Falkenzauber von Blauer_Lapis ================================================================================ Kapitel 1: Falkenzauber ----------------------- Es war eine laue Sommernacht, als sich Nybar sein Schicksal eröffnen sollte. Die Winde wehten sanft durch den Wald, säuselten liebreizende Worte von Legenden aus früherer Zeit. Die Bewohner von Niwamba hatten darauf gewartet und hatten sich versammelt. Nybar stand auf der Lichtung nahe des Dorfes, zusammen mit drei anderen jungen Männern, die alle das gleiche Schicksal teilten. Die Dorfbewohner standen um sie herum und warteten gespannt. Worauf sie hofften … auf den Zauber des Falken. Ein jeder Mann, der das Alter von 20 Wintern überschritten hatte erfuhr diese Magie in der Mitsommer-Nacht. Es floss durch sie hindurch und erweckte den Falken in einem jeden von ihnen. Ein Schrei ertönte und riss die Männer aus ihrer scheinbaren Trance. Über ihnen kreiste ein Wanderfalke, erhaben in seiner Gestalt und bedachte jeden der vier Jungen mit einem wissenden Blick. Dann spürte Nybar ein Kribbeln, was von den Füßen aufwärts stieg bis in seinen Kopf. Es war kalt und unangenehm, am liebsten hätte er geschrien. Doch als es unerträglich zu werden schien, wurde es schlagartig heiß und erfüllte seinen Körper mit einer angenehmen Wärme, die sonst nur die Sonne abgab. Plötzlich merkte er, dass sich alles um ihn herum drehte, der Körper veränderte sich. Mit scheinbar gestärkten Augen sah er sich um und anstatt drei Männer an seiner Seite zu sehen, saßen da drei Wanderfalken auf dem Boden und sahen sich ebenfalls um. “Es ist an der Zeit, das der Wind euch die Freiheit lehrt”, sagte der Dorfälteste und zeigte gen Himmel, wo der Falke von vorhin noch immer schwebte. Gut, konzentrier dich darauf, die Flügel zu bewegen und abzuheben, dachte Nybar und breitete sie zu voller Spannweite aus. Der Mann versuchte sich an die neue Gestalt zu gewöhnen, sie kennenzulernen und jede einzelne Feder zu spüren. Als er sich dann sicher war, fing er an die Flügel langsam auf und ab zu bewegen, dann immer stärker und dann sprang er in die Luft und hielt es nicht für möglich. Tatsächlich schwebte er nun über dem Erboden, der Falkenzauber hatte auch ihn erreicht. “Gut, gut. Fliegt hoch, erkundet den Himmel. Um euch an die Falkengestalt zu gewöhnen werdet ihr nun bis zur Morgenstunde als dieses Tier unterwegs sein”, erklärte der alte Mann, doch Nybar hörte nur noch halbherzig hin. Vom Fliegen hatte er schon immer geträumt, wie es sein könnte. Allerdings musste er zugeben, das die Träume kein Vergleich zum wahren Fliegen waren. Mit starken Flügelschlägen stieg er höher, vorbei an den Stämmen der Bäume und an den Baumkronen und hinauf in den Himmel, wo das Leuchten der Sterne scheinbar noch stärker war. Der Falke von vorhin flog neben ihm, umkreiste ihn und animierte den Gestaltwandler zum Spielen und zum Austesten der Fähigkeit. Nybar versuchte ein paar kleine Loopings, stürzte sich hinab und wunderte sich darüber, dass es ihm so leicht fiel, die Flügel zu benutzen und den Wind in ihnen zu spüren. Es war ein unglaubliches Gefühl, irgendwie vertraut und doch ganz fremd. Seine Gefährten waren inzwischen auch in der Luft, sie umkreisten sich einander, glitten mit dem Wind in andere Richtung und ließen sich von Böen tragen wie Mütter es mit ihren Babys taten. Und genau so fühlte es sich an, dachte Nybar. Er und seine Freunde waren die Babys und der Wind die schützende Hand der Mutter, die ihnen lehrte wie sie ihren Körper nutzen sollten. Der Falke unter ihnen, der kein Wandler war, flog um sie herum und achtete darauf, was die neuen Greifvögel am Himmel taten. Getragen vom Wind flogen die Falken über den Wald und hinaus auf die freie Flächen. Sie folgten ihrem tierischen Freund, der ihnen ein paar Dinge beibringen wollte. Für diese Wesen waren Gestaltwandler weitere Spielgefährten, denen sie den Sinn des Lebens beibringen konnten. Die Tiere spürten den Zauber und wussten, was die anderen waren, doch für sie war es scheinbar das normalste der Welt ihren neuen Tierfreunden zu helfen. Er stürzte sich in die Tiefe, dem Boden immer näher und Nybar dachte schon, dass er jeden Moment auf der Wiese aufschlagen würde, doch kurz vorher veränderte er seine Lage und streifte lediglich mit seinen Schwanzfedern die Grashalme, bevor er sich wieder in die Lüfte erhob. Mit abwartenden Blick sah er zu den Gestaltwandlern, sie sollten es ihm nachmachen. Ich werde mir sämtliche Knochen brechen, dachte Nybar, doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Hör auf wie ein Mensch zu denken, fluchte er und versuchte den Kopf frei zu machen. Aber auch seine Gefährten schienen sich nicht sicher zu sein. Einer musste sich trauen, den Anfang machen. Ohne weiter darüber nachzudenken ließ Nybar sich fallen, hinab in die Tiefe. Durch seine geschärften Vogelaugen konnte er die Gräser der Wiese schon sehen und spürte, wie nah er ihnen kam. An seiner rechte Flügelspitze spürte er ein paar Federn vibrieren, im Wind zittern. Er ließ sich von seinem Bauchgefühl leiten und schwenkte nach rechts. Ein Windzug erfasste ihn und Nybar spürte, wie etwas gegen seinen Bauch drückte. Durch eine Veränderung der Flügelfedern wurde der Druck leichter und der Falke stieg in den Himmel empor, bis er bei dem anderen anlangte und dieser ihn mit seinen Augen fixierte, als wollte er sagen, dass er es gut gemacht hatte. Während die zwei Falken im Schwebflug in der Luft lagen, sahen sie den anderen Gestaltwandler bei ihrem Geschick zu. Einer von ihnen traute sich nicht, sich komplett fallen zu lassen und zog sich schon viel früher nach oben. Beim zweiten sah es ganz gut aus, doch der dritte schien die Kontrolle über die Flügel zu verlieren, als ihn eine Windböe erfasste und ihn in eine andere Himmelsrichtung katapultierte. Nybars Herz setzte kurzzeitig aus und er stürzte wieder ohne darüber nachzudenken in die Tiefe und flog in der Nähe seines Freundes. Um seine Aufmerksamkeit zu bekommen stieß er einen Schrei aus. Ängstliche Augen sahen ihn kurz an, bevor der Wind den kleinen Körper weiter herumwirbelte. Mach es einfach, sonst bringt ihm der Wind den Tod, dachte Nybar und flog auf den Falken zu. Die Böe erfasste ihn auch, aber er ließ seine Flügel steif und gelangte unter den Körper des anderen. Er nutzte den Wind und stieß sich leicht nach oben, um den Gefährten in eine gerade Position zu bringen. Tatsächlich funktionierte es und der Gestaltwandler konnte den Wind zwischen seinen Federn wieder kontrollieren und sich hoch ziehen lassen, Nybar tat es ihm gleich. Ein dankbarer Blick streifte den Mann und er stieß kurz einen sanften Schrei aus. Der echte Falke flog auf sie zu, streifte beide mit einem Blick und flog weiter, bedacht darauf, dass die Gestaltwandler ihm folgten. Der Wind konnte also auch unberechenbar sein, man musste aufpassen, wie stark man seine Federn von ihm streifen ließ und wie weit man sich in eine Böe legen kann, ohne dass sie einen gleich erfasst. Doch Nybar hatte das Gefühl, dass sich langsam sein Körper an das Vogeldasein gewöhnte. Sein Kopf schaltete das menschliche Denken recht schnell ab, doch es blieb irgendwie nicht leer. Aber dann fiel es dem Mann wie Federn von den Augen. Es waren die Instinkte, die ein jedes Tier hatte. Öfter hatte er sich vorgestellt, wie das wohl war. Als Mensch konnte man die animalische Triebe und Instinkte nicht verstehen, doch langsam begriff Nybar. Sie ließen sich von ihren Gefühlen leiten, wie Menschen sich auf ihr Bauchgefühl verlassen. Tiere denken nicht viel darüber nach was sein könnte, sie tun es einfach. Es war fantastisch! Einmal musste man sich keine Gedanken darüber machen, ob einem in der nächsten Zeit was Schlimmes passiert. Nun musste der Mann nur lernen, dass das menschliche Denken nicht auftauchte, sondern schlief, während er ein Falke war. Die Nacht war geprägt von Flugübungen und dem Kennenlernen des Körpers. Die Sonne hatte den Horizont erreicht, als die Gestaltwandler eine kurze Pause einlegten. Ihr tierischer Begleiter hatte sie inzwischen verlassen und war in sein Leben zurück gekehrt. Die Männer würden erstmal noch den Wind kennenlernen, bevor sie auch als Falke auf die Jagd gehen konnten. Sie genossen die Sonnenstrahlen, die auf ihr Gefieder trafen und blieben eine Weile sitzen. Doch sie mussten sich langsam auf den Weg zurück machen, der Falkenzauber würde sie bald zurück verwandeln, bevor sie es beim nächsten Mal dann selbst bestimmen konnten. Die vier Falken streckten ihre Flügel und ließen den Wind zwischen die Federn streifen, bis sie abhoben und sich in die Lüfte begaben. Ihr nächtlicher Flug hatte sie zu einer kleinen Baumgruppe gebracht, die mitten in der Wiese lag. Als sie dann über die Wiese flogen setzte bei Nybar das nun bekannte unangenehme Kribbeln ein. Ein Blick zu seinen Kameraden zeigte ihm, dass es ihnen auch so erging. Sie würden sich wohl hier zurück verwandeln, dachte sich der Mann und verlangsamte den Flug durch sanftes Flügelschlagen. Die Wärme im Körper schlug in absolute Kälte um. Plötzlich ertönte ein Knall und Nybar wurde schwarz vor Augen. ~~~~~~~~~~~~~~~~ “Er wird wach”, ertönte eine Männerstimme und langsam öffnete Nybar die Augen. Das grelle Licht blendete ihn und er verspürte einen starken Schmerz in der Bauchgegend. “Wie geht es dir?”, fragte die Stimme erneut und nun erkannte der Mann, dass es Lasse war, einer seiner Gefährten vom Falkenflug. “Mein Bauch tut weh … was ist denn passiert?” “Du wurdest von einem Wilderer angeschossen, während deine Verwandlung eingesetzt hat”, erklärte sein Freund ihm betrübt. “Aber ich lebe doch noch … alles halb so wild. Guck doch nicht so deprimiert”, meinte Nybar und brachte ein Lächeln zu Stande. “Ich hatte wirklich Angst, dass es nicht so ist”, meinte Lasse lächelnd und nun doch auch erleichtert, dann ließ er Nybar allein, damit er sich noch etwas erholen konnte. Der junge Mann dachte nach, er konnte sich nur an diesen Schuss erinnern und den zerreißenden Schmerz, als hätte ihm jemand das Herz heraus gerissen. Ein Wilderer also, dachte er sauer, denn solche Menschen hasste er wie die Pest. Wie konnten sie es wagen, Falken abzuschießen? Ob Gestaltwandler oder nicht, sie waren geschützt … doch diese Menschen hatte dafür kein Interesse. Hauptsache sie würden ihr Geld bekommen. Das die Tiere möglicherweise Seelen hatten und den Schmerz ebenso spürten wie Menschen war ihnen egal, an so etwas glaubten sie nicht. Diese Menschen hatten ihre natürliche Verbundenheit mit der Natur und ihren Lebewesen früh verloren und an ihre Kinder weitergegeben. Es dauerte ein paar Tage, bis Nybar sich wieder fit fühlte und zusammen mit Lasse in den Wald ging. Sie suchten sich eine ruhige Lichtung und Lasse zeigten seinem Freund die Fortschritte, die er beim Falkenflug in den letzten Tagen gemacht hatte. Dann animierte der Wanderfalke den Menschen dazu, mit ihm zu spielen und den Wind zu spüren. “Natürlich, ich hab lange darauf gewartet”, grinste Nybar und konzentrierte sich auf die Falkenmagie in seinem Körper. Doch irgendwie spürte er nur einige Funken, sie breitete sich nicht aus. Was war denn nur los? Tief durchatmend versuchte er es erneut, aber es wollte ihm nicht gelingen. Der Falke landete auf einem Stein und verwandelte sich in seinen Freund Lasse zurück. “Was ist denn los? Warum verwandelst du dich nicht?”, fragte er. “Es funktioniert irgendwie nicht. Ich spüre Funken der Magie, aber so sehr ich mich auch darauf konzentriere, es will sich nicht ausbreiten.” “Merkwürdig. Du solltest mal zu Soren gehen. Vielleicht ist dein Körper auch nur noch nicht ganz fit.” Nybar nickte und ging zurück zum Dorf, doch irgendwie hatte er schon eine Vorahnung, dass es nicht sein Körper war, der die Verwandlung verhinderte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nybar saß auf einer Eiche und sah seinen Freunden beim Falkenflug zu. Es war nun schon mehrere Wochen her, als sich sein Schicksal verändert hatte. Der Dorfälteste Soren hatte die Naturgeister um Rat gefragt und sie gaben ihnen die Lösung. Als Nybar von dem Wilderer angeschossen worden war, hat dieser Schuss ihm nicht nur eine Fleischwunde zugefügt, sondern auch das magische Band, welches zwischen dem Menschenkörper und dem Falkenkörper steht zerrissen. Der junge Mann hatte seine Fähigkeit als Gestaltwandler für immer verloren, für ihn gab es keine Möglichkeit mehr, noch einmal zu fliegen, noch einmal den Wind zwischen den Federn zu spüren. Das machte ihm schwer zu schaffen, doch irgendwie würde er mit diesem Schicksal leben müssen. Ein Falkenschrei in seiner Nähe holte Nybar aus seinen Gedanken. Ein Tier schwebte in kurzer Distanz vor ihm und sah ihn mit prüfenden Blick an. Du hast es verloren wurde mir erzählt. Dein Falkenzauber ist verschwunden, hörte der Mann eine Stimme in seinen Gedanken. Irritiert sah er das Tier vor ihm an: “Bist du das? Bist du ein echter Falke?” Ja, es ist meine Stimme, die du vernehmen kannst. “Wie ist das möglich?” Ich war derjenige, der dir und deinen Freunden in den ersten Stunden beiseite stand. Ich habe gespürt, dass an dir etwas besonders ist. Du bist kein Falke mehr, doch der Zauber, der in dir wohnt verbindet uns Beide. “Er verbindet uns? Das verstehe ich nicht.” Ich war da, als dein Band zum Falkenkörper zerrissen ist. Ich hab die Magie gespürt, die deinen Körper verlassen hat. Sie hat meine Federn berührt, ich habe deinen Schmerz gefühlt. Ich weiß nicht wieso, doch ich hab das Gefühl, dass es Schicksal ist. Ich soll dein Falke sein. “Du willst mein Gefährte sein? Den Platz meines verlorenen Ichs übernehmen und für mich den Wind in den Federn spüren?”, fragte Nybar noch immer etwas verwirrt, doch gleichzeitig auch hoffnungsvoll. Ich werde an deiner Seite sein und für dich meine Flügel dem Himmel entgegen streckten. Nybar streckte den Arm aus und hielt ihn dem Falken hin, der sich sofort auf seinem Unterarm niederließ. Ein angenehmes, warmes Kribbeln erfasste seinen ganzen Körper und das vertraute Gefühl des Falkenzaubers machte sich in ihm breit. War es also von Anfang an so vorher bestimmt gewesen? Das er anstelle seiner eigenen Gestaltwandlerfähigkeit einen echten Falken als Gefährten haben sollte? Es schien so zu sein. Nybar und sein neuer Freund Levias waren etwas ganz besonderes in Niwamba. Als einziger Mensch hatte der junge Mann die Fähigkeit mit einem echten Falken zu kommunizieren. Das magische Band, was Nybar einst mit seiner Falkengestalt verbunden hatte, verband ihn nun mit Levias auf eine ganz besondere Art und Weise, die keiner nachvollziehen konnte. Und während Nybar das Schicksal angenommen hatte und der kleine Levias sein ewiger Begleiter wurde, trug der Wind ihre Legende mit sanften Schwingen in die Welt hinaus. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Eine kleine Geschichte, die für einen Wettbewerb entstanden ist ... hab leider nicht gewonnen. Aber nun zeige ich euch die Geschichte. Was haltet ihr davon? Ich würde mich sehr über Feedback freuen ^-^ Eure Drachi P.s. Und wer es nicht weiß ... für Liebhaber von Büchern und Fantasy ... ich habe seit Februar meinen ersten Roman im Handel. Wer mehr erfahren will ... schreibt mir :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)