Manchmal ist es einfach Schicksal von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 02 - Beichte ------------------------------- Kapitel 02 - Beichte ~Leon~ "Ihr seid doch bescheuert! Ihr seid dumme, ignorante Spatzenhirne!" "Mach mal halblang Mann! Was können wir dafür?" Bei diesem Satz musste ich grinsen. Emil, ein wahrer Vollidiot! Wenigstens hatten sie ihm ein nettes Veilchen verpasst. Gleich am nächsten Abend bin ich in unsere Stammkneipe gefahren. Allerdings nur, weil ich neugierig war, was die anderen über den vorigen Abend zu sagen hatten. Das war nicht viel. Keiner redete drüber und auch ich wurde nicht gefragt, wo ich war, als sie aus der Straße verjagt wurden. Noch nicht mal eine Entschuldigung bekam ich zu hören, da sie mich ja so rücksichtsvoll vergessen hatten. Echt nett! Und dann kam Felix durch die Tür geschneit, wutentbrannt, und blies ihnen den Marsch. "Phil ist unser Freund und ihr benehmt euch wie Kindergartenkinder! Echt! Ihr seid das Letzte! Ich bin fertig mit euch!" Wütend funkelte er jeden einzelnen von uns an, ebenso mich, was mir einen heftigen Schlag in die Magengrube verursachte, und verschwand wieder. "Der hat sie doch nicht mehr alle!", grunzte Mark. "Wahrscheinlich ist er auch so ein Hinterlader." Lachen. Nur ich diesmal nicht. Ich wurde sauer. Und dann tat ich etwas, von dem ich niemals gedacht hätte, dass ich es mal tun würde. Sicher ist die Begegnung mit Aaron schuld daran gewesen, oder mein 'Besuch' gestern, in dieser Bar. Vielleicht auch Felix' Ansage kurz zuvor. Doch egal was es war, ich stand auf, bezahlte mein halb ausgetrunkenes Bier und lief zu der Garderobe um meine Jacke zu holen. "Hey Leon?! Willst'e etwa schon gehen?", rief mir Paul zu. "Ja." "Was'n los?" Ich atmete tief durch. In mir staute sich so eine Wut auf, dass meine Hände sogar gezittert hatten. "Felix hat recht! Und wenn ihr einen guten Freund so mies behandelt und hinter seinem Rücken über ihn lästert, nur weil ihr was über ihn erfahren habt, dass ihr nicht tolerieren könnt, dann will ich nichts mehr mit solchen 'Freunden' wie euch zu tun haben!" Während dieser Ansprache trat mir der kalte Angstschweiß auf die Stirn und mir wurde schwindelig. Außerdem wuchs in mir das Verlangen, es endlich zu sagen, endlich der zu sein, der ich bin. Aber ich tat es nicht. Mein Herz schlug so schon viel zu schnell, dass ich mich nicht mehr traute, auch nur noch einen weiteren Ton von mir zu geben. Ihre Antwort wartete ich gar nicht mehr ab, drehte mich einfach um und trat in die kalte Nachtluft. Ich konnte ihre dummen Kommentare draußen hören, sie wurden aber rasch leiser und verstummten, als ich mir meinen Helm aufsetzte und mein Moped anschmiss. 'Das war's', dachte ich. 'Such dir neue Freunde, Leon! … Oder statte alten Freunden einen Besuch ab.' Ein Gedanke, der mich jetzt eine Woche lang nicht losgelassen hat, hatte aber keinen Mumm dazu, ihn auch in die Tat umzusetzen. Bis jetzt. Ich bin so nervös, dass mir viele kleine schwarze Punkte vor den Augen herumtanzen. Da stehe ich nun, vor Phils Haus und drücke auf die Klingel. "Hallo! Ist dein Bruder da?" Ich stehe vor der Tür und sehe in Lilys Gesicht, die mir die Tür geöffnet hat. "Warum?", fragt sie mich pampig. "Ähm. Ich muss mit ihm reden." Ihr eindringlicher Blick verunsichert mich. "Nee. Der ist bei seinem tollen Flo." Mein Herz schlägt schneller. Er ist bei seinem Freund?! "Ich kann dir aber seine Adresse geben. Warte, ich schreib sie dir auf." Lily verschwindet, noch ehe ich was sagen kann. Dann kommt sie wieder zurück, drückt mir einen Zettel in die Hand und sieht mich verschwörerisch an. "Hoffentlich störst du sie!" Wie bitte? "Ähm ... Ja. Danke!" Schnell weg hier! Die ist mir unsympathisch! Ich laufe zurück zu meinem Roller und sehe mir den Zettel genauer an. Soll ich da wirklich hin? Sein Freund ist bestimmt auch da. Ich steige auf und fahre los. Jetzt habe ich mich endlich dazu durchgerungen, also ziehe ich es auch durch! Wenigstens fragen, ob wir mal miteinander reden können. Wenn er mich überhaupt noch sehen will, nachdem, was in der Kneipe abgegangen ist. Eine Woche ist es nun her. Eine Woche, seitdem ich Aaron das erste und letzte Mal gesehen habe. Ich denke jeden Tag an ihn. Und vor allem an den Kuss. Jede verfluchte Sekunde! Wie oft habe ich überlegt, ob ich nochmal zurück soll, in diese Bar, um ihn dort suchen. Aber ich traue mich wieder nicht. Deshalb habe ich mich dazu durchgerungen, wenigstens seinen Rat zu befolgen und mit Phil zu reden. 'Der ist bei seinem tollen Flo.' Ich werde nervös. Als ich mein Moped vor dem großen Mehrfamilienhaus abstelle, inspiziere ich nochmal den Zettel. Flo wohnt im fünften Stock. Ich laufe die kleine Auffahrt hinauf und drücke auf die Klingel. Jetzt gibt es kein zurück mehr! Der Summer ertönt und ich gehe rein. Mit dem Aufzug fahre ich hoch und als ich an die Wohnungstür trete, wird sie aufgerissen. "Schon zurück? Das ging aber schnell Schatz ... Oh! Hallo." Das ist er! Flo! "Hallo. Ähm ... Ist Phil auch da?" Ist mir das unangenehm! Und Flo steht oben ohne da! Anscheinend hat er Phil erwartet. Es ist nur allzu offensichtlich, was er mit Phil vorhat. Mein Gesicht fängt an zu brennen. "Nein. Aber Phil kommt gleich wieder. Er ist noch unterwegs. Komm doch so lange rein." "Danke." Meinen Blick starr geradeaus gerichtet, trete ich an ihm vorbei in eine großzügige Wohnung. Ein heller Flur, der in einem großen Wohnzimmer endet. Rechts und links befinden sich die anderen Räume, die ich aber nicht beachte. "Setz dich ruhig schon mal. Willst du was trinken?", fragt der Blonde. "Wasser wäre okay." Ich setze mich auf die Couch und spiele nervös mit meinen Fingern. "Du bist Leon, stimmt's? Der mit den Locken." Flo lacht. Stimmt. So hatte Phil mich ihm damals in der Kneipe vorgestellt. "Ja. Genau der." Ich habe wirklich Locken. Blonde Locken. Keine unbändige Lockenpracht, sie rahmen brav mein Gesicht ein, obwohl einige Strähnen mir stets auf die Stirn fallen. Nur wenn es regnet, oder nach dem Duschen stehen sie nach allen Richtungen ab. Mit meinen blauen Augen und den Sommersprossen, werde ich immer für einen Schweden gehalten. Ich war aber noch nie in Schweden. Flo hat sich zum Glück wieder ein T-Shirt angezogen und bringt mir das versprochene Glas Wasser. "Danke." "Machen die anderen immer noch Stress? Wegen uns?", fragt er und setzt sich auf den Sessel neben mir. Es gibt also ein 'Uns'. Phil und Flo sind zusammen. "Keine Ahnung. Sie reden nicht mehr mit mir." "Oh." Ich sehe Flo an, wie verwirrt er ist, fragt aber nicht weiter deswegen nach. "Das ist dumm gelaufen. Sie sind solche Idioten. Tut mir leid ..." In mir wächst ein Klos. Verdammt! Nein! Nicht! Aber ich kann es nicht zurückhalten. Tränen laufen über meine Wangen. Die letzte Woche war echt furchtbar! "Hey! Alles okay? Leon?" Flo steht auf und setzt sich neben mich, umarmt mich plötzlich. Was für ein gutes Gefühl von jemanden Trost gespendet zu bekommen! Ich lehne mich einfach an ihn und heule. Das habe ich noch nie gemacht! Erst recht nicht bei einem Fremden! "Phil ist gleich da. Dann kannst du mit ihm reden, ja?" Ich nicke leicht, bin ihm dankbar, dass er mir keine Fragen stellt oder mich sogar auslacht. Wie auf Kommando klingelt es plötzlich. Das muss Phil sein. "Bin gleich wieder da", sagt Flo, lässt mich vorsichtig aus seinen Armen gleiten und geht zur Tür. "Da bin ich wieder! Hab alles bekommen! Schau mal ..." Eindeutig Phils Stimme. Ich wische mir über die brennenden Augen und krame ein benutztes Taschentuch raus. "Phil? Warte damit mal", sagt Flo leise und eine Tüte raschelt. "Leon?" Phil hat mich entdeckt und steht plötzlich vor mir. "Was machst du denn hier?" Ich schaue ihn an, aber der Klos sitzt in meiner Kehle fest und ich bekomme einfach keinen Ton heraus. Das einzige das sich daraus löst ist ein Schluchzen und erneut quellen Tränen aus meinen Augen. Verdammter Mist! Wie jämmerlich bin ich eigentlich? "Was ist den passiert?" Phil schaut Flo fragend an, der zuckt nur mit den Schultern. "Mensch Leon! Ist ja gut!" Phil setzt sich zu mir und nimmt mich, wie Flo eben, in den Arm. Nur langsam beruhige ich mich wieder und merke, wie sich der Klos allmählich auflöst. Ich wage es zu sprechen, räuspere mich vorher kurz. "Es tut mir so leid Phil! Ich hätte zu dir halten sollen!" Ich atme tief ein. Meine Tränen sind endlich versiegt. "Ist okay. Du musst dich nicht so fertig machen deswegen", versucht er mich zu trösten. "Doch! Gerade ich hätte es ..." Ich verstumme wieder. "Was hättest du?" Ich schaue auf den Tisch vor mir. Eine Kerze brennt und rote Rosen stehen daneben. Das ist mir eben erst aufgefallen. "Oh nein! Ich störe euch! Es tut mir leid! Ich komme ein anderes Mal wieder ..." Ich will aufstehen, aber Phil hält mich fest. "Bleib! Du störst nicht." "Nein tust du nicht", bestätigt Flo mir ebenfalls, setzt sich neben mich auf die andere Seite und drückt mich wieder runter auf die Couch. Jetzt sitze ich zwischen den beiden, die mich erwartungsvoll anschauen. "Was ist den nun? Warum machst du dir solche Vorwürfe?", fragt Phil leise und streichelt über meine Schulter. 'Sag es ihnen. Du siehst doch, dass sie dich verstehen werden!' Mein nerviges Gewissen versucht mich umzustimmen. Dagegen komme ich nicht an! Und deswegen bin ich ja auch hergekommen. Um mit jemanden zu reden, der mich versteht. Um endlich reinen Tisch zu machen. Wenigstens vor den beiden. "Ich ... Ich bin auch … Also ich … Ich bin ..." Weiter komme ich nicht. Der Klos ist zurückgekommen. Phil, der dies zu bemerken scheint, zeiht mich einfach an sich und hält mich fest. "Verstehe", flüstert er mir zu, was bei mir alle Schleusen öffnet. Ich heule ihm die Ohren voll. Es ist mir so peinlich, aber ich komme einfach nicht dagegen an. "Ist doch gut. Kein Grund deswegen so traurig zu sein." Phil versucht beruhigend zu klingen, aber ich höre heraus, dass auch er nicht ruhig bleiben kann. "Mein Vater bringt mich um, wenn er es erfährt", schluchze ich. "Das glaube ich nicht. Er ist doch immer so nett." Der gutgläubige Phil! Ich löse mich aus seinen Armen und werde wütend. Nicht auf ihn, sondern auf meinen Vater. "Er ist ein Arsch! Er schlägt uns!" Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. "Wie ...? Dein Vater schlägt euch? Scheiße!" So sehe ich das auch! Jetzt bin ich völlig am Ende! Sie wissen es! Sie wissen alles! Ich sacke in mir zusammen und es wird schwarz vor meinen Augen. "Leon?" Ich höre Phils Stimme. So weit weg ... "Mist! Leg ihn auf die Couch! Ich hole Kissen!" Flo. "Okay!" Ich spüre nichts. Schwebe im Nichts und fühle mich ganz leicht. Ich will lachen! Ich höre mich selbst lachen ... Nein! Das ist Aaron! Sein tiefes Lachen. Aaron ist hier! Meine Stirn wird nass. Verwirrt öffne ich meine Augen. "Aaron ...?" "Leon? Geht es dir gut?" Phils Kopf schwebt über mir. Ich schaue mich um. Ich liege auf der Couch, die Beine auf einem Stapel aus Kissen gelegt. "Bleib noch etwas liegen. Du bist einfach vorn über gekippt. Aber Flo hat zum Glück schnell reagiert und dich aufgefangen." Wie peinlich! Ich schließe meine Augen wieder. Das kann auch nur mir wieder passieren! "Du kannst hier bleiben. Auch über Nacht wenn du willst." Flo steht hinter der Couch. Er stützt sich auf der Rückenlehne ab und sieht mich bemutternd an. "Nee, danke. Wenn ich nicht nach Hause komme, ist der Teufel los." Phil und Flo wechseln bedeutende Blicke. "Genau das habe ich nicht gewollt! Das ihr mich bemitleidet!" Ich setzte mich wieder auf und Phil stützt mich dabei, hält mir dann eine Cola hin. "Wir machen uns Sorgen. Nichts weiter", sagt Phil und stellt, nachdem ich getrunken habe, dass Glas auf den Tisch. "Ich packe das schon!", erwidere ich trotzig. Ich packe das schon mein halbes Leben lang! "Flo wollte was kochen. Möchtest du mitessen?", lenkt Phil geschickt ab, wofür ich ihm dankbar bin. "Klar. Warum nicht?" "Gut, ich hoffe du magst Reis", lachend klopft mir Flo auf die Schulter und verschwindet in die Küche. Phil schaut ihm mit unübersehbaren Herzchen in den Augen hinterher. "Dich hat es ganz schön erwischt", sage ich und Phil wird wirklich ein wenig rot. "Ja. Total!" Ich freue mich für die zwei. Und werde eifersüchtig. Ich will das auch! Am liebsten ... "Wer ist eigentlich Aaron?" Phils Frage wirft mich total aus der Bahn. Mit großen Augen schaue ich ihn an. "Was? Woher kennst du ...?" "Du hast 'Aaron' gerufen, als du wieder wach wurdest." Mist! "Ich ... Da ist was passiert." Ich wollte es ihm ja sowieso erzählen. Warum nicht gleich? "Als du mit Flo in der Kneipe warst und dann mit ihm abgehauen bist, sind die anderen und ich nochmal losgezogen. Sie wollten, wie Emil gesagt hat: Auf den Putz hauen. Oder auf eine Tucke." "Ach du Scheiße!" Phil schüttelt entsetzt den Kopf. "Es kam aber anders. Die drei wurden selbst verprügelt und verjagt. Genau wie ich gehofft hatte! Und ich bin nur davon gekommen, weil mich jemand gerettet hat. Aaron. Wir sind in eine Bar, haben geredet und er hat mich schließlich nach Hause gefahren." Phil grinst und fragt: "Sah er gut aus?" "Ja." Mein Gesicht fängt an zu glühen. Mist! "Wir haben uns geküsst." Nun ist die Bombe geplatzt! "Echt? Küsst er gut?" "Das kann ich nicht beurteilen. Aber es war ... einfach atemberaubend!" Allein wenn ich an den Kuss denke, beginnt sich wieder alles um mich herum zu drehen. Phil scheint sich echt für mich zu freuen und drückt mich an sich. Heute ist anscheinend Kuscheltag. "Werdet ihr euch wieder sehen?" Damit hat er mich! "Nein. Er hat mich nach Hause gefahren und das war's." "Er wollte nicht? Sich nochmal mit dir Treffen?" "Ich weiß nicht. Es kam nicht zur Sprache." Ich rutsche ungeduldig auf meinem Hintern herum. Es einfach auszusprechen fällt mir schwer. Aber ich möchte es so gern. "Dazu müsste ich nochmal zurück, in diese Bar." Ich sehe Phil schüchtern an. "Dann geh doch. Vielleicht ist er ja da." Das wollte ich damit nicht sagen! "Ich ... ich traue mich nicht alleine", flüstere ich beschämt und pople an meinem Taschentuch herum. Phil lehnt sich grinsend zurück und scheint zu überlegen. "Ich war dort vorher noch nie und …", beginne ich, schweige aber dann. Ich habe Schiss. Ganz einfach! "Wir könnten dir helfen, Aaron zu finden", sagt er. Nicht: Sollen wir dich begleiten, sondern einfach, ob sie mir suchen helfen können. Das erleichtert mich. So komme ich mir nicht ganz so wie ein beschissener Feigling vor. "Wenn ihr wollt." "Klar. Gerne. Wie wäre es mit diesem Wochenende?" So schnell? Mein Puls steigt in die Höhe. Ich sehe ihn vielleicht schon dieses Wochenende wieder! "Ich habe Zeit", antworte ich und hoffe, dass man mir meine Freude darüber nicht allzu sehr vom Gesicht ablesen kann. "Komm, wir fragen noch Flo. Auch auf die Gefahr hin, ihm in der Küche helfen zu müssen." Phil lacht und steht auf. Zusammen laufen wir in die Küche, wo Flo schon am schnippeln und kochen ist. "Flo? Wollen wir am Samstag ausgehen?" Phil schmiegt sich von hinten an den Blonden heran und küsst seinen Nacken. Irgendwie ist mir das peinlich. Schnell wo anders hingucken. Oh. Schöne Küchenschränke. "Ja, gern. Aber vorher deckst du den Tisch." "Was hab ich gesagt?" Ich fange an zu lachen. Die beiden passen anscheinend gut zusammen. Nachdem das Essen fertig war und wir am gedeckten Tisch saßen, erzählte ich Phil noch von unseren 'Freunden'. Ich berichtete ihm, dass Felix uns zur Schnecke gemacht hat, und dass ich danach auch abgehauen bin, ihnen ebenfalls meine Meinung geigte und seitdem nichts mehr von ihnen gehört habe. "Mit mir redet auch keiner mehr von denen. Mach dir nichts draus. Es ärgert mich nur, dass ich so lange mit ihnen befreundet war, ohne zu wissen, was für Arschlöcher sie sind", sagte Phil daraufhin, wobei ich ihm uneingeschränkt beipflichtete. Ich war ja so dumm gewesen! Aber wäre das mit Phil nicht gewesen, würde ich sicher jetzt noch mit diesen Idioten herumhängen. Genau wie er. Wie habe ich das nur ausgehalten? *** ~Phil~ Ich bin immer noch am verarbeiten, was Leon uns vorhin erzählt hat. Er ist vor einer halben Stunde gegangen, nachdem wir gegessen und uns noch ein bisschen miteinander unterhalten haben. Wir konnten ihn leider nicht zum bleiben bewegen. Das er jetzt zuhause ist, bei seinem prügelnden Vater, bedrückt mich sehr. Ich mache mir Sorgen um ihn. Flo und ich sitzen auf der Couch und starren vor uns hin. "Alles klar bei dir Phil?" "Nein." "Ihm wird es schon gut gehen." Der hat leicht reden! "Wie würdest du dich fühlen, wenn Rick plötzlich mit so einer Sache ankommen würde?" Rick ist Flos bester Freund. "Ich weiß, dass er schwul ist." Versucht er mich zum lachen zu bringen? "Haha. Ich meinte das andere Thema." "Ich weiß doch. Leon weiß, dass er zu uns kommen kann. Egal wann." Ich lehne mich an Flo und schließe meine Augen. "Warum habe ich nie was gemerkt?" "Mach dir keine Vorwürfe Schatz. Auch wenn ich niemals solche Erfahrungen wie Leon gemacht habe, kann ich mir schon vorstellen, wie schwer es für jemanden sein muss, dass alles auszuhalten. Das ist auch kein Thema, über das man gerne redet." Sanft streichelt er meine Stirn. Ja, das muss schwer sein. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie schlimm es ist, wenn einem die eigene Familie im Stich lässt und man zudem noch weiß, dass man anders ist als andere. Dank meinen tollen alten 'Freunden' habe ich nun auch einen kleinen Vorgeschmack dieses Gefühls bekommen. Obwohl es mich nicht so belastet, wie es Leon belasten muss. Bei ihm hat das ja ganz andere Ausmaße. Er muss sich so allein gefühlt haben. Tut er wahrscheinlich immer noch. Was hat er nur all die Jahre still durchmachen müssen? Und ich wusste nichts davon! Aber das hat ab heute ein Ende! Jetzt, wo ich Bescheid weiß, werde ich für ihn da sein. Trotzdem frage ich mich, ob ich all die Zeit etwas falsch gemacht habe, weshalb Leon nicht schon eher zu mir gekommen ist. Wir sind doch schon so lange miteinander befreundet, doch wenn ich genauer darüber nachdenke, weiß ich so gut wie gar nichts über ihn. Er ist immer so still. Na ja, den Grund dafür kenne ich ja jetzt. Dennoch ... "Er hätte doch wenigstens mit mir darüber reden können. Ich dachte, wir sind Freunde. Sowas erzählt man doch seinem Freund." "Das hat er doch jetzt. Mach dir keinen Kopf." Ich lasse mich von seiner warmen Hand einlullen und döse leicht ein. Wie habe ich nur vorher ohne ihn existiert? Ich kann es mir schon kaum mehr vorstellen und will es auch gar nicht. "Ich bin so froh dich zu haben", nuschle ich. Er lacht leise. Wie hielt Leon das Jahrelang nur aus? Meine Familie ist immer gut zu mir, bis auf meine Schwester, die immer noch hinter Flo her ist. Auch wenn alle meistens völlig am Rad drehen und die chaotischsten Menschen sind, die ich kenne, kann ich immer auf sie zählen. Sogar bei meinem unfreiwilligen Outing haben sie es einfach als selbstverständlich angesehen. Flo ... Wenn ich ihn nicht hätte ... Ich werde schlagartig wieder wach. "Wir müssen diesen Aaron für Leon finden!" Ich setze mich wieder auf und sehe Flo in die Augen. "Und wie willst du das anstellen?", fragt er mich. "Wir fragen uns durch. Einer wird ihn schon kennen." Und Aaron ist nicht gerade ein viel verbreiteter Name. "Ich kann David fragen. Sein Freund kennt hier so gut wie jeden." "Gute Idee!", lobe ich meinen Freund. Wenn Leon ein bisschen Erfahrungen sammelt, und wer weiß, sich vielleicht auch verliebt (falls er es nicht schon ist ...), baut ihn das bestimmt auf und gibt ihm Kraft sich von seiner jetzigen Situation zu lösen. "Ruf ihn doch mal an!", schlage ich aufgeregt vor. Je schneller, desto besser! "Mach ich. Aber vorher ..." Er greift neben die Couch, wo die Tüte mit meinen Einkäufen liegt. "Vorher kümmere ich mich um dein Wohl." Flo grinst mich dreckig an und späht in die Tüte. "Mit Geschmack?" Ich werde rot. "Was anderes gab's nicht." Ehrlich gesagt stimmt das nicht. Ich will das nur mal ausprobieren. "Und was ist das?" Er hält die Liebeswürfel in der Hand. "Ich dachte, so ein netter Spieleabend wäre doch mal was tolles!" Flo grinst, nimmt mich bei der Hand und schleift mich ins Schlafzimmer. Aufgeregt, voller neuer Energie und vor allem total verknallt, folge ich ihm. Leon wird sich auch bald so fühlen! Ganz bestimmt! ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)