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Friedrich

von

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Friedrich und der Nymph

Dieses Kapitel ist eine etwas anders als alle anderen, die danach kommen werden und hängt eher weniger mit dem Verlauf der Geschichte zusammen, aber da es Friedrichs Abneigung gegenüber Wasser erklärt ist sie nicht ganz unwichtig ^^
 

~Friedrich und der Nymph~
 

Eine sanfte Brise mit dem unglaublichen Duft von Frühling und Tannen wehte über die kleine Lichtung. Die Grashalme und Blüten schienen den Kopf vor ihr zu neigen, als würden sie einen alten König auf der Durchreise begrüßen. Kleine Wellen bildeten sich auf dem See und die Bäume um die Lichtung herum gaben ein fröhliches Rascheln von sich. In der Mitte von all Diesem stand Friedrich mit geschlossenen Augen und sog die frische Luft auf. Eigentlich wollte er ja nicht hier her kommen, doch die Drohung auf ein weiteres Mal Kohleintopf ließ ihn sein spannendes Buch vergessen und mit den Wassereimern losgehen. Jetzt empfand er es aber als doch nicht so schlimm und genoss sogar die Ruhe um sich herum. Viel zu selten kam er doch aus der kleinen Hütte, in der er mit der alten Dame lebte, raus.
 

Langsam öffnete er die Augen und blinzelte ein paar Mal, bis er sich an das helle Licht des Tages gewöhnt hatte. Sein Blick viel auf einen Stein, der in der Sonne funkelte und nah genug am Wasser war, damit Friedrich seine Füße darin eintauchen konnte. Weiter auf das Leben um sich herum achtend ging er auf diesen zu und stellte davor die leeren Eimer ab. Als er wieder aufschaute bekam er den Schreck seines Lebens – Vor ihm stand ein Mann. Ein seltsamer und doch wunderschöner Mann. Friedrich konnte nicht anders und starrte wie gebannt auf das Gesicht seines Gegenübers, was diesem keinesfalls entging. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine schmalen Lippen und Friedrich konnte beobachten, wie sich damit seine Wangenknochen hebten und vereinzelte Wassertropfen, die auf diesen lagen, im Licht zu glänzen begannen. Die Augen schienen mit den Tropfen zu funkeln und starrten ihn mit einer Intensität an, dass Friedrich alles um sich herum vergaß. Für ihn zählte nur noch das Wesen vor ihm. Das Gesicht wurde von langen Haaren eingerahmt, die je nach Lichteinfall von Türkis bis Dunkelblau zu schimmern schienen. Wie durch unsichtbare Wellen ergriffen bewegten sie sich von alleine und flossen um den schmalen und doch kräftig aussehenden Körper herum. An jedem der spitz zulaufenden Ohren befanden sich jeweils zwei goldene Ohrringe und an den Armen waren Ketten mit blauen Perlen, in Form von Wassertropfen befestigt. Am Hals trug er eine Kette, die sich aus verschiedenen goldenen und silbernen Fäden zusammensetzte und dieselben Perlen wie an den Armen hingen in zwei Reihen, jeweils etwas versetzt und in unterschiedlichen längen daran fest. Jede einzelne davon schien ein ganzes Universum an Lichtpunkten in sich zu tragen und Friedrich war fasziniert von der filigranen Arbeit. Als ein Wassertropfen über eine dieser Perlen viel, folgte Friedrich dieser gebannt mit dem Blick nach unten, bis ihm auffiel dass der Mann wohl keine Hose trug. Plötzlich peinlich berührt und unheimlich froh, dass der Stein ihm einen genaueren Blick verwehrt hatte, schaute er wieder nach oben, nur um wieder in diese perfekten Augen zu sehen. Diese hatten mittlerweile ein belustigtes Funkeln angenommen und das Grinsen, des Fremden ist noch größer geworden, da ihm die Röte in Friedrichs Gesicht natürlich nicht entgangen ist. „Na was macht denn so ein süßer Drache an meinem See?“

Friedrich lief ein angenehmer Schauer über den Rücken. Die Stimme des Fremden klang wie das Plätschern eines kleinen Flusses und hinterließ eine Gänsehaut auf seinen ganzen Körper. Völlig verloren stand er da und konnte nichts tun als zu sehen und zu … spüren? Heftig Zuckte Friedrich zusammen, als er die kalte Hand bemerkte, die sich schon langsam unter sein Hemd schlich. „Wollen wir nicht ein bisschen spielen?“ Erst jetzt fiel ihm auf, wie nah ihm der Kerl schon gekommen war und das aus dem belustigten Grinsen ein anzügliches geworden ist. Um der Hand zu entkommen wollte Friedrich einen Schritt zurückmachen, aber hinter ihm schien etwas in der Art einer Wasserkugel zu sein, die ihn immer näher an den Nymphen drückte. Endlich ist Friedrich aufgefallen mit was er es da zu tun hatte und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Mit seiner ganzen Kraft stemmte er sich gegen den Brustkorb des Wasserwesens, das sich als Antwort darauf nur unbeeindruckt vorbeugte und in sein Ohr schnurrte. Ein eiskalter Schauer lief Friedrich über den Rücken und er drehte so schnell er konnte den Kopf so weit wie möglich weg, bevor ihm noch ins Ohr gebissen wurde. Der Nymph wich mit dem Kopf gerade weit genug zurück, damit Friedrich ihm wieder ins Gesicht schauen konnte und mit einem „Och was hast du denn? Bis eben habe ich dir doch noch gefallen“ schnellte er wieder vor um unseren armen kleinen Helden zu küssen. Mit einem letzten verzweifelten Versuch aus der Umschlingung zu entkommen ließ sich Friedrich auf die Knie fallen und schloss die Augen, weil er das, was nun vor seinem Gesicht war, nun wirklich nicht sehen wollte. Über ihm hörte er das belustigte Kichern des Nymphen und ein „Also wenn dir das lieber ist können wir es auch so machen und dann…“ weiter hörte ihm Friedrich nicht zu, weil ihm so schon das Frühstück wieder hoch kam. Stattdessen ließ er sich seitwärts auf den Boden fallen und rollte sich zu der Seite, von der er den Wald riechen konnte, sprang auf die Füße, öffnete die Augen und rannte so schnell er konnte. Hinter sich konnte er noch den Nymphen nach ihm rufen hören und das mit ein paar unschönen Erklärungen, was sie doch noch so machen könnten. Friedrich war puder rot im Gesicht und konnte immer noch nicht fassen, was eben passiert war. »Was war das denn für ein Spinner?? «

Dieser eine Satz lief immer und immer wieder in seinem Kopf umher und mit jedem Mal wich ein bisschen mehr Farbe aus seinem Gesicht und er rannte noch etwas schneller. Plötzlich riss etwas an seinem Bein und er viel mit voller Wucht auf den mit Moos bewachsenen Waldboden und überschlug sich einmal. Noch benommen von dem Aufprall setzte er sich halb auf und rieb sich den schmerzenden Kopf ehe er bemerkte, dass sein Hosenbein völlig durchnässt war. Ein zittern ging durch seinen ganzen Körper, aber bevor er aufstehen konnte, pinnte ihn der Nymph an den Boden. „Tse tse tse, das ist aber wirklich nicht nett einfach so wegzulaufen.“ Völlig geschockt starrte Friedrich wieder in diese blauen Augen. Die Chance nutze der Obere und gab ihm einen leichten Kuss auf die Nasenspitze. „Ach ich würde dich am liebsten mit Haut und Haaren fressen“ Oh das Grinsen gefiel Friedrich ganz und gar nicht. Wie wild fing er an zu zappeln um seine Arme zu befreien und auf einmal lag der Wassergeist mit einem spitzem Schrei neben ihm und krümmte sich vor Schmerzen. Anscheinend hatte Friedrich ihn beim zappeln mitten in seine edelsten Teile getroffen. Lange dachte er aber nicht darüber nach, sondern grinste nur kurz auf den sich windenden Perversling runter und rannte dann so lange weiter, bis er zu Hause angekommen war. Mit voller Geschwindigkeit schlitterte er in die Hütte und schlug die Tür hinter sich zu. Schwer Atmend ließ er sich an dieser herabsinken und schloss die Augen um sich zu beruhigen. Zitternd besann er sich auf das raue Holz der Tür hinter sich und auf das des Bodens auf dem er saß. Nur sehr langsam verlangsamte sich seine Atmung, aber das Zittern schien nicht verschwinden zu wollen und immer und immer wieder sah er das Gesicht des Nymphen vor sich und hörte seine Stimme nach ihm rufen. Es würde noch Jahre dauern, bis er wieder in die Nähe von Wasserquellen gehen könnte.

Die Monate nach dem Tod der alten Lady

Wie Vorgewarnt gibt es hier einen kleinen Zeitsprung und die eigentliche Geschichte fängt an, also nicht wundern :)

Und bitte entschuldigt sämtliche, Groß-/ Kleinscheib Fehler, falsch gesetzte Satzzeichen, Grammatikfehler, usw. usw. XD
 

~Die Monate nach dem Tod der alten Lady~
 

Der Winter kam. Friedrich merkte dies nicht nur an den kälteren Nächten, sondern auch an dem Mangel an essbaren Früchten im Wald. Ihm blieb wohl bald nichts mehr übrig, als sich in die Nähe einer Stadt zu wagen um nicht zu verhungern. Seit acht Monaten konnte er nun schon jedem menschlichem Wesen ausweichen, indem er sich tief im Wald in einer kleinen Höhle versteckt hielt. Er konnte noch immer nicht fassen, dass die alte Lady tot war. Sie war zwar gegen Ende ihres Lebens sehr verwirrt und nach dem täglichem Kohleintopf war es schwer neben ihr einzuschlafen, aber sie war die einzige, die sich je um ihn gesorgt hatte.
 

Friedrich saß unter einem Baum vor seinem neuem „zu Hause“ und beobachtete traurig wie die Blätter um ihn herum auf den Boden segelten und ihn in leuchtendem Rot und Gelb erstrahlen ließen. Er erinnerte sich, wie er vor Monaten nach Hause kam und schon in der Tür merkte, dass etwas nicht stimmte. Aus dem Hinterzimmer kamen aufgeregte Stimmen und Schluchzer. Auf einmal standen die Enkelkinder der alten Frau und der Dorfaufseher im Türrahmen und starrten ihn an. „Er muss es gewesen sein. Er hat unsere arme Großmutter getötet“ schrie das Mädchen und ehe er sich versah hatte er das Schwert des Soldaten am Kinn. Die Situation wollte einfach nicht in seinen Kopf klar werden, aber auch im verwirrtesten Zustand verstand er, dass es gefährlich für ihn war auch nur noch eine Sekunde zu warten. Ehe der Soldat wusste wie ihm geschah war Friedrich schon im Wald verschwunden und rannte so schnell er konnte davon. Erst während dem Laufen sickerte so langsam zu ihm durch, was passiert ist. Die alte Dame, die sich die letzten vier Jahr um ihn gekümmert, ihm die netten Seiten der Menschen gezeigt und ihm lesen und schreiben beigebracht hatte war tot und ihre Enkel, von denen sie so stolz nach jedem Kirchenbesuch erzählt hatte, haben soeben ihn des Mordes beschuldigt. »Von wegen sie würden mich mögen und wären freundliche Menschen. Sie haben ja noch nicht mal gefragt ob ich wirklich Schuld bin, oder wieso ich überhaupt da war. Wie immer muss es ja der böse Drache gewesen sein! « Frustriert blieb Friedrich stehen und trat gegen den nächsten Baumstamm. Oh wie er doch sein Leben hasste, die ganze wegrenner- und versteckerei und jetzt tat ihm auch noch der verdammte Fuß weh. Mit einem Seufzer ließ er sich auf den Waldboden plumpsen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. In der Dämmerung kauerte er sich in der Ecke zusammen und schaute durch das Blätterdach in den Himmel, wo schon einzelne Sterne zu sehen waren. Wo sollte er jetzt hin? Es gab keinen Ort wo er bleiben könnte und er war sich ziemlich sicher, dass demnächst eine Menge Soldaten den Wald nach ihm durchkämmen würden. Er war wirklich nicht begeistert davon, Morgen am Scheiterhaufen zu verbrennen, während ein ganzes Dorf fröhlich um ihn herumtanzte. Mit diesem Bild im Kopf stand er langsam wieder auf und lief weiter. Lange nachdem die Sonne untergegangen war und er nur noch mit dem Licht des Vollmondes sah, entdeckte er hinter einem Busch den Eingang zu einer kleinen Höhle. Gut versteckt und gerade groß genug, dass er sich darin ein kugeln konnte. Nichts für immer, aber etwas für eine Nacht.

Friedrich erinnerte sich auch an die Wochen danach, in denen er orientierungslos durch das Geäst kletterte und immer, wenn er einen der ausgesandten Wachtrupps kommen hörte, sich versteckte. Völlig verdreckt fand er nach unzähligen Tagen eine Höhle in einer Felsspalte, die man nur von einem bestimmten Winkel hinter einem Busch sehen konnte. Sie war nicht besonders groß, aber es reichte um darin zu schlafen und ab und zu eine Pilzsuppe zu kochen. Das einzig Gute, was ihm in all dieser Zeit passiert ist, ist dass der Fluss vor seiner Höhle von keinem Nymphen bewohnt war, aber in Anbetracht des Zustandes seiner Kleidung und seinem Hunger war das nur ein geringer Trost.

Er hatte jetzt genug gezögert. Er MUSSTE sich heute auf den Weg machen, ansonsten würde er bald verhungert sein. Zum packen brauchte er ja nicht lange, weil er außer den Kleider die er trug nichts besaß und so stand Friedrich einfach auf und folgte dem Fluss, in der Hoffnung dadurch schnell aus dem Wald und in die Nähe eines Ortes zu kommen, in dem er unbemerkt Essen stehlen und schlafen konnte.

Es dauerte vier Tage, bis er aus dem Wald herauskam und einen weiteren bis er in der Ferne ein Bauernhaus erspähen konnte. Es war später Nachmittag und die Sonne begann schon langsam ihren Weg hinter den Horizont zu machen, als er plötzlich Stimmen hinter sich hörte. Mit einem gezielten Sprung verschwand er im Gebüsch am Rand des Weges und hielt die Luft an. Durch ein daumengroßes Loch konnte er einen großen Blonden Jungen sehen, der mit einem noch sehr jungen Mädchen den Weg entlang ging. Das Mädchen hüpfte wild gestikulierend um den Jungen herum und schien aufgeregt von etwas zu erzählen und das in einer Geschwindigkeit, dass es für Friedrich fast unmöglich war sie zu verstehen. Dem Jungen schien das aber recht wenig auszumachen, weil er immer wieder fröhlich lachte und dem Kind durch die Haare wuschelte. Bei dem Anblick musste Friedrich grinsen und unwillkürlich fragte er sich, ob das seine Tochter war, obwohl er selber erst achtzehn, oder neunzehn zu sein war. »Etwas Älter als ich. Ob ich auch so ein Leben gehabt hätte, wenn ich als Mensch geboren wäre? « Über den Gedanken musste Friedrich den Kopf schütteln, nur Leider hatte er vergessen, dass er in einem Gebüsch war und so raschelte es ganz leise und ein paar Blätter lösten sich. Er war zwar immer noch gut verdeckt, aber er hätte schwören können, dass ihm der Junge kurz in die Augen gesehen hatte. Vor Angst saß er wie gelähmt da, bis der Junge außer Sichtweite war. Das war verdammt knapp.

Sich von dem Schock erholend lief Friedrich weiter in Richtung des Bauernhauses. Diesmal wählte er aber den Weg durch das hohe Maisfeld, was zwar länger dauerte, aber sicherer war als die offene Straße. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit war er am Rand des Feldes angekommen und spähte die angrenzenden Gebäude aus. Niemand ließ sich blicken und nur ab und zu lief eine Gestalt vor dem Kerzenlicht im Haus inneren herum, trotzdem wartete Friedrich so lange, bis auch das letzte Licht aus war und bestimmt niemand mehr wach war. Im Schutz der Dunkelheit schlich er auf die Scheune zu und öffnete das Tor gerade so weit, dass er durchschlüpfen konnte. Bei dem leisen quietschen lief es ihm eiskalt den Rücken herunter, aber im Haus blieb alles still, also schlüpfte er schnell in die Scheune und zog das Tor hinter sich zu. Es dauerte mehrere Minuten bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten und selbst dann konnte er nur spärlich sehen. Nach einigem Suchen fand er allerdings das Gesuchte: Ein Leiter die auf den Heuschober führte. Zwischen all dem getrockneten Stroh würde man ihn bestimmt nicht finden und so kletterte er bis in die hinterste Ecke und legte sich unter eine Schicht Stroh. Nur zur Sicherheit, falls doch jemand nach oben klettern sollte. Die Halme stachen ihn und bequem liegen war auch schwer, da Friedrich darauf achten musste, dass nicht doch ein Fuß von ihm rausschaute, doch nachdem er sein Hemd als Kissen umfunktionierte war es doch ganz bequem. Zumindest bequemer als die dreckige Höhle. Als er einschlief dachte er an leckeres Fleisch und den Kohleintopf der alten Frau. Wie sehr er doch hoffte, am nächsten Tag was Essbares zu finden, weil das flaue Gefühl in seinem Magen mit jeder Sekunde größer zu werden schien. In dieser Nacht träumte er von einem schönen Leben als Mensch, von Eltern und Brüdern und von dem Geschwisterpaar, dem er zuvor begegnet war…

Erste Begegnung mit Heinrich und Maye

Am nächsten Morgen erwachte Friedrich durch einen vorwitzigen Strohhalm, der ihn an der Nase kitzelte. Murrend schlug er ihn weg und drehte sich auf die Seite. Zumindest versuchte er es, aber ein Gewicht auf seinem Bauch lies das nicht zu. Viel zu Müde um darüber nachzudenken gab er den Versuch einfach auf, legte einen Arm über seine Augen und gähnte nochmal ausgiebig. Kurz darauf hörte er über sich ein glockenhelles Kichern, das ihn wieder aus seinem Dämmerzustand aufschrecken ließ und dann spürte er, wie das Gewicht auf seinem Bauch etwas nach vorne rutschte und ihn wieder ein Halm an der Nase kitzelte. Heftig zuckte Friedrich zusammen und hielt die Luft an. » Das Gewicht ist zu gering für einen Erwachsenen und von der Höhe des Kicherns würde ich auf ein kleines Mädchen tippen, aber dann sind die Eltern auch nicht weit weg. Verdammt und ich dachte ich könnte hier wenigstens für kurze Zeit bleiben. Demnächst werde ich mich wieder verstecken müssen und es bleibt mir doch nicht mehr viel Zeit bis der Winter kommt « Völlig verzweifelt lag Friedrich unter dem kleinen Mädchen, mit dem Gesicht unterm Arm versteckt und überlegte schon, wie er am besten fliehen könnte, als er Schritte auf der Leiter hörte. „Maye bist du da oben? Ich hab dir doch schon so oft gesagt, dass das gefährlich i…“ Friedrich konnte hören, wie die Stimme des Jungen versagte und sein Atem vor erstaunen stockte. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er angerannt kommt, das Mädchen von ihm wegzerrt und ihn für irgendwas beschuldigt, dass er nicht getan hat und er wird wieder fliehen müssen. Ein zittern ging durch seinen ganzen Körper und die Verzweiflung breitete sich langsam in seinem Bewusstsein aus.

„Schau doch Bruderherz, ist er nicht süß? Darf ich ihn behalten, bitte, bitte, bitte“ Das Mädchen sprang auf und rannte zu ihrem Bruder und Friedrich nutzte die Chance um sich aufzusetzen und tiefer in die Ecke zu kauern. Mit einer Hand schnappte er sich sein Hemd und drückte es fest an sich, während er die Knie an seinen Körper zog, bereit jederzeit auf zuspringen und gegeben falls sogar zu kämpfen.

Sein scheuer und doch entschlossener Blick kreuzte sich mit dem verdutzten des Jungen und sofort erkannte Friedrich in ihm den Blonden vom Vortag wieder und das war auch das selbe kleine Mädchen, dass da wie wild an ihrem Bruder rumhüpfte und davon erzählte, wie sie Friedrich beim verstecken gefunden hatte.

„Maye bleibst du bitte kurz hier stehen“ Friedrich schob sich noch etwas tiefer in die Ecke, als der Junge auf ihn zukam und vor ihm in die Hocke ging. Ängstlich beobachtete er jedes Muskelzucken seines Gegenübers um sofort zu sehen, wenn dieser ein Messer ziehen und ihn angreifen würde, aber stattdessen legte dieser nur den Kopf leicht schief und musterte Friedrich ganz genau. „Ich bin Heinrich und du?“ Friedrich antwortete nicht, sonder blieb einfach in seiner Haltung festgefroren. „Das ist Maye meine kleine Schwester. Sie scheint dich zu mögen“ Das Lächeln, das bei diesen Worten auf Heinrichs Lippen erschien, verwirrte Friedrich zutiefst. Sein Blick flackerte kurz zu dem kleinen Mädchen mit den großen blauen Augen und rotbraunen Haaren, dass fröhlich Grinsend die Szene beobachtete und auf ihren Fußballen vor und zurückwippte. Sie trug ein schlichtes braunes Kleid und ihre Haare waren zu zwei langen Zöpfen geflochten, die sich mit ihr mit bewegten. In den Händen hielt sie noch den Strohhalm, mit dem sie ihn geweckt hatte.

„Weißt du…“ erschrocken zuckte Friedrich zusammen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Heinrich zu. „…Maye ist manchmal ein kleiner Wildfang und ich hoffe sie hat dich nicht verletzt“ Jetzt war er endgültig verwirrt. Wieso machte sich der Kerl sorgen, dass das Mädchen IHN verletzt haben könnte? Immerhin war er der Drache und er war es, der hier eingebrochen war. Wieso schrie er ihn nicht an, rief die Wachen, oder jagte ihn davon?

„W-Was? N-Nein hat sie nicht“ Oh er könnte sich dafür Ohrfeigen, dass er jetzt stotterte, aber er war so durcheinander, die gesamte Situation überstieg einfach seine Vorstellungskraft. Heinrich lachte kurz auf und Friedrich wurde ganz warm. Er mochte das Lachen irgendwie und unwillkürlich zuckte auch ein kleines Lächeln über sein Gesicht.

„Also können wir ihn jetzt behalten. Oh bittttteeeeeeee“ Maye war unbemerkt zu ihnen gekommen und kniete nun neben den Beiden, während sie nervös den Strohhalm in ihren Händen drehte und mit großen Augen zwischen Friedrich und Heinrich hin und her schaute.

„Maye man kann andere Lebewesen nicht besitzen und …“ „aber Maria hat auch Hasen die ihr gehören und wir haben eine Kuh und ein paar Schafe!“ Heinrich seufzte einmal tief, schaute entschuldigend zu Friedrich und versuchte dann Maye verständlich zu machen das der Drache auf ihrem Heuboden aber kein Hase oder Schaf war.

Friedrich währenddessen schaute der hitzigen Diskussion verwirrt zu und versuchte zu verstehen, wieso noch immer keine Soldaten, oder Dörfler mit Fackeln hinter ihm her waren. So in Gedanken viel ihm auch plötzlich wieder ein, dass er ja noch immer ohne Hemd da saß und da sowieso keiner der beiden auf ihn achtete zog er es sich schnell an.

Durch die Bewegung wurden die Geschwister allerdings wieder auf ihn aufmerksam und starrten ihn an. „W-Was?“ Friedrich zupfte etwas an seinem Hemd rum und schämte sich unheimlich für die Löcher, Flecken und abgewetzten Stellen und zu allem Überfluss machte auch noch sein Magen von sich hören. Bis jetzt hatte er über die ganze Aufregung das flaue Gefühl vergessen können, aber dafür traf ihn der Hunger jetzt umso heftiger und ihm wurde leicht Schwindelig und schwarz vor Augen. Als er wieder klar sehen konnte, blickte er direkt in zwei besorgte Augenpaare. „Du~uuu Heinrich? Wenn ich ihn schon nicht behalten darf, kann ich ihn dann wenigstens füttern?“ Maye hatte wohl noch immer nicht den Unterschied verstanden, aber zu Friedrichs Verwunderung nickte der große Bruder einfach nur ergeben. Maye sprang sofort auf und kletterte etwas unbeholfen mit ihren kurzen Beinen die Leiter runter. Bei diesem Anblick fragte sich Friedrich ernsthaft, wie die kleine es hier hoch geschafft hatte. Als auf einmal eine Hand vor seinem Gesicht auftauchte zuckte er heftig zusammen und schaute hoch zu Heinrich, der aufgestanden war und ihm aufhelfen wollte. Kurz zögerte er, aber Essen klang einfach zu verlockend und die beiden kamen ihm nur alles andere als Gefährlich vor. „Ich müsste noch Kleidung vom Vorjahr haben, die dir passen könnte. Manches davon ist schon geflickt, aber immer hin besser als das was du trägst und mit deinem Schwanz finden wir bestimmt eine Lösung. Zur Not können wir ja provisorisch ein Loch in die Hose schneiden“ Heinrich grinste nochmal zu dem überfordertem Friedrich hoch, bevor er die Leiter hinab kletterte. Friedrich dachte nochmal über seine Optionen nach, doch der Hunger war größer als seine Angst und so folgte er Heinrich nach unten und in Richtung Haus. Vor dem Scheunentor schielte er aber trotzdem Vorsichtshalber nach draußen, besorgt, dass dort schon Soldaten stehen könnten, aber weit und breit war niemand zu sehen. Nur Heinrich, wie er ihn aufmuntert vom Hof aus zu sich winkte. Noch einmal tief Luft holend trat er aus der Scheune und lief mit dem Blonden in das Haus.

Heinrich

Dieses Kapitel ist aus Heinrich's Sicht geschrieben und beginnt am Tag bevor er mit Maye Friedrich findet.
 

~Heinrich~
 

Heinrich wurde an diesem Morgen unsanft von Maye geweckt, als diese sich im Bett umdrehte und ihm dabei eins ihrer Beine in den Bauch schlug. Während sie im Schlaf fröhlich weiter von Keksen brabbelte und die Decke um sich schlang, musste ihr großer Bruder erst ein paarmal tief Ein- und Ausatmen um den Schmerz zu vertreiben. Für eine fünfjährige hatte sie wirklich verdammt viel Kraft. Als es ihm besser ging schälte er sich aus dem Bett, kratzte sich einmal am Hinterkopf, gähnte und machte sich dann auf den Weg das Waschwasser zu erwärmen, dass er am Abend zuvor schon aus dem Brunnen geholt und in einer Schüssel bereitgestellt hatte. Er brauchte also nur noch das Feuer in der Kochstelle neu zu entfachen und das Wasser darüber aufzuhängen. Während es langsam warm wurde zog Heinrich sich ein Paar Socken und seine Schuhe an und weckte Maye auf. Natürlich bekam er dabei auch fast wieder eine geklatscht, aber nachdem das ja so gut wie jeden Morgen passierte, konnte er gerade noch ausweichen. „Maye du musst jetzt wirklich aufstehen, wir wollen doch noch in die Stadt und zu Maria“ Ehe er sich versah war etwas Kleines aus dem Bett und an ihm vorbeigerannt. Mit zerzausten offenen Haaren stand Maye in der Tür zur Küche und schaute ihn erwartungsvoll an. „Wann ist das Wasser fertig und wo ist mein Lieblingskleid und kann ich heute Morgen Karotten essen und wo ist eigentlich meine Maispuppe die ich Maria zeigen wollte und wusstest du eigentlich schon dass sie jetzt Hasen hat und…“ „Maye ganz ruhig. Zieh dir erst mal deine Socken an, sonst erkältest du dich noch. Das Waschwasser ist gleich warm genug und dein Kleid liegt da drüben auf dem Stuhl. Die Karotten liegen noch immer in der Vorratskammer und Ja du darfst sie essen. Die Maispuppe hast du gestern in der Scheune vergessen und von Marias Hasen redest du schon seit der Sonntagschule.“ Lachend wuschelte Heinrich Maye durch die Haare, als er an ihr vorbei in die Küche ging um die Schüssel vom Feuer zu nehmen und mit einem Lappen etwas Kernseife darin verteilte. Als er fertig war, riss ihm schon etwas den Waschlappen aus den Händen und drängte ihn weg. Seine kleine Schwester war wirklich ein Wildfang und in der ganzen Aufregung hatte sie auch noch ihr Kleid falsch herum angezogen. Schmunzelnd ging Heinrich zwei Karotten holen, half Maye beim Kleid umdrehen und Haare flechten, wusch sich selber, zog sich an, holte die Maispuppe, machte das Bett und schüttete das dreckige Wasser etwas weiter vom Haus entfernt weg. Als er damit fertig war machten die beiden sich auf den langen Weg in die nächste Stadt. Heinrich hatte Maye nicht erzählt, dass er sich mit dem örtlichen Gutsherrn treffen musste, der ihm den Hof abkaufen wollte. Er machte sich große Sorgen, weil er nicht wusste wir er sich um den Hof und die einzelnen Tiere kümmern sollte, ohne Maye zu sehr einzuspannen. Nach dem Tod ihrer Eltern wollte er es so einfach wie möglich für sie machen und auf der Straße landen war definitiv keine Option. Auch wenn es für ihn schwer ist und ihm alles weh tut, so freut er sich doch über ihr Lächeln und ihre wilde Art. Zudem wusste sie immer, was er brauchte und half ihm auf ihre Weise so gut es ging und wenn es nur vor dem Einschlafen eines ihre, im Laufe des Tages selbstausgedachten Märchen war.
 

Die Stadt war von einer großen Mauer umgeben und nur durch vier riesige Tore zu betreten, diese wurden aber so gut wie nie kontrolliert, da Geldon keine Handelsstatt war und somit für das Königreich und Räuber wenig Bedeutung hatte. Im inneren herrschte aber trotzdem immer das pure Chaos und Heinrich musste Maye fest an der Hand nehmen, damit sie nicht auf einmal in der Menge verschwandt, um etwas für sie interessantes zu erkunden. In der Menschenmasse würde er sie wohl kaum wieder finden und bei dem Versuch wahrscheinlich noch von einem der Wägen überrollt werden, die in unregelmäßigen Abständen die Menge teilte. Heute war Markt und alle Bewohner im Umkreis kauften Vieh, Brot, Gemüse, Fisch, Stoffe, und andere Haushalts- und Lebensmittel. Auf den Straßen herrschte ein strenger Geruch und man musste aufpassen, damit man nicht in Tierexkremente, oder Abfall trat. Geldon war auch nicht für besondere Reinlichkeit bekannt.

Große Fachwerkhäuser waren dicht aneinander gedrängt und nur ab und zu sah man zwischen ihnen eine enge, schmale Gasse, die nicht besonders einladend aussah. Heinrich und Maye gingen an Metzgern, Schuhmachern und Schmieden vorbei, bis sie an eine Wegbiegung und in die etwas leereren Wohngegenden kamen.

Maria war ein kleines blondes Mädchen, das mit Maye in dieselbe Sonntagsschule ging. Sie hatte zwei größere Brüder und zwei kleine Schwestern, von denen noch eine ein Säugling war und mit ihnen, ihrer Mutter und ihrem Vater, der bei einem Metzger arbeitete, lebten sie in einem etwas kleineren Haus nahe der Mauer. Beim letzten Kirchenbesuch hatte er mit ihnen abgesprochen, dass Maye bei ihnen bleiben kann, während er bei dem Gutsherr war.
 

Nach weiteren fünf Minuten laufen standen sie vor einem zweistöckigen, etwas schiefen Fachwerkhaus. Schwarze, etwas morsche Balken boten einen starken Kontrast zu den weiß gestrichenen Flächen. Hier und da blätterte schon etwas die Farbe ab und an vielen Stellen war das strahlende Weiß zu einem dreckigem Beige ausgebleicht. Die Tür befand sich nicht wie bei den meisten Häusern in der Mitte, sondern an der linken Ecke und hing etwas schief in den Angeln, sowas passierte schnell bei so vielen temperamentvollen Kindern und allen Anschein nach hatten die Eltern es schon aufgegeben sie groß zu reparieren. Die Fenster waren noch alle drin, obwohl manche etwas neuer als andere wirkten und eins war provisorisch mit einem Tuch gestopft. Je näher sie dem Haus kamen, umso hibbeliger wurde Maye und redete immer schneller von all dem, was sie heute mit Maria geplant hatte und mal wieder war das Haupthema die Hasen. Heinrich brachte es einfach nicht über sich ihr zu sagen, dass diese höchst wahrscheinlich um Weihnachten als Braten gegessen werden.

Am Eingang angekommen klopfte er einmal ganz laut und um es ihren großen Bruder nach zu machen, klopfte auch Maye einmal. Die Tür wurde kurz darauf von einer ziemlich fertig aussehenden Frau mittleren Alters geöffnet. Die schon leicht ergrauenden Haare waren von ihr zu einem, sich langsam auflösenden Dutt aufgesteckt und ihr schlichtes Kleid war mit mehligen Fingerabdrücken übersät. Wahrscheinlich backte sie gerade mit ihren Kindern das Brot für den Abend. Auf ihrem rechten Arm trug sie noch ein ganz kleines Mädchen und mit der anderen Hand hielt sie einen schmollenden Jungen fest. Als sie erkannte wer vor der Tür stand, änderte sich ihr Gesichtsausdruck und Heinrich konnte erkennen, woher ihre Lachfalten um die Augen kamen.

„Heinrich da bist du ja endlich. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Maye du bist ja kräftig gewachsen. Glaub mir es dauert nicht mehr lange und dann kannst du deinem Bruder auf den Kopf spucken“ Lachend ließ sie Maye vorbei, damit sie zu Maria rennen und ihr von dem Lob erzählen konnte und dann wandte sie sich mit einem ernsten Blick Heinrich zu. „Nochmals Danke, dass Sie auf sie aufpasst Elli und…“ Mit einer Handbewegung würgte Elli ihn ab. „Ist doch kein Problem und jetzt mach dich schnell auf den Weg, damit du nicht zu Spät kommst. Er mag das gar nicht! Und Heinrich? Bitte pass auf was du machst! Unterschreibe nicht, bevor du es dir nicht von einer vertrauenswürdigen Person hast vorlesen lassen. Er weiß genau wer lesen und wer es nicht kann und er schnappt sich immer Leute wie dich heraus und nutzt ihre Schwächen aus. Auch wenn er die Verspricht Maye in Gold zu hüllen, er wird es nicht machen, egal was er dir sagt hör bloß nicht auf ihn. Hast du alles Verstanden?“ „Bitte machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Nur weil ich nicht lesen kann, bin ich nicht naiv. Passen Sie einfach gut auf meine kleine Schwester auf und ich beeil mich möglichst bald zurück zu sein.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und rannte in Richtung des Hauptgebäudes. Kurz vor dem Eingang blieb er schlitternd stehen, steckte sein Hemd in die Hose, zupfte ein paar Fusseln von dieser und richtete seine Haare noch einmal, da vereinzelte Strähnen aus dem Zopf gerutscht waren. Egal was kommt er würde den Hof behalteen.
 

Als er aus dem riesigen Gebäude wieder herauskam wurde es schon langsam dunkel und er war mit den Nerven am Ende. Den ganzen Morgen musste er in einem Raum mit vielen anderen Leuten warten und jeder von ihnen schien nervös zu sein. Nur drei Stühle standen bereit und Heinrich konnte beobachten, wie sie alle wie hungrige Wölfe um diese herumschlichen, in der Hoffnung, dass einer frei wird. Um nicht als Konkurrent im Stuhlkampf angesehen zu werden ging er lieber ans andere Ende des Zimmers, wo drei deckenhohe Fenster einen wunderschönen Blick auf die gesamte Stadt gaben. Von hier aus konnte er den belebten Markt, das Südtor und die angrenzenden Bauernhöfe sehen. Der strahlend blaue Himmel hatte es ihm aber besonders angetan und ab und zu flog ein Schwarm Vögel vorbei, die aus der Richtung kamen, wo hinter dem Horizont der dunkle Wald lag. Er fragte sich wirklich, welches Raubtier sie wohl aufgeschreckt hatte und hoffte, dass es keine Wölfe waren, die sich im Winter seinem Haus nähern könnten.

Erst als die Sonne schon lange ihren höchsten Stand verlassen hatte, wurde er zu dem Gutsherren gelassen. In einem riesigen Raum, bestimmt dreimal so groß wie das Wartezimmer, saß er in teueren Kleidern hinter einem großen Schreibtisch und um ihn herum standen zwei, mit Schwertern bewaffneten Wachen. Sein schleimiges Grinsen lies Heinrich aufstoßen, aber er zwang sich trotzdem zu einem freundlichen Lächeln und setzte sich, nach der Aufforderung des Herren, auf den Stuhl vor dem Tisch.

Im Nachhinein konnte Heinrich nicht mehr genau sagen, was der Gutsherr ihm gesagt hatte, aber im großen und ganzen war es einfach nur eine Lügentirade über einen guten Kaufpreis und die Absicherung, dass er nach dem Verkauf weiter dort wohnen und arbeiten dürfte. Allerdings änderte sich seine schleimige Stimmung, nachdem Heinrich darum bat den Vertrag erst mal mit nach Hause nehmen zu dürfen. Ehe er sich versah wurde er freundlich vor die Tür begleitet, mit der Versicherung, dass in den nächsten Wochen noch einmal ein Gesandter mit den Unterlagen vorbei käme. Er konnte sich schon denken, wie das ablief: Ein großer Typ kommt mit ein paar anderen vorbei, drückte ihm einen Stift und den Vertrag in die Hand und lässt nicht zu, dass ihm jemand vorlas was da stand und das würde so lange gehen, bis er unterschrieben hatte.

Ziemlich genervt machte er sich wieder auf den Weg um Maye abzuholen und versuchte dabei sich zu beruhigen. Er wollte nicht, dass seine kleine Schwester sich Sorgen machte und so dachte er an schöne Dinge und atmete immer wieder tief ein und aus. Tatsächlich ging es ihm vor dem schiefen Haus schon wieder besser und lächelnd klopfte er an die Tür. Von drinnen hörte er schon aufgeregte Stimmen und dann wurde die Tür aufgerissen. Ein ca. 10jähriger Junge stand grinsend vor ihm und rannte dann gleich wieder ins Haus und dann kam Maye auf ihn zugestürmt und umarmte ihn fröhlich. Ihr folgte eine kichernde Maria, die einen großen, schwarz-weißen Hasen auf dem Arm trug und Elli, die ihn besorgt musterte. „So Kinder geht wieder rein und Maye verabschiede dich noch schnell von den Hasen“ und weg waren die Kinder wieder und Heinrich stand mit der besorgten Mutter alleine in der Tür. „Ist alles gut gegangen? Du hast doch nicht unterschrieben oder?“ „Nein keine Sorge, aber sie wollen in den nächsten Wochen jemand mit dem Vertrag zu mir schicken“ Er seufze einmal tief. „Ich lass mir bis dahin was einfallen, also machen Sie sich nicht so große Sorgen.“ Elli nickte traurig und schloss die Tür hinter Maye, die gerade angerannt kam. Mit seiner kleinen Schwester an der Hand machte sich Heinrich auf den Weg zurück und hörte ihr zu, während sie in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von ihrem Tag erzählte und um ihn herum hüpfte. Ein Wunder, dass sie sich an den ganzen Wörtern nicht verschluckte und woher nahm sie nur immer diese unbändige Energie.

Sie waren nur noch eine viertel Stunde von zu Hause entfernt und Heinrich hatte gerade Maye durch die Haare gewuschelt, als er im Busch neben ihnen es rascheln hörte. Durch einen kleinen Spalt zwischen den Blättern konnte er ein Paar rote, vor Schreck geweitete Augen ausmachen und Heinrich war fasziniert von dem leuchten, dass von ihnen ausging. Da er aber nicht wusste, wer oder was da im Busch war wandte er seinen Blick wieder Maye zu und ging weiter den Weg entlang, innerlich darauf vorbereitet sich zu verteidigen. Wer auch immer sich dort versteckt hatte folgte ihnen nicht und daher entspannte Heinrich sich auch schnell wieder. Maye bekam von alle dem nichts mit, weil sie zu beschäftigt damit war ihm zu erzählen, wie geeignet sie als Haustierbesitzterin doch wäre. Auf dem Rest des Weges diskutierten sie dann wieder über das Thema.

Als sie endlich daheim angekommen waren, war Heinrich am verhungern. Er hatte am Morgen vor Sorge nichts essen können und jetzt brauchte er dringend was, also zündete er wieder das Feuer im Ofen an, hing einen Topf darüber und holte im Brunnen auf dem Hof Wasser. Maye währenddessen spielte vor dem Herd mit ihrer Maispuppe und Heinrich schnitt das Gemüse. Er genoss dieses relativ ruhige zusammen sein sehr und hörte Maye bei ihrem Spiel zu. Als das Wasser kochte warf er das Gemüse und etwas Gries rein und da es draußen dunkel war und auch in der Stube langsam nur noch das Licht vom Feuer ausging entzündete er eine Kerze und stellte sie auf den Tisch. Während die Suppe fröhlich vor sich hin kochte deckte er den Tisch und brachte die Abfälle auf den Kompost hinter dem Haus. Auf dem Rückweg holte er gleich noch einen Eimer Waschwasser für den Abend und Morgen, damit er nicht nochmal in die beißende Kälte musste.

Nach dem Essen wuschen Heinrich und Maye sich und während seine kleine Schwester schon langsam ins Land der Träume sank räumte er noch das Geschirr weg. Vor dem Küchenfenster sah er das gewaltige Maisfeld, das er in den nächsten Tagen ernten werden muss. Allein bei dem Gedanken taten ihm schon all seine Muskeln weh, aber vielleicht würden sie sich mit dem Verkauf ein kleines Stück Fleisch leisten können. Er schreckte aus den Gedanken auf, als er dachte die leuchtenden roten Augen zwischen dem Mais aufblitzen gesehen zu haben, aber da alles ruhig blieb schob er es auf seine Einbildung und löschte Feuer und Kerze. Kaum lag er neben Maye im Bett unter der schon aufgewärmten Decke sank er schon ins Land der Träume.
 

Der nächste Morgen fing sehr spät an. Als er aufwachte stand die Sonne schon fast am höchsten und Maye lag nicht mehr neben ihm. Heinrich setzte sich im Bett auf und gähnte ausgiebig, während er seine Arme streckte. Diesmal zog er gleich seine Socken und Schuhe an, weil es der Boden wirklich extrem kalt war.

In der Küche brannte schon das Feuer im Ofen und noch warmes Seifenwasser stand auf dem Tisch. » Maye kann schon mehr, als ich ihr manchmal zutrauen möchte » Der Gedanke lies Heinrich stolz lächeln. Nachdem er sich gewaschen und angezogen hatte musste er sich allerdings Fragen, wo denn sein kleines großes Mädchen war. „Maye?“ Suchend schaute er sich im ganzen Haus um, aber es war schnell klar, dass sie hier nicht war. Als er aus dem Fenster Richtung Scheune sah, konnte er erkennen, dass das Tor einen Spalt weit geöffnet war. „Oh man“ Seufzend lief er aus dem Haus und schlich sich rein. Er brauchte sich nicht groß umzusehen wo Maye sein könnte, denn vor der Leiter, die auf den Heuschober führte, lag die Maispuppe. Seufzend kletterte er nach oben. „Maye bist du da oben? Ich hab dir doch schon so oft gesagt, dass das gefährlich i…“ Das Bild, das sich ihm bot, als er oben ankam, ließ ihm den Atem stocken. Seine kleine Schwester saß in ihrem braunen Kleid auf dem Bauch eines zitternden Jungen, der sich den Arm über die Augen gelegt hatte und kitzelte seine Nase mit einem Strohhalm.

Heinrich kletterte noch die letzte Stufe hoch und nun entdeckte ihn auch Maye. Sofort sprang sie auf und rannte zu ihm. „Schau doch Bruderherz, ist er nicht süß? Darf ich ihn behalten, bitte, bitte, bitte“ Heinrich sah verdutzt zu, wie der Junge aufsprang, sich zitternd in die Ecke drückte und den verschmutzten Lumpen, auf dem er geschlafen zu haben schien an sich drückte, während Maye von irgendwas redete. » Moment. Kein Junge! « Jetzt erkannte Heinrich, dass der vermeintliche Junge vier kleine Hörner auf dem Kopf und einen schuppigen Schwanz hatte. Er hatte von sowas schon einmal auf den Straßen gehört. Besonders blutrünstige Drachen sollten sich angeblich in Menschen verwandeln und so Beute finden, doch Heinrich kam dieser zitternder Junge nicht im geringsten gefährlich vor und er hätte ja eben noch genug Zeit gehabt seine Schwester zu töten. „Maye bleibst du bitte kurz hier stehen“ Er ging an seiner kleinen Schwester vorbei und ging vor dem unbekannten Besucher in die Hocke. Dieser drückte sich noch weiter in die Ecke und versuchte ihm entschlossen in die Augen zu sehen, aber Heinrich merkte sofort, dass das nur aus Selbstschutz passierte und er in Wahrheit panische Angst hatte. Die Augen ließen ihn aber trotzdem nicht los, denn es waren dieselben strahlend Roten vom Vortag und bei dem Gedanken, dass er sich am Abend zuvor in der Küche wohl doch nicht getäuscht hatte musste er schmunzel. Heinrich betrachtete sein Gegenüber mit schief gelegtem Kopf noch genauer. Von seinen schulterlangen, verwuschelten, schwarzen Haaren mit dem zu langen roten Pony, bis zu den wild umher zuckenden Pupillen und den dürren zitternden Armen. Er würde ihn nicht älter als fünfzehn schätzen und das versetzte ihm einen kleinen Stich ins Herz. Anscheinend hatte er schon lange nicht mehr richtig gegessen und war nicht an Gesellschaft gewöhnt. „Ich bin Heinrich und du?“ Der Junge zuckte zusammen und fokussierte ihn wieder, antwortete aber nicht. „Das ist Maye meine kleine Schwester. Sie scheint dich zu mögen“ Bei diesen Worten erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Maye hatte schon immer eine gute Menschenkenntnis, wieso sollte das nicht auch für Drachen gelten? Er sah die Verwirrung auf dem Gesicht seines Gegenübers und wie sein Blick kurz zu Maye zuckte. „Weißt du Maye ist manchmal ein kleiner Wildfang und ich hoffe sie hat dich nicht verletzt“ Heinrich fand den verwirrten Blick einfach nur zu putzig und zu seiner Freude bemerkte er auch, dass der junge Drache in Menschengestalt aufgehört hatte zu zittern. „W-Was? N-Nein hat sie nicht“ Bei dem stottern musste er einfach kurz lachen. Er mochte die Stimme des Kleineren und jetzt war er sich sicher, dass von diesem keine Gefahr ausging. Warum konnte er nicht sagen, aber sein Gefühl hatte ihn noch nie getäuscht. Das kleine Lächeln, das kurz auf dem Gesicht des anderen erschien nahm er zufrieden zur Kenntnis und bestätigte ihn in seiner Entscheidung.

„Also können wir ihn jetzt behalten. Oh bittttteeeeeeee“ Maye war unbemerkt zu ihnen gekommen und kniete nun neben ihnen, während sie nervös den Strohhalm in ihren Händen drehte. „Maye man kann andere Lebewesen nicht besitzen und …“ „aber Maria hat auch Hasen die ihr gehören und wir haben eine Kuh und ein paar Schafe!“ » Das ist doch was ganz anderes « Er stieß einen tiefen Seufzer aus und schaute entschuldigend zu dem Fremden, bevor er sich daran machte Maye zu erklären, wieso ein Drache kein Hase oder Schaf war und das ohne die Worte „Gefährlich“ oder „Monster“, immerhin wollte er ja den Verschüchterten nicht beleidigen.

Durch eine Bewegung im Augenwinkel wurde er wieder auf den Jungen aufmerksam, der sich den vermeidlichen Lappen angezogen hatte. Sein Pulli war verdreckt und hatte an so vielen Stellen Löcher, dass es kein Wunder war, dass Heinrich ihn mit einem Putzlappen verwechselt hatte.

„W-Was?“ nervös und peinlich berührt zupfte der Kauernde an seinem Hemd rum und versuchte die kaputtesten Stellen so gut wie möglich zu verdecken. Zu allem Überfluss knurrte noch der Magen von dem Jungen und er schwankte gefährlich. Heinrich sah, dass es ihm ganz und gar nicht gut ging und die Sorge um diesen Fremden stieg noch mehr an. Plötzlich meldete sich Maye wieder zu Wort, die genauso blass und besorgt aussah, wie er sich fühlte. „Du~uuu Heinrich? Wenn ich ihn schon nicht behalten darf, kann ich ihn dann wenigstens füttern?“ Zu besorgt um seine kleine Schwester zu korrigieren nickte er einfach nur und sah ihr nach, wie sie zur Leiter ging. Langsam stand er auf und hielt den anscheinend in Gedanken versunkenen die Hand hin. Dieser zuckte heftig zusammen und schaute verschreckt zu ihm hoch. Instinktiv lächelte Heinrich aufmunternd und freute sich innerlich riesig, als zögerlich nach seiner Hand gegriffen wurde und er ihm aufhelfen konnte. Damit der Kleinere nicht wieder in dunkle Gedanken versinken konnte, fing er einfach an über das erst beste Thema zu reden und dirigierte ihn dabei in Richtung Leiter. „Ich müsste noch Kleidung vom Vorjahr haben, die dir passen könnte. Manches davon ist schon geflickt, aber immer hin besser als das was du trägst und mit deinem Schwanz finden wir bestimmt eine Lösung. Zur Not können wir ja provisorisch ein Loch in die Hose schneiden“ Am Ende des Satzes war er schon zwei Stufen runter geklettert und grinste noch einmal hoch, bevor weiter abstieg. Unten angekommen wartete Heinrich noch kurz, bevor er merkte, dass ihm gefolgt wurde und dasselbe machte er noch einmal vor dem Scheunentor. Als er im Hof stand machte er sich dann aber schon Sorgen, dass der Rotäugige abgehauen sein könnte, aber dann sah er den Kopf einen Spalt breit hervorgucken und Erleichterung breitete sich in ihm aus. Was war nur los, dass er sich so viele Gedanken um ihn machte. Innerlich Kopfschüttelnd winkte er aufmunternd zu sich und ging dann mit dem noch immer etwas Verunsicherten ins Haus um ihm die Suppe vom gestrigen Abend zu geben.

Ein bisschen Ruhe

Friedrich folgte Heinrich in das Haus und fand sich in einem warmen, mittelgroßen Raum wieder, der als Küche und Aufenthaltsraum genutzt zu werden schien. An der Wand ihm gegenüber befanden sich zwei Türen, eine links und eine rechts und ein großer Steinerner Ofen dazwischen, in dem ein Feuer brannte und eine wohlriechende Suppe zum kochen brachte. Links von ihm war ein großes Fenster über ein paar Theken und von hier aus konnte man prima über den Hof und das Maisfeld sehen. Friedrich war begeistert. So einladend und sauber hätte er es sich bei so einem kleinen, aufgeweckten Mädchen niemals vorstellen können. Aus unerfindlichen Gründen fühlte er sich hier sofort wohl, aber trotzdem ließ er seine Deckung nicht fallen.

Maye war gerade beim Tisch decken, als sie reinkamen und Heinrich verschwand, nach einem kurzem beruhigenden Lächeln in Richtung Friedrich, in der linken Tür und kam kurz darauf mit zwei großen Eimern wieder. „Ich bereite dir mal ein Bad vor. So unterkühlt wie du sein musst erkältest du dich nur und danach bist du dran Maye“ Lachend lief er an ihnen vorbei nach draußen und Friedrich blieb verunsichert auf der Stelle stehen. Nervös und unentschlossen wechselte er sein Gewicht von einem auf das andere Bein und überlegte fieberhaft, ob das wirklich eine so gute Idee gewesen war und ob er nicht doch lieber abhauen sollte. Seine Gedanken wurden von einer schmollenden Maye unterbrochen, die sich zu ihrer vollen Größe aufgebaut hatte und meckernd ihre kurzen Ärmchen vor ihrem Bauch verschränkte.

„Pah! Ohne einen Kampf bekommd der mich nich ins Bad!“ Friedrich fand den Anblick, wie dieses Mädchen, dass nicht viel größer als der Tisch war und ihre Pausbäckchen schmollend aufgeplustert hatte zu niedlich und er musste unwillkürlich Schmunzeln. Was war nur mit ihm los? Das war schon das zweite Mal, dass er heute Lächeln musste. Er schüttelte verwirrt den Kopf und dann ließ ihn die Tür, die plötzlich hinter ihm aufging, zusammenschrecken. Heinrich war wieder zurück mit zwei vollen Eimern Wasser. „Maye hör auf zu schmollen und biete unseren Gast lieber einen Platz am Feuer an. Du entkommst dem Bad heute nicht wieder, immerhin muss ich neben dir schlafen“ „Ha! Du hast es doch genauso nötig“ schmollte Maye weiter und Friedrich war zunehmt belustigt von der Szene. Wie viel geschwisterliche Liebe in den kleinen Neckereien mitschwang konnte er selbst kaum glauben. Als Heinrich wieder im Badezimmer(?) verschwunden war kam Maye strahlend auf ihn zu und zog ihn zu dem Stuhl am Feuer. Als er saß kletterte sie sofort auf seinen Schoß und beobachtete von dort aus aufmerksam die Suppe. Friedrich war total perplex. Er hatte noch nie so viel Körperkontakt mit jemand gehabt und er wusste nicht wirklich wie er reagieren sollte. Die Entscheidung nahm ihm aber Maye ab, indem sie sich seinen rechten Arm schnappte und um ihren Bauch legte. „Sonst rutsch ich noch runter“ Das war alles was sie dazu sagte und Friedrich beließ es einfach dabei, weil ihn der Geruch der Suppe und die Wärme vom Feuer völlig gefangen nahmen. Langsam beruhigte er sich durch das leise knistern des Feuers, das blubbern der kochenden Suppe und die Geräusche die Heinrich beim vorbereiten des Badewassers neben an machte. Ihn befiel wieder die Müdigkeit und er wäre ein paar Mal fast eingeschlafen, wenn ein Teil von ihm nicht noch immer auf das kleinste Anzeichen von Gefahr warten würde.

Nach etwa einer viertel Stunde sprang Maye auf und versuchte den Suppentopf vom Feuer zu bekommen, aber da sie gerade so an die Henkel kam und das Feuer immer wieder nach ihren Ärmeln ausschlug, übernahm das Friedrich für sie. Er war heftig zusammengezuckt, als die kleine Wärmequelle von seinem Schoß sprang und er wollte schon in Verteidigungsstellung gehen, aber als er sah wie sich Maye verrenkte um an den Topf zu kommen und sich dabei fast selbst in Brand steckte, musste er ihr einfach helfen. Während er den Topf auf den Tisch stellte war Maye mit einem kurzem „Danke“ schon wieder verschwunden nur um kurz darauf mit Heinrich aus dem Bad zu kommen und sich neben Friedrich an den Tisch zu setzten.

Heinrich füllte jeden ihrer Teller mit Suppe und fing ruhig an zu Essen, während Maye wie verrückt schlang. Friedrich überlegte noch kurz, aber dann siegte der Hunger.

Nach dem ersten Löffel dachte er, er wäre im Himmel. Wie gut diese einfache Suppe doch schmeckt! Vielleicht kam es ihm ja nur so vor, nachdem er sich so lange von Pilzen und Beeren ernährt hatte, aber dies war das Beste, was er jemals zwischen die Zähne bekommen hatte - auch wenn er Fleisch noch immer bevorzugte.

Erst nach dem fünften Löffeln viel ihm auf, dass ihn Heinrich glücklich beobachtete und prompt lief er Rot an, schluckte den bissen runter und starrte auf seinen Teller. „W-Was?“ „Ich freu mich nur, dass es dir zu schmecken scheint.“ Und damit fing er wieder an zu essen. Friedrich dagegen war noch immer rot im Gesicht, aß aber kurz darauf brav weiter.
 

Nachdem sie fertig waren wurden ihm von dem Blonden frische Kleidung und ein Handtuch in die Hand gedrückt und er wurde sanft ins Badezimmer geschoben. Als die Tür hinter ihm zu viel entspannte sich Friedrich wieder. Schüchtern schaute er auf die menschengroße, eimerartige Badewanne mit dampfend warmem Wasser und sog den Geruch von Seife in sich ein. Er hatte sich schon seit langem nicht mehr mit warmem Wasser waschen können und so achtete er nicht mehr groß auf seine Umgebung, sondern entledigte sich nur noch seiner Kleidung und ließ sich in das angenehme Wasser gleiten. Seine Fußzehen und Finger fingen unangenehm zu kribbeln an, als die Wärme die Blutgefäße wieder weitete und um das Gefühl wieder loszuwerden wackelte er mit den Zehen. Dadurch entstanden kleine Wellen, die ihm gegen das Kinn schlugen und mit einem glücklichen Glucksen rutschte er etwas tiefer, bis ihm das Wasser über den Mund und knapp unter die Nase ging. Ein wohliger Schauer lief ihm den Rücken runter und genüsslich schloss er die Augen. Von hinter der Tür konnte er Maye und Heinrich sich unterhalten und lachen hören und das Klappern, des Geschirrs verriet ihm, dass sie am aufräumen waren.

» Wieso vertraue ich ihnen nur so sehr « Friedrich öffnete wieder die Augen und schaute sich in dem kleinen Raum um. Außer der Art Badewanne gab es in diesem Raum nur noch einen Stuhl, auf dem Momentan Handtuch und Kleidung für ihn lagen und ein kleines Regal an der Wand, dass mit Waschlappen und zwei Stücken Seife gefüllt war. Es gab nur ein einziges Fenster, das den Blick auf eine riesige Grasfläche freigab und von zurückgebundenen, ausgeblichenen Vorhängen umrahmt war.

Als Friedrich fertig war mit waschen wickelte er sich das Handtuch um die Hüfte und begutachtete die Kleidung, die ihm Heinrich gegeben hatte. Das Hemd war in einem hellbraunen bis beigen Ton gehalten und wurde an der Brust zusammengebunden. Auch wenn es ihm wahrscheinlich zu groß sein würde, so fühlte es sich schön weich an und Friedrich konnte nicht anders als eine Backe daran zu reiben. Die Hose war dunkelbraun und schien von der Länge in Ordnung zu sein und die Socken waren aus Schafwolle selbst gestrickt worden. Friedrich war noch dabei die Klamotten zu bewundern, als er von draußen einen Tumult hörte und auf einmal die Tür aufgerissen wurde. Erschrocken zuckte er zusammen, aber hereingerannt kam nur Maye, die sich sofort hinter ihm versteckte. Verdutzt blickte er zu ihr und dann zu Tür, in der plötzlich Heinrich stand. „Ä-Ähm ich wollte nur…MAYE komm sofort daraus, dass ist unhöflich!!!“ und dann waren die Beiden wieder aus dem Zimmer und die Tür zu. Friedrich starrte ihnen verdutzt hinterher, bis ihm wieder einfiel, dass er sich ja noch nicht angezogen hatte. Puder rot schlüpfte er in die geliehenen Sachen und trat aus dem Zimmer.

Die viel zu langen Ärmel rutschten ihm immer wieder über die Hände und die noch nassen Haare fielen ihm ins Gesicht, zudem konnte er die Hose wegen seinem Schweif nicht richtig hochziehen und musste sie mit einer Hand festhalten. Schüchtern suchte er den Raum nach einem Lebenszeichen ab, aber er konnte weder Heinrich noch Maye entdecken. Plötzlich hörte er aber ein lautes Lachen, aus dem Nebenraum und darin fand er die beiden Geschwister mitten in einer Kissenschlacht auf einem großen, weich aussehenden Bett. Heinrich entdeckte ihn zuerst und bekam durch seine kurze Unaufmerksamkeit Maye’s Kissen mitten ins Gesicht. Von der Wucht umgehauen lag er laut lachend neben ihr auf dem Bett. „So May Zeit für dein Bad“ und damit hatte er schon die Arme um die Hüfte seiner kleinen Schwester geschlungen und stand mit dem wild zappelnden Bündel auf und trug sie lachend in Richtung Bad. „Du kannst ruhig machen was du willst, wir baden nur schnell und sind gleich wieder da“ Maye kreischte vor Lachen, als Heinrich sie weiter Richtung Wasser trug. Verdutzt stand Friedrich da, unsicher was er jetzt machen sollte. Beim umschauen entdeckte er ein kleines Buch auf dem Nachttisch und setzte sich damit ans Feuer in die Küche.

Willst du bleiben?

Das Buch stellte sich als ein Schulbuch heraus und war gefüllt mit kurzen Beispielsätzen und Geschichten. Nostalgie stieg in Friedrich auf, als er sich daran erinnerte, wie er das erste Mal so ein Buch in den Händen gehalten hatte und mit mehr oder weniger Erfolg der alten Dame daraus vorgelesen hatte. Er saß auf einem kleinen gewebten Teppich vor dem angezündeten Kamin und zu den Füßen des Schaukelstuhls in dem sie saß und strickte, während Schneeflocken gegen das Fenster stoben.

In Gedanken versunken starrte er auf die Seiten und genoss die Erinnerung an das Gefühl von Geborgenheit, als die Tür vom Bad wieder aufging und Maye mit nassen, offenen Haaren und einem frischen langärmligen, hellbraunen Kleid heraus gestolpert kam. „Ich hatte recht, er ist noch da~aaaaa“ und damit kam sie auf Friedrich zugestürmt und schaute über seinen Arm auf das Buch.

» Er ist noch da? Ich hätte gehen sollen. Verdammt wieso bin ich den geblieben? Bestimmt hatte er gehofft, dass ich gehe. « Verunsichert legte Friedrich das Buch auf den Küchentisch und stand auf. May schaute fragend zu ihm hoch, aber ehe sie fragen konnte, kam Heinrich aus dem Bad. Er hatte sich eine frische Hose angezogen und ein Handtuch über die nackten Schultern gelegt, mit dessen Ecke er seine Harre abrubbelte. Auf seinem Gesicht war wieder ein glückliches Lächeln zu sehen, als er Friedrich neben Maye entdeckte. „Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du abgehauen bist“ „Jaaa aber ich wusste, dass du bleiben würdest“ Maye grinste ihn glücklich an und klammerte sich an seinen Arm. Irgendwie kam dieses Gefühl sehr nahe, an das heran, dass er immer bei der alten Frau hatte. Vielleicht sollte er einfach mal Vertrauen haben und vielleicht gab es ja mehr so gute Menschen, wie sie.

Er sammelte seinen ganzen Mut und schaute mit einem schüchternen Lächelnd wieder zu Heinrich „ Ich bin Friedrich und danke, dass ihr mir geholfen habt“

Das Lachen, dass er dann sah ließ ihm den Atem stocken. Wie konnte man sich nur über so etwas einfaches so sehr freuen. Ihm wurde ganz warm und als dann auch der Griff um seinen Arm fester wurde und er Mayes glücklichen Ausdruck sah, wurde ihm noch wärmer vor Glück.

„Er könnte doch wenigstens über den Winter bei uns bleiben, oder? Oh bitte Heinrich. Bitteeeeee“ Mit einem dackelblick schaute Maye zu ihrem großen Bruder auf und drückte Friedrichs Arm noch näher an sich. Kurz überlegte er und als Friedrich schon höflich ablehnen wollte nickte er. „Eigentlich hat sie recht. Wenn du nicht weißt wohin kannst du gerne hier bleiben.“ Überrascht stockte ihm der Atem. Es wäre fantastisch, wenn das ginge. Er müsste nicht auf der Straße schlafen, sich verstecken und essen klauen, sondern könnte hier im warmen bleiben. Doch sie schienen nicht reich zu sein und ein hungriges Maul mehr kann im Winter schnell zu Problemen führen. „Hey es würde uns wirklich nichts ausmachen.“ Heinrich war auf ihn zu gekommen und schien seine Gedanken erraten zu haben. „Aber ich kann doch nicht einfach hier bleiben. Ich meine, habt ihr denn genug Vorräte dafür und..“ „Hey das geht schon und wenn du mir im Gegenzug bei der Ernte hilfst, reicht mir das vollkommen“ Wer konnte denn bei dem Lächeln und den Augen „Nein“ sagen. Ergeben nickte Friedrich und freute sich innerlich riesig über diese Möglichkeit. Bis zum nächsten Winter musste er sich jetzt keine Sorgen mehr um das erfrieren machen.

Das Hosen- und Schlafplatzproblem

Ein kleiner Rest Zweifel blieben Friedrich noch. Er hatte schon erlebt, wie nette Menschen, Familienmenschen, Menschen der Wissenschaft, ja sogar Priester, im nächsten Moment hinter ihm her waren und ihn aufspießen wollten. Die alte Lady war nett, aber schlussendlich wurde auch sie von ihren geliebten Enkeln ermordet. Vertrauen ist ein zweischneidiges Schwert und wenn man nicht aufpasst verletzt man sich auf mehrere Weisen. In Gedanken versunken zog Friedrich die Hose wieder etwas höher, da sie trotz festhalten immer wieder rutschte. Es war auch so schwer Kleidung für jemanden zu finden, der noch einen zusätzlichen Schwanz hatte.

„Ach ja die Hose“ Heinrich schlug sich einmal mit der flachen Hand gegen die Stirn und verschwand im Schlafzimmer, nur um kurz darauf mit einem Arm in einem frischen Pulli wieder rauszukommen und während dem anziehen zur Theke zu gehen. „Hier war es doch irgendwo…“ Eine Schublade nach der anderen wurde nach Nadel, Faden und Schere durchsucht. Als er bei der letzten angekommen war, stemmte er seufzen die Hände in die Hüfte und schaute sich verzweifelt um. „Schlafzimmer. Kommode. Oben links“ Maye grinste ihn frech an und streckte ihm einmal die Zunge raus. „Duuuuu“ Lachend verschwand Heinrich wieder im Nebenraum und kam mit dem nötigen Zeug wieder. Jetzt gab es nur noch ein Problem für Friedrich. Damit die Hose zurechtgeschnitten werden konnte musste er sie ausziehen und die Unterhose auch. „Tja eigentlich hätten wir das wohl machen sollen, bevor du gebadet hast“ Verlegen kratze sich Heinrich am Hinterkopf. „Ich geh einfach ins Bad und reich dann die Sachen raus. Ist es auch wirklich in Ordnung, wenn die Sachen zerschnitten werden?“ Er fühlte sich etwas unwohl dabei, dass er so viel von Fremden annehmen musste und ein Teil von ihm hoffte, dass seine alten Sachen noch im Bad lagen damit er nicht an den Raum gefesselt war falls das doch eine Falle sein sollte. „Nein nein, die Sachen sind mir sowieso schon zu klein und Maye, … naja bis dahin würden sie sowieso von Motten zerfressen werden“ „Und das würde ich sowieso nie anziehen“ Angewidert deutete sie auf die Klamotten und verschränkte schmollend die Arme vor dem Bauch. „Ich will ein wunderschönes Kleid, genauso wie Marias Cousine!“ Ergeben seufzte Heinrich „Siehst du? Keine Chance. Also geh ruhig“
 

Eine halbe Stunde später war alles erledigt und Friedrich kam mit einer passenden Hose wieder aus dem Bad. Fröhlich wackelte er mit dem Schweif und genoss das Gefühl von sauberer, passender Kleidung auf seinem Körper. Er war auch unendlich froh, dass seine Besorgnis zuvor unbegründet geblieben war. Maye war vor dem Kamin über ihrem Buch eingenickt und Heinrich begutachtete vom Küchentisch aus zufrieden seine Arbeit. „Na Gott sei Dank habe ich meiner Mutter ab und zu beim nähen zu gesehen“ Beide lachten kurz und dann setzte sich Friedrich Heinrich gegenüber, unsicher was er sagen sollte. Er konnte dem Blonden seine Neugier richtig ansehen und auch, dass er nicht fragte um nicht unhöflich zu sein. Allgemein schien er seine Gefühle immer offen zu zeigen. Friedrich hatte noch nie einen Menschen getroffen, der so viel lächelte und immer fröhlich zu sein schien.

„Wie alt bist du eigentlich?“ Heinrich schien sich wohl für eine Frage entschieden zu haben, die er für möglichst unpersönlich hielt. Friedrich rechnete ihm das hoch an, nicht jeder machte sich über sowas Gedanken. „16 und du?“ „19“ Und damit schwiegen sie wieder, unsicher was sie als nächstes Fragen sollten.

„Wo sind deine Eltern?“ Beide schreckten aus ihren Gedanken auf, als sich Maye meldete, die wieder aufgewacht war und nun mit neugierigem Blick im Schneidersitz mit dem Buch auf dem Schoß auf dem Stuhl saß. Das besondere an Kindern ist, dass sie nichts Schlimmes in Fragen sehen und deshalb nicht lange darüber nachdenken, ob man sie nun stellen sollte oder nicht. „Sie sind schon lange tot und eure?“ „Mama und Papa sind letztes Jahr in den Himmel gegangen“ Obwohl Maye’s Tonfall traurig war, lächelte sie bei dem Satz. Das bewunderte Friedrich an Religionen. Selbst in so traurigen Momenten gaben sie Menschen die Hoffnung, dass ihre Geliebten irgendwo glücklich waren.

Heinrich ging zu seiner Schwester, hob sie hoch und setzte sich mit ihr auf den Schoß wieder hin. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck kuschelte sie sich in die Armbeuge ihres großen Bruders und schloss die Augen. Lächelnd beobachtete Friedrich die niedliche Szene und rückte mit seinem Stuhl näher an das Feuer. „Wie wird eigentlich Mais geerntet?“ Diese Frage stellte er sich jetzt schon seitdem er zugestimmt hatte zu helfen. Er hatte zwar schon Maiskolben gegessen und Felder gesehen, aber noch nie bei der Ernte zu gesehen. „Im Grunde ist es ganz einfach. Erst werden die Halme mit der Sichel abgeschnitten und dann werden die Maiskolben entfernt und sicher verpackt. Die Blätter sind giftig, deswegen werden sie entfernt und auf den Kompost geschmissen um im nächsten Jahr als Dünger zu dienen, aber die Halme schmecken süß und wir füttern sie zum Teil an unsere Tiere und zum anderen Teil benutzen wir sie beim kochen und backen.“ Zweifelnd schaute Friedrich aus dem Fenster auf das riesige Feld. „Ist das nicht sehr viel Arbeit? Bis zum Winter ist es doch nicht mehr lange.“ „Naja ursprünglich wollte ich schon vor zwei Tagen anfangen, aber es kam immer etwas dazwischen. Normalerweise helfen auch immer Nachbarn und Familie, aber wir leben zu weit weg und jemanden dafür anzustellen können wir uns nicht leisten. Mit dir schaffen wir das aber bestimmt noch rechtzeitig“ Verunsichert besah sich Friedrich nochmal das Feld. Er bezweifelte wirklich, dass er eine gute Hilfe dabei war, aber er würde sein Bestes geben.
 

Den nicht mehr allzu langen Rest des Tages redeten sie noch über belanglose Dinge und legten alles für die Ernte am nächsten Morgen bereit. Gleich bei Sonnenaufgang wollten sie Anfangen, damit sie so weit wie Möglich kamen und diesmal wurde sogar Maye mit eingeplant, da jede vorhandene Hand gebraucht wurde.

Am Abend viel ihnen allerdings auf, dass sie vergessen hatten zu klären, wo Friedrich schlafen sollte. Er wollte zwar wieder auf den Heuschober, weil er von dort aus sehr gut fliehen konnte, aber Heinrich gefiel die Idee nicht ihn bei der Kälte draußen schlafen zu lassen und Maye bestand darauf, dass Friedrich bei ihnen im Bett schlafen sollte. Da Heinrich nichts anderes einfiel, wo es warm und bequem genug war, stimmte er seiner kleinen Schwester zu und Friedrichs Protest wurde einfach übergangen. Von der Mehrheit geschlagen lag er zum Schluss mit ihnen zu dritt im Bett. Maye lag zwischen ihnen und kuschelte sich zufrieden in die Wärme, während Heinrich einen Arm um sie gelegt hatte und sie schon am einschlafen waren. Friedrich lag auf dem Rücken und starrte im Dunkeln Richtung Decke, während er den Tag in Gedanken nochmal Revue passieren ließ. Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte er noch Angst, den Winter nicht zu überstehen und jetzt lag er mit zwei Fremden in einem warmen Bett und hatte die Aussicht auf ein wundervolles Winterquartier. Trotzdem viel es ihm schwer einzuschlafen, da er immer noch der Situation misstraute. » Was wenn sie…« Er schüttelte leicht den Kopf und schaute zu Maye und Heinrich, deren schlafenden Gesichtszüge durch das aschfahle Mondlicht zu erahnen waren. Wie konnten sie ihm nur einfach so Vertrauen? Er könnte sie einfach so im Schlaf umbringen und den Winter mit dem Mais auf dem Feld und ihren Vorräten überleben. Nicht, dass er so etwas Grauenvolles jemals machen würde, aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Beiden nicht die geringsten bedenken ihm gegenüber hatten. Vielleicht sollte er ihnen auch einfach blind vertrauen? Aber Vertrauen kann gefährlich sein. Langsam bekam er von den sich ständig im Kreis drehenden Gedanken Kopfschmerzen und ihm vielen vor Müdigkeit immer wieder die Augen zu, bis er einfach eingeschlafen war.

Im Dunkeln öffneten sich zwei blaue Augen und schauten zu dem endlich schlafenden Friedrich rüber. Ein Lächeln breitete sich über Heinrichs Gesicht aus und er schloss die Augen wieder um auch endlich ins Land der Träume zu gleiten.

Mais ernten ist nicht schwer...

Der Morgen fing mit warmen Sonnenstrahlen an, die durch das Fenster drangen und die feinen Staubkörner wie fallende Sterne aussehen ließ. Der klare blaue Himmel versprach wundervolles Wetter für die Ernte und wenn es so blieb könnten sie bis heute Abend die Hälfte schaffen. Müde schloss Heinrich wieder die Augen und drehte sich auf die Seite, wo er sich wieder an Maye kuschelte, die neben ihm ruhig schlief und ohne einen Muskel zu bewegen kicherte. » Moment! Das Kichern kommt von der anderen Seite « Überrascht schlug er die Augen auf und sah auf einen schwarzen Haarschopf mit vier kleinen Hörnern. Heinrichs Gehirn war noch im schlummerzustand und so blinzelte er ein paar Mal verwundert, bis ihn die Erkenntnis traf. Friedrich! Der Drachenjunge den Maye gestern auf dem Heuschober gefunden hatte und dem er erlaubt hatte über den Winter zu bleiben. Wieso lag er in seinen Armen und wo war eigentlich seine kleine Schwester? Vorsichtig, um den Jungen nicht zu wecken, drehte er seinen Oberkörper in die Richtung wo zuvor das Kichern herkam. Maye stand grinsend vor dem Bett und wippte auf ihren Fußballen hin und her. „Na auch schon aufgewacht du Schlafmütze?“ „Pah du musst gerade reden. Wen bekomm ich denn sonntags nie aus dem Bett, hä?“ Leise lachend kletterte seine kleine Schwester auf das Bett, kniete sich hinter ihn und stützte sich mit ihren Ellenbogen auf seiner Seite ab, was er mit einem schmerzhaften „Uff, Maye du bist schwer“ quittierte. Heinrich wurde aber eiskalt ignoriert, da Maye zu beschäftigt war in Friedrichs, noch schlafendes Gesicht zu schauen. „Ist er nicht süß? Wenn ich groß bin heirate ich ihn!“ Die trotzige Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme ließ Heinrich kichern. Das hatte sie schon so oft gesagt! Zuletzt zum Bäckersjungen, der ihr ein Brötchen geschenkt hatte. „Lach nicht. Wenn ich ihn nicht bekomme musst du ihn heiraten!“ Jetzt konnte er nicht mehr an sich halten und lachte laut los, entließ Friedrich aus der Umarmung und hob Maye von sich runter um sie durch zu kitzeln. Plötzlich senkte sich das Bett neben ihnen und ein geschockter, aufrecht sitzender Friedrich starrte sie aus noch verschlafenen Augen verwirrt an, was die Beiden noch mehr zum Lachen brachte, da seine Haare total verwuschelt waren und in alle Richtungen abstanden. Auch er schien ein paar Sekunden zu brauchen, um sich an die gestrigen Geschehnisse zu erinnern, aber dann nahm sein Gesichtsausdruck erleichterte Züge an und er fuhr sich einmal mit der Hand durch die wirren Haare. „Na gut geschlafen? Ihr habt ganz schön viel geknu…..“ Maye wurde im Satz unterbrochen, weil Heinrich sie schnell hochhob und auf den Fußboden stellte. „Wir sollten besser aufstehen, sonst fangen wir ja nie mit der Ernte an“ und damit schleifte er seine kleine Schwester aus dem Zimmer ehe sie noch ein Wort sagen konnte und ließ einen verwirrt schauenden Friedrich zurück.
 

Eine halbe Stunde später saßen sie zu dritt am Esstisch und frühstückten schweigend. Friedrich wusste nicht was er sagen sollte, Maye wurde von Heinrich der Mund verboten und der selbige hoffte, dass seine kleine Schwester auch bloß nicht wieder von der Szene am Morgen anfing. Er wollte ja nicht, dass sein Gast sonst etwas von ihm dachte. Nachdem sie alle fertig waren erklärte er noch schnell den Plan für heute. „Also Friedrich und ich schneiden die Halme ab und bringen sie zu dir auf den Hof Maye und du musst dann nur die Maiskolben abbrechen und in den Wagen legen.“ Beide nickten brav und dann ging es an die Arbeit. Heinrich gab dem Drachenjungen eine Sense und zeigte ihm wie man sie schwingen musste, damit nicht zu viel von den Halmen übrig blieb und sie auch in die richtige Richtung vielen. Nur leider hatte er nicht damit gerechnet, wie ungeschickt Friedrich sich anstellen würde: Nach nur einer viertel Stunde hatte er es geschafft sich fast dreimal den Schwanz abzuschneiden und Heinrich hätte fast einen Zeh verloren, wenn seine Reflexe nicht so gut wären. Das einzige was überlebte waren die Halme! Die blieben seltsamerweise unversehrt. Ungläubig griff er sich an den Kopf. Wie konnte etwas so besonderes wie ein Drache nur so … so… tollpatschig sein? „OK ich glaube wir ändern den Plan lieber“ Sanft nahm er dem vor Scham puder roten Friedrich die Sense ab und war einen rügenden Blick zu Maye, die an ihrem Lachen schon fast erstickte. „Ähm, … also am besten machen wir es so: Ich schneide die Halme ab und du, Friedrich, trägst sie auf den Hof und hilfst dort Maye die Kolben zu entfernen.“ Beschämt nickte der Angesprochene und trat ein paar Schritte zurück um aus der Reichweite von Heinrichs Sense zu sein. „Hey nimm es nicht so schwer! Als ich die Sense das erste Mal benutzt habe sah das Feld aus, als wäre eine Armee drüber gelaufen. Alles schief und krumm und teilweise sah es aus wie abgebrochen und nicht geschnitten“ „Aber wenigstens hattest du die Halme getroffen und dich nicht mehrmals fast selbst verstümmelt.“ Auf diese genuschelten Worte viel ihm auch keine Antwort mehr ein, also machten sie mit einem letzten mitleidigen Blick Richtung Friedrich still schweigend an die Arbeit.
 

Tatsächlich kamen sie erstaunlich schnell voran und nachdem das peinliche Schweigen gebrochen war, scherzten sie den Rest des Vormittags miteinander. Besonders Maye hatte Spaß, weil sie Friedrich so viel sie wollte mit den kleinen Haaren an den Kolben ärgern und kitzeln konnte, ohne dass er sich groß wehrte. Heinrich beobachtete das eine Zeit lang aus dem Augenwinkel, bis er entschied, den armen Kerl vor seiner Schwester zu retten. Er lehnte die Sense an einen der großen Maishalme an, nahm einen Stapel von den abgeschnittenen und ging zu den beiden. Maye saß mittlerweile auf Friedrichs Bauch und kitzelte ihn mit einem Blatt am Bauchnabel. Sie hatte sichtlich ihre Freude daran ihn zu ärgern und strampelte wild, als Heinrich sie einfach von ihrem Opfer hochhob. „Lass ihn doch auch mal zu Luft kommen.“ Japsend richtete sich Friedrich auf und hielt sich die schmerzende Seite, während er dankbar zu ihm hoch sah. „Da….nke“ Grinsend setzte Heinrich seine kleine Schwester ab und half seinem Gast beim aufstehen. „Du musst ihr schon deutlich sagen, wenn du etwas nicht willst und auch wenn sie so klein ist, ist sie nicht aus Zucker, also schieb sie auch ruhig mal weg.“ „Ich … wollte sie nicht verletzten“ Wie Friedrich verlegen auf den Boden sah und sich am Kopf kratze. Über den putzigen Anblick lachend tätschelte er kurz den Kopf seines Gegenübers und ging mit der Anmerkung „So tollpatschig wie du bist, verletzt du dich bei dem Versuch eher selber“ wieder an die Arbeit. Zurück blieben ein schmollender Friedrich und eine kleine Maye, die schon die nächste Attacke auf ihr wehrloses Opfer plante.
 

Gegen Abend waren sie alle Hungrig, Müde und Kaputt von der Arbeit. Sogar May setzte sich nur noch auf einen Küchenstuhl, verschränkte die Arme auf dem Tisch und döste vor sich hin. Friedrich war völlig am Ende von der ganzen Kitzel-Folterung und wäre am liebsten nur noch ins Bett gefallen und eingeschlafen, aber am fertigsten war Heinrich, der nach dem drei viertel Feld kaum noch die Arme heben konnte. Allerdings hatten sie alle knurrende Mägen und irgendwer musste kochen. Gerade als Heinrich sich aufraffen wollte stand Friedrich auf. „Ich kann zwar mit keiner Sense umgehen, aber wenigstens etwas kochen kann ich.“ Er wollte schon protestieren, aber wenn er ehrlich war, hatte er nicht einmal dafür mehr genug Kraft. Heinrich nickte einfach nur dankbar und legte dann seinen Kopf auf die Tischplatte und schlief prompt ein.
 

„Hey aufwachen“ etwas rüttelte an seiner Schulter. Murrend zuckte er mit dieser und vergrub seinen Kopf noch tiefer in den Armen. „Heinrich das Essen ist fertig. Selbst Maye isst schon“ Er gähnte einmal ausgiebig und streckte seine Arme über den Tisch, was seine Knochen mies knacken lies. Morgen würde er einen üblen Muskelkater haben, aber das Feld war ja schon fast durch. Langsam hob er den Kopf und zog den leckeren Geruch von gebratenem Gemüse und Reis ein. Eigentlich wollte er den Reis noch ein bisschen aufheben, aber wenn er ehrlich war brauchte er jetzt dringend die Nährstoffe von ihm. Müde blinzelte Heinrich ein paar Mal, setzte sich anständig hin und nahm dankbar den vollen Teller von Friedrich an. Das Essen schmeckte einfach unglaublich und weckte wieder ein paar seiner Lebensgeister. Auch Maye schien es zu schmecken und so beschloss er, dass Friedrich ab sofort öfter kochen werden muss. Dieser ahnte noch nichts von dem Beschluss seines Gastgebers und saß einfach still vor sich hin lächelnd und zufrieden essend am Tisch.

Heinrich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Friedrich immer wieder Haarsträhnen in sein Abendbrot vielen und er diese genervt wieder hinter sein Ohr strich, was aber auch nicht viel brachte, da sie sich gleich wieder lösten.

„Soll ich dir eins meiner Haarbänder leihen“ Ein verwirrter Blick traf ihn und dann schüttelte der Angesprochene seinen Kopf. „Nein schon OK. Ich werde mir später einfach die Schere leihen und sie wieder kurz schneiden.“ „NEEEEEEIIIIIN!! Ich mag deine langen Haare!“ Maye war von ihrem Stuhl aufgesprungen um ihren Protest noch zu unterstreichen. Heinrich musste seiner kleinen Schwester recht geben. Er mochte die langen Haare, aber sie waren deutlich zu unpraktisch und am Morgen hatte er sehen können, dass die Spitzen schon ausfransten. „Ich muss ihm leider Recht geben Maye. Die Haare sind kaputt und müssen ab.“ Den verwunderten Blick von Friedrich überging er einfach, genauso wie das Schmollen seiner kleinen Schwester, die sich wieder hingesetzt hatte, deutlich zu Müde für weitere Proteste und stand einfach auf um die Schere zu holen. Als er hinter dem Schwarzhaarigen stand wollte dieser schon nach der Schere greifen, aber er zog sie schnell aus seiner Reichweite. „Alleine kannst du sie dir niemals richtig gerade abschneiden, also übernehme ich das jetzt und keine Widerrede!“ Anscheinend hatte Friedrich eingesehen, dass er Recht hatte, denn er schluckte seinen angefangenen Satz runter und blieb einfach still sitzen und ließ sich von ihm die Haare schneiden. Innerlich freute sich Heinrich riesig über das Vertrauen, dass ihm entgegen gebracht wurde, weil nicht jeder jemanden, den er erst seit zwei Tagen kannte, mit einer Schere an seinem Kopf rumfuchteln lassen würde. Nach fünfzehn Minuten war er fertig und begutachtete zufrieden sein Werk. Friedrichs Haare waren jetzt Kinn lang und in leichte Stufen Geschnitten. Auch sein Pony war wieder am rechten Fleck. Es hatte sich endlich ausgezahlt, dass er bei solchen Dingen seiner Mutter immer zugesehen hatte. „Na Maye? Was denkst du? Sieht doch klasse aus“ Seine kleine Schwester verzog schmollend den Mund und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Ich mochte seine langen Haare lieber. Ich hätte ihm Zöpfchen rein binden können.“ Beide seufzten resigniert und grinsten sich dann an. Maye war wirklich eine kleine, liebevolle Nervensäge.

Böse Träume

Keuchend rannte er durch den Wald. Äste und Zweige rissen an seinen Klamotten und hinterließen kleinere und größere Kratzer auf seiner Haut. Blut tropfte aus den Wunden und ließen seine ramponierte Kleidung klebrig werden. Panisch warf er immer wieder Blicke über seine Schulter, aber durch das Geäst konnte er niemanden sehen. Trotzdem wusste er, dass seine Verfolger nah waren. Er konnte sie hören.

Das wütende Gebrüll.

Das Bellen der Jagdhunde.

Die schweren Stiefel.

Das Klappern der Waffen.

Mit jedem Schritt kam er dem Ende seiner Kräfte näher. Seine Lunge brannte höllisch und jeder Atemzug ließ seine Brust schmerzhaft zusammenziehen. Sein Mund war ausgetrocknet, seine Wangen zerkratzt und seine nackten Füße schmerzten vom unebenen Boden. Tränen stiegen ihm in die Augen, aber er zwang sich immer weiter zu laufen. Seine Schritte wurden wackeliger … langsamer … unaufmerksamer und dann stolperte er. Über was konnte er nicht sagen. Sein Kopf war vom rauschen seines Blutes erfüllt und den Rufen seiner Verfolger und langsam, wie in Zeitlupe, kam der Waldboden auf ihn zu. Er sah den großen Stein und dann … wachte Friedrich auf.
 

Schweißgebadet und zitternd lag er am Rand des Bettes. Einen Arm so fest auf die Augen gedrückt, dass er Sterne tanzen sah und die andere an die Brust gepresst, darum bemüht seinen Atem wieder zu verlangsamen. Sein Herz raste und schlug so heftig gegen seine Rippen, dass er glaubte es würde ihm diese brechen. Plötzlich spürte er eine Hand, die ihm sanft über den Kopf strich. „Ganz ruhig. Es war nur ein Traum“

Nachdem er kurz zusammengezuckt war nahm er den Arm vom Gesicht, drehte seinen Kopf leicht und machte in der Dunkelheit die zwei blauen Augen von Heinrich aus. Dieser hatte um ihn zu trösten seinen Arm über den Kopf der schlafenden Maye ausgestreckt und seine Hand auf die freie Stelle zwischen seinen Hörnern gelegt. Das fahle Mondlicht ermöglichte Friedrich das tröstende Lächeln seines Gegenübers zu erahnen und er schloss beruhigt für einen kurzen Moment die Augen. Sein Herzschlag hatte sich fast wieder beruhigt und auch seine Atmung war wieder normaler.

„Kein Traum. Erinnerungen“ nur sehr leise und mehr zu sich selbst gesprochen kamen diese Wörter über seine Lippen geflüstert und doch schien Heinrich ihn verstanden zu haben, denn als er die Augen wieder öffnete schien er Verständnis in den blauen Augen zu sehen. „Das Beste an schlimmen Erinnerungen ist, das sie Vergangenheit sind.“ Ein trauriges Lächeln zuckte über seine Lippen. „Was nicht heißt, dass es nicht wieder geschehen kann.“ „Mag sein, aber egal was es war, wir sorgen dafür, dass es nicht wieder passieren wird. Versprochen.“ Damit wuschelte ihm Heinrich noch einmal über den Kopf bevor ihm seine Augen wieder vor Erschöpfung zu vielen. Friedrich sah in das schlafende Gesicht Heinrichs und bewunderte ihn dafür, dass er trotz einem so harten Arbeitstages noch die Kraft hatte jemanden nach einem Albtraum mitten in der Nacht zu trösten. Er wünschte sich nichts sehnlichster, dass es so einfach war wie es in seinen Worten klang, aber er wusste, dass sein Traum früher oder später wieder wahr werden würde und dass die Beiden ihm dann nicht helfen konnten und vielleicht sogar nicht wollten. Für diesen Moment wollte er aber einfach nur noch Glauben und so schloss auch er wieder die Augen und konzertierte sich auf die Wärme, die die Hand auf seinem Kopf ausstrahlte und auf das gleichmäßige Atmen der beiden Geschwister neben ihm. Langsam glitt er wieder in den Schlaf, aber diesmal blieb er von Träumen jeglicher Art verschont.

Gehen?

An diesem Morgen ging alles ganz schnell und noch bevor die Sonne am höchsten stand, war auch der letzte Rest geerntet und der bespannte Wagen bis oben gefüllt mit Maiskolben. Zwei Säcke lehnten an der Hauswand, die als Wintervorrat gedacht waren und Friedrich versuchte sie in die Küche zu bekommen, damit er am Herd die Maiskörner abtrennen konnte. Allerdings stellte sich das schwerer raus als gedacht. Erst versuchte er einen Sack hochzuheben und scheiterte, dann versuchte er ihn zu ziehen, aber auch das schaffte er nicht. Stattdessen rutschte er gefährlich auf ihn zu und Friedrich konnte gerade noch zur Seite hüpfen bevor das Gewicht auf seinen Zehen landen konnte. Genervt zuckte er mit der Schwanzspitze und knurrte einmal frustriert, als er hinter sich das Lachen von Maye hörte. Diese war schon auf ihren Hintern geplumpst und hielt sich den Bauch, während sie nach Luft schnappte. Von dem Lärm angezogen kam nun auch Heinrich um die Ecke und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, bevor er sich erbarmte und zu dem Schmollenden hinging. „Ich trag schnell die Säcke für dich rein und Maye: Geh dich umziehen in fünf Minuten fahren wir los“ Zu Friedrichs erstaunen warf sich Heinrich den schweren Sack über die Schulter, als wäre er mit Federn gefüllt und machte sich damit auf den Weg in die Küche. „Und du bist sicher, dass du hier bleiben willst? Mit einem Hut und einer weiteren Hose würde es niemand merken und auf dem Markt achtet sowieso niemand auf den Anderen.“ Friedrich hielt ihm die Haustür auf und schüttelte den Kopf. „Nein Danke. Menschenmassen sind nicht wirklich so meins“ Er verzog das Gesicht und erntete dafür einen verständnisvollen Blick seitens Heinrich. „Ist in Ordnung. Wir sind heute Abend wieder da und vielleicht bekommen wir auch ein Stückchen Fleisch für das Essen.“ Mit einem Lächeln ließ er die Last vor dem angezündeten Kamin fallen und ging den nächsten holen, während Friedrich sich schon mal an die Arbeit machte. Maye kam aus dem Bad und hatte ein frisches dunkelbraunes Kleid an und eine beige Schürze um den Bauch gebunden. Mit einem Tuch in den Amen kam sie auf Friedrich zu und hielt es ihm unter die Nase. „Kannst du mir das um den Hals binden?“ Verwundert schaute er erst auf das schöne, bunt bestickte Tuch und dann zu Maye. „Wie umbinden?“ „Na umbinden eben!“ Friedrich war wirklich verwirrt. Wieso sollte man sich denn ein Stück Stoff um den Hals binden. Zu seinem Glück kam in diesem Moment Heinrich zurück und stellte den zweiten Sack neben ihn. Ein Blick und er schien zu wissen was Maye wollte, denn er wischte kurz seine Hände am Hemd am und nahm ihr dann das Tuch aus den Händen. Friedrich beobachtete ganz genau, wie er das selbige auf dem Tisch zu einem Dreieck faltete und dann um Mayes Schultern legte, sodass er es an den dünnen Spitzen vor ihrem Hals zusammenbinden konnte. Glücklich strahlte Maye und wollte schon ihren Bruder umarmen, aber mit einem „Dein Hemd ist mir zu schmutzig“ wirbelte sie herum und kletterte auf Friedrichs Schoß. Dieser schaute nur verwirrt und beobachtete aus dem Augenwinkel wie Heinrich im Schlafzimmer verschwand um sich umzuziehen. „Duuuuuu?“ Friedrich schaute zu Maye runter, die ihn aus großen blauen Augen beobachtete. „Ich hab dich lieb“ und damit schlang ihre Arme um seinen Bauch und knuddelte sie sich noch mehr an ihn. Friedrich kam diese ganze Szene so paradox vor. Er kannte die Beiden nicht einmal eine Woche und doch kümmerten sie sich um ihn, als wäre er ein Familienmitglied. Noch nie hat ihn jemand nach einem Albtraum getröstete, oder ihm gar gesagt dass er ihn lieb habe und auf einmal gab es hier gleich zwei von ihnen. Mit einem warmen Gefühl im Bauch legte auch er seine Arme um Maye und schloss die Augen. „Ich dich auch“

Heinrich stand in der Schlafzimmertür und freute sich innerlich riesig, dass Maye mit ihrer Menschenkenntnis auch bei Drachen recht hatte und dass Friedrich immer mehr aufzutauen schien. Leider mussten sie jetzt wirklich los, wenn sie noch rechtzeitig in der Stadt sein wollten. „Also entweder ich darf mit knuddeln, oder wir müssen jetzt los“ Grinsend beobachtete er wie Friedrich auf dem Stuhl halb herumwirbelte und Maye gerade noch festhalten konnte, bevor sie quietschend vom Schoß fallen konnte. Diese Kicherte wie verrückt und hüpfte von alleine auf den Boden und auf ihren Bruder zu, während Friedrich noch versuchte den Schock zu überwinden.

Heinrich hob seine kleine Schwester hoch und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Backe. „Wir fahren jetzt. Du kommst alleine klar?“ Friedrich nickte nur. „Dann ist ja gut und fackel unser Haus nicht ab.“ Über das geschockten Blick seinen Gegenübers konnte er nur lachen und mit einem Zwinker zu ihm machte er sich mit Maye auf den Weg.

Friedrich konnte hören, wie die Pferde den Wagen vom Hof zogen und auf den Schotterweg einbogen. Nach einiger Zeit war es still um ihn herum. Seufzend schaute er sich einmal in der Stube um und überlegte. Eigentlich wollte er ja die Chance nutzen und abhauen, aber … er konnte nicht. Wie auch? Immerhin waren die Maiskörner noch an den Kolben und er könnte als Dankeschön für alles wenigstens das für die Beiden machen. Außerdem dauert es bestimmt bis sie mit dem Wagen in der Stadt sind und Wachen gefunden haben, die ihnen Glauben und Folgen. Dass das eine faule Ausrede war um zu bleiben konnte er sich einfach nicht eingestehen, also machte er sich an die Arbeit. Stunden vergingen und niemand kam. Er lauschte aber nicht einmal ein Fußgänger war dem Haus zu nahe gekommen nur das Geräusch von fallenden Körnern und knacken wenn er sie abbrach erfüllten das Haus.

Als er mit den zwei Säcken fertig war wurde es schon langsam Dämmrig. Friedrich schnürte sie zu und sah aus dem Fenster. Niemand kam. Also hatten sie vielleicht doch niemanden geholt. Verunsichert verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Er wollte nicht gehen und es sah doch gut aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nur in der Stadt waren um den Mais zu verkaufen war doch groß. Er würde bleiben! Aber nur versteckt. Die nächste Zeit suchte er verzweifelt einen Ort, an dem er nicht gefunden werden würde und von dem er sehen konnte, wer zurück kam. Ein anderer Raum war zu offensichtlich, genauso wie Schränke und Theken. Mehr gab es aber auch nicht. Als er schon aufgeben wollte viel sein Blick auf einen der zwei Holzbalken im Zimmer. Diese gingen bis zur Decke und oben gab es ein paar quer liegende, wenn er sich auf einen dieser setzten würde und dann noch hinter einen senkrechten versteckte, würde man ihn nur schwer entdecken können. Geschickt kletterte er die geringe Höhe hoch und hangelte sich zu einem guten Platz von dem aus er die Tür im Blick hatte. Zum Glück hatte er Übung von den Bäumen im Wald und so blieb er da sitzen. Die Anspannung, Neugierde und Hoffnung ließen ihn nervös werden und am liebsten wäre er hin und her gelaufen, aber dafür war nicht genug Platz, also fing er an kleine Muster ins Holz zu kratzen. Die Zeit verging quälend langsam und immer öfter vielen ihm die Augen zu. Die kurzen Nacht, die harte Arbeit der letzten Tage. Friedrich konnte sich kaum noch wach halten und ehe er sich versah war er eingenickt.
 

Maye’s Stimme kam zuerst näher und mit einem lauten Schlag flog die Tür auf und sie stürmte mit einem Päckchen im Arm rein. „Ich hab dir was mitgebra…Friedrich?“ Ihr Blick wechselte von freudig zu verwundert und sie rannte einmal durch alle Räume, bis sie wieder in der Tür stand. Hinter ihr kam nun auch Heinrich und schaute sich suchen um, aber im Gegensatz zu seiner Schwester schien er sofort zu verstehen. Mit einem traurigen Blick ging er in die Hocke und zog Maye an sich. „Wo ist er denn?“ Fragend schaute sie über ihre Schulter ihren Bruder an. Als keine Antwort kam wand sie sich aus seinen Armen und ließ das Päckchen fallen. „Ich will wissen wo er ist?“ Trotzig und mit Tränen in den Augen verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und sah zu ihrem Bruder runter. „Naja...er“ Heinrich wusste nicht was er ihr sagen sollte. Er war selber traurig, weil er einen Narren an dem kleinen Schussel gefressen hatte, aber seine kleine Schwester würde das viel härter treffen, da es sie bestimmt an den Tod ihrer Eltern erinnern würde. Nervös kratzte er an seinem und überlegte fieberhaft was er sagen sollte. „ICH WILL WISSEN WO FRIEDRICH IST!“

Dieser wurde von Mayes Geschrei geweckt und zuckte heftig zusammen. Blöderweise gab es nicht viel Platz auf dem dünnen Balken und so rutschte er zur Seite ab und viel nach unten. Mit einem lauten Schlag landete er auf dem Küchentisch und stöhnte vor Schmerzen. Heinrich und Maye sahen ihn an als wäre er ein Geist. Wahrscheinlich sah man auch nicht täglich einen Drachen von der Decke fallen. Mühsam rollte er sich von der Tischplatte und stellte sich hin, als auch schon eine schniefende Maye an ihm klebte. „Ich dachte schon du wärst weg.“ Erst jetzt sickerte wieder langsam sein Gedächtnis wieso er überhaupt dort oben war und leicht panisch sah er sich um, aber da waren keine wütenden Dorfbewohner und von draußen konnte er auch niemanden hören. Also hatten sie niemand geholt. Glücklich lächelnd drückte er Maye kurz an sich und sah dann zu Heinrich, der sich auch wieder hingestellt hatte und erleichtert zu ihnen herüber sah. „Ich bin froh, dass du nicht gegangen bist.“



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