seinem Platz auf, um hin und her zu laufen. Aber auch das machte es nicht besser, also setzte er sich wieder.

Um Punkt 18 Uhr wurde die Tür geöffnet, aber es war nicht Hannah, die da im Türrahmen stand. Aufrecht und in goldener Rüstung stand dort Odin.

"Vater?" Es war Loki einfach über die Lippen gerutscht, aus Überraschung ihn zu sehen. "Was machst du hier?"

Odin schloss die Tür hinter sich und kam auf ihn zu. "Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen, mein Sohn."

"Wieso?" Loki war sich bewusst, dass er nicht genug Sühne für seine Taten geleistet hatte - nicht in den Augen der Richter Asgards. Und er hatte nicht von seinen Plänen abgelassen, Macht zu übernehmen. Odin musste davon wissen, denn Loki war sich sicher, dass Thor nicht der einzige war, dem Heimdall Bericht erstattete.

Odins Antwort war ein einzelnes Wort: "Ragnarök."

"Der Weltuntergang?" Hätte ein anderer als sein Vater dieses Wort ausgesprochen, Loki hätte es für einen Scherz gehalten, aber Odin scherzte nicht - nicht in einer derart ernsten Angelegenheit. "Es ist ein Märchen für Kinder", sagte Loki dennoch, nicht ganz überzeugt.

"Siehst du die Anzeichen nicht, Sohn? Es ist zu kühl, die Sommer in diesem Teil der Welt müssten viel wärmer sein", begann Odin eine Aufzählung. "Der Fimbulwinter zieht herauf. Die Erde erbebt und die Berge speien Feuer, Stürme brechen Bäume und decken Häuser ab, die Flüsse treten über ihre Ufer. Die Welt bereitet sich auf ihr Ende vor."

Loki waren die vermehrten Naturkatastrophen in letzter Zeit nicht entgangen, er hatte ihnen nur keine große Bedeutung beigemessen.

"Dann ist es also wahr?"

Odin nickte. "Das ist es, mein Sohn."

"Ich kann nicht mit dir kommen." Er konnte nicht zurück, er wollte nicht zurück. Nicht jetzt, wo er kurz davor stand Hannah zu sehen.

"Rede keinen Unsinn!", donnerte Odin. "Du wirst hier sterben."

"Ich fürchte den Tod nicht." Es war eine Lüge. Er fürchtete ihn sehr wohl, aber Hannah linderte diese Furcht. "Ich werde bleiben."

"Diese Entscheidung überlasse ich nicht dir."

Gepanzerte Hände fassten nach Loki, und als schwacher Mensch ohne jegliche Macht oder Magie - welche Chance hatte er da gegen einen Gott? Gegen den Allvater? Loki setzte sich zur Wehr, doch die Hand, die seinen Oberarm umklammert hielt, löste sich keinen Millimeter.

"Es ist zu deinem Besten!", ächzte Odin und machte sich mit seiner freien Hand am Tesserakt zu schaffen.

Loki hörte wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und schrie Hannahs Namen. Absätze klapperten auf den Dielen im Flur. Dann kam sie um die Ecke gebogen, die Augen weit aufgerissen. Odin zwang Loki dazu den Griff zu umfassen und der Tesserakt glühte auf.

"Nein!", brüllte er und reckte sich Hannah entgegen, den Arm ausgestreckt, die Finger abgespreizt.

"Loki!", rief sie und er sah die Verwirrung und Angst in ihren Augen - sie wusste nicht, was geschah.

Hannah rannte auf Loki zu. Ein animalischer Instinkt tief in ihrem Innern sagte ihr, dass sie ihn für immer verlieren würde, wenn sie ihn jetzt nicht erreichte. Also rannte sie, so schnell sie konnte, um die wenigen Meter zwischen ihnen zu überbrücken.

Sie streckte die Finger nach Loki aus, und er und der Mann in goldener Rüstung verschwanden vor ihren Augen.

Sie stolperte, fiel durch leere Luft und kam hart auf den Knien auf. Bedächtig wie ein Schlafwandler drehte sie sich um. Da war nichts.

Sie war alleine.

Hoffnung

Er verbrachte die meiste Zeit in seinem Zimmer. Odin hatte darauf verzichtet ihn in seine Gefängniszelle zurück zu stecken und es war ihm erlaubt, sich frei auf Asgard zu bewegen, doch er zog es vor für sich zu sein. Die Gesellschaft anderer ertrug er nicht und ihre mitleidigen oder misstrauischen Blicke noch viel weniger.

Mit seiner Rückkehr nach Asgard war auch seine göttliche Kraft zurück gekehrt, nicht jedoch seine Magie, die immer noch versiegelt war. In den endlosen Stunden, in denen er auf seinem Bett lag und die Decke anstarrte oder am Fenster saß und die Wolken am Himmel beobachtete, hatte er sich oft gefragt, wie diese Siegel funktionierten. Ob sie willkürlich gesetzt waren und nach einer bestimmten Zeit brachen, oder ob es Voraussetzungen gab, die er auf die eine oder andere Art erfüllen musste.

Seine Stimme hatte er zurück erhalten, als er Hannah vor ihrem Mann beschützte. Es musste zusammen hängen. Es konnte kein Zufall sein, dass diese beide Ereignisse zusammen fielen. Oder doch?

Wenn er seine Stimmer wieder fand, weil er Sorge für einen Sterblichen zeigte, warum hatte er dann seine Götterkräfte wieder? Welches Ereignis hatte das ausgelöst? Oder war die Bedingung nach Hause zu kehren?

Ihre Fingerspitzen hatten sich berührt, flüchtig wie die Berührung einer Feder, und wenn er die Augen schloss, spürte er noch die Wärme ihrer Haut auf seiner. Es hatte nicht viel gefehlt. Nur ein Paar Millimeter und er hätte ihre Hand ergreifen und sie festhalten können. Dann wäre sie hier, bei ihm.

Bist du dir da sicher?, meldete sich die leise Stimme des Zweifels zu Wort. Die Energie reichte nur für zwei Personen. Du weißt nicht, was geschehen wäre, wenn du ihre Hand ergriffen hättest. Vielleicht wärt ihr alle von den ungeheuren Kräften zerfetzt worden wie ein Blatt in einem Orkan.

Vielleicht wären wir auch heil angekommen, hielt er dagegen. Und ich hätte sie nicht für immer verloren!

Du hättest für eine vage Hoffnung das Leben von drei Menschen aufs Spiel gesetzt? Was bist du nur für ein Mensch?

Ich war bereit das Risiko einzugehen. Und Hannah auch, sonst hätte die nicht nach meiner Hand gegriffen.

Du denkst, sie war sich darüber im Klaren, was sie tat? Du selbst kannst nicht die ganze Tragweite dieser Entscheidung sehen, wie sollte sie es mit ihrem begrenzten Wissen über Astrophysik?

Darauf wusste er keine Antwort.

Und Vater?

Er ist nicht unser Vater!, brüllte eine andere Stimme. Sie war wild und gefährlich und lauerte in den tiefen Schatten seines Bewusstsein. Es war der Eisriese.

Die erste Stimme schrie: Halt den Rand, Eisriese. Deine Dienste werden hier nicht gebraucht.

Und der Riese brüllte Flüche und Verwünschungen.

Plötzlich war es sehr laut in seinem Kopf. Loki presste sich die Hände auf die Ohren und die Stirn gegen seine Knie, die er an seinen Körper gezogen hatte, und schrie. Außer Atem und mit weit aufgerissenen Augen saß er da und lauschte, aber es war still geworden.

Dann wurde ihm bewusst, was gerade geschehen war. Ich höre Stimmen! In meinem Kopf höre ich Stimmen... Ich bin wahnsinnig geworden - nur Wahnsinnige hören Stimmen. War das die Rache seines Geistes? Oder ein Schutzmechanismus?

Loki kam auf die Beinen, immer noch auf dem Fensterbrett stehend, und raufte sich die Haare. Ich bin eine gespaltene Persönlichkeit, sagte er gedanklich zu sich selbst und Angst erfüllte ihn.

Er überhörte das leise Klopfen an der Tür.

Thor klopfte an Lokis Tür. Wie erwartet, antwortete er nicht oder bat ihn gar herein. Seit drei Tagen, seitdem Loki von der Erde zurück war, ging das nun schon so. Die ersten zwei Tage hatte Thor Loki sich selbst überlassen. Er wusste, dass es nicht einfach war hier zu sein, während alles in ihm dort sein wollte. Doch allmählich machte er sich große Sorgen um seinen Bruder. Von seiner Mutter wusste er, dass Loki wenig aß, und er war - erneut - nicht zum Abendessen erschienen.

Thor balancierte das Tablett, das er mitgebracht hatte, auf einem Arm, während er die schwere Tür öffnete. Er fragte nicht, ob er eintreten dürfe, sondern rief gleich in den großen Raum: "Ich habe dir etwas zum Essen -", doch er brach ab, bevor er den Satz beendet hatte.

Loki stand auf dem Fensterbrett, das Fenster war geöffnet, und blickte starr in den Sternen übersäten Himmel. Er wird springen, dachte Thor und eiskalte Finger griffen nach seinem Herzen. Das überlebt er nicht!

Seine Füße setzten sich automatisch in Bewegung. Die Entfernung zum Fenster betrug nur einige Meter, aber es kam ihm vor wie Kilometer. Jede seiner Bewegungen erschien ihm quälend langsam als würde er durch eine zähflüssige Masse waten und er hatte Sorge, ob er seinen Bruder rechtzeitig erreichte.

Das Tablett, das er achtlos los gelassen hatte, fiel mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf den Boden und Loki drehte den Kopf erschrocken in seine Richtung. Dann ging alles sehr schnell. Thor packte seinen Bruder an der Hüfte und zog ihn zu sich, weg vom Fenster, Loki verlor das Gleichgewicht und die beiden Brüder fielen gemeinsam zu Boden.

Nachdem Loki sich von seinem anfänglichen Schock erholt hatte, schrie er seinen Bruder an: "Was, verdammt nochmal, sollte das?" Er versuchte aufzustehen, aber Thor hielt ihn fest umschlungen.

"Ich weiß, es geht dir nicht gut. Glaub mir, es gibt niemanden, der das besser nachvollziehen kann als ich, aber... Aber das ist kein Ausweg!"

Verwirrt blickte Loki Thor in die Augen, in denen er Verzweiflung, Angst, Sorge und einen kleinen Teil Wut lesen konnte.

"Ich habe dich bereits einmal verloren! Ich könnte es nicht ertragen dich ein weiteres mal zu verlieren! Diesmal für immer!"

Es dauerte einen Moment bis er verstand was Thor sagte, dann lachte er, nicht aus Spott oder um Thor aufzuziehen, sondern aus Freude, dass er sich um ihn sorgte, dass er ihm nicht egal war. "Du dachtest, ich wollte mich umbringen?"

Jetzt war es an Thor verwirrt zu blicken. "Ja...", antwortete er, mit einem mal nicht mehr so sicher.

"Ich würde mich niemals suizidieren. Dafür bin ich zu narzisstisch", sagte Loki und setzte sich auf.

"Das beruhigt mich nicht!", sagte Thor scharf und setzte sich ebenfalls auf.

"Und dann zum Fenster hinaus springen? Das ist nicht mein Stil."

Thor ignorierte ihn und sagte: "Du siehst grauenvoll aus, Bruder." - Loki sah blass und ausgezehrt aus - "Ich hatte dir etwas zum Essen mitgebracht." Beide blickten auf die Überreste des Tablett und des darauf befindlichen Geschirrs auf dem Boden.

"Wie gut, dass ich keinen Appetit habe."

"Mutter sorgt sich um dich. Wir alle machen uns Sorgen um dich."

"Es geht mir gut", erwiderte Loki und die tiefen Schatten unter seinen Augen straften seine Worte Lügen.

"Deine Lügen waren schon überzeugender."

Ein gezwungenes Lächeln erschien auf Lokis Lippen. "Ich weiß eure Sorge zu schätzen", sagte Loki. "Wirklich. Aber ich bin einfach nur nicht hungrig."

"Ist es wegen der Menschenfrau?"

Über Lokis Gesicht huschte ein gequälter Ausdruck, dann war es wieder entnervend ausdruckslos. Loki konnte bereits als Kind seine Gedanken und Gefühle besser verbergen als Thor.

"Du vermisst sie. Das kann ich verstehen, aber du darfst diese Gefühle nicht einfach in dich hinein fressen. Das macht dich krank!"

"Und was soll ich deiner Meinung nach tun?" Seine Stimme klang eisig und Thor wusste, dass Loki drauf und dran war, ihn raus zu werfen.

"Rede mit mir. Ich bin dein Bruder. Rede mit mir so wie du es früher getan hast."

"Es gibt nichts, das du tun könntest", antwortete er tonlos. "Ich bin hier gefangen, genauso wie du."

"Richtig! Genauso wie ich. Wer könnte besser verstehen, was du empfindest als ich?"

Loki erhob halb die Hände, ein Ausdruck seiner Kapitulation vor Thors Hartnäckigkeit.

"Du musst hier raus!", beschloss Thor. "Lass uns etwas unternehmen, einen Jagdausflug. Nur wir beide."

"Du vergisst meine neue Freunde draußen vor der Tür." Die Wächter verfolgten jeden seiner Schritte. Sie hielten sich diskret im Hintergrund, aber er war sich ihrer Anwesenheit jederzeit bewusst. "Außerdem hasse ich es, Jagen zu gehen."

"Du hast es doch früher so gerne getan", erwiderte Thor erstaunt.

"Nein, du hast es gerne getan."

"Das tut mir leid. Dann machen wir etwas, was dir Spaß macht. Was willst du unternehmen?"

Loki seufzte. "Vielleicht probiere ich es mit dem Odinschlaf. Es klingt verlockend die nächsten Jahrzehnte schlafend zu verbringen... Dann muss ich nicht mit ansehen wie Midgard zerstört wird."

Thor legte ihm den Arm um die Schulter und zog ihn an sich. "Ihr wird nichts geschehen", flüsterte er beruhigend.

"Wie kannst du dir da sicher sein?", fragte Loki und blinzelte. "Hast du gar keine Angst um deine Wissenschaftlerin?" Ihm kam ein Gedanke. "Oder... Du weißt etwas!" Forschend blickte er ihn an.

"Ich, mhm, kann hier nicht darüber reden. Komm Morgen mit mir auf die Jagd", sagte Thor eindringlich, dann beugte er seinen Kopf zu Loki herunter und flüsterte in dessen Ohr: "Es gibt Hoffnung."

Pläneschmiede

Am nächsten Morgen erschien Thor in leichter Jagdkleidung und mit Armbrust und Messer bewaffnet an ihrem vereinbarten Treffpunkt vor den Stallungen. Loki begriff, dass dieser Jagdausflug nicht nur eine Farce werden würde und stöhnte innerlich.

"Wo ist deine Armbrust?", fragte Thor, nachdem sie sich begrüßt hatten.

Um den Schein zu wahren, hatte er ebenfalls Jagdkleidung angelegt, aber auf die Armbrust verzichtet, als er bemerkte wie die Wächter nervös von einem Fuß auf den anderen traten. "Ich dachte mir, ich überlasse dir den ganzen Spaß."

Thor akzeptierte seine Antwort mit einem Schulterzucken und schwang sich in den Sattel seines Pferdes.

Wie erwartet verfolgten Lokis Schatten ihn auch auf der Jagd. Sie hielten einige Meter Abstand, aber es war schwer auf einem Pferd inmitten des dichten Unterholz des Waldes unbemerkt zu bleiben.

"Und nun, Bruder, wie hast du vor die Wachen loszuwerden?", fragte Loki mit gesenkter Stimme.

Thor grinste breit. "Überlasse das mir." Er bog auf einen kleinen Pfad ein, den sie als Kinder oft entlang geritten waren und der zum Wasserfall führte. Vorausgesetzt Thor wollte nicht mit seiner Armbrust auf Lachse schießen, war das kein Jagdgebiet.

Am Rand einer tiefen Schlucht hielt Thor sein Pferd an und stieg ab. Er trat näher an die Klippe und spähte zur anderen Seite. Unter ihm rauschte der reißende Fluss zwischen den steilen Steinwänden entlang, weiter vorne stürzte er als Wasserfall in einen kleinen See, bevor er in einigen Hundert Meilen über den Rand der Welt stürzte.

"Hast du das gesehen, Bruder?", fragte er und deutete auf die andere Seite.

Loki hatte nichts gesehen. Er sah auch jetzt nichts in dem dichten Gestrüpp oder in den dunklen Schatten zwischen den Bäumen auf der anderen Seite. Dann wiederum wollte er auch nichts sehen, denn das hätte bedeutet, dass sie einen Weg über die Schlucht suchen müssten, nur um einem möglicherweise eingebildeten Tier durch das Unterholz zu folgen.

Thor winkte ihn zu sich. Loki stieß den Atem aus und ging zu ihm.

"Ich sehe nichts."

"Dort hinter den tief hängenden Zweigen der Eiche."

Loki beugte sich vor, um besagte Stelle zu sehen. "Immer noch nichts." Er wollte zu einem schneidenden Kommentar über Thors Sehvermögen ansetzten, als Thor ihm seine Faust in den Rücken, direkt zwischen die Schulterblätter, stieß und Loki über den Rand der Klippe schickte.

Er schrie nicht. Dazu war er viel zu überrascht. Auch nicht als die weiß schäumende Wasseroberfläche rasend schnell näher kam. Sein Körper reagierte instinktiv, er streckte sich, wie er es so oft als Kind getan hatte, wenn sie von den Klippen in den See gesprungen sind, und tauchte in das kalte Wasser ein.

Die Strömung erfasste ihn augenblicklich und riss ihn mit. Loki war froh, dass er nur die leichte Jagdkleidung trug und nicht den schweren Ledermantel. Mit ihm wäre er vermutlich ertrunken, so jedoch kämpfte er sich zurück an die Oberfläche, gerade rechtzeitig, um zu sehen wie Thor in das Wasser eintauchte. Die Wächter oben traten an den Rand und schrien etwas, doch er wurde wieder unter Wasser gezogen, bevor er es verstehen konnte.

Loki versuchte wieder nach oben zu kommen, aber Thor hielt ihn zurück. Er kämpfte gegen Thors Umklammerung an. An physischer Stärke hatte er seinem Bruder nie etwas entgegensetzen können und das wilde Strampeln verbrauchte nur unnötig Sauerstoff, also stellte er seine Gegenwehr ein und wartete. Anders als Thor hatte Loki auftauchen und Luftholen gekonnt. Es war nur eine Frage der Zeit bis Thor ihn loslassen musste.

Die Brüder durchbrachen gemeinsam die Wasseroberfläche und hörten ein donnerndes Rauschen, nur um im nächsten Moment 10 Meter in die Tiefe zu stürzen. Der Wasserfall, dachte Loki und er verstand, was Thor vor hatte.

Ohne aufzutauchen, schwamm Loki unter dem Wasserfall hindurch und zog sich in die etwas höher gelegene, trockene Höhle. Thor folgte ihm unmittelbar. Beide lagen auf dem harten Stein und warteten darauf, wieder zu Atem zu kommen.

"Du hättest mich vorwarnen können!", zischte Loki, was seine bedrohliche Wirkung aber verfehlte, weil er immer noch keuchend nach Atem schnappte.

Thor stieß ein ersticktes Geräusch hervor, das vermutlich ein Lachen sein sollte.

"Damit sind wir quitt." Obwohl er flüsterte, hallte seine Stimme laut von den Wänden wieder, aber er machte sich darüber keine Sorgen. Der Wasserfall toste laut genug, dass die Wächter sie nicht hören konnten.

"Quitt?", fragte Loki, während sie durch die Höhle liefen. Als Kinder waren sie oft hier gewesen, es war ein gutes Versteck, abgeschieden und bei jedem Wetter trocken, und die Erwachsenen wussten nichts davon - zumindest dachten sie das als Kinder, jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Immerhin waren er und sein Bruder nun ebenfalls Erwachsen und die Generation vor ihnen war irgendwann einmal Kind gewesen.

"Du hast mich von einem Flugschiff gestoßen", erinnerte ihn Thor.

"Oh. Ja das...", sagte Loki und er verkniff sich zu erwähnen, dass Thors großartiger Fluchtplan weniger großartig geendet wäre, wenn Loki gegen die steile und vorallem harte Steinwand geprallt oder unglücklich auf dem Wasser aufgekommen wäre.

"Genau das", sagte Thor und nahm an einer Abzweigung den Weg, der nach oben führte. Loki war seit Jahrzehnten nicht mehr hier gewesen, aber er kannte den Weg im Schlaf. Thor wollte zur Terrasse. "Jetzt sind wir quitt."

Am Ende des Ganges traten sie durch den schmalen Durchgang nach draußen und standen auf der Terrasse. Von drei Seiten war die Terrasse von steilen Steinwänden umgeben, die sie vor ungebetenen Blicke und Wind und Wetter schützen, auf der anderen Seite jedoch hatte man einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt, die sich golden und glänzend am Horizont erhob. Auf dieser Seite fiel die Terrasse steil ab, es war unmöglich auf einem anderen Weg, als durch die Höhlen, hierher zu gelangen. Selbst wenn die Wachen ausschlossen, dass die beiden Prinzen ertrunken waren, und sich Sif oder einer der anderen drei Idioten an das versteckte Höhlensystem erinnerte, sollte es Stunden dauern, bis die Wachen hier auftauchten und dann würden sie sie lange vorher kommen hören - ein perfekter Platz für ein vertrauliches Gespräch.

Loki zog sich bis auf die Unterwäsche aus und legte seine nassen Kleider auf einen von der Sonne gewärmten Stein, dann ließ er sich auf einen mit weichen Moos bewachsenen Stein fallen. Als er die Erde verlassen hatte, war dort der Herbst angebrochen, auf Asgard war es immer noch Sommer. Er schloss die Augen und reckte den Kopf zur Sonne, die Wärme war angenehm auf der Haut.

Als Thor ebenfalls halb nackt auf einem anderen Stein Platz genommen hatte, sagte Loki: "Dann erzähle mir von deiner Hoffnung, Bruder." Loki war ein großer Freund von Hoffnung - nicht seiner eigenen selbstverständlich - die Hoffnung anderer. An der Hoffnung konnte man wunderbar ansetzen, um jemanden zu manipulieren, und sollte das nicht funktionieren, konnte man das fragile Gespinst immer noch zerstören und in Furcht verwandeln.

Er würde alles tun für einen Funken Hoffnung. Es war idiotisch, aber er hatte bemerkt, dass er, wenn es um Hannah ging, Idiotie zur Perfektion brachte - was machte diese Frau nur mit ihm?

"Ok." Das Wort hatte er von Jane gelernt. "Aber alles, was ich dir erzähle, muss unter uns bleiben."

Loki nickte.

"Schwöre es!"

"Fühlst du dich dann besser?", fragte Loki mit erhobener Augenbraue. Jeder wusste, dass er ein Lügner und Betrüger war. Und was war das Wort eines solchen Wert? "Also schön, ich schwöre."

"Auf das Leben deiner Ärztin!"

Loki sah ihn ernst an. "Wem sollte ich etwas verraten?" Wer würde ihm glauben, wenn sein Wort gegen Thors stand?

"Schwöre es, Bruder!"

Loki zögerte, dann sagte er langsam: "Ich schwöre bei Hannahs Leben, ich werde niemanden von diesem Gespräch oder dessen Inhalt erzählen." Lokis Nackenhaare stellten sich auf, als er dies sagte. Hannahs Leben, er könnte nie etwas tun, das ihr schadet. Thor kannte ihn manchmal besser als es ihm lieb war. "Ich würde uns vor Heimdalls Blick verbergen, wenn ich könnte, aber da ich es nicht kann, solltest du dich beeilen, bevor er uns findet und dieser hübsche Schwur sich in Wohlgefallen auflöst."

Thor nickte zustimmend und sagte ohne Umschweife oder langer Vorrede: "Jane glaubt, eine Einstein-Rosen-Brücke herstellen zu können."

"Sie kann einen Bifröst bauen?", fragte Loki verwundert. "Wie? Für die Wissenschaftler von Midgard war die Existenz der Brücke nur ein theoretisches Konstrukt."

"Ja und dann sind wir aufgetaucht", sagte Thor.

"Selbst danach war ihre Technik nicht fortschrittlich genug", hielt er dagegen. "Du weißt nicht welche Mühe es gekostet hat, den Tesserakt zum Funktionieren zu bringen." Loki unterbrach sich, als er Thors befremdlichen Blick sah. "Und SHIELD würde nie zulassen, dass deine Wissenschaftlerin einen Bifröst baut und ihn für sich benutzt."

"SHIELD weiß nichts davon. Sie bauen ihn im geheimen, es sind viele Sicherheitsvorkehrungen notwendig, die sie verlangsamen, aber sie machen Fortschritte. Jane hat das theoretische Wissen über die Brücke und Erik Selvig, dank dir, das praktische über die Funktionsweise des Tesserakts."

Loki wusste, dass sein Gesicht vollkommen ausdruckslos blieb, bei Thors Anspielung auf seine Manipulation von Erik Selvig. Er war nicht zufrieden mit dieser Erklärung, es gab Unstimmigkeit.

"Nein", sagte er und verlieh seinen Zweifeln Ausdruck. "Vielleicht haben sie das Wissen, aber sie hätten es nie geschafft so schnell einen Bifröst zu bauen. Die Materialien, die Kosten, die notwendige Energie. Nicht ohne Hilfe." Bei seinen Worten blickte er Thor an. "Wie machst du es?"

"Was?", fragte Thor und versuchte unschuldig zu blicken. Niemand hatte ihn jemals darüber aufgeklärt, dass er damit das Gegenteil bewirkte.

"Du hilfst ihnen heimlich."

"Ich schicke ihnen Gold und Aufzeichnungen und Pläne über unseren Bifröst", gab Thor zu. "Es ist langwierig. Es darf nicht auffallen, dass Gold fehlt, außerdem muss ich alle Texte zuerst übersetzen..."

Sie schwiegen und Loki dachte über Thors Worte nach. Sie bauen einen Bifröst, dachte er. Oder sie versuchen es. Hoffnung. Er hoffte. Das war etwas, was er seit langem nicht mehr gewagt hatte. Schien es bis jetzt unmöglich, Hannah wieder zu sehen, war es nun in greifbarer Nähe. Er würde sie nicht los lassen.

"Brauchst du Hilfe? Bei der Übersetzung oder etwas anderem?" Konnte er auf sein Vermögen zugreifen? Das war etwas, das er unbedingt in Erfahrung bringen sollte.

"Keine weiteren Zweifel?", fragte Thor überrascht. Er hatte mit mehr Widerstand gerechnet, immerhin war Loki der Vernünftige, der vorher alles durch dachte.

"Oh, eine Menge!", erwiderte Loki. "Aber du scheinst überzeugt, dass sie es schaffen können."

"Ich hoffe es."

"Was ist mit dem Faktor Zeit? Ragnarök kommt."

Thor war sich des schmalen Zeitfensters bewusst.. "Wir arbeiten so schnell wir können, aber wir könnten ein weiteres Paar Hände und ein weiteren Kopf gut gebrauchen."

"Ich helfe euch, aber ich stelle eine Bedingung: Sollte Jane einen funktionierenden Bifröst schaffen, muss sie Hannah mit hierher bringen. Einverstanden?"

"Einverstanden!" Thor streckte ihm die Hand entgegen, erleichtert darüber, seinen Bruder für diese Sache gewonnen zu haben, und Loki schlug ein. "Und jetzt sollten wir zurück kehren, bevor man ein Staatsbegräbnis für uns organisiert."
 

Er trat hinaus in den Korridor. Die Wächter standen zu beiden Seite der Tür und richteten ihren Blick auf ihn, als er durch die Tür trat.

"Ich suche meinen Bruder auf", sagte Loki. Er hatte das Gefühl es sagen zu müssen.

"Du bist kein Gefangener", erwiderten die Wächter unisono. "Es steht dir frei zu gehen, wohin es dir beliebt."

Ja, dachte Loki, solange es auf Asgard liegt. Dorthin wo ich will, kann ich nicht.

Thor war nicht in seinem Zimmer. Auch in der Bibliothek konnte er ihn nicht finden. Loki ging weiter zu dem Aufenthaltsraum, in dem Thor sich oft aufhielt, fand dort aber nur Sif und die drei Narren vor.

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte er, betrat dann aber den Raum. Es sprach nichts dagegen, dass er sich dort aufhielt. Er war kein Gefangener und er konnte gehen wohin er wollte. Außerdem musste er Thor finden. Loki hatte die Texte, die Thor ihm gegeben hatte, alle übersetzt und das untätige Herum sitzen zehrte an seinen Nerven. Er brauchte Arbeit, irgendetwas zu tun, Hauptsache es lenkte ihn ab.

Loki hielt sich nicht lange mit Begrüßungsfloskeln auf. "Wo ist Thor?", fragte er.

Feindselige Blick in verschiedenen Intensitäten richteten sich auf ihn.

Sif sprach als erste, sie setzte ein falsches Lächeln auf. "Sei gegrüßt, Loki. Wie schön dich zu sehen..."

Loki machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich bitte dich, Sif. Ich bin der Gott der Lügen, es braucht mehr als ein süßes Lächeln, um mich zu täuschen. Also lassen wir das Theater und kommen gleich zum Punkt. Wo ist Thor?"

"Wir haben ihn nicht gesehen", antwortete sie giftig. Fandral setzte zu einer langen und für Loki ermüdenden Schimpftirade an, aber Loki ignorierte ihn einfach. Wo steckt dieser Kerl nur?, dachte er und machte auf den Absätzen kehrt.

"Thor reitet in letzter Zeit oft aus", rief ihm Volstagg hinterher.

Also ging Loki zu den Ställen. Thors Pferd stand nicht in seiner Box und der Stallknecht konnte Loki nicht sagen wohin Thor geritten war.

Resigniert ging Loki zurück zum Palast. Es war früh, der Tag hatte gerade erst begonnen, und wenn er nicht bald etwas zu tun fand, würde es ein sehr langer Tag werden. Hoffentlich kam Thor bald zurück.

Anstatt den Palast zu betreten, ging er in den Garten. Ein breiter Weg führte in einem Kreis durch den Garten, er lud zum flanieren ein. Loki verspürte plötzlich die Lust zu Laufen.

Als er in den leichten Laufschritt fiel, hörte er die aufgebrachten Rufe seiner Schatten. Er blieb nicht stehen. Schnell bemerkten sie, dass er ein konstantes Tempo hielt und ihnen nicht davon laufen wollte, und entspannten sich etwas.

Loki lief die Runde in einem Zug durch und hielt nicht an. Es half ihm die überschüssige Energie abzubauen und seine wirren Gedanken zu ordnen.

Jane Foster baut an einem Bifröst, dachte Loki. Thor hielt ihn über Janes Fortschritte auf dem Laufenden. Es ging nur quälend langsam voran und allmählich ging das anfängliche Hochgefühl, das Loki verspürt hatte, verloren.

Die beiden Wächter hinter ihm schnauften, sie hatten in voller Rüstung sein Tempo durch gehalten, und waren erleichtert, als der Prinz endlich stehen blieb. Sie beschlossen ab sofort ihre Wachtätigkeit in leichter Rüstung auszuführen.
 

Loki kehrte in sein Zimmer zurück. Nach seinem Lauf fühlte er sich ruhiger und seine Gedanken schienen weniger chaotisch. Jetzt sehnte er sich nach einer heißen Dusche.

Loki fand die Königin in seinem Zimmer vor. Sie saß auf einem Sessel vor dem niedrigen Tisch, auf dem er seine Bücher und Notizen ausgebreitet hatte, die er für seine Übersetzungsarbeit brauchte. Sie blätterte in einem Buch, das sie wahllos aus dem Stapel gezogen hatte und blickte auf, als sie ihn eintreten hörte.

"Mutter?" Loki war überrascht. Er konnte die Gelegenheiten, bei denen er seine Mutter, seit seiner Rückkehr, gesehen hatte, an eine Hand abzählen. "Was ist der Grund deines Besuches?"

"Braucht eine Mutter einen Grund, um ihren Sohn zu sehen?", fragte sie. "Setze dich zu mir, Loki."

Loki setzte sich ihr gegenüber.

"Du gehst mir aus dem Weg, seit du zurück bist, also habe ich beschlossen, stattdessen dich aufzusuchen."

Frigga schlug eine andere Seite in dem Buch auf und nahm das Bild heraus, das zwischen den Seiten steckte. Loki erkannte es sofort wieder.

"Sie ist hübsch", sagte Frigga und betrachtete die Frau auf dem Bild. Sie hatte Heimdall um eine Beschreibung der Sterblichen, die Loki so den Kopf verdrehte, gebeten. Der schweigsame Wächter hatte sie lange aus seinen goldenen Augen angeblickt und dann schlicht gesagt: "Ihr Äußeres ist ansprechend für eine Sterbliche."

Frigga fand, dass die Sterbliche mehr als ansprechend war. Sie hatte ein sympathisches Gesicht, das von dunklen Locken umrahmt wurde, und warme, graue Augen. Die Königin wollte sie zu gerne einmal kennen lernen.

"Ihr seht glücklich aus."

"Es war zu meinem Vorteil", sagte Loki ausdruckslos.

"Dennoch behältst du das Bild?"

"Ich brauchte ein Lesezeichen." Er nahm ihr das Bild aus der Hand, steckte es wieder zurück zwischen die Seiten und schlug das Buch zu.

Frigga bedachte ihn mit einem traurigen Lächeln. Warum glaubte ihr eigener Sohn sein Innerstes vor ihr geheim halten zu müssen?

"War es Liebe?", fragte sie.

"Spielt es eine Rolle?", entgegnete er. "Ich bin ein Gefangener in dieser Welt."

"Du irrst. Dein Vater hat dich nach Hause geholt, damit dir nichts zustößt. Sobald die Gefahr gebannt ist, steht es dir frei nach Midgard zurück zu kehren - sofern es dein Wunsch ist."

Loki verbesserte die Königin nicht. Er war es müde ständig gegen Odin anzukämpfen. In letzter Zeit war er vielem müde.

"Und wenn sie dann nicht mehr am Leben ist?" Diese Frage hatte er sich oft gestellt. Wer konnte schon sagen, wie lange dieser Krieg dauerte? Oder welche Opfer er forderte? Was wenn Hannah bei seiner Rückkehr nicht mehr am Leben war?

Frigga hörte das leichte Zittern in seiner Stimme und es brach ihr das Herz.

"So ernst ist es dir?"

Er lachte bitter. "Ich habe Jahrhunderte ohne sie überlebt..." Doch jetzt, wo er von ihr getrennt war, hatte er das Gefühl keinen weiteren Tag ohne sie durch zu stehen.

Du bist ein Narr, dachte er.
 

Thor stürmte am Abend in Lokis Zimmer.

Loki saß an dem niedrigen Tisch, an dem er am Mittag mit seiner Mutter gesessen hatte, und ging seine Übersetzungen noch einmal durch.

Das Bild war ihm erneut in die Hände gefallen und er starrte es lange an. Er hatte es in seiner Brieftasche aufbewahrt und es, als Odin ihn nach Asgard brachte, bei sich getragen.

Er erinnerte den Abend, an dem es aufgenommen worden war.

Als die Tür zu seinem Zimmer aufgestoßen wurde, steckt er das Bild zurück in das Buch und versuchte geschäftig auszusehen.

"Nimm dir etwas zum Schreiben, Bruder", forderte Thor ihn auf. Er konnte seine Aufregung nur schwer verbergen.

"Du bist alt genug deine Korrespondenz selbst zu verfassen, Thor."

"Nichts vermag mir heute meine Laune zu trüben. Nicht einmal du." Thor setzte sich neben Loki, nahm ihm das Buch aus der Hand und grinste ihn an wie ein kleiner Junge an seinem Namenstag. "Es ist so weit."

Loki blickte ihn an. "Es ist so weit?"

"Ja."

"Wirklich?"

"Ja! Jane und Eric haben einen Testlauf gestartet. Sie sind überzeugt Menschen transportieren zu können, sie müssen nur noch kleinere Justierungen vornehmen. Es ist Zeit deine Ärztin zu kontaktieren."

Loki saß schweigend da und starrte auf die Tischplatte, dann stand er auf, holte einige Bögen Briefpapier und seinen Füllfederhalter und Tinte.

Er war sich nicht sicher, was er schreiben sollte, und Thor, der sich über seine Schulter lehnte, um mitzulesen und ihm ab und zu alternative Formulierungen vorzuschlagen, war wenig hilfreich.

Zwei zerknüllte Briefe später, riss Lokis Geduldsfaden.

"Würdest du bitte damit aufhören! Ich weiß, wie man einen Brief schreibt!" Es kostete ihn eine Menge Kraft ruhig zu bleiben.

Loki schrieb weiter und Thor verschonte ihn mit Verbesserungen. Nur gelegentlich gab er ein Grunzen von sich, wenn er mit einer Stelle unzufrieden war oder sie für gelungen hielt. Immer, wenn er das tat, drehte sich Loki zu ihm um und starrte ihn genervt an.

"Entschuldige...", murmelte Thor.

"Hast du nicht noch irgendetwas zu erledigen? Ich möchte dich ungern von deinen Verpflichtungen abhalten. Wenn ich den Brief geschrieben habe, komme ich zu dir."

Thor hatte nichts anderes zu erledigen, aber er verstand die Nachricht zwischen den Zeilen und stand auf, um Loki etwas Freiraum beim Schreiben zu geben.

Loki nahm einen neuen Bogen und begann erneut von vorne. Sein letzter Brief war zu lang geworden und er hatte Platz für ellenlange Erklärungen seiner Handlungen verschwendet. Diesen Brief hielt er kurz und in einem sachlichen Ton. Er erklärte Hannah, dass der Erde der Untergang drohte, dass die außergewöhnliche Wetterphänomene nur der Anfang waren und es unweigerlich zum Krieg kommen würde. Er verstünde, wenn sie wütend auf ihn sei und nichts von ihm hören wolle, aber er sorge sich um sie und er bitte sie nach Asgard zu kommen, wo sie in Sicherheit wäre.

Beim Schluss zögerte er.

Thor, der im Zimmer auf und ab gegangen war, warf einen Blick auf den unfertigen Brief. "Schreib In Liebe Loki."

"Nein", entschied Loki und setzte nur seinen Namen unter den Brief.

Thor zuckte mit den Schultern, sah zu wie Loki den Brief faltete, in ein Kuvert tat, es versiegelte und den Brief an Hannah Schwarz adressierte, dann nahm Thor den Brief an sich und machte sich sofort auf den Weg.

Countdown

Es klopfte an der Tür. Loki machte sich nicht die Mühe von seinem Buch aufzuschauen. Thor würde auch ohne Aufforderung eintreten, und alle anderen wollte er sowieso nicht sehen.

Die Tür wurde geöffnet. "Ich bin erstaunt, dass du dir noch die Mühe machst zu klopfen", sagte er und blätterte eine Seite weiter.

Es war nicht Thor, der antwortete.

"Du erwartest jemanden?", fragte Odin und schloss leise die Tür.

Loki blickte überrascht zu Odin auf; seit dem Abend, an dem er ihn zurück nach Asgard gebracht hatte, ging er dem König erfolgreich aus dem Weg.

"Mein König." Loki legte sein Lesezeichen, das Bild von Hannah, in das Buch und erhob sich, um sich vor dem König zu verbeugen.

"Das ist nicht nötig, mein Sohn." Odin blieb unschlüssig stehen. "Darf ich?"

Loki deutete auf einen Sessel.

"So vertreibst du dir also die Zeit?", fragte Odin. Jede freie Fläche wurde von Büchern bedeckt, sie lagen auf den Sitzgelegenheiten verstreut und stapelten sich auf dem Boden und dem Tisch. Odin nahm eines in die Hand und überflog den Titel. "Theorien über den Bifröst? Das ist anspruchsvolle Lektüre."

"Ich bin hier nicht willkommen und solange der Bifröst nicht funktioniert, bin ich hier gefangen. Es liegt in meinem Interesse den Wiederaufbau des Bifröst zu unterstützen."

"Du bist kein Gefangener, Loki."

"Nur weil man die Gitterstäbe nicht sieht, ist ein Käfig nicht weniger ein Käfig", erwiderte Loki.

"Du kannst dich frei bewegen", hielt der König dagegen.

"Ja, auf Asgard, und selbst dann werde ich von Schatten verfolgt! Das ist keine Freiheit!"

"Erwartest du, dass der Rat dich freudig Willkommen heißt und dir vollstes Vertrauen entgegen bringt?" Odin hatte mit erhobener Stimmer gesprochen.

"Der Rat hat mir noch nie vertraut!", entgegnete Loki heftig. "Aber wer misstraut mir mehr? Der Rat? Oder du, Vater?"

"Ich versuche es", sagte der König matt. „Ich versuche es wirklich - dir zu vertrauen. Aber du bist nicht du selbst! Du hast versucht deinen Bruder zu töten - mehrmals -, du hast versucht eine ganze Welt auszulöschen und eine andere einzunehmen und zu beherrschen. Du musst einsehen, dass es mir nicht leicht fällt, dir zu vertrauen."

"Hast du mich aus diesem Grund verbannt? Aus den Augen aus dem Sinn; ein Problem weniger, um das du dich kümmern musstest?"

"Du kennst den Grund deiner Verbannung!", sagte der König eisern. "Und sie war zweifelsohne angebracht."

"Du hast mir alles genommen!", rief Loki. "Thor hat seine göttliche Kraft eingebüßt, ich habe sowohl diese als auch meine Magie verloren - sogar meine Stimme! Ich wurde von einem verdammten Auto angefahren!"

Loki verstummte und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Er reagierte emotionaler, als er sollte. Odin durfte nicht glauben , dass er schwach war, aber er sollte wissen, dass Loki ihm seine Hilflosigkeit nicht verzieh. Es war Ironie. Das unverzeihlichste war nicht die Verbannung, sondern, dass Odin ihn zurück geholt hatte.

"Lass mich gehen", bat Loki. "Wenn du mir nicht vertrauen kannst, dann lass mich gehen."

"Nach Midgard?"

"Das wäre im Sinne aller Beteiligten."

"Heimdall berichtete mir von deiner Zeit auf Midgard", sagte Odin.

Überraschend, dachte Loki sarkastisch, der die Überwachung schon lange vermutet hatte.

"Du hast von deinen Zielen nicht abgelassen, Loki."

"Nein."

"Du willst sie immer noch beherrschen."

"Ich halte mich an ihre Regeln", sagte Loki und es entsprach der Wahrheit. Er hatte ihre Sprache gelernt und er hatte sich in ihre Systeme eingearbeitet - erst dem politischen und dann dem finanziellen.

"Du hast zwei Siegel gebrochen", fuhr Odin fort. "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du sie in so kurzer Zeit brechen würdest, aber du hast es dennoch geschafft. Ich hoffe du hast aus deinen Erfahrungen auf Midgard gelernt, denn das ist und war der Zweck der Siegel. Ich -"

Thor, der unaufgefordert eintrat, schnitt dem König das Wort ab. "Schluss mit der Trauermiene! Heute Nacht feiern wir!", rief er.

Als er den König sah, blieb er wie angewurzelt stehen. "Vater?"

"Nun", sagte der König und wandte sich Loki zu. "Es scheint dein Bruder macht sich nicht länger die Mühe zu klopfen."

Lokis Mundwinkel zuckten.

"Gibt es einen Grund?", fragte Odin. "Zum feiern?"

"Ich weiß es nicht", sagte Loki und dann zu Thor: "Gibt es einen Grund, Thor?"

"Keinen speziellen", log sein Bruder.

Odin, der ihnen kein Wort glaubte, lächelte. "Dann will ich euch nicht länger von eurer Feier abhalten", sagte er. Er fasste jeden seiner Söhne an die Schulter und ging.

"Glaubst du er weiß etwas?", fragte Thor nachdenklich, nachdem sich die Türen hinter dem König geschlossen hatten.

"Ich glaube er vermutet etwas", sagte Loki. "Bei aller Liebe, du bist ein miserabler Lügner."

Thor grinste, zuckte mit den Achseln und packte dann sehr viele Flaschen Met aus.

"Hast du vor ein Bankett zu geben?", fragte Loki und konnte nur schwer das Entsetzen aus seiner Stimme verbannen.

"Wie ich schon sagte, heute Nacht feiern wir!"

"Und warum, wenn ich fragen darf?"

"Darfst du, Bruder, darfst du." Thor grinste wie ein Honigkuchenpferd. "Morgen erfahren wir, wann es soweit ist?"

"Wenn das kein Grund zum Feiern ist", sagte Loki langsam und Thor drückte ihm einen Becher Met in die Hand.

Lokis Erinnerungen an diese Nacht waren quasi nicht-existent, und am nächsten Morgen wünschte sich Loki, dass sein Kater es auch wäre. Doch der tat ihm diesen Gefallen nicht und seine Magie war immer noch versiegelt. Loki stieß einige wüste Flüche aus, die alle seinen Bruder beinhalteten, und quälte sich aus dem Bett, von dem er nicht wusste wie dort hinein gekommen war.
 

Noch 17 Stunden:

Später an diesem Tag aß Loki mit seiner Mutter zu Abend. Er tat es, damit ihre spontanen Besuche bei ihm aufhörten und Thor ihm nicht mehr länger in den Ohren lag. Oder das redete er sich ein. In Wahrheit genoss er es Kontakt zu einem anderen Menschen als Thor und seinen Schatten zu haben.

Sie speisten in Friggas privaten Gemächern. Das Essen war ausgezeichnet, doch Loki konnte sich nicht dafür begeistern. Er fühlte sich elend von den Nachwirkungen letzter Nacht und seine Gedanken kreisten, um eine Person: Hannah. Thor war zu seinem geheimen Durchgang aufgebrochen, um von Jane auf den neuesten Stand gebracht zu werden, und bislang noch nicht zurück gekehrt, obwohl er mit ihnen essen wollte. Loki sorgte sich nicht um Thors verspätete Rückkehr, er sorgte sich, um den Grund der Verspätung. Jane hatte noch keine Nachricht von Hannah erhalten und der Tag der geplanten Reise rückte immer näher.

"Fühlst du dich nicht gut, Loki?" Frigga blickte ihn über den Tisch hinweg an.

"Ich habe nur nicht gut geschlafen", sagte er und setzte ein Lächeln auf. "Das ist alles."

"Dein Vater war gestern bei dir?"

Loki hörte auf leidenschaftslos auf seinem Fleisch herumzukauen. "Das ist richtig." Er wartete ab, auf der Hut in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickeln würde.

Doch seine Mutter machte nur: "Mhm."

Dann blickte sie auf die Uhr und fragte ungeduldig: "Wo bleibt dein Bruder? Man sollte meinen, ich hätte ihm bessere Manieren beigebracht."

"Er ist auf der Jagd", verteidigte Loki ihn automatisch. "Vermutlich hat er nur die Zeit vergessen, du weißt wie Thor ist."

"Allerdings." Sie lächelte ihn an, doch ihre Miene blieb umwölkt. Sie war besorgt. "Mich wundert, dass du ihn nicht begleitest."

Sie war um ihn besorgt, stellte Loki fest. Also tat er sein bestes sie zu beruhigen.

"Ich habe ihn auf fast jede Jagd begleitet, seit ich zurück bin, und auch sonst weicht er mir kaum von der Seite. Thor scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, ein ausführliches Unterhaltungsangebot für mich zusammen zu stellen. Ich bin froh seinen überschwänglichen Fittichen für ein Paar Stunden entkommen zu sein."

Sie lachte.

"Wenn man vom Teufel spricht", sagte Loki, als Thor eintrat. Frigga schaute ihn fragend an. "Eine Redewendung von Midgard", erklärte er.

Thor entschuldigte seine Verspätung und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Er war in leichter Jagdkleidung gekleidet und hatte lediglich seine Stiefel gewechselt. Was auch immer er erfahren hatte, es war wichtig und duldete keinen Aufschub.

"Wie war die Jagd?", erkundigte sich Frigga und nicht einmal Thor, der für die Feinheiten von Tonfall und Stimmlage nicht empfänglich war, konnte der säuerliche Unterton entgehen.

"Ich habe im Wald einen Hirsch und eine Hirschkuh entdeckt", begann er die Erzählung seiner Jagd.

Selvig und Foster waren bereit, übersetzte Loki.

"Eine weitere Hirschkuh ist zu ihnen gestoßen."

Hannah. Ein Schauer der Erleichterung kroch über Lokis Rücken. Sie war angekommen. Endlich.

"War deine Jagd erfolgreich?", erkundigte sich Loki.

"Nein, sie sind mir entkommen."

Die Verbindung war abgebrochen, aber das hatte nichts zu heißen, die Übergänge waren instabil und unterlagen Schwankungen. Solange sie bereit waren.

"Beim nächsten mal wirst du erfolgreich sein", sagte Frigga.

"Dessen bin ich mir sicher", entgegnete Thor. "Ich habe vor morgen erneut auf Jagd zu gehen. Begleitest du mich, Bruder?"

Morgen. Loki konnte seine Aufregung kaum verbergen.

Du Narr, sagte die Stimme in seinem Kopf.

Morgen würde er Hannah wieder sehen.

"Selbstverständlich", antwortete Loki.

Keiner der beiden Brüder bemerkte den aufmerksamen Blick, mit dem Frigga ihre Söhne bedachte.
 

Noch 11 Stunden:

In der Nacht vor dem Großen Tag konnte Loki nicht Schlafen. Er lag wach in seinem Bett und starrte an die Decke. Seine Gedanken führten in so viele Richtungen gleichzeitig, es war, selbst für ihn, unmöglich zu sagen an was er eigentlich alles dachte. Ein Gedanke jagte den nächsten und ehe er sich richtig mit dem ersten beschäftigen konnte, drängte sich bereits ein zweiter und ein dritter auf, und spätestens beim vierten wusste er nicht mehr, was der erste Gedanke gewesen war. Chaos. Es war ein unangenehmes Gefühl, er trieb hilflos auf dem Meer der Ruhelosigkeit.

Loki war so sehr in dem Malstrom der Gedanken gefangen, dass er nicht bemerkte wie sich Thor in sein Zimmer schlich. Erst als Thor leise seinen Namen flüsterte, nahm er seine Umgebung wieder bewusst war.

"Schläfst du?", fragte Thor leise.

Loki seufzte innerlich. Die Aufmerksamkeit seines Bruders wurde ihm allmählich zu viel.

"Ja."

"Du hast mir geantwortet." Nackte Füße tapsten auf dem steinernen Fußboden und kamen näher. Es gab ein dumpfes Geräusch und dann ein lautes Poltern, als Thor gegen einen Bücherstapel lief und ihn umstieß.

"Ich rede ab und zu im Schlaf", entgegnete Loki. "Und spätestens jetzt wäre ich auch wach."

Die Matratze bewegte sich unter Loki, als sich Thor auf den Bettrand setzte. Thor blieb eine Weile sitzen und massierte sich, unter leisen Gemurmel, den pochenden Fuß, dann streckte er sich neben Loki auf dem Bett aus.

"Ich kann nicht schlafen", murmelte er.

Loki überlegte ein bissiges Kommentar zu erwidern, doch dann gestand er: "Ich auch nicht."

"Ich dachte du schläfst und redest nur ab und zu im Schlaf?", meinte Thor und schnaubte.

Loki verdrehte die Augen, was Thor im Dunkeln nicht sehen konnte.

"Morgen ist es so weit", flüsterte Thor und Loki hörte die Anspannung in seiner Stimme.

"Ja."

"Bist du nervös?"

"Ich weiß nicht", sagte Loki. "Ich habe Angst, glaube ich." Es fiel ihm leichter diese Worte im Schutze der Nacht auszusprechen.

"Ich auch", sagte Thor. "Ich fürchte, dass Jane - und Erik und Hannah - etwas zustoßen könnte, es Probleme mit der Brücke gibt."

"Das ist nicht meine größte Sorge." Natürlich hatte er sich auch darüber Gedanken gemacht, aber wirklich fürchten -

"Du fürchtest ihre Reaktion?" Thor drehte sich auf die Seite und lag nun Loki zugewandt. Er machte undeutlich Lokis Nicken aus. "Warum?", fragte er. "Ich meine, sie kommt, oder nicht?"

"Ja, aber warum?"

"Was meinst du mit warum?"

"Vielleicht kommt sie nur um sich zu retten", sagte Loki leise. "Was ihr gutes Recht wäre", fügte er hinzu. "Ich habe sie von Anfang an belogen und zusätzlich dazu noch in Gefahr gebracht - ich könnte es verstehen, wenn sie mich nicht sehen will."

"Ich kenne Hannah Schwarz nicht, aber ich glaube nicht, dass sie kommen würde, nur um sich selbst zu retten."

Loki lächelte über den Versuch seines Bruders ihm Mut zu machen.

"Sollte es dennoch der Fall sein, werde ich es akzeptieren müssen."

"Du musst wahrlich im Schlaf sprechen", sagte Thor. "Oder deine Ärztin hat dich auf Midgard kuriert."

"Und du redest Unsinn", entgegnete Loki trocken. Er rollte sich ebenfalls auf die Seite. "Wann hast du Jane das letzte mal gesehen?"

"Als ich bei dir auf der Erde war", sagte Thor. "Ich kann es kaum erwarten sie zu sehen." Thor vergrub seine Finger in das weiche Kissen. "Morgen ist es soweit, kannst du das fassen?"
 

Noch 2 Stunden:

Loki fühlte sich, als hätte er keine Stunde in der Nacht geschlafen, und es würde ihn nicht wundern, wenn er es tatsächlich so wäre. Thor war bleich und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Er hatte die ganze Nacht den Mund nicht gehalten, doch seit sie am Frühstückstisch saßen, beschränkte sich seine Konversationsbeiträge auf die Bitte nach dem Salz.

"Was habt ihr getrieben?", fragte Sif und musterte erst Loki und dann Thor.

Was macht sie noch einmal hier?, fragte sich Loki. Ach ja, sie ist die Ablenkung für Thor. Er fragte sich, wann seine Mutter eine Ablenkung für ihn aus dem Ärmel schütteln würde.

"Du hast deine Nase schon immer in Angelegenheiten gesteckt, die dich nichts angehen", sagte Loki zu ihr, so dass nur sie es hören konnte.

Sif presste die Lippen aufeinander, ihr lag eine Erwiderung auf der Zunge, doch die Anwesenheit der Königin hielt sie davon ab zurück zu giften.

"Ihr esst ja gar nichts", sagte Frigga, der die angespannte Atmosphäre nicht entging.

"Keinen Hunger", murmelte Thor und Loki nickte knapp. Er fühlte sich als wäre er zwischen zwei Mühlsteine geraten und würde nun langsam zermahlen werden.

"Habt ihr wieder gefeiert?", fragte der König, der ihre Runde ebenfalls mit seiner Anwesenheit beehrte.

Ein richtiges kleines Familienfrühstück, dachte Loki. Niedlich. Ihm wurden die Wiedereingliederungsversuche lästig und nur Hannah ließ ihn das Frühstück durchstehen.

"Meine Güte, mit euch ist ja weniger anzufangen, als damals, als ihr euren ersten Kater hattet", sagte Frigga, die ihre Schweigsamkeit falsch, aber zu ihren Vorteil deutete.

"Erinnre mich nicht daran, Mutter!", stöhnte Thor und legte den Kopf auf die Arme.

Die Sonne stieg am Himmel auf und Loki wurde plötzlich bewusst, dass es nun in wenigen Stunden soweit war. Ihm wurde schlecht. Er legte das Messer neben seinen Teller und gab den Versuch ein Brot herunter zu würgen auf.

"Wir müssen los", kam es gedämpft zwischen Thors Arme hervor.

"Wohin?", fragte Odin.

"Jagd", murmelte Loki.

"Aber du hasst die Jagd", sagte seine Mutter und sein Vater sagte: "Haltet ihr das für eine gute Idee, so verkatert wie ihr seid?"

Und damit hatten Thor und Loki sich in eine Ecke manövriert.

"Wir lassen es ruhig angehen", versprach Thor.

"Außerdem sind wir ja nicht alleine", ergänzte Loki und schenkte seinem Vater ein frostiges Lächeln.

"Ich könnte euch begleiten", schlug Sif vor.

Die Brüder verneinten einstimmig und sie wussten genau wie auffällig das war, daher fügte Thor hinzu: "Das ist so ein Bruder-Ding."

Sif war nicht überzeugt, aber sie hing an Thors Lippen wie ein Hündchen. Ja, so ist's brav, dachte Loki, mach Sitz und warte artig. Manchmal fragte er sich, ob Thor ihre Hingabe absichtlich übersah oder sie ernsthaft nicht bemerkte.

Thor und Loki standen vom Frühstückstisch auf und gingen in die Ställe. Sie nahmen ein drittes Pferd mit, vorgeblich ein Packpferd, das für zwei der Neuankömmlinge bestimmt war, und ritten los.
 

Noch 30 Minuten:

Seit dem Zwischenfall am Fluss waren Lokis Schatten noch wachsamer. Thor hatte sie besänftigen können, doch sobald die Brüder gemeinsam unterwegs waren, bewachten die Schatten sie mit Argusaugen, deshalb war Thor bislang immer alleine zum geheimen Übergang gegangen.

Heute war es anders. Sie waren offen zum Treffpunkt geritten und hatten nicht versucht ihre Bewacher abzuhängen. Und nun rasteten sie am Rande einer weiten Ebene. Jedes Kind wusste, dass die Ebene kein gutes Jagdgebiet war, doch die Schatten wiesen die Brüder nicht darauf hin - sie wurden dafür bezahlt die beiden - oder zumindest den einen - im Auge zu behalten, nicht dafür sie in den Grundlagen der Jagd zu unterrichten.

Schwere Gewitterwolken bedeckten den Himmel. Sie zogen mit einer unnatürliche Schnelle auf und konzentrierten sich an einem Punkt. Der Wind nahm zu und die Wächter schlugen vor Schutz zu suchen bis das Unwetter vorüber gezogen sei. Dann flammte der Himmel auf und tauchte die dunklen Wolken in ein grün-blaues Licht.

Inmitten des aufgewirbelten Staub machte Loki undeutlich eine Gestalt aus. Die Wächter sahen sie auch und zogen ihre Waffen.

Die Gestalt taumelte aus dem Sturm und entpuppte sich als Hannah. Lokis Füße setzten sich automatisch in Bewegung. Als sie ihn sah, ließ sie die Sporttasche, die sie geschultert hatte, fallen und kam ihm entgegen.

Wenige Meter vor ihr blieb er stehen. Hannah überquerte die Distanz.

"Du!", schrie Hannah, um das Getöse des Sturms zu übertönen - und verpasste ihm einen Kinnhaken, der sich gewaschen hatte.

Er musste zugeben, er hatte sich einige Wiedersehens-Szenen ausgemalt, aber diese gehörte nicht dazu. Wann hatte sie gelernt so zu zu schlagen?

Die Wächter rannten auf Hannah zu. Ihre schwarzen Locken flackerten wild im Wind und ihr Gesichtsausdruck war Wut verzerrt. Sie wirkte wieder wie eine Walküre und stellte in den Augen der Wächter eine eindeutige Gefahrenquelle da.

Es gab ein weiteres Leuchten. Das reichte um die Wächter anhalten und die Umgebung sondieren zu lassen.

Hannah machte einen energischen Schritt auf Loki zu, der seinen Kiefer massierte, packte ihn am Kragen und küsste ihn. Er presste sie mit einem Arm an sich und vergrub die Hand des anderen in ihren Locken.

Nur widerwillig lösten sie sich voneinander, doch Loki hörte Thors aufgebrachte Stimme.

"Was ist los?", fragte Hannah und schaute zu Thor, der nahe bei Selvig stand.

"Ich weiß es nicht", sagte Loki. Er nahm ihre Hand und führte sie mit sich zu Thor.

Die Schatten standen auch dort. Thor gestikulierte wild mit den Armen und Selvig antwortete mit bleichen und ratlosen Gesicht.

"Wo ist Jane?", fragte Hannah, die die Umgebung nach der Wissenschaftlerin abgesucht hatte.

"Sie ist nicht durch gekommen", sagte Selvig.

Alle Anwesenden starrten zum Himmel, wo die Wolken im Begriff waren zu verschwinden.

"Die Verbindung bricht zusammen", sagte Thor und sah dabei Loki an. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Loki verstand und nickte.

Thor zog sein Jagdmesser und warf es Loki zu, der es geschickt auffing, dann richtete er seinen Hammer auf den Himmel.

Die Schatten versuchten ihn aufzuhalten, doch Loki stellte sich ihnen in den Weg. Mit dem Jagdmesser konnte er den beiden voll gerüsteten und mit Speeren und Schwertern bewaffneten Wächtern kaum etwas entgegen stellen, aber er musste sie nicht aufhalten, nur Zeit schinden. Aus den Augenwinkeln sah er wie Thor seinen Hammer schwang.

Hannah, die zwar nicht vollständig erfasste, was eigentlich los war, kam Loki zur Hilfe. Die Wächter griffen sie ebenso brutal an wie Loki. Unbewaffnet wie sie war, blieb ihr nichts anderes übrig als sich unter den Attacken der Wächter hinweg zu ducken oder ihnen auf andere Art auszuweichen.

Ein Wächter streifte sie mit seinem Schwert am Arm. Sie biss die Zähne zusammen und nutzte seine Blöße, um ihm einen Stein gegen den Kopf zu schlagen. Loki bekam es nur am Rande mit, doch er war stolz auf sie.

Endlich reckte Thor den Hammer gen Himmel, dann gab es einen Schlag, der alle von den Beinen riss und Thor wurde in die Luft katapultiert, wo er mit einem Wetterleuchten in dem abklingenden Sturm verschwand.

Der verbliebene Wächter kam als erstes wieder auf die Beine. Er hob sein Schwert und ließ es auf Hannah niederfahren, die benommen am Boden kauerte.

"Nein!", brüllte Loki und streckte die Hand aus. Eine Schockwelle löste sich von seinen Fingern und traf den Wächter, bevor er Hannah auch nur ein Haar krümmen konnte. Magie. Sie durchfuhr ihn wie ein Blitz und raubte ihm beinahe das Bewusstsein. Nur pure Willenskraft hielt ihn weiter auf den Füßen.

Die Ankunft der Fremden blieb nicht unbemerkt. Am Rand der Ebene zeichneten sich berittene Soldaten ab, die schnell näher kamen.

"Lasst euch gefangen nehmen!", stieß Loki zitternd hervor. "Wehrt euch nicht!"

Die Reiter umstellten sie. Loki wusste, dass es nicht gut für sie aussah: die Menschen waren unbefugt nach Asgard gelangt, Thor war verschwunden und die Wächter, die ihn im Auge behalten sollten, lagen bewusstlos auf den Boden. Er versuchte gar nicht erst die Situation zu klären, und sparte sich seinen Atem und seine Worte für den König auf - ihn zu überzeugen würde das wichtigste und zur gleichen Zeit das schwerste Unterfangen sein.

"Wir leisten keine Gegenwehr", informierte Loki den Hauptmann und reckte die leeren Hände in die Höhe. Zwei Soldaten drehten ihm grob die Arme auf den Rücken und fesselten seine Gelenke.

Zellengeflüster

Die Wächter hatten sie in den Kerker tief in den Eingeweiden Asgards gebracht. Loki, als Prinz oder als gemeingefährlichster der Gefangenen - er war sich noch nicht ganz im Klaren darüber, was von beidem zutraf - hatte seine eigene Zelle, während die zwei Menschen sich eine Zelle teilten.

Die Menschen schliefen, es war Mitten in der Nacht und die Reise mit dem Bifröst hatte sie mehr erschöpft als sie einen Asen erschöpfen würde, dann waren sie auch noch in einem Kampf zwischen Loki und den Wachen des Königs verwickelt worden. Wer konnte ihnen verdenken, dass sie die Zeit des Leerlaufs zum Regenerieren nutzten?

Hannah war am längsten wach geblieben. Sie war rastlos auf und ab gegangen, wie ein Tier in einem zu kleinen Käfig - die Zellen Asgards mochten groß sein, doch auch sie waren räumlich begrenzt -, bevor sie neben Dr. Selvig auf der Pritsche einschlief. Die ganze Zeit über hatte sie kein Wort mit Loki gewechselt.

Loki konnte nicht schlafen.

Das war nicht unbedingt so gelaufen, wie Thor und er es sich ausgemalt hatten. Nein, man musste das Kind wohl beim Namen nennen; es war ziemlich schief gelaufen. Er hatte nicht gewollt, dass Hannah festgenommen wird, ganz zu schweigen davon, dass sie die Nacht im Kerker verbringt. Er vermutete, dass ihre Schweigsamkeit zu einem großen Teil hierauf zurück zu führen war.

Das war die Sache mit Plänen, man schmiedete sie und hielt sie für absolut großartig, doch dann kam die Realität und zerschlug sie, wie ein bockiges Kind das Gute Porzellan der Mutter.

Er seufzte und dachte an Thor. Hatte er es über die Brücke geschafft? Hatte er seine Wissenschaftlerin gefunden? Würden sie zurück kommen? Sollte Thor auf Midgard sterben, was Loki nicht hoffte, doch die Möglichkeit bestand und musste berücksichtigt werden, würden die Asen es ihm anhängen. Er konnte es deutlich vor sich sehen: Er hatte sich zwar auf Thors Vorschlag eingelassen, die Menschen zu retten, aber seine eigene Ziele verfolgt. Hannah wäre unzweifelhaft seine Komplizin. Diejenige, die den Bifröst, ohne die geringsten Kenntnisse über Astrophysik und Ingenieurwesen zu haben (aber wer kümmerte sich schon um Logik, wenn es einen Sündenbock gab?), manipuliert hat. Vermutlich hat er ihr detailliert beschrieben wie sie vorgehen musste. Alles nur, um Thor auf die Erde zu locken, wo ihn sein Tod erwartete. So oder so ähnlich. Loki fragte sich, wann Odin ihn holen lassen würde, um ihn zu seinen perfiden Plan zu verhören.

Nicht nur seine rasenden Gedanken hielten ihn wach. Die Magie strömte durch seinen Körper und nach mehr als einem Jahr ohne jeden Funken Magie, fühlte er sich nun bis zum Äußersten gespannt, so als ob er jeden Moment in die kleinsten Bestandteile seines Daseins zerfallen würde. Er trommelte nervös mit den Fingern auf sein Knie.

Außerdem schnarchte Dr. Selvig, dagegen wirkte das Brüllen eines wütenden Bären wie das Fiepen einer Maus, leise und harmlos. Er warf einen genervten Blick in die Nachbarzelle und dachte: Wie kann Hannah bei diesem Lärm schlafen? Doch das tat sie nicht. Sie lag mit offenen Augen da, im dämmrigen Licht, das von den Energiewänden kam, wirkten ihre Augen dunkel. Er hätte sie nicht holen dürfen, wurde ihm plötzlich klar. Wenn man sie als Mitverschwörerin schuldig sprach, hatten sie nichts gewonnen. Auf die Tötung eines Prinzen stand der Tod. Ob sie hier oder auf Midgard stürbe, machte keinen Unterschied. Wie kam es, dass alles, was er zu ihrem Gunsten zu tun versuchte, das Gegenteil bewirkte?

"Du solltest dich ausruhen", sagte er leise.

"Der geschätzte Dr. Selvig holzt gerade einen Wald ab. Zeig mir wie man da schlafen soll, und ich tu es", entgegnete sie ebenso leise.

"Ah, du sprichst wieder mit mir?"

"Du hast angefangen." Sie stand auf und ging auf die Energiebarriere zu, die die Zellen voneinander trennten. "Wo ist dein Akzent hin?", fragte sie und setzte sich im Schneidersitz vor ihn.

"Bei meiner Rückkehr nach Asgard erhielt ich die Gabe der Sprache zurück. Ich spreche nun wieder alle Sprachen, fließend."

"Du bist ein ganz schöner Aufschneider", teilte Hannah ihm mit. "Ich mochte den Akzent."

Loki lachte leise.

"Dein Brief war sehr sachlich", sagte sie und zupfte an den Schnürsenkeln ihrer Turnschuhe, um Loki nicht ansehen zu müssen.

"Ich wollte die Entscheidung dir überlassen. Ob du kommst. Aus welchen Gründen du kommst." Lokis Kehle fühlte sich plötzlich sehr trocken an.

"Weil mir etwas an dir liegt oder um mich selbst zu retten?"

Loki biss fest die Zähne aufeinander und nickte, er vertraute seiner Stimme nicht.

"Willst du nicht fragen, warum ich gekommen bin?"

Natürlich wollte er das fragen, aber er hatte gesagt es sei ihre Entscheidung und somit war es ebenso ihre Entscheidung, ob sie ihre Gründe mit ihm teilte oder nicht.

"Gehört das auch zu eurem Plan?", fragte sie und beschrieb mit der Hand einen ausladenden Bogen.

"Ich muss gestehen, dass sich unser Plan als nicht realitätstauglich heraus gestellt hat", meinte Loki. "Uns war klar, dass eure Ankunft nicht ohne Folgen bleiben würde, doch Thor war sich sicher, dass er das Schiff schon schaukeln würde. Immerhin ist er der Lieblingssohn."

"Wie praktisch, dass Thor nicht hier ist." Hannah zog ein Bein an den Körper und stützte ihr Kinn darauf. "Das ist also Loki?", fragte sie und musterte ihn.

Loki schaute an sich herunter. Was sie wohl sah, wenn sie ihn anschaute? Sie verglich Loki mit Alexander, das sah er in ihren Augen.

"Ich will ehrlich zu dir sein", sagte er.

"Ich bitte darum", sagte sie. Es lag kein Spott in ihrer Stimme, nur ein Hauch Bitterkeit.

"Ich misstraue jedem und vertraue niemand. Niemand vertraut mir und jeder misstraut mir. Ich bin ein Meister der Lüge und Täuschung. Ich bin ein Ränkeschmied und ein Zauberer. Ich werde verachtet wegen meiner Magie, gehasst und gefürchtet. Ich habe vor drei Jahren gegen meinen älteren Bruder, dem rechtmäßigen Kronprinzen Asgards, geputscht und ihn beinahe getötet. Ich bin in ein selbstgewähltes Exil gegangen und habe mit einer finsteren Macht konspiriert. Ich habe einen Angriff auf die Erde gestartet, habe New York City verwüstet und unzähligen Menschen das Leben gekostet, habe die Menschen in Stuttgart in Angst und Schrecken versetzt, habe meinen Bruder wiederholt versucht zu töten und habe es einer Alien-Armee ermöglicht auf die Erde einzufallen." Er schluckte trocken. Jetzt kam der schwierigste Teil: "Wenn du mir nicht geholfen hättest, hätte ich dich getötet."

Das Energiefeld zwischen ihnen summte laut. Loki blickte Hannah unsicher an. Er war absolut ehrlich gewesen - jetzt zeigte sich, ob Ehrlichkeit sich auszahlte.

Hannah stieß langsam die Luft aus. "Und das ist die Wahrheit?"

Loki zögerte - eine Sache gab es da noch -, doch er nickte.

"Nun", sagte sie gedehnt und verschaffte ihrer Antwort so einen Aufschub. "Dann danke ich dir für deine Ehrlichkeit."

Sie biss sich auf die Lippe, während sie das Gesagte verarbeitete. Loki wollte am liebsten aufspringen. Er hielt es nicht aus. Konnte sie nicht einfach reagieren? Wütend werden oder traurig. Oder angeekelt sein. Irgendetwas. Hauptsache etwas! Er zwang sich dazu ruhig zu bleiben.

"Du hast nur deine negativen Seiten aufgezählt", sagte sie schließlich. "Gibt es nichts positives?"

"Ich weiß es nicht. Gibt es etwas positives?", gab er die Frage zurück.

"Ich kenne Loki nicht. Aber ich kannte Alexander. Und wenn Alexander auch nur ein bisschen so ist wie Loki... Alexander war überheblich und rücksichtslos - wenn ich darüber nachdenke, hatte er viele Attribute von Loki."

"Der Tiger wechselt seine Streifen nicht... Keine gute Prognose, mh?" Er hätte es wissen müssen.

"Aber Alexander konnte auch charmant sein", fuhr Hannah fort, ohne seinen Einwand zu beachten. "Er war intelligent, hatte Witz, und wenn mich nicht alles täuscht, war er wirklich um mich besorgt. Werde ich diese Seiten auch in Loki finden?"

"Ich könnte Alexander sein."

"Alexander ist eine Fassade. Mir war von Anfang an klar, dass er nichts anderes war. Ich will den echten Loki kennen lernen."

"Wirklich?", fragte er leise und er spürte wie sein Herz in seiner Brust hämmerte.

"Wenn er mir nicht gefällt, kann ich immer noch gehen. Wenn ich nebenbei noch den Weltuntergang überlebt habe -" Sie zuckte mit den Schultern.

Er lächelte bitter. Nicht über ihre Worte, sondern über diejenigen, die er gleich aussprechen musste. "Ich würde dir Loki gerne zeigen."

"Aber?" Ihr Körper wirkte angespannt, ihre ganze Aufmerksamkeit galt ihm.

"Aber morgen wird man uns zu Thors Verschwinden befragen. Der Bifröst war instabil, als Thor hindurch ging, niemand kann sagen, ob er auf der anderen Seite angekommen ist oder in welcher Verfassung. Der König wird jemanden losschicken, um nach Thor zu suchen. Vielleicht wird er sogar selbst gehen. Doch sollte sich herausstellen, dass Thor tot ist -" Er brach ab. "Der Hohe Rat wird einen Schuldigen finden."

Ungläubig sah Hannah ihn an, dann runzelte sie die Stirn. "Aber du hast nichts mit Thors Verschwinden zu tun! Du hast die Einstein-Rosen-Brücke weder gebaut, noch die Möglichkeit gehabt sie zu manipulieren. Dass es zu Komplikationen kam, lag nicht in deiner Hand und dass dein Bruder gegangen ist ebenso wenig. Warum sollte man dich für schuldig befinden?"

"Das würde gut in ihr Bild von mir passen", zitierte er ihre Worte. "Keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass dir nichts passiert."

"Von einer Gefängniszelle aus?", fragte sie aufgebracht. Sie schloss die Augen und massierte sich die Schläfe. "Entschuldige, es ist... nur sehr viel auf einmal."

"Ich verspreche dir, dass ich dich schütze." Und als er ihr Zögern bemerkte: "Wenn du willst, dann leiste ich einen Blutschwur."

"Das ist es nicht", sagte sie leise. "Ich weiß, dass du mich beschützt. Das hast du immer getan - selbst wenn du sagst, dass du mit dem Gedanken gespielt hast, mich zu töten. Du hast mich vor ihm geschützt und vor SHIELD."

"Nicht gut genug", flüsterte er.

Sie schwiegen beide.

"Kann ich dir eine Frage stellen?"

Hannah schaute überrascht auf, so als hätte sie vergessen, dass er da war, oder wo sie sich befand. Sie nickte.

"Warum hast du mir geholfen? Damals im Krankenhaus. Wenn du wusstest, dass ich nicht bin, wer ich vorgab zu sein. Obwohl ein Killerkommando auf meinen Fersen war."

"Das habe ich mich auch oft gefragt." Hannah strich sich einige widerspenstige Locken aus dem Gesicht. "Wenn ich einfach weiter gelaufen wäre... Es hätte alles viel einfacher sein können, nicht wahr? Ich hätte mir viel Ärger ersparen können."

"Wieso hast du es also getan?", fragte Loki.

"Weil ich wütend war", sagte Hannah und schlug mit ihrer Faust auf ihr Bein. "Weil diese Kerle einfach meine Station stürmen, mich übergehen und behandeln, als wäre ich ein dummes Weib, das im Weg steht." Sie lächelte verlegen. "Wie egoistisch und eitel von mir.

Dann habe ich dich gesehen und ich wusste sofort, dass sie hinter dir her waren. Da war ein gehetzter Ausdruck in deinen Augen. Du kennst das Gefühl gefangen zu sein, ich kenne es auch und in diesem Moment war es eine Rebellion gegen die unsichtbaren Gitterstäbe, die mich gefangen hielten. Schon wieder so ein selbstsüchtiger Grund", murmelte sie.

"Wir waren beide selbstsüchtig", entgegnete Loki ruhig. "Ich brauchte ein Versteck, du Freiheit. Wir haben uns ergänzt."

"Bis wir irgendwann abhängig von einander wurden."

"Ich hätte dir gerne Asgard gezeigt."

"Weißt du, wenn wir aus diesen Zellen gekommen und unter uns wären, hätte ich dir den Kopf gewaschen. Was dir einfällt, nachdem du ein Jahr untergetaucht warst, ich kein Wort und kein Lebenszeichen von dir erhalten habe, einfach in meinem Haus aufzutauchen. Und dann in dem Moment, in dem ich dich sehe, zu verschwinden. Und mein persönlicher Favorit: Was dieser gefühlskalte Brief sollte, in dem du mich nach Asgard zitierst"

"Das klingt nach Spaß", zog er sie auf. "Und ich habe dich nicht her zitiert."

"Oh, du kannst dir gar nicht vorstellen wie spaßig das geworden wäre", entgegnete sie trocken. "Und: doch das hast du." Sie lächelte und er erwiderte es.

"Du solltest ein wenig schlafen", sagte Loki.

Dr. Selvig hatte aufgehört zu schnarchen. Er lag auf dem Rücken und atmete leise durch den geöffneten Mund.

"Welche Strafe steht auf die Ermordung des Kronprinzen?", fragte Hannah. Loki antwortete nicht, aber das musste er auch nicht. Sie konnte es sich denken. "Dann kann ich nicht schlafen und die womöglich letzten Stunden mit dir vergeuden."

Hannah holte sich ein Kissen von der Pritsche und setzte sich in eine bequemere Position.

"Kann ich es sehen?", fragte sie plötzlich.

"Was sehen?"

"Deine Magie."

Loki war überrascht. Er war nie gefragt worden seine Magie zu zeigen. Außer die Betreffenden steckten bis zum Hals in Schwierigkeiten und brauchten ihn, um sie zu retten, da war seine Magie dann gut genug. Aber nur um sie zu sehen? Unvorstellbar.

Er streckte die Hand aus und ließ eine kleine Flamme auf seiner Handfläche erscheinen, dann verwandelte sich die abstrakte Gestalt der Flamme in einen kleinen Feuervogel. Der Vogel flog eine Runde durch die Zelle und landete dann direkt vor der Barriere, wo er nach einigen imaginären Körner pickte.

Hannah erfreute sich sichtlich an seiner kleinen Vorführung, in ihren Augen spiegelte sich ihr Vergnügen wieder und sie lachte, als der Vogel auf sie zu hüpfte. Sie streckte die Hand nach ihm aus.

"Vorsicht!", warnte Loki. "Berühre nicht den Energieschild."

Sie zog die Hand zurück.

"Ist er real? Oder eine Illusion?" Sie nickte zu dem kleinen Vogel.

"Eine Illusion."

Sie legte sich auf die Seite, mit dem Kopf auf dem Kissen, und beobachtete den Vogel auf seinem Weg durch die Zelle. "Es ist sehr schön", murmelte sie.

"Das kann nur von jemand aus Midgard kommen", sagte Loki. "Ein Ase würde nichts schönes in der Magie sehen."

"Banausen", sagte sie schlicht. "Allesamt eine Bande von Banausen. Anwesende ausgenommen", fügte sie hinzu.

"Wie gnädig von Ihnen, Dr. Schwarz." Er deutete eine Verbeugung an.

Sie setzte sich ruckartig auf.

"Was?", fragte er. "Habe ich etwas falsches gesagt?"

"Ich habe dir das wichtigste noch gar nicht erzählt! Ich habe mich scheiden lassen. Oder ich bin noch dabei. Er hat die Papiere unterschrieben und als ich gegangen bin, waren sie beim zuständigen Gericht eingegangen. Es muss nur noch offiziell werden."

"Du hast dich scheiden lassen?", wiederholte er verdutzt.

"Ja, kurz nach deiner Flucht. Ich habe mir einen Anwalt gesucht und ihm die Sache in die Hand gegeben." Sie schaute ihn an und lächelte schelmisch. "Dr. Hannah Schwarz, geschieden."

"Loki Odinson", sagte er und verbeugte sich diesmal galant vor ihr. "Sehr erfreut."

Er setzte sich wieder auf den Zellenboden. "Was gibt es sonst neues?"

"Lass mich mal sehen", überlegte sie laut. "Ich mache seit einem halben Jahr Kickboxen."

"Das habe ich gemerkt", sagte Loki und rieb sich sein Kinn.

"Du hattest es verdient", entgegnete Hannah und er lachte.

Sie tauschten sich noch eine Weile aus, erzählten dem jeweils anderen was sie in der vergangenen Zeit, in der sie getrennt waren, gemacht hatten. Und Loki erschrak, als die Wächter kamen, um ihn zu holen, da er nicht bemerkt hatte, wie schnell die wenigen Stunden, die sie miteinander hatten, um gegangen waren.

Bevor die Wachen ihn wegbrachten, rief Hannah seinen Namen. Er drehte sich zu ihr um. "Erkläre ihnen was geschehen ist", bat sie. "Versprich mir, dass du alles versuchst, um zu mir zurück zu kehren."

Er schenkte ihr ein Lächeln, in das er all seine Überzeugungskraft legte, eine letzte Lüge, und ging mit den Wachen.
 

Hannah war müde, sie hätte gerne geschlafen, doch die Anspannung hielt sie auf den Beinen. Ihre Armbanduhr hatte den Geist aufgegeben, als sie die Einstein-Rosen-Brücke überquert hatte, und sie konnte auf keine andere Art und Weise das Verstreichen der Zeit messen. Sie glaubte, dass Loki seit einer Stunde fort war, aber mit Sicherheit konnte sie das nicht sagen. Hoffentlich werden auf Asgard Urteile nicht auf der Stelle vollstreckt, dachte sie und lief erneut die Zelle ab.

Dr. Selvig saß auf der Pritsche. Er sah ausgeruht aus, immerhin hatte er die ganze Nacht durchgeschlafen, doch auch in seinem Gesicht spiegelte sich Besorgnis wieder. Dr. Foster hätte direkt hinter ihnen sein müssen, doch sie war nicht durchgekommen. Im besten Fall steckte sie auf der anderen Seite, auf der Erde, fest, im schlimmsten war die Verbindung zusammen gebrochen, noch während sie sich darin befand. Hannah hatte nicht den blassesten Schimmer von Physik, doch sie konnte sich vorstellen, dass es nicht gut war in einem Wurmloch zu stecken, während es zusammen bricht.

Selvig war ihr gegenüber bereits auf der Erde recht zurückhaltend gewesen, er hegte keine Sympathie für Loki und ihre Verbindung zu ebenjenem störte ihn sichtlich, aber seit sie in der Zelle waren, herrschte eisiges Schweigen. Hannah hatte nichts dagegen, so musste sie sich nicht auf ein gestelltes Gespräch einlassen.

Als die Wächter kamen, wusste sie nicht, ob sie erleichtert oder niedergeschlagen sein sollte - erleichtert, weil die Warterei endlich ein Ende hatte; niedergeschlagen, weil Loki nicht bei ihnen war. Sie fragte einen Wächter nach Loki, während sie von ihnen flankiert aus dem Kerker geführt wurde, bekam aber keine Antwort. Auf dem Weg hinauf, begleitete sie ein Mann, der wie ein Gelehrter wirkte, und gab ihr eine Kurzeinführung in das Verhalten bei Hofe.

Dann stand sie auch schon in der Mitte einer großen Halle, umringt von Hunderten von Menschen, die bei ihrem Erscheinen anfingen zu tuscheln. Auf einem Podest vor ihr saßen der König, auch wenn sie ihn nur kurz gesehen hatte, erkannte sie ihn wieder, und eine Frau, die sie für die Königin hielt. Hannah fühlte sich unwohl, denn die Atmosphäre im Raum war geladen und es schwang ein feindlicher Unterton in ihr mit.

Der Gelehrte hatte ihr erklärt wie sie den König zu grüßen hatte, doch allem in ihr widerstrebte es auf die Knie zu sinken und das Haupt zu beugen. Also blieb sie stehen und drückte den Rücken durch, was empörte Proteste aus den Reihen der Zuschauer nach sich zog.

Loki stand seitlich vor dem Podest. Die Wachen hatten ihn Hände und Füße mit schweren Ketten gebunden, und rechts und links von ihm Stellung bezogen. Sie warf einen flüchtigen Seitenblick zu ihm, er schüttelte kaum merklich den Kopf und formte mit dem Mund stumm die Worte: Bitte, Hannah!

Steif verbeugte sie sich vor dem König. Sie sprach ihn weder mit Majestät an, noch ging sie auf die Knie; das wären Zeichen des Respekts und seit sie auf Asgard war, hatte niemand sie auf eine Art behandelt, die Respekt verdiente. Geschrei erhob sich im Saal.

"Ruhe!", donnerte der König, er hob eine Hand und brachte die Menge zum Schweigen.

Die Königin blickte zu ihrem Mann und als dieser nickte, erhob sie sich von ihrem Thron und trat einige Schritte in den Saal. "Die Menschenfrau ist nicht vertraut mit unseren Bräuchen und Sitten", sagte sie. "Seid nachsichtig." Dann setzte sie sich wieder.

Der König musterte Hannah und Hannah ihrerseits musterte den König. Er war alt, viel älter als sein Äußeres vermuten ließ, und herrschte schon lange über die Asen. Er war ein strenger, aber weiser Herrscher - er hatte die Spannen mehrerer Menschenleben durchlebt, um diese Weisheit zu sammeln. Er trug eine goldene Rüstung, die ihm ein imposantes und furchterregendes Auftreten gab. Hannah ließ sich nicht von seinem Alter täuschen, der König war ein Kämpfer und ganz sicher war er kein Gegner, den man unterschätzen sollte. Im Laufe seines langen Lebens hatte er gelernt, dass nicht alles durch einen Kampf bereinigt werden konnte. Trotz der negativen Visionen, die Loki in der Nacht gezeichnet hatte, hatte Hannah das Gefühl, dass König Odin weder vorschnell handeln würde, noch grausam wäre. Sie konnte nicht benennen warum, aber sie vertraute diesem Mann und sie vertraute darauf, dass er sie anhören und ein gerechtes Urteil fällen würde. Plötzlich fühlte sie sich entspannter.

"Wie lautet dein Name, Kind?", verlangte der König zu wissen.

"Mein Name lautet Hannah Schwarz", erwiderte sie mit fester Stimme. "Majestät", fügte sie nach kurzem Zögern hinzu.

"Weißt du weswegen du hier bist, Hannah Schwarz?"

"Hier auf Asgard oder hier vor diesem Gericht, Majestät? Hier auf Asgard bin ich, weil dieser Mann" - sie deutete auf Loki - "mich vor dem sicheren Tod auf der Erde - auf Midgard gerettet hat. Warum ich vor diesem Gericht stehe, ist mir unbekannt. Welches Vergehen wird mir vorgeworfen, Majestät?"

Die Königin verbarg ein verhaltenes Lächeln hinter ihrer Hand.

Hannah nahm alles um sich herum viel deutlicher wahr, ihre Sinne waren geschärft. Sie spürte wie ihr Schweißperlen quälend langsam den Nacken hinab und die Wirbelsäule entlang krochen, doch seltsamerweise fühlte sie sich ganz ruhig. Das ist die Müdigkeit, dachte sie.

"Der Hohe Rat von Asgard wirft dir vor mit Loki Odinson konspiriert und an dem Komplott zur Ermordung des Kronprinzen teil gehabt zu haben", sagte der König ruhig. Er teilte die voreingenommene Haltung des Hohen Rats nicht. "Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Hannah Schwarz?"

Hannah ballte eine Hand zur Faust und blickte an der Reihe von Gesichtern entlang, die den Hohen Rat von Asgard bildeten. Die Männer interessierten sich nicht für Hannah, sie wollten nur Loki aus dem Weg schaffen, und Hannah war dabei lediglich ein Kollateralschaden, den man einzugehen bereit war.

"Ich habe zu meiner Verteidigung folgendes zu sagen: Es gab nie einen solchen Komplott."

"Das ist eine Lüge!", scholl es aus den Zuschauerränke. Der König verlangte Ruhe und schlug mit der gepanzerten Faust auf den Thron.

Als es wieder ruhig war, bat er Hannah fort zu fahren. Sie erläuterte was in den letzten Wochen vor ihrer Ankunft auf Asgard geschehen war: Die Naturkatastrophen auf der Erde waren immer stärker und tödlicher geworden. Sie wusste, dass das Ende der Welt bevorstand, sie konnte es mit jeder Faser ihres Körpers fühlen. Und als sie das Unausweichliche akzeptierte, kam der Brief, der Rettung versprach. Sie erzählte von ihrer Reise zu den Doktoren Selvig und Foster, von den Komplikationen, die entstanden. Ein Ratsmitglied befragte sie zu den wissenschaftlichen Hintergründen.

"Ich weiß nichts über diese Dinge", erklärte sie. "Ich bin ein Doktor der Medizin."

"Du bist ein Heiler?", hakte der Mann nach.

"Ich versorge Verletzte und Kranke", sagte sie und das stellte den Mann zufrieden. "Ich habe einen Eid geleistet, dass ich jedem Menschenleben von Beginn an Ehrfurcht entgegenbringe. Einen Menschen zu töten, wissentlich oder unwissentlich, widerspricht meiner ethischen Auffassung, und ich würde mich nie an einer Unternehmung beteiligen, die darauf abzielt jemanden zu töten."

"Schenken wir deinen Worten glaube", sagte ein anderes Ratsmitglied, "und gehen davon aus, dass deine Beteiligung unwissentlich war, dann könntest du trotzdem von Loki manipuliert und für seine Zwecke eingespannt worden sein."

Hannah starrte dem Mann direkt in die Augen, sie legte ihre ganze Wut in den Blick, und antwortete erst, als der Mann den Kopf abwandte. "Natürlich", sagte sie und hatte Mühe das wütende Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. "Aber haben Sie dafür Beweise? Ich höre seit Beginn dieser Verhandlung nichts als Vorwürfe, doch wo, meine Herren, sind Ihre Beweise?" Die Männer waren zu empört, um zu antworten, und bevor sie die Kontrolle über ihre Zungen wiedergewannen, fuhr Hannah fort: "Dort, wo ich herkomme, gilt der Grundsatz In dubio pro reo - Im Zweifel für den Angeklagten. Solange die Schuld nicht eindeutig bewiesen werden kann, wird die Unschuld des Angeklagten vermutet."

Hannah sprach nun den König direkt an: "Ich halte Euch für einen klugen und besonnenen Mann, Majestät, daher gestattet mir die Frage: Wisst Ihr ohne Zweifel das Thor tot ist?"

Der König blickte sie lange an, schließlich sagte er: "Heimdall hat ihn bisher nicht gefunden, und die Gelehrten sind sich einig, dass er die Passage nicht überlebt haben kann."

Hannah nickte langsam. "Ich habe Euch bereits gesagt, dass ich mich auf dem Gebiet der Astrophysik nicht auskenne, und es liegt mir fern Euren Wissenschaftlern zu widersprechen. Aber ich widerspreche dem Vorwurf der Ermordung. Sollte Thor tot sein, so geschah es durch einen tragischen Unfall, und ich bedaure das zutiefst, denn auch wenn ich ihn nicht persönlich kannte, so verdanke ich ihm doch mein Leben und sehe mich als in seiner Schuld stehend." Ein Murmeln ging durch den Raum, das sogleich wieder erstarb.

"Es geht um Euren Sohn und ich verstehe, dass Ihr ein berechtigtes Interesse daran habt, die Umstände seines Todes zu beleuchten, aber ich bitte Euch inständig, verliert nicht die Möglichkeit aus dem Auge, dass es sich um einen verhängnisvollen Unfall handelt." Ihre Augen huschten zu Loki, der genauso angespannt und erschöpft wirkte, wie sie sich fühlte. "Manchmal sieht man Schatten, wo keine sind."

Der König, dem ihr Blick nicht entgangen war, sagte: "Und manchmal ignoriert man die Schatten, obwohl sie vorhanden sind."

Hannah schwieg. Was konnte sie darauf antworten? Loki hatte die Wahrheit gesprochen; niemand vertraute ihm, alle misstrauten ihm. Selbst sein eigener Vater konnte nicht mit ganzem Herzen glauben, dass er unschuldig war. Täuschte sie sich in ihm? Sie sah den Schatten in Loki, doch sie sah auch das Licht. Aber vielleicht sah sie auch nur Gespenster.

Loki stand nach wie vor auf seinen Platz vor dem Podest und hörte mit unbewegtem Gesicht die Vorwürfe. Sie fragte sich, wie er das Misstrauen und die Anschuldigungen, die von allen Seiten auf ihn eindrangen, ertragen konnte. Dann wurde ihr bewusst, dass er das ihretwegen tat. Er würde sie um jeden Preis beschützen, auch wenn das bedeutete, dass er eine Strafe auf sich nahm, die er nicht verdiente.

"Ihr habt meine Seite der Ereignisse gehört", sagte sie.

"Lügen! Alles Lügen!", erscholl es wieder aus der Menge.

Bevor Odin eingreifen konnte, rief Hannah laut und für alle verständlich: "Dies ist bereits das zweite mal, dass ich der Lüge bezichtigt wurde. In der Anonymität der Masse lässt es sich leicht sagen, aber warum trittst du nicht vor mich und sagst es mir ins Gesicht?" Niemand löste sich aus dem Publikum. "Ich hielt die Asen für ein ehrenvolles Volk, ich muss einen Irrtum unterlegen sein."

Der Sturm der Entrüstung, der daraufhin los brandete, konnte von Odin nicht niedergeschlagen werden. Daher brachte man Hannah und Loki zurück in ihre Zellen.

Loki wartete bis die Wachen mit Dr. Selvig den Kerker verlassen hatten, bevor er sich wutentbrannt Hannah zuwandte. "Bist du nicht bei Verstand? Sie hätten dich gehen lassen. Jetzt werden sie dich zusammen mit mir exekutieren. Wie konntest du sie so provozieren, Hannah?" Dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. "Das war deine Absicht?", fragte er schwach und Verzweiflung stieg in ihm auf.

"Ich bin deinetwegen gekommen", sagte Hannah. "Verstehst du? Deinetwegen. Zusehen zu müssen wie sie dich hinrichten... Das würde mir das Herz brechen, Loki. Ich könnte niemals mit dieser Schuld leben."

"Welche Schuld, Hannah? Du hast keine Schuld."

"Doch, das wäre nicht passiert, wenn ich nicht gekommen wäre. Also trage ich mit an der Schuld."

Er presste die Stirn gegen seine Fingerspitzen und stöhnte: "Wäre ich dir nur nie begegnet!"

"Was?" Hannah war empört und verletzt - und zu einem nicht unbeachtlichen Teil wütend.

"Ich wollte doch nie, dass du in all das mit hinein gezogen wirst!", rief er. "Weißt du denn nicht wie unerträglich für mich der Gedanke ist, dass du sterben wirst, dass ich nichts daran ändern kann und es nur geschieht, weil du mir eine Chance gegeben hast?"

Sie standen sich gegenüber und alles, was sie voneinander trennte, war die Energiewand. Ein unüberwindbares Hindernis.

"Ich liebe dich", flüsterte sie und sie spürte ein Brennen in den Augen, doch sie verbannte es aus ihren Gedanken und schluckte trocken.

"Ist das deine Art deine Liebe zu zeigen? Indem du deinen Liebsten schlägst?", fragte Loki.

Sie lachte erstickt. "Du hattest es verdient!"

"Das hatte ich wohl." Lokis Züge wurden weich. "Ich habe nicht viel Erfahrung mit der Liebe, aber ich weiß zweifellos, dass mein Herz dir gehört."
 

Odin verstand es seine Erschöpfung nach außen hin zu verbergen, aber Frigga kannte die Anzeichen, nach den Jahrtausenden, die sie gemeinsam verbracht hatten, kannte sie jedes noch so kleine Anzeichen. Der Odinschlaf war überfällig, seit Jahren war er überfällig, doch wieder und wieder kamen Dinge dazwischen, die keinen Aufschub erlaubten und um die Odin sich kümmern musste. Und so vernachlässigte er das, was er am dringendsten benötigte - Schlaf.

Frigga hatte gehofft, dass Odin nach Lokis Verbannung endlich Ruhe finden würde, und tatsächlich ging es auch ein Jahr lang gut. Dann wurden die Auswirkungen der Katastrophen auf Midgard zu verheerend und die Gelehrten waren sich sicher, dass es der Beginn von Ragnarök war. Und Odin erwachte, um seinen Sohn nach Hause zu holen.

Odin stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster. "An was denkst du, meine Liebe?", fragte er.

Frigga blickte auf ihre Hände, ordnete ihre Gedanken, und sah dann zu ihm.

"Ich habe bemerkt, dass Loki unglücklich auf Asgard war", begann sie. "Ich frage mich, wenn ich mehr auf ihn eingegangen wäre..."

"Dann hätte er sich weiter von dir zurück gezogen", sagte Odin schlicht. Frigga wusste, dass er recht hatte. Loki war in solchen Dingen schon immer schwieriger als sein Bruder gewesen.

"Wir hätten sehen müssen was diese Frauen unseren Söhnen bedeuten", sagte sie. "Wenn wir sie unterstützt hätten in ihrem Bestreben diese drei Menschen nach Asgard zu holen, wenn sie nicht im Geheimen handeln gemusst hätten, dann wäre es vielleicht nie so weit gekommen."

"Du hältst es also für einen Unfall?" Odin wandte sich vom Fenster ab und kam zu ihr.

"Hannah Schwarz vertrat diesen Standpunkt."

"Und Dr. Selvig vertrat einen ganz anderen", erinnerte Odin seine Frau.

"Du vergisst, dass Dr. Selvig und Loki eine Vorgeschichte haben."

Odin setzte sich in einen Sessel. „Die haben Hannah Schwarz und Loki auch.“ Er strich geistesabwesend über das Gefieder seiner beiden Raben. "Ich muss gestehen, mir gefiel ihr Argument der Unschuldsvermutung", sagte Odin.

"Sie ist mutig", bestätigte Frigga. "Und ist dir aufgefallen wie sie Loki angesehen hat? Ich glaube sie tut ihm gut."

"Sie mäßigt ihn." Odin nickte. "Aber sie ist ein Mensch!", brummte er. "Eine Sterbliche. In einem Wimpernschlag ist ihr Leben zu Ende und was wird dann aus Loki? Er macht sich nur unglücklich!"

"Das liegt nicht mehr länger in unseren Händen, Liebster."

Odin blickte in die Ferne. Er dachte an Thor. Frigga versuchte sich verzweifelt an dem letzten Strohhalm zu klammern, den sie hatte - man hatte seine Leiche noch nicht gefunden, und solange dies der Fall war, weigerte sie sich seinen Tod auch nur in Betracht zu ziehen.

"Die Ungewissheit ist unerträglich", sagte der König und seine Stimme klang müde.

Frigga griff nach seiner Hand. Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und küsste ihre Finger.

"Wie wird der Rat entscheiden?", fragte sie.

"Ich kann es dir nicht sagen. Die Menschenfrau hat den Unmut einiger Ratsmänner auf sich gezogen, aber auch den Respekt und die Ehrfurcht einiger anderer. Sie hat gesagt was sie dachte und keine Konfrontation gescheut, das imponiert den jüngeren Männern und erschüttert die älteren in ihren Grundfesten.

Und sie liegt nicht falsch, es gibt keine Beweise für die Vorwürfe, die man Loki macht. Er hat in der Vergangenheit Fehler begangen, einige unverzeihlich, aber sie können ihn nicht aufgrund Taten, die über ein Jahr zurück liegen, für etwas ganz anderes verurteilen. Auch wenn sie seine Taten nicht vergessen und bei ihrem Entschluss berücksichtigen. Du siehst, meine Liebe, ich kann unmöglich vorhersagen wie der Rat entscheiden wird." Er griff ihre Hand fester und schaute sie ernst an. "Aber wie auch immer der Rat entscheidet, ich werde nicht zulassen, dass ich meine beiden Söhne innerhalb von zwei Tagen verliere."

"Du willst dich über den Rat hinweg setzen?"

"Ich bin der König und es ist ihre Aufgabe mich zu beraten, doch die endgültige Entscheidung fälle immer noch ich."

Frigga drückte dankbar seine Hand.

Heimdall trat ein. "Mein König, meine Königin", sagte er. "Ich habe ihn gefunden."
 

Thor ließ es sich nicht nehmen seinen Bruder und die Menschen persönlich aus dem Kerker zu holen. Er hatte sich während der Passage durch den Bifröst den Kopf gestoßen und die Palastheiler drängten ihn zuerst in die Heilkammern zu gehen, doch Thor überging ihre Einwände und machte sich an den Abstieg zu den Zellen. Das Blut war getrocknet und die Wunde konnte warten. Die Gefangenen nicht.

Als Thor das schwere Tor aufstieß und in einem Tonfall, der keine Widerrede duldete, die Freilassung seines Bruders und der Menschen verlangte, erhob sich Loki von seinem Platz auf dem Zellenboden, nahe bei Hannah Schwarz.

"Du lebst", sagte Loki.

"Es braucht mehr, um mich zu töten", sagte Thor.

"Oh, glaube mir, Bruder, dessen bin ich mir bewusst."

Thor lachte donnernd, zog Loki in eine Umarmung und schlug ihm kräftig auf den Rücken.

"Du hast dir ganz schön viel Zeit gelassen", murmelte Loki. "Hast du was du wolltest?"

Thor machte einen Schritt zur Seite und präsentierte grinsend Jane Foster, deren schmale Gestalt bis dahin von ihm verdeckt war. Jane machte einen Schritt nach vorne und schlug Loki ins Gesicht. "Das ist für New York", knurrte sie.

Hannah lachte laut auf. "Zweimal in zwei Tagen."

Loki bedachte sie mit einem kurzen, finsteren Blick, dann wandte er sich an Thor und meinte mit einem schmalen Lächeln: "Ich mag sie." Thor legte stolz einen Arm um seine Jane.

"Du bist also die berühmte Hannah Schwarz", sagte Thor, als sie aus der Zelle trat, und seine weißen Zähnen blitzten.

"Big Brother was watching us", erklärte Loki Hannah.

"So?", fragte sie. "Nun, ich fürchte dann hast du einen Vorteil, den ich nicht habe. Alles, was ich von dir erfahren habe, war, dass du tot bist. Was offensichtlich nicht der Fall ist."

Hannah fasste Jane am Arm. "Es ist gut zu sehen, dass du wohlauf bist", sagte sie. "Erik und ich waren besorgt."

Thor überließ die beiden Frauen sich selbst und ging auch Erik Selvig begrüßen.

Dann sagte er: „Ich habe alles erklärt und es steht euch frei zu gehen.“ Er blickte auf Hannahs Ärmel, der sich mit Blut vollgesogen hatte. „Hannah, du bist verletzt.“

„Es ist nur ein Kratzer“, meinte sie.

„Die Heiler sollen es sich trotzdem ansehen. Lasst uns in den Palast gehen.“

Ende

Hannah stand umringt von einer Gruppe Asen im Festsaal. Die Doktoren Foster und Selvig waren an ihrer Seite und vermittelten ihr das Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit inmitten all dieser Fremdheit. Die Asen verhielten sich ihnen gegenüber ausgesprochen freundlich und offen und stellten Fragen über das Leben auf Midgard, wie sie es nannten, und Midgard im Allgemeinen. Die meisten von ihnen hatten noch keinen Menschen von der Erde gesehen und bei den anderen war es sehr lange her.

Thor beendete die Fragestunde, indem er die anderen Asen daran erinnerte, dass an diesem Abend gefeiert werden sollte und es noch genug Gelegenheiten geben würde, Fragen zu stellen. Dann entführte er Dr. Foster, um mit ihr zu tanzen.

Hannah streifte durch den Saal. Die Königin hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um die Gäste aus Midgard Willkommen zu heißen. Das dafür bereitete Festessen war überwältigend gewesen. Ein Gang war opulenter und köstlicher als der andere und Hannah hatte schnell einsehen müssen, dass sie nur soviel essen konnte. Dann der Met. Sie war einmal auf einem Mittelaltermarkt gewesen (eine Freundin hatte sie dazu gedrängt, sie konnte dem Spektakel nicht allzu viel abgewinnen, außer einer Vorführung mittelalterlicher Medizin, die sie äußerst faszinierend und informativ fand) und hatte dort Met probiert. Es lagen Welten zwischen dem Gesöff von der Erde und dem Engelsgebräu, das auf dem Fest serviert wurde.

Sie blickte sich nach Loki um, konnte ihn aber nicht entdecken.
 

Loki beobachtete Hannah, auf ihrem Weg durch den Saal. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid von der Erde und stach dadurch aus der überwiegend gold- und cremefarbenen Menge der Asen heraus. Hannah war etwas kleiner als die Frauen von Asgard, aber in ihrer Schönheit stand sie ihnen in Nichts nach, für Loki war sie die schönste Frau im Saal, auf Asgard, im ganzen Universum.

Die Gedanken eines Narrs, dachte er und konnte sich ein aufrichtiges Lächeln nicht verkneifen.

Auf jeden Fall wirkte sie exotisch in ihrem Kleid. Thors Wissenschaftlerin trug ein Kleid im Stil der Asen und fügte sich perfekt ein, selbst Selvig trug nicht mehr seine Kleidung von der Erde. Loki fragte sich, wie seine Mutter es wohl aufnahm, dass Hannah nicht das Kleid trug, das sie für sie ausgewählt hatte.

Langsam bahnte er sich einen Weg zu Hannah. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und blickte in den Saal, sah ihn nicht kommen.

"Sind Sie oft hier?", fragte er.

Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. "Nein, ich bin heute Abend zum ersten Mal hier. Und Sie?"

"Oh, ich bin regelmäßig hier." Er winkte lässig ab, dann lächelte er sie verführerisch an und sagte: "Ich habe Sie vor heute Abend nie hier gesehen und eine Schönheit wie Sie wäre mir aufgefallen."

Sie lachte laut auf und einige der Umstehenden wandten ihre Köpfe, aber Hannah schenkte ihnen keine Beachtung, also tat Loki es auch nicht.

"Wo hast du denn den Spruch her?", fragte sie und versuchte ein ernstes Gesicht aufzusetzen, was ihr nicht recht gelingen wollte.

"Fernsehen."

Sie schüttelte leicht den Kopf. "Woher sonst?"

"Wie gefällt dir Asgard bisher?"

"Die Gefängniszellen sind recht komfortabel", antwortete sie trocken. Er lachte. "Ich habe noch nicht viel gesehen, aber was ich gesehen habe, war... atemberaubend." In ihren Augen glänzte Freude und Neugier. "Eure Heilkammern - so etwas habe ich noch nie gesehen!"

"Wenn du willst, kann ich sie dir morgen zeigen - eingehender, meine ich."

Sie nickte ehrfürchtig. "Das wäre wunderbar."

Hannah nippte an ihrem Kelch und Loki fiel etwas ein. "Hast du bereits den Wein gekostet?" Sie verneinte. "Du wirst ihn lieben", versprach er und wollte sich aufmachen, um ihr einen Kelch Wein zu holen.

"Kann ich nicht bei dir probieren?", fragte sie und hielt ihn am Arm zurück.

"Sicher." Er zögerte. "Aber es ist eine intime Geste, sich einen Kelch zu teilen." Er hielt es für angebracht, sie vorzuwarnen.

"Intimer als..." Sie lehnte sich vor und ihr warmer Atem kitzelte ihn am Ohr, als sie ihn flüsternd an all die delikaten Details ihrer gemeinsamen Nächte erinnerte.

"Ich schätze nicht", erwiderte er und reichte ihr den Kelch. Als sie daraus trank, bemerkte er wie einige Asen, die es gesehen hatten, ihre Nachbarn anstießen und mit ihnen tuschelten.

"Mhm, du hast recht, ich liebe ihn." Sie schlug aufreizend die Augen nieder. "Wie wäre es, wenn wir von hier verschwinden? Du besorgst und eine Flasche von diesem Wein und wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen?"

"Wie könnte ich da ablehnen?"

Eng umschlungen stolperten sie durch die hohe goldene Tür in Lokis Gemächer. Auf ihren Weg dorthin hatte sie ein gutes Dutzend Wächter und Bedienstete gesehen, doch darum konnte er sich jetzt nicht kümmern. Seine Aufmerksamkeit wurde voll und ganz von Hannah beansprucht, die ihm beinahe das Hemd vom Leib riss.

„Tun Sie das oft?“, fragte er sie atemlos und ließ sein Hemd mit fließenden Handbewegung verschwinden.

„Praktisch“, kommentierte Hannah seinen Zaubertrick, dann beantwortete sie seine Frage: „Sie meinen mit fremden Männern mit gehen?“

„Genau das.“

Sie verharrte in ihrer Tätigkeit, sich auch seiner Hose zu entledigen und schaute ihn ernst an. Er wünschte, er hätte nicht gefragt. „Wäre das ein Problem?“

Er öffnete den Verschluss ihres Kleides und der Stoff glitt über ihre Schultern und entblößte ihren Körper. Langsam beugte er sich vor um ihren Hals zu küssen.

„Das werte ich als ein Nein.“ Sie lächelte. „Nein, das tue ich nicht oft, mit fremden Männern mit gehen. Ich nehme sie eher mit zu mir.“ Sie hob vielsagend die Augenbrauen und Loki brach in Gelächter aus.

Er ließ sich aufs Bett fallen und zog Hannah mit sich. „Ich schätze, dann ist es jetzt an mir, mich zu revanchieren.“
 

Ein Geräusch weckte sie.

Mit geschlossenen Augen lag sie da und lauschte.

Vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet.

Nein, da war es erneut. Ein leises Räuspern.

Sie öffnete ein Auge und sah ein junges Mädchen mit hochrotem Kopf neben dem Bett stehen.

"Verzeih mir, Herrin, aber du kommst zu spät zu deiner Audienz bei der Königin", murmelte das Mädchen, das vor lauter Verlegenheit nicht wusste, wo es hinsehen sollte, aber mit seinen Füßen ganz zufrieden zu sein schien.

"Was?", murmelte Hannah verschlafen, ihre Gedanken waren zäh wie Kaugummi. "Wie spät ist es?" Ihr Körper signalisierte ihr, dass egal wie spät es war, es eindeutig zu früh zum Aufstehen war.

"Die Sonne ist vor drei Stunden aufgegangen."

Die Nacht war eindeutig zu kurz gewesen.

"Warte draußen."

Das Mädchen konnte seine Erleichterung kaum verbergen, als es eilig das Zimmer verließ.

Hannah ließ sich seufzend zurück in ihr Kissen sinken und schloss noch einmal die Augen.

"Du willst doch nicht die Königin warten lassen", flüsterte Loki dicht an ihrem Ohr und sie konnte das süffisante Lächeln auf seinem Gesicht vor ihren inneren Auge sehen.

"Warte es ab", drohte sie. "Ich stelle dich meinen Eltern ebenfalls nach einer durchzechten und viel zu kurzen Nacht vor, wenn du verkatert bist."

"Mit dem Kater kann ich dir behilflich sein." Loki zog sie zu sich und küsste sie auf dem Mund, ihr Brummschädel verschwand auf der Stelle. Hannah seufzte zufrieden.

"Ich wusste es hat seine Vorteile mit einem Gott liiert zu sein." Sie löste sich von ihm und angelte nach ihren Klamotten, die überall auf dem Boden verstreut lagen. "Bis nachher", hauchte sie, gab ihm einen Kuss und ging.
 

Das Mädchen führte Hannah zurück zu dem Gästezimmer, das sie offiziell bezog. Hannah hatte ihren Orientierungssinn immer für gut ausgeprägt gehalten, aber im Palast fühlte sie sich hoffnungslos verloren - alleine hätte sie niemals zurück gefunden.

Ihr Zimmer war ebenso groß wie der Wohn- und Essbereich in ihrem Haus auf der Erde und wurde von dem gigantischen Bett dominiert. Vor den großen Fenstern hingen lange, goldene Vorhänge aus einem weich fließenden Material von der Decke herab.

Im angrenzenden Badezimmer wartete ein heißes Bad auf sie. Wenn noch Zeit für ein Bad bleibt, kann ich wohl kaum zu spät dran sein, dachte sie.

Als Hannah im Morgenmantel aus dem Bad trat, öffnete das Mädchen mehrere Schranktüren, die Hannah zuerst für hölzerne Wandvertäfelungen gehalten hatte. Zum Vorschein kam eine Garderobe Kleidung im Stil der Asen, Kleider, Hosen und Tuniken, für warme und kalte Jahreszeiten, und die eindrucksvollste Kollektion an Schuhen, die Hannah jemals gesehen hatte.

"Die Königin lässt dir ausrichten, dass du tragen kannst, was dir zusagt, Herrin."

Eigentlich hatte Hannah vorgehabt eines ihrer eigenen Kleider zu tragen, aber sie wählte ein Kleid aus dem Schrank, das ihr sofort ins Auge gefallen war.

"Das hier, Herrin?" Die Wangen des Mädchens nahmen eine pinke Färbung an und Hannah vermutete, das die Erinnerung an den nackten Prinzen, in dessen Bett sie Hannah gefunden hatte, nicht ganz unschuldig daran war.

"Ja, das", sagte Hannah mit Nachdruck und das Mädchen half ihr beim Ankleiden. Sie zog ein Paar Sandalen, das sie von der Erde mitgebracht hatte, an und steckte sich die schwarzen Locken hoch. Das Mädchen half ihr einige widerspenstige Strähnen ihres Haares mit einem goldenen Ring zu bändigen. Außer Lokis Armband trug sie keinen weiteren Schmuck.

Im Bad überprüfte sie ein letztes mal ihr Aussehen und machte sich dann auf zu ihrer Audienz mit der Königin.
 

Das Mädchen, das Frigga zu Hannah Schwarz' Verfügung abgestellt hatte, führte die Menschenfrau in Friggas Salon, wo sie offiziell ihre Gäste empfing.

"Die Lady Hannah Schwarz von Midgard", verkündete das Mädchen und machte einen Knicks. Hannah zuckte leicht zusammen, verbarg dann aber ihr Unbehagen über den Titel Lady und ahmte die Bewegung des Mädchens nach. Sie hatte noch nie in ihrem Leben einen Knicks gemacht. Frigga lächelte in sich hinein.

"Ich heiße dich Willkommen, Hannah Schwarz", sagte die Königin und betrachtete die Menschenfrau eingehend. Als Frigga sie das erste mal - leibhaftig - gesehen hatte, vor zwei Tagen im Thronsaal, war Hannah ihr kriegerisch vorgekommen; mit den wüsten, dunklen Haaren und dem harten Ausdruck in ihrem Gesicht hatte Hannah sie entfernt an Sif erinnert, wenn diese in den Kampf zog.

Gestern hatte sie die weibliche Seite an ihr gesehen. Frigga hatte das Kleid von Midgard, das Hannah getragen hatte, gefallen, auch wenn sie noch zu entscheiden hatte, ob es ein Akt der Auflehnung oder des Stolzes seitens der Menschenfrau war, dass sie nicht das Kleid trug, das Frigga ihr hatte bringen lassen.

Heute trug Hannah ein Kleid im Stil der Asen. Frigga deutete es als Zeichen des Respekts, dass sie bei einer Audienz bei der Königin die traditionelle Kleidung Asgards trug. Auch wenn ihr die Schuhe nicht entgingen, die nicht von hier stammten. Die auffällige grüne Farbe des Kleids war eine eindeutige Aussage. Frigga hatte mit Bedacht ein Kleid in Lokis Wiedererkennungsfarbe anfertigen lassen, um zu sehen, ob Hannah es wählen würde. Was sie getan hatte. Damit hatte sie eine Hürde überwunden.

"Ich danke Euch -", Hannah stockte, "Eure Majestät?", fragte sie. "Verzeiht, aber ich bin mit der Etikette am Hof nicht vertraut." Und von dem Schnellkurs auf dem Weg von ihrer Zelle zum Thronsaal war nicht viel hängen geblieben.

"Frigga", sagte die Königin. "Es ist vollkommen ausreichend, wenn du mich Frigga nennst." Sie trat einen Schritt zur Seite und machte eine ausladende Bewegung zu einem kleinen, gedeckten Tisch. "Komm, meine Liebe, setzen wir uns.“

„Es gibt auf deiner Welt keine Könige?", fragte Frigga, als sie saßen.

"Nicht in meinem Land, nein."

Ein Bediensteter kam zu ihnen und schenkte ihnen Kaffee ein. Frigga wartete bis er wieder gegangen war, bevor sie fortfuhr: "Ich hoffe du hast kein allzu schlechten Eindruck von unserer Welt."

"Ganz und gar nicht", sagte Hannah und rührte ihren Kaffee um. "Ich entdecke in jeder Sekunde Neues und Unbekanntes, Faszinierendes - Loki versprach mit später an diesem Tag die Heilkammern zu zeigen. Und die Menschen von Asgard haben mich gestern Abend äußerst freundlich empfangen. Es ist mehr nötig als ein, mhm, Missverständnis, um mein Missfallen auf sich zu ziehen, und letztendlich hat sich alles aufgeklärt."

Eine diplomatische Antwort, dachte Frigga, sehr gut. Und laut sagte sie: "Das freut mich zu hören."

Und damit überging die Königin die seichten Gewässer des Smalltalks und ging zum harten Tobak über. "Du bist verheiratet?", fragte Frigga.

Die Königin wirkte in Hannahs Augen wie ein lauernder Fuchs, und sie wurde das Gefühl nicht los, gerade geprüft zu werden.

"Das bin ich", sagte Hannah, und um es gleich richtig zu stellen: "Ich lebe in Scheidung. Das zuständige Gericht muss es nur noch offiziell machen."

Wenn es das noch schafft, bevor die Welt untergeht, dachte sie trocken und verspürte gleichzeitig einen Hauch von Bitterkeit.

"Und dann? Wirst du Loki heiraten?", fragte Frigga unverblümt.

Hannah stellte ihre Tasse fester als beabsichtigt auf den Unterteller. Vor Schreck wäre ihr beinahe das hauchzarte Porzellan aus der Hand gefallen. Hochzeit? Darüber hatte sie nie nachgedacht.

"Warum nicht?", fragte Frigga, als Hannah das auch laut aussprach.

"Naja", begann Hannah zögerlich und versuchte Herr über das Durcheinander in ihrem Kopf zu werden: Hochzeit? Der nächste Schritt wären... Sie zwang sich zu antworten: "Am Anfang dachte ich ja noch, dass Loki früher oder später gehen würde. Und als eine gemeinsame Zukunft möglich wurde, war er gezwungen zu fliehen. Ich habe ein Jahr lang nichts von ihm gehört." Sie zuckte mit den Schultern - wenig Ladylike.

"Du hast ihn nicht verraten trotz der Hartnäckigkeit dieser Männer", bohrte Frigga nach.

Sieh an, dachte Hannah, nicht nur der große Bruder hat uns beobachtet, wie es aussieht.

"Es war nicht immer leicht", sagte Hannah.

"Es wird auch hier nicht leicht werden", sagte Frigga.

"Dessen bin ich mir bewusst", erwiderte Hannah spröde. Sie hatte vorgehabt höflich zu sein, die brisanten Themen zu umschiffen, denn, bei aller Liebe, sie hatte nicht vor hier zu bleiben. Doch die Königin legte es darauf an.

"Es gibt Stimmen im Rat, die sagen, dass du Loki beeinflusst." Frigga blickte Hannah abschätzend an. "Dass du die treibende Kraft bist hinter der Finsternis, die ihn umgibt."

Hannah biss sich auf die Lippe. Das war absurd!

"Sie nennen dich Sirene", fuhr Frigga fort.

"Tatsächlich?"

"Und die Wächter, die meine Söhne begleitet hatten, bezeichneten dich als Walküre."

Hannah wusste nicht worauf die Königin hinaus wollte. "Ich bin nur ein Mensch."

Genau da liegt das Problem", sagte Frigga. "Denn du bist sterblich, du wirst alt und du wirst sterben -"

"Loki nicht", beendete Hannah ihren Satz. Sie hatte ihn darauf angesprochen, Lokis Antwort war ausweichend, doch Hannah war nicht dumm.

"Er wird alt werden", berichtigte sie Frigga, "Nur viel, viel langsamer als du, und irgendwann, sehr viel später, wird er sterben."

"Wollt Ihr mir raten ihn zu verlassen?" Hannahs Stimme war kalt. Bislang hatte sie geglaubt mit der Königin auskommen zu können.

"Ich will nur, dass du weißt, auf was du dich einlässt", entgegnete Frigga fest.

"Ich weiß, auf was ich mich einlasse!", sagte Hannah aufgebracht.

"Weißt du das wirklich?", fragte Frigga. Sie nippte an ihrer Tasse, um Hannah Gelegenheit zu geben sich zu fassen, doch sie erwartete keine Antwort.

"Loki ist ein Prinz Asgards. Ist dir die Tragweite dieses Umstands bewusst?"

Hannah kannte sich nicht mit der Thronfolge aus.

"Thor ist der Kronprinz."

"Er wird eines Tages König, ja", sagte Hannah, bevor sie sich noch einmal die schlecht versteckte Frage: "Verstehst du das?" anhören musste.

Frigga lächelte. "Das wird er. Aber wenn uns der Vorfall mit dem Bifröst eines lehren sollte, dann, dass Thor nicht unsterblich ist, dass bereits ein kleiner Unfall ausreicht - Loki steht nach Thor in der Thronfolge."

Hannah war verwirrt. Warf die Königin ihrem Sohn gerade die Absicht des Brudermords vor? Oder...

Erschrocken starrte sie die Königin an, und diese nickte.

"Wenn Loki König wird, wirst du Königin sein."

Hätte sie noch ihre Tasse in der Hand gehalten, dann wäre nun der Zeitpunkt gewesen, ihr aus der Hand zu fallen. Königin? Hannah gab dem ersten Impuls nach und flüsterte: "Ich will keine Königin sein!"

"Oh, glaub mir, meine Liebe, niemand wird auf deine Wünsche Rücksicht nehmen."

"Ich weigere mich auch nur daran zu denken!" Hannah war unglücklich über die Wendung, die dieses Gespräch genommen hatte.

"Wir müssen alle Möglichkeiten bedenken", entgegnete Frigga.

"Aber der König ist doch gesund! Vielleicht etwas abgespannt, aber daran stirbt man nicht! Und Thor ist auch am Leben!" Hannah war aufgesprungen und ging auf und ab. Ich hätte nie hier her kommen dürfen!, dachte sie und ballte ihre Hände zu Fäusten. Und: Wie konnte er mir das verheimlichen?

"Gesetzt den Fall es käme zum schlimmsten und Odin und Thor würden sterben; dann würde Loki König und du Königin. Wärst du in der Lage dieses Amt zu übernehmen?"

Hannah blieb stehen."Ich kenne mich doch auf Asgard überhaupt nicht aus - ich bin nur eine Ärztin aus Stuttgart!"

Sie verschränkte die Hände ineinander und atmete tief ein. Ruhig, dachte sie, ganz ruhig. Das wird nicht geschehen. Die Königin testet dich nur.

Im gemäßigten Tonfall sagte Hannah: "Gesetzt den Fall Loki wird König und gesetzt den Fall wir sind zu diesem Zeitpunkt noch zusammen," - denn, wenn sie etwas wusste, dann, dass nicht alle Beziehungen für die Ewigkeit gemacht waren - "dann werde ich ihn unterstützen, soweit es in meiner Macht liegt, ich werde Asgard, ebenso wie es die Erde ist, als meine Heimat betrachten, und ich werde das Wohl seiner Bewohner nie aus den Augen verlieren. Ich habe keine Ahnung wie ich das anstellen werde, aber -" Hannah erinnerte sich an einen Ausspruch von Queen Victoria: "Ich will gut sein."

Frigga betrachtete sie einen Moment schweigend, dann nickte sie lächelnd. Test bestanden. Hannah war erleichtert, doch der Schrecken über die (sehr unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche) Aussicht Königin zu werden, steckte ihr immer noch in den Gliedern.

Erst Hochzeiten, dann Krönungen, dann... Hannah fragte sich wann die Königin wohl das Thema Kinder zur Sprache bringen würde.
 

Als Loki wenig später auftauchte, um Hannah seiner Mutter zu entführen, war sie immer noch sehr blass. "Fühlst du dich nicht gut?", fragte er leise.

Hannah blickte sich in dem langen Gang um, konnte aber niemand entdecken. "Du hättest mich vorwarnen können!", zischte sie.

"Vor meiner Mutter?" Sie war aufgewühlt, das konnte Loki sehen, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wieso?

"Ich war wirklich der Überzeugung, dass das ein ganz normales Gespräch mit deiner Mutter werden könnte; ein wenig peinlich und verstockt, ein nettes, aber oberflächliches Geplauder - vielleicht etwas formaler. Dann holt sie die Konversations-Keule heraus und setzt zu einem Rundumschlag an. Ob ich dich heiraten will?"

"Wer sagt, dass ich dich heiraten will?", unterbrach Loki. "Wenn ich schon heiraten muss, dann eine wunderschöne, junge Prinzessin, die mir Macht und Reichtum einbringt."

"Weißt du was mir besonders gut an deiner Stummheit gefallen hat? Wenn ich keine Lust hatte, musste ich dein Geplapper nicht hören, bzw. lesen."

"Touché."

Hannah setzte ihre Schilderung der Audienz fort: "Ich wappne mich innerlich auf die Baby-Frage, die laut meiner Erfahrung unweigerlich auf die Hochzeits-Frage folgt, und deine Mutter schmeißt das Drehbuch über den Haufen und warnt mich vor dem Rat."

Loki merkte auf. "Sie hat dich gewarnt?"

"Offenbar glauben einige der Ratsmitglieder, dass ich dir den Kopf verdrehe", sagte Hannah. Sie drehte sich halb zu Loki. "Erst war ich es, die von dir manipuliert wurde, jetzt manipuliere ich dich - können sie sich nicht entscheiden?"

"Nimm diese Sache nicht zu leicht", meinte Loki ernst. "Der Rat kann dir gefährlich werden."

Hannah versprach umsichtiger zu sein.

"Und mit einer Hochzeit und einer Warnung bringt man dich derart aus dem Konzept?", fragte Loki.

"Ich wünschte das wäre es schon gewesen", murmelte sie. "In einem Satz erzählt sie mir, dass ich weit früher sterben werde als du ..."

"Das hat sie gesagt?"

"... und im nächsten, dass, sollte das Schicksal es schlecht mit mir meinen, ich Königin werden könnte!" Den letzten Teil hatte sie nur geflüstert.

"Das hat sie gesagt?" Es wunderte Loki nun wirklich nicht mehr, dass Hannah leichenblass war; ihn wunderte nur, dass sie nicht schreiend das Weite gesucht hatte. Seine Mutter hatte wirklich alle Register gezogen.

"Ich bin dir äußerst dankbar, dass du mich auf letzteres hingewiesen hast", sagte sie äußerst sarkastisch.

"Entschuldige bitte, dass ich zwischen unserer Gefangennahme und der Willkommenszeremonie nicht die Zeit gefunden habe dich auf die Unwahrscheinlichkeit, dass du Königin wirst, vorzubereiten. Mir ist schleierhaft wie ich das versäumen konnte."

Hannah verengte die Augen zu Schlitzen. "Eins sage ich dir, Loki Odinson, wenn du König wirst, packe ich meine Sachen und reise nach Hause."

"Hast du das auch zu meiner Mutter gesagt, Hannah Schwarz?", stichelte er.

"Nein. Ich sagte ihr, dass ich alles tun würde, um dich zu unterstützen."

"Und auf welches Szenario muss ich mich einstellen - für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Krone in meine Hände fällt?", wollte Loki wissen.

"Wenn du das fragen musst, sollte ich vielleicht wirklich meine Sachen packen."

Er zog sie an sich und küsste sie.

"Ich glaube nicht, dass wir König und Königin werden", sagte er zu ihr. "Das letzte mal ist nicht gut gelaufen." Er zog eine Grimasse. "Die Bevölkerung könnte es nicht so gut aufnehmen."

"Ich wäre eine großartige Königin", gab sie zurück. Ernster fragte sie: „Wirst du mir irgendwann einmal davon erzählen - ausführlich, meine ich?"

"Das sollte ich", sagte Loki. Nicht nur um ihretwillen. Je offener er zu ihr war, desto weniger Material bot er dem Rat einen Keil zwischen sie zu treiben. Loki vertraute dem Rat ebenso wenig wie dieser ihm. "Morgen", beschloss er. "Ab Morgen. Jeden Tag. Solange bis nichts mehr zu erzählen bleibt."

Hannah lächelte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

"Bist du hier glücklich?", fragte Loki plötzlich.

Erstaunt sah sie ihn an. "Ich...", begann sie, dann sah sie sich um, wie um ihre Umgebung das erste mal richtig in Augenschein zu nehmen. "Ich glaube, ich könnte hier glücklich sein."

"Das ist gut", sagte Loki und lächelte. "Doch solltest du es irgendwann nicht mehr sein, könnten wir woanders hin gehen."

"Auf die Erde?", fragte Hannah. Das seltsame an Heimweh war, dass man das eigene Heim solange als gegeben ansah, bis man es verlassen musste - egal ob, um in den Urlaub zu fahren, oder weil der Weltuntergang einen vertrieben hatte.

"Das kann ich dir nicht sagen. Es gibt viele Welten dort draußen. Wir werden eine finden, die uns gefällt. Doch jetzt“, sagte er und nahm ihre Hand in seine, „zeige ich dir erst einmal meine. Wenn du Königin wirst, solltest du Asgard kennen."

"Du bist wirklich unausstehlich", sagte Hannah und lachte.
 

ENDE


Nachwort zu diesem Kapitel:
Zu den medizinischen Begriffen: Ich bin kein Arzt und habe wirklich keine Ahnung von solchen Dingen, wenn ich da totalen Schwachsinn verzapft habe, weist mich darauf hin und ich werde es versuchen zu verbessern. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, wem ist der Fehler in diesem Kapitel aufgefallen? Richtig, Coulson ist eigentlich schon tot. Naja, ich mochte ihn und nachdem ich das Kapitel geschrieben hatte, wollte ich ihn auch nicht gegen irgendeinen Shield Agenten austauschen. Das ist das schöne an FFs: man muss sich nicht 100 Prozent am Original halten ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war's. Danke an alle treuen Leser :D
Hier ist der Handlungsbogen zu Ende, aber irgendwie geht die Geschichte von Hannah und Loki in meinem Kopf noch weiter. Vielleicht schreibe ich sie auf. Wenn ich weiter schreibe, dann stelle ich hier eine Leseprobe zur anderen Fanfiction rein. Ich hoff wir sehen und dann dort wieder :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  miss_anni
2016-06-04T17:14:50+00:00 04.06.2016 19:14
Ich gebe xXGwenStacyXx vollkommen recht. DU MUSST WEITER SCHREIBEN! Wenn ich jetzt vor dir stünde, würde ich auf die Knie gehen und betteln bis du "Ja" sagst. BITTE...

Von:  Bernsteinseele
2013-12-08T23:23:37+00:00 09.12.2013 00:23
00:22 Uhr und ich kann mich einfach nicht los eisen. Dass du dich nicht schämst, arme unschuldige Leute vom Schlaf abzuhalten. Böööööse ... gaaaaanz bööööse!

Zum Glück kann man die FF als ePub runter laden. :D
Von:  xXGwenStacyXx
2013-12-08T12:49:46+00:00 08.12.2013 13:49
Neeeeiiiiin :(
Es ist zu Ende ._.
Frigga ist genial, ich liebe sie xD
Arme Hannah ^^
Bitte schreib weiter, biiiitte *Hundeblick aufsetz*
Von:  xXGwenStacyXx
2013-12-06T23:46:04+00:00 07.12.2013 00:46
Haha xD
Ich liebe es wie du die Szene aus Thor 2 mit eingebaut hast ^^
Aber das hört sich schon gefährlich nah am Ende an... Es darf noch nicht vorbei sein :'(

Von:  xXGwenStacyXx
2013-12-04T16:36:23+00:00 04.12.2013 17:36
Waaas, es geht aufs Ende zu?! :O Neiiiin!
:'(
(PS.: tolles Kapitel, geniale Wiedersehensszene xD)
Von:  DevilsDaughter
2013-12-01T15:41:30+00:00 01.12.2013 16:41
So, ich bin jetzt auch durch, tut mir leid dass das hier der erste Kommentar ist, den du von mir bekommst q.q
Ich hab die restlichen Kapitel am Handy gelesen und da sind mir Kommentare immer zu umständlich >_<
Nun, jetzt aber zu deiner FF^^
Die Idee und die Umsetzung finde ich außerordentlich gut gelungen *-* Auch triffst du Lokis Charakter ziemlich gut, obwohl es vielleicht doch ein klein wenig zu schnell ging, dass er sich verliebt hat. Aber ist auch verständlich, sonst wäre die FF jetzt bestimmt schon 100 Kapitel lang wenn es zu 100% realistisch sein sollte :o
Also ist das kein wirklicher Kritikpunkt xD
Hast du eig jemanden zum Beta-Lesen? Rechtschreibfehler sind mir nämlich keine aufgefallen o.o

Jedenfalls respekt für diese FF, ich hoffe, dass es bald weitergeht :3
Liebe Grüße DevilsDaughter
Von:  xXGwenStacyXx
2013-12-01T12:56:43+00:00 01.12.2013 13:56
Ich liebe es :D
Ich hoffe es klappt, er und Hannah sind so ein süßes Paar ^^
Und Loki hat es echt verdient auch mal glücklich zu sein <3
Von:  xXGwenStacyXx
2013-11-28T16:35:01+00:00 28.11.2013 17:35
Das ist so süß *-*
Armer Loki :'(

Von:  Greenleafia
2013-11-20T18:35:22+00:00 20.11.2013 19:35
Hach^^
Es gibt doch nichts Schöneres als Geschwisterliebe ;)
Von:  xXGwenStacyXx
2013-11-20T12:50:31+00:00 20.11.2013 13:50
Ohh, das ist so süß ^^
Ich liebe die Beziehung zwischen den beiden :D
Ich versteh gar nicht warum alle die immer pairen, das sind so coole Geschwister ^^


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