Sonnenwende von Yami_Katy ([Taito, AU, OOC]) ================================================================================ Kapitel 2: Tag der Wahrheit --------------------------- Kapitel 2: Tag der Wahrheit „Alibi-Freund? Das ist doch Schwachsinn, Bro.“ T.K. bemusterte mich äußerst skeptisch, während ich meinen Kleiderschrank durchforstete. Was sollte ich tun? Es war 3 Uhr nachmittags. In ein paar Stunden ging diese dumme Party los und meine Entschlossenheit schwand. Die Tage zwischen meinem ersten Treffen mit Tai und dem heutigen Tag waren nur so verflogen. Eigentlich wollte ich mich bis heute optisch wieder normalisieren, doch das war natürlich nichts geworden… Zwar hatte ich geduscht, aber ich sah immer noch einfach scheiße aus. Ich war dürr, blass und sah einfach krank aus. Man sah mir mein inneres Unglück regelrecht an. Ich konnte es nicht verstecken. Nichts von meinen Klamotten passte mir noch richtig und sowieso würde ich neben Tai aussehen wie eine unscheinbare graue Maus. Er flutete einen jeden Raum, wenn er ihn betrat. Es war nicht nur sein Gang, seine glänzenden und zerzausten Haare oder sein durchtrainierter Körper. Das alles war selbstredend nicht zu verachten. Es waren aber eigentlich seine Ausstrahlung, sein herzliches Lachen, seine Offenheit und seine Art, mit seinen Mitmenschen umzugehen… Er stieß Ken fast vom „schönster Mensch“-Thron. Nein, nicht fast… Und in wenigen Stunden würde er hier vor der Tür stehen. Mit seinem Auto wollte er mich abholen und dann wollten wir zur Party fahren, doch zuvor würden wir auch noch Davis und Ken einsacken. Er sollte so tun, als sei er mein Freund. Dabei würde er mich in Wirklichkeit nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Tai war nicht der Typ für jemanden wie mich. Er war eine ganz andere Liga. „Na ja, aber wenigstens gehst du zu der Party und kommst mal wieder raus.“ klopfte T.K. mir dann stolz auf die Schulter. „Mimi wird sich freuen und ich mich auch.“ „Du?“ Kurz wandte ich mich von der Kleidungskatastrophe ab und sah meinen kleinen Bruder kritisch an. Der feixte bereits. „Du nimmst mich ja schließlich mit.“ Er bat mich nicht mal. Es war für ihn klar. Doch falsch gedacht. „Oh nein! Du bleibst hier!“ stellte ich klar. „Du bist minderjährig, da gibt es literweise Alkohol und du bist viel zu empfänglich dafür. Ich hab die Verantwortung für dich, seit du hier wohnst.“ T.K. drehte sich ächzend von mir weg, schmiss sich mit dem Rücken voran auf das wenige Meter entfernte Sofa. „Spieß nicht so rum, Bro. Ich bin jung, ich will Spaß haben. Du hattest den auch, als du in meinem Alter warst…“ „Und du siehst, wie weit ich gekommen bin.“ grinste ich ihn überlegen an, legte gerade wieder ein paar T-Shirts in den Schrank. Obenauf lag ein Schwarzes, das T.K. offensichtlich sofort identifizierte. Er rappelte sich auf und hüpfte wieder zu mir hinüber. „Zieh das an, man. Das kommt richtig gut.“ Mit einem gezielten Griff entfaltete er es. Ich erinnerte mich daran. Auf diesem scheußlichen Shirt war noch ein scheußlicherer Totenkopf gedruckt. Das hatte ich mir irgendwann einmal im Anflug des Wahnsinns gekauft und verstand es heute absolut nicht mehr. Wahrscheinlich wollte ich auch mal ein Möchtegern-Rebell sein. „Ich werde kein T-Shirt mit Totenkopf zu dem 18ten Geburtstag einer Freundin tragen.“ Natürlich hatte T.K. genau das nicht hören wollen. „Alter, du bist Musiker und noch entscheidender: Du machst Rock! Der nette grinsende Schädel hier müsste dein bester Freund sein.“ Er wedelte mit dem Shirt hektisch und aufdringlich vor mir rum. Da schwieg ich nur. In meiner Musik steckte alle Liebe, die ich noch hatte. Meine Gitarre, sie war alles, was ich noch besaß und nun vernachlässigte ich auch noch sie. Ich hatte ewig nicht getextet oder komponiert. Ich konnte es nicht. Meine Muse war weg. Würde ich es je wieder können? „Dann trag ich es. Die Ladies lieben böse Jungs.“ grinste T.K. als sähe er die Mädchentraube schon vor sich, während er eigentlich nur das T-Shirt betrachtete. „Die Ladies werden dich gar nicht lieben, denn du wirst nicht da sein.“ zerstörte ich seine Illusion und nahm ihm das T-Shirt endgültig weg. Doch er lachte nur über meinen Spruch, dachte ich würde scherzen. „Wer ist dieser Tai?“ fragte er das Thema wechselnd. „Ist er so etwas wie eine männliche Hostess?“ „Nein, oh Gott. Ich bezahle ihn nicht.“ „Und ihr vögelt auch nicht?“ Da war ich nun doch wirklich empört. „T.K!“ rief ich aus. „Nein!“ „Dir würde guter und auch wilder Sex aber bestimmt mal wieder gut tun.“ war er sich sicher. Natürlich. Mein kleiner Bruder wusste immer, was am besten für mich war. Und natürlich war es Sex. Wie sollte der mir denn helfen? Außerdem wusste er doch, dass ich keine One Night Stands hatte. Ich hasste sie. Sex war etwas zu inniges, um es mit jedem Menschen zu teilen. Ich fand, eine solche Intimität musste man sich erst verdienen. Das verstand er einfach nicht. „Aber sei es drum… Mehr von Tai! Ich will Infos! Ist er heiß?“ Ich zündete mir gerade eine Zigarette an, zog genüsslich an ihr und schmiss mich auf das eben erwähnte Sofa, da die Kleidersuche zur Sisyphosarbeit wurde. Warum hatte ich mir so lange nicht viel aus meiner Kleidung gemacht? „Was willst du darauf hören?“ erwiderte ich und ließ dabei den Rauch aus meinem Mund austreten. „Ich will nur abpassen, ob mein Bruderherz vielleicht doch heute Abend Sex haben könnte.“ antwortete T.K. todernst. „Er sieht ganz gut aus.“ log ich dreist aber gut. „Scheiße, dann ist er richtig heiß.“ „Was?!“ Das konnte nur er. Mich so schnell zu durchschauen und die beste Lüge sofort zu erkennen. „Bro, ich kenn dich einfach.“ zuckte T.K. mit den Schultern. „Was meinst du: Steht er auf dich?“ „Bestimmt nicht.“ meinte ich, klang geknickter als eigentlich gewollt. „Aber er begleitet dich und behauptet, dass er dein Freund ist!“ „Das heißt doch nichts…“ „Und ob! Es werden locker über 50 Leute auf der Party sein, wenn nicht an die 100. Du weißt doch: Mimi ist beliebt. Es wird sich schnell rum erzählen, dass da ein neues schwules Paar anwesend ist und das kann sich dieser Tai sicher auch denken. Das, was ihr da tut, ist nicht nur ein Partyabend. Davon wird man noch in Wochen sprechen.“ Scheiße, er hatte Recht. Das hatte ich nicht bedacht. Absolut nicht… Das würde ich so schnell nicht mehr loswerden. Verdammt! Fuck! Grübelnd zog ich an meiner Zigarette, die ich fast hatte aufglimmen lassen. Hatte Tai wirklich Klarheit darüber, was für eine große Sache das war? Auch mir fiel erst jetzt wieder ein, wie groß und übertrieben Mimis Partys immer ausfielen und dieses Mal war es ihr 18. Geburtstag. Die halbe Schule würde da sein und noch weitere Jugendliche. „Nun, komm schon…“ Während ich kurz in Gedanken versunken war und mich für meine eigene Blödheit verfluchte, war T.K. in die Küche verschwunden und kam nun gerade wieder. In seiner Hand hielt er ein mit Whiskey gefülltes Glas und reichte es mir. „Runter damit! Und dann ziehst du dieses Totenkopf-Shirt an, dazu leihe ich dir eine hautenge Jeans von mir. Dir wird bei dir perfekt sitzen und deinen Arsch super betonen. Dann style ich deine Haare und du vergisst sofort, dass du dich überhaupt einen Monat lang gehen lassen hast. Ich werde dein Selbstwertgefühl in die Höhe schießen lassen.“ Er grinste mich aufbauend an, als würde er in Wirklichkeit sagen wollen: „Ich will dich nicht mehr leiden sehen. Hab endlich wieder Spaß am Leben.“ Dann fügte er noch theatralisch klingend. „Ich mache einen Star aus dir, Baby!“ hinzu und ich musste nun doch lachen, da T.K.s Gesicht dabei doch einfach zu witzig gewesen war. „Okay.“ gab ich mich geschlagen. „Leg los, du Genie.“ „Das wollte ich hören.“ Er drückte mir den Whiskey in die Hand, ich setzte das Glas an und mit einem Schluck war es auch schon wieder leer. Wie oft T.K. das Glas in den nächsten Stunden nachfüllte, konnte ich nicht beurteilen. Ich trank jedenfalls eine gehörige Ladung dieses köstlichen aber stark alkoholischen Getränkes und das jedes Mal auf Ex. Während er an meinen Haaren rum machte, war ich damit beschäftigt mich um meinen Rauschzustand zu kümmern und reichlich Zigaretten wegzurauchen. Ich ignorierte sogar, dass T.K. sich ebenfalls an dem Whiskey bediente, während er meine Haare Strähne für Strähne zunächst durch ein Glätteisen zog, und schon sehr bald wurde er ebenso albern wie ich. Es ging mir wirklich erstaunlich gut, ich scherzte mit meinem Bruder umher und ich lachte viel, doch ich war wirklich mehr als nur angeheitert. Tief in mir wusste ich, ich musste wieder nüchtern werden, Tai würde bald hier sein und er musste mich nicht sturzbesoffen erleben. Meine Frisur war fertig und zum ersten Mal war ich beeindruckt von T.K.s Vorschlag. Sie glänzten, wirkten weder spröde noch brüchig und jede Strähne saß perfekt gekämmt, ein paar standen ab und gaben dem ganzen diese zerzauste Optik wie auch Tai sie in seinen Haaren hatte. Doch da realisierte ich, wie viel wir getrunken hatten. Eine Flasche war leer und die zweite hatte auch schon etwas von ihrem Inhalt eingebüßt. Kein Wunder, dass ich schwankte, als ich aufstand und alles etwas schwummerig wirkte. Wie spät war es inzwischen eigentlich? Als ich fast fiel, fing T.K. schallend an zu lachen und warf mir seine Jeans zu. „ Hier! Und vergiss das T-Shirt nicht. Und wehe, du zerstörst mein Werk dabei!“ Das T-Shirt hatte ich schnell übergeworfen, die Hose sollte aber zu einem größeren Problem werden. Ohne über meine Taten nachzudenken, ließ ich meine Hose runter auf den Boden fallen und stieg irgendwie aus ihr hinaus, taumelte dabei sichtlich orientierungslos durchs Zimmer. T.K. kicherte nur fast schon lallend und genoss diese Show sichtlich. Dabei kugelte er sich amüsiert auf dem Sofa hin und her. Als ich mich dann in diese enge Jeans presste, war es vorbei. Mit einem Bein kam ich heil in die Hose hinein, doch als ich mit dem zweiten hinterher wollte, verabschiedete sich mein Gleichgewichtssinn endgültig und ich fiel grandios genau auf den Bauch hin, die Hose irgendwo in den Kniekehlen hängend. Natürlich heulte T.K. jetzt vor lachen und ich war so angetrunken im Kopf, dass ich im ersten Moment völlig überfordert mit der Lage war und mich gar nicht mehr regte. „Alter, kein Whiskey mehr für dich, Bro!“ hörte ich T.K. johlen und als wäre ich nicht genug gestraft, klingelte es plötzlich an der Haustür. Das konnte nur… Oh Gott! „Mach nicht auf!“ mahnte ich noch brüllend, doch mein Bruder hüpfte schon euphorisch zur Tür. „Das ist der heiße Tai!“ freute er sich lautstark. „T.K, ich bring dich um!“ Okay, Ruhe bewahren! Noch hatte ich Zeit, noch konnte ich die Lage retten. Konzentrier dich, Matt! Panisch versuchte ich mich aufzurappeln, doch in meinem Kopf drehte sich alles, ich bekam nichts an meinem Körper koordiniert. Meine Arme waren schwer wie Blei, ich konnte mich nicht abstützten. Verdammter Alkohol. Da war es auch schon zu spät… „Empfängst du alle deine Gäste so, Yamato?“ Ich sah hoch und Tai stand breit grinsend im Türrahmen, hinter ihm mein fast vor unterdrücktem Lachen erstickender Bruder. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so bloßgestellt gefühlt. Wie an dem Tag in dem Café sah er unbeschreiblich gut aus. Er trug eine weite graue Jeans und ein weites rot-schwarzes T-Shirt, das an einer Ecke nur lose in der Jeans steckte. Niemand sonst würde dieses lockere Outfit so gut stehen. Jeder andere würde prollig oder gar asozial wirken. Doch nicht er. „Du meinst mit den Hosen unten?“ fragte ich künstlich lachend, versuchte möglichst cool zu bleiben und das Beste aus dieser dämlichen Situation zu machen. „Nein, nur diejenigen, die es verdienen.“ Er lachte sein sympathisches und offenes Lachen und kam zu mir hinüber. „Ich fühle mich geehrt.“ Dann reichte er mir die Hand, die ich auch, wenn auch zögerlich nahm, und er zog mich hoch. Kurz taumelte ich noch, dann fühlte ich mich erschreckend nüchtern. Von jetzt auf gleich. Ein Blick in Tais grinsendes Gesicht genügte völlig. „Er hat schon etwas Whiskey getrunken. Also, eigentlich fast eine Flasche.“ verpfiff mich T.K, während er entspannt am Türrahmen lehnte und den wohl peinlichsten Moment meines Lebens beobachtete. „Das erklärt so einiges.“ sagte Tai darauf lediglich und nickte verständnisvoll. „Zum Beispiel, dass er seine Hose immer noch nicht hochgezogen hat.“ Sein Blick wanderte abwärts und ich begann direkt zu glühen vor Scham, sah selbst an mir herab. Tatsächlich. Immer noch hing meine Hose in den Kniekehlen. Ich hatte wirklich nur in beschissenen Boxershorts vor ihm gestanden! „Scheiße…“ keuchte ich auf, packte die Hose am Bund und zog sie schnell nach oben. „Das muss dir nicht peinlich sein.“ kicherte Tai, als ich hektisch versuchte die Jeans zu schließen, doch sie war tatsächlich verdammt eng. „Ist es aber, okay?“ fuhr ich ihn unwillkürlich böse klingend an. Schon hatte ich meine Worte bereut, dachte, er könne das falsch auffassen. Aber nein, er lächelte nur unbeeindruckt und sah sich zu T.K. um. „Ist dein Bruder immer so aggressiv?“ „Du musst ihn mal erleben, wenn ich zu spät nach Hause komme.“ antwortete er schlicht seufzend, darauf lachte mein Alibi-Freund wieder. Armer Tai. Er war eine solche Frohnatur und musste mit mir zu einer Party. Ich, Matt Ishida, der seine Mundwinkel kaum dazu brachte mal ein Lächeln zu formen. „Sag mal, Tai…“ Mein kleiner Bruder schlich vorsichtig und mit einem scheinheiligen Blick zu ihm hinüber. „Du hast doch sicher kein Problem damit, mich mitzunehmen, oder? Also, zu der Party nachher…“ „Nein, natürlich nicht.“ zuckte er mit den Schultern. „T.K, das hatten wir schon.“ schaltete ich mich alarmiert ein. Dass er es wagte, so dreist zu sein und Tai zu fragen, ob er ihn mitnahm. „Du kommst nicht mit. Du bist minderjährig und dort wird getrunken. Außerdem hast du sowieso schon viel zu viel von dem Whiskey getrunken. Ich verbiete es.“ „Oh Gott…“ ätzte er genervt. „Wie alt bin ich? 5? Und als ob, es mir nur um den Alkohol ginge. Ich will einfach unter Leute. Hier in dieser Butze kriegt man doch Depressionen. Du bist doch das beste Beispiel.“ Beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust. Sein vorwurfsvoller Blick traf mich mit voller Wucht und tatsächlich fühlte ich mich kurz schuldig. Tai verstand natürlich nicht, wo das Problem lag. So guckte er mich fragend an, warum mein 16-jähriger Bruder nicht mit auf einen Geburtstag durfte. Für mich war das nur logisch. Er wusste nichts von der ganzen Situation, von unserer Situation. Kurzerhand packte ich ihn am Handgelenk und zog ihn ein paar Meter von T.K. weg, um in Ruhe mit ihm zu sprechen. „Warum willst du nicht, dass er mitkommt?“ fragte er sofort. „Du warst doch sicher auch auf Partys mit Alkohol, als du noch minderjährig warst.“ „Natürlich, aber darum geht es nicht.“ widersprach ich zischend. „T.K. hat damals sehr unter der Trennung unserer Eltern gelitten und jetzt steckt er mitten in der Pubertät. Unsere Mutter hat ihn rausgeworfen, als sie glaubte, gar nicht mehr mit ihm klar zu kommen. Er hat rebelliert, hat die Schule geschwänzt und so weiter. Er hat seine Grenzen regelmäßig überschritten und unsere Mutter wusste einfach nicht mehr weiter. Ich bin fast zur gleichen Zeit Zuhause rausgeflogen, deswegen wohnen wir auch zusammen. Seit dem läuft es zumindest wieder mit der Schule. Der Punkt ist: Wir haben einfach eine ziemlich kaputte Familie und T.K. verarbeitet das anders als ich. Er trägt seinen inneren Frust auf eine sehr komische Art nach außen… Meistens durch seine bissigen Sprüche und eben durch seinen übertriebenen Alkoholkonsum, das haben wir wohl gemeinsam…“ Überraschend aufmerksam hörte Tai mir zu und wirkte etwas geknickt, als ich fertig war. „Das tut mir Leid…“ flüsterte er seufzend. „Dass ihr so einen schlechten Draht zu euren Eltern habt. Du fliegst raus, er fliegt raus… Man kann doch über alles reden.“ „Nicht über alles.“ Das wusste ich inzwischen gut genug. Es gab Themen, die blieben auf ewig Tabu. Mein Vater hatte mir das klar gezeigt. „Ich verstehe deine Sorge, Yamato. Aber du kannst nicht für ihn erwachsen werden. Er muss seine Erfahrungen selbst machen. Außerdem bist du doch selbst da. Zur Not kannst du doch genau überwachsen, wie viel er trinkt.“ Natürlich hatte er irgendwie Recht. Aber er war einfach nicht in meiner Lage… Wie sollte er meine Entscheidung nachvollziehen können? „ Ich habe auch eine kleine Schwester.“ fuhr Tai fort. „Kari heißt sie. Sie ist in T.K.s Alter und glaub mir, ich liebe sie über alles, aber ich weiß, dass sie ihre Entscheidungsfreiheit braucht, um ein erwachsener Mensch zu werden. Das fällt mir auch schwer… Ich hasse so viele Typen mit denen sie ausgeht. Keiner ist mir gut genug für sie.“ „Wow, das muss ein großer Bruder-Komplex sein.“ erwiderte ich daraufhin etwas lächelnd. „Oh ja…“ Tai nickte zustimmend. „Es ist schlimm…“ Dann lachte er erneut. „Komm, lass T.K. seinen Spaß. Ich halte ihn eigentlich für sehr intelligent, er neigt nur einfach zur Provokation. Das kann Kari auch. Sie trifft sich, glaub ich, mit Absicht mit Kerlen, die ich hasse.“ „Ich glaube, du hasst diese Typen einfach nur, weil sie sich an deine Schwester ranmachen.“ widersprach ich ihm grinsend, woraufhin Tai ächzte. „Kann auch sein…“ Kurz kicherte ich, dann blickte ich zu T.K., der sichtlich sauer immer noch abseits stand und mich böse ansah. „Ich bin kein Kind mehr.“ sagte er direkt, als er meinen Blick wahrnahm. „Das weiß ich.“ erwiderte ich ehrlich. „Darum nehmen wir dich auch mit.“ „W-Wirklich?!“ Mein kleiner Bruder war regelrecht schockiert über meinen plötzlichen Meinungsumschwung. „Ich vertraue dir und ich weiß, du wirst dieses Vertrauen nicht missbrauchen.“ Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Tai zufrieden lächelte und auch T.K. lächelte, doch er sah dabei eher dankbar und glücklich aus. Er strahlte regelrecht. „Danke, Bro.“ In diesem Moment erinnerte er mich an den kleinen Bruder, den ich mal hatte, bevor er angefangen hatte, erwachsen zu werden. Tais Auto war der Wahnsinn. Ich konnte es gar nicht fassen, als ich dieses auf Hochglanz polierte pechschwarze Cabrio vor unserem grauen und tristen Häuserblock stehen sah. Es passte so gar nicht dieses Szenario. Es war einfach viel zu schön. Glänzende Felgen, das Innenleben aus beigefarbenen Leder und auch die Fenster reflektierten strahlend das Sonnenlicht. Nachdem ich es kleine Unendlichkeit fassungslos angestarrt hatte, drehte ich mich nur ganz kurz zu meinem Begleiter um. „Das ist es?!“ fragte ich ungläubig, konnte meinen Blick dann wieder nicht von diesem Auto wenden. „Nett, nicht?“ grinste Tai fast schon blamiert. „Es ist… der Wahnsinn.“ war ich sprachlos. Ich stellte mir vor, wie es wäre im Sommer mit offenem Verdeck am Meer entlang zu fahren, wenn die Sonne zum Ersticken heiß war. Wenn die Möwen kreischten und nur der Fahrtwind einem Abkühlung spendete, wenn der Regen verschwand und nur Sonne blieb. Es war ein Traum. Irgendwann wollte ich selbst ein Cabrio besitzen und damit zum Meer fahren. Einfach alles vergessen und nur noch die Sonne und ihre Wärme spüren. „Apropos Wahnsinn.“ setzte Tai etwas leiser als von ihm gewohnt an und ich drehte mich nun komplett zu ihm, verwundert wie ich war. „Du siehst übrigens echt wahnsinnig heiß aus. Heute noch mehr als in dem Café und da fand ich dich schon irre attraktiv. Du hast eine unglaubliche Ausstrahlung, Yamato. Wenn du wolltest, könntest du sicher jeden haben.“ Er schmunzelte entschuldigend, als er sah, wie rot ich auf diese Worte hin wurde. „Tut mir Leid, aber so ist es. Ich käme mir falsch vor, nicht ehrlich zu dir zu sein. Immerhin bin ich heute Abend dein Freund.“ „Ähm…“ Mir fehlten die Worte. Noch nie war ich einem Menschen wie Tai begegnet. Er sprach seine Gedanken so offen aus wie niemand vor ihm. Dennoch war er einfach immer liebenswürdig dabei. Ob es nun um die Sache mit Sora ging oder um meinen Bruder oder, ob er mir einfach direkt sagte, dass er mich heiß fand. Er hatte keine Hemmungen. Er musste sehr mutig sein. Anders konnte ich mir diese Art nicht erklären. „Danke, schätze ich.“ presste ich schließlich hervor. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich ihn auch heiß fand. Sehr sogar. Dass ich meine Hände gerne in seinen Haaren vergraben würde oder ihm stundenlang einfach nur in die Augen starren könnte und natürlich, dass er das wohl schönste Lachen hatte, dass ich je gesehen hatte. Auch, dass ich das Gefühl hatte, ich könne ihm alles anvertrauen, würde ich ihm gerne sagen. Doch ich war nicht wie er. „Ich mein das ernst.“ sagte Tai nur. „Nicht, dass du denkst, ich verarsche dich. In meinen Augen bist du… Wow!“ „Okay, das ist mir jetzt wirklich unangenehm.“ wollte ich das Thema umlenken. Mein Kopf glühte. Ich spürte es und wieder lächelte er nur. Wieso war er nur ein so sympathischer Mensch? Meine unerwartete Zuneigung zu ihm vermischte sich mit dem Trennungsschmerz in mir. Meine Gefühle fuhren Achterbahn und ich wusste nicht, ob ich glücklich oder unglücklich sein sollte. Ich selbst sagte mir, dass ich keinen Grund hatte Glück zu empfinden, denn ich war allein. Das würde sich auch so schnell nicht ändern, denn Tai würde mich als festen Freund nie wollen, würde er merken, was ich für eine Trauerweide war. Dabei war ich ganz beschissen im Single sein. Ich brauchte diese Nähe, vielleicht weil meine Eltern eine solche Beziehung nicht hatten und ich ebenfalls keine Nähe von ihnen bekommen hatte. Das Problem: Niemand hielt es lange mit mir aus. Ich war vielen zu trüb, zu nachdenklich, zu ruhig oder einfach zu anders. Immer dieses „zu, zu, zu“. „Hey Tai!“ Da kam auf einmal T.K. von hinten angeschossen. Bis eben hatte er noch sein Handy gesucht, jetzt schien er wohl fündig geworden zu sein. „Wusstest du eigentlich, dass mein Bruder ein zukünftiger Rockstar ist?“ fragte er ungeniert. Als Tai seine Stirn verwirrt in Falten legte, erweiterte T.K. seine Aussage. „Ja, wirklich! Er spielt Gitarre, singt und schreibt Songs. Eine Zeit lang war er auch in einer Band. Er ist wirklich gut. Nur sieht er selbst nicht, dass er talentiert ist.“ „Ach!“ machte Tai interessiert und sah wieder mich an. Schon jetzt wusste ich, dass unangenehme Fragen folgen würden. „Dann bist du wohl eine freie Künstlerseele, was?“ „So würde ich das nicht nennen.“ entgegnete ich trocken. „Das hat sich vor einigen Jahren so ergeben. Aber inzwischen habe ich schon lange keine Songs mehr geschrieben und generell habe ich meine Gitarre eine Ewigkeit nicht mehr angerührt.“ „Was eine Schande ist.“ warf T.K. ein. „Seit der Trennung von Sora hast du nicht mehr gespielt.“ Ja, da hatte er Recht. Damit, dass ich seither nicht mehr gespielt habe und damit, dass es eine Schande ist. Vor allem damit, dass es eine Schande ist. Ich weiß es selbst und ich spürte, dass mir dieses Ventil, dieser Selbstausdruck mir fehlte. „Du solltest sie wirklich vergessen.“ riet Tai mir plötzlich. Sein Gesicht war todernst und dennoch voller Sorge, als er das sagte. Noch nie hatte mich jemand so angesehen. „Sie hat immer noch viel zu viel Macht über dein Leben.“ „Endlich sagt’s mal jemand. Meine Meinung zählt ja nicht.“ murmelte T.K. und bemusterte nun, ebenso beeindruckt wie ich zuvor, Tais Cabrio. Ich sagte gar nichts. Ich mochte es nicht, wenn jemand so über Sora sprach. Wahrscheinlich einfach, weil es der Wahrheit entsprach, die ich nicht hören wollte. „Wow, ich hätte nicht gedacht, dass du so eine Angeberkarre fährst.“ scherzte er und Tai lachte laut. „Na ja, irgendwie muss ich meinen kleinen Schwanz ja ausgleichen.“ Worauf ich auch unverhofft lachen musste und zwar richtig unkontrolliert. Es platzte einfach aus mir heraus und ich verstand selbst nicht einmal, was ich an diesem Spruch von Tai so witzig fand. Aber weder er noch T.K. sagte etwas. Beide fingen allerdings an zu grinsen und schienen so, als würden sie sich über meinen Lachanfall freuen. Als mein Lachen wieder verebbte, fragte Tai mich: „Geht’s wieder?“ und ich nickte mit Tränen des Lachens in den Augen. T.K. hatte sich bereits auf dem Rücksitz eingefunden, als Tai mir die Tür aufhielt, damit ich mich noch vorne neben ihn setzen konnte. Immerhin war ich heute Abend sein fester Freund und wir wollten als Paar möglichst authentisch wirken. Ich hatte Angst, dass wir auffliegen würden. Wie auch immer… Es wäre wohl das Peinlichste, was passieren könnte. Mir drängte sich immer wieder die Frage auf, wie weit dieser Abend mein Leben danach beeinflussen würde. Gerade stieg ich ein, da flüsterte Tai mir zu: „Das mit meinem Schwanz war gelogen. Eigentlich hab ich ein unglaubliches Gemächt.“ Wieder konnte ich mir mein Gekicher nicht verkneifen. „Glaub ich dir sofort.“ zwinkerte ich ihm scherzend zu und warf mich auf den Sitz. Umgehend warf Tai die Tür zu und eilte ums Auto herum. Diesen Moment ergriff T.K. sogleich und beugte sich über meine Schulter. „Ihr versteht euch ganz schön gut.“ flüsterte er und ich hörte seinen zufriedenen Unterton heraus. „Außerdem scheinst du ihm generell ziemlich zu gefallen.“ „Erzähl keinen Unsinn.“ wehrte ich lediglich ab, denn darüber mussten wir nun wirklich nicht reden. Ja, Tai fand mich gut aussehend. Na und? Ich fand ihn auch sehr attraktiv und dachte nicht an Sex mit ihm. Obwohl… Jetzt gerade schoss mir diese Möglichkeit schon durch den Kopf. Aber auch nur weil T.K. mich auf die Idee gebracht hatte. „Aber ich sehe doch genau, wie er dich anschaut. Klar, steht er auf dich.“ widersprach mein kleiner Bruder sehr leise, damit Tai uns auch nicht hörte, denn genau in dem Moment ließ er sich neben mich fallen. „ Jetzt holen wir noch Davis und Ken ab und dann fahren wir zu eurer Freundin. Wie heißt sie noch mal?“ „Mimi.“ antwortete ich, blickte kurz zu meinem Geschenk für sie, das neben T.K. auf dem Rücksitz lag. „Ich kenne den Weg. Ich kann ihn dir dann zeigen.“ „Wunderbar.“ nickte Tai grinsend, beugte sich dann jedoch zu mir hinüber. „Eine Frage hätte ich noch an dich.“ flüsterte er mir zu, damit T.K. nichts hörte. Ich nickte, bedeutete ihm somit, dass er fragen durfte. „Von T.K. weiß ich, wieso er von Zuhause rausgeflogen ist. Aber wieso du? Du wirkst nicht wie jemand, der Probleme macht…“ Die Frage traf mich unerwartet und vor allem äußerst unangenehm. Ich senkte den Kopf und schon jetzt schien Tai klar zu werden, dass er einen wunden Punkt erwischt hatte. Sein Mund formte sich schon zu einer Entschuldigung, da sagte ich schnell: „Ein anderes Mal, okay?“ Meine Stimme klang brüchig, schmerzerfüllt, was ich selbst nicht ganz verstand. Tai nickte nur mit einem traurigen Ausdruck in seinen haselnussfarbenen Augen und streichelte mir kurz über meine linke Hand. Eine Geste, die mehr half, als viele Worte. Es war schon komisch mit einem fast Fremden in dessen Auto zu sitzen und sich von ihm die Hand streicheln zu lassen, doch kurz durchfuhr mich eine unglaublich schöne und angenehme Wärme, die viel zu schnell wieder verschwand, ebenso wie Tais Hand. Durch diese Wärme konnte ich mich trotz meines inneren Kampfes zu einem Lächeln aufraffen, dass ich ausschließlich Tai gab, damit er sich keine Vorwürfe wegen seiner Frage machte. Natürlich erwiderte er es. War er doch wohl der Mensch, den ich kannte, der am häufigsten lachte. Wenn ich ehrlich war, hatte ich geglaubt, dass Tai passend zu seinem Auto etwas zu schnell fahren würde und nicht sonderlich viel um Verkehrsregeln geben würde. Allerdings war er ein ziemlich akkurater und ordentlicher Fahrer. Dennoch war er natürlich etwas über dem Tempolimit. Ich selbst war das auch immer gewesen, als ich das Auto, einen silbernen Mercedes, meines Vaters gefahren hatte. Eigentlich war ich sogar noch mehr drüber gewesen, als es Tai gerade war. Ein guter Fahrer war auch nicht an mir verloren gegangen. Nicht umsonst war ich durch die Prüfung gefallen – Zweimal. Einmal hatte ich beim Einparken einem anderen Auto fast den Seitenspiegel abgefahren. Da sollte noch mal jemand behaupten nur Frauen könnten nicht parken. T.K. war äußerst schweigsam in der hinteren Reihe. Er beobachte Tai und mich aufmerksam bei dem kleinen Gespräch, das wir führten. Ab und zu grinste er dabei. Fast hatte ich das Gefühl, er wollte uns um keinen Preis irgendwie an diesem Gespräch hindern. Ich weiß gar nicht mehr, worüber wir sprachen. Zumindest lachte Tai die ganze Zeit über, daran erinnere ich mich noch. Denn dieses Lachen vergaß man einfach nicht, da es so furchtbar ansteckend war. Die Lage wurde immer entspannter und ich genoss sie mehr und mehr. Dank Tai fing ich an, mich auf die Party und generell auf den Abend mit ihm zu freuen. Vielleicht spürte ich den Whiskey auch wieder. Aber es war mir egal. Vielleicht konnte ich einfach mal wieder jung sein. Schließlich fuhren wir bei Davis und Ken vor, die schon unten vor ihrem Häuserblock auf uns warteten. Mit dem Auto brauchte man je nach Verkehrslage nur 10 Minuten zu ihnen durch die Innenstadt. Die Beiden waren bereits vor 3 Monaten zusammengezogen und Davis litt immer noch unter der von Ken eingeführten gesunden Ernährung, die er schon vorher manchmal zu spüren bekommen hatte. Ihre ganze Beziehung war eher unkonventionell. Ken legte nicht viel Wert darauf, dass Davis ihm viele Liebesschwüre machte. Hin und wieder wollte er jedoch Komplimente bekommen, was sein Freund auch brav tat. Dafür brachte Ken ihm dann immer, wenn er von der Uni kam, irgendeinen Fast Food-Kram mit, den Davis fast so sehr liebte, wie er Ken liebte. Man könnte klar sagen, wer in dieser Beziehung sagte, wo es lang ging… Doch Davis behauptete mir gegenüber immer, dass es ihm nichts ausmache und er Ken mit Absicht die Führung überließ. Natürlich. Als ob man so etwas über ein Jahr lang tun könnte. Ein Jahr war furchtbar lang in meinen Augen, zumindest als Beziehung. So lange hatte es bei mir nie gehalten. Ich kannte Davis gar nicht Single. Als wir Freunde wurden, war er schon ein paar Monate mit ihm zusammen gewesen. Er war Kens erster richtiger Freund, seltsamerweise. „Hallöchen ihr Schönen.“ zwitscherte Ken als er sich neben T.K. in die Rückbank fallen ließ, Davis folgte ihm nach, nachdem er sich in der Mitte platziert hatte. „Hey.“ sagte dieser jedoch nur. „Du bist?“ fragte Ken meinen kleinen Bruder verwirrt. „T.K, Matts Bruder. Wir haben uns aber schon mal gesehen, wenn auch nur kurz.“ „Oh, natürlich.“ erinnerte Ken sich nickend und wirkte sogar etwas blamiert. T.K. lachte allerdings nur. Als ob ihn das groß interessierte oder gar störte. „Er hat schon etwas vorgetrunken.“ seufzte Dave erklärend, worauf Tai anfing zu grinsen und aus der Parklücke ausfuhr, um auf die Straße zurückzukehren. „Er hat die ganze Flasche Sekt, die wir noch von seinem Geburtstag hatten, alleine ausgetrunken. Kein Wunder, dass er mit den Gedanken etwas wo anders ist.“ „Wow, Glückwunsch! Mein Bruder und ich haben vorhin nebenbei eine ganze Flasche Whiskey weggekippt.“ lachte ich amüsiert. Inzwischen war ich völlig aufgeblüht. Ich war wie… vor 4 Jahren. Als ich mit 16 mitten in der Pubertät steckte so wie T.K. heute. Dieser pflichtete mir gerade bei: „Das Zeug war der Hammer! In Zukunft trink ich nur noch so etwas.“ Ich bemerkte, wie Tai mich scharf ansah und musterte. „Was ist?“ fragte ich ihn mit einem leicht aufgekratzten Unterton. „Nichts.“ sagte er nur Schulter zuckend. „Gute Laune steht dir einfach.“ Da lachte ich lautstark auf, da diese Aussage so absurd wie schmeichelnd war. Doch ich wurde schier abgewürgt, da Tai sich nach hinten wand und Davis fragte: „Wo muss ich jetzt eigentlich lang?“ Bislang war er dem Straßenverlauf aus dem Wohnviertel heraus gefolgt. „Du bist auf dem richtigen Weg, Kumpel. Bieg an der großen Kreuzung da vorne rechts ab. Dann musst du eine ganze Weile geradeaus.“ antwortete Dave direkt, dann sah er unerwartet ernsthaft zu mir. „Meinst du, du bist bereit für heute Abend?“ Augenblicklich lagen auch Tais Augen auf mir, auch wenn es nur kurz war, denn die Straße war wesentlich wichtiger. „Ich bin mir nicht sicher.“ sagte ich ehrlich. „Es ist keine Kleinigkeit mit einem gebrochenen Herz so zu tun, als sei man verliebt. Vor allem, wenn der Grund deines gebrochenen Herzens anwesend ist.“ Im Rückspiegel sah ich, wie Ken den Kopf sinken ließ und auch mein kleiner Bruder biss sich fast unmerklich auf die Unterlippe. Es tat ihnen wirklich leid, was mit mir passiert war. „Mögt ihr euch denn?“ fragte Davis neugierig nach. „Ihr konntet euch ja jetzt schon etwas beschnuppern, also wie sieht’s aus?“ „Also.“ schoss Tai wie eine Pistole los. „Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Aber ich mag Yamato sehr gern. Er ist eine sehr sympathische Trauerweide.“ Wieder brachte er mich zum Grinsen. „Ja, ich mag Tai auch sehr gern. Er hat eine große Klappe, aber er ist sympathisch dabei.“ antwortete ich meinem Kumpel, der erleichtert schien. Währenddessen zwinkerte mir Tai wegen unserer aneinander angepassten Antworten zu. Mir wurde fast warm ums Herz. „Gut, ich dachte schon, du empfindest ihn als nervig oder albern oder halt so in die Richtung…“ sagte Davis in dem Moment. „Ach!“ machte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Hast du ihn mir nicht zu Anfang angepriesen?“ „Schon, aber du bist sozial gesehen sehr komisch.“ „Was bin ich?“ empörte ich mich. „Stopp! Und was bin ich?!“ schaltete sich Tai ein. „Nervig und albern?“ „Sozial seltsam?“ Tai und ich guckten uns sauer an. Nicht aufeinander, sondern auf unsere Freunde. „Davis, ich hab dir gleich gesagt, dass sie sich mögen würden. Ich wusste, sie würden sich gut ergänzen. Darum hab ich ja gesagt, sie sollen sich mal kennenlernen.“ mischte sich nun Ken ein. „Das war eigentlich deine Idee?“ war ich nun endgültig verwirrt. „Natürlich.“ Ken lachte. „Ich kenne Tai doch schon viel länger als Davis. Er war bereits mein Kumpel, als ich Davis kennengelernt habe. Wir haben damals zusammen gewohnt. Weißt du noch, Tai?“ „Was?!“ Auch davon hatte ich keine Ahnung. „Oh ja, ich konnte mir alleine keine Wohnung leisten. Irgendwann bin ich ausgezogen, weil ich mehr Geld verdient habe, und Davis kurz danach ein.“ erinnerte sich Tai. Es war komisch… Ich hätte nie gedacht, dass Tai ursprünglich Kens Kumpel gewesen war und Davis nur durch ihn kennengelernt hatte. Einfach weil Tai und Davis sich viel ähnlicher waren als Tai und Ken. „Zwischen uns ist aber nie was gelaufen, falls du das jetzt denken solltest.“ stellte Tai an mich gerichtet klar. „Was schade ist.“ meinte Ken hinzufügend und seufzte. „Ich mochte Tai schon immer. Und ich mochte es vor allem sehr gern, wenn er nach dem Duschen nur mit einem Handtuch um die Hüften durch die Wohnung gelaufen ist oder morgens Liegestütze gemacht hat.“ Davis rollte nur mit den Augen, sah jedoch so aus, als störe es ihn nicht wirklich. Ich konnte Ken sehr gut verstehen. Mir würde dieser Anblick auch gefallen. Tais knackiger Körper war mir nicht entgangen. Ich war verlassen worden, aber ich war nicht blind. „Du siehst, Ken hat es zumindest versucht.“ scherzte Tai. „Kann ihm niemand verübeln.“ erwiderte ich. Immerhin hatte er mir so viele nette Komplimente gemacht, da konnte, nein ich musste darauf einfach mal etwas erwidern. Alles andere wäre äußerst unhöflich und ignorant gewesen. Darauf grinste er wieder. „Findest du, ja?“ hakte Tai neugierig mit einem feixenden Funkeln in den Augen nach. „Und wie.“ bestätigte ich kichernd, weil es mir doch irgendwie unangenehm war, so mit ihm zu sprechen. Es war nicht meine Art jemanden so offensiv zu sagen, dass ich ihn attraktiv fand. Auch wenn es nur im Scherz war. „Wenn du da vorne abbiegst, sind wir fast da, Alter.“ deutete Davis auf die Straße und auf eine kleine Abbiegung, die von ihr in die linke Richtung wegführte. „Du wirst Mimis Haus nicht übersehen. Es ist relativ… unübersehbar.“ Die Anweisung vernehmend nickte Tai und bog gekonnt in die Straße ein. Er war wirklich ein besserer Fahrer als ich. Im Gegensatz zu ihm fuhr ich, als hätte ich nie Fahrstunden gehabt. Kaum, dass das Auto wieder von ihm gerade gelenkt wurde, legten sich Falten auf Tais Stirn. „Das da vorne?“ fragte er verwirrt. „Das kleine Schloss, da vorne ja.“ antwortete ich für Davis, da dieser nicht mehr reagierte. „ Ich hasse Pärchen.“ kam auf einmal trocken von T.K, weswegen ich mich nun doch umdrehte und sah, dass Davis und Ken neben ihm in einen Kuss verfallen waren. Sein Gesicht hatte sich gruselig verfinstert. „Ehrlich. Erschießt mich.“ meinte T.K. kopfschüttelnd. „Erinnert mich daran, dass ich niemals auf Beziehung mache.“ „Natürlich, T.K. Du wirst dich nie verlieben. Sicher…“ machte Tai nur und schielte über seine Schulter zu meinem Bruder. „So habe ich auch mal gedacht.“ Dann sah er auf wieder auf die Straße mit einem unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Sein letzter Satz hatte komisch geklungen. Ich konnte nicht beurteilen wie. Etwas bitter, etwas missbilligend. Aber auch traurig. Hieß das, er hatte sich verliebt, jedoch mit seiner Liebe kein Glück gehabt? Saßen hier womöglich zwei gebrochene Herzen im Auto? T.K. schwieg wieder, sah kurz zu dem Paar neben sich und sah dann protostierend aus dem Fenster, als wolle er damit ausdrücken: „Redet, was ihr wollt. Ich verliebe mich nicht.“ „Die Liebe macht mich auch immer zum Idioten.“ sagte ich nicht weniger bitter. „Ich würde es auch gerne sein lassen, aber ich verliebe mich oft viel zu schnell. Doch wirklich auf die Menschen einlassen kann ich mich nie.“ „Ihr müsst euch in die richtigen Menschen verlieben.“ sagte Ken plötzlich, als er sich von Davis extra für diese Worte trennte. „Ich hatte ein paar Interessenten, als ich noch Single war, doch ich hab so lange gewartet, bis ich mir ganz sicher war.“ „Auf Davis? Ehrlich?“ hinterfragte Tai skeptisch. „Was Besseres hast du nicht gefunden?“ „Haha, Arschloch!“ machte Davis sarkastisch. „Nimm es nicht persönlich.“ beruhigte Ken ihn und fuhr ihm durchs Haar. „Ich kenne deine Qualitäten.“ „Halt! Über euer Sexleben wollen wir nichts hören!“ wandte ich mit erhobener Hand ein und auch T.K. wirkte jetzt richtig panisch. „Gut, dass du das ansprichst.“ Ken beugte sich zwischen den Vordersitzen, also zwischen Tai und mir, durch und fuhr fort: „Davis kann da so etwas ganz tolles mit seiner Zunge… Er macht es so, dass…“ „Es reicht, Ken! Was im Schlafzimmer passiert, bleibt im Schlafzimmer.“ versuchte nun Tai das Gespräch zu beenden. „Wer spricht hier vom Schlafzimmer?“ fragte Ken breit grinsend nach, woraufhin sein Freund stolz aussah oder sich einfach an etwas erinnerte, und ich musste über diesen Spruch doch tatsächlich ungewollt laut lachen. „Punkt für dich.“ gluckste ich dann. „Du lachst immer über die versauten Witze. Stille Wasser sind wohl doch tief.“ stellte Tai berechtigt fest. Aber ich zuckte nur grinsend mit den Schultern. Wir hielten etwas abseits von Mimis Haus, da ihre bereits anwesenden Partygäste die komplette Straße zugeparkt hatten. Laut der vielen Autos war es eine fast schon städtische Veranstaltung. Vorsichtig schnallte ich mich ab, während T.K. bereits aus dem Auto hechtete. Diese Autofahrt war für ihn sicher nicht schön gewesen. Die ganze Zeit ein händchenhaltendes Paar neben sich zu haben, war für ihn wie das Vorzimmer zur Hölle. Aber die Zwei würden das sicher nicht persönlich nehmen. „Wuhu, Partyzeit!“ quietschte Ken und klatschte in die Hände. „Ich muss unbedingt nachkippen. Ich merke den Sekt kaum noch.“ „Super, und ich trage dich dann wieder nach Hause, oder wie?“ Davis rollte mit den Augen. „Ja, schon.“ bestätigte Ken, legte dann aber ein süffisantes Lächeln auf. „Allerdings werde ich dann für alles zu haben sein.“ Da änderte sich Davis‘ Laune schlagartig. „Hey Leute, Partyzeit!“ rief nun auch er begeistert. Dann klopfte er Tai und mir auf die Schultern. „Und ihr seid mir ja ein glückliches Paar, klar?“ „Klar.“ Nickte Tai und sah dann zu mir. Mein Herz pochte unangenehm laut. Ich war furchtbar nervös. In diesem Haus nur wenige Meter von uns entfernt war Sora und ich wusste nicht, wie sie auf mich oder auch auf Tai reagieren würde. Aber das Wichtigste: Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde. Würde ich dem Druck standhalten? Oder würde ich durchdrehen? Würde ich zittern? Würden sich meine Augen mit Tränen füllen? Es fiel mir schwer, mir ein Verhalten meinerseits vorzustellen. Ich glaubte, jetzt schon zu hyperventilieren. Da spürte ich plötzlich, wie Tai meine Hand nahm. Wie vorhin. Ich sah ihn verwundert an. „Das wird schon.“ sagte er aufbauend, als hätte er gerade eben meine Gedanken gelesen. „Wir können jederzeit gehen, wenn du das gerne möchtest.“ „Danke.“ erwiderte ich jedoch mit ablehnendem Ton. „Aber das wird nicht nötig sein. Ich ziehe das durch. Schließlich wollte ich es so.“ „Gut, aber mein Angebot steht.“ Tai holte tief Luft, als sei er selbst ziemlich nervös. „Dann soll das Spiel beginnen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)