A different Future von BondingTails ================================================================================ Kapitel 5: ----------- In dieser Nacht quälten mich selbst Albträume. Ich träumte davon, wie Son Goku noch einmal aufwachte, nur um zu sterben. Das Schlimmste an dem Traum war noch, dass die anderen sofort wieder in ihren Alltag zurückkehrten und nicht verstehen konnten, weshalb ich noch trauerte. In einem anderen Traum in dieser Nacht sah ich, wie ich ihn eigenhändig umbrachte und Shenlong sich dennoch weigerte, ihn ein weiteres Mal wiederzuerwecken. Er hatte einfach schon zu viel Glück gehabt, war seine Erklärung gewesen. Immer wieder wachte ich schweißgebadet auf, konnte lange Zeit nicht mehr einschlafen und quälte mich in der Zwischenzeit mit den Tatsachen, die mich zu ersticken drohten, und mit den Möglichkeiten, die mich allmählich um den Verstand brachten. Als ich nach einem weiteren Albtraum noch im Morgengrauen aufwachte, versuchte ich es erst gar nicht mehr, wieder einzuschlafen. Ich wusste, es war sinnlos. Ich würde keinen ruhigen Schlaf mehr finden. Mein erster Gedanke, als ich vollständig wach war, war: Wie stark ist seine Aura noch? Sie war so schwach, dass ich sie von hier nicht spüren konnte. Ich war hin und her gerissen, ob ich sofort aufbrechen sollte, um mich zu versichern, dass noch immer Hoffnung bestand, dass ich noch immer hoffen durfte, oder ob ich es nicht tun sollte, um in dem Unwissen zu bleiben und mit der Hoffnung weiterleben zu können, falls seine Aura bereits erloschen war. Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Information umgehen sollte, sollte ich sie bekommen. Heute. Vielleicht morgen. Niemand wusste es genau. Ich wusste nicht zu reagieren und nicht weiterzuleben mit diesem Wissen. Ich wusste nur, ich würde die Erde verlassen, wenn es so kommen würde. Ich könnte nicht länger hier leben, auf diesem mir mittlerweile vertrauten Planeten, unter diesen Menschen, die ihn alle gekannt und geliebt hatten und lange um ihn trauern würden. Hier war seine Erinnerung zu präsent. Zu präsent für mich, um sie ertragen zu können. Nachdem ich lange mit mir gerungen hatte, machte ich mich schließlich auf den Weg. Weit über dem Dach des Hauses, in dem er lag, blieb ich schweben und fühlte in mich hinein. Mein Herz setzte einen Moment aus vor Anspannung und Furcht. Doch dann spürte ich seine schwache Aura und schloss erleichtert die Augen. Ich zog in Erwägung, ins Haus zu gehen und mich mit eigenen Augen noch einmal zu überzeugen, doch ich konnte nicht. Ich wusste, es würde mich zerreißen, ihn wieder in diesem Zustand zu sehen. Und ich wusste nicht, ob dann nicht einer meiner Albträume der vergangenen Nacht wahr werden würde. Stattdessen flog ich den Weg zurück, den ich gekommen war. Eine Alternative hatte ich nicht. Ich hatte seit gestern Mittag nichts gegessen. Ich hatte zwar keinen Hunger, mein Magen fühlte sich wie taub an, aber ich wusste, ich musste etwas essen. Ich redete mir ein, dass ich für Son Goku stark sein musste. Ich erreichte Bulmas Haus und wurde schon im Garten von ihrer Mutter empfangen. Ihre Stimme nervte mich schon nach dem ersten Wort, aber ich war ihr dankbar, dass sie mir gleich etwas zu essen anbot, ohne dass ich darum bitten musste. Das hätte ich nämlich nicht getan. Dann hätte ich weitergehungert, und mein Magen war ohnehin schon nur noch ein einziger Knoten. Nach dem Essen trainierte ich ein paar Stunden, in der Hoffnung, dass es mich ablenken würde. Aber das tat es nicht. Stattdessen bemerkte ich immer wieder, dass ich mein Training vergaß, weil meine Gedanken mich zu sehr vereinnahmten. Am Abend, als ich gerade beschlossen hatte, mein Training zu beenden, ich mich umwandte, um ins Haus zurück zu gehen, hielt ich plötzlich inne. Bulma stand nicht weit vor mir, ihre Arme verschränkt, aber ein Lächeln auf ihren Lippen. „Du trainierst schon seit Stunden“, kommentierte sie, was ich selbst am besten wusste. „Na und?“, sagte ich nur und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Sofort dachte ich an den auf Son Gokus Haut. „Glaubst du nicht, dass du dich selbst ein bisschen zu hart rannimmst?“, fragte sie mit unveränderter Miene. „Du hast keine Vorstellung davon, was hart bedeutet, Weib.“ Auch ich wusste es erst seit kurzem. Sie löste die Verschränkung ihrer Arme und stemmte ihre Hände stattdessen in ihre Hüften. „Dann zeig es mir.“ Ihre Pose und ihr Tonfall war provokativ. Ich verstand nur nicht, warum. Ich wusste, dass sie nur ein Mensch und nicht einmal eine Kämpferin ihrer Rasse war. Warum also sollte sie mich provozieren wollen? „Du hast doch bestimmt auch eine sanfte Seite, oder?“, fragte sie mit tiefer Stimme. „Nein, habe ich nicht“, betonte ich und schritt auf das Haus zu, aus dem ich jetzt das Abendessen riechen konnte, das ihre Mutter gerade zubereitete. Ich ging geradewegs unter die Dusche, versuchte, bei all der Hitze nicht an Son Goku und sein Fieber zu denken, und bemerkte wieder einmal erst, als ich mit einem Handtuch um die Hüften mitten im Badezimmer stand, dass ich mir keine frischen Kleider gerichtet hatte. Bulma hatte mir das ein oder andere Kleidungsstück besorgt – alte Sachen von ihrem Vater, wie ich mitbekommen hatte –, aber die meisten waren so abscheulich, dass ich sie niemals tragen würde. Sie hatten die seltsamsten Farben, wie nur Frauen sie tragen würden. Und auch die Schnitte war ich nicht gewohnt. Sie waren so unpraktisch zum Kämpfen. Da ich heute nicht mehr trainieren würde, hätte ich nun diese seltsamen Kleider anziehen können, doch ich hatte es wieder vergessen, sie vorher aus dem Schrank zu holen. Ich hätte auch daran denken können, einfach meinen Kampfanzug eine Weile unter das heiße Wasser zu halten, aber auch daran hatte ich nicht gedacht. Ich seufzte. Ich war mit meinen Gedanken einfach ganz woanders gewesen. Es klopfte an die Badezimmertür. Ich schaute auf, kurz bevor sie sich öffnete und Bulma hereinschaute. „Brauchst du etwas zum Anziehen?“ Sie schlüpfte mit einem raschelnden Geräusch durch die Tür und schloss sie wieder hinter sich, da sah ich die Papiertüten in ihren Händen. „Ich habe dir etwas Neues besorgt. Ich hoffe, es passt.“ Sie zog eine blaue Hose aus einem schweren Stoff aus einer der Taschen und übergab sie mir. Das Wort „Bluejeans“ war ganz klein auf den Rand der Hosentaschen gestickt. Dann reichte sie mir bereits das nächste Kleidungsstück, ein Shirt mit kurzen Ärmeln, das zum Glück schwarz und einfarbig war bis auf den roten Schriftzug „Devil“ auf Brusthöhe. „Und das hier“, sagte sie, als sie mit einem erneuten Rascheln die Tüten auf dem Boden abstellte und etwas Kleines, ebenfalls aus schwarzem Stoff, hervorholte. Sie hielt es mit jeweils zwei Fingern auf jeder Seite nach oben. Es war Unterwäsche. „Ich wusste nicht, welche Form dir am besten gefällt, aber ich dachte, die hier passt am besten zu dir. Sie ist hauteng, wie dein Kampfanzug.“ „Das kannst du wieder mitnehmen“, meinte ich nur und überlegte einen Moment, ob ich nur die Unterwäsche oder auch das andere, was ich in den Händen hielt, meinte. Ich entschied mich für Ersteres. Ich wandte ihr den Rücken zu und hängte die Hose und das Shirt über den Handtuchhalter. „Wieso? Brauchst du etwa keine Unterwäsche?“, fragte sie neugierig und ich hörte das Amüsement aus ihrer Stimme heraus. „Ich brauche gar nichts“, sagte ich schlicht. „Bedeutet das“, begann sie plötzlich in einem anderen Tonfall, „dass du unter deinem Kampfanzug“, ich spürte, wie sie sich langsam näherte, „überhaupt nichts trägst?“ Ich fuhr zu ihr herum und hatte ihren Arm, deren Hand sie zu mir ausgestreckt hatte, deren Finger mich schon fast berührt hätten, fest in meinem Griff, bevor ich auch nur darüber nachdachte. „Au!“, protestierte sie. Ich ließ sie sofort wieder los. „Gott, das ist ja lebensgefährlich“, murmelte sie und rieb sich ihren schmerzenden Arm. „Wie bei einem wilden Tier.“ „Dann bleib auf Abstand“, riet ich ihr. Plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck, als wäre etwas eingetroffen, das sie bereits vorhergesagt hatte. Und als wüsste sie genau, was sie in dieser Situation tun müsste. „Warum bist du so abweisend?“, fragte sie in ruhigem Ton. Warum willst du niemanden an dich heranlassen?“ Sie trat einen Schritt näher. „Braucht nicht auch ein starker Krieger, wie du es bist, ab und zu etwas… Körperkontakt?“ Sie streckte einen Finger nach mir aus, setzte ihn an meiner Schulter an und ließ ihn über meine Brust bis zu meinem Bauch hinab fahren, bis ich ihr Handgelenk packte und ihren Finger fortzog. „Was soll das werden?“, forderte ich eine Erklärung für ihre dreiste Annäherung. „Ich glaube, das weißt du ganz genau“, flüsterte sie beinahe und schaute mir tief in die Augen. Ich dachte an Son Gokus Prophezeiung und glaubte, Bilder vor mir zu sehen, wie bei einem Film, den man so schnell ablaufen ließ, dass man nur einzelne Eindrücke speichern konnte. Ich sah Bilder von einer Nacht mit Bulma, von ihrem nackten Körper und zarten Berührungen. Und dann blickte ich der Frau vor mir ins Gesicht. Sie schaute mit ihren großen Augen zurück, erwartungsvoll, als konnte sie diese Bilder ebenfalls sehen und hoffte nun, dass sie gleich wahr würden. „Und ich glaube, dass du keine Ahnung hast, mit wem du es zu tun hast.“ Diese Bilder würden nicht zur Realität werden. Nicht, wenn ich es verhindern konnte. Und ganz bestimmt nicht, während Son Goku in Lebensgefahr schwebte. Wie geschmacklos es war, in dieser Situation auch nur an so etwas zu denken? „Verschwinde, Weib.“ Die Hoffnung in ihren Augen erlosch. „Und nimm diese fürchterlichen Kleider wieder mit. Ich will sie nicht.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und schaute mich wütend an. „Da ist man einmal völlig selbstlos und wirft Geld zum Fenster raus für jemanden – und dann das!“, regte sie sich auf. „Dann lass es in Zukunft besser sein“, sagte ich nur und griff nach meinem Kampfanzug, den ich zuvor achtlos auf den Boden geworfen hatte. Ich hörte die Badezimmertür laut ins Schloss fallen, als ich das Wasser anstellte, um meine Kleider zu waschen. Als ich zum Abendessen herunterkam, hoffte ich, dass Bulma bereits fertig war mit Essen, doch ich wurde enttäuscht. Alle drei saßen sie noch am Tisch, Bulma, ihre Mutter und ihr Vater. „Oh, Vegeta!“, empfing mich die nervige Stimme der Mutter. Bulma schaute zu mir herüber und strafte meine Kleidung mit einem missbilligenden Blick. Ihre gekauften Sachen lagen noch immer über der Handtuchstange, ungetragen. Mein Entschluss war gefasst: Ich würde jetzt nichts essen und ich würde nicht länger in diesem Haus schlafen. Ich durchquerte den Raum und ging, ohne jemanden am Tisch auch nur eines Blickes zu würdigen, auf die Tür zu und verschwand durch sie, hob ab, als sie ins Schloss fiel und flog, flog einfach immer weiter, nur fort von hier, fort von all dem Stress, all den Ablenkungen vom Wesentlichen. Und bevor ich es wusste, war ich vor Son Gokus Haus. Es war längst dunkel geworden, der Mond und die Sterne am Himmel die einzige Lichtquelle weit und breit, abgesehen von dem schwachen Lichtschein, der durch das Fenster von Son Gokus Krankenzimmer fiel. Ich schloss die Augen und suchte nach seiner Aura. Sie war da. Und sie flackerte nicht. Ich hatte sie schneller gefunden als sonst. Ich fragte mich, ob das bedeutete, dass sein Zustand sich verbessert hatte, oder nur, dass meine Fähigkeit, Auren zu spüren, besser geworden war. Heute würde ich das nicht mehr in Erfahrung bringen. Dennoch beruhigt ließ ich mich auf das Gras sinken, einige Meter vom Haus entfernt, am Waldrand, im Schutz der ersten Baumreihe. Ohne es bewusst beschlossen zu haben, wusste ich, dass ich hier die Nacht verbringen würde. Hier konnte ich permanent seine Aura überwachen. Ich versuchte, nicht an morgen zu denken, nicht daran, was sich morgen ändern könnte. Ich lag einfach nur da, lauschte dem Regen, der leise zu fallen begann, rückte ein wenig mehr in den Schutz der Bäume und versuchte zu schlafen. Trotz des Regens und trotz der Abwesenheit eines bequemen Bettes, schlief ich in dieser Nacht besser als in den Tagen zuvor, denn jetzt konnte ich permanent seine Aura spüren, ihren Zustand im Auge behalten, und beruhigt sein, dass ich zur Stelle sein würde, wenn man mich brauchte. ~ Ich erwachte, als ich hörte, wie sich eine Tür öffnete. Ich drehte den Kopf und sah, dass es Son Gohan war, der das Haus verließ. Er schaute sich suchend um, während er sich genau in meine Richtung bewegte. Ich fuhr etwas zusammen, als ich das realisierte, und versuchte dann, so still zu halten, wie ich nur konnte, doch Son Gohan kam unbeirrt zielstrebig auf mich zu. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, hellte sein Blick sich etwas auf. Oder er war einfach nur überrascht. Er hatte mich hinter den Bäumen, zwischen den Büschen, entdeckt, hinter denen ich eingeschlafen war. „Was tust du denn hier draußen?“, fragte er überrascht, als hätte er mich gerade zufällig gefunden und nicht gezielt gesucht. „Nichts“, sagte ich nur. Eine bessere Antwort fiel mir gerade nicht ein. „Und was tust du hier?“, fragte ich schroff zurück. „Mein Vater hat mich geschickt“, erklärte er und ich erstarrte. Verwirrt sah ich den jungen Mann an. „Er ist wach?“, brach es aus mir heraus. Ich starrte Son Gohan nur an und versuchte krampfhaft, meine Emotionen und Gesichtszüge im Griff zu halten. „Ja, seit gestern“, ließ Son Gohan mich wissen. „Da ist sein Fieber endlich gesunken.“ Vielleicht hatte es tatsächlich etwas genützt. Vielleicht war die Menge der Energie, die ich Son Goku vor zwei Tagen geschenkt hatte, genau die richtige gewesen. Ich wusste es nicht. Aber es zählte auch nur eins: Sein Zustand hatte sich verbessert. Es gab wieder mehr Grund zur Hoffnung. Sein Sohn fuhr fort: „Er meinte eben, als ich bei ihm war, er hätte deine Aura in der Nähe gespürt und wollte dich sprechen.“ „Mich?“, entfuhr es mir verwundert. „Warum?“, setzte ich gekünstelt widerwillig klingend nach. Es klang argwöhnisch, als traute ich diesem unerklärlichen Motiv nicht über den Weg. „Das hat er nicht gesagt“, meinte Son Gohan unzufrieden und ich konnte sehen, dass er nicht glücklich über den Auftrag seines Vaters war. Ich hatte das Gefühl, dass sein Widerwille daher kam, dass sein Vater ihm keine Erklärung zu dieser Aufgabe abgegeben hatte. Aber es konnte auch einfach nur daran liegen, dass er mich nicht mochte. Jedenfalls war deutlich, dass er ebenso wenig begriff wie ich, was Son Goku gerade von mir wollen könnte. Aber im Gegensatz zu ihm würde ich es vielleicht bald herausfinden. „Kommst du also?“, fragte er und wartete nur noch einen Moment, bevor er sich umwandte und zurück zum Haus ging. Ich folgte ihm mit einigem Abstand. Zwar wollte ich mich einerseits sobald als möglich mit eigenen Augen von Son Gokus verbessertem Zustand überzeugen, doch andererseits fürchtete ich mich ein wenig vor dieser Begegnung. Ich wusste nicht, wie sehr ich meine Selbstbeherrschung gerade aufrechterhalten konnte. Noch hatte ich keine Gelegenheit gehabt, mich allein und ungesehen mit diesen guten Nachrichten auseinanderzusetzen. Außerdem verunsicherte es mich etwas, dass Son Goku mich zu sich rufen ließ. War er wach gewesen, als ich ihn besucht hatte? Konnte er sich jetzt daran erinnern? Sofort hatte ich Angst, dass er mich darauf ansprechen würde. Dann rief ich mir ins Gedächtnis, dass mich diese Nebensächlichkeit nicht stören sollte, wenn er nur wieder auf dem Weg der Besserung war. Am Fußende der Treppe hörte ich Son Gohan anklopfen. „Vater“, sagte er dann, nachdem er die Tür geöffnet hatte. „Ich habe Vegeta gefunden.“ Ich erreichte das obere Ende der Treppe und sah Son Gohan gerade noch im Inneren des Raumes verschwinden. „Danke, Son Gohan“, hörte ich Son Gokus weiche Stimme sagen – in einem Tonfall, der sanft und doch endgültig klang. Es war, als hätte er seinen Sohn damit ausdrücklich fortgeschickt. Verwirrt hielt ich inne, nur zwei Schritte von der Tür entfernt. Es herrschte einen Moment lang Stille, dann kam Son Gohan wortlos auf mich zu, warf einen flüchtigen Blick in meine Augen, der Verachtung und Verwirrung zugleich zeigte, und ging an mir vorbei. Ich sah ihm nach, wie er eilig die Treppe hinabstieg. Dann trat ich durch den Türrahmen und erblickte Son Goku. Er machte gerade das schwarze Stoffband mit einem Knoten um seine Hüfte fest, der seinen Trainingsanzug halten sollte, und griff dann nach seinen Schuhen, die vor ihm auf dem Boden lagen. Ich beobachtete jede seiner Bewegungen. Als er sie angezogen hatte, drehte er sich zur Tür um und entdeckte mich, der nicht weit von ihr stehen geblieben war. Ich war verwirrt und fassungslos. Er stand hier vor mir wie immer, gesund und fit, und mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Als wäre nichts gewesen. Es war keine Spur mehr zu sehen von all den Strapazen, die er in den letzten Tagen durchlebt hatte. Ich hatte nicht erwartet, dass er bereits aufstehen durfte. Ich hatte geglaubt, dass er noch immer im Bett liegen würde, wenn ich den Raum betrat. Einen Moment befürchtete ich, dass er vielleicht fälschlicherweise zu früh annahm, wieder gesund zu sein, nur weil er sich etwas stärker fühlte. Woran vielleicht sogar ich selbst schuld war. „Hey“, sagte er lächelnd zur Begrüßung. War das alles? Mehr hatte er nicht zu sagen? Ich wollte eine Entschuldigung. Wie gerne hätte ich ihm jetzt einen Schlag ins Gesicht verpasst für all die Qualen, die er mir in den vergangenen Tagen verursacht hatte. Und wie gerne wäre ich ihm um den Hals gefallen vor Erleichterung. Ich wartete und schwieg. Ich wusste, wenn ich jetzt meinen Mund zu früh aufmachte, bevor ich meine Emotionen zurückgedrängt hatte, würde ich zu viel von ihnen preisgeben. Ich hatte Schwierigkeiten genug, meinen Mund geschlossen zu halten vor lauter Fassungslosigkeit. Wie konnte er fast sterben und alles, was er jetzt sagte, war „Hey“? „Ich habe es geschafft, wie es scheint“, meinte er schulterzuckend und ich fragte mich, ob es das war, was er mir unbedingt hatte sagen wollen, weshalb er mich von seinem Sohn extra hatte herholen lassen. Das konnte nicht sein. „Das wusste ich zwar schon gestern, aber ich habe Chichi und Son Gohan gebeten, noch niemanden zu benachrichtigen.“ Ging er etwa davon aus, dass ich auf Neuigkeiten gewartet hatte? Was ließ ihn das annehmen? „Mir ging es zwar so gut, dass ich wach war, aber ich fühlte mich noch so schwach und… wollte noch etwas Zeit für mich.“ Er schaute mich an, als wollte er mich etwas fragen. Doch er tat es nicht. Stattdessen sagte er: „Ich bin wirklich froh, dass ich es tatsächlich gepackt habe. Ich dachte schon, mein Körper lässt mich im Stich.“ Er klopfte sich auf die Brust. Ich konnte ihn nur anstarren und ihn seinen Monolog fortführen lassen. „Aber ihr habt mich definitiv nicht im Stich gelassen. Ihr habt euch wirklich gut um mich gekümmert. Allein hätte ich es nicht geschafft.“ „Die anderen, meinst du“, korrigierte ich sofort. „Ich habe nichts getan.“ „Doch, ich glaube schon“, sagte er überzeugt. Mein Herz setzte einen Moment aus. Hatte man ihm gesagt, dass ich bei ihm gewesen war? Oder hatte er es etwa tatsächlich selbst teilweise mitbekommen, dass ich an seinem Bett gesessen war? Schließlich hatte er meinen Namen gesagt. Vielleicht war er es überhaupt kein Albtraum gewesen. Vielleicht war es für ihn eher eine halbe Halluzination gewesen, mit seinen geschlossenen Augen und der falschen Vorstellung, dass ich ihn verlassen wollte. „Ich habe deine Aura gespürt“, sagte er unvermittelt und nun war ich mir sicher, dass mein Hals zu trocken war, als dass ich damit noch sprechen könnte. „Wo warst du heute Nacht?“, wollte er wissen und verwirrte mich erneut. Aber ich war auch erleichtert, er schien nicht von vorgestern Nachmittag zu sprechen. Der Knoten in meinen Stimmbändern löste sich, so schnell wie er entstanden war, und ich wollte gerade zu einem spöttischen Kommentar der Marke: „Bist du mein Kindermädchen oder wie?“, ansetzen, da fügte er hinzu: „Warum warst du nicht bei Bulma?“ „Spielt es eine Rolle?“, fragte ich gereizt zurück. Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte. „Es hat die ganze Nacht geregnet“, sagte er, als erklärte das alles. „Na und? Es ist nur Wasser, Kakarott“, entgegnete ich. „Ich habe es bei Bulma einfach nicht mehr ausgehalten“, fügte ich schließlich noch als Antwort hinzu. „Ihre Mutter macht mich wahnsinnig.“ Son Goku lachte kurz auf. „Das kann ich mir vorstellen.“ Dann wurde er wieder ernst. „Aber dann hättest du doch zu uns kommen können.“ Zu uns. Nein, danke. Er warf einen Seitenblick aus dem Fenster. „Wie es scheint, warst du schließlich sowieso in der Nähe.“ Er schaute zum Waldrand. Man hatte mich doch nicht etwa vom Fenster aus sehen können. Und er hatte doch wohl hoffentlich nicht hinausgeschaut. Ich wandte den Blick ab, als er mir wieder ins Gesicht sah. Es gefiel mir nicht, dass er selbst in seinem geschwächten Zustand so viel wusste und spürte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er bereits wieder bei Bewusstsein sein würde, geschweige denn so fit und aufmerksam, dass er meine Anwesenheit bemerken würde. Plötzlich flog die Tür auf. „Son Goku!“, rief Kuririn glücklich und rannte auf seinen besten Freund zu. Er schloss ihn schwungvoll in die Arme und blickte dann mit freudestrahlenden Augen zu ihm auf. Tränen glitzerten in ihnen. Er war sprachlos, konnte seiner Freude mit Worten keinen Ausdruck verleihen. Aber das brauchte er auch nicht. Sein Gesicht tat das genug. Ich konnte nur starren. Wie es wohl sein musste, so offen seine Gefühle zu zeigen. Einfach so auf jemanden zugehen und ihn in die Arme schließen zu können. Ohne Angst zu haben, abgewiesen zu werden. Ohne Angst zu haben, ausgelacht zu werden. Ohne Angst zu haben, es zu bereuen. Son Goku lachte. „Nicht so stürmisch, Kuririn“, meinte er fast ebenso strahlend und in seinen Augen spiegelte sich Kuririns Freude wider. „Ich bin noch nicht wieder so fit, wie ich vielleicht aussehe.“ Kuririns Arme ließen von ihm ab. „Dann hoffe ich, dass du dich mit niemandem anlegst“, meinte er ernst, aber lächelte dabei. Dann entdeckte er mich und sein Lächeln verblasste ein wenig. „Und du lässt dich erst recht nicht von Vegeta zu einem Kampf herausfordern“, meinte er und wandte erst dann seinen Blick wieder Son Goku zu. „Keine Sorge, Kuririn“, sagte dieser mit einem warmen Lächeln in den Augen. „Das wird er nicht.“ Er sah zu mir, das liebevolle Lächeln blieb – unverändert. „Er wird mich schon schonen.“ „Ach ja, übrigens“, hörte ich Kuririns Stimme sagen und er wartete, bis Son Goku seinen wundervollen Blick von mir nahm und ihn wieder ihm selbst zuwandte. „Ich soll dich zum Essen holen“, verkündete er dann; er wusste genau, wie sehr das sein Gegenüber freuen würde zu hören. „Klasse! Ich sterbe vor Hunger!“, enttäuschte dieser ihn nicht und rieb sich hungrig den Bauch. „Dann lass uns runtergehen.“ Kuririn war bereits auf dem Weg zur Tür, da wandte Son Goku mir sein Gesicht zu. „Kommst du mit?“ Ich zögerte. Sollte ich? Wollte ich das? Würde ich mich nicht schrecklich fehl am Platz fühlen? Son Goku schaute mich hoffnungsvoll an. Ich warf einen Blick zu Kuririn, der bereits zur Tür draußen war, und als ich wieder zu Son Goku zurückschaute, sah ich, wie er meinen Blick vom Rücken seines besten Freundes zu mir zurückverfolgte. „Komm schon“, sagte er sanft, als wollte er mich nicht zu offensichtlich drängen, weil er genau wusste, dass ich dann sofort abblocken würde. Er wartete, mit hoffnungsvollen Augen. Wortlos ging ich auf die Tür zu, resignierend, und sah, wie Kuririn einen Blick über seine Schulter warf und dann die Treppe hinabzusteigen begann, versichert, dass wir folgen würden und er Chichis Aufgabe zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt hatte. Wobei ich nicht wusste, ob sie sich so sehr darüber freuen würde, mich gleich am Tisch sitzen zu sehen. Als ich um das Geländer herum zum Treppenansatz ging, sah ich Son Goku durch den Türrahmen treten, mir folgend, und erblickte sein siegreiches Lächeln. Ich wandte den Blick nach vorne und als ich seine Schritte hinter mir hörte und wusste, dass er mein Gesicht nicht einmal mehr von der Seite sehen konnte, da konnte auch ich mein Grinsen nicht mehr verbergen. „Ich frage mich, wo Piccolo ist“, hörte ich Son Gohan sagen, als wir das Fußende der Treppe erreicht hatten. „Keine Ahnung“, antwortete Kuririn niedergeschlagen. „Tut mir leid.“ Wir betraten die Küche und fanden einen reichlich gedeckten Esstisch vor. Son Goku rieb sich die Hände und setzte sich an seinen gewohnten Platz am Tischende, schräg gegenüber von Son Gohan, der bereits mit Kuririn am Tisch saß. Son Gokus Augen leuchteten vor Vorfreude auf das Essen. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf, den ich sofort wieder verdrängte und mir einredete, dass ich ihn nie gedacht hatte: Ich könnte auch für ihn kochen; so schwer konnte das schließlich nicht sein, wenn es fast jede Frau zu können schien. Ich hoffte, man konnte keine Röte auf meinen Wangen erkennen. „Son Goku, wie fühlst du dich?“, fragte die gerade einzig anwesende Frau besorgt, legte das Geschirrtuch beiseite und kam zu uns an den Tisch. „Bestens“, sagte er und griff nach einem Hähnchenschlegel. Chichi lächelte liebevoll. Sie wusste, dass mit ihm alles in Ordnung war, wenn nur sein Appetit nicht ausblieb – so wie in den Tagen und Wochen zuvor. Chichi setzte sich schräg links von Son Goku, Son Gohan gegenüber, wodurch für mich nur noch das Tischende blieb, wenn ich nicht neben Chichi sitzen wollte. Und somit saß ich immerhin als Einziger Son Goku direkt gegenüber. Wir aßen und die drei unterhielten sich über alles Mögliche; Chichi hauptsächlich über den Haushalt und ihren Alltag; Son Gohan wurde gezwungen von der Schule zu berichten; und Kuririn erzählte etwas vom Herrn der Schildkröten. Ich schwieg. Weder gab es einen Grund, noch eine Möglichkeit, mich an diesen Unterhaltungen zu beteiligen. Irgendwann sprach Son Goku mich direkt an: „Vegeta, bist du dir eigentlich bewusst, dass du jetzt einen entscheidenden Vorteil hast?“ Ich hielt mit dem Essen inne und schaute ihn leicht fragend an. Er grinste. „Du hattest mehrere Tage zum Trainieren, die ich definitiv aussetzen musste.“ „Und du wirst auch noch einige mehr aussetzen müssen“, sagte Chichi sofort streng. „Du wirst keinen Finger krümmen, bis du wieder ganz gesund bist, hörst du?“ Son Goku machte einen Schmollmund, doch sagte nichts dazu. Später wusste ich, warum. Nach dem Essen meinte er, er wollte an die frische Luft, und sobald wir uns ein paar Schritte vom Haus entfernt hatten, ergänzte er: „Zum Trainieren.“ Ich schaute ihn an, wollte wissen, ob es nur ein Scherz von ihm war oder ob er es ernst meinte. „Nur ein paar Liegestützen“, versicherte er mir. Vielleicht hatte mein Blick etwas zu besorgt ausgesehen. „Es ist toll, wieder einmal aus dem Haus zu kommen“, sagte er irgendwann, als wir besagtes Haus hinter uns gelassen hatten und es hinter dem Abhang nicht mehr zu sehen war. „Ich glaube, ich wäre eingegangen, wenn ich noch länger hätte im Bett bleiben müssen.“ Er lachte. „Das nächste Mal stelle ich das Bett einfach nach draußen.“ Ich schnaubte, doch ein Schmunzeln konnte ich nicht verhindern. „Spinner.“ Er warf ein Lächeln über seine Schulter zu mir nach hinten, schaute wiederum über meine eigene Schulter und blieb dann stehen. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass wir weit genug gegangen waren, dass Chichi ihn vom Haus aus nicht mehr sehen konnte. Er streckte und dehnte sich, bevor er sich auf den Boden fallen ließ und mit seinen Liegestützen begann. Ich schaute auf ihn herab. Ich hatte gerade in keinster Weise das Bedürfnis zu trainieren. Ich ließ mich auf dem Gras nieder und beobachtete ihn nur mit verstohlenen Blicken. Ich konnte nicht umhin, wieder einmal seinen perfekten Körperbau zu bewundern. Mein eigener Körper war so winzig gegen den seinen; meine Arme, Beine, Schultern und Hüften so schmal, dass sie mit seinen nicht zu vergleichen waren. Neben ihm kam ich mir manchmal wie ein Kind vor. Kleiner, schwächer, abhängiger. Aber aus irgendeinem Grund störte mich das nicht mehr so sehr wie früher, wenn ich nur daran dachte, dass er mich aus diesem Grund beschützte. Ich dachte unwillkürlich an das Bild zurück, als Son Goku und Kuririn sich umarmten. Son Gokus starke Arme um Kuririns kleinen Oberkörper. Ich starrte auf Son Gokus Arme, deren Muskeln sich gerade immer wieder anspannten und entspannten. Diese Arme waren Sicherheit. Diese Arme waren Halt. Diese Arme waren Wärme. Diese Arme waren alles, was ich wollte. Schon nach wenigen Minuten begann Son Goku, hörbar zu keuchen vor Anstrengung. Besorgt blickte ich in sein Gesicht, das bereits von einem Schweißfilm überzogen war. Ich war es gewohnt, Son Goku stundenlang beim Training zuschauen zu können. Doch jetzt war es anders. Er war noch zu aufgezehrt von der Krankheit. Eigentlich hatte Chichi Recht. Er sollte noch gar nicht trainieren. Er war noch zu schwach dazu, sein Zustand zu labil. Ich überlegte, ob ich ihm das sagen sollte. Doch würde das nicht allzu deutlich meine Besorgnis zeigen? Son Goku nahm mir diese Entscheidung ab und ließ sich erschöpft auf das Gras sinken. „Ach herrje“, keuchte er atemlos. „Mein Zustand ist ja schlimmer, als ich gedacht habe.“ Er drehte seinen Kopf mir zu und schaute mich mit einem seltsamen Blick an. Ich konnte ihn nicht deuten. „Aber ich hole dich schon wieder ein, keine Angst.“ Er grinste. „Ich gebe dir einen Monat“, meinte ich stichelnd. „Gib mir einen Tag“, sagte er geheimnisvoll. Ich schaute ihn fragend an. Meine Augenbraue zuckte einmal. Er erklärte: „Ich habe geplant, sobald ich wieder fit genug bin, im Raum von Geist und Zeit zu trainieren, um das wieder aufzuholen, was ich versäumt habe.“ „Nicht schlecht, dein Plan“, meinte ich anerkennend. „Aber ich werde einen Trainingspartner brauchen.“ Seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Interesse?“ „Mehr als das“, entgegnete ich und spürte etwas in meinem Körper aufsteigen. Ich fühlte mich mit einem Mal leichter als zuvor. „Dann machen wir das“, beschloss er und setzte sich ruckartig auf, als wollte er sofort damit beginnen. Er brach die Bewegung jedoch ebenso ruckartig wieder ab und hielt eine Handfläche an seine Brust gepresst. „Gib mir vorher nur noch ein, zwei Tage, ja?“ Er lächelte mich unschuldig an. Ich schnaubte abermals. Es war mir egal, wie lange ich würde warten müssen, wenn er es nur wahr machte und mich bei ihm sein ließ. ~ Einige Zeit später hörten wir Chichis Stimme rufen: „Son Goku!“ Wir schauten in die Richtung des Hauses, konnten es aber von hier aus immer noch nicht sehen; wir hatten uns nicht von der Stelle gerührt, waren nur dagesessen und hatten uns unterhalten, bis Kuririn uns anhand unserer Aura gefunden hatte, um sich zu verabschieden. „Werd bald wieder fit, ja?“, waren seine letzten Worte gewesen, bevor er sich mit einer Bewegung seines Armes verabschiedet hatte und davongeflogen war. Daraufhin waren wir eine ganze Zeit lang schweigend dagesessen, bis Chichis Stimme uns aus unseren Tagträumen riss. „Mittagessen!“ „Schon so spät?“, murmelte der Gerufene und kratzte sich am Kopf. „Da haben wir uns aber ordentlich verquatscht.“ Er schaute mich offen und direkt an. „Hast du Hunger?“ „Nein“, antwortete ich einfach, ohne über seine Frage nachzudenken. Ich würde mich heute nicht noch einmal an den Tisch in diesem Haus setzen. „Wartest du dann hier?“, fragte er und hielt in einer seltsamen Position inne, die wohl der Anfang des Aufstehens war. Ich schaute ihm ins Gesicht und zögerte einen Augenblick. Dann sagte ich: „Entweder ich sitze noch hier, wenn du zurückkommst, oder nicht. Du hast eine Fifty-Fifty-Chance.“ Er grinste. „Dann bis später!“ Ich schaute ihm kopfschüttelnd nach, während er zum Haus zurückging. Es verging beinahe eine Stunde, bis sich die Haustür wieder öffnete, aber ich saß noch immer am selben Fleck. Ich wusste selbst nicht, wie ich das begründen sollte, aber Son Goku fragte nicht danach. Er lächelte einfach nur und legte sich zurück, neben mich ins Gras. Etwas näher als zuvor. Er atmete tief durch, um zu sagen: „Das Wetter ist so wunderschön.“ Er musste es wirklich vermisst haben, draußen zu sein. Aber ich konnte ihn verstehen. „Durch Trunks habe ich viel über die Zukunft nachgedacht“, begann er auf einmal. „Der Gedanke, sein eigenes Schicksal verändern zu können, ist schon faszinierend.“ „Ja“, stimmte ich ihm nach kurzer Bedenkzeit zu. „Und ich frage mich, was sich dadurch alles ändern wird.“ „Wodurch? Dass ich noch weiterlebe?“, fragte er nach. „Zum Beispiel“, sagte ich nur. Ich zögerte, bevor ich hinzufügte: „Oder was sich ändert, wenn Trunks niemals geboren wird.“ Er schaute mich überrascht an. „Wird er nicht?“ „Bisher ist es in meiner Zukunftsplanung noch nicht vorgesehen“, meinte ich mit einem Schulterzucken. Son Goku schnaubte ungläubig und schüttelte den Kopf. „Arme Bulma“, sagte er dann. „Ich glaube, sie mag dich wirklich.“ „Töh“, machte ich nur und er lachte. Wieder ernst sagte er: „Wenn du nicht zu Bulma zurückwillst, bleib die Nacht doch hier.“ Ich schaute ihn aufmerksam an. Es war nur ein freundschaftliches Angebot. Mehr nicht. Und das wusste ich. Ich zuckte mit den Schultern. „Warum nicht.“ Es stellte sich heraus, dass das bedeutete, dass ich die Nacht in demselben Zimmer verbringen würde wie er. Er meinte, er würde noch nicht wieder in Chichis Schlafzimmer schlafen, weil er noch immer zu unruhig schlief und sie so nur wachhalten würde. Bei mir erwartete er da keine Probleme, meinte er. Ob er sich da mal nicht täuschte. Ich war mir ziemlich sicher, dass er mich auch eine ganze Zeit lang nicht einschlafen lassen würde. Wenn überhaupt. Irgendwann waren wir wieder ins Haus gegangen, hinauf in das Gäste- und zugleich Krankenzimmer, und als Son Goku sich auf sein Bett setzte und nach einer kleinen Flasche griff, wusste ich, warum er mich wieder hereingebracht hatte. Er musste seine Medizin nehmen. Ich sah ihm dabei zu, wie er ein paar Tropfen der klaren Flüssigkeit in ein Glas Wasser träufelte, das er dann in einem Zug leerte. „Es schmeckt schrecklich“, kommentierte er und stellte sein Glas zurück neben die noch halbvolle Flasche. „Das hat Medizin so an sich, habe ich gehört“, ließ ich ihn wissen. Er grinste. „Hauptsache, sie wirkt.“ Mit einem Mal wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst. Er schwieg eine Weile nachdenklich und dann sagte er – zum zweiten Mal an diesem Tag: „Ich habe deine Aura gespürt.“ Er schaute mir fest in die Augen und erklärte weiter: „Ich war kurz wach, als du bei mir warst. Hier am Bett.“ „Was?“, entfuhr es mir entsetzt. So leise, dass ich Hoffnung hatte, dass er es nicht gehört hatte. Aber ich saß auf dem Boden, auf dem runden Teppich mitten im Raum, sodass man mich wohl in allen Ecken des Raumes gehört hätte. „Ich habe deine Stimme gehört“, erklärte er. „Warum hast du nichts gesagt?“, wollte ich sofort von ihm wissen. Hatte er sich etwa schlafend gestellt? Weshalb sollte er das tun? „Ich war zu schwach, um auch nur die Augen zu öffnen“, klärte er mich auf. „Ich konnte mich nicht bewegen und nicht sprechen. Es war anstrengend genug zu versuchen, deine Worte zu verstehen.“ „Und“, begann ich langsam, „hast du sie verstanden?“ „Nicht viel davon“, sagte er nur und schaute mich dann stumm an, irgendwie erwartungsvoll, als wollte er, dass ich mich nun wiederholte. Doch das würde ich sicherlich nicht tun. Ebenso wenig wie er mir sagen zu wollen schien, was er gehört hatte. Also schwiegen wir. Ich konnte die Vögel draußen singen hören. Das Fenster stand noch immer offen. Ich erhob mich vom Boden und ging herüber, wollte Son Goku den Rücken zuwenden können, um mein Gesicht vor ihm zu verbergen. „Du hast mir doch gesagt“, begann er, als ich das Fenster erreicht hatte, „wenn du glauben würdest, bald sterben zu müssen, dass du noch das tun würdest, wozu du dich sonst nie getraut hast.“ Ich wagte es nicht einmal, ihm mit einem Nicken zuzustimmen. „Zwar werde ich jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr so bald sterben, aber ich habe mir trotzdem viele Gedanken zu dem Thema gemacht. Vor allem zu dem, was du gesagt hast.“ Ich starrte geradeaus ins Nichts. Mein Herz klopfte laut in meiner Brust, als wüsste es bereits, was nun kommen würde. Ich selbst jedoch war vollkommen ahnungslos. Aber ich glaubte, dass es etwas Wichtiges sein musste. Die Atmosphäre war eine ernste. Die Stille zwischen seinen Worten laut. „Mir ist klar geworden, dass es auch für mich noch etwas gibt, woran ich schon häufiger gedacht habe, es aber nie gewagt habe, es in die Tat umzusetzen. Etwas, das ich jetzt gerne versuchen würde.“ Er stand vom Bett auf; ich konnte es hören. Er kam auf mich zu; ich konnte es spüren. Ich wandte mich zu ihm um, musste es sehen, was tatsächlich auf mich zukam, wollte vorbereitet sein. „Wenn du mich lässt.“ Je näher er kam, desto höher musste ich zu ihm aufschauen, desto schneller schlug mein Herz und desto mehr weiteten sich meine Augen. Mit jedem kleinen Schritt, den er auf mich zu machte, hob ich mein Kinn etwas an und er senkte seines parallel dazu, bis wir – ohne den Blickkontakt gebrochen zu haben – direkt voreinander standen, unsere Nasenspitzen nur Zentimeter voneinander entfernt. An dieser Stelle hielt Son Goku einen Moment inne, bevor er seine Arme um mich schloss und mich an seinen Körper presste. Mein Kinn lag an seiner Schulter, mein Mund leicht geöffnet. Mein Herz schlug so heftig und so laut, dass ich sichergehen konnte, dass er es entweder hörte oder gar spürte. Für eine Weile fühlte ich selbst gar nichts außer die Strudel in mir, die sich bei seinen letzten Worten in Bewegung gesetzt hatten und bereits zu Hurrikans ausgeartet zu sein schienen. Sie ließen mich eine Zeit lang nur diese Bewegungen, diese Wellen, dieses Kribbeln spüren, erst dann fühlte ich die Stärke seiner Arme, die mich umschlossen, die Härte seiner Muskeln, die mich beschützten, die Wärme seines Körpers, die mich einhüllte, und alles wurde wieder so surreal. Ich konnte seinen Körpergeruch wahrnehmen, wie noch nie zuvor. So intensiv und unverfälscht. Kein Wind, der den Geruch fortwehte, kein Schweiß, der sich beimischte, keine anderen Düfte, die den seinen überlagerten. Es war, als könnte ich baden in diesem Aroma. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken und seine heißen Hände auf meinem Rücken, die mich mit ihrer kompletten Fläche gegen sich drückten, sodass ich ihre Form und jeden einzelnen Finger deutlich spüren konnte, als wären sie Brenneisen. Meine Arme waren eingeschlossen von seiner Umklammerung und somit beinahe bewegungsunfähig. In diesem Moment, so unüberlegt es mir auch erschien, hätte ich, wenn es mir möglich gewesen wäre, meine Arme um ihn geworfen und ihn nicht mehr losgelassen, bis ein Störenfried oder er selbst mir einen Anlass dazu gab. Ich hob die Arme, so weit ich konnte, was die Son Gokus ein Stück nach oben schob, doch noch bevor ich meine Hände an seinen Körper legen konnte, wich dieser zurück. Seine Arme ließen mich los, ließen mich fallen, in einen Abgrund nie gekannter Tiefe. Ich wusste nicht, wie ich noch stehen konnte. Ich spürte meine Beine nicht mehr wirklich. Etwas zerbrach in mir, als ich den Körper vor mir sich entfernen sah und spürte, wie Kälte die nun fehlende Körperwärme ersetzte. Ich konnte nicht in sein Gesicht sehen. Ich konnte es nicht ertragen, was ich dort vorfinden würde – ich erwartete Mitleid. Was sonst wäre sein Motiv? Er hatte mich in den Arm genommen. Angeblich etwas, was er schon immer hatte tun wollen, wie er gesagt hatte. Weil er mich bemitleidete. Vielleicht glaubte er, dass ich einsam war. Vielleicht glaubte er, dass ich unglücklich war. Vielleicht glaubte er, dass ich Halt brauchte in dieser mir noch fremden Welt. Und er hatte vielleicht Recht. Mit all dem. Aber dafür wollte ich kein Mitleid. Ich wollte Zweisamkeit, ich wollte Glück, ich wollte Halt. All das wollte ich von ihm. Und alles, was er mir gab, war Mitleid, das ich nicht brauchte. Ich hatte auf so viel mehr gehofft. Wie konnte ich nur? Wie konnte ich annehmen, dass es genau das sein würde, was ich wollte? Wie konnte ich das auch nur einen Moment lang glauben? Ich spürte seinen Blick auf mir und spürte die Hitze, diese unangenehme Hitze, wenn man in einer peinlichen Situation beobachtet wurde, wenn man sich fehl am Platz fühlte, wenn man sich missverstanden fühlte, aber zu feige war, das Missverständnis aufzuklären. „Vegeta?“, fragte er leise und klang dabei auch noch besorgt. Mitleid. Es war nur Mitleid, mehr nicht. Ich machte auf dem Absatz kehrt und floh, flog, so schnell ich konnte, durch das Fenster und mit voller Fluggeschwindigkeit fort von hier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)