Friedrich von Zuckerstern ================================================================================ Kapitel 8: Mais ernten ist nicht schwer... ------------------------------------------ Der Morgen fing mit warmen Sonnenstrahlen an, die durch das Fenster drangen und die feinen Staubkörner wie fallende Sterne aussehen ließ. Der klare blaue Himmel versprach wundervolles Wetter für die Ernte und wenn es so blieb könnten sie bis heute Abend die Hälfte schaffen. Müde schloss Heinrich wieder die Augen und drehte sich auf die Seite, wo er sich wieder an Maye kuschelte, die neben ihm ruhig schlief und ohne einen Muskel zu bewegen kicherte. » Moment! Das Kichern kommt von der anderen Seite « Überrascht schlug er die Augen auf und sah auf einen schwarzen Haarschopf mit vier kleinen Hörnern. Heinrichs Gehirn war noch im schlummerzustand und so blinzelte er ein paar Mal verwundert, bis ihn die Erkenntnis traf. Friedrich! Der Drachenjunge den Maye gestern auf dem Heuschober gefunden hatte und dem er erlaubt hatte über den Winter zu bleiben. Wieso lag er in seinen Armen und wo war eigentlich seine kleine Schwester? Vorsichtig, um den Jungen nicht zu wecken, drehte er seinen Oberkörper in die Richtung wo zuvor das Kichern herkam. Maye stand grinsend vor dem Bett und wippte auf ihren Fußballen hin und her. „Na auch schon aufgewacht du Schlafmütze?“ „Pah du musst gerade reden. Wen bekomm ich denn sonntags nie aus dem Bett, hä?“ Leise lachend kletterte seine kleine Schwester auf das Bett, kniete sich hinter ihn und stützte sich mit ihren Ellenbogen auf seiner Seite ab, was er mit einem schmerzhaften „Uff, Maye du bist schwer“ quittierte. Heinrich wurde aber eiskalt ignoriert, da Maye zu beschäftigt war in Friedrichs, noch schlafendes Gesicht zu schauen. „Ist er nicht süß? Wenn ich groß bin heirate ich ihn!“ Die trotzige Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme ließ Heinrich kichern. Das hatte sie schon so oft gesagt! Zuletzt zum Bäckersjungen, der ihr ein Brötchen geschenkt hatte. „Lach nicht. Wenn ich ihn nicht bekomme musst du ihn heiraten!“ Jetzt konnte er nicht mehr an sich halten und lachte laut los, entließ Friedrich aus der Umarmung und hob Maye von sich runter um sie durch zu kitzeln. Plötzlich senkte sich das Bett neben ihnen und ein geschockter, aufrecht sitzender Friedrich starrte sie aus noch verschlafenen Augen verwirrt an, was die Beiden noch mehr zum Lachen brachte, da seine Haare total verwuschelt waren und in alle Richtungen abstanden. Auch er schien ein paar Sekunden zu brauchen, um sich an die gestrigen Geschehnisse zu erinnern, aber dann nahm sein Gesichtsausdruck erleichterte Züge an und er fuhr sich einmal mit der Hand durch die wirren Haare. „Na gut geschlafen? Ihr habt ganz schön viel geknu…..“ Maye wurde im Satz unterbrochen, weil Heinrich sie schnell hochhob und auf den Fußboden stellte. „Wir sollten besser aufstehen, sonst fangen wir ja nie mit der Ernte an“ und damit schleifte er seine kleine Schwester aus dem Zimmer ehe sie noch ein Wort sagen konnte und ließ einen verwirrt schauenden Friedrich zurück. Eine halbe Stunde später saßen sie zu dritt am Esstisch und frühstückten schweigend. Friedrich wusste nicht was er sagen sollte, Maye wurde von Heinrich der Mund verboten und der selbige hoffte, dass seine kleine Schwester auch bloß nicht wieder von der Szene am Morgen anfing. Er wollte ja nicht, dass sein Gast sonst etwas von ihm dachte. Nachdem sie alle fertig waren erklärte er noch schnell den Plan für heute. „Also Friedrich und ich schneiden die Halme ab und bringen sie zu dir auf den Hof Maye und du musst dann nur die Maiskolben abbrechen und in den Wagen legen.“ Beide nickten brav und dann ging es an die Arbeit. Heinrich gab dem Drachenjungen eine Sense und zeigte ihm wie man sie schwingen musste, damit nicht zu viel von den Halmen übrig blieb und sie auch in die richtige Richtung vielen. Nur leider hatte er nicht damit gerechnet, wie ungeschickt Friedrich sich anstellen würde: Nach nur einer viertel Stunde hatte er es geschafft sich fast dreimal den Schwanz abzuschneiden und Heinrich hätte fast einen Zeh verloren, wenn seine Reflexe nicht so gut wären. Das einzige was überlebte waren die Halme! Die blieben seltsamerweise unversehrt. Ungläubig griff er sich an den Kopf. Wie konnte etwas so besonderes wie ein Drache nur so … so… tollpatschig sein? „OK ich glaube wir ändern den Plan lieber“ Sanft nahm er dem vor Scham puder roten Friedrich die Sense ab und war einen rügenden Blick zu Maye, die an ihrem Lachen schon fast erstickte. „Ähm, … also am besten machen wir es so: Ich schneide die Halme ab und du, Friedrich, trägst sie auf den Hof und hilfst dort Maye die Kolben zu entfernen.“ Beschämt nickte der Angesprochene und trat ein paar Schritte zurück um aus der Reichweite von Heinrichs Sense zu sein. „Hey nimm es nicht so schwer! Als ich die Sense das erste Mal benutzt habe sah das Feld aus, als wäre eine Armee drüber gelaufen. Alles schief und krumm und teilweise sah es aus wie abgebrochen und nicht geschnitten“ „Aber wenigstens hattest du die Halme getroffen und dich nicht mehrmals fast selbst verstümmelt.“ Auf diese genuschelten Worte viel ihm auch keine Antwort mehr ein, also machten sie mit einem letzten mitleidigen Blick Richtung Friedrich still schweigend an die Arbeit. Tatsächlich kamen sie erstaunlich schnell voran und nachdem das peinliche Schweigen gebrochen war, scherzten sie den Rest des Vormittags miteinander. Besonders Maye hatte Spaß, weil sie Friedrich so viel sie wollte mit den kleinen Haaren an den Kolben ärgern und kitzeln konnte, ohne dass er sich groß wehrte. Heinrich beobachtete das eine Zeit lang aus dem Augenwinkel, bis er entschied, den armen Kerl vor seiner Schwester zu retten. Er lehnte die Sense an einen der großen Maishalme an, nahm einen Stapel von den abgeschnittenen und ging zu den beiden. Maye saß mittlerweile auf Friedrichs Bauch und kitzelte ihn mit einem Blatt am Bauchnabel. Sie hatte sichtlich ihre Freude daran ihn zu ärgern und strampelte wild, als Heinrich sie einfach von ihrem Opfer hochhob. „Lass ihn doch auch mal zu Luft kommen.“ Japsend richtete sich Friedrich auf und hielt sich die schmerzende Seite, während er dankbar zu ihm hoch sah. „Da….nke“ Grinsend setzte Heinrich seine kleine Schwester ab und half seinem Gast beim aufstehen. „Du musst ihr schon deutlich sagen, wenn du etwas nicht willst und auch wenn sie so klein ist, ist sie nicht aus Zucker, also schieb sie auch ruhig mal weg.“ „Ich … wollte sie nicht verletzten“ Wie Friedrich verlegen auf den Boden sah und sich am Kopf kratze. Über den putzigen Anblick lachend tätschelte er kurz den Kopf seines Gegenübers und ging mit der Anmerkung „So tollpatschig wie du bist, verletzt du dich bei dem Versuch eher selber“ wieder an die Arbeit. Zurück blieben ein schmollender Friedrich und eine kleine Maye, die schon die nächste Attacke auf ihr wehrloses Opfer plante. Gegen Abend waren sie alle Hungrig, Müde und Kaputt von der Arbeit. Sogar May setzte sich nur noch auf einen Küchenstuhl, verschränkte die Arme auf dem Tisch und döste vor sich hin. Friedrich war völlig am Ende von der ganzen Kitzel-Folterung und wäre am liebsten nur noch ins Bett gefallen und eingeschlafen, aber am fertigsten war Heinrich, der nach dem drei viertel Feld kaum noch die Arme heben konnte. Allerdings hatten sie alle knurrende Mägen und irgendwer musste kochen. Gerade als Heinrich sich aufraffen wollte stand Friedrich auf. „Ich kann zwar mit keiner Sense umgehen, aber wenigstens etwas kochen kann ich.“ Er wollte schon protestieren, aber wenn er ehrlich war, hatte er nicht einmal dafür mehr genug Kraft. Heinrich nickte einfach nur dankbar und legte dann seinen Kopf auf die Tischplatte und schlief prompt ein. „Hey aufwachen“ etwas rüttelte an seiner Schulter. Murrend zuckte er mit dieser und vergrub seinen Kopf noch tiefer in den Armen. „Heinrich das Essen ist fertig. Selbst Maye isst schon“ Er gähnte einmal ausgiebig und streckte seine Arme über den Tisch, was seine Knochen mies knacken lies. Morgen würde er einen üblen Muskelkater haben, aber das Feld war ja schon fast durch. Langsam hob er den Kopf und zog den leckeren Geruch von gebratenem Gemüse und Reis ein. Eigentlich wollte er den Reis noch ein bisschen aufheben, aber wenn er ehrlich war brauchte er jetzt dringend die Nährstoffe von ihm. Müde blinzelte Heinrich ein paar Mal, setzte sich anständig hin und nahm dankbar den vollen Teller von Friedrich an. Das Essen schmeckte einfach unglaublich und weckte wieder ein paar seiner Lebensgeister. Auch Maye schien es zu schmecken und so beschloss er, dass Friedrich ab sofort öfter kochen werden muss. Dieser ahnte noch nichts von dem Beschluss seines Gastgebers und saß einfach still vor sich hin lächelnd und zufrieden essend am Tisch. Heinrich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Friedrich immer wieder Haarsträhnen in sein Abendbrot vielen und er diese genervt wieder hinter sein Ohr strich, was aber auch nicht viel brachte, da sie sich gleich wieder lösten. „Soll ich dir eins meiner Haarbänder leihen“ Ein verwirrter Blick traf ihn und dann schüttelte der Angesprochene seinen Kopf. „Nein schon OK. Ich werde mir später einfach die Schere leihen und sie wieder kurz schneiden.“ „NEEEEEEIIIIIN!! Ich mag deine langen Haare!“ Maye war von ihrem Stuhl aufgesprungen um ihren Protest noch zu unterstreichen. Heinrich musste seiner kleinen Schwester recht geben. Er mochte die langen Haare, aber sie waren deutlich zu unpraktisch und am Morgen hatte er sehen können, dass die Spitzen schon ausfransten. „Ich muss ihm leider Recht geben Maye. Die Haare sind kaputt und müssen ab.“ Den verwunderten Blick von Friedrich überging er einfach, genauso wie das Schmollen seiner kleinen Schwester, die sich wieder hingesetzt hatte, deutlich zu Müde für weitere Proteste und stand einfach auf um die Schere zu holen. Als er hinter dem Schwarzhaarigen stand wollte dieser schon nach der Schere greifen, aber er zog sie schnell aus seiner Reichweite. „Alleine kannst du sie dir niemals richtig gerade abschneiden, also übernehme ich das jetzt und keine Widerrede!“ Anscheinend hatte Friedrich eingesehen, dass er Recht hatte, denn er schluckte seinen angefangenen Satz runter und blieb einfach still sitzen und ließ sich von ihm die Haare schneiden. Innerlich freute sich Heinrich riesig über das Vertrauen, dass ihm entgegen gebracht wurde, weil nicht jeder jemanden, den er erst seit zwei Tagen kannte, mit einer Schere an seinem Kopf rumfuchteln lassen würde. Nach fünfzehn Minuten war er fertig und begutachtete zufrieden sein Werk. Friedrichs Haare waren jetzt Kinn lang und in leichte Stufen Geschnitten. Auch sein Pony war wieder am rechten Fleck. Es hatte sich endlich ausgezahlt, dass er bei solchen Dingen seiner Mutter immer zugesehen hatte. „Na Maye? Was denkst du? Sieht doch klasse aus“ Seine kleine Schwester verzog schmollend den Mund und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Ich mochte seine langen Haare lieber. Ich hätte ihm Zöpfchen rein binden können.“ Beide seufzten resigniert und grinsten sich dann an. Maye war wirklich eine kleine, liebevolle Nervensäge. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)